Kommt nach Potsdam zur größten Massenversöhnung aller Zeiten — der Stadt, in der Täter auch mal ihren Opfern verzeihen!
Das große Festival der politischen Beliebigkeit: Inspiriert vom Garnisonkirchen-Versöhnungsallerlei laden wir alle Menschen guten Willens ein, sich endgültig zu versöhnen — mit was und wem auch immer. Ob Ladendiebstahl, Ehebruch oder Völkermord: Genug geschmollt, Versöhnung kann so einfach sein!
Wir versprechen dramatische Erinnerungsfotos vor historischen Kulissen. Kommt nach Potsdam: Es ist soweit!
Euer Komitee für preußische Leichtigkeit https://www.facebook.com/KPLPotsdam/
Titel: Größte Massenversöhnung aller Zeiten
Wann: 14. April 2018, 10 — 22 Uhr
Wo: Alter Markt, Potsdam
Autor: Rachel
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Wann: Dienstag, 20. Februar 2018,
Beginn: 20.00 Uhr Ende 21.30 Uhr
Wo: Buchladen Sputnik, Charlottenstrasze 28, Potsdam
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Seit einem Monat greift das türkische Militär, unterstützt mit deutschen Panzern, den Norden Syriens an. Der Krieg gegen Afrin gilt vor allem auch dem fortschrittlichsten Projekt der Region: Rojava. Die Autonomie der Völker in Nordsyrien, der Aufbau eines Demokratischen Konföderalismus, kurzum die Revolution in Kurdistan ist dem türkischen Staat und vor allem Erdogan ein Dorn im Auge. Zirka 4,5 Millionen Kurd*innen, Araber*innen, Turkmen*innen und Assyrer*innen leben hier in einer selbstverwalteten Gesellschaft, deren Prinzipien Gleichberechtigung und Emanzipation der Frauen, Religionsfreiheit und Demokratie ist. Eine enorme Errungenschaft in einer Region, die ansonsten vom IS oder anderen dschihadistischen Banden kontrolliert wird.
Wir haben eine Referentin eingeladen, die seit vielen Jahren in Rojava lebt, um uns über die aktuelle politische Lage und den Widerstand in Afrin zu berichten. Außerdem wird sie uns einen anderen Eindruck der Menschen, der Geografie der Region und der Kriegsgeschehnisse mithilfe kurdischer Medien geben.
Wir gehen den Fragen nach: Warum basiert die Revolution von Rojava auf einer Frauenbewegung und wie baut sich die mittlerweile über sechs Kantone erschlossene Selbstverwaltung auf? Welche Rolle spielen die Volksverteidigungseinheiten zur Überwindung des patriarchalen Systems?
Der Infoabend wird inkl. Fragen von euch ca. 90 Minuten dauern. Ab 21.30 Uhr gibt es dann die Möglichkeit, den Abend in gemütlicher Runde ausklingen zu lassen und sich über Ideen und Handlungsmöglichkeiten auszutauschen. Organisiert von: ISO — Internationale Sozialistische Organisation, OG Potsdam und Lydia G.
Kontakt: potsdam@intersoz.org
facebook.com/intersoz.org twitter.com/InterSozOrg
Link zur Veranstaltung: http://intersoz.org/termine/infoabend-afrin-rojava-und-der-krieg-der-tuerkei-gegen-die-demokratische-autonomie/
Vor wenigen Wochen wurde die Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass Personen mit einem rassistisch geprägten Menschenbild in sozialen, staatlich geförderten Einrichtungen in Potsdam tätig sind bzw. waren. Erzieher*innen, die sich nicht von Neonazis abgrenzen können oder wie im aktuellen Fall, Sozialarbeiter*innen, die eng mit der neonazistischen Szene verbunden sind.
Auch wir wollen darauf aufmerksam machen und die Ignoranz, das Hinnehmen dessen bzw. das Stillschweigen der Öffentlichkeit anmahnen. Warum ist das so wichtig? Ein kurzer Rückblick in die letzten 15 Jahre:
In Potsdam und Umgebung liefert der Jugendclub Fahrland ein aussagekräftiges Beispiel für eine mehrjährige akzeptierende Jugendarbeit mit Neonazis. Die Auswirkungen sind noch heute spürbar. So entstand in den Jahren 2005 bis 2010 im Jugendclub Fahrland eine Neonazi-Generation, die zum Teil heute noch aktiv ist. Dazu gehören Personen wie Dustin Schlemminger, einer der Köpfe hinter der Gruppierung “Freies Potsdam”, aber auch Paddy Bohm, Benjamin Oestreich [1] und viele weitere.
Der frühere Jugendclubleiter und heutige Geschäftsführer des Treffpunkt Fahrlands e.V. Thomas Liebe hat in der Vergangenheit die Heranwachsenden lieber in Schutz genommen. Er äußerte während einer Beiratssitzung im September 2007, “dass es in Fahrland mehr Probleme mit Linken als mit Rechten gäbe. Zudem seien die rechten Jugendlichen in seinem Club alle gewaltfrei, würden durch ihre Anwesenheit ‚nicht absichtlich‘ andere Jugendliche verdrängen und ‚uns nicht für ihre Interessen‘ ausnutzen” [2]
Diese weitverbreitete Meinung ist in unseren Augen nicht akzeptabel. Gegenüber Neonazis muss immer klare Kante bewiesen werden, sei es auf der Straße oder im Jugendclub! Verantwortlich dafür sind wir alle!
Doch nun zum aktuellen Fall.
Der Musiker und Erzieher Thomas Lafrenz aka Thomas Berlin war einige Zeit als Erzieher im Jugendclub 18 am Stern tätig und für die musikalische Bildung mitverantwortlich. Wie die AR_P//U (Antifaschistische Recherche_Potsdam//Umland) am 31.12.2017 veröffentlichte, fehlt Thomas Berlin eine klare Abgrenzung zu Neonazis und Rechtsrock. So spielt er zusammen mit dem Rechtsrocker Daniel Horn in einer Band und ‚liked‘ auf seinem Facebookprofil u.a. Beiträge der Neonaziorganisation “Ein Prozent für unser Land“ und andere menschenverachtende Kommentare [3].
Dass Thomas Berlin, ein Rechtsrock-Fan jetzt für die musikalische Entfaltung von Jugendlichen verantwortlich ist, macht uns wütend. Doch kaum verwunderlich für einen Jugendclub wie den Club 18. Hier konnte schon vor Jahren die Neonazi-Band Proissenheads proben [4] und den Grundstein für ihren Erfolg legen. Alles finanziert von den städtischen Behörden. Schon damals wurde nur zugeschaut und nicht rechtzeitig gehandelt.
Wir werden nicht mit ansehen wie die Potsdamer Jugendkultur durch Neonazis und ihre menschenverachtende Musik beeinflusst wird! Die extreme Rechte hat die Sozialarbeit längst als ein offenes Feld entdeckt, ob in Schulen, Kindergärten oder anderen sozialen Einrichtungen. Es liegt an uns dem etwas entgegenzusetzen, die Dinge beim Namen zu nennen und offensiv darauf aufmerksam zu machen.
[1] http://arpu.blogsport.eu/2015/11/12/neonazis-bei-der-feuerwehr-auch-in-potsdam/ (Stand: 09.01.2018)
[2] Kramer, H. (2007): Streit um Treffpunkt, in: PNN. Online unter: http://www.pnn.de/potsdam/31006/ (Stand: 09.01.2018)
[3] http://arpu.blogsport.eu/2017/12/31/thomas-berlin-aka-thomas-lafrenz-mittelalter-folk-trifft-rechtsrock/ (Stand: 09.01.2018)
[4] http://arpu.blogsport.eu/2011/02/26/neonazistisch-musikalisches-treiben-in-potsdam/ (Stand: 09.01.2018)
Am frühen Neujahrsmorgen verletzte eine zehnköpfige Gruppe drei Flüchtlinge schwer. Eines der Opfer kommt mit gebrochenem Kiefer ins Krankenhaus. Die Wachleute des verantwortlichen Sicherheitsunternehmens griffen nicht ein. „Ist der Sicherheitsdienst von Rechtsextremen unterwandert?“, fragt die Bürgerinitiative Cottbus schaut hin.
Eine Gruppe von drei afghanischen Flüchtlingen ist in den Morgenstunden des neuen Jahres in Cottbus auf ihrem Heimweg in Sachsendorf. Als sie gegen 1:30 Uhr am Gelsenkirchener Platz in Sachsendorf ankommen, beginnt eine etwa zehnköpfige Gruppe von jungen Deutschen sie als „Scheiß Ausländer“ zu beschimpfen und zu verfolgen. So erzählt es einer der drei Betroffenen des Angriff der Bürgerinitiative Cottbus schaut hin.
Die drei Opfer versuchten die Täter zu ignorieren und schnellstmöglich in ihre Unterkunft in der Zielona-Gora-Straße 17 und 19 zu gelangen. Schon auf dem Weg seien sie mit Schlagringen und Bierflaschen malträtiert worden. An der Unterkunft angekommen, dann aber der Schock.
Die zwei diensthabenden Wachleute ließen die drei Bewohner zwar in den Eingangsbereich, kurz darauf aber auch die Angreifer.
„Wir haben mehrmals zu den Wachmännern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und einfach 20–25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Treppenbereich geschlagen wurden.
Nach ca. 25 Minuten haben die Wachmänner die Tür für die Deutschen geöffnet und zu ihnen gesagt, dass sie raus gehen müssen, weil jetzt die Polizei kommt.“
Der zehn Minuten später eintreffenden Polizei habe einer der Wachleute danach noch eine falsche Richtungsangabe darüber gemacht, wohin die Täter geflohen seien.
Alle drei Opfer des Angriff trugen massive Verletzungen im Gesicht davon. Einer von ihnen wird immer noch mit gebrochenem Kiefer im Carl-Thiem-Klinikum behandelt. Die drei jungen Afghanen fordern die Bestrafung der Täter und des Wachpersonals, Polizei und Sozialamt haben sie bereits informiert.
Distelkam Dienstleistungsgruppe – Neonazis im Dienste der Stadt?
Die Initiative „Cottbus schaut hin“ richtet folgende Fragen an die Stadt Cottbus: Ist Ihnen bekannt, was für ein Sicherheitsunternehmen in den Unterkünften der Zielona-Gora-Straße tätig ist? Wurden die Sicherheitsleute auf diesem speziellen und hochsensiblen Arbeitsfeld ausreichend überprüft? Gab es schon vorher Beschwerden? Welche Aufgabe hat dieses Sicherheitsunternehmen in den einzelnen Objekten: Schutz der Bewohner vor Angriffen von außen oder Hilfestellung bei Angriffen von außen?
Nach Recherchen der Bürgerinitiative handelt es sich bei dem vor Ort zuständigen Sicherheitsunternehmen um die Distelkam Dienstleistungsgruppe aus Chemnitz. Eine Analyse des Facebook-Auftritts von Unternehmer Kai Distelmann (facebook.com/kai.distelmann) zeige, dass er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sei, so die Pressesprecherin Maria Koch von Cottbus schaut hin.
In Distelkams „Gefällt-mir-Angaben“ fänden sich mehrere einschlägige Seiten, die auf eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Gesinnung schließen ließen. Unter anderem finden sich dort Seiten mit folgenden Titeln: Das Ritterkreuz and the Ritterkreuzträger Wehrmacht (eine Wehrmachtstraditionsseite), Frank Rennicke (ein rechtsextremer Liedermacher), Unbequeme Jugend Cottbus (Jugendgruppe von Inferno Cottbus), Sachsen stellt sich quer: Asylmissbrauch stoppen; Chemnitz, Sachsen, Deutschland gegen Scheinasylanten und mehrere Facebookseiten der AfD.
Distelkam teilt Nachrichten von „Heimat und Tradition Chemnitz Erzgebirge“ unter anderem einen Aufruf unter dem Titel „Einsiedel sagt Nein zur Erstaufnahme-Einrichtung“. Im Mai spekuliert er, der Tod von Michèle Kiesewetter sei gar nicht auf Neonazis, sondern auf Islamisten zurückzuführen und ein Freund rät ihm die verschwörungstheoretische Dokumentation mit dem vielsagenden Titel „Das NSU Märchen“ anzusehen.
Distelkams Unternehmen wird von Freunden beworben, die sich wenig Mühe geben ihr neonazistisches Gedankengut zu verbergen. Einer der Beschäftigten nimmt seinen Arbeitgeber gegen den Vorwurf, Löhne nicht auszuzahlen in Schutz; er sei stolz dort beschäftigt zu sein. Seine eigenes Facebookprofil wird derweil von seiner „Weihnachtsdeko“ geschmückt im Nazi-Stil samt Hakenkreuz.
Die Initiative bewertet ihre Ergebnisse wie folgt: „Der Vorfall in Cottbus und die im Internet sichtbaren Netzwerkstrukturen lassen nur einen Schluss zu: Distelkam will weniger Ausländer in seiner Heimat, während sein Unternehmen davon lebt Ausländer zu „bewachen“. Seine Gesinnungsgenossen werben unterdessen dafür, sich genau bei diesem Sicherheitsdienst zu bewerben. Dass das nicht lange gut gehen würde, hätte man ahnen können.“
Cottbus schaut hinschließt sich den Forderungen der Opfer des Angriffs aus der Silvesternacht an: „Die Täter und Mittäter müssen zur Rechenschaft gezogen werden – das ist klar. Aus meiner Sicht ist es aber auch völlig indiskutabel, dass dieses Unternehmen weiterhin von der Stadt Aufträge erhält.“, so Maria Koch weiter.
Der Vorfall habe eine besondere und auch überregionale Bedeutung, da Distelkams Unternehmen nicht nur für zahlreiche weitere Flüchtlingsunterkünfte, sondern auch für den Schutz des Landgerichts in Chemnitz zuständig sei.
Jahresrückblick 2017: Zwischen Alltagsrassismus und Einschüchterung: Am Beispiel Südbrandenburg werden Strukturen und Mechanismen sichtbar, die dazu führen, dass sich Menschen sich lang überlegen, ob sie öffentlich für Demokratie einzutreten.
Für den Belltower.News-Jahresrückblick sprechen wir mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteur_innen über die Situation in ihrem Bundesland. Das Interview mit Martin Vesely von „Opferperspektive“, der Brandenburger Beratung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, führte Simone Rafael.
Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Brandenburg im Rechtsextremismus?
In 2017 hatten wir leider weiterhin mit einer besonders großen Anzahl rassistisch motivierter Angriffe zu tun. Die Zahl wird ähnlich hoch sein wie in 2016, wo wir mit 221 Angriffen einen Höchststand verzeichnen mussten. Die Angriffe gibt es in ganz Brandenburg. Allerdings erkennen wir auch Schwerpunkt-Regionen, wo sich die Taten häufen. In Südbrandenburg, also Cottbus und Umgebung, gab es besonders viele Übergriffe. Sie treffen vor allem Geflüchtete, aber auch internationale Studierende an der BTU Cottbus. Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren, sind auch weiter Ziele von Gewalt.
In Südbrandenburg gibt es neben der gefestigten rechtsextremen Szene auch viel Zustimmung für die AfD. Südbrandenburg ist eine Hochburg der AfD, nicht nur in Brandenburg, sondern auch im bundesweiten Vergleich. Anfang 2017 wurde entsprechend hier auch versucht, ein brandenburgisches Pendant zu „Pegida“ aufzubauen, unter dem Namen „Zukunft Heimat“. Die wöchentlichen Demonstrationen waren ein Sammelbecken. Hier liefen organisierte Neonazis ebenso mit wie Rechtspopulist_innen, „besorgte Bürger_innen“ und AfD-Umfeld oder das rechte Kampfsport-Milieu. Motto war, „die Heimat“ zu „verteidigen“, und das war nicht gewaltfrei gemeint. Aus den Demonstrationen heraus gab es zwei gezielte Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. Immerhin gibt es in Cottbus Menschen, die sich solchen Aufmärschen entgegen stellen! Seit Sommer sind die Aufmärsche unregelmäßiger geworden und zum Jahreswechsel 2017/18 gab es dann nochmal den Versuch von “Zukunft Heimat”, mit einem weiteren Aufmarsch weiterzumachen.
Als weiteres generelles Problem in Brandenburg, aber besonders in Cottbus, beobachten wir eine mangelnde Strafverfolgung. Selbst wenn Täter gefasst werden, dauert es in der Regel ein bis drei Jahre, bis ein Verfahren am Amtsgericht wirklich stattfindet. Das sind drei Jahre, in denen die Täter unbehelligt bleiben. Für die Opfer heißt das: Drei Jahre Unsicherheit, drei Jahre Leiden. Und wenn es zum Urteil kommt, wird die lange Verfahrensdauer auch noch strafmildernd für die Täter ausgelegt. Dazu gibt es etwa in Cottbus einen Anwalt, der selbst Teil der rechten Szene ist und der dies auch strategisch nutzt. Er zieht Verfahren mit Anträgen in die Länge, damit die Strafen immer geringer ausfallen.
Das Signal dieser mangelnden Strafverfolgung ist fatal: es entsteht praktisch ein Gefühl von Straffreiheit bei den Tätern. Und es ist eine große Belastung für die Opfer. Offiziell wird die lange Verfahrensdauer mit Überlastung der Gerichte begründet. Allerdings sollte gerade in rechten Hegemonieräumen wie Südbrandenburg dringend eine Lösung gefunden werden.
Wir hatten deshalb auch Prozesse, die gar nicht mehr vernünftig geführt werden konnten: Etwa den gegen einen Angestellten der Flüchtlingsunterkunft in Massow, der 2015 mit massivem Pfefferspray-Einsatz über 60 Menschen verletzt hat (vgl. Opferperspektive). Im Verfahren konnte der Tathergang nicht mehr aufgeklärt werden, weil die Betroffenen und Zeugen längst alle abgeschoben worden waren oder durch die Behörden zur „freiwilligen Ausreise“ gedrängt wurden. Verurteilt wurde der Mann dann wegen einem anderen Vergehen zu einer weitaus milderen Strafe (vgl. rbb).
Fast ebenso schwer wie tätliche Angriffe wiegt in Brandenburg ein tief verwurzelter und für die Betroffenen unerträglicher Alltagsrassismus. Der trifft Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund praktisch jedes Mal, wenn sie vor die Wohnungstür gehen. Es sind Beleidigungen, abwertende oder abwehrende Bemerkungen und Gesten, Unfreundlichkeit – permanente Nadelstiche. Viele Opfer, die wir beraten, beschreiben deshalb den Angriff nur als Endpunkt einer täglichen rassistischen Abwertung, die ihnen schwer zu schaffen macht und ihre Lebensqualität massiv einschränkt. Der Alltagsrassismus zermürbt und führt schlimmstenfalls dazu, dass Betroffene kaum noch ihre Wohnung verlassen wollen.
Welchen Einfluss hat der Rechtspopulismus in Brandenburg?
Die AfD sitzt im Landtag, und mit Alexander Gauland hatten wir hier bis zur Bundestagswahl auch einen prominenten AfD-Vertreter, der gern einmal laut die rassistische Trommel gerührt hat. Das war aber kaum mehr als das übliche rassistische Getöse der AfD bundesweit. Und es korrespondiert mit der rassistischen Grundeinstellung, die in weiten Öffentlichkeiten Brandenburgs herrscht. Aber damit stieß die AfD auf viel Gegenliebe, gerade Frankfurt / Oder und im Oder-Spree-Kreis. Im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße war bei der letzten Bundestagswahl die AfD stärkste Kraft bei den abgegebenen Zweitstimmen.
Gab es herausragende Ereignisse?
Es gab auch 2017 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Neu war dabei, dass die Hemmschwellen weiter gesunken sind, auch Anschläge auf bewohnte Unterkünfte zu verüben und damit den Tod der dort lebenden Menschen in Kauf zu nehmen. Das war etwa in Kremmen im April 2017 der Fall. In der Nacht werden zwei Molotowcocktails über den Zaun einer Unterkunft für Geflüchtete geworfen. Diese entzünden den Rasen. Der Wachschutz kann das Feuer löschen. Es wird wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung ermittelt (vgl. MAZ). Inzwischen sind zwei Tatverdächtige ermittelt und sitzen in Untersuchungshaft (vgl. MAZ).
Außerdem fand 2017 das Verfahren wegen eines Brandanschlags in Jüterborg im Vorjahr statt (vgl. Opferperspektive). Hier trat zu Tage, dass wir es nicht mehr mit spontanen rassistischen Angriffen zu tun haben, sondern mit organisierten, geplanten, vorsätzlichen, rassistisch motivierten Verbrechen. Hier war der Vater eines der Täter ein stadtbekannter organisierter Rechtsextremer, der Benzin besorgte, die Brandsätze zusammenstellte, und dann seinen Sohn und einen Freund überredete, den Anschlag auf ein Wohnheim für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Jüterborg zu verüben. Dabei nahmen die Täter klar in Kauf, dass auch Menschen zu Schaden kommen. Der Sohn, selbst auch als Teilnehmer rassistischer Aufmärsche bekannt, ist wegen 20fachen versuchten Mordes verurteilt worden.
Dass es so weit kommen konnte, liegt auch an den öffentlichen Diskursen zum Thema in der Stadtgesellschaft. Jüterborgs Bürgermeister, der parteilose Politiker Arne Raue, beteiligt sich selbst an rassistischen Argumentationen und schürt Ängste vor Geflüchteten, etwa über Postings in sozialen Netzwerken. Entsprechend gab es nach dem Übergriff auch keine öffentliche Verurteilung der Tat, keine Solidarität mit den Angegriffenen, den schon zuvor durch die Flucht traumatisierten unbegleiteten Minderjährigen. Es gibt auch in Jüterborg Menschen, die die Geflüchteten unterstützen. Allerdings tun sie das praktisch heimlich. Die Bedrohung in der Stadt ist so groß und es gibt so wenig Solidarität, dass sich die Unterstützer_innen nicht mehr trauen, sich öffentlich zu Wort melden. Und das trägt wiederum dazu bei, dass viele, die nicht direkt betroffen sind, das Problem des Alltagsrassismus und der Einschüchterung gar nicht wahrnehmen.
Da unsere Termine-Seite noch immer nicht geht, geben wir hier mal einen Überblick über die nächsten Veranstaltungen im Horte-Strausberg (Peter-Göring-Straße 25) :
Wann: 11.11. ab 11 Uhr
Was: Tagesworkshop zum Thema Verschwörungstheorien. Zusammen mit einem_r Referent_in wollen wir uns Wissen und Gegenstrategien zur verschiedene kruden Theorien erabreiten.
Wann: 15.11. ab 18.30 Uhr
Was: Infoveranstaltung vom NSU-Watch Brandenburg. Hintergründe über die Verstrickungen und Kontakte vom NSU in Brandenburg und Einblicke in die aktuelle Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Wann: 26.11. ab 20 uhr
Was: Karaoke-Party
Wann: 09.12. ab 11 Uhr
Was: Seminartag zu Antifa und Männlichkeit. Zusammen mit einem Referenten wollen wir uns Erarbeiten was Männlichkeit ausmacht, wie Antifa-Politik mit Männlichkeit assoziiert ist, was daran problematisch ist und wir wie dem Begegnen können, um emanzipatorische und antifaschistische Politik zu vereinen.
Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Ruppin und das Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt laden zur Ausstellung “Synagogen in Brandenburg. Eine Spurensuche” ein.
In den heutigen Grenzen Brandenburgs (inklusive den Grenzstädten Frankfurt/S?ubice, Küstrin/Kostrzyn und Guben/Gubin) gab es bis in die 1930er Jahre in zahlreichen Städten und Gemeinden Synagogen, die vom einstigen religiösen jüdischen Leben zeugen. Fand der Gottesdienst seit dem Mittelalter meist in privaten Betstuben statt, dokumentieren seit Mitte des 19. Jahrhunderts stattliche Synagogenbauten die zunehmende Akzeptanz der jüdischen Minorität in der christlichen Mehrheitsgesellschaft. Dies wurde auch topografisch sichtbar, denn die Synagogenstandorte rückten seit dem Mittelalter immer näher in die Ortsmitte und damit in Sichtweite der christlichen Kirchen.
Ein Großteil der jüdischen Gotteshäuser wurde während des Novemberpogroms 1938 in Brand gesteckt oder, sofern sie unmittelbar an Nachbarhäuser grenzten, derart zerstört, dass sie ihrer Funktion als Versammlungs‑, Lern- und Gebetsstätte beraubt waren. Dies war seit 1933 ein weiterer Schritt zur systematischen Verfemung und Vertreibung der Juden und der Zerstörung von Zeugnissen jüdischer Kultur und Religion – nicht allein in Brandenburg.
Nach der Teilung Deutschlands tat die politische Führung der DDR ein Übriges, die ehemaligen Stätten jüdischen Gemeindelebens der Vergessenheit anheim zu geben und damit einer kollektiven Erinnerung zu entziehen. Nur langsam und längst nicht an allen Orten wurde des einstigen jüdischen Lebens erinnert. Bis heute sind in manchen Orten jene Spuren fast vollständig verwischt, an anderen hingegen wieder – dank engagierter Bürger – sichtbar gemacht. In der Ausstellung Synagogen in Brandenburg. Spurensuche werden 46 Orte mit ehemaligen und heutigen Synagogen vorgestellt. (Text: MMZ)
Am 9. November 1938 wurden in der Reichsprogromnacht zahlreiche Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zerstört. Die Erinnerung daran soll nicht in Vergessenheit geraten. In der Neuruppiner Klosterkirche zeigt eine Ausstellung die ehemaligen Standorte aller Synagogen in Brandenburg, darunter auch 5 aus dem heutigen Kreis OPR: Kyritz, Lindow, Neuruppin, Wittstock und Wusterhausen.
Wir danken dem Moses Mendelssohn Zentrum und der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Ruppin für die Hilfe bei der Realisierung der Ausstellung.
http://www.neuruppin-bleibt-bunt.de/synagogen-in-brandenburg-eine-spurensuche/
http://www.mmz-potsdam.de/willkommen.html http://www.kirchenkreis-wittstock-ruppin.de/ruppin.html
Synagogen in Brandenburg. Eine Spurensuche Ausstellung in der Klosterkirche in Neuruppin, 9. November bis 1. Dezember 2017
Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 9. November 2017, 18:30 Uhr. Zur Eröffnung spricht die Kuratorin der Ausstellung, Frau Dr. Elke-Vera Kotowski (Moses Mendelssohn Zentrum) Anschließend ab 20 Uhr präsentiert die Evangelische Kirchengemeinde unter der Leitung von Matthias Noack mit dem „Ensemble 5Klang“ ein Programm mit jiddischer Musik und Geschichten aus der verschwundenen Welt der Shtetl Galiziens: “Amol is geven a shtetl…”
Öffnungszeiten der Klosterkirche: Freitag, Samstag, Sonntag jeweils 12 bis 16 Uhr
Warum steigen die Mieten?
Mal wieder haben wir uns versammelt, um hier in Potsdam gegen steigende Mieten auf die Straße zu gehen. Während die Reallöhne in den letzten 30 Jahren in Deutschland für große Teile der Bevölkerung gesunken sind, Lohnerhöhungen kaum die Inflation ausgeglichen haben, sind die Mieten im Vergleich massiv angestiegen. Eine durchschnittliche 3‑Raum-Wohnung ist in Potsdam kaum noch unter 800 Euro Warmmiete zu beziehen. Nach oben sind die Preise offen, gerade für Wohneigentum sollten Menschen schon mit einem Sack voll goldener Löffel im Mund geboren werden, um sich diese leisten zu können.
Doch warum ist das so? Der Oberbürgermeister von Potsdam hat schon vor Jahren verkündet, dass der Markt die Anzahl der neugebauten Wohnungen regulieren würde. Seine Konsequenz war, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Wer will sich schon mit der unsichtbaren Hand anlegen?
Doch warum gibt seit Jahren diese massive Teuerung? In allen Ländern dieser Welt besteht die Tendenz, vom Land in die Stadt zu ziehen. Die Menschen, die nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen haben, müssen, um Arbeit zu finden in die Städte ziehen. Das ist hier in Potsdam wie überall. Arbeit in Brandenburg gibt es nach der Deindustralisierung in den 90er Jahren vor allem im Speckgürtel von Berlin. In der Uckermark mag es zwar ruhig und beschaulich zugehen, aber eine Lebensgrundlage bieten diese sogenannten strukturschwachen Regionen nur für Wenige.
Der Platz für Neubauten nimmt also ab. Doch dies allein ist nicht der Grund für steigende Mieten. Der Grund dafür ist globaler und durch den Verwertungszwang des Kapitals bestimmt.
Wir befinden uns in einer Zeit der globalen Überakkumulation von Kapital. Die Produktivität hat weltweit einen Stand erreicht, indem sich viele Unternehmungen schlichtweg nicht mehr lohnen. Es macht ökonomisch keinen Sinn mehr noch eine Autofabrik, Produktionsanlagen für Zahnbürsten oder ähnliches zu bauen, die zahlungsfähige Nachfrage wird durch die bestehenden bereits gedeckt. Seit etlichen Jahren herrscht Überproduktion, die Welt erstickt geradezu in Waren wie Textilien, Autos oder Elektrogeräten aller Art, das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft gerät immer mehr an seine Grenzen. Im Rahmen des bestehenden Neoliberalismus wurde versucht, diese Situation auf verschiedene Arten zu beseitigen. Waren wurden zwar massenhaft und billig auf den Markt geworfen, aber ihre Lebenszeit wurde begrenzt, so sind die Menschen gezwungen regelmäßig Neue zu konsumieren. Dann verschuldeten sich die Staaten nahezu ins Astronomische um nicht die Gewinne der Unternehmen zu schmälern und trotzdem weiter anlaufende Ausgaben zu leisten. Weiter wurden durch die Privatisierung ehemals staatlicher Sektoren neue Anlagespähren für das Kapital geschaffen. Als dies nicht genügte, setzte eine staatliche Deregulierung der Finanzmärkte ein, nicht weil die Banker so gierig waren, sondern weil das System in eine Krise gekommen war und neue Verwertungsmöglichkeiten brauchte. Erstmal eine ‚win win‘ Situation. Das Kapital konnte sich durch Zinsen verwerten und die Produktion von Immobilien und Konsumgütern wurde angeschoben. Alle bekamen und bekommen weiterhin Konsumkredite nahezu hinterhergeworfen. Nur zerbrachen diese Kreditverhältnisse vor allem daran, dass die Rückzahlung durch sinkende Reallöhne nicht erfolgen konnten. Dies und ein allgemeiner Nachfragerückgang kennen wir heute als globale Krise von 2007.
So ähnlich ist auch der Zusammenhang hier bei uns. Immobilien sind für Fonds und Kapitalgebende einfach noch lohnende Anlageprojekte. Kapital muss sich bei Gefahr des Untergangs verwerten, ihm ist es egal ob in Form von Produktion oder als Immobilien- und Grundbesitzkapital. Nur, dass die Menschen nicht beliebig hohe Mieten zahlen können. Dies führt dann, wie in Potsdam, zum sozialen Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen.
Ähnlichen Sachzwängen unterliegt die Stadt. Die Pro Potsdam ist kein Wohlfahrtsprojekt und mal abgesehen von ein paar Prestigeprojekten wie der Heidesiedlung oder der Behlertstraße, die ihr nur durch massiven öffentlichen Druck abgerungen werden konnte, zählt auch für sie nur: mehr Geld mit der Vermietung von Wohnungen zu erwirtschaften, teilweise zur eigenen Refinanzierung, teilweise um Haushaltslöcher der Stadt zu stopfen.
Wenn wir heute fordern, dass Wohnraum keine Ware sein darf, so muss sich dieser Forderung die nach einer grundsätzlichen Abschaffung der Warenform anschließen. Nur ein Ausbruch aus den Marktverhältnissen ermöglicht ein menschenwürdiges Leben für alle nach ihren Bedürfnissen. In Potsdam gibt es jedoch im Vergleich zu anderen Städten noch eine andere Besonderheit, die über den Drang Kapital zu verwerten hinausgeht. Dies ist die Neugestaltung der Potsdamer Innenstadt nach sogenanntem historischen Vorbild. Historisches Vorbild ist dabei alles aus der Preußenzeit und alles, was vor dem 2. Weltkrieg gebaut wurde. Dies wird überwiegend mit dem zusammenhängenden Ensemble und der Schönheit der innenstädtischen Gebäude begründet. Obwohl Schönheit ja bekanntlich subjektiv ist, maßen sich die Preußenfans von ‚Mitteschön‘ und die Jauchs, Joops und Plattners sowie ihre Unterstützer_innen der mittlerweile gescheiterten Rathauskoalition, aber auch die AfD an, objektiv festzustellen, dass FH, Mercure und Rechenzentrum architektonischer Müll sind, während Barberini, Stadtschloss und Garnisonkirche eine Wohltat für das luxusgewöhnte Auge darstellen. Könnte Mensch doch eigentlich meinen, was interessiert mich das Gewäsch einiger Narzist_innen und Freund_innen des preußischen Despotismus, dessen architektonischer Ausdruck nunmal die wiedererbaute Potsdamer Innenstadt ist?
Leider sehr viel. Denn die Brüche in der Gestaltung der Stadt zeugen auf der einen Seite von der Geschichte Potsdams. Viele der Preußentempel sind durch Kriegshandlungen massiv zerstört worden, durch die Bombardierung der westlichen Alliierten, aber auch durch das Geschützfeuer der sowjetischen Armee nachdem die Stadt nicht kapitulierte. Somit erinnerte auch die Neugestaltung der Stadt an ihre dunkle Geschichte und die begangenen Verbrechen auch der Potsdamer_innen. Denn auch Potsdam war eine Stadt der Täter_innen. Hier tagten Teile des Volksgerichtshofes, auch hier wurden Menschen verschleppt und in die Vernichtungslager deportiert, Soldaten, Waffen und anderes Material an die Front gebracht. Auch gerade vom konservativen Potsdam und auch von den sogenannten Widerständlern des 20 Juli wurde der Angriffskrieg auf ganz Europa geplant und durchgeführt. Das Vorkriegspotsdam wieder aufzubauen ist auch eine Art Geschichte zu verfälschen. Die Kainsmale der Täter_innenstadt Potsdam werden einfach überbaut, so als wäre nichts gewesen.
Doch das ist nur die eine Seite der Preußenmedaille. Auf der anderen prangt die Frage: Wem gehört die Stadt?
Alle Neubauprojekte, die bisher am Alten Markt errichtet wurden, sind kommerzialisiert. Nur wer genügend Kohle hat, kann sich dort eine Wohnung leisten, eines der Geschäfte besuchen. Sozialwohnungen wird es ‑wenn überhaupt- nur auf Zeit geben. Ein vormals öffentlicher Raum für alle ist zu einem Raum der Privilegierten verkommen. So läuft das schon seit Jahren, Potsdam verscherbelt seine Grundstücke an private Investoren, die versuchen dann so gewinnbringend wie möglich zu investieren, ob nun mit exklusiven Eigentumswohnungen, überteuerten Mietwohnungen, Museen oder sonstigen Geschäften. Das einzige “öffentliche” Gebäude am Alten Markt ist der an Kitschigkeit nicht mehr zu überbietende Landtag. In diesem thronen wie schon zu Zeiten der Kaiser die Erwählten über Potsdam, offenbar unwissend, dass es kein unverschämteres und anmaßenderes Symbol parlamentarischer Überheblichkeit gibt, als aus der Kopie eines Stadtschloss heraus zu regieren.
Während wahre Demokrat_innen, wie Max Dortu schon vor mehr als 150 Jahren versuchten, diesem monarchistischem Gemäuer mit Pflastersteinen beizukommen, war sich keine der Brandenburger Parteien zu dumm dazu, dieses Symbol absolutistischer Herrschaft 2014 wieder in Betrieb zu nehmen. Die gesellschaftlichen Kämpfe in Potsdam werden weiter gehen. Der Kampf um bezahlbare Mieten kann dabei nur ein Anfang sein. Soziale Gerechtigkeit innerhalb des Kapitalsverhältnisses bleibt ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Eine Stadt für alle kann es daher letztlich nur in einer Gesellschaft ohne Kapitalismus geben. Bis es soweit ist, müssen wir dem System so viel wie möglich Freiräume abnötigen und dies gelingt vor allem mit Druck von der Straße. Auch wenn die lokale Presse und Politik der Meinung sind, sie können festlegen, welche Formen des Widerstandes angemessen und legitim erscheinen, behalten wir uns vor, das selbst zu entscheiden. Zwangsräumungen gehören verhindert! Leerstehender Wohnraum oder öffentliche Gebäude gehören besetzt! Kein Mensch braucht die Garnisonkirche! Die Fragen, wem diese Stadt gehört, wird somit auch zukünftig eine Klassenfrage sein und wir werden sie klar zu beantworten wissen: UNS ALLEN gehört die Stadt!
*Pressemitteilung, Potsdam, 19. September 2017*
Flüchtlingsaufnahme statt Abschiebelager – Flüchtlingsrat fordert Abschaffung der Isolation von Asylsuchenden
Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter möchte zukünftig Schutzsuchende bis zu zwei Jahre in der Erstaufnahmeeinrichtung festhalten, wo sie grundsätzlich erschwerten Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsstrukturen im Land haben. Brandenburg wäre damit eines der ersten Bundesländer, das die restriktive Bundespolitik umsetzt. Ziel ist offensichtlich die möglichst reibungslose Abschiebung von Flüchtlingen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Rückendeckung erhält Schröter für seine diskriminierende Isolationspolitik durch Landräte und Oberbürgermeister, wie nach einer Beratung mit diesen in Potsdam am Montag bekannt wurde.
Möglich wird der Vorstoß des Innenministers durch das „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, das im Juli 2017 in Kraft getreten ist. Allerdings räumt das Gesetz den Ländern ein, von der Regelung zur Verlängerung des Aufenthaltes in der Erstaufnahme keinen Gebrauch zu machen. Das Innenminister Schröter sich zum wiederholten Male damit profiliert, restriktive Bundespolitik möglichst schnell umzusetzen, verwundert leider nicht.1 Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahl schielt Schröter offenbar nach rechts und lässt Schutzbedarfe außer Acht.
Die Folgen, Menschen mit angeblich „schlechter Bleibeperspektive“ bis zu 24 Monaten in der Erstaufnahme unterzubringen, die so als Abschiebelager missbraucht wird, können für die Betroffenen verheerend sein: Der so erschwerte Kontakt zu Unterstützer_innen, Beratungsstellen und Rechtsanwält_innen führt dazu, dass Geflüchtete sowohl im Verfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Hilfestellung oder gar Zugang zu Rechtsschutz bleiben. Es ist davon auszugehen, dass so in hohem Maße zahlreiche Schutzsuchende nicht das Recht auf den Schutz bekommen, der ihnen individuell zusteht. Selbst Minderjährige werden von der Lagerpflicht nicht ausgenommen. Das Kindeswohl ist dann so massiv gefährdet, dass eine Vereinbarkeit mit der UN-Kinderrechtskonvention äußerst fraglich ist. Menschen durch ein Festhalten in der Erstaufnahmeeinrichtung bis zu zwei Jahren den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwehren, verhindert die Integration und widerspricht den Vorgaben der europäische Rechtsnorm für die Aufnahme Asylsuchender.
Schon jetzt sind Rechtsverletzungen in der Erstaufnahme an der Tagesordnung. Maßgebliche EU-Richtlinien, die insbesondere Kinder, Alleinerziehende, Frauen und Kranke schützen und die Qualität der Asylverfahren und die Versorgung gewährleisten sollen, werden in den brandenburgischen Erstaufnahmeeinrichtungen nicht umgesetzt. Den Flüchtlingsrat erreichen regelmäßig massive Beschwerden u.a. über die unzureichende Beratung zum Asylverfahren, Mängel bei der medizinischen Versorgung und Erkennung besonderer Schutzbedarfe. Würden die Pläne des Innenministers umgesetzt, würde dies zur dauerhaften Realität für sehr viele Flüchtlinge in Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat fordert deshalb das zuständige Ministerium dazu auf, von diesen Plänen abzusehen. Eine dauerhafte Isolation von Geflüchteten in der Erstaufnahme darf nicht weiter vorangetrieben werden. Weder die Landesregierung noch die Zivilgesellschaft sollten sich damit abfinden, dass ein Parallelsystem für Schutzsuchende geschaffen wird, das ihre systematische Entrechtung und Ausgrenzung vorantreibt. Der Zugang zu Rechtsschutz, Unterstützungsstrukturen und Integrationsleistungen muss für Schutzsuchende in Brandenburg offen sein. Der Flüchtlingsrat kritisiert außerdem den rechtlich fragwürdigen Begriff der „schlechten Bleibeperspektive“ aufs Schärfste, den der Innenminister für eine Entscheidung über die Dauer des Aufenthaltes in der Erstaufnahme offenbar zu Grunde legen will. Der Kern des Asylsystems sieht eine individuelle Prüfung von Fluchtgründen vor, und keine pauschale und oft willkürliche Vorab-Einschätzung und Selektion anhand des Herkunftslandes. Das breit kritisierte Label der „geringen“ oder „schlechten“ Bleibeperspektive dient als zentrales Instrument, schutzsuchenden Menschen Teilhabe zu versagen und sie an ihrem individuellen Recht auf Aufnahme und Schutz vorbei schnell wieder außer Landes zu schaffen. Durch die monate- und jahrelange Abschottung in den Erstaufnahmeeinrichtungen soll dies umgesetzt werden. Brandenburg darf sich an dieser flüchtlingsfeindlichen Politik nicht beteiligen.
1 Der Flüchtlingsrat berichtete: _http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/aktuelles/pm-mit-der-abschiebequote-gegen-den-rechtsstaat-fluechtlingsrat-fordert-ruecktritt-von-law-and-order-minister-schroeter_ _http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/aktuelles/pm-von-der-willkommens-zur-abschiebekultur_
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