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Sonstiges

Cottbuser Subkultur rückt zusammen

Nicht nur zu Coro­na-Zeit­en hat die Cot­tbuser Club­szene ein vielschichtiges Prob­lem! Mal zu laut, mal zu wenig Gäste, mal nicht die richtige Genehmi­gung, kaum Förderung, meist finanziell “auf Kante”… Doch seit dem berechtigten Shut­down und der damit ver­bun­de­nen Schließung der Kul­tur- und Gast­stät­ten­be­triebe wegen der Covid-19 Pan­demie ist der Kampf ums Über­leben in eine weit­ere schwierige Runde gegangen.

Dass gemein­sames Inter­agieren den besseren Effekt bringt, ist den Betreibern der sub­kul­turellen Läden schon länger klar. So wurde aus der Idee ein­er gemein­samen Plat­tform bere­its im Jan­u­ar 2020 ein reales Pro­jekt. Es trafen sich Protagonist*innen viel­er Clubs, Bars und Kneipen, um einen Vere­in zu gründen: die Club Kom­mis­sion Cot­tbus e.V.i.G. Erk­lärtes Ziel ist dabei, mit vere­in­ten Kräften die unter­schiedlich­sten Poten­tiale zu bündeln und in kul­turelle Ange­bote für die ganze Stadt zu gießen. Zu den Mit­gliedern gehören die Teams vom Bebel, Chekov, Ess­co­bar, Fan­go, Seit­en­sprung, Scan­dale, Pri­ma Wet­ter, Unbelehrbar, Marie 23 und dem Muggefug.

Geplant sind für die Zukun­ft unter anderem die Anschaf­fung von flex­i­bler Bühnentechnik, um in allen Stadt­teilen mit Konz­erten und Fes­ten aktiv zu wer­den und die Attrak­tiv­ität der Stadt für Bewohner*innen, Student*innen und (zum Beispiel im Zuge des Struk­tur­wan­dels) Zuziehende und Rückkehrer*innen zu erhöhen. Darüber hin­aus soll der Vere­in auch im poli­tis­chen Sinne für die Belange eines großs­tadtverdächti­gen Nachtlebens wirken.

Während die Vor­bere­itung auf Hoch­touren liefen, kam der Club Kom­mis­sion Cot­tbus e.V.i.G., wie vie­len anderen, der Coro­na-Virus in die Quere. Aber es zeigt sich, dass die ersten gesponnenen Net­ze bere­its pos­i­tive Wirkung haben. Unter Nutzung neuer
Organ­i­sa­tions- und Kom­mu­nika­tion­swege find­en sich die Akteure regelmäßig zusam­men und spin­nen Pro­jek­te und Konzepte. Dass es derzeit eher um Über­leben­skonzepte geht, ver­ste­ht sich von selb­st. So läuft seit 03. April eine Crowd­fund­ing Kam­pagne mit dem Titel „Ret­tet die Cot­tbuser Sub­kul­tur“ über die Plat­tform Start­next. Hier wer­den Tick­ets für Clubs, T‑Shirts, bedruck­te Beu­tel, imag­inäres Trinken oder ein Glas des legendären
Fan­go-Sandes angeboten.

https://www.startnext.com/rette-die-cottbuser-subkultur

Im April bedank­ten sich die Cot­tbuser Kul­turschaf­fend­en, die eng mit der hiesi­gen Musik­szene „ver­bän­delt“ sind, mit einem Song und einem Video. Unter erschw­erten Abstand­sregeln und hygien­is­chen Stan­dards spiel­ten gle­ich 10 Musiker*innen Instru­mente und Gesang ein und noch viel mehr „Laienschauspieler*innen“ dreht­en Sequen­zen für das
dazuge­hörige Video.

Mit der ihr eige­nen Kreativ­ität trotzen die Cot­tbuser Sub­Kul­tis der Krise. Auf der Inter­net­seite www.clubkommissioncottbus.de wer­den die beteiligten Clubs vorgestellt und ständig Infos über kom­mende Aktio­nen veröf­fentlicht: Tre­sentalk, DJ-Sets im Stream, Presseartikel und vieles mehr. Auch der Song und das Video sind hier zu finden.

Kon­takt: medien@clubkommissioncottbus.de

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Potsdamer*innen fordern Evakuierung der Flüchtlingslager

Seebrücke ruft zur Menschenkette am Ostermontag, den 12. April auf: Lager evakuieren — Leben retten! Refugees Welcome!

Nicht nur die Bun­desregierung son­dern auch die Bran­den­bur­gis­che Lan­desregierung kann gemäß Rechtsgutacht­en¹ Flüch­t­ende aus den Lagern evakuieren.

Min­is­ter­präsi­dent Woid­ke soll auf die Evakuierung der Lager drän­gen und ein Sofort­pro­gramm zur Auf­nahme für die Flüch­t­en­den starten.“ fordert See­brücke-Aktivistin Joli­na Parker.

Es ist ein Ver­brechen, die tausenden Men­schen in den beengten und hygien­isch man­gel­haften Lagern zu ignori­eren und unter Quar­an­täne zu set­zen. Die Losun­gen „Wash your hands” oder “Stay at home” sind für die Men­schen in den Lagern wie Moria blanker Zynis­mus. Dort man­gelt es an Warmwass­er, San­itäran­la­gen und Desin­fek­tion­s­mit­tel. Abstand­hal­ten funk­tion­iert nicht auf eng­stem Raum.

In Zeit­en von Coro­na heißt es: Jed­er Tag, der jet­zt verge­ht, ohne zu han­deln, macht die Katas­tro­phe noch schlimmer.

Eben­so ist die Lage der hiesi­gen Sam­melun­terkün­ften mit Mehrbettz­im­mern und Gemein­schaft­sküchen und ‑san­itäran­la­gen in Zeit­en von Coro­na noch prekär­er als son­st. Massen­quar­an­tä­nen sind gesund­heits­ge­fährdend und men­schen­ver­ach­t­end und unbe­d­ingt zu ver­mei­den! Es müssen sofort alle Kapaz­itäten wie leere Hotels und möblierte Woh­nun­gen genutzt wer­den, um die Enge der Sam­melun­terkün­fte zu entzerren.

DIE POTSDAMER SEE­BRüCKE-INI­TIA­TIVE RUFT AM OSTERSONNTAG, DEN 12. APRIL UM 15 UHR ZUR ANGEMELDETEN MENSCHENKETTE VOM RATHAUS üBER DIE FRIEDRICH-EBERT-STRAßE BIS ZUM LANDTAG AUF.
Ober­bürg­er­meis­ter Mike Schu­bert hat von den katas­trophalen Bedin­gun­gen auf Les­bos berichtet und dazu aufgerufen, keine Zeit mehr zu ver­schwen­den und die Men­schen dort sofort rauszu­holen. Wir wollen, dass diese Botschaft in der Lan­desregierung ankommt.

In der Oster­tra­di­tion hof­fen wir, dass sich viele Potsdamer*innen mit eige­nen Schildern und Trans­par­enten an der Men­schen­kette beteili­gen. Wir wer­den alles tun, um den Infek­tion­ss­chutz zu gewährleis­ten. D.h. der Ver­lauf der Men­schen­kette wird sich­er auffind­bar gekennze­ich­net. Alle Teilnehmer*innen sind verpflichtet, einen Min­destab­stand von 3 m einzuhal­ten und Mund­schutz zu tra­gen (Schal oder Maske). Per­so­n­en mit Erkäl­tung oder ähn­lichen Symp­tomen soll­ten zu Hause bleiben. Wir set­zen auf die Eigen­ver­ant­wortlichkeit und Sol­i­dar­ität unser­er Demoteilnehmer*innen. Gle­ichzeit­ig wer­den wir mit eige­nen Ordner*innen auf die Ein­hal­tung des Infek­tion­schutzes acht­en. Jede*r soll sich­er demon­stri­eren kön­nen“, erk­lärt Anmelder und See­brücke-Aktivist Simon Wohlfahrt.

IN DER WOCHE BIS ZUM 12. APRIL LäDT DIE SEE­BRüCKE POTSDAM EIN, NOCH MEHRSPURENIN DER STADT ZU HINTERLASSEN:Wer Fotos eigen­er Ban­ner oder beobachteter Graf­fi­ti veröf­fentlichen möchte, kann sich an die Face­book-Seite der Ini­tia­tive oder an die E‑Mail-Adresse potsdam@seebruecke.org wen­den. Unter dem Hash­tag #LeaveNoOneBe­hind kön­nen Men­schen im Inter­net ihre Sol­i­dar­ität mit Flüch­t­en­den zeigen.

IN DEUTSCHLAND UND GANZ EUROPA: WIR LASSEN NIEMANDEN ZURüCK – AUCH NICHT AN DEN EU-AUßEN­GREN­ZEN! #LEAVENOONEBEHIND

https://www.facebook.com/Seebr%C3%BCcke-Potsdam-1850435155011395/
https://twitter.com/seebrueckepd
https://seebruecke.org/lokalgruppen/seebruecke-potsdam/

¹https://www.jura.uni-hamburg.de/lehrprojekte/law-clinics/refugee-law-clinic/forschungsprojekt-staedte-der-zuflucht/gutachten-landesaufnahme.pdf
und https://www.dropbox.com/s/21wghgyqi2ped69/L%C3%A4nderkompetenzen%20humanit%C3%A4re%20Aufnahme%20Griechenland.pdf

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Antifaschismus

Angriffe von rechts in Eberswalde

Es war der Tag, an dem eine laut­starke und bunte Demon­stra­tion gegen die AfD-Wahlkampfver­anstal­tung ver­gan­genen Spät­som­mer in Eber­swalde stat­tfand. Gle­ichzeit­ig wur­den im Wohnum­feld von Studieren­den und linken Aktivist_innen die Reifen mehrerer Autos zer­stochen. Die zweite Angriff­swelle fol­gte im Novem­ber 2019 – par­al­lel zum jährlichen Gedenken an Amadeu Anto­nio Kiowa, der vor 29 Jahren von Nazis ermordet wurde. Wieder traf es Per­so­n­en aus dem „links-grü­nen“ stu­den­tis­chen Umfeld. Anfang Feb­ru­ar 2020 fol­gte eine weit­ere Angriff­swelle auf Fahrzeuge. Die Beschädi­gun­gen fan­den dies­mal nicht nur in Nähe der Häuser, son­dern auch in den Haus­fluren statt, was eine erhöhte Bedro­hung für die Bewohner_innen deut­lich machte.

Auch wenn die kausalen Zusam­men­hänge zwis­chen den Tat­en und Zeit­punk­ten so manchen in Eber­swalde immer noch nicht gegeben waren, nah­men wir uns dem Prob­lem an und haben mit Unnachgiebigkeit und Vehe­menz erre­icht, dass diese „vere­inzel­ten Sachbeschädi­gun­gen“, selb­st bei der Polizei mit­tler­weile als „poli­tisch motivierte Krim­i­nal­ität“ ver­bucht wird.

Es bleibt anzumerken, dass die Angriffe keines­falls nur Studierende betrafen. Es han­delt sich um Men­schen, die sich für eine sol­i­darische und tol­er­ante Gesellschaft ein­set­zen und sich offen gegen Faschis­mus, Ras­sis­mus und Sex­is­mus posi­tion­ieren. Für uns ist klar: Die Anschläge fan­den gezielt statt. Die Opfer wur­den bewusst ausgewählt.

Auch heute zeigen sich erneut die Fol­gen gesellschaftlichen Nicht­stuns und Wegschauens. Neon­azis fühlen sich so sich­er auf den Straßen Eber­swaldes, dass sie monate­lang Eigen­tum ander­er zer­stören und dabei auch in Häuser ein­drin­gen, um Men­schen zu ter­ror­isieren. Auch wenn viele Insti­tu­tio­nen am guten Image dieser Stadt feilen: Eber­swalde ist keines Wegs ein geläutert­er Ort.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Zur Situation in den Unterkünften während Corona

Gemeinsame Pressemitteilung zur Situation in Brandenburger Unterkünften während der Corona-Pandemie

Abstand­hal­ten ist unmöglich in vie­len Flüchtlingsunterkünften

Geflüchtete in Bran­den­burg­er Flüchtling­sun­terkün­ften haben aktuell kaum eine Chance, Kon­tak­te zu anderen Men­schen zu ver­mei­den, Abstand zu hal­ten und sich und ihre Fam­i­lien vor ein­er Ansteck­ung mit dem neuar­ti­gen Coro­n­avirus zu schützen. Maß­nah­men der sozialen Dis­tanzierung tre­f­fen sie gle­ichzeit­ig in beengten Wohn­ver­hält­nis­sen beson­ders hart.

Die Unterzeichner*innen der Pressemit­teilung fordern die Lan­desregierung zu sofor­ti­gen Maß­nah­men auf, um Geflüchtete, die aktuell noch in den kom­mu­nalen Gemein­schaft­sun­terkün­ften sowie den vom Land betriebe­nen Erstauf­nahmestellen unterge­bracht sind, während der Coro­na-Pan­demie zu schützen. Ger­ade in diesen Zeit­en von Sol­i­dar­ität und bre­it­er Unter­stützung inner­halb von Nach­barschaften soll­ten auch die Rechte von Flüchtlin­gen gewahrt und nicht vergessen werden.

Sog­ar Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, har­ren in Bran­den­burg weit­er­hin in Mehrbettz­im­mern aus und müssen sich teil­weise Bad und Kan­tine bzw. die Gemein­schaft­sküche mit vie­len Anderen teilen. Diese Sit­u­a­tion ist abso­lut unver­ant­wortlich: Es ist höch­ste Zeit, dass hier mutige Entschei­dun­gen getrof­fen wer­den, um Risiko­grup­pen sofort zu schützen und Masse­nun­terkün­fte per­spek­tivisch leerzuziehen.

Die Touris­mus-Branche hat Platz

Zahllose leer­ste­hende Hotels, Woh­nun­gen und Ferien­apart­ments kön­nten dafür genutzt wer­den. Nicht nur Geflüchtete, son­dern alle, die ger­ade kein sicheres Zuhause haben, ver­di­enen jet­zt sol­i­darische, prag­ma­tis­che und schnelle Lösun­gen (Appell vom 20.3.2020). Das Bran­den­burg­er Sozialmin­is­teri­um gibt an, eine Abschot­tung ganz­er Unterkün­fte möglichst ver­mei­den zu wollen. Um das aber real­is­tisch zu ermöglichen muss jet­zt gehan­delt und müssen alter­na­tive Unter­bringungsmöglichkeit­en kurzfristig gefun­den werden.

Eine Kan­tine für 300 in der Erstaufnahme

Beson­ders zuge­spitzt stellt sich die Lage in der Erstauf­nahme und ihren Außen­stellen in Dober­lug-Kirch­hain, Wüns­dorf und in Eisen­hüt­ten­stadt dar. Firas (Name geän­dert), ein Bewohn­er der Erstauf­nahme in Wüns­dorf fordert: “Die Men­schen hier im Lager soll­ten in Woh­nun­gen verteilt wer­den. Wenn wir mit 45 Per­so­n­en zwei Badez­im­mer teilen, ist die Ansteck­ungs­ge­fahr für uns groß. Wir sitzen hier mit mehr als 300 Men­schen zusam­men in der Kan­tine und essen. Obwohl wir ver­suchen, Abstand zu hal­ten: Man kann sich selb­st oder andere hier sehr leicht anstecken.”

Statt Men­schen umge­hend dezen­tral unterzubrin­gen, set­zt das Land Bran­den­burg auf einen weit­eren Aus­bau der Erstauf­nahme und bestellt weit­ere Quar­an­täne-Con­tain­er. Schleswig-Hol­stein zeigt, dass es auch anders geht. Dort gilt: ältere Men­schen und Men­schen mit Vor­erkrankun­gen sollen eben­so wie aus­reisepflichtige Per­so­n­en, bei denen in den näch­sten Monat­en auch wegen der Coro­na Pan­demie eine Aus­reise wenig wahrschein­lich ist, auf die Kom­munen verteilt werden.

Alle Flüchtlinge und Asyl­suchende müssen jet­zt in sichere pri­vate Woh­nun­gen oder leer­ste­hende Hotelz­im­mer gebracht wer­den. Wir soll­ten nicht vergessen, dass Flüchtlinge auch Men­schen sind”, fordert Jafar, der vor kurzem aus der Erstauf­nahme in eine Gemein­schaft­sun­terkun­ft im Land­kreis Ober­hav­el verteilt wurde.

Unsere Forderun­gen für den Schutz von Geflüchteten in Massenunterkünften:

Die Bele­gung in den Erstauf­nah­men und den Sam­melun­terkün­ften in den Land­kreisen muss entzer­rt werden.

Keine Quar­an­täne für kom­plette Sammelunterkünfte!

Risiko­grup­pen sind akut bedro­ht – sie müssen sofort raus aus Masse­nun­terkün­ften. Auch Geflüchtete, die z.B. als Pfleger*innen oder in anderen sys­tem­rel­e­van­ten Berufen arbeit­en, müssen sofort geeignet unterge­bracht werden.

Klare Anweisun­gen an Betreiber der Sammelunterkünfte:

Bere­it­stellen von mehrsprachi­gen Infor­ma­tio­nen über COVID 19 und über Umgang der Sam­melun­terkun­ft mit ver­schiede­nen Sit­u­a­tio­nen. Eine mehrsprachige Hot­line wäre sowohl für die Bewohner*innen der GUs als auch für die Mitarbeiter*innen eine wichtige Entlastung.

Ausar­beitung von trans­par­enten Pan­demie-Plä­nen: Welche Schritte wer­den bei Infek­tio­nen sowohl bei Bewohner*innen als auch bei Per­son­al unter­nom­men? Wie ist Quar­an­täne von Einzelper­so­n­en und Unterkun­ft­sein­heit­en möglich, ohne die gesamte Unterkun­ft unter Quar­an­täne zu stellen?

Aus­gangs­beschränkun­gen und Kon­tak­t­ge­bote dür­fen nicht durch Secu­ri­ty kon­trol­liert wer­den – dies obliegt allein den staatlichen Ordnungsbehörden!

Der kosten­lose Inter­net­zu­gang in allen Unterkün­ften muss sichergestellt wer­den, nicht nur auf den Fluren und in Gemein­schaft­sräu­men, son­dern in jedem Zim­mer, um Schu­lauf­gaben lösen (auch für Auszu­bildende, Sprachschüler*innen) und Kon­takt zu Ver­wandten hal­ten zu können.

Die tech­nis­chen Ressourcen, die für das Wahrnehmen des dig­i­tal­en Schu­lun­ter­richts notwendig sind (Lap­tops, PC oder Tablets, Druck­er für die Auf­gaben etc.), müssen vor Ort in aus­re­ichen­der Menge und kosten­los allen Schüler*innen zur Ver­fü­gung ste­hen. Darüber hin­aus soll bei der Erstel­lung der Not­pläne berück­sichtigt wer­den, dass viele Kinder und Jugendliche in den GUs eine zusät­zliche sozialpäd­a­gogis­che Unter­stützung benöti­gen, um die Her­aus­forderun­gen des dig­i­tal­en Unter­richts bewälti­gen zu kön­nen, u.a. weil viele Eltern nicht über aus­re­ichend Deutschken­nt­nisse verfügen.

Zugang zur reg­ulären geset­zlichen Krankenversicherung

Pressekon­takt:

Flüchtlingsrat Bran­den­burg: 0331/ 71 64 99 info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

Flüchtlingsrat Bran­den­burg I Rudolf-Bre­itscheid-Str. 164 I 14482 Potsdam
Tel.: 0331/ 71 64 99 I Fax: 0331/ 88 71 54 60

Tele­fonis­che Sprech­stunde Dien­stag, Don­ner­stag und Fre­itag 10–13 Uhr

www.fluechtlingsrat-brandenburg.de

www.facebook.com/FluechtlingsratBrandenburg/

Spendenkon­to
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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Erklärung der Landesverbände des VVN-BdA

Erklärung der Landesverbände Berlin und Brandenburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) zur aktuellen Corona-Krise

Mit Bedauern nehmen die VVN-BdA Bran­den­burg und die Berlin­er VVN-BdA zur Ken­nt­nis, dass in der aktuellen Sit­u­a­tion die Feiern anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der in Bran­den­burg gele­ge­nen Konzen­tra­tions- und Zwangsar­beit­slager abge­sagt wer­den müssen. Wir kön­nen diese Entschei­dung nachvol­lziehen, gilt es doch das Leben der weni­gen noch leben­den Zeitzeu­gen und ihrer oft betagten Ange­höri­gen zu schützen und eine Weit­er­ver­bre­itung des Virus auf Großver­anstal­tun­gen zu verhindern.

Daneben stellen wir mit Bestürzung und großer Besorg­nis fest:

- dass wir erleben müssen, dass der weltweite Abbau sozialer Sicherungsmech­a­nis­men in den let­zten 30 Jahren und die damit ein­herge­hende Zer­störung des Gesund­heitswe­sens zu ein­er Wiederkehr eugenis­chen Denkens und Han­delns führt, indem darüber disku­tiert wird, das ältere Men­schen zu Gun­sten ein­er funk­tion­ieren­den Wirtschaft zu ster­ben hät­ten und das auch nach ökonomis­chen Kri­te­rien darüber entsch­ieden wird bzw. entsch­ieden wer­den soll, welche Men­schen drin­gend benötigte medi­zinis­che Behand­lung erhal­ten und welche nicht ver­sorgt wer­den können;
— dass die Bekämp­fung der Coro­na-Krise in ganz Europa zum Abbau demokratis­ch­er Grun­drechte und Etablierung autoritär­er Herrschafts­for­men genutzt wird;
— dass in der Krise Machtkämpfe zwis­chen ver­schiede­nen Staat­en aus­ge­tra­gen wer­den, die die Hil­fe für die von der Krankheit bedro­ht­en Men­schen beein­trächti­gen, v.a für die beson­ders bedro­ht­en und unter katas­trophalen Bedin­gun­gen leben­den Men­schen in den Flüchtlingslagern auf den griechis­chen Inseln.

Wir fordern deshalb:

- die gesund­heitlichen Gefahren, die von COVID-19 aus­ge­hen, dür­fen nicht als Vor­wand benutzt wer­den, demokratis­che Rechte dauer­haft abzubauen. Demokratie und Men­schen­rechte sind nicht Ursache der steigen­den Infizierten­zahlen, son­dern die jahrzehn­te­lange, bru­tale Spar­poli­tik zu Las­ten der Kranken und der Beschäftigten im Gesund­heitswe­sen. Die jet­zt ein­geleit­eten Ein­schränkun­gen demokratis­ch­er Rechte sind nach der Krise umge­hend aufzuheben.
— die Ret­tung der in den Flüchtlingslagern in Griechen­land veg­etieren­den Men­schen. Die Lager müssen umge­hend aufgelöst und die Men­schen sich­er in anderen EU-Staat­en aufgenom­men werden;
— die umge­hende Ein­stel­lung sämtlich­er Rüs­tung­spro­duk­tion in Deutsch­land und die schnelle und umfassende Kon­ver­sion zur Pro­duk­tion drin­gend benötigter Güter der medi­zinis­chen Versorgung.

Wir rufen deshalb dazu auf:

- sich auch unter den Bedin­gun­gen der Bekämp­fung des Coro­n­avirus für eine demokratis­che, freie und humane Gesellschaft einzusetzen;
— demokratis­che Rechte zu vertei­di­gen und den Wieder­auf­bau eines funk­tion­ieren­den Gesund­heitssys­tems, das für die Pati­entIn­nen und nicht für Prof­ite existiert, zu erkämpfen.

Und wir rufen alle Brandenburger_innen und Berliner_innen auf, in der Zeit zwis­chen dem 22. und dem 30. April, den Jahresta­gen der Befreiung von Ravens­brück und Sach­sen­hausen, indi­vidu­ell und unter Ein­hal­tung der notwendi­gen Sicher­heits­maß­nah­men gegen eine Weit­er­ver­bre­itung des Virus, an den Gedenksteinen für die Todesmärsche im Früh­jahr 1945 und an Gedenkstellen für KZ-Außen­lager und Zwangsar­beit­slager Blu­men niederzulegen.

Der Lan­desvor­stand der VVN-BdA Brandenburg,
Bran­den­burg, den 29. März 2020
Der Lan­desvor­stand der Berlin­er VVN-BdA,
Berlin, den 29. März 2020

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Antifaschismus

AfD: Nichts zu sagen zur Corona-Krise

Die AfD in Bran­den­burg erweist  sich in diesen Tagen als unfähig, eine poli­tis­che Lin­ie zur Coro­na-Krise zu entwick­eln. Die Äußerun­gen dazu aus der Partei sind rar und wider­sprüch­lich. In den eher noch besseren Momenten wer­den Bin­sen­weisheit­en verkün­det. Es bedürfe »unbürokratis­ch­er Hil­fen« für die Agrar­wirtschaft, befind­et der Land­tagsab­ge­ord­nete Stef­fen John und fordert, es solle  »Aus­sicht auf eine Beendi­gung des ‚Shut­downs‘« geben.

Der tat­säch­lichen Entwick­lung im Land hinkt die AfD hin­ter­her. In einem Posi­tion­spa­pi­er forderte die AfD-Frak­tion beispiel­sweise die Aufle­gung eines Soforthil­fe­fonds im Bun­des­land, der vor allem die Wirtschaft ent­las­ten und 500 Mil­lio­nen Euro umfassen solle. Der Ret­tungss­chirm, den die Regierung  Bran­den­burgs unter­dessen ver­ab­schiedete, ist mit einem Bud­get von ein­er Mil­liarde Euro aus­ges­tat­tet und soll auf zwei Mil­liar­den Euro erhöht wer­den. Das »AfD wirkt«-Statement, mit dem sich die Partei den Lan­des-Ret­tungss­chirm als Erfül­lung der eige­nen Forderun­gen auf die Fah­nen schreiben will, wirkt eher lächerlich.

Ressen­ti­ments und Verschwörungstheorien
Vor dem Hin­ter­grund, dass Lan­deschef Kalb­itz Coro­na noch am 12. März für eine »Hys­terie« hielt, wirkt es bizarr, wenn Frak­tion­skol­lege Wilko Möller darauf hin­weist, dass weltweit schon im Jan­u­ar ein »Gesund­heit­snot­stand« abzuse­hen gewe­sen sei. Im Videoin­t­er­view mit dem Mag­a­zin »Com­pact« wirft Möller sowohl Lan­des- als auch Bun­desregierung vor, diese hät­ten »schon viel früher« auf die Bedro­hungslage reagieren müssen. Er deutet an,  es gebe in sein­er Partei Stre­it um die Bew­er­tung von Coro­na. Möller habe für die Forderung nach Aus­ru­fung des Katas­tro­phen­falls plädiert – »In mein­er Frak­tion wurde das anders gese­hen. Muss man akzeptieren«.

ras­sis­tis­che Het­ze natür­lich auch zu Coro­na Pandemie

Wenig über­raschend ver­sucht die AfD in Bran­den­burg, die Pan­demie ins Raster der eige­nen Feind­bilder zu pressen. Die Stel­lung­nah­men ver­mit­teln ins­ge­samt den Ein­druck, Flüchtlinge, offene Gren­zen und selb­st der Islam hät­ten Schuld an der Pan­demie. Fremde als Überträger von Seuchen – ein klas­sis­ches Motiv aus dem Reper­toire extrem rechter Het­ze. In einem Face­book-Post­ing zu „CORVID-19“ [sic!] ver­bre­it­et Stef­fen John, migra­tionspoli­tis­ch­er Sprech­er der AfD-Frak­tion, ein Foto ein­er ver­schleierten Frau mit dem Hash­tag #wirbleiben­zuhause. »Wilde Zuwan­derung« und »unges­teuerte ille­gale Migra­tion« wür­den trotz Coro­na-Krise weit­er flo­ri­eren, heißt es in einem weit­eren Post­ing, das John vom AfD-Bun­destagsab­ge­ord­neten Got­tfried Curio über­nom­men hat. Es könne nicht sein, heißt es dort, dass par­al­lel zum ange­blichen Flüchtlingsstrom die Wirtschaft lei­de, weil »inter­na­tionale Liefer­ket­ten zusammenbrechen«.

Gegen Frauen­rechte in der Corona-Krise.

Die Frak­tions-Vizevor­sitzende Bir­git Bessin treibt der­weil die Sorge um,  »fam­i­lien­feindliche Abtrei­bungsver­bände» wür­den Coro­na zur Durch­set­zung ihrer »men­schen­ver­ach­t­en­den Wertvorstel­lun­gen« nutzen. Anlass: Ver­bände wie Pro Famil­ia haben vorgeschla­gen,  das geset­zlich verpflich­t­ende Beratungs­ge­spräch vor einem Schwanger­schaftsab­bruch könne option­al derzeit auch tele­fonisch durchge­führt werden.

Der Land­tagsab­ge­ord­nete Christoph Berndt, son­st Anführer des recht­sex­tremen Vere­ins »Zukun­ft Heimat« und im bürg­er­lichen Beruf Labormedi­zin­er an der Char­ité in Berlin, streut indes Zweifel an der Ern­sthaftigkeit der Bedro­hung. Auf Twit­ter pub­liziert er nicht nur zahlre­iche ras­sis­tis­che Post­ings, son­dern auch solche, in denen Covid-19 als »milde Erkrankung« ver­harm­lost wird. An der Parteiba­sis der AfD im Land wer­den die grassieren­den Ver­schwörungs­the­o­rien ohne Hem­mungen goutiert.

Plan­los in der Pandemie
Der Lan­desver­band der AfD nutzt son­st jede Gele­gen­heit, sich als einzige poli­tis­che Kraft zu ver­mark­ten, die zur Bewäl­ti­gung von Krisen jed­wed­er Art fähig wäre. Im derzeit­i­gen Krisen­fall agiert die Partei jedoch konzept­los und wider­sprüch­lich. Im Zweifel kann sich die AfD nur auf den inner­parteilichen kle­in­sten Nen­ner eini­gen: sie mobil­isiert Ras­sis­mus und befördert Ver­schwörungs­the­o­rien. Mit ihren Reak­tio­nen auf die Coro­na-Krise stellt sich die AfD in Bran­den­burg selb­st ein Armut­szeug­nis aus.

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Antifaschismus Parlamentarismus Wohnen & Stadt

Stellungnahme zur Kritik der vier CDU-Mitglieder

Stellungnahme zur Kritik von vier CDU-Mitgliedern an Positionspapier

Vier Mit­glieder der CDU haben in den sozialen Medi­en Kri­tik an der Erlärung “Kein Forum für rechte Kad­er” geübt. Die PNN berichtete https://www.pnn.de/potsdam/kritik-von-potsdamer-linke-cdu-greift-neues-forum-gegen-afd-an/25473962.html.

Wir nehmen dazu wie fol­gt Stellung:

Wir haben mit Erstaunen die Kri­tik einzel­ner CDU-Mit­glieder an unsere Ini­tia­tive “Kein Forum für rechte Kad­er” wahrgenom­men, sehen darin aber eine Chance ins Gespräch zu kom­men. Wir laden alle Inter­essierten aus der CDU zu einem Aus­tausch über den Umgang mit recht­en Funktionär*innen ein. Wir sehen drin­gen­den Redebe­darf – auch bei CDU-Mit­gliedern – über die Her­aus­forderung, wie wir der Nor­mal­isierung von recht­sradikaler Poli­tik ent­ge­gen­treten kön­nen. Zusät­zlich müssen wir uns mit den Selb­stver­harm­lo­sungsstrate­gien der neuen und alten Recht­en auseinan­der­set­zen. Auf unser­er Web­seite www.keinforum.eu find­en sich zahlre­iche Beiträge und Links, die bei ein­er tiefge­hen­den Auseinan­der­set­zung mit der The­matik helfen sollten.

Die Unterzeichner*innen der Erk­lärung “Kein Forum für rechte Kad­er”, wie u.a. die Franzö­sisch Reformierte Gemeinde, die Volkssol­i­dar­ität Bran­den­burg oder der Lan­desju­gen­dring Bran­den­burg, ste­hen für eine demokratis­che, weltof­fene, vielfältige und sol­i­darische Gesellschaft ein. Selb­st in der CDU musste schmer­zlich erfahren wer­den, dass diese demokratis­chen Werte zunehmend unter Druck ger­at­en. Der CDU-Poli­tik­er Wal­ter Lübcke wurde von einem recht­sradikalen Atten­tätern erschossen. Stephan E. hat­te nicht nur Kon­tak­te zur AfD. Gemäß jüng­sten Bericht­en war er hier sog­ar Wahlkampfhelfer [1].

Die Erk­lärung “Kein Forum für rechte Kad­er” fol­gt der Analyse zahlre­ich­er Rechtsextremismusexpert*innen: Die Demokratie muss vor den Strate­gien der alten und neuen Recht­en geschützt wer­den [2]. Neben Aufk­lärung und ein­er Poli­tik, die die Äng­ste vor sozialem Abstieg ernst nimmt, muss es eine klare Abgren­zung gegenüber den recht­en Funktionär*innen von AfD, Drit­ter Weg, NPD usw. geben. Rechte Funk­tionäre nutzen ihre Teil­nahme an Talk­shows, Podi­ums­diskus­sio­nen und öffentlichen Ver­anstal­tun­gen, um ihre anti­demokratis­chen und men­schen­feindlichen Posi­tio­nen anschlussfähig zu machen.

Dass diese klare Hal­tung bei einzel­nen CDU-Mit­gliedern einen Reflex aggres­siv­er Anschuldigun­gen aus­löst, kann bei ein­er großen Partei wie der CDU vorkom­men, ist aber den­noch ver­wun­der­lich. Schließlich erfährt diese klare Abgren­zung gegenüber Rechts auch im christlichen Bere­ich eine bre­ite Unter­stützung. So ver­weigerte der evan­ge­lis­che Kirchen­tag im Jahr 2019 jeglich­es Podi­um für rechte Kad­er [3].

Weit­ere Reak­tio­nen zur CDU Kritik
https://www.pnn.de/straube-peer/21266804.html
https://www.pnn.de/potsdam/nach-cdu-kritik-an-anti-afd-buendnis-scharfer-gegenwind-fuer-potsdamer-cdu/25479042.html

1 https://www.hessenschau.de/gesellschaft/mutmasslicher-luebcke-moerder-war-fuer-afd-aktiv‑,mordfall-luebcke-tatverdaechtiger-in-afd-aktiv-100.html
2 u.a. Poli­tik­wis­senschaftler Dr. Robert Feustel warnt: “AfD will die Demokratie stürzen” unter https://www.pnn.de/potsdam/politikwissenschaftler-warnt-afd-will-die-demokratie-umstuerzen/24904712.html ; Sozi­ologe Dr. Matthias Quent: “Eine weit­ere Nor­mal­isierung kann auch dann ver­hin­dert wer­den, wenn die AfD und damit das rechte Milieu keine poli­tis­che Macht besitzt. (…) Hier sind ins­beson­dere die Kon­ser­v­a­tiv­en gefordert, sich klar abzu­gren­zen; zumal wir sehen, dass das nun ent­fes­selte rechte Milieu nicht mehr einz­u­fan­gen ist.” unter https://www.awo.org/sites/default/files/2019–09/Quent 4_2019.pdf
3 https://www.zeit.de/news/2019–06/19/evangelischer-kirchentag-ohne-afd-kein-podium-fuer-hetze-190619–99-706238

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Pressemitteilung der EAP zum Gedenken am 27. Januar

Am 27.01.2019 fand das alljährliche Gedenken an die Opfer des
Nation­al­sozial­is­mus am Platz der Ein­heit und am Ehren­fried­hof der sow­jetis­chen Armee in Pots­dam statt. Zum Gedenken fan­den sich rund 300 Per­so­n­en ein.

Nach begrüßen­den Worten ver­las die Gruppe fem­i­nis­tisch antifaschis­tis­che Ver­anstal­terin­nen (fea­va) ihren Rede­beitrag in welchem sie Fol­gen­des klarstell­ten: “Darum beste­hen wir behar­rlich auf fol­gende begrif­fliche Unter­schei­dung: BEFREIT wur­den die Lager, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung allerd­ings, musste von den Alli­ierten BESIEGT wer­den. Dies
zu wis­sen, ist wichtig für die Betra­ch­tung der soge­nan­nten Gedenkkultur”

Die Emanzi­pa­torische Antifa Pots­dam (EAP) stellte unter anderem die Biografie von Marek Edel­mann, einem pol­nis­chen Wider­stand­skämpfe, vor. Als Kom­man­dant spielte er eine wichtige Rolle während des Warschauer Auf­s­tandes 1943. Marek Edel­mann lebte für den Wider­stand und er mah­nte ein­dringlich vor dem Vergessen: „Für junge Men­schen ist es heute sehr schw­er zu begreifen wie das alles gewe­sen ist. Wenn die Erin­nerung nicht
bleibt, dann kann sich alles wieder­holen. Und je mehr man sich erin­nert und weiß, desto größer die Chance, dass es sich nicht wieder­holt. Der Men­sch ist schlecht.“

Die Pruss­ian Fat Cats — Roller Der­by Pots­dam ver­wiesen in ihrem
Rede­beitrag auf die enorme Bedeu­tung der Frauen im antifaschis­tis­chen Wider­stand. Exem­plar­isch wurde die Geschichte von Franziska Mann, geborene Lola Horowitz dargelegt. Sie griff am 13.Oktober 1943, kurz vor der geplanten Ver­ga­sung, einem SS-Scher­gen an, entriss ihm den Revolver und schoss damit auf mehrere Nazis. Sie traf einen davon tödlich. Auch andere Frauen grif­f­en gle­ichzeit­ig weit­ere SS-Män­ner an, welche fluchtar­tig abhaut­en. Kurze Zeit später wurde die Gruppe um Franziska
Mann erschossen.

Nach ein­er Schweigeminute wur­den am Denkmal für die Opfer des
Faschis­mus Kerzen angezün­det, Kränze und Blu­men niedergelegt. Danach ging es gemein­sam zum Sol­daten­fried­hof auf dem Bass­in­platz. Hier wurde der Lebenslauf von Olga Benario-Prestes vorgestellt. Sie kämpfte jahre­lang gegen die Nation­al­sozial­is­ten und wurde 1942 im KZ Bern­burg vergast.
Anschließend wurde vom Ortsver­ban­des Pots­dam des VVN-BdA auf das Schick­sal der Fam­i­lie Feist in Pots­dam aufmerk­sam gemacht und mah­nende Worte aus­ge­sprochen, dass wir niemals unsere Men­schlichkeit ver­lieren dürfen.

Zum heuti­gen Gedenken sagte Melyssa Diedrich von der EAP abschließend “Ger­ade in Zeit wo es in Deutsch­land wieder mehr anti­semi­tis­che Angriffe gibt müssen wir dafür Sorge tra­gen, dass die Geschichte nicht vergessen wird. Und wie wir in unserem Aufruf schon sagten kön­nen wir nur mit ein­er niemals endende Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hung und Wirkungsweise des Nation­al­sozial­is­mus wird es möglich sein, die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen zu bewerten”.

mit fre­undlichen Grüßen
Melyssa Diedrich für die EAP

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Flucht & Migration Law & Order

Massenabschiebung mit Polizei-Einsatz in Doberlug-Kirchhain

Massenabschiebung mit Polizei-Großeinsatz in Doberlug-Kirchhain, Brandenburg — Protest der Geflüchteten

Bericht von Refugee Assem­bly Bran­den­burg (RAB) vom 22.01.20:

Let­zte Nacht gab es eine Polizeirazz­ia in der Erstaufnahmeeinrichtung
Dober­lug-Kirch­hain mit dem Ziel, Asyl­suchende mit Dublin­prob­lem zu
find­en und nach Frankre­ich abzuschieben. Mehr als 20 Men­schen wur­den aus
der Erstauf­nah­meein­rich­tung sowie aus Heimen abgeschoben. Drei Familien
und viele Einzelper­so­n­en wur­den in einem Bus als Massen-Abschiebeaktion
nach Frankre­ich abgeschoben. Wir haben gehört, dass drei Personen
Panikat­tack­en bekom­men haben und notärztliche Behand­lung benötigten.

Einige Geflüchtete haben ver­sucht, im Lager Aufmerk­samkeit zu bekommen
und mit der Polizei zu reden um die Aktion zu stoppen.
Heute haben mehr als 60 Geflüchtete im Lager protestiert und haben das
Gelände ver­lassen um vor der Außen­stelle der Zen­tralen Ausländerbehörde
weit­er zu protestieren. Die wüten­den Geflüchteten forderten den Stopp
von Abschiebun­gen, das Öff­nen von Gren­zen und den Stopp von nächtlichen
Polizei-Oper­a­tio­nen in Flüchtlingslagern.

Wir müssen daran erin­nern, dass dies die deutschen Geset­ze sind, die
Massen­ab­schiebun­gen und nächtliche Mil­i­tarisierung der Lager erlauben.
Diese Geset­ze müssen zum Besseren verän­dert wer­den und wir glauben, dass
nur die, die direkt von diesen Geset­zen betrof­fen sind, in der Lage
sind, sie zu ändern. Wir unter­stützen legale Proteste von Geflüchteten
und Asyl­suchen­den über­all in Deutsch­land und wir wer­den nicht aufhören
bis wir Antworten haben.

Asyl­suchende und Geflüchtete der Ein­rich­tung in Doberlug-Kirchhain

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Der Tod der Rita O.

Als der Name Rita fällt, schließt die Frau lieber die Tür. Sie will keinen Ärg­er. Deshalb soll sie hier auch nicht näher beschrieben wer­den, nur so viel: Sie lebt im sel­ben Heim, in dem auch Rita lebte; ein paar Zim­mer weit­er. Sie war eine ihrer Fre­undin­nen. Rita, sagt die Frau, war ein guter Men­sch. Eine für­sor­gliche Mut­ter, ver­ant­wor­tungs­be­wusst, nur manch­mal etwas dis­tanziert. Aber defin­i­tiv nie­mand, der ein­fach so verschwindet.

Rita Awour Ojungé kam 2012 aus Kenia nach Deutsch­land. Eine Zeit lang arbeit­et sie als Au-pair. Mit einem Kameruner bekommt sie zwei Söhne, heute zwei und vier Jahre alt. Dann wird ihr Asy­lantrag abgelehnt, man ver­legt sie in ein Heim in der tief­sten Bran­den­bur­gis­chen Provinz.

Am 7. April 2019, einem Son­ntag, ver­schwindet Ojungé aus dem Heim. Sie ist 32 Jahre alt.

Mehr als zwei Monate später find­et man ihre Leiche, zer­stück­elt und von Brand­spuren geze­ich­net, 300 Meter von dem Heim ent­fer­nt im Wald.

Zur bre­it­en Öffentlichkeit dringt der Fall zunächst kaum durch. Dass er es über­haupt in über­re­gionale Medi­en schafft, ist dem Appell ver­schieden­er Migrantenor­gan­i­sa­tio­nen zu ver­danken. Es ste­ht ein Ver­dacht im Raum: Wurde nicht richtig ermit­telt, weil Rita “nur” eine Geflüchtete war?

Über zwei Wochen verge­hen, bis die Polizei eine Such­mel­dung her­aus­gibt. Weit­ere zwei Wochen, bis die Beamten nicht von einem Ver­mis­sten­fall, son­dern von ein­er Straftat aus­ge­hen – und das auch erst, nach­dem sich der Vater von Ojungés Kindern an einen Hil­fsvere­in wen­det, der die Staat­san­waltschaft einschaltet.

Am 12. Juni, mehr als zwei Monate nach Ojungés Ver­schwinden, startet die Polizei schließlich eine große Suchak­tion in den umliegen­den Wäldern. Sie find­et die Leiche ein­er Frau. Am 25. Juni wird diese offiziell als Ojungés Über­reste iden­ti­fiziert. Der Tagesspiegel berichtet über den Fall, die taz auch.

Bis heute, acht Monate nach Ritas Ver­schwinden, ist nie­mand ver­haftet wor­den. Viele Fra­gen bleiben offen.

Ange­hörige, Migrantenor­gan­i­sa­tio­nen und Men­schen, die in den Fall involviert sind, kri­tisieren die lange Ver­fahrens­dauer, man­gel­nde Trans­parenz, vor allem aber die nur langsam voran­schre­i­t­en­den Ermit­tlun­gen. Polizei und Staat­san­waltschaft hinge­gen weisen die Vor­würfe, nicht richtig zu ermit­teln, weit von sich.

Doch die Geschichte der Rita Ojungé wirft nicht nur die Frage auf, ob die Behör­den mit zweier­lei Maß messen. Son­dern auch, ob es über­haupt so weit hätte kom­men müssen. Ob Heim­leitung und der zuständi­ge Land­kreis die War­nun­gen der Bewohn­er ernst genug genom­men haben.

Ein heißer Sep­tem­bertag. Das Asyl­be­wer­ber­heim Hohen­leip­isch ist auf einem ehe­ma­li­gen Kaser­nen­gelände unterge­bracht, gut zwei Kilo­me­ter vom Zen­trum der 2.000-Einwohnergemeinde ent­fer­nt. Es gibt einen Bus, der bis vor kurzem nur mon­tags bis fre­itags alle zwei Stun­den und am Woch­enende gar nicht fuhr. Inzwis­chen fährt er zumin­d­est die ganze Woche durch.

Wer die Ein­gangsp­forte passiert, gelangt auf ein weitläu­figes Are­al, läuft über Gras und aufge­platzte Beton­plat­ten. “Dschun­gel” nen­nen die Bewohn­er diesen Ort, oder “Busch”, viele auch ein “offenes Gefäng­nis”. Weil sie sich beim Betreten ein- und abmelden müssen, Besuch­er ihren Ausweis vorzeigen und das Gelände gegen 22 Uhr ver­lassen müssen.

Offiziell leben 97 Men­schen hier, fast alle ohne Bleibeper­spek­tive. Afgha­nen sind dabei, Inder, Men­schen aus Ghana und der Elfen­beinküste. Sie dür­fen wed­er arbeit­en noch einen Sprachkurs absolvieren. Einige nicht ein­mal den Land­kreis ver­lassen. Es gibt Men­schen, die leben seit über zehn Jahren hier.

In ein­er der beigen Bar­rack­en sitzt die Frau, die sagt, sie sei Ojungés Fre­undin gewe­sen, auf ihrem Bett; ihr Name soll in dieser Geschichte Lydia Dim­ka sein. In einem Regal ste­hen eine Pfanne mit Nudel­resten, daneben Salz, Olivenöl. Es gibt nur eine Gemein­schaft­sküche im Trakt, sie muss die Dinge in ihrem Zim­mer lagern. Es riecht abge­s­tanden, modrig.

Am Sam­stag, den 6. April, erzählt Dim­ka, habe sie sich eine Bürste von Ojungé geborgt.

Am Son­ntag habe sie Ojungé nicht gesehen.

Am Mon­tag wollte sie die Bürste zurück­geben, traf aber nur Ojungés Nach­barn an. Er spielt eine bedeu­tende Rolle in der Geschichte. Ojungé sei nicht da, habe er ihr erzählt. Sie sei kurz einkaufen.

Dem Vater der zwei Kinder, dem Kameruner, er lebt in Berlin, erzählt der­selbe Nach­bar später, Ojungé sei an jen­em Son­ntag nach Berlin gefahren. Und habe ihm aufge­tra­gen, auf die Kinder aufzu­passen. Was ungewöhn­lich ist: Zu dieser Zeit fuhr doch son­ntags noch kein Bus. Und Ojungé sei, so berichtet es Dim­ka, die Strecke bis zum näch­sten Bahn­hof eigentlich nie zu Fuß gelaufen.

Als Dim­ka von den unter­schiedlichen Geschicht­en erfährt, wird sie skep­tisch. Ojungé hat­te nicht nur – was ungewöhn­lich für sie war – ihre Kinder zurück­ge­lassen. Sie hat­te auch wed­er Bankkarte noch eine Tasche mitgenommen.

Es musste etwas passiert sein.

Die Polizei hat den Fall viel zu lange als Vermisstenfall behandelt”

Am Dien­stag kommt der Vater von Ojungés Kindern laut Presse­bericht­en nach Hohen­leip­isch, um bei den Jun­gen zu sein. Er bezieht ein Zim­mer im Heim, gibt eine Ver­mis­sten­mel­dung bei der Polizei auf. Und gibt dabei an, er glaube, der Nach­bar habe etwas mit Ojungés Ver­schwinden zu tun.

Am 16. April durch­suchen Polizis­ten mit Spürhun­den erst­mals die Zim­mer des Heims, ergeb­nis­los. Sie hät­ten sich dabei auf das Gelände beschränkt, bericht­en Anwohn­er, den angren­zen­den Wald hät­ten sie nicht durch­sucht. Der ermit­tel­nde Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon wider­spricht dem später.

Fakt ist: Der abge­suchte Radius ist zu eng gesteckt, Ojungé bleibt verschwunden.

Als es Ende April immer noch keine Spur von ihr gibt, wen­det sich der Vater von Ojungés Kindern an den Vere­in Opfer­per­spek­tive, eine Ini­tia­tive, die sich um Opfer rechter Gewalt in Bran­den­burg küm­mert. Der Vere­in appel­liert an die Polizei, die Ermit­tlun­gen zu inten­sivieren. Dabei erfahren die Mitar­beit­er, dass die Polizei den Fall als Ver­mis­sten­fall führt, nicht als mögliche Straftat. Die Ini­tia­tive stellt daraufhin Strafanzeige bei der Staat­san­waltschaft Cottbus.

Der Oberstaatsanwalt weist die Behauptung von sich

Mar­tin Vese­ly arbeit­et für die Opfer­per­spek­tive, er hat den Vater von Ojungés Söh­nen betreut. “Die Polizei hat den Fall viel zu lange als Ver­mis­sten­fall behan­delt”, sagt er. “Die Beamten hat­ten augen­schein­lich kein Inter­esse daran, den Din­gen wirk­lich auf den Grund zu gehen.”

Die Ini­tia­tive schal­tet eine Anwältin ein, Christi­na Clemm. Sie habe Polizei und Staat­san­waltschaft mehrfach kon­tak­tiert, sagt Clemm. Dabei hät­ten ihr die Beamten gesagt, dass man ger­ade in einem Fall organ­isiert­er Krim­i­nal­ität ermit­tle. Und keine freien Kapaz­itäten mehr habe. “Man kann sich gut aus­malen, welche Maß­nah­men ergrif­f­en wor­den wären”, sagt Clemm, “wenn die Frau eine weiße Deutsche gewe­sen wäre, die ihre Kinder zurück­ge­lassen hat – und keine geflüchtete Frau aus Afrika.”

Es ist die Frage, die über allem schwebt: Han­del­ten die Behör­den etwa aus ras­sis­tis­chen Motiv­en nachlässig?

Ober­staat­san­walt Bantleon weist die Behaup­tung von sich; spricht von einem “ganz nor­malen Prozedere”, das bei Afrikan­ern genau­so gelte wie bei Deutschen.

Bleibt die Frage, warum die Beamten an jen­em 16. April nur das umliegende Are­al durch­sucht­en – nicht aber den Bere­ich weit­er außen, jenen Teil, in dem man später Teile von Ojungés Über­resten fand. Immer­hin liegt der nur 300 Meter vom Heim entfernt.

Eine aufwendi­ge Suche muss organ­isiert und geplant wer­den”, sagt Bantleon. Dazu brauche es mehr Polizis­ten und Hunde, als auf Anhieb zur Ver­fü­gung stün­den. Er nen­nt es eine Frage der Per­son­alpoli­tik. “Wir sprechen hier vom südlichen Bran­den­burg, einem dünn besiedel­ten Gebi­et. Da kann nicht jed­er Polizeiposten mit 100 Mann beset­zt sein.”

Ein neuer Zeuge rückt in den Fokus: Ojungés vierjähriger Sohn

Doch schon kurz nach der ersten Suchak­tion mehren sich die Anhalt­spunk­te, dass es sich um mehr als einen Ver­mis­sten­fall han­delt. Denn durch Inter­ven­tion der Opfer­per­spek­tive rückt ein neuer Zeuge in den Fokus: Ojungés vier­jähriger Sohn. Er sagt aus, er habe gese­hen, wie der Nach­bar seine Mut­ter an jen­em 7. April geschla­gen und ver­schleppt habe. Ein Beamter befragt den Jun­gen dazu. Allerd­ings kein­er, der in der Befra­gung von Kindern geschult ist. Was erneut zu Ver­w­er­fun­gen führt.

Der Junge sei nicht fachgerecht ver­hört wor­den, heißt es später seit­ens der Opferperspektive.
Die Aus­sagen des Jun­gen seien nicht ein­deutig gewe­sen, seit­ens der Polizei. Man habe beispiel­sweise keine Blut­spuren im Zim­mer gefun­den. Ein Haft­be­fehl wird nicht erlassen.

Spricht man mit Heim­be­wohn­ern und Men­schen aus Ojungés Umfeld, teilen viele den Ein­druck des Jun­gen: Der Nach­bar habe etwas mit der Tat zu tun. Ein Mann Anfang 30, der liebevoll zu Kindern war und im näch­sten Moment auf­brausend wer­den konnte.

Der Mann bleibt ein Mys­teri­um. Mit sein­er Herkun­ft geht es los: Die Polizei spricht zunächst von einem Nige­ri­an­er; der Land­kreis sagt, der Mann komme aus dem Tschad; Ober­staat­san­walt Bantleon sagt, es han­dle sich um einen Kenianer.

Plötzlich gibt es einen Anfangsverdacht

Ein Bewohn­er des Heims in Hohen­leip­isch – auch er möchte unerkan­nt bleiben – beschreibt den Nach­barn als abweisend. Als jeman­den, der einem nicht in die Augen sah, der meist in seinem Zim­mer blieb. Und unter Leuten oft in Schlägereien geri­et. Er zeigt ein Foto des Nach­barn: weißes Unter­hemd, die Haare an den Seit­en kurz, die Dreads zum Zopf gebun­den; er wirkt in sich gekehrt.

Der Nach­bar sei unberechen­bar gewe­sen, sagt auch Lydia Dim­ka, Rita Ojungés Fre­undin. Man wusste nie, woran man bei ihm war. In der Zeit nach dem Fund der Leiche habe er viel getrunk­en und manch­mal, nachts, laut geschrien und geweint. Mitunter habe er Ojungé dann um Verge­bung gebeten. Auch sie habe bei der polizeilichen Vernehmung gesagt, sie glaube, dass er der Täter sei.

Der zuständi­ge Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon sagt im Sep­tem­ber, der Mann sei ver­nom­men wor­den und bestre­ite die Tat. “Aus der Vernehmung haben wir keine Erken­nt­nisse gewin­nen kön­nen.” Es gebe mehrere Per­so­n­en, die die Möglichkeit hat­ten, die Frau zu töten. Weit­er wolle er sich nicht äußern.

Im Dezem­ber klingt das schon etwas anders. Bantleon spricht nun von einem Anfangsver­dacht gegen den Mann. Welche neuen Erken­nt­nisse dazu führten, wolle er nicht sagen. Die Anhalt­spunk­te wären jedoch immer noch nicht aus­re­ichend für einen hin­re­ichen­den oder gar drin­gen­den Tatver­dacht – und damit auch nicht stark genug, um Haft­be­fehl zu erlassen.

Ojungé hatte sich bereits über den Nachbarn beschwert

Ojungé und der Nach­bar hat­ten eine Vorgeschichte. Ojungé habe sich, so bericht­en es Heim­be­wohn­er und Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive, min­destens zwei Mal über den Nach­barn bei der Heim­leitung beschw­ert. Lydia Dim­ka sagt, Ojungé habe dabei expliz­it die Ver­legung des Mannes gefordert, habe gesagt, sie füh­le sich von ihm bedro­ht. Der Land­kreis Elbe-Elster, für die Unter­bringung der Asyl­be­wer­ber zuständig, bestre­it­et das und beruft sich dabei auf die Heimleitung.

Dabei ist unklar, ob der Nach­bar über­haupt im Zim­mer neben ihr hätte leben dür­fen. Das Schutzkonzept des Heimes sieht eigentlich die getren­nte Unter­bringung von Fam­i­lien und allein­reisenden Män­nern vor. Roland Neu­mann, zuständi­ger Dez­er­nent des Elbe-Elster-Kreis­es, sagt dazu, der Nach­bar sei Ojungés Lebens­ge­fährte gewe­sen, die Rede ist von ein­er “eheähn­lichen Gemein­schaft”, er sei im Ein­ver­ständ­nis bei­der, also auch Ojungés, umgezogen.

Es gibt Men­schen, die sagen, Ojungé und der Nach­bar hät­ten eine Beziehung geführt. Sie habe das Ver­hält­nis been­den wollen, er aber habe sich geweigert. Von Eifer­sucht ist die Rede.

Fakt ist: Es kommt monate­lang zu kein­er Ver­legung. Der Nach­bar lebt nach Ojungés Ver­schwinden weit­er­hin im Heim. Der Vater von Ojungés Kindern, der ihn für den Täter hält, muss neben ihm leben. Eben­so die zwei Kinder, wovon eines aus­ge­sagt hat, es habe gese­hen, wie der Mann seine Mut­ter geschla­gen und weggez­er­rt hat. Im Mai wird der Nach­bar zwar in einen anderen Trakt, den für allein­reisende Män­ner, ver­legt, auf Wun­sch des Vaters von Ojungés Kindern und um “Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen zwis­chen den Män­nern zu ver­mei­den”, wie es beim Land­kreis heißt. Er bleibt aber auf dem Gelände, wird nicht in ein anderes Heim ver­legt. Wed­er die Polizei noch das eingeschal­tete Jugen­damt haben Bedenken.

Erst als Ojungés Leiche iden­ti­fiziert ist, am 25. Juni, kommt die Polizei vorge­fahren. Zehn Minuten geben sie dem Nach­barn, um seine Sachen zu pack­en, so berichtet es Lydia Dim­ka. Dann brin­gen sie ihn in ein anderes Heim. Die Ver­legung sei in “Abstim­mung mit Polizei, Aus­län­der­be­hörde und dem Stab Asyl” erfol­gt, heißt es seit­ens des Land­kreis­es, um “aufk­om­menden Span­nun­gen und Ver­mu­tun­gen zu begeg­nen”. Nur hat­te es die nach Aus­sagen der Bewohn­er da schon längst gegeben.

Das verdeut­licht auch ein ander­er Umstand: Noch vor der Ver­legung des Nach­barn, so berichtet es Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive, wurde der Vater von Ojungés Kindern von der Polizei kon­tak­tiert. Ihm wurde ein Doku­ment vorgelegt, das ihn warnte, gegen den Nach­barn vorzuge­hen. Eine Gefährder­ansprache. Bei der Polizei war man sich der Span­nun­gen also dur­chaus bewusst.

Unter Umstän­den wäre es auch möglich gewe­sen, einige der Bewohn­er zu ver­legen. Etwa Fam­i­lien mit Kindern.

Das Lan­desauf­nah­mege­setz sieht grund­sät­zlich vor, dass Men­schen, die beson­ders schutzbedürftig sind, in Aus­nah­me­fällen aus Gemein­schaft­sun­terkün­ften ver­legt und auch in Woh­nun­gen unterge­bracht wer­den kön­nen. Das Heim in Hohen­leip­isch aber entspreche allen Anforderun­gen, heißt beim Land­kreis, auch denen beson­ders schutzbedürftiger Menschen.

Bei der Betreiber­fir­ma des Heims, der Human-Care GmbH, klingt das ähn­lich. Der Tagesspiegel zitiert die Geschäfts­führerin mit den Worten, die Unterkun­ft liege zwar im Wald, aber das sei ja nicht schlimm; viele Men­schen wür­den schließlich gern in den Wald ziehen. Eine Inter­viewan­frage von ZEIT ONLINE wird abgelehnt mit der Begrün­dung, der Reporter habe sich “unbefugt und verdeckt” auf dem Gelände aufge­hal­ten. (Was nicht stimmt, die Per­son­al­dat­en wur­den am Ein­gang aufgenom­men, als der Reporter bei ein­er Bewohner­in zu Gast war.)

Die Ermittlungen würden noch Zeit in Anspruch nehmen. “Viel Zeit.”

Wenn Lydia Dim­ka, Rita Ojungés Fre­undin, ihr Leben in dem Heim beschreiben soll, spricht sie vor allem von Angst. Angst, ihre Kinder draußen spie­len zu lassen, begin­nt doch direkt vor der Pforte der Wald. Angst vor ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en; erst im Mai hat­te ein Unbekan­nter Über­reste eines Schweins vor das Heim gelegt.

Angst aber auch, nachts im Heim zur Toi­lette zu gehen, einem Raum, der sich nur ein paar Türen weit­er, am Ende des Ganges, befind­et. Viele Frauen wür­den lieber einen Eimer benutzen, sagt Dim­ka. Andere wür­den Nach­barn bit­ten, aufzu­passen, wenn sie gehen. Die Angst sei schon immer da gewe­sen. Das Ver­schwinden von Rita Ojungé aber habe sie noch verstärkt.

Mitte Juli veröf­fentlicht­en die Bewohn­er einen offe­nen Brief. Sie sprachen von Iso­la­tion, von fehlen­den Freizeit­möglichkeit­en, von dreck­i­gen Gebäu­den und Kak­er­lak­en. Und forderten, unter­stützt vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg, ihre Ver­legung. Vergebens. 2011 hat­te es schon ein­mal Demon­stra­tio­nen zur Schließung des Heimes gegeben. Auch damals erfolglos.

Eine Schließung ist nicht in Sicht

Der Ver­trag für das Heim läuft zum Ende des Jahres aus, Human-Care hat sich erneut bewor­ben; der Land­kreis hat sich aber für einen anderen Betreiber, die Inter­na­tionaler Bund Berlin-Bran­den­burg gGmbH, entsch­ieden. Eine Schließung ist vor­erst nicht in Sicht.

Eine Bewohner­in sagt: “Für den Land­kreis ist das Heim ide­al, man kann die Men­schen hier so lange zer­mür­ben, bis sie von sich aus aufgeben. Und vielle­icht zurück in ihre Heimat gehen.”

Ob es aber einen Zusam­men­hang gibt zwis­chen den Zustän­den im Heim, den fehlen­den Per­spek­tiv­en der Bewohn­er und dem Mord an Rita Ojungé, ist schw­er zu sagen. Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive sagt: “Es gibt keine zwin­gende lin­eare Abfolge von den Zustän­den im Heim zum Mord. Und doch spielt die Unter­bringung trau­ma­tisiert­er Men­schen auf diese Art natür­lich mit hinein.”

Am 14. Dezem­ber, einem ver­reg­neten Sam­stag, wird Rita Ojungé schließlich in Berlin beerdigt. Etwa 60 Men­schen kom­men in der kleinen Kapelle der St. Hed­wigs-Gemeinde zusam­men, die meis­ten aus der keni­an­is­chen Exil-Com­mu­ni­ty. “Wir wis­sen bis heute nicht, was mit Rita passiert ist”, sagt Ojungés Cou­sine, die die Trauer­feier organ­isiert hat, am Ende ihrer Ansprache. “Das macht es so schw­er, Abschied von ihr zu nehmen.” Ojungés Mut­ter, sie lebt in Kenia, ist nicht erschienen. Es ist zu viel für sie.

Ein neues Gerücht

Denn auch der Beerdi­gung gehen Ungereimtheit­en voraus: Die Staat­san­waltschaft sagte noch im Som­mer, sie gebe den Kör­p­er frei. Ver­schiedene Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen und Ver­wandte Ojungés sam­meln daraufhin Geld, um die Mut­ter aus Kenia zur Beerdi­gung einzu­fliegen. Sie lan­dete Ende August. Doch dann erk­lärte die Staat­san­waltschaft, die Unter­suchung würde sich länger ziehen als gedacht, der Kör­p­er könne doch nicht freigegeben wer­den. Das Visum der Mut­ter lief aus, sie musste wieder in die Heimat zurück. Erst im Novem­ber gibt die Staat­san­waltschaft die Leiche frei; nach fünf Monat­en in der Gerichtsmedi­zin. Eine lange Zeit.

Unter den Bewohn­ern in Hohen­leip­isch kur­siert der­weil das Gerücht, Ojungés ehe­ma­liger Nach­bar, der Mann gegen den nun ein Anfangsver­dacht beste­ht, sei inzwis­chen unter­ge­taucht. Beim zuständi­gen Land­kreis heißt es dazu nur, man habe ihn der anderen Unterkun­ft zugewiesen. “Eine tägliche Aufen­thalt­spflicht ist damit nicht verbunden.”

Der ermit­tel­nde Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon sagt, er könne den Mann derzeit nicht fes­t­nehmen, dazu fehlten Anhalt­spunk­te. Und dass die Ermit­tlun­gen noch Zeit in Anspruch nehmen wür­den. “Viel Zeit.”

Inforiot