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Gericht setzt Rechtsstaat außer Kraft

Das Ver­wal­tungs­gericht hat mit ein­er Eilentschei­dung vom 09.04.20 unsere geplante Men­schen­kette ver­boten. Da die weit­ge­hen­den Befug­nisse des Ord­nungsamts und der Polizei die polizeis­taatliche Willkür und das Drangsalieren von Men­schen fördern, verzicht­en wir auf eine zen­trale Aktion.

Wir ver­trauen darauf, dass viele Potsdamer*innen am kom­menden Son­ntag und in der darauf­fol­gen­den Woche mit vie­len kreativ­en und dezen­tralen Aktio­nen von ihrem Recht auf Mei­n­ungs­frei­heit Gebrauch machen. Die Lan­desregierung darf nicht in Ruhe gelassen wer­den! Sie muss ein Sofort­pro­gramm zur Auf­nahme der Men­schen in den EU-Elend­slager starten. Alle hiesi­gen Sam­melun­terkün­fte und beson­ders die Erstauf­nah­men für geflüchtete Men­schen müssen aufgelöst wer­den. Die Lan­desregierung ver­stößt gegen den Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satz, dass alle Men­schen das Recht auf Gesund­heit und Men­schen­würde haben!

Als SEE­BRÜCKE-Aktion ver­legen wir die Men­schen­kette in den virtuellen Raum: Alle sind dazu aufgerufen, die Osterspaziergänge zu nutzen, um Fotos von sich selb­st und eige­nen Protest-Schildern zu machen, so als ob man in ein­er Men­schen­kette stünde. Die Fotos wer­den aneinan­derg­erei­ht und ver­bun­den mit den schon fer­ti­gen Rede­beiträ­gen zu einem Video zusam­mengeschnit­ten, was schließlich eine lange, bunte Men­schen­kette abbildet. Beispiele wie solche Fotos auss­chauen kön­nen, zeigen wir bald­möglichst auf unser­er Web­seite: https://seebruecke.org/events/menschenkette-am-ostersonntag-leavenoonebehind/

Wir sind fas­sungs­los über die Zer­set­zung des Rechtsstaats durch die eige­nen Behör­den. Das Ver­wal­tungs­gericht hat sich – wie die Polizei – kein­er­lei Mühe gemacht, eine Abwä­gung zwis­chen Grun­drecht der Ver­samm­lungs­frei­heit und der Verord­nung zum Infek­tion­ss­chutz vorzunehmen. Noch nie wurde eine Ver­samm­lung der­art umfassend mit Vor­sichts­maß­nah­men geplant. Jede Einkauf­ss­chlange, jedes Meet­ing in der Arbeitswelt und jede Polizeistreife nehmen nicht annäh­ernd den Infek­tion­ss­chutz wahr, wie wir ihn durch viele Maß­nah­men gewährleis­tet hätten.

Der Staat ver­bi­etet die Ausübung von Grun­drecht­en mit ein­er Härte, die wir an ander­er Stelle erwarten: Die Igno­ranz gegenüber dem Elend an den EU-Gren­zen ist nicht nur lebens­ge­fährlich für die dort fest­ge­hal­te­nen Men­schen: Grundle­gende Men­schen­rechte zu mis­sacht­en ist krim­inell und müsste strafrechtlich ver­fol­gt wer­den! Eben­so ver­stößt der selbe Staat massen­haft gegen den indi­vidu­ellen Infek­tion­ss­chutz für die Men­schen, die gezwun­gener­maßen in Sam­melun­terkün­ften leben. Im Fall von Massen­quar­an­tä­nen wer­den hun­derte Men­schen ein­er Infek­tion­s­ge­fahr durch gegen­seit­iges Ansteck­en ungeschützt ausgeliefert.

Dass sich die Stadt Pots­dam nun entsch­ieden hat, teil­weise Hotels zu nutzen, um die unter Quar­an­täne geset­zte Sam­melun­terkun­ft in der Zep­pelin­straße 55 zu entzer­ren, geht auch auf unseren Protest zurück. Wir begrüßen das Vorge­hen und fordern die kon­se­quente Umverteilung der noch beste­hen­den Sam­melun­terkün­fte auf dezen­trale Unterkün­fte wie möblierte Woh­nun­gen und Hotels. Dabei muss die Selb­st­bes­tim­mung der Bewohner*innen und eine Kom­mu­nika­tion auf Augen­höhe höch­ste Pri­or­ität haben. Gle­ichzeit­ig müssen so viele Men­schen wie möglich aus den Erstauf­nah­men in Eisen­hüt­ten­stadt und Dober­lug-Kirch­hain in die Städte, in Woh­nun­gen und Hotels umverteilt wer­den. Pots­dam muss auch hier einen Schritt nach vorne machen.

Wir kön­nen und dür­fen nie­man­den zurück lassen! #LeaveNoOneBe­hind

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Flucht & Migration Law & Order

Eilantrag gegen Versammlungsverbot

Am 07. April sprach die polizeiliche Ver­samm­lungs­be­hörde für die in Pots­dam angemeldete Men­schen­kette „Lager evakuieren – Leben ret­ten! Leave No One Behind!“ ein Ver­samm­lungsver­bot mit Hin­weis auf die Bran­den­bur­gis­che Eindäm­mungsverord­nung aus. Dage­gen erfahren wir aus ver­schiede­nen Rich­tun­gen großen Zus­pruch. Zehn Organ­i­sa­tio­nen wie u.a. der Migranten­beirat der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, Flüchtlingsrat Bran­den­burg und women in exile e.V. unter­stützen den Aufruf zur Men­schen­kette (Gesamtliste siehe unten). Aus der Poli­tik auf der Stadt‑, Lan­des- und Bun­destagsebene erfahren wir eben­falls eine bre­ite Unterstützung.

Wir haben heute einen Eilantrag beim Ver­wal­tungs­gericht ein­gere­icht, um unser Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit einzuk­la­gen. Wir fordern für alle Men­schen – egal welch­er Herkun­ft – gle­icher­maßen vol­lum­fänglichen Infek­tion­ss­chutz. Fol­gerichtig wird unsere Men­schen­kette mit einem Sicher­heitsab­stand von 3 m, mit Mund­schutzpflicht und mit zeit­ver­set­zter Anreise ab 15 Uhr durchge­führt. Unsere Sicher­heits­maß­nah­men übertr­e­f­fen jede Einkauf­ss­chlange vor einem Baumarkt.

Das Ver­bot ein­er mit Vor­sichts­maß­nah­men geplanten Ver­samm­lung begrün­det mit der Infek­tion­s­ge­fahr ist zynisch und krim­i­nal­isiert unsere Forderun­gen nach Men­schen­rechte: Wir demon­stri­eren für eine sofor­tige Evakuierung der an den EU-Gren­zen fest­ge­hal­te­nen Men­schen. Zehn­tausende sind den lebens­ge­fährlichen Bedin­gun­gen aus­ge­set­zt. In den Elend­slagern gibt es keinen Infek­tion­ss­chutz! Eben­so sind die momen­tan in Deutsch­land stat­tfind­en­den Massen­quar­an­tä­nen von Sam­melun­terkün­ften unvere­in­bar mit dem indi­vidu­ellen Recht auf Gesund­heit. Sam­melun­terkün­fte müssen jet­zt umverteilt wer­den auf dezen­trale Unterkün­fte wie leere Hotels und möblierten Woh­nun­gen, um weit­ere massen­hafte Quar­an­tä­nen zu verhindern!

Stadtverord­nete von Bünd­nis 90/Die Grü­nen, SPD, Die Linke und Die Andere sprechen sich gegen die rig­orose Ein­schränkung der Ver­samm­lungs­frei­heit aus. Ver­schiedene Land­tags- und Bun­destagsab­ge­ord­nete wie MdL Marie Schäf­fer und Ricar­da Bud­ke (Bünd­nis 90/Die Grü­nen), MdL Isabelle Van­dré (Die Linke) und MdB Nor­bert Müller (Die Linke) haben sich bere­it erk­lärt, am kom­menden Oster­son­ntag als par­la­men­tarische Beobachter*innen zur Ver­fü­gung zu stehen.

Um die eventuellen Kosten des Rechtsstre­its zu tra­gen, rufen wir zu Spenden auf:

Men­sch Men­sch Men­sch e.V.
IBAN DE07430609671167120503
BIC GENODEM1GLS
Ver­wen­dungszweck: See­brücke Pots­dam Menschenkette

Unter­stützer-Organ­i­sa­tio­nen [Stand: 08.04.2020]
— Women in Exile
— Flüchtlingsrat Brandenburg
— Berlin-Bran­den­bur­gis­che Aus­lands­ge­sellschaft (BBAG)
— Pots­dam Konvoi
FEM – Forum des Empow­er­ments und Teil­habe für Migranten e.V.
— Migranten­beirat der Lan­deshaupt­stadt Potsdam
— Hochschul­gruppe Pangea Projekt
GEW Stud­is Brandenburg
DGB Hochschul­gruppe Potsdam
— Die Linke.SDS Potsdam

Ver­anstal­tungsin­for­ma­tion und Aufruf:
https://seebruecke.org/events/menschenkette-am-ostersonntag-leavenoonebehind/

Weit­ere Infos:
https://www.facebook.com/Seebr%C3%BCcke-Potsdam-1850435155011395/
https://twitter.com/seebrueckepd
https://seebruecke.org/lokalgruppen/seebruecke-potsdam/

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Erstaufnahme Doberlug-Kirchhain: “Busverbindung jetzt!”

Am Don­ner­stag 9.4.2020 unter­stützen wir in Dober­lug-Kirch­hain die Men­schen in der Erstauf­nahme-Ein­rich­tung durch einen Super­markt-Shut­tle mit pri­vat­en PKWs. Wir fordern: „Busverbindung jet­zt! Schluss mit der Iso­la­tion von Men­schen in der Erstauf­nahme! Lager abschaffen!

Geshut­telt wird von der Erstauf­nahme zum 5 km ent­fer­n­ten Super­mark, um den Bewohner*innen den Einkauf zu ermöglichen. Der vorgeschriebene Abstand wird gewährleis­tet, indem immer ein*e Fahrer*in jew­eils eine Per­son aus der Unterkun­ft trans­portieren. Zudem wer­den wir Masken zur gegen­seit­i­gen Sicher­heit tragen.

Grund der Aktion ist die Ein­stel­lung der einzi­gen Busverbindung von der Erstauf­nahme Dober­lug-Kirch­heim in die fünf Kilo­me­ter ent­fer­nte Stadt. Die Heimbewohner*innen waren bere­its vor der Coro­na-Krise stark isoliert und unter Druck. Die Unterkun­ft ist abgelegten, Mobil­funknetz oder Inter­net fehlen, Abschiebun­gen bei Nacht und Nebel waren an der Tage­sor­d­nung. Mit der Ein­stel­lung des Bus­es, wird die Iso­la­tion der Men­schen in dieser Zeit drastisch gesteigert.

Eine Heim­be­wohner­in zur Sit­u­a­tion: „Viele Men­schen haben Angst in die Kan­tine zu gehen, weil es dort unmöglich ist, Abstand zu hal­ten. Die weni­gen Spender mit Desin­fek­tion­s­mit­tel sind lange leer und wer­den nicht erneuert. Daher ist es beson­ders wichtig, selb­st einzukaufen. Aber der Bus wurde eingestellt. Die schw­eren Taschen müssen wir jet­zt 5 km weit tra­gen. Wir fühlen uns völ­lig allein gelassen und isoliert.“

Die Ein­stel­lung wurde als Präven­tion gegen die Aus­bre­itung der Coro­na-Krise angewiesen. Der Leit­er der zen­tralen Aus­län­der­be­hörde Jansen teilte dem Neuen Deutsch­land mit, dass die Ein­stel­lung der Buslin­ie 571 bis Ende der Coro­na-Krise beste­hen bleibe. Alle anderen Lin­ien des Verkehrs­man­age­ment ElbeEl­ster fahren allerd­ings weit­er. Ein Grund für diese Son­der­maß­nahme wurde bish­er nicht angegeben.

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Infektionsschutz muss für alle gelten!

INFORIOT Nach­dem heute bekan­nt wurde, dass die Bewohner_innen ein­er Sam­melun­terkun­ft in Pots­dam mit Ver­weis auf Infek­tion­ss­chutz fest­ge­set­zt wer­den sollen, protestierten heute etwa 30 Men­schen gegen Massen­quar­an­täne und die Zustände in Geflüchteten­heimen. Während drin­nen eine Pressekon­ferenz abge­hal­ten wurde, ver­sam­melten sich Aktivist_innen vor dem Pots­damer Rathaus mit Schildern. Aus Grün­den des Infek­tion­ss­chutzes tru­gen sie Mund­schutz und hiel­ten jew­eils größeren Abstand zu einander.

Sie forderten sofor­tige dezen­trale Verteilung der Men­schen in Woh­nun­gen oder leer ste­hende Hotels. Offen­bar gibt es seit­ens der Stadt Pots­dam keinen Krisen­plan für solche Fälle. Dass in Sam­melun­terkün­ften viele Men­schen unter teils unzu­mut­baren Bedin­gun­gen auf engem Raum leben müssen, wird nicht nur in Zeit­en ein­er Pan­demie zurecht beständig durch linke und Men­schen­rechtsini­tia­tiv­en kri­tisiert. In der aktuellen Sit­u­a­tion ver­stärken sich soziale Ungle­ich­heit­en und struk­turelle Diskri­m­inierung. Zumin­d­est Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, hät­ten sofort dezen­tral unterge­bracht wer­den müssen. Stattdessen wer­den sie isoliert und vergessen.

Es kann nicht sein, dass da mehr als 100 Men­schen einkaserniert wer­den. Für sie sollte der gle­iche Infek­tion­ss­chutz gel­ten wie für alle Men­schen während der Coro­na-Pan­demie“, sagte Lisa Bauer, die dem Protes­taufruf ge­fol‍gt war.

Ob eine Eindäm­mungs-Verord­nung das Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit beschnei­den darf, ist noch nicht abschließend aus­ge­han­delt. In der ver­gan­genen Woche gab es in Pots­dam eine Aktion, in der Aktivist_innen gegen die Grun­drecht­sein­schränkung im Zuge der Coro­n­akrise protestierten. Begrüßenswert ist es alle­male, sich zu posi­tion­ieren, neue Aktions­for­men auszutesten, über den eige­nen Teller­rand hin­auszublick­en, kri­tisch zu bleiben und den Mund­schutz nicht zum Maulko­rb wer­den zu lassen.

Die näch­sten Tage in Pots­dam, die sich zum sicheren Hafen beken­nt, wer­den zeigen, ob sich in der Unterkun­ft in der Zep­pelin­straße ähn­lich schreck­liche Szenar­ien, wie in den ver­gan­genen Wochen in Suhl oder Hal­ber­stadt abspie­len wer­den. Dort wer­den und wur­den die Men­schen teils über Tage durch mas­sive Polizeige­walt drangsaliert und eingesperrt.

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Wir haben das Gefühl, man hat uns vergessen“

Es war wohl nur eine Frage der Zeit. Auch in Bran­den­burg wur­den vorige Woche erst­mals Geflüchtete pos­i­tiv auf Coro­na getestet. Die drei betrof­fe­nen Män­ner kom­men aus Syrien, Tschetsche­nien und dem Irak und wur­den nun in Quar­an­tänecon­tain­ern auf dem Gelände ihrer Unterkun­ft unterge­bracht. Es ist die Erstauf­nahme-Außen­stelle Dober­lug-Kirch­hain, die größte Unterkun­ft für Geflüchtete in Bran­den­burg. Über 400 Men­schen leben dort. Wer in die ehe­ma­lige Kaserne kom­men will, muss zunächst fünf Kilo­me­ter durch mil­itärisches Sper­rge­bi­et im Wald zurücklegen.

In dieser Unterkun­ft sind vor allem Men­schen unterge­bracht, die in ein anderes EU- oder Dublin-Sys­tem-Land abgeschoben wer­den sollen. Diese tägliche Angst vor Abschiebun­gen und die Schlaflosigkeit wegen nächtlich­er Polizeiein­sätze hat auch schon vor dem Aus­bruch des Virus die Unterkun­ft zu einem Ort der Unsicher­heit gemacht.

Die Coro­na-Krise ver­größert beste­hende soziale Ungle­ich­heit­en und struk­turelle Diskri­m­inierung tritt noch stärk­er zu Tage,“ sagt Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg sowie andere Flüchtlingsini­tia­tiv­en, darunter Women in Exile und See­brücke Pots­dam, hat­ten die Bran­den­burg­er Lan­desregierung bere­its in der Woche zuvor aufge­fordert, Geflüchtete bess­er vor ein­er Infek­tion zu schützen und zumin­d­est Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, dezen­tral unterzubrin­gen, ähn­lich wie es Schleswig-Hol­stein bere­its beschlossen hat. Neben den leer ste­hen­den Unterkün­ften, die ohne­hin für Geflüchtete vorge­se­hen sind, kön­nten dafür auch leer­ste­hende Hotels, Woh­nun­gen und Ferien­apart­ments genutzt werden.

Wege aus der Polar­isierungs­falle: Haben Intellek­tuelle ihr Deu­tungsmonopol ver­loren? Die großen Debat­ten wer­den heute nicht mehr aus der poli­tis­chen Mitte her­aus geführt. Kap­i­tal­is­mus oder Antikap­i­tal­is­mus, Migra­tion oder Abschot­tung, Faschis­mus oder Antifaschis­mus – Zwis­chen­töne sind…

Jeder hat eine Million Fragen“

Social dis­tanc­ing ist für uns unmöglich, da wir uns Küche und Badez­im­mer teilen,“ erzählt Bijan. Der 34-Jährige ist aus dem Iran geflo­hen. Er hat in Deutsch­land Asyl beantragt und lebt jet­zt in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft mit 100 Men­schen in Bran­den­burg. Die Coro­na-Krise hätte aber auch noch andere schlimme Kon­se­quen­zen: „Viele Men­schen hier haben ihre Arbeit ver­loren, Men­schen, die das Geld echt gebraucht haben. Und es ist viel schwieriger, die Behör­den zu erre­ichen. Alles dauert länger. Wirk­lich jed­er hat eine Mil­lion Fra­gen, doch die Kom­mu­nika­tion ist extrem eingeschränkt.“

Wir als Flüchtlingsrat sagen, dass zumin­d­est Men­schen, die Vor­erkrankun­gen oder chro­nis­che Krankheit­en haben eigentlich sofort ausziehen müssten,“ so Schwedler vom Flüchtlingsrat. Da diese Fälle jedoch gar nicht alle erfasst seien, wäre der erste Schritt, zunächst Risiko­grup­pen zu identifizieren.

Doch das Land Bran­den­burg möchte in den näch­sten Wochen gar keine Geflüchtete in andere Unterkün­fte verteilen – aus „Infek­tion­ss­chutz­grün­den“. Schwedler hält dage­gen: „Aus unser­er Sicht ist ein Infek­tion­ss­chutz bei ein­er Masse­nun­terkun­ft niemals möglich.“ Die Gefahr ist, dass, wenn sich einzelne infizieren, eine ganze Unterkun­ft unter Quar­an­täne geset­zt wer­den muss, wie es in anderen Bun­deslän­dern bere­its geschehen ist. „Das erwarten wir auch in Bran­den­burg,“ sagt Schwedler, „auch wenn das Land das ver­mei­den will. Aber wenn eine bes­timmte Anzahl an Infizierten erre­icht wird, ist es das Gesund­heit­samt, das die Entschei­dung trifft.“ Im thüringis­chen Suhl eskalierte die Sit­u­a­tion, nach­dem Mitte März eine ganze Unterkun­ft zwei Wochen lang unter Quar­an­täne geset­zt wor­den war. „Die Leute haben sich gewehrt, woraufhin die Polizei mit mas­siv­er Gewalt eingeschrit­ten ist,“ erzählt Schwedler.

Die Men­schen ste­hen unter unglaublichem Druck und Stress,“ fügt sie hinzu, „entwed­er, weil sie noch nicht wis­sen, wie ihr Asylver­fahren aus­ge­ht, oder weil sie darauf warten, abgeschoben zu wer­den oder hof­fen, dass es doch nicht passiert.“ Bei vie­len sei zusät­zlich die Angst um Fam­i­lien­ange­hörige groß. Viele lit­ten außer­dem unter post­trau­ma­tis­che Belastungsstörungen.

Ein Badezimmer für bis zu 35 Menschen

In der Erstauf­nahme teil­ten sich die Men­schen zu zweit oder dritt kleine Zim­mer. In diesen Räu­men sei nichts außer zwei oder drei Met­all­bet­ten, zwei oder drei Met­all­spinde und ein klein­er Met­alltisch. Die Badez­im­mer teil­ten sich bis zu 35 Leute. Unter solchen Bedin­gun­gen in ein­er Masse­nun­terkun­ft in Quar­an­täne zu sein, ist ein Pulverfass.

In Dober­lug-Kirch­hain gibt es laut Schwedler keinen Tele­fon-Emp­fang, nur ganz spo­radis­chen Inter­net-Emp­fang und nur wenige WLAN-Hotspots, um die sich dann alle Leute sam­meln müssen. Für Geflüchtete ist der Inter­net­zu­gang wichtig, um Kon­takt zu ihren Fam­i­lien zu haben, aber auch um an Bil­dung und Infor­ma­tion zu kommen.

Die Men­schen haben kaum eigene Kochmöglichkeit­en und teilen sich alle eine Kan­tine. „Wir wis­sen, dass da jeden Tag zum Essen jet­zt mit den zwei Metern Abstand, die einge­hal­ten wer­den sollen, eine zwei, drei Kilo­me­ter lange Schlange ste­ht,“ sagt Schwedler, „Ich frage mich, was die machen, wenn es reg­net, wenn man da eine Dreivier­tel Stunde draußen aufs Essen warten muss. Und in den Kan­ti­nen sel­ber sitzen die Men­schen dann wieder dicht an dicht.“

Ein großes Prob­lem in dieser Zeit sei auch Desin­for­ma­tion, berichtet Schwedler, es gebe kaum gesicherte Infor­ma­tio­nen für die Geflüchteten oder diese wür­den nicht weit­ergegeben. „Wir bekom­men so viele Anfra­gen: Was passiert jet­zt mit meinen Aufen­thaltspa­pieren? Wie ver­län­gere ich die, wenn ich nicht zur Aus­län­der­be­hörde gehen kann? Meine Leis­tun­gen sind gekürzt wor­den, ich bekomme nur noch reduzierte Leis­tun­gen meines Taschen­gelds, weil ich an mein­er Pass­beschaf­fung nicht mitwirke, aber das kann ich ger­ade eh nicht. Was kann ich damit machen?“

Kein allgemeiner Abschiebestopp

Abschiebun­gen fän­den momen­tan zwar de fac­to keine statt, so Schwedler, doch laut Aus­sage der Bun­de­spolizei soll sich das zeit­nah wieder ändern. Einen offiziellen Abschiebestopp in Herkun­ft­slän­der gibt es wed­er auf Lan­des- noch auf Bun­de­sebene. Und das, obwohl wegen der all­ge­meinen Ein­reisebeschränkun­gen Men­schen zurück­gewiesen oder im Tran­sit stran­den könnten.

Coro­na hat mein Leben sehr viel schw­er­er gemacht. Und es war davor schon schw­er,“ erzählt Tepeina, eine 35-jährige Kenyaner­in, die seit zwei Jahren in Deutsch­land ist und wie Bijan in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft in Bran­den­burg lebt. „Ich habe Angst,“ sagt Tepeina, „Wenn sich eine Per­son ansteckt, wer­den wir uns alle anstecken.“

Bijan hat in sein­er Unterkun­ft den Ein­druck, dass der Coro­na-Virus nicht die Haupt­sorge der Geflüchteten ist: „Ich habe nicht das Gefühl, dass viele Men­schen in meinem Heim Angst haben, sich mit Coro­na anzusteck­en. Men­schen, die hier leben, haben bere­its viel Schlim­meres erlebt.”

Tepeina engagiert sich als Frei­willige bei Refugee Eman­ci­pa­tion, ein­er Selb­stor­gan­i­sa­tion für Geflüchtete. „Dort helfen wir uns gegen­seit­ig,“ sagt sie. „Momen­tan haben wir Geflüchtete das Gefühl, man hat uns vergessen. Wir kriegen ein­fach keine Unter­stützung in dieser Zeit.“

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Law & Order

Polizeikontrollstelle ist wieder da! Wir brauchen euch!

Die Polizeikon­troll­stelle ist zurück!

Es haben sich ein paar engagierte Men­schen zusam­mengeschlossen, um der Polizei und dem Ord­nungsamt, auch in der aktuellen Sit­u­a­tion auf die Fin­ger zu schauen.

Warum ger­ade jet­zt? Auf­grund des Coro­n­avirus wur­den in jüng­ster Ver­gan­gen­heit Verord­nun­gen erlassen, welche viele Bere­iche unseres täglichen Lebens betr­e­f­fen und ein­schränken. An manchen Stellen ist das total sin­nvoll, damit das kaputt ges­parte Gesund­heitssys­tem nicht über­lastet wird und die Aus­bre­itung des Virus ver­langsamt wird.  Gle­ichzeit­ig sorgt es aber dafür, dass die Polizei mit ein­er Law and Order Poli­tik viele Macht­befug­nisse bekom­men hat und diese scham­los aus­nutzt. Als Beispiel sind hier die teil­weise willkür­lichen Kon­trollen zu nen­nen, die mit dem Kon­tak­tver­bot begrün­det wer­den, obwohl es dafür gar keinen Anlass gibt. Außer­dem ist zu erwarten, dass es einen Anstieg von Racial Pro­fil­ing geben wird.

Auch in dieser derzeit­ig beson­deren Sit­u­a­tion wollen wir die Polizei und das Ord­nungsamt kri­tisch beobachten.

Dafür brauchen wir euch! Wenn ihr selb­st Polizeikon­trollen mit­bekommt meldet sie uns! Wenn ihr Polizei- oder Ord­nungsamtkon­trollen beoba­chet dann schaut euch an was dort passiert und wenn ihr danach mit der betrof­fe­nen Per­so­n­en reden oder schreiben kön­nt, redet mit ihr und schreibt uns! Gemein­sam kön­nen wir der willkür­lichen Repres­sion und anlass­losen Maß­nah­men das Handw­erk legen!

Wir kön­nen derzeit nur Pots­dam bzw. Bran­den­burg abdecken.

Meldet euch per Mail unter: kontakt@polizeikontrollstelle.de

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Sonstiges

Mundschutz heißt nicht Maulkorb!

Cir­ca 25 Men­schen haben gegen 16 Uhr mit Schildern und Trans­par­enten in der Friedrich-Ebert-Straße  demon­stri­ert. Passant*innen wur­den durch aufge­hängte Fly­er aus­führlich über die Forderun­gen der Protestieren­den informiert. Die Aktion fand ohne Zwis­chen­fälle statt und löste sich nach ein­er hal­ben Stunde wieder auf.

 

HIER IST DAS STATEMENT ZUR AKTION:
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Infek­tion­s­ge­fahr eindäm­men – JA! 
Zusam­men­bruch des Gesund­heitssys­tems ver­hin­dern – JA!
Polizeis­taat und Abbau der Grund- und Frei­heit­srechte – NEIN!
Ein­satz der Bun­deswehr im Innern – NEIN!
 
Die Eindäm­mung der Coro­n­a­pan­demie ist eine beson­dere Her­aus­forderung. Doch mit ihrem wider­sprüch­lichen Han­deln riskiert die Regierung ger­ade unsere Sicher­heit, unsere Gesund­heit und nicht zulet­zt die Grund­la­gen ein­er demokratisch ver­fassten Gesellschaft: Gewal­tenteilung sowie Grund- und Freiheitsrechte. 
 
Die Coro­na-Krise ist eine Krise der Gesundheitsversorgung!
Die Aus­bre­itung des Coro­na-Virus trifft auf ein kaputt ges­partes Gesund­heitssys­tem. Seit Jahren kri­tisieren Gewerkschaftler*innen und linke Aktivist*innen die Zustände in den auf Ren­dite getrimmten und teil­pri­vatisierten Kranken­häusern. Während der Staat nun Bürger*innen zum Schutz­masken-Nähen aufruft, disku­tiert man im Vertei­di­gungsmin­is­teri­um darüber, Mil­liar­den Euro für Jagdbomber auszugeben. Jagdbomber sind nut­z­los gegen eine Pan­demie. Mil­liar­den Euro aber kön­nten helfen, eine staatliche Pro­duk­tion von Schutzk­lei­dung und Medi­z­in­tech­nik auf den Weg zu brin­gen. Ein Gesund­heitssys­tem mit genü­gend Vor­sorgeka­paz­ität scheint für Staat und Kap­i­tal nachrangig, die Vor­bere­itung von Kriegen auch jet­zt vor­rangig. Diese Prof­it­logik ist das eigentliche Sicherheitsrisiko.
 
Krisen­be­wäl­ti­gung: Ver­fehlt und demokratiefeindlich
Seit über ein­er Woche gilt in Bran­den­burg eine Verord­nung zur Eindäm­mung des Virus. Am 1. April ist ein langer Bußgeld­kat­a­log mit absurd hohen Beträ­gen in Kraft getreten. Angestellte des Ord­nungsamts und die Polizei ziehen nun durch die Gegend, verteilen Strafanzeigen und Bußgelder. Fol­gende Beispiele haben nichts mehr mit Infek­tion­ss­chutz zu tun:
Eine Kle­in­fam­i­lie mit Kind wird wegen Ball­spie­lens abgestraft
Strafzettel wer­den an Men­schen verteilt, die entwed­er allein oder zu zweit, mit Sicher­heitsab­stand, auf ein­er Bank sitzen
Zwei Men­schen beim Tis­chten­nis­spiel wer­den wie Krim­inelle behandelt
Men­schen wer­den beliebig nach Per­son­alien kon­trol­liert – wer sie nicht dabei­hat, wird abges­traft, obwohl es in Deutsch­land keine Pflicht gibt, einen Ausweis bei sich zu tragen
Experti*nnen haben bere­its fest­gestellt, dass die Ver­bre­itung des Virus nun ins famil­iäre Umfeld ver­schoben wur­den. Andere war­nen vor der Gefahr häus­lich­er Gewalt, wenn ganze Fam­i­lien zu Hause einges­per­rt sind. Nicht jede*r hat einen großen Garten und Auswe­ich­möglichkeit­en. Beson­ders gefährdet sind Men­schen, die weniger priv­i­legiert, beispiel­sweise in Sam­melun­terkün­ften, Wohn­grup­pen, Heimen, Pflegeein­rich­tun­gen und in kleinen Woh­nun­gen mit vie­len zusammenleben. 
 
Doch Polizei und Ord­nungsamt inter­essieren sich nicht für unsere Leben­sre­al­itäten. Trotz Ein­hal­ten des Sicher­heitsab­stands wer­den Men­schen drangsaliert, die ein­fach nur draußen ver­weilen. Für Obdachlose und Men­schen mit Migra­tions­geschichte wächst die Gefahr, draußen durch soge­nan­nte Ord­nung­shüter mit Ten­denz zu Ras­sis­mus und sozialer Auslese schikaniert zu wer­den. Fra­gen nach dem Wohnort oder die Auf­forderung, sich in dessen Nähe zu bewe­gen, zeigt Willkür und Kon­troll­sucht des Staates.
 
Bun­deswehr im Inneren bedeutet Ver­fas­sungs­bruch nach Plan
Kommt die Bun­deswehr zum Ein­satz, um Polizeikräfte zu „unter­stützen“, wer­den wir Szenen beobacht­en müssen, in denen Sol­dat­en Pas­san­ten auf­fordern, von Park­bänken aufzuste­hen, weil sie in der Öffentlichkeit ver­weilend ein Buch lesen. Das ver­meintliche Ziel des Infek­tion­ss­chutzes hat daneben ohne Diskus­sion das Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit außer Kraft geset­zt. Öffentlichkeitswirk­same Kri­tik an den Maß­nah­men oder Forderun­gen vorzubrin­gen ist somit durch eben jene Maß­nah­men ver­boten, die Demokratie damit ausgesetzt.
 
Jede Idee ein­er Maß­nahme, die die Frei­heit und Grun­drechte ein­schränkt, muss auf Alter­na­tiv­en über­prüft werden.
Der Staat erzählt uns seit Jahren, dass der Ausverkauf des Gesund­heitssys­tems alter­na­tiv­los sei. Jet­zt ist die Kacke am Dampfen und er erzählt, dass der Überwachungs- und Polizeis­taat zur Bewäl­ti­gung der haus­gemacht­en Krise alter­na­tiv­los sei.
 
Doch es gibt – offen­sichtlich  –  Alter­na­tiv­en. Wir fordern:
  • Verpflich­tung für Unternehmen, uns „Home Office“ zu ermöglichen 
  • Verpflich­tung zu aus­re­ichen­den Schutz- und Abstands­maß­nah­men in unseren Arbeits- und Produktionsstätten 
  • Sofor­tige Nieder­legung der Arbeit in nicht sys­tem­rel­e­van­ten Berufen bei vollem Lohnaus­gle­ich, wenn Schutz­maß­nah­men nicht real­isier­bar sind 
  • Verpflich­tung eines Großteils des pro­duzieren­den Gewerbes und der Phar­main­dus­trie, ihre Pro­duk­tion auf Schutzaus­rüs­tung und auf Medi­z­in­pro­duk­te wie Test­sets umzustellen
  • Flächen­deck­ende Tests überall
  • Ver­füg­bar­ma­chung von Wohn­raum in Hotels, möblierten Woh­nun­gen etc., um den Infek­tion­ss­chutz in Sam­melun­terkün­ften für geflüchteten Men­schen und Betrof­fene häus­lich­er Gewalt zu gewährleisten
  • Gewährung unser­er Ver­samm­lungs­frei­heit unter Beach­tung der Infek­tionsver­mei­dung durch gängige Meth­o­d­en wie Sicherheitsabstand
Es gibt eine parteiüber­greifende Frak­tion in der Poli­tik, die nur darauf wartet, ihre feucht­en Träume eines Staates zu instal­lieren, der die Bevölkerung auf Schritt und Tritt ver­fol­gt, Men­schen mit ander­er Herkun­ft drangsaliert und sozial benachteiligte Men­schen kriminalisiert.
 
Wir müssen auf die Erhal­tung unser­er Grund- und Frei­heit­srechte beste­hen. Sie sind hart erkämpft wor­den. Die jet­zi­gen Beschränkun­gen zeigen uns: Sie bilden den Kern unseres All­t­agshan­dels. Die aktuelle Not­ge­set­zge­bung ist ein Damm­bruch. Sie schafft Präze­den­zfälle und ebnet den Weg für einen autoritären Staat, der uns kon­trol­liert und von nie­man­dem mehr kon­trol­liert wer­den kann.
 
Ord­nungsamt und Polizei han­deln rechtswidrig, willkürlich,
ras­sis­tisch, chauvinistisch?
Berichtet eure Erfahrun­gen mit den Hashtags 
#Coro­n­aPolizei & #Pots­dam
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Sonstiges

Corona: Radikale Kritik jetzt! Raus aus der Angststarre!

 

Die Coro­na-Lehre — von Thomas Gsella

Quar­an­täne­häuser spriessen,
Ärzte, Bet­ten überall
Forsch­er forschen, Gelder fliessen-
Poli­tik mit Überschall

Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt
Also will sie nicht beenden
Das Krepieren in den Kriegen
Das Ver­reck­en vor den Stränden
Und das Kinder schreiend liegen
In den Zel­ten, zit­ternd, nass
Also will sie. Alles das.

Fol­gen­der Text geht auf einen Aus­tausch link­er Pots­damer Aktivist*innen über die jet­zige Lage zurück.

Wir wollen dazu ermuti­gen, jet­zt erst recht aktiv zu wer­den und die Mah­nung „Stay at home“ nicht mit dem Rück­zug ins Pri­vate oder gar mit der Auf­gabe kri­tis­chen Bewusst­seins zu ver­wech­seln. Daneben darf Kri­tik an autoritären Maß­nah­men nicht zur Ver­harm­lo­sung der Virus­pan­demie führen. 

Gle­ichzeit­ig rufen wir dazu auf: Organ­isiert euch, lebt Sol­i­dar­ität und bekämpft das Sys­tem! Der Kap­i­tal­is­mus und der mark­thörige Par­la­men­taris­mus sind mitschuldig an den ver­heeren­den Auswirkun­gen der Pan­demie und langfristig ver­schär­fen sie die Fol­gen. Es bringt nichts, sich dem Aus­nah­mezu­s­tand bil­li­gend zu unterwerfen.

 

Die Aus­bre­itung des Virus trifft auf ein kaputtes Gesundheitssystem

Mit­tler­weile erstreckt sich die Aus­bre­itung des Coro­na-Virus auf ganze Wel­tre­gio­nen. Gegen das erst­mals in der chi­ne­sis­chen Stadt Wuhan doku­men­tierte Virus SARS-CoV­‑2 ist nie­mand immun. Es ist nicht ver­gle­ich­bar mit der saison­al auftre­tenden Grippe. In Deutsch­land ver­dop­pelt sich momen­tan die Zahl der nachgewiese­nen Infek­tio­nen mit SARS-CoV­‑2 durch­schnit­tlich alle 3 Tage. Das expo­nen­tielle Wach­s­tum der Infek­tion­skrankheit treibt eben­so die Zahl der infizierten Per­so­n­en ras­ant nach oben, die ohne eine inten­sivs­ta­tionäre Behand­lung ster­ben. Während in Deutsch­land rund 30.000 Bet­ten auf Inten­sivs­ta­tio­nen bere­it­ste­hen, die zum Großteil reg­ulär belegt sind, ist nach bish­eri­gen epi­demi­ol­o­gis­chen Mod­ellen ein Vielfach­es an Inten­siv­bet­ten von­nöten, um den zusät­zlichen Bedarf zu deck­en – ganz zu schweigen vom fehlen­den und aus­ge­laugten Per­son­al.

Die krasse Diskrepanz zwis­chen real­er Kapaz­ität und inten­sivs­ta­tionärem Bedarf bei unge­brem­ster Aus­bre­itung des Virus erk­lärt die Über­forderung des ital­ienis­chen Gesund­heitssys­tems. Dort wird selek­tiert: Einige haben Glück und bekom­men eine Behand­lung, andere lässt man ster­ben. Gle­ichzeit­ig trifft der Zusam­men­bruch die Gesund­heit­skrise nicht nur die Coro­n­ain­fizierten. Auch diejeni­gen, die ein­er „nor­malen“ Behand­lung bedür­fen, wer­den nun hin­ten angestellt. So find­et bere­its jet­zt in Deutsch­land gefährlich­es Selek­tieren statt.

Eine Epi­demie kommt nicht alle Tage vor, ist jedoch kein unre­al­is­tis­ches Szenario. Seit Jahren weisen u.a. Gew­erkschaften und Aktivist*innen auf ekla­tante Fol­gen eines neolib­er­al­isierten Gesund­heitssys­tems hin und kämpfen für bessere Arbeits­be­din­gun­gen sowie einen gerecht­en Zugang zu Gesund­heit­sleis­tun­gen für alle. Dass sich Men­schen als Konkur­rent*innen um ele­mentare Ver­sorgung gegenüber­ste­hen, kön­nen wir nicht hin­nehmen. Staat­en leis­ten sich unge­heure Vertei­di­gung­shaushalte zum Vorhal­ten von unsin­nigem und – wenn im Ein­satz – tödlichem Mil­itärg­erät. Die Rüs­tungsin­dus­trie freut das, während die Gesellschaft für eine vorge­bliche Sicher­heit Mil­liar­den ver­schleud­ert. Dage­gen scheint ein Gesund­heitssys­tem mit vor­sor­gen­den Kapaz­itäten, was für alle Men­schen zu Gute kommt, für Staat und Kap­i­tal wenig prof­ita­bel zu sein. Diese Prof­it­logik ist das eigentliche Sicherheitsrisiko.
Die Coro­na-Krise ist eine Krise der Gesund­heitsver­sorgung!

 

Autoritäre Maß­nah­men fol­gen der Lin­ie der üblichen Interessenpolitik

Angesichts autoritär­er staatlich­er Maß­nah­men wer­den auch linke Stim­men lauter, die das Virus reflex­haft rel­a­tivieren oder mit gefährlichen Ver­schwörungsmythen liebäugeln. Die Behaup­tung, wir hät­ten es mit ein­er ges­teuerten Panikmache durch Wis­senschaft, Medi­en und Phar­main­dus­trie in Per­son­alu­nion zu tun, ist eine ver­flachte, eskapis­tis­che Diag­nose, die mit ein­er sys­temkri­tis­chen Analyse der Ver­hält­nisse nichts zu tun hat. Das hil­ft uns nicht und führt auch nicht zur Stärkung unser­er Handlungsfähigkeit.

Nicht das Virus selb­st, son­dern die Angst vor dem Zusam­men­bruch des Gesund­heitssys­tems und dem damit ver­bun­de­nen staatlichen Kon­trol­lver­lust erk­lärt die Reak­tion viel­er Staat­en. Autoritäre Not­stand­spoli­tik soll die Aus­bre­itung des Virus brem­sen. Das wohl anschaulich­ste Beispiel ist ger­ade Ungarn, wo Orbán den Staat mit­tels Not­stand in Rich­tung ein­er Dik­tatur steuert. Dabei sind die Maß­nah­men höchst wider­sprüch­lich und fol­gen der üblichen Verteilung von Inter­essen- und Nation­al­staatspoli­tik. Kurz gesagt: Wo der Staat ver­hält­nis­mäßig geringe ökonomis­che und gesellschaftliche Wider­stände spürt, wer­den harte Ein­schnitte in Grun­drechte durchge­set­zt (z.B. Bewe­gungs­frei­heit, Pri­vat­sphäre). Gle­ichzeit­ig sind die Maß­nah­men in der Wirtschafts- und Arbeitswelt zum Schutz der Men­schen lächer­lich. Das zeigen uns die streik­enden Amazon-Mitarbeiter*innen. Die derzeit­i­gen Hil­f­s­maß­nah­men hören an Nation­al­staats­gren­zen auf. Hierzu­lande noch freie Kranken­hauska­paz­itäten wer­den bspw. aktuell nicht für Italiener*innen genutzt. Die deutsche Finanzpoli­tik freut sich über niedrige Kred­itzin­sen für ihre Hil­f­s­pakete. Dage­gen hält die Bun­desregierung nach wie vor an ein­er harten EU-Finanzpoli­tik wie in Zeit­en der Finanzkrise fest, was für Län­der wie Ital­ien der finanzielle Ruin bedeutet.

Dort, wo Mit­glieder dieser Gesellschaft als über­flüs­sig gel­ten, ent­pup­pt sich der staatlich propagierte Anspruch, uns zu schützen als men­schen­ver­ach­t­en­der Zynismus. 

Dazu einige Beispiele:

  • Die mit Blick auf das zehn­tausend­fache Leid lächer­liche Zusage, ein paar Hun­dert Kinder aus den griechis­chen Lagern nach Deutsch­land zu holen, wurde vor kurzem durch die Bun­desregierung auf Eis gelegt. Der Grund dafür sei die Aus­bre­itung des Coro­na-Virus. Dabei gefährdet ger­ade die Aus­bre­itung des Virus in den Flüchtlingslagern ohne hygien­is­che Min­dest­stan­dards massen­haft men­schlich­es Leben.
  • Statt Men­schen sofort aus beengten Sam­melun­terkün­ften rauszu­holen und in Woh­nun­gen oder Hotels unterzubrin­gen, damit die Ansteck­ungs­ge­fahr reduziert wird, nutzt der Staat alle polizeilichen Mit­tel bis zum SEK-Ein­satz. So wurde die Erstauf­nahme in Suhl/Thüringen unter Quar­an­täne gestellt und damit in eine Haf­tanstalt für 500 Men­schen ver­wan­delt. Die Fol­gen sind abse­hbar, die Ansteck­ungs­ge­fahr hoch.
  • In Ital­ien wur­den schnell Besuchs- und Beschäf­ti­gungsver­bote in den Knästen ver­hängt. Das Per­son­al geht jedoch ein und aus. Es kam zu Knas­tre­volten, da die Vorkehrun­gen gegen Infek­tio­nen absurd und die noch krassere Iso­la­tion in den Knästen unerträglich ist.
  • Die ver­gle­ich­sweise frühe Schließung der Tafeln und die Beschnei­dung kari­ta­tiv­er Struk­turen schnei­den die finanziell Schwäch­sten von der Möglichkeit der Essens- und Grund­ver­sorgung ab.
Die finanziellen Fol­gen des Shut­downs des öffentlichen Lebens sind für diejeni­gen exis­ten­ziell bedrohlich, die schon vorher ökonomisch am Rand oder außer­halb der Gesellschaft standen. Das Aus­maß der weit­eren Prekarisierung von weit­en Teilen der Bevölkerung im von oben aufer­legten de fac­to größten Gen­er­al­streik der Gegen­wart kann nicht abgeschätzt wer­den. Während­dessen wird die ökonomis­che Krise den „Selek­tion­sprozess“ im Kap­i­tal­is­mus immens ver­stärken. Die ohne­hin starken Kap­i­tal­frak­tio­nen wer­den gestärkt aus der Krise her­vorge­hen, während kleine Akteure unterge­hen. Während­dessen nutzen Hard­lin­er ein­er repres­siv­en Sicher­heits- und Überwachungspoli­tik die „Gun­st der Stunde“, um Präze­den­zfälle für ihre Agen­da zu schaf­fen (Bun­deswehrein­satz im Innern, flächen­deck­ende Überwachung des Han­dynet­zes, willkür­liche Polizeikontrollen).

Im gegen­wär­ti­gen Aus­nah­mezu­s­tand zeigen sich patri­ar­chale Struk­turen noch deut­lich­er: “sys­tem­rel­e­vante” Erwerb­sar­beit, wie Pflege, Ver­sorgungstätigkeit­en, Sozialar­beit wird vor allem von Frauen* ver­richtet. Mit der Ver­weisung der Frauen* in den pri­vat­en Raum fällt auch die steigende Mehrabeit an Kinder­be­treu­ung sowie Care- und Hausar­beit den Frauen* zu. Für viele Frauen* und Kinder ist das zu Hause dur­chaus kein sicher­er Ort: Hausar­rest bedeutet einen drama­tis­chen Anstieg sog. häus­lich­er Gewalt, wie Erfahrun­gen aus Län­dern zeigen, die bere­its Aus­gangssper­ren ver­hängt haben.
Unfrei­wili­ig fängt eine riesige unsicht­bare Arma­da von Frauen* täglich die emo­tionalen und sozialen Fol­gen des Aus­nah­mezu­s­tandes auf eigene Kosten ab.

Von Recht­sex­tremen ist momen­tan wenig zu hören. Doch die Poli­tik des Aus­nah­mezu­s­tands wird ihnen langfristig Auftrieb geben. Über die bre­ite Akzep­tanz von Grun­drecht­sein­schränkun­gen und Polizeige­walt wird ein total­itäres Denken in der Bevölkerung befördert, das jeglich­es Nicht-Befol­gen der autoritären Maß­nah­men als „Ver­rat“ an der (Volks-)gemeinschaft markiert – ungeachtet des gesellschaftlichen Kon­texts, der wis­senschaftlichen Sinnhaftigkeit und der ohne­hin sehr wider­sprüch­lichen staatlichen Maß­nah­men. Das (wieder)
-Erler­nen von Denun­zi­a­tion ist zu erwarten, auch die ver­stärk­te Stig­ma­tisierung von „unlieb­samen“ Bevölkerung­steilen wie geflüchteten Men­schen. So haben Rechte ver­sucht, den Wider­stand gegen die In-Quar­an­täne-Set­zung der Erstauf­nahme in Suhl/Thüringen als Bedro­hung für „die Deutschen und ihrer Regeln“ zu instru­men­tal­isieren. Mit Nach­barschaft­shil­fen für “Deutsche” ver­suchen sie zudem, größere Akzep­tanz in ihrem unmitel­baren Umfeld zu erre­ichen. Auch lenkt uns die Pan­demie von recht­en Aktiv­itäten ab. Neofaschist*innen – auch die neolib­eralen – wer­den diese Zeit zu nutzen wis­sen. Während­dessen wird ein Teil ihrer Agen­da ger­ade von anderen Akteuren umgesetzt.
Aus­nah­mezustände und die Gefahr der Aus­bre­itung des Virus kön­nen sich über Monate oder sog­ar Jahre hinziehen. Wann die Poli­tik des Aus­nah­mezu­s­tands mit all den Grun­drecht­sein­schränkun­gen aufhört und wie viel davon in die Zeit danach über­nom­men wird, ist ungewiss. Die sozialen Fol­gen sind eben­falls nicht abschätzbar. Klar ist jedoch: Die jet­zige Krise ver­stärkt die Dauerkrise des Kap­i­tal­is­mus. Soziale Auf­stände und Protest­be­we­gun­gen wer­den fol­gen – es liegt auch an uns, diese Proteste in die richtige Rich­tung emanzi­pa­torisch zu gestalten.

 

Phys­i­cal Dis­tanc­ing“ not „Social Distancing“

Die Aus­bre­itung ist eine reale Bedro­hung für die soge­nan­nten Risiko­grup­pen und für die gesamte Gesellschaft. Wir sind auf ein funk­tion­stüchtiges Gesund­heitswe­sen angewiesen. Mit unserem eige­nen Ver­hal­ten kön­nen wir das Risiko ein­er weit­eren Aus­bre­itung des Virus min­dern. Dabei ist das Ein­hal­ten kör­per­lich­er Dis­tanz und Hän­de­waschen entscheidend!

Jedoch: Fol­gen wir staatlichen Vor­gaben blind und hin­ter­fra­gen und kri­tisieren sie nicht, steuern wir auf die totale Vere­inzelung der Men­schen und die Zer­set­zung von sozialen und demokratis­chen Struk­turen zu. Das isolierte Wesen ist das per­fek­te kap­i­tal­is­tis­che Sub­jekt, dem müssen wir etwas ent­ge­genset­zen. 

Statt „Social Dis­tanc­ing“, also den Rück­zug aus dem Sozialen, umzuset­zen, kommt es mehr denn je darauf an, Net­zw­erke zu knüpfen, sich gegen­seit­ig zu helfen und eine Prax­is der Sol­i­dar­ität zu leben. Daneben brauchen wir den Aus­tausch zu Analy­sen, Strate­gien und Möglichkeit­en des Widerstands.

 

Ver­net­zt euch mit eur­er Nach­barschaft und mit befre­un­de­ten WGs, grün­det oder macht mit bei Nachbarschaftsinitiativen

  • um euch (im Falle von Quar­an­tä­nen) gegen­seit­ig zu helfen und/oder um beson­ders Men­schen, die als Risiko­grup­pen gel­ten, zu unter­stützen (Einkauf­shil­fen, Kinderbetreuung)
  • um rechte Spin­ner*innen aus Nach­barschaftsini­tia­tiv­en rauszuwerfen
  • um Men­schen, oft Frauen oder Kinder, die in der Enge der Fam­i­lie- und/oder des Ehekon­texts, Gewalt erfahren kön­nen, zu unterstützen
  • um euch gegen die sozialen Fol­gen des Aus­nah­mezu­s­tands zu organ­isieren, z.B. mit gemein­samen Aktio­nen gegen Vermieter*innen, aus­beu­ter­ische Arbeitsver­hält­nisse, Ras­sis­mus, Job­cen­ter, Gen­tri­fizierung usw.
Es ist außer­dem die Auf­gabe ein­er radikalen Linken, jet­zt auch diejeni­gen auf dem Schirm zu haben, die per­spek­tivisch von Nach­barschaft­shil­fen aus­geschlossen wer­den, weil sie nicht-weiß oder als “anders” gela­belt wer­den. Wir müssen in unserem Umfeld Men­schen adressieren, die sozial ohne­hin beson­ders isoliert und ökonomisch benachteiligt sind.
Während des Som­mers der Migra­tion 2015 gab es eine beein­druck­ende Selb­stor­gan­i­sa­tion von sol­i­darisch­er Hil­fe. Darauf fol­gte ein rechter Back­lash mit mas­siv­en Asyl­rechtsver­schär­fun­gen und rechter Gewalt. Viele der dama­li­gen Willkom­menini­tia­tiv­en haben sich aufgelöst, die rechte Über­nahme des Diskurs­es in Deutsch­land oft laut­los hin­genom­men. Die sich jet­zt selb­st organ­isieren­den Nach­barschaftsstruk­turen müssen nach­haltiger und poli­tisch bewusster werden!

  

Poli­tis­che Prax­is im Ausnahmezustand

Wir dür­fen uns wed­er ein­schüchtern lassen, noch unser Ver­hal­ten der Staats­macht unter­w­er­fen. Poli­tisch aktiv zu sein bleibt notwendig!

Es ist wichtig, dass wir uns als Polit­grup­pen weit­er­hin tre­f­fen, wenn wir dies für unsere Hand­lungs­fähigkeit als nötig eracht­en und wenn wir eigen­ver­ant­wortlich alle Sicher­heitsvorkehrun­gen tre­f­fen, die das Infek­tion­srisiko auf nahe Null reduzieren.

Das heißt:

  • kranke/kränkelnde Aktivist*innen bleiben zu Hause
  • keine Tre­f­fen in geschlosse­nen Räumen
  • gegen­seit­iges Abstand­hal­ten von 1,5 m bis 2 m
  • kein gemein­sames Berühren von Gegenständen
  • Desin­fek­tion­sspray griff­bere­it haben
  • lasst eure Handys zu Hause
  • schaut euch jet­zt schon einen geeigneten und gut erre­ich­baren Tre­ff­punkt aus: Dieser sollte von Außen nicht oder kaum ein­se­hbar sein; die „Anreise“ zum Tre­ff­punkt sollte nicht in Grup­pen stattfinden.

Neue“ Wege der Kommunikation

Sich zu tre­f­fen wird nicht ein­fach­er. Wenn Per­so­n­en in Quar­an­täne sind und die Sicher­heit­saufla­gen ver­schärft wer­den, ist es nötig, dass wir uns anders organ­isieren. Für manche ist die Inter­netkom­mu­nika­tion immer noch Neu­land. Ver­schlüs­selte E‑Mails, Mes­sen­ger und Video-Kom­mu­nika­tion über das Inter­net klin­gen für viele noch wie nerviger Nerd­stuff. Wir müssen uns gegen­seit­ig darin schulen und unter­stützen, um möglichst sichere, dig­i­tale Kom­mu­nika­tion­sstruk­turen aufzubauen, um fit zu sein für Krisen­zeit­en wie diese. Klar ist aber auch: Wir müssen – wenn es darauf ankommt – auch ohne Inter­netkom­mu­nika­tion hand­lungs­fähig sein, denn – wenn der Staat will – kann es nicht nur in der Krise flächen­deck­ende Inter­netüberwachung oder ‑shut­downs geben.

Eine Auswahl an Möglichkeit­en der dig­i­tal­en Kom­mu­nika­tion für Grup­pen find­et ihr hier:

Neue“ Form von Aktionen

Große Ver­samm­lun­gen im Aus­nah­mezu­s­tand sind nicht möglich. Ein­er­seits ist es auf­grund der Infek­tion­s­ge­fahr schwierig, eine große Ansamm­lung von Men­schen zu ver­ant­worten und zu legit­imieren. Ander­er­seits soll­ten wir aus eigen­er Ver­ant­wor­tung das Infek­tion­srisiko min­imieren und nur, wenn es keine anderen Möglichkeit­en gibt und wenn der Schutz von anderen Men­schen auf dem Spiel ste­ht, größere Ansamm­lung von Men­schen riskieren.

 

Wie kön­nen andere Aktio­nen sicht- und hör­bar sein? Wie kön­nen wir wirk­mächtig sein?

Vielle­icht ist die Sit­u­a­tion eine Chance für uns, den Rah­men der klas­sis­chen Aktions­form Demon­stra­tion zu ver­lassen und neue Wege zu beschre­it­en. Auch wenn Demon­stra­tio­nen ein selb­stver­ständlich­er Teil poli­tis­ch­er Wil­len­säußerung sind, kann sich poli­tis­ch­er Aktivis­mus ohne­hin nicht in „Latsch-Demos“ erschöpfen.

Kle­in­grup­pen-Aktio­nen und Direk­te Aktio­nen, die sowohl in den Sozialen Net­zw­erken dargestellt als auch gegenüber der Presse kom­mu­niziert wer­den, kön­nen eine (wieder zu erler­nende) Prax­is sein. Die Polizeipräsenz kann in den näch­sten Monat­en mas­siv zunehmen. Hier ist eine gemein­same Prax­is zu erler­nen, um den Repres­sio­nen der Polizei aus dem Weg zu gehen. Ins­beson­dere hin­sichtlich der finanziellen Sank­tio­nen beim Ver­stoß gegen Kon­takt- und Aufen­thalt­sregeln müssen wir uns gegen­seit­ig unter­stützen.

Die Ver­net­zun­gen mit Nach­barschaften ermöglichen eine Selb­stor­gan­isierung in der Stadt, die nicht nur auf gegen­seit­ige Hil­festel­lung abzielt, son­dern gemein­same poli­tis­che Aktio­nen möglich macht. Je länger wir uns im Aus­nah­mezu­s­tand befind­en, desto größer wer­den die sozialen Kon­flik­te mit Vermieter*innen, in Arbeitsver­hält­nis­sen, mit dem Job­cen­ter usw. Beispiel­sweise kann eine kri­tis­che Masse an Per­so­n­en in der (Nachbarschafts-)Vernetzung durch Miet­streiks viel mehr Druck auf den*die Vermieter*in auf­bauen als einzelne Per­so­n­en. Wichtig ist auch, dass der gemein­same Aus­tausch in den Nach­barschaftsini­tia­tiv­en über die Ursachen der Krise zur Poli­tisierung führt.

 

Krise als Chance für den Auf­bau ein­er sol­i­darischen Gesellschaft

Spätestens jet­zt müssen wir Forderun­gen stellen, die sich gegen die autoritären Auswüchse und den Demokratieab­bau wen­den. Wir müssen Staat und Kap­i­tal unter Druck set­zen, damit die ökonomisch und sozial benachteiligten Men­schen nicht in den Ruin getrieben wer­den. Wir müssen ins­beson­dere für diejeni­gen ein­ste­hen, die beständig ignori­ert wer­den und deren Exis­tenz gefährdet ist und dazu konkrete Forderun­gen stellen.
Gle­ichzeit­ig dür­fen wir nicht nur im Abwehrkampf verharren!

Auch wenn viele Men­schen die autoritären Maß­nah­men (hierzu­lande) bish­er begrüßen und nur wenige kri­tis­che Diskus­sio­nen stat­tfind­en, wer­den wir uns bald in ein­er Zeit wiederfind­en, in der viele Men­schen – weltweit – fra­gen: Wer ist schuld an den ver­heeren­den Auswirkun­gen der Pan­demie und weswe­gen wird das auf unseren Rück­en ausgetragen?

Diese Wut ist Zünd­stoff. Sie kann der Anfang sein, um men­schen­ver­ach­t­ende Struk­turen zu zer­schla­gen und sol­i­darische Alter­na­tiv­en zum Kap­i­tal­is­mus zu denken, zu disku­tieren und umzusetzen:

  • Bre­ite Bewe­gun­gen für die Verge­sellschaf­tung und Demokratisierung, z.B. des Gesund­heitssys­tems und der Phar­main­dus­trie, sind keine Utopie mehr.
  • Die Unfähigkeit des kap­i­tal­is­tis­chen Sys­tems ein­er solchen Krise vorzubeu­gen, kann das Sys­tem in eine grund­sät­zliche Legit­im­ität­skrise stürzen.
  • Der Wider­spruch, Mil­liar­den auszugeben, um hierzu­lande eine men­schliche “Tragödie” abzu­mildern und ander­er­seits die zynis­che Untätigkeit hin­sichtlich des Lei­ds von Mil­lio­nen Men­schen auf der Flucht weltweit ist nicht mehr vermittelbar.
  • Auch kann die Klimabe­we­gung nach der Pan­demie Auftrieb bekom­men, denn für alle muss jet­zt klar sein: Gehen Naturz­er­störung und die Treib­haus­gase­mis­sio­nen weit­er, ist es für viele Men­schen und für ganze Gen­er­a­tio­nen zu spät. Die Fol­gen sind ver­heeren­der als die ein­er Coronakrise.

Es ist die Auf­gabe der radikalen Linken, hier anzuset­zen. Wir rufen daher dazu auf, jet­zt sol­i­darische Alter­na­tiv­en zu disku­tieren und voran zu treiben!

Han­delt in euren Nach­barschaften und auf gesamt­ge­sellschaftlich­er Ebene!

Stay tuned – Machen wir das Beste draus!

Bleibt gesund!

Eure Delfine aus der Havel

Links zum weit­er­lesen / nach­machen / inspiri­ert werden:

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Geschichte & Gedenken

Offenes Gedenken und staatliche Erinnerung

Ver­anstal­tung “Offenes Gedenken und staatliche Erin­nerung | Jugend KZ-Uck­er­mark” im Rah­men der neuen Ver­anstal­tungsrei­he “Antifa-Noti­zen” der Berlin­er VVN-BdA: Mon­tag, 09. März 2020, 19:00 Uhr im Kie­zladen Mahalle (Walde­marstraße 110, 10997, Berlin-Kreuzberg)

Die Ini­tia­tive ent­stand aus einem Net­zw­erk von unab­hängi­gen, fem­i­nis­tis­chen und antifaschis­tis­chen Frauen/Les­ben/­Trans­gen­der-Grup­pen, die seit 1996/97 Bau- und Begeg­nungscamps auf dem Gelände ehe­ma­li­gen Jugend­konzen­tra­tionslagers und späteren Ver­nich­tungslagers Uck­er­mark durch­führen. Ihr Konzept des offe­nen Gedenkens“ will ein kri­tis­ches, aktives, antifaschis­tis­ches und fem­i­nis­tisch motiviertes Gedenken sein, sich ein­er Muse­al­isierung des Gedenkens ent­ge­gen­stellt immer eine Kri­tik an der Ver­fass­theit deutsch­er Erin­nerungs- und Gedenkar­beit einschließt.

Auf unser­er Ver­anstal­tung wird die Ini­tia­tive den Gedenko­rt vorstellen und über ihre Aktiv­itäten bei den dor­ti­gen Gedenk­feiern, die Fortschritte bei der Gestal­tung und über die alljährlichen Bau­camps (in den ver­gan­genen Jahren ist dort einiges passiert!) berichten.

Dieses Jahr ist der 75. Befreiungstag der über­leben­den Häftlinge der Konzen­tra­tionslager Ravens­brück und Uck­er­mark und der Todesmärsche. Zu den Gedenk­feiern wer­den die weni­gen noch reise­fähi­gen Über­leben­den, ihre Ange­höri­gen, Antifaschist*innen und Vertreter*innen der Poli­tik und Öffentlichkeit kom­men. Zunehmend wer­den diese Feier­lichkeit­en jedoch von Nationalist*innen besucht. In der Mahn-und Gedenkstätte Ravens­brück waren es in den let­zten Jahren vor allem pol­nis­che Rechte, die dort mas­siv auftraten.

Keine nation­al­is­tis­che Vere­in­nah­mung des Gedenkens an die Opfer und Ver­fol­gten des Nation­al­sozial­is­mus!“ ist nicht nur die Forderung der Ini­tia­tive, son­dern aller Antifaschist*innen. Die Ini­tia­tive wird über die Ereignisse der ver­gan­genen Jahre bericht­en, die antifaschis­tis­che Inter­ven­tio­nen dazu und einen Aus­blick auf dieses Jahr geben.

Das Jugend KZ Uck­er­mark wurde im Früh­jahr 1942 von Häftlin­gen des Frauenkonzen­tra­tionslagers Ravens­brück errichtet. 1945 zählte das Lager ca. 1000 Mäd­chen und junge Frauen. Ein Erlass von 1937 über die “vor­beu­gende Ver­brechens­bekämp­fung” hat­te die Inhaftierung von als “asozial” krim­i­nal­isierten Mäd­chen möglich gemacht. Im Jan­u­ar 1945 wurde auf dem Gelände ein Ver­nich­tungslager für Häftlinge aus Ravens­brück gebaut. Bis April 1945 wur­den dort ca. 5000 Frauen umgebracht.

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Flucht & Migration Gender & Sexualität

Für das Recht zu bleiben!

Der Inter­na­tionale Frauen­tag 2020 ist ein bedeu­ten­der Anlass, auf die schwieri­gen Lebens­be­din­gun­gen von geflüchteten Frauen* und Kindern hinzuweisen. Die aktuellen Abschiebun­gen von geflüchteten Frauen* nach Kamerun und in andere Staat­en passieren in ein­er demüti­gen­den Art und Weise. Die Frauen* wer­den an ihrem Arbeit­splatz abge­holt, aus ihrem Alt­tag geris­sen und in Lin­ien­flugzeuge gesteckt. Diese Prax­is ver­bre­it­et Panik und lässt geflüchtete Frauen* mit Angst auf ihre unsichere Zukun­ft blick­en. Aber es ist nicht nur ihre Zukun­ft, um die sie und wir ban­gen soll­ten. Es ist ihre aktuelle Sit­u­a­tion, die Sor­gen bere­it­et. Viele geflüchtete Frauen* und ihre Kinder erleben alltäglichen und struk­turellen Ras­sis­mus und Gewalt. Die Lager, in denen sie leben müssen, stellen kein Umfeld für ein kindgerecht­es Aufwach­sen dar. Sie leben in einem Zus­tand der ständi­gen Unsicher­heit und ihnen wird der Zugang zu wichti­gen Grund- und Men­schen­recht­en ver­wehrt. Die Sit­u­a­tion von geflüchteten Frauen* und Kindern zeigt, dass wir mehr Anstren­gun­gen unternehmen müssen, um Frauen* und Kinder vor solchen drama­tis­chen Sit­u­a­tio­nen zu bewahren.

Auch in Bran­den­burg wer­den die Grun­drechte von geflüchteten Frauen* und Kindern ver­let­zt. Anlässlich des Inter­na­tionalen Frauen­t­ages wollen Flüchtlinge zusam­men mit Unterstützer*innen einige Umstände in den Fokus rück­en, die das Leben für Geflüchtete schwierig machen. Gemein­sam fordern wir Veränderung!

  1. Abschiebun­gen – und ins­beson­dere Nachtab­schiebun­gen – müssen sofort gestoppt wer­den! Das Ein­drin­gen der Polizei spät in der Nacht in Flüchtling­sun­terkün­fte und das Öff­nen von Türen und Durch­suchen von Räu­men von Unbeteiligten ver­stößt gegen das Grun­drecht auf geschützten Wohn­raum. Schlaf ist wichtig und eine Störung der Nachtruhe wirkt sich gesund­heits­ge­fährdend aus! Die Lager sind ohne­hin schon Orte des Stress­es und der Unsicher­heit. Das Ein­drin­gen der Polizei führt zu mehr Stress und Re-Trau­ma­tisierung. Diese Prax­is ist nicht akzeptabel!
  2. Lange Aufen­thalte in den Flüchtling­sun­terkün­ften wirken sich schädlich auf die Moti­va­tion, das Empow­er­ment und die Emanzi­pa­tion von Geflüchteten aus. Wir fordern eine Max­i­malaufen­thalts­dauer von drei Monat­en für Geflüchtete in den Unterkün­ften, beson­ders für Frauen* und Kinder!
  3. Die physis­che Iso­la­tion in diesen Unterkün­ften, der Umstand, dass sie oft fern ab von Städten und Gemein­den gele­gen sind, ver­hin­dert Inklu­sion und set­zt Geflüchtete Angrif­f­en von Neon­azis aus. Iso­la­tion macht seel­isch krank und ver­hin­dert Teil­habe in der Gesellschaft.
  4. Für neu angekommene Geflüchtete ist das deutsche bürokratis­che Sys­tem sehr schw­er nachzu­vol­lziehen und die Kom­mu­nika­tion mit den Sachbearbeiter*innen schwierig. Wir fordern die Behör­den auf, fre­undlich­er und tol­er­an­ter zu sein!
  5. All­t­ags- und struk­tureller Ras­sis­mus führen dazu, dass Geflüchtete sich nicht willkom­men und akzep­tiert fühlen. Wir fordern, dass geflüchteten Men­schen mehr Hand­lungs- und Selb­ster­mäch­ti­gungsmöglichkeit­en gegeben wer­den! Wir fordern gle­iche Rechte für alle Men­schen unab­hängig von Pass, Herkun­ft und Status.
  6. Inter­net ist kein Luxus. Es ist eine mod­ernes Instru­ment, das Geflüchteten hil­ft, sich selb­st zu ermächti­gen, mit ihren Fam­i­lien in Kon­takt zu bleiben, sich fortzu­bilden und zu informieren. Wir fordern Inter­net­zu­gang für alle Geflüchteten!

Den Aufruf zu der Demon­stra­tion und die Forderun­gen der Geflüchteten und ihrer Unterstützer_innen find­en Sie weit­er unten sowie hier.

Aus­führliche Infor­ma­tio­nen zur Bran­den­burg­er Erstauf­nahme und die Fol­gen der dauer­haften Iso­la­tion in den abgele­ge­nen Ein­rich­tun­gen für Geflüchtete find­en Sie auf der Seite des Flüchtlingsrates.

Inforiot