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(Anti-)Rassismus Law & Order

10 Jahre AGG – in Brandenburg ein Diskriminierungsschutz mit Lücken

Am 18. August 2006 trat das All­ge­meine Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) in Kraft und markierte damit eine Zeit­en­wende. Basierend auf den EU-Antidiskri­m­inierungsrichtlin­ien schreibt es das Recht auf Gle­ich­be­hand­lung und Men­schen­würde fest und ver­bi­etet Diskri­m­inierung. Zum Anlass des 10. Jahrestages des AGG unter­stre­icht die Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg die große Bedeu­tung des Geset­zes und mah­nt zugle­ich Nachbesserun­gen und eine Ver­voll­ständi­gung des Diskri­m­inierungss­chutzes in Bran­den­burg an.
„Das AGG stellt unmissver­ständlich klar: Jed­er Men­sch hat das Recht auf Gle­ich­be­hand­lung. Diskri­m­inierung ist keine Bagatelle, son­dern geset­zlich ver­boten. Aber lei­der stellt es keinen umfassenden Diskri­m­inierungss­chutz dar, denn der Gel­tungs­bere­ich ist eingeschränkt und einige Zugang­shür­den sind für manche Betrof­fene zu hoch“, fasst Ing­mar Pech von der Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg 10 Jahre Praxis­er­fahrun­gen mit dem AGG zusammen.
Diskri­m­inierung ist All­t­ag in Bran­den­burg: Men­schen erhal­ten auf­grund ihres Namens keine Woh­nung, wer­den auf­grund ihrer Haut­farbe nicht in die Diskothek oder einen Fit­ness­club ein­ge­lassen oder wer­den am Arbeit­splatz auf­grund ihres Kopf­tuch­es diskri­m­iniert. Das AGG stärkt die gesellschaftliche Posi­tion Betrof­fen­er und hil­ft ihnen bei der Durch­set­zung ihres Rechts auf Gleichbehandlung.
Es weist jedoch auch Män­gel auf, die drin­gend nachgebessert wer­den müssen: So fehlt es an Ken­nt­nis und Aufk­lärung über das AGG, die Fris­ten zur Gel­tend­machung von Ansprüchen sind zu kurz, es gibt Hür­den in der Rechts­durch­set­zung und der Gel­tungs­bere­ich des AGG ist zu eingeschränkt. Anwend­bar ist das Gesetz auss­chließlich im pri­va­trechtlichen Bere­ich (Arbeits­markt sowie bei Gütern und Dien­stleis­tun­gen). Keinen Schutz vor Diskri­m­inierun­gen bietet es, wenn diese von staatlichen Insti­tu­tio­nen aus­ge­hen. Momen­tan ist es in Bran­den­burg leichter möglich, sich gegen diskri­m­inierende Vermieter_innen oder Arbeitgeber_innen zu wehren, als gegen diskri­m­inierende Lehrer_innen oder Polizeibeamt_innen.
Aktuell beste­ht Anlass zur Hoff­nung, dass Bran­den­burg darauf reagiert und diese rechtliche Schut­zlücke zu schließen ver­sucht: Der Entwurf zu einem Lan­desan­tidiskri­m­inierungs­ge­setz (LADS) ist in den Land­tag einge­bracht wor­den. Bei der Anhörung im Sep­tem­ber wird jedoch erst entsch­ieden, ob er ver­wor­fen wird oder das Gesetz über­haupt real­isiert wer­den soll.
„Ras­sis­mus und Diskri­m­inierung nehmen in Bran­den­burg in erschreck­en­dem Aus­maß zu. Ein nicht uner­he­blich­er Teil der Bevölkerung ist täglich ras­sis­tis­chen Belei­di­gun­gen, Gewalt und Diskri­m­inierung aus­ge­set­zt. Es ist daher drin­gend nötig, dass Bran­den­burg die Anti­ras­sis­mus-Klausel der Lan­desver­fas­sung auch für den Bere­ich Diskri­m­inierung ernst nimmt. Geset­zge­berisch muss mit aller Deut­lichkeit reagiert wer­den, um dieser besorgnis­er­re­gen­den Entwick­lung ent­ge­gen zu wirken,“ stre­icht Ing­mar Pech die rechtliche und poli­tis­che Notwendigkeit eines Lan­desan­tidiskri­m­inierungs­ge­set­zes hervor.
Die Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg der Opfer­per­spek­tive fordert daher den Land­tag und die Lan­desregierung auf, auf Lan­desebene ein Lan­desan­tidiskri­m­inierungs­ge­setz einzuführen und auf der Bun­de­sebene auf die Nov­el­lierung des AGG hinzuwirken.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Raus auf die Straße! Antifaschistische Streetparade in Frankfurt (Oder)

187598Am 03.09.2016 wollen wir gemein­sam mit euch auf die Straße gehen, um gegen ras­sis­tis­che Het­ze in Frank­furt (Oder) anzu­tanzen. Wir ste­hen für eine sol­i­darische Gesellschaft, die sich gegen das her­zlose und has­ser­füllte Gezetere der Frank­furter Recht­en ein­set­zt. Wir ste­hen für eine Gesellschaft, in der jede*r das Recht hat seinen Wohnort zu wählen, vor Krieg und Bar­barei zu fliehen und auf ein besseres Leben zu hoffen.
Die ras­sis­tis­che Flüchtlingspoli­tik auf europäis­ch­er und nationaler Ebene schürt den Hass in dieser Gesellschaft und fördert den sozialen Unfrieden. Sie stellt sich in den Dienst der Wutbürger*innen und entrechtet Men­schen, die in Europa Schutz suchen. Die Abschot­tung und der Ego­is­mus der­jeni­gen, die in Wohl­stand und Frieden leben kön­nen, ste­ht denen gegenüber, welche aus Angst und Ver­fol­gung alles hin­ter sich lassen mussten, um in Sicher­heit weit­er leben zu können.
Der Recht­sruck in Europa ist ein Aus­druck für die Befürch­tung etwas vom großen Kuchen abgeben zu müssen. Dieser Hass entlädt sich über­all in Europa, so auch hier in Frank­furt (Oder).
Dem stellen wir uns entschlossen entgegen!
Gegen die soziale Kälte und Aus­gren­zung stellen wir die Ideen von Emanzi­pa­tion und Gleichberechtigung.
Gegen die Vere­in­samung in unser­er Gesellschaft stellen wir unsere Solidarität.
Gegen den recht­en Hass stellen wir einen gemein­samen Kampf für eine bessere Welt!
Am 03.09.2016 wollen Frank­furter Rassist*innen den Schul­ter­schluss mit Ultranationalist*innen aus Polen üben und mobil­isieren für eine erste län­derüber­greifende Demon­stra­tion. Wir wer­den ihnen die Straße an diesem Tag nicht über­lassen. Gegen ein Europa der Vater­län­der und gegen Abschot­tung und Mauern wer­den wir am 03.09.2016 mit unser­er antifaschis­tis­chen Street­pa­rade demonstrieren.
Start­punkt Street­pa­rade: 13:00 Uhr am Bahn­hof Frank­furt (Oder)
Zugtr­e­ff­punkt in Berlin: 11:45 Alexan­der­platz Gleis 1 — Fahrtzeit 1h Stunde
Außer­dem: Kundge­bung des Bünd­niss­es „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“ ab 14:00 Slu­bicer Straße
Achtet auf Ankündi­gun­gen im Vor­feld der Street­pa­rade! Wir nutzen am Tag den Hash­tag #ffo_nazifrei auf Face­book, Twit­ter und Instagram.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Lieber ein Ende mit Knall, als Knallköppe ohne Ende“

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Für Sam­stag den 20. August mobil­isieren Neon­azis zu einem Auf­marsch nach Pots­dam. Nach­dem wir in den let­zten Monat­en von Chris­t­ian Müllers Groß­machts­demon­stra­tio­nen ver­schont blieben, ist nun „Eric Graziano Grün­wald“ ange­treten um Pots­dam, vor der ange­blichen Islamisierung des Preußen­lan­des, zu ret­ten. Bish­er war dafür C. Müller zuständig, aber nach einem öffentlich gewor­de­nen Tele­fonat, in dem dieser neben­bei kokst und außer­dem die Presse über seinen gewalt­täti­gen Über­griff auf seine Frau berichtete, ist nun auch dem ver­wirrtesten Neon­azi klar, dass er nicht als Iden­ti­fika­tions­fig­ur taugt.
Am 20. August ist nun ein „Patri­o­tentag“ in Pots­dam auf dem Luisen­platz angemeldet. Dieser muss als erneuter Ver­such gew­ertet wer­den, sich lokal in Pots­dam und auch region­al in Bran­den­burg neu zu ver­ankern. Denn nicht nur „Pogi­da“ ist seit Beginn des Jahres geschrumpft, son­dern bran­den­burg­weit alle „Gidas“ und „Bürg­er­be­we­gun­gen“ oder wie sie sich auch nen­nen. Hier in Pots­dam, aber auch in Rathenow lässt sich das auch auf antifaschis­tis­chen Protest zurück­führen. Es ist unser Wider­stand, der es den Rassist_innen in Pots­dam unmöglich gemacht hat auch nur einen einzi­gen entspan­nten Auf­marsch durchzuführen. Und es ist unser Wider­stand, der ver­hin­derte, dass Pogi­da zu einem Anknüp­fungspunkt für „besorgte Bürger_innen“ aus Pots­dam wer­den kon­nte. Stattdessen wurde Pogi­da in einem Wan­derkessel, geschützt von einem mas­siv­en, äußerst gewalt­bere­it­en Polizeimob, ein paar Meter auf den Straßen begleitet.
Nun haben wir aber über­haupt keinen Bock! Wed­er auf Pogi­da 2.0 noch auf die pseudomil­itärische Beset­zung unser­er Vier­tel durch eine enthemmte Polizei. Wir wer­den uns diesen bei­den Scheißhaufen ent­ge­gen­stellen, denn aktuell kann der eine nicht ohne den andern.
Der dig­i­tale Plan von Ex-Pogi­da ist es sich um 14.00 Uhr auf dem Luisen­platz zu tre­f­fen und dann eine Runde durch die Pots­damer Innen­stadt zu drehen. Und das obwohl Antifaschist_innen in den let­zten Jahren schon mehrfach aufgezeigten, dass der Luisen­platz kein Ort ist, an dem sich Neon­azis von DVU oder NPD allzu wohl fühlen dürften, vor allem die An- und Abreise wurde oft zu einem kri­tis­chen Punkt. Von den bish­eri­gen Ver­suchen der Pogi­da-Anhänger_in­nen brauchen wir ja nicht aus­giebig zu bericht­en, da wir alle die großar­ti­gen Bilder im Kopf haben oder von youtube kennen.
Dabei wollen sie vom Luisen­platz über die Schopen­hauer­str. – Bre­ite Str. – Zep­pelin­straße und zurück zum Aus­gang­sort eine Minirunde drehen.Vorsorglich haben die Pogi­da-Nach­fol­ger ihre Pro­pa­gan­daak­tion bis 20.00 Uhr angemeldet. Par­al­lel dazu find­et die soge­nan­nte „Schlösser­nacht“ statt, deren Hauptein­gang in den let­zten Jahren am Luisen­platz lag. Es kann also davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass eine Menge mehr oder weniger fein gek­lei­de­ter Men­schen mehr oder weniger unkon­trol­lier­bar durch die Innen­stadt spazieren werden.
Dieses Chaos gilt es zu ver­größern. Seid kreativ, seid entschlossen in eurem Wider­stand. Lasst uns entschlossen vorge­hen gegen Pogi­da-Nach­fol­ger und die polizeiliche Beset­zung unser­er Viertel.
Wir haben keinen Bock Test­feld und Spiel­ball in Vor­bere­itung auf die bevorste­hende, staat­stra­gende OSZE-Scheiße am 1. Sep­tem­ber zu sein.
Alerta!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

We are the Antifa Potsdam needs – but not the one it deserves

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Eine Pots­damer Stadt­poli­tik, die sich über­fordert sieht im huma­nen Umgang mit Refugees. Regelmäßige Aufmärsche von Neon­azis Seite an Seite mit „besorgten Bürger_innen“ im Land Bran­den­burg. Immer wiederkehrende Pogi­da-Aufmärsche inklu­sive mas­siv­en Polizeiüber­grif­f­en auf Antirassist_innen. Regelmäßige ver­bale oder kör­per­liche Angriffe auf Geflüchtete und Bran­dan­schläge auf die Unterkün­fte. Exor­bi­tante Wahler­folge für die Neon­azis in Nadel­streifen von der AfD und der Ver­such eben dieser, in Pots­dam Fuß zu fassen.
All diese Punk­te und noch viel viel mehr haben uns verdeut­licht, dass Pots­dam auch weit­er­hin eine offen­sive Antifa­gruppe braucht.
Wir wollen gemein­sam nicht nur aktiv auf die Straße gehen, um all den schlecht­en Ismen dieser Welt und dieser Stadt den Kampf anzusagen, son­dern wir wollen darüber hin­aus ver­suchen, das große Ganze zu ver­ste­hen und zu beeinflussen.
Hier­mit sagen wir nicht nur den Neon­azis des neu gegrün­de­ten Pots­damer Flügels der NPD und den alt­bekan­nten autonomen Nation­al­is­ten den Kampf an, auch bei den Neon­azis von Pogi­da und AfD wollen und wer­den wir nicht Halt machen. Der städtis­che Umgang mit Geflüchteten ist genau­so in unserem Fokus wie der Umbau Pots­dams zu einem preußis­chen Hochglanz-Äquiv­a­lent der Potemkinis­chen Dörfer.
Mit ein­er Utopie von einem besseren Leben für alle über­all im Hin­terkopf wer­den wir das schlechte Leben, das viele Men­schen in Pots­dam, in Deutsch­land, in und vor den Gren­zen Europas sowie weltweit führen, kri­tisieren und nach unseren Möglichkeit­en aktiv dage­gen vorgehen.
Wir sind die Antifa die Pots­dam braucht – aber nicht die es verdient
Wir sind die Emanzi­pa­torisch Antifa Potsdam.

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(Anti-)Rassismus

Rathenow: Rechtes Bürgerbündnis plant „Großdemo“ im Oktober

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Die rechte Freak­show, die sich nun­mehr schon seit Monat­en alle zwei Wochen auf dem Märkischen Platz wieder­holt, wird wahrschein­lich auch in näch­ster Zeit das Rathenow­er Stadt­bild prä­gen. Davon kün­de­ten zumin­d­est Fly­er, die das ver­meintliche „Bürg­er­bünd­nis“ Havel­land am gestri­gen Abend von Sympathisant_innen ver­bre­it­en ließ. Dem­nach sind die berüchtigten Dien­stagsver­anstal­tun­gen noch bis wenig­stens zum 13. Sep­tem­ber 2016 geplant. Ob die regelmäßi­gen Jam­mer- und Pöbe­lorgien, trotz immer rück­läu­figer Teilnehmer_innenzahlen, dann enden scheint aber ungewiss­er denn je.
Im Gegen­teil, die bil­dungs- und beratungsre­sisten­ten Hass-Bürg­er_in­nen pla­nen offen­bar für Sam­stag, den 29. Okto­ber 2016, eine „Großde­mo“ im Stadt­ge­bi­et von Rathenow. Eine entsprechende Anmel­dung soll der Ver­samm­lungs­be­hörde bere­its vor­liegen. Mit der größer geplanten Ver­samm­lung dürfte ein­er­seits an die ver­meintliche Neuau­flage des „Ham­bach­er Festes“ vom 5. März 2016 angeknüpft und ander­er­seits das ein­jährige Beste­hen des recht­en „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ zele­bri­ert wer­den. Experten gehen jedoch davon aus, dass die ver­meintliche Großde­mo deut­lich weniger Leute ziehen wird als die Ver­anstal­tung im Früh­jahr. Am „Ham­bach­er Fest 2.0“ hat­ten sich im März unge­fähr 500 Per­so­n­en, darunter viele Neon­azis, beteiligt.
Am Dien­stagabend beteiligten sich, ähn­lich wie an den voran gegan­genen Ver­samm­lun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es“, allerd­ings lediglich 30 Sympathisant_innen. Haupt­säch­lich waren alte Män­ner und Kinder zu sehen – das schein­bar let­zte Aufgebot.
Euphorie und Größen­wahn scheinen aber bei den Bündlern den­noch nicht ver­flo­gen zu sein, ins­beson­dere bei deren Anführer Chris­t­ian Kaiser. Dieser hat sich beispiel­sweise ein Neben­ge­lass seines Wohn­haus­es mit der selb­s­ther­rlichen Beze­ich­nung „Kaiser­re­ich“ verzieren lassen. Über den, von ein­er öffentlichen Straße gut erkennbaren Schriftzug  prangt zudem der rechts­blick­ende „Parteiadler“  der NSDAP aus den Jahren zwis­chen 1933 und 1945. Das NS Sym­bol scheint allerd­ings noch unvol­len­det. Der Eichen­laubkranz ist nur zum Teil fer­tiggestellt und das Hak­enkreuz fehlt auch noch.
Fotos: hier

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Potsdam/Nauen: Anklage gegen rechte Stadtguerilla

Maik Schneider, Dennis W, Christopher L, Christian B 2015
Die Staat­san­waltschaft Pots­dam hat, gemäß Pressemit­teilung vom 27. Juli 2016, gegen sechs Neon­azis aus Nauen wegen ver­schieden­er Delik­te, darunter den Bran­dan­schlag auf eine als Notun­terkun­ft für Flüchtlinge gedachte Sporthalle, Anklage erhoben.
Den Angeschuldigten Den­nis W., Christo­pher L., Chris­t­ian B. und Thomas E. wird darüber hin­aus die Grün­dung und Mit­glied­schaft in ein­er krim­inellen Vere­ini­gung, dem Nauen­er NPD Stadtverord­neten Maik Schnei­der zusät­zlich die rädels­führerschaftliche Beteili­gung zur Last gelegt .
Das Ver­fahren soll vor der Staatss­chutzkam­mer des Landgericht­es Pots­dam stattfinden.
Ins­ge­samt hat die Staat­san­waltschaft in sieben Punk­ten Anklage gegen die mut­maßliche krim­inelle Vere­ini­gung erhoben:
1.) In der Störung der Nauen­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung vom 12. Feb­ru­ar 2015 sieht die Staat­san­waltschaft den Tatvor­wurf der Nöti­gung ver­wirk­licht. Klage erhoben wird jedoch lediglich gegen Maik Schnei­der. Den­nis W., der eben­falls bei der Störung anwe­send war, wird dies­bezüglich offen­bar nicht angeklagt.
2.) Im Fall des Bran­dan­schlages auf den PKW eines pol­nis­chen Geschädigten am 17. Mai 2015 am Karl-Bernau-Ring in Nauen erhebt die Staat­san­waltschaft Anklage wegen gemein­schaftlich­er Brand­s­tiftung. Geklagt wird gegen Maik Schnei­der und Den­nis W.
3.) Hin­sichtlich der Zün­dung eines nicht zuge­lasse­nen Sprengkör­pers am 1. Juni 2015 an einem Unter­stand ein­er LIDL-Fil­iale in Nauen erhob die Staat­san­waltschaft Anklage wegen Her­beiführung ein­er Sprengstof­f­ex­plo­sion und Beschädi­gung ein­er Sache von bedeu­ten­dem Wert. Angeklagt ist in diesem Fall Den­nis W.
4.) Wegen Farbbeutel­würfe auf das Nauen­er Büros der Partei „Die Linke“ am 7. Juni 2016 erhob die Staat­san­waltschaft Anklage wegen gemein­schaftliche Sachbeschädi­gung. Angeklagt wer­den dies­bezüglich Maik Schnei­der, Christo­pher L. und Thomas Frank E.
5.) Im Verkleben von Schlössern des Parteibüros der „Linken“ am 9. Juni 2015 in Nauen, sieht die Staat­san­waltschaft eben­falls den Straftatbe­stand der Sachbeschädi­gung ver­wirk­licht. Angeklagt wird deswe­gen Den­nis W.
6.) Aber­mals eine Sachbeschädi­gung sieht die Staat­san­waltschaft im Abbren­nen ein­er mobilen Toi­lette auf der Baustelle des Über­gangswohn­heimes für Asyl­suchende am Walde­mar­damm in Nauen, in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2015. Anklage erhoben wird hier gegen Christo­pher L.
7.) Im Fall des Bran­dan­schlages auf die als Notun­terkun­ft für Flüchtlinge geplante Sporthalle des OSZ Nauen, in der Nacht vom 24. zum 25. August 2015, erhebt die Staat­san­waltschaft Anklage wegen Brand­s­tiftung. Geklagt wird gegen Maik Schnei­der, Den­nis W., Christo­pher L., Chris­t­ian B., Thomas Frank E. sowie Sebas­t­ian F.
Ermit­telt wurde gegen die oben genan­nten Tatverdächti­gen übri­gens auch noch in weit­eren Fällen. Auf­grund man­gel­nder Beweise wur­den fol­gende Ver­fahren jedoch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt:
8.) Sachbeschädi­gung unter Ver­wen­dung ein­er Graf­fi­tisch­ablone mit dem Schriftzug „Heimatliebe ist kein Ver­brechen“ am 15. und 16. April 2015.
9.) Brand­s­tiftung an einem Pkw von Kom­mu­nalpoli­tik­ern der Partei „Die Linke“ zwis­chen dem 12. und 13. Feb­ru­ar 2016.
Über­haupt nicht auf der Anklage­liste der Staat­san­waltschaft erscheint – erstaunlicher­weise – die zunächst Angeschuldigte Frauke K. Einen Grund dafür gab die Behörde nicht an.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Gender & Sexualität

Wir werden immer lauter!”

Vom 25.7.–14.8.2016 geht Women in Exile and Friends unter dem Mot­to “Wir wer­den immer lauter!” auf Aktion­s­tour quer durch Deutsch­land. Die drei­wöchige Tour soll auf die Sit­u­a­tion von geflüchteten Frauen und Kindern aufmerk­sam machen und Flüchtlings­frauen unter­stützen, für sich selb­st zu sprechen.
Eliz­a­beth Ngari, Mit­be­grün­derin von Women in Exile: “Die Erfahrun­gen, die wir in Bran­den­burg machen, sind den Erfahrun­gen von Frauen aus anderen Bun­deslän­dern ähn­lich. Flüchtlings­frauen sind dop­pelt Opfer von Diskri­m­inierung: Sie wer­den als Asyl­be­wer­berin­nen durch ras­sis­tis­che Geset­ze aus­ge­gren­zt und als Frauen diskriminiert..”
Women in Exile and Friends wird Unterkün­fte besuchen, mit lokalen Ini­tia­tiv­en zusam­me­nar­beit­en und öffen­lichkeitswirk­same Aktio­nen durch­führen. So ist beispiel­sweise am 29.7. eine Protestkundge­bung vor dem Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge in Nürn­berg geplant. Eine zen­trale Forderung ist die Anerken­nung geschlechtsspez­i­fis­ch­er Flucht­gründe. Der Focus der Tour wird jedoch auf dem Empow­er­ment und gegen­seit­igem Aus­tausch der Flüchtlings­frauen liegen.
Eliz­a­beth Ngari: “Über die Jahre haben wir Verbindun­gen mit zahlre­ichen Flüchtlings­frauen und Unterstützer*innengruppen aufge­baut. Jet­zt geht es darum, unsere Gemein­samen Forderun­gen an die Öffentlichkeit zu brin­gen.” Wir wür­den uns freuen, wenn Sie über die Tour bericht­en und den Ter­min wahrnehmen, um mit uns über die Sit­u­a­tion von Flüchtlings­frauen zu sprechen. Es beste­ht auch die
Möglichkeit, die Bus­tour zu begleiten.
Weit­ere Infor­ma­tion über die Gruppe “Women in Exile & Friends”: http://women-in-exile.net/ oder auf facebook.com/Women-in-Exile-Summer-Bus-Tour-2016
Tour­dat­en: 25.7. War Starts Here-Camp Alt­mark // 26.–27.7. Halle/Saale // 28.7.Leipzig // 29.–31.7. Nürn­berg // 1.8. Oberursel // 2.–3.8. Köln // 4.8. Osnabrück // 5.8. Biele­feld // 6.8. Göt­tin­gen // 7.8. Witzen­hausen // 8.–9.8 Bre­men // 10.–11.8. Ham­burg // 12.8. Pots­dam // 13.–14.8. Berlin

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Havelland: Brandstiftungen an Flüchtlingswohnungen und rechte Propagandaaktionen

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In der Nacht von Mon­tag zu Dien­stag, dem 12. Juli 2016, wur­den im Raum Rathenow-Prem­nitz mehrere mut­maßliche Straftat­en began­gen, bei denen eine frem­den­feindliche Moti­va­tion nicht auszuschließen ist.
Brand­s­tiftun­gen in Premnitz
In der havel­ländis­chen Kle­in­stadt Prem­nitz wurde, nach Polizeiangaben, zunächst gegen 04.35 Uhr ein Brand auf einem Balkon im Erdgeschoss eines Ein­fam­i­lien­haus­es in der Franz-Mehring-Straße fest­gestellt. Ein Anwohn­er hat­te das Feuer bemerkt und anschließend die Bewohner_innen ver­ständigt. Gemein­sam wurde der Brand gelöscht und die Polizei ver­ständigt. Per­so­n­en kamen nicht zu schaden.
Wenig später stellte die Polizei dann weit­ere Beschädi­gun­gen, die offen­bar eben­falls durch ein Entzün­den vorgerufen wur­den, an einem anderen Erdgeschoss­balkon in der August- Bebel- Straße fest. Nach Befra­gung durch die Beamt_innen stellte sich her­aus, dass die Bewohner_innen den Brand gegen 03.00 Uhr eigen­ständig fest­stell­ten und anschließend selb­st mit Wass­er löschten.
Die Krim­i­nalpolizei ermit­telt nun wegen des zweifachen Ver­dacht­es auf Brand­s­tiftung. Da in den betrof­fe­nen Woh­nun­gen zum Zeit­punkt des Bran­daus­bruch­es Asyl­suchende ihren Lebens­mit­telpunkt hat­ten, wurde das Staatss­chutzkom­mis­sari­at mit den Ermit­tlun­gen betraut. Ein frem­den­feindlich­er Hin­ter­grund kann, laut Polizeiangaben, derzeit nicht aus­geschlossen wer­den. Es lägen jedoch bis­lang auch noch keine konkreten Hin­weise auf eine solche Motivlage vor, so die Beamt_innen in ein­er ersten Pressemitteilung.
Sprühak­tion in Rathenow
Eben­falls am frühen Dien­stag­mor­gen wur­den in der havel­ländis­chen Kreis­stadt Rathenow mehrere in ara­bisch ver­fasste Slo­gans, die ins Deutsche über­set­zt in etwa: „Geht zurück in Euer Land“ bedeuten sollen, fest­gestellt. Diese waren u.a. in der Nähe des Bahn­hofs, des Job­cen­ters und eines Flüchtling­sheimes  ange­bracht wor­den. Die unbekan­nten Täter_innen hat­ten dafür offen­bar Sprüh­sch­ablo­nen genutzt. Eine frem­den­feindliche Aktion liegt nahe.
Seit Wochen tauchen in der Umge­bung von Rathenow, ins­beson­dere auf den Straßen Rich­tung Ste­chow, Nennhausen und Prem­nitz außer­dem auch  immer wieder gesprühte Slo­gans der PEGI­DA-Bewe­gung auf. Die Parole „Merkel muss weg“ wurde dort beispiel­sweise mehrfach in bei­de Fahrbah­n­rich­tun­gen auf die Straße gesprüht. Auch hier ist eine Aktion von Frem­den­fein­den, die im  momen­ta­nen Kurs der Kan­z­lerin eine all zu flüchtlings­fre­undliche Poli­tik sehen, denkbar.
Der Großteil der Sprühereien wurde inzwis­chen ent­fer­nt oder übersprüht.
Frem­den­feindliche Stimmungsmache
In Rathenow radikalisiert sich seit spätestens Okto­ber 2015 eine rechte Bürg­er­be­we­gung, die bei regelmäßi­gen Ver­samm­lun­gen kon­tinuier­lich gegen Flüchtlinge und den Islam Stim­mung macht. Zeitweise nah­men an deren Ver­anstal­tun­gen bis zu 600 Men­schen teil. Momen­tan hat sich ein har­ter Kern von 50 Per­so­n­en her­aus­ge­bildet, von denen ein Teil auch zu über­re­gionalen PEGI­DA-Ver­samm­lun­gen fährt oder Ver­anstal­tun­gen poli­tis­ch­er Gegner_innen stört.
In Prem­nitz hat­te die frem­den­feindliche Stim­mungs­mache, die damals maßge­blich von der NPD und deren Gesinnungsgenoss_innen betrieben, wurde, bere­its im Jahr 2013 zu einen Anschlag auf eine im Bau befind­liche Flüchtling­sun­terkun­ft geführt. Der inzwis­chen recht­skräftig verurteilte Täter wollte dadurch ein Zeichen gegen die Unter­bringung von Asyl­suchen­den in der Stadt setzen.
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(Anti-)Rassismus Gender & Sexualität Inklusion & Ableism jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Für ein Landesantidiskriminierungsgesetz

Heute haben die Grü­nen auf ihrer Frak­tion­s­pressekon­ferenz erk­lärt, dass sie ein Lan­desan­tidiskri­m­inierungs­ge­setz (LADG) im Land­tag ein­brin­gen wer­den. Der Vere­in Opfer­per­spek­tive fordert ein solch­es schon länger und begrüßt die Geset­zesini­tia­tive, denn diese würde eine wichtige Lücke im Schutz vor Diskri­m­inierung durch staatliche Stellen schliessen.
Im Jahr 2013 hat sich das Land Bran­den­burg die Bekämp­fung von Ras­sis­mus als Staat­sziel in der Lan­desver­fas­sung ver­ankert. Auch europäis­ches Recht und das Grundge­setz verpflicht­en staatliche Stellen, die Bewohner_innen des Lan­des vor Diskri­m­inierun­gen zu schützen. Den­noch gibt es in Bran­den­burg immer noch keinen vollen Rechtss­chutz für Betrof­fene von Diskriminierungen.
Zwar schützt das All­ge­meine Gle­ich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) des Bun­des Betrof­fene auf den Gebi­eten des Arbeits- und Zivil­rechts, die z.B. durch Arbeit­ge­ber oder Ver­mi­eterin­nen diskri­m­iniert wer­den. Doch gegenüber Diskri­m­inierun­gen durch staatliche Stellen, z.B. durch Polizis­ten oder Lehrerin­nen, ist das AGG nicht anwend­bar. Diesen Bere­ich zu regeln ist Auf­gabe der Bundesländer.
Mit der Ein­führung eines LADG würde Bran­den­burg 1.) einen Rechtss­chutz für Betrof­fene von Diskri­m­inierung durch staatlich­es Han­deln ein­führen, 2.) die öffentliche Hand verpflicht­en, konkrete Maß­nah­men gegen Diskri­m­inierung in ihren Insti­tu­tio­nen umzuset­zen und 3.) eine mit umfassenden Kom­pe­ten­zen aus­ges­tat­tete Lan­desan­tidiskri­m­inierungsstelle aufbauen.
Nad­ja Hitzel-Abdel­hamid von der Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg im Vere­in Opfer­per­spek­tive erk­lärt dazu: “Mit einem LADG hört das Land auf, allein von seinen Bürger_innen Fair­ness zu fordern, und fängt vor­bild­haft bei sich selb­st an: Mit einem LADG ver­bi­etet es seinen eige­nen Insti­tu­tio­nen jede Form von Diskri­m­inierung und sorgt damit in den staatlichen Struk­turen dafür, dass alle Men­schen in Bran­den­burg gle­ich behan­delt werden!”
Men­schen, die durch staatliche Insti­tu­tio­nen aus ras­sis­tis­chen Grün­den, wegen ihrer Herkun­ft, Nation­al­ität, Sprache, ihres Geschlechts, ihres Leben­salters, ihrer sex­uellen Iden­tität, religiösen oder weltan­schaulichen Überzeu­gun­gen oder wegen ihres sozialen Sta­tus diskri­m­iniert wer­den, wür­den in ihrer Posi­tion gestärkt, weil ihnen ein Rechtsweg eröffnet würde.
Ein voller Rechtss­chutz ist drin­gend nötig, denn Diskri­m­inierun­gen nehmen in der Gesellschaft ins­ge­samt mas­siv zu. Sie fan­gen an, wenn Witze über Schwule gemacht oder Mus­lime belei­digt wer­den und set­zen sich fort, wenn Polizist_innen Men­schen auf­grund ihrer Haut­farbe als Täter behan­deln oder eine Schü­lerin mit Kopf­tuch bei gle­ich­er Leis­tung schlechtere Noten als ihre Mitschüler_innen erhält. Von Beschw­er­den wegen Diskri­m­inierung prof­i­tiert das Land, denn nur wenn Men­schen sich beschw­eren, wer­den Muster von Diskri­m­inierung sicht­bar und so veränderbar.
Ein LADG sorgt für gle­iche Chan­cen und gle­iche Teil­habe für alle, die in Bran­den­burg leben.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Einstufung der Maghreb-Staaten als «sichere Herkunftsstaaten»

Sehr geehrter Herr Min­is­ter­präsi­dent Dr. Woidke,
sehr geehrter Herr stel­lvertre­tender Min­is­ter­präsi­dent Görke,
voraus­sichtlich am 17. Juni 2016 ste­ht im Bun­desrat die Zus­tim­mung zum Gesetz über die Ein­stu­fung von Alge­rien, Marokko und Tune­sien als «sichere Herkun­ftsstaat­en» (Bun­destags­druck­sache 18/8039) im Sinne des § 29a AsylG auf der Tage­sor­d­nung. Wir richt­en den drin­gen­den Appell an Sie, mit den vier Stim­men des Lan­des Bran­den­burg der erneuten Ausweitung der Liste der «sicheren Herkun­ftsstaat­en» die Zus­tim­mung zu ver­weigern. Diese Ein­stu­fung eines Staates hat für Asyl­suchende aus diesen Län­dern gravierende Konsequenzen.
Ursprünglich sah das Konzept der «sicheren Herkun­ftsstaat­en» lediglich vor, dass von vorn­here­in angenom­men wurde, dass Asy­lanträge von Per­so­n­en aus diesen Staat­en prinzip­iell unbe­grün­det seien und dass dies im Einzelfall von den Betrof­fe­nen wider­legt wer­den müsse. Diese Grun­dan­nahme führte in vie­len Fällen dazu, dass Asylver­fahren oft nach nur ober­fläch­lich­er Prü­fung sehr schnell als «offen­sichtlich unbe­grün­det» abgelehnt wurden.
Doch neben diesen gravieren­den Ein­schränkun­gen im Asyl­recht wurde auch das Aufen­thalt­srecht in den let­zten Monat­en um viele weit­ere Vorschriften ergänzt, die dazu führen, dass Per­so­n­en aus als «sich­er» beze­ich­neten Staat­en hier ein­er ganzen Rei­he von zusät­zlichen Sank­tio­nen und Aus­gren­zun­gen aus­ge­set­zt sind:
Asyl­suchende aus «sicheren Herkun­ftsstaat­en» müssen für die gesamte Dauer des Asylver­fahrens in den Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen verbleiben und nach ein­er Ablehnung auch bis zur Aus­reise – das heißt, eine Verteilung in die Land­kreise und die kre­is­freien Städte find­et nicht mehr statt. Dadurch soll ver­hin­dert wer­den, dass sie sich hier inte­gri­eren kön­nen, denn dies wird als Hin­der­nis für eine rei­bungslose Abschiebung ange­se­hen. Als Neben­ef­fekt bedeutet dies auch, dass sie für den gesamten Zeitraum des Aufen­thalts in der Bun­desre­pub­lik ein­er Sach­leis­tungsverpfle­gung unter­liegen, da in den Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen der Großteil der Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz auf diese Weise geleis­tet wird.
Auch bleibt die Res­i­den­zpflicht, die in den let­zten Jahren stark an Bedeu­tung ver­loren hat­te und für andere Asyl­suchende nur noch in den ersten drei Monat­en beste­ht, für diese Gruppe weit­er­hin zeitlich unbe­gren­zt in Kraft. Zusät­zlich zu der all­ge­meinen Straf­be­wehrung von bis zu einem Jahr Gefäng­nis oder Geld­strafe sieht das Gesetz seit dem Asyl­paket II vor, dass auch ein sim­pler Res­i­den­zpflichtver­stoß dazu führen kann, das das Asylver­fahren ganz ohne inhaltliche Prü­fung eingestellt wird, wenn Betrof­fene in ein­er «beson­deren Auf­nah­meein­rich­tung» unterge­bracht sind. Die Möglichkeit, solche «beson­deren Auf­nah­meein­rich­tun­gen» zu schaf­fen, wurde den Län­dern eben­falls durch das Asyl­paket II eingeräumt.
Schlussendlich kann das Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge schon direkt bei der Ablehnung eines Asy­lantrags ein Wiedere­in­rei­se­ver­bot aussprechen, eine Sank­tion, die anson­sten nur im Fall ein­er Abschiebung oder Ausweisung erfol­gt, nicht jedoch durch die sim­ple Tat­sache, dass jemand im Asylver­fahren abgelehnt wurde. Sämtliche hier ange­sproch­enen Sank­tio­nen und Aus­gren­zungsmech­a­nis­men sind seit dem Som­mer 2015 oder später in das Gesetz aufgenom­men wor­den, also seit es die Diskus­sion über die Ein­stu­fung der Staat­en des West-Balka­ns als «sichere Herkun­ftsstaat­en» gab. Damals wurde die Büchse der Pan­do­ra geöffnet, jet­zt gilt es, zumin­d­est den men­schen­rechtlichen und inte­gra­tionspoli­tis­chen Schaden nicht noch größer wer­den zu lassen.
Doch auch abge­se­hen von prinzip­iellen Erwä­gun­gen in Bezug auf das Konzept der «sicheren Herkun­ftsstaat­en» ste­ht die Men­schen­recht­slage in allen drei Staat­en ein­er Ein­stu­fung als «sichere Herkun­ftsstaat­en» diame­tral ent­ge­gen. Amnesty Inter­na­tion­al führt in sein­er Stel­lung­nahme zum Geset­zen­twurf der Bun­desregierung zu Alge­rien, Marokko und Tune­sien aus, warum Ein­schränkun­gen der Mei­n­ungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit, außerg­erichtliche Hin­rich­tun­gen, Folter und Mis­shand­lun­gen, aber auch der fehlende Schutz vor sex­u­al­isiert­er Gewalt und das Ver­bot gle­ichgeschlechtlich­er Sex­u­alkon­tak­te ekla­tant gegen die Ein­stu­fung als «sicher­er Herkun­ftsstaat» sprechen (vgl. http://www.amnesty.de/files/Amnesty-Stellungsnahme-Innenausschuss-April2016.pdf).
Aber auch der Geset­zen­twurf der Bun­desregierung selb­st weist auf erhe­bliche Defizite im Jus­tizsys­tem hin:
In Bezug auf Alge­rien heißt es dort etwa: «Die Rechte der Beschuldigten im Prozess wer­den nicht immer beachtet. Die Gerichte üben in der Regel keine wirk­same Kon­trolle staatlichen Han­delns aus. Die in der Ver­fas­sung garantierte Unab­hängigkeit von Gericht­en und Richtern ist in der Prax­is nicht immer gewährleis­tet. Gel­tende Geset­ze und Vorschriften wer­den nicht immer ein­heitlich und flächen­deck­end ange­wandt. (…) Den Bürg­erin­nen und Bürg­ern fehlt nach wie vor das Ver­trauen in die Jus­tiz, sie sehen vor allem in poli­tisch rel­e­van­ten Strafver­fahren Hand­lungs­be­darf. Nach belast­bar­er Ein­schätzung von Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen und Jour­nal­is­ten nimmt die Exeku­tive in solchen Fällen unmit­tel­bar Ein­fluss auf die Entschei­dun­gen des Gerichts» (BT-DS 18/8039 , S. 10). Zu Tune­sien spricht der Geset­zen­twurf selb­st von extrale­galen Tötun­gen in Haft und Fällen von Folter: «Tune­sis­che und inter­na­tionale Medi­en sowie spezial­isierte Nichtregierung­sor­gan­i­sa­tio­nen, wie die Organ­i­sa­tion Mon­di­ale con­tre la Tor­ture (OMCT) oder die Organ­i­sa­tion con­tra la Tor­ture en Tunisie (OCTT), bericht­en kon­tinuier­lich über Einzelfälle von Folter, ins­beson­dere in der Polizei­haft, unmen­schliche Behand­lung in den Haf­tanstal­ten, die nicht europäis­chen Stan­dards entsprechen, sowie Bestre­bun­gen, rechtliche Schritte gegen die Ver­ant­wortlichen einzuleit­en. Bis­lang sei es jedoch in keinem einzi­gen Fall gelun­gen, eine Verurteilung von Amtsper­so­n­en oder ehe­ma­li­gen Amtsper­so­n­en wegen Folter, unmen­schlich­er oder erniedri­gen­der Behand­lung oder Bestra­fung zu erre­ichen» (BT-DS 18/8039, S. 15).
Sehr geehrte Mit­glieder des Bun­desrates für das Land Bran­den­burg, schon aus dem Geset­zen­twurf selb­st geht also her­vor, dass sich die Ein­stu­fung von Alge­rien, Marokko und Tune­sien als «sichere Herkun­ftsstaat­en» nicht recht­fer­ti­gen lässt. Das Bun­desver­fas­sungs­gericht hat für eine solche Ein­stu­fung gemäß § 29 a AsylG hohe Hür­den errichtet: «Für die Bes­tim­mung eines Staates zum sicheren Herkun­ftsstaat muss Sicher­heit vor poli­tis­ch­er Ver­fol­gung lan­desweit und für alle Per­so­n­en- und Bevölkerungs­grup­pen beste­hen» (BVer­fGE 94, 115). Das Konzept der «sicheren Herkun­ftsstaat­en» darf nach der Recht­sprechung des BVer­fG nicht ange­wandt wer­den, «wenn ein Staat bei genereller Betra­ch­tung über­haupt zu poli­tis­ch­er Ver­fol­gung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Per­so­n­en- oder Bevölkerungs­grup­pen begren­zt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleis­tet, dass sie nicht auch Opfer asyl­rechtlich erhe­blich­er Maß­nah­men wird» (Bver­fGE 94, 115, Rn. 71). Wer­den die Kri­te­rien des BVer­fG auf die Men­schen­rechtssi­t­u­a­tion in Alge­rien, Marokko und Tune­sien ange­wandt, so führt ins­beson­dere die Ver­fol­gung Homo­sex­ueller in allen drei Staat­en dazu, dass die Staat­en nicht in die Liste der «sicheren Herkun­ftsstaat­en» gem. § 29a AsylG aufgenom­men wer­den dürfen.
Wir appel­lieren daher – auch im Namen der vie­len Haupt- und Ehre­namtlichen, der Flüchtlingsini­tia­tiv­en und Beratungsstellen – an Sie, den Flüchtlingss­chutz nicht weit­er auszuhöhlen und der Ein­stu­fung von Alge­rien, Marokko und Tune­sien als «sichere Herkun­ftsstaat­en» aus ver­fas­sungsrechtlichen Grün­den Ihre Zus­tim­mung zu verweigern.
Mit fre­undlichen Grüßen
Flüchtlingsrat Brandenburg

Inforiot