Die Rathenower Polizei hat am frühen Dienstagabend ein bürgerbündniskritisches Großplakat vom Kulturzentrum am Märkischen Platz entfernt und beschlagnahmt. Auf dem hochformatigen Transparent war dem Wortführer des „Bürgerbündnisses Havelland“ als „Kayser von Rathenow“ ironisch „gehuldigt“ worden. Der wirkliche Kaiser, der während seiner Redebeiträge auf den Bündler-Versammlungen gerne Menschen persönlich angreift, diffamiert und beleidigt, zeigte jedoch wenig Humor und machte stattdessen den Erdogan. Ähnlich, wie der berüchtigte türkische Staatschef im Fall Böhmermann, erkannte der Rathenower Bürgerbündnis-Führer in dem Plakat offenbar eine Art Majestätsbeleidigung und erstattete noch vor Ort Anzeige bei der Polizei, die dann anschließend auch einschritt.
Die heutige Versammlung der „Bündler“ verlief hingegen weitgehend belanglos. Zur Kundgebung auf dem Märkischen Platz fanden sich ungefähr 100 Personen aus dem brandenburgischen Havelland sowie den sachsen-anhaltinischen Landkreisen Stendal und Jerichower Land ein. Die Redebeiträge waren, wie üblich, recht vulgär und behandelten, neben den immer wiederkehrenden Diffamierungen und Beleidigungen von Einzelpersonen, die TTIP Verhandlungen zwischen den USA und der EU sowie typische Reichsbürger-Themen.
Am anschließenden „Abendspaziergang“ durch die Stadt beteiligten sich dann noch ungefähr 60 Versammlungsteilnehmer_innen.
Weitere Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses“ wird es in Rathenow, gemäß einer als Postwurfsendung zugestellten „Visitenkarte“, am 10. und 24. Mai sowie am 7. und 21. Juni geben.
Fotos:
Kategorie: (Anti-)Rassismus
Unter dem Motto: “Solidarisch, demokratisch, vielfältig leben – den Sozialstaat gegen AfD-Wildwuchs verteidigen!” haben am Montagabend ungefähr 250 Menschen in Neuruppin gegen eine Kundgebung der „Alternative für Deutschland“ protestiert. Die rechtspopulistische Partei hatte zuvor, nach Veranstaltungen im Februar und im März, eine dritte Versammlung auf dem Schulplatz angekündigt gehabt. Diesem Aufruf folgten ungefähr 100 Personen aus den brandenburgischen Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Havelland – nur unwesentlich mehr als bei den beiden vergangenen Kundgebungen.
Höcke bei AfD Kundgebung
Hauptredner der AfD-Versammlung war der umstrittene Fraktionsvorsitzende der „Alternative für Deutschland“ im thüringischen Landtag, Björn Höcke. Er gilt als Vertreter extrem Rechter Positionen innerhalb seiner Partei. Während seines Redebeitrages verzichtete Höcke jedoch weitgehend auf all zu offen rechte Statements. Er stellte die AfD vielmehr als eine Partei eines vermeintlichen neuen Typus vor. Aus seiner Sicht sei sie weder „Rechts“ oder „Links“ zu verordnen, noch „Oben“ oder „Unten“. Die AfD soll aber künftig auf jeden Fall – und das unmissverständlich – eine deutsche Partei sein. Dieser vermeintlich „neue“ deutsche Parteientypus, der dann doch eher an bereits bekannte extrem rechte Organisationen erinnert, will sich, so Höcke, vor allem mit sozialen Themen positionieren. Sozial handeln bedeutet für ihn aber nicht etwa ein stärkeres Engagement für mehr soziale Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft, sondern – und hier nähert er sich ebenso extrem rechten Vereinigungen an – in erster Linie eine Sicherung des Wohlstandes vor allem gegen Flüchtlinge durch nationale Abschottung.
Bunt und solidarisch
Die Anhänger_innen derartiger Thesen, zu denen heute wieder der Neuruppiner NPD Ortsverband sowie erstmals auch Vertreter zweier rechter „Bürgerbündnisse“ aus dem Havelland gesellten, blieben jedoch einmal mehr weitgehend unter sich. Die deutliche Mehrheit in der Stadt scheint hinter dem weltoffenen Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ zu stehen, das sich auch heute wieder mit einem vielseitigen Programm mit Musikern und Rednern präsentierte. Weiterhin waren an der Häusern rund um den Schulplatz mehrere bunte Transparente angebracht worden. Höhepunkt war jedoch das gemeinsame Tanzen der Neuruppiner Bürger_innen mit den in der Stadt untergebrachten Flüchtlingen, das gleichzeitig zu einem Statement dafür wurde, dass „sozial“ eben auch ohne „national“ geht.
Gauland für nächste AfD-Kundgebung angekündigt
Trotz der momentan eher geringen Chancen auf politischen Erfolg in der Fontanestadt will die AfD aber auf weitere Versammlungen in Neuruppin nicht verzichten. Für den Montag, den 23. Mai 2016, hatte sie noch am Montagabend die nächste Veranstaltung angekündigt. Dann soll der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland anreisen.
Fotos: hier
Innenminister Schröter hat für zwei Familien aus Forst und Potsdam trotz hunderter Unterschriften, Briefe und Stellungnahmen die Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt. Beide Familien – Roma aus Serbien – sind bestens integriert und in der hiesigen Gesellschaft verankert.
MitschülerInnen, LehrerInnen, NachbarInnen, Kirchenmitglieder und BürgerInnen aus Forst und Potsdam haben sich geäußert und eingemischt. Alle appellieren, den Familien ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren. Es sind die Stimmen aus der Zivilgesellschaft – oft von der Landesregierung für ihre engagierte Arbeit mit Geflüchteten gelobt – die hier übergangen und offenbar nicht gehört werden, wenn es um das Aufenthaltsrecht geht.
Stattdessen liegt der Entscheidung des Innenministers ganz offensichtlich zugrunde, dass beide Familien eine in seinen Augen zu kurze Aufenthaltszeit hätten und aus Serbien kommen und damit aus einem so genannten sicheren Herkunftsland. Damit führt der Innenminister die Arbeit der Härtefallkommission ad absurdum. Migrations- und ordnungspolitische Erwägungen, die aktuellen bundesgesetzlichen Asylrechtsverschärfungen zugrunde liegen, dürften die Arbeit der Härtefallkommission nicht berühren. Die bundesrechtlichen Verschärfungen im Hinblick auf die sicheren Herkunftsländer zielen pauschal auf schnellere Abschiebungen ganzer Gruppen, während es Aufgabe der Härtefallkommission ist, den Einzelfall unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsdauer zu betrachten und zu erörtern.
Mit seinen Entscheidungen, im Fall von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten gegen die Kommission zu stimmen, konterkariert der Innenminister die Arbeit der Härtefallkommission und stellt sie somit grundsätzlich in Frage. Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten können in der Regel gar keine lange Aufenthaltszeit in Deutschland haben. Umso beachtlicher ist es, wenn sie in dieser vergleichbar kurzen Zeit eine starke Verankerung in der örtlichen Gesellschaft erreichen. Insofern kann auch bei ihnen in einer kurzen Zeit ein besonderer Härtefall vorliegen, der für eine Aufenthaltsgewährung relevant wäre.
Es geht bei den Überlegungen der Härtefallkommission weder um den Herkunftsstaat noch um Aufenthaltszeiten, sondern um das persönliche Schicksal der Menschen. Wird dies bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten nicht beachtet, wird ihnen grundsätzlich die Einzelfallprüfung im Härtefallverfahren verwehrt. Das widerspricht dem auf dem humanitären Einzelfall basierenden Ansatz der Härtefallkommission.
Trotz relativ kurzer Aufenthaltsdauer von zwei bzw. drei Jahren haben es die Familien Novakovi? und Brki? in außergewöhnlicher Weise geschafft, aktive Mitglieder der örtlichen Gesellschaft zu werden. Sie sind berufstätig, ehrenamtlich aktiv, dolmetschen und unterstützen andere Geflüchtete. Sie sind Mitglieder im Sportverein und interkulturellen Initiativen, die Kinder der Familie Novakovi? sind in der Schule längst integriert und gehen erstmals gern und mit einem Gefühl der Sicherheit zur Schule. Beide Familien haben zahlreiche UnterstützerInnen, FreundInnen und NachbarInnen gewonnen, die sie unterstützen und nun gegen die Entscheidung des Ministers protestieren.
Vor diesem Hintergrund ist es absurd, dass kurz nach Ende der “Dekade der Romainklusion”, in der sich die Europäische Union mit verschiedenen Programmen um die Inklusion von Roma bemüht hat, Kinder, die sich hier bestens in Schulleben und Kita integriert haben, in die Perspektivlosigkeit abgeschoben werden sollen – mit der Folge, eine Schule nicht mehr besuchen zu können.
Mit seiner Gutsherrenart wischt der Innenminister die Integrationsbemühungen zahlreicher Menschen einfach zur Seite und stellt sich für die vielen höflichen, aber auch fassungslosen Briefe von Ehrenamtlichen, LehrerInnen, ArbeitgeberInnen, FreundInnen und NachbarInnen taub. Einerseits positioniert er sich gegen rechte Übergriffe, andererseits torpediert er die Arbeit eben jener Menschen, die sich im Land Brandenburg gegen Rechts und für die Aufnahme von Flüchtlingen engagieren und häufig das Bollwerk gegen rechte Hetze vor Ort bilden. So kann keine Integration geflüchteter Menschen gelingen, so wird ein grundfalsches Signal in die Gesellschaft gesendet.
Wir fordern die Landesregierung und den Innenminister auf, den Familien Novakovi? und Brki? ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren und sie nicht aus dem Kreis ihrer neuen FreundInnen und NachbarInnen zu reißen.
Die Kinder dürfen nicht aus der Schule bzw. Kita und ihrem gewohnten Umfeld genommen und dahin abgeschoben werden, wo sie wieder Diskriminierung und Anfeindungen ausgesetzt wären.
Wir fordern eine vorbehaltlose Prüfung des humanitären Einzelfalls in der Härtefallkommission, unabhängig von Herkunftsstaat und ordnungspolitischen Überlegungen.
Seit dem Herbst 2015 macht sich die Kleinstadt Rathenow im Havelland einen Namen als „Klein-Dresden“. Das liegt nicht etwa an den vielen malerischen Brücken. Nein, seit Oktober 2015 demonstriert hier im Pegida-Stil eine Mischung aus „besorgten Bürgern“ und Neonazis regelmäßig. Wöchentlich bis zu 600 von ihnen – angesichts der rund 24.000 Einwohner Rathenows eine beachtliche Zahl. Die Organisatoren des „Bürgerbündnis Havelland“ weisen eine Nähe zu Rechtsextremisten von sich – eine absurde Behauptung, nicht zuletzt aufgrund ihrer Kontakte zu den mutmaßlichen Terroristen um den NPD-Mann Maik Schneider aus Nauen.
Von Oliver Saal
Das “Bürgerbündnis Deutschland” mobilisiert bürgerliche Flüchtlingsfeinde und Neonazis gleichermaßen. Wie sind seine Organisatoren einzuschätzen?
Wer organisiert das „Bürgerbündnis Havelland“?
Seit Mitte Oktober 2015 kursierte auf Facebook ein Flyer, der mit „Bürgerbündnis Havelland gegen Asylmissbrauch“ unterschrieben war. Analog zu „Pegida“ wurde darin zu einer Kundgebung auf dem zentral gelegenen Märkischen Platz in Rathenow aufgerufen, die sich gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ wenden und die „konsequente Abschiebung“ abgelehnter Asylbewerber fordern wollte. Die Organisatoren hatten mit ihrem Aufruf scheinbar einen Nerv getroffen: Es kamen tatsächlich 500 Menschen zusammen. In Rathenow gab es somit auf einen Schlag die zahlenmäßig größte flüchtlingsfeindliche Kundgebung im Land Brandenburg. Kein Wunder, dass sich die Organisatoren von dieser Resonanz bestärkt fühlten und fortan im Zwei-Wochen-Rhythmus Kundgebungen anmeldeten.
Nico Tews und Christian Kaiser vom “Bürgerbündnis Havelland”. Foto: Presseservice Rathenow
Gegenüber der Öffentlichkeit distanzierten sich die beiden Organisatoren, Nico Tews und Christian Kaiser, von jeglicher rechtsextremer Mitwirkung an ihren Demos. Sie behaupteten gegenüber der Märkischen Allgemeinen Zeitung allen Ernstes, „die Aussage, wir würden von der NPD Unterstützung bekommen, ist falsch. Wir erhalten von dieser Partei keine finanzielle Unterstützung, Mitglieder der NPD sind bei uns keine Ordner und sie gehören nicht zu den Mitwirkenden.“ Und überhaupt: „Wir halten uns fern von Rechtsextremisten.“
So deutlich diese Distanzierung klingt, so falsch ist sie auch und so zweifelsfrei lässt sie sich widerlegen. Ganz abgesehen davon, dass inhaltlich zwischen die NPD und die Veranstaltungen des Bündnisses kein Blatt Papier passt: Christian Kaiser, einer der beiden Organisatoren, hat bei Facebook Seiten der rechtsextremen NPD und NPD-naher „Nein zum Heim“-Seiten gelikt und pflegt in dem sozialen Netzwerk Freundschaften mit Neonazis, die SS-Runen und Hakenkreuze auf ihren Profilbildern zeigen. Das belegen Screenshots von seinem Profil, die das “AntiRa Redaktionskomittee” (Link zur Broschüre im pdf.-Format) zusammengetragen hat. Zahlreiche Bilder von Fotojournalisten belegen außerdem die Teilnahme von regional bekannten Neonazis an den Kundgebungen – nicht zuletzt auch als Ordner. Der von Tews und Kaiser initiierte Zusammenschluss „Bürgerbündnis Deutschland“ stellt ein Bündnis zwischen flüchtlingsfeindlichen Gruppen, offen Rechtsextremen und NPD-Vorfeldorganisationen dar. Und: Der mutmaßliche Brandstifter und NPD-Politiker Maik Schneider aus Nauen unterstützte die Veranstaltungen nachweislich und mit dem Wissen der Organisatoren. Gegen ihn und vier Mitstreiter wird zurzeit wegen des Verdachtes auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt – er sitzt in Haft.
Das „Bürgerbündnis Deutschland“ als Netzwerk rechtsextremer Flüchtlingsfeinde
Schon vor dem ersten Aufmarsch des „Bürgerbündnis Havelland“ waren die beiden Organisatoren Tews und Kaiser bestrebt, sich mit weiteren flüchtlingsfeindlichen Organisationen zu vernetzen. An einem Aufmarsch der vergleichbaren „Bürgerbewegung Altmark“ am 26. Oktober 2016 in Stendal nahmen die beiden als Ordner teil und riefen über die Lautsprecheranlage zur Teilnahme an ihrer Rathenower Versammlung auf. An dem Aufmarsch beteiligten sich außerdem der Vorsitzende des NPD Kreisverbandes Altmark, Sebastian Klein, Stendaler Sympathisant_innen von „Die Rechte“, „Autonome Nationalisten“ aus Stendal und Anhänger_innen der „Identitären Bewegung“.
Bei den Rathenower Kundgebungen im Herbst und Winter 2015/2016 wurden immer wieder einschlägig bekannte Neonazis als Ordner eingesetzt. Bei der Kundgebung am 10. November 2015, nur eine Woche nach dem eingangs erwähnten Interview mit der MAZ, wurde wieder auf bekannte und zum Teil wegen Gewalt- und Propagandadelikten vorbestrafte Neonazis zurückgegriffen. Auch der Rathenower Neonazi Thomas L. kam als Ordner zum Einsatz. Von ihm existieren Aufnahmen in Parteikluft der NPD und er nahm in den vergangenen Jahren an zahlreichen Naziaufmärschen der Region teil. Von seinen politischen Überzeugungen wie auch seinem musikalischen Talent kann sich jeder, der es aushält, überzeugen: L. firmiert als Liedermacher unter dem Pseudonym „TO!tonicus“ in den sozialen Netzwerken. Auf seiner Facebook-Fanseite teilt er auch Artikel, die den Holocaust als jüdische Erfindung darstellen. Sein biederes Liedgut über Volk und Heimat durfte der Teutone ebenfalls auf einer Veranstaltung von Kaiser und Tews zum Besten geben: Am 6. März 2016, auf einer Kundgebung des ebenfalls von Kaiser und Tews initiierten „Bürgerbündnis Deutschland“ in Rathenow.
Screenshot: youtube.com
Am 24. November 2015 warb Organisator und Dauerredner Christian Kaiser auf einer Rathenower Kundgebung für das neurechte Vernetzungsprojekt „Einprozent“. Die neurechten Agitatoren um Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer entblöden sich nicht, für ihr Projekt als „eine Art Greenpeace für Deutsche“ zu werben: Die „Flüchtlingsinvasion“ sei eine Katastrophe für Deutschland. Es würde jedoch genügen, wenn nur ein Prozent der Bevölkerung des Landes politisch für das Projekt aktiv würden, um einen grundlegenden Politikwandel einzuleiten. Auf den Kundgebungen des „Bürgerbündnis“ fand sich häufig ein Transparent mit dem Aufdruck „einprozent.de“ – genau wie auf dem T‑Shirt, das Kaiser auf seinem Facebook-Profilfoto trägt.
Ganz im Sinne der Idee der „Einprozentigen“ initiierte Nico Tews Anfang Dezember die Gründung des „Bürgerbündnis Deutschland“. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss, mittels dem Tews sein „Bürgerbündnis Havelland“ mit anderen flüchtlingsfeindlichen Gruppen aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt vernetzt. Der überwiegende Teil dieser „Bürgerbewegungen“ und „-bündnisse“ lässt sich eindeutig dem rechtsextremen Milieu zuordnen. Der Rathenower Strippenzieher Nico Tews ist laut denic.de-Abfrage Inhaber der Internet-Domain des neuen Bündnisses.
Die weiteren Beteiligten:
- „Bürgerbewegung Altmark“: Ein Organisator_innenkreis aus dem Landkreis Stendal um Martin K., der zuerst bei MAGIDA in Magdeburg aktiv gewesen ist.
- „Abendspaziergang Oranienburg“: Ein Projekt des NPD-Kreisverbandes Oberhavel und seiner Kampagne „Nein zum Heim in Oranienburg“
- „PEGIDA Havelland“: Die Gruppe führt eigene Versammlungen in Schönwalde-Glien durch, die sich ebenfalls gegen eine in Planung befindliche Flüchtlingsunterkunft richten.
- „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken 2.0): Die führenden Köpfe dieser Gruppe gehören zu der Neonazigruppe „Freie Kräfte Neuruppin“
- „Genthin wach auf (Bürgerbewegung Genthin): Die Gruppe ist eng an die Neonazi-Kleinpartei „Der III.Weg“ gekoppelt
- „Werder wach auf“: Bisher nur im Internet aktiv, keine Erkenntnisse über ihre Initiatoren
- „Burg gegen Asylmissbrauch“: Hier ziehen Aktive der Neonazi-Kleinpartei „Die Rechte“ die Fäden
Eine Dokumentation der von den jeweiligen Einzelgruppen durchgeführten Aktionen und ihrer Verbindungen ins offen rechtsextreme Lager findet sich bei dem antifaschistischen Newsportal für Brandenburg Inforiot.
Eine Demonstration am 17. Januar 2016 im sachsen-anhaltinischen Genthin unterstreicht den rechtsextremen Charakter des „Bürgerbündnisses“: Aufgerufen hatte dazu die „Bürgerbewegung Genthin“, die im Internet unter dem Label „Genthin wach auf“ firmiert. Die Gruppe ist Teil des „Bürgerbündnis Deutschland“ und eng mit der offen neonazistischen Partei „Der III. Weg“ verwoben. Die Veranstaltungen wurden von Schildern, Fahnen, Transparenten und Jacken dominiert, die alle mit dem Logo von „Der III. Weg“ versehen waren. Natürlich beteiligte sich auch Nico Tews an dem Naziaufmarsch – wurde er doch von einer Gruppe aus seinem Bündnis organisiert.
Tews vom Bürgerbündnis Deutschland, der Barde Thomas L. alias „TO!tonicus“ mit Matthias F. von „Der III.Weg“, v.r.n.l. Foto: Presseservice Rathenow
Verbindungen zwischen den Nauenern und dem Bürgerbündnis Deutschland
An der Mobilisierung zu den Kundgebungen des „Bürgerbündnis“ beteiligten sich auch die Neonazis des lokalen NPD-Ablegers aus Nauen. So hatte der NPD-Politiker Maik Schneider im Vorfeld der Kundgebung vom 4. November 2015 auf Facebook verkündet, „wieder die Rathenower unterstützen“ zu wollen. Er gilt als Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene im Havelland: Für die NPD sitzt er in der Nauener Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag, er gilt als einer der führenden Köpfe der „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“. In der Vergangenheit war der gelernte Erzieher nicht bloß für die Freie Kameradschaftsszene und Parteinazis aktiv, sondern auch im Umfeld des „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS) und des mittlerweile verbotenen Vereins „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ).
Schneider sitzt derzeit in Untersuchungshaft, weil er als Rädelsführer einer Gruppe gilt, die in der zweiten Jahreshälfte 2015 mehrere Anschläge verübt hat, darunter ein Brandanschlag auf das Auto eines polnischen Bürgers, ein weiterer auf eine Turnhalle, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte sowie mehrere Angriffe auf DIE LINKE-Parteibüros. Gegen ihn, vier mutmaßliche Mittäter und Gleichgesinnte wird derzeit wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt.
Schneider tat auf seiner — bis heute öffentlich einsehbaren – privaten Facebook-Präsenz am 2. November 2015 hinsichtlich der Demos in Rathenow die Hoffnung kund, „dass es dieses Mal mehr Bürger werden die gegen dieses asoziale System demonstrieren“. Um seinen Teil zu einem Erfolg beizutragen, habe er mit Unterstützern „hundert von Briefkästen in Nauen mit Infomaterial“ bestückt (Fehler im Original“). In diesem Zusammenhang interessant: Nico Tews vom „Bürgerbündnis“ hatte in einem Interview mit der MAZ die Verteilung der Flyer an Unterstützer zur Chefsache erklärt und gesagt, er habe „die Kontaktdaten aller Personen, die Flyer bekamen“. Den Fotobeweis für Verteilaktion und Demoteilnahme liefert Schneider aber auch selbst (siehe unten): Die mit dem Beitrag auf Facebook geposteten Bilder zeigen erstens Briefkästen, die mit den Flyern des Bürgerbündnis bestückt wurden sowie zweitens Schneider mit seinen „Kameraden“ in Rathenow bei der Kundgebung des „Bürgerbündnis“ in der Vorwoche – sie halten ein gelbes Transparent mit der Aufschrift „Wir sagen Nein zum Asylantenheim. Wir sind das Volk“. Schneiders Teilnahme lässt sich auch durch weitere Bilder des Presseservice Rathenow belegen. Delegationen der NPD Nauen, darunter Schneider, nahmen regelmäßig mit Fahnen und Transparenten an den Kundgebungen Teil.
Dieser und die folgenden Screenshots: facebook.com
Auch am 26. November postete Schneider ein Foto von sich und anderen Kundgebungsteilnehmern in Rathenow und kommentierte: „Ein Teil der Nauener Bande war am Dienstag wieder in Rathenow…“.
Quo vadis, „Bürgerbündnis“?
Auch im neuen Jahr fanden regelmäßig Aufmärsche des Bündnisses in Rathenow statt. Das Interesse an den Veranstaltungen von Tews und Kaiser nahm jedoch spürbar ab: Bei den letzten beiden Kundgebungen mit anschließender Demonstration am 4. und 12. April nahmen nur noch 50 bzw. 90 Personen teil. Auch eine von den Veranstaltern für den 5. März 2016 großspurig als neues „Hambacher Fest“ mit „800 plus X“ Teilnehmern angekündigte Demonstrationen floppte – es kamen 400–500 Teilnehmern. Währenddessen machte sich das Bürgerbündnis Deutschland mit der auf Facebook geteilten Einschätzung, der IS sei in Rathenow angekommen und würde Teilnehmer seiner Aufmärsche bedrohen, zum Gespött des Internets. Dem Selbstbewusstsein der Bürgerbündnis-Führer scheint das keinen Abbruch zu tun: Christian Kaiser verkündete, er werde bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl in Rathenow kandidieren.
Ein zweiter Teil zu diesem Text wird sich mit den lokalen Aktivist_innen beschäftigen, die sich den Neonazis und Flüchtingsfeind_innen mit demokratischer Kultur vor Ort in den Weg stellen.
Der Potsdamer Patrick Danz zählt zu den wichtigen Akteur_innen der lokalen Neonazi- und RechtsRock-Szene.
Sowohl in seiner Rolle als Sänger der Neonaziband Preussenstolz [1] als auch in Bezug auf seine sonstigen Aktivitäten in der Szene, hat er eine gut gefüllte Neonazi-Vita vorzuweisen.
Aktuell arbeitet er in einem „Netto“-Supermarkt am Stern, nahe einer Geflüchtetenunterkunft.
Feiern, Kontakte knüpfen, sich organisieren
In der Großraumdisko „Musicpark“ in Teltow war Patrick Danz ab 2007 immer wieder als Gast anzutreffen. An diesem Ort war es für Neonazis bis Mitte 2011 möglich, ungestört und im vertrauten Kreis zu feiern und sich zu vernetzen. Zahlreiche Neonazis aus Potsdam und der gesamten Region waren dort regelmäßig anzutreffen und präsentierten sich und ihre Gesinnung offen und selbstbewusst. (Neo)Nationalsozialistische Symbole und Schriftzüge auf T‑Shirts oder als Tattoos wurden im „Musicpark“ von allen Besucher_innen und den Betreiber_innen des Clubs akzeptiert.
Bei Patrick Danz zeugen seine zahlreichen Tattoos, wie das Portrait eines Wehrmachtsoldaten, die Abbildung eines Bombers der deutschen Wehrmacht und die Abbildung eines SS-Dolch mit dem Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ [2], von (s)einer den Nationalsozialismus verharmlosenden und verherrlichenden Einstellung. Regelmäßig trägt er Kleidung neonazistischer Labels oder mit entsprechenden Aufdrucken.

Patrick Danz, Christian Helmstedt, Max Seidel und Mario Schober (v.l.n.r.) auf dem Weg nach Jena zum „Fest der Völker“ 2008
In den Jahren 2008 bis 2010 war Danz häufig auf Neonaziaufmärschen und anderen Szene-Events anzutreffen. Am 13. September 2008 nahm er beispielsweise am RechtsRock-Festival „Fest der Völker“ in Jena teil. Er reiste mit weiteren Potsdamer Neonazis, z.B. Mario Schober, Tim Borowski, Max Seidel und Christian Helmstedt, an.
Die Stimme von „Preussenstolz“
Seit Ende 2009 ist Patrick Danz als Sänger für die Neonaziband Preussenstolz aktiv.
Eines seiner ersten Konzerte spielte Danz am 02. Oktober 2010 zum sogenannten Preußentag der NPD-Brandenburg in Finowfurt. Bis 2013 wurde außerdem mindestens eines ihrer Konzert in Thüringen von der Polizei gestürmt und aufgelöst. [3]
Die Band macht nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2007, „R.A.C. aus Potsdam“ [4]. Mit diesem Label versehen sie auch ihre Merchandise-Artikel. Ein Pullover aus dieser Kollektion ist ein beliebtes Kleidungsstück des „Preussenstolz“-Mitglieds und Schlagzeuger Daniel Hintze, Gründungsmitglied des NPD-Stadtverbandes Potsdam und seit 2008 ebenfalls Drummer bei der RechtsRock-Band „Aryan Brotherhood“.
Den Pullover stellte Hintze beispielsweise am 31. März 2012 auf einem Neonaziaufmarsch in Dortmund zur schau. Neben ihm und Danz war hier auch der Gitarrist der Band Marvin Hoffmann zu sehen. Die drei waren neben der Dortmunder Band Oidoxie für den Tag angekündigt und spielten am Ende der Demonstration von einem Laster aus ein Konzert. Sie „sorgte[n] für gute Unterhaltung“ wie daraufhin im, mittlerweile abgeschalteten, Neonazi-Forum Thiazi zu lesen war. [5] Ebenfalls 2012 veröffentlicht Preussenstolz die Single „Eines Tages Werdet Ihr Angeklagt“. Diese erschien bei Rebel Records in einer Auflage von 400 Stück auf Vinyl.
Runter von der Bühne und zurück auf die Straße
Seit 2013 haben die öffentlichen Auftritte von Preussenstolz abgenommen. Die Band ist seitdem nur noch mit einzelnen Liedern für neonazistische Musik-Sampler öffentlich in Erscheinung getreten. Sie steuerten beispielsweise exklusiv ein Lied für den Sampler „Club88 / 18 Jahre Kult“ bei. Auch andere Potsdamer Bands wie Aryan Brotherhood, Burn Down und Handstreich sind auf der CD vertreten.
Im Juli 2015 erschien bei Wewelsburg Records der Sampler „In Gedenken an Hammer Max“. Mit internationaler Beteiligung verschiedener den Hammerskins nahestehender Bands, darunter Preussenstolz, Definite Hate, Blutbanner, Deaths Head, Zurzir u.a., soll dieser an den bei einem Motorrad-Unfall verstorbenen bayerischen „Hammerskin“ Maximilian Reichel erinnern. [6]

Neonazistischer Aufmarsch am 17. Januar 2016 in Genthin – am Transparent rechts Patrick Danz
Dafür ist Danz wieder vermehrt auf Neonazi-Aufmärschen und rassistischen Demonstrationen anzutreffen. In den letzten Monaten nahm er unter anderem an einer rassistischen Demonstrationen in Rathenow, am 8. Dezember 2015, und an einem neonazistischen Aufmarsch im anhaltinischen Genthin, am 17. Januar 2016, teil. Mit dabei waren auch seine „Kameraden“ und Freunde der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ Tim Borowski, Martin Klahr und Phillip Hinzmann. Danz trug während der Demonstration das Banner von „Der III. Weg“. Diese zeichnete sich Anfang April verantwortlich für eine Postkartenaktionen, in der überregional missliebigen Politiker_innen und sozialen Initiativen „Gutscheine für eine Ausreise aus Deutschland“ zugestellt wurden. [7]

Gedenkaktion für Horst Wessel am 23. Februar 2016 in Rathenow auf der Demonstration des „Bürgerbündnis“ – Patrick Danz mit Holzkreuz ist mit dabei
Danz ist häufig Teilnehmer der rassistischen Aufmärsche in Rathenow. In diesem Rahmen führte er mit anderen Neonazis am 23. Februar 2016 eine Gedenkaktion für SA-Sturmführer Horst Wessel durch, der von Neonazis als Märtyrer verehrt wird.
Aktuell arbeitet Danz in der Filiale des „Netto Marken-Discount“ Supermarktes in der Flotowstraße 4 am Stern. Dafür qualifizierte er sich 2008, als er seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann am OSZ 2 in Potsdam abschloss. Im Rahmen der Ausbildung arbeitete er in der Netto-Filiale in der Erich-Weinert-Straße 1a in Waldstadt. Bereits dort störte es augenscheinlich niemanden, dass ein Neonazi, der sich auch nach außen hin durch eindeutige Tattoos als solcher zu erkennen gibt, an der Kasse arbeitet. In seiner neuen Anstellung am Stern ist er nun sogar in höherer Position tätig.
Im Umfeld seiner Arbeitsstelle tauchte in der Vergangenheit wiederholt Neonazipropaganda auf. Da sich die Filiale direkt neben der Unterkunft für Geflüchtete in der Grotrianstraße befindet und viele Geflüchtete dort einkaufen gehen, betrifft sie die von ihm verbreitete rassistische Propaganda direkt.
Wir fordern die Betreiber_innen des Supermarktes auf, jegliches Arbeitsverhältnis mit Patrick Danz zu beenden und sich insbesondere am Standort Flotowstraße 4 einer antirassistischen Willkommenskultur gegenüber Geflüchteten anzuschließen. Mit Danz, als führendem Mitarbeiter, ist das nicht möglich.
[1] http://arpu.blogsport.eu/2011/02/26/neonazistisch-musikalisches-treiben-in-potsdam/
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Meine_Ehre_hei%C3%9Ft_Treue
[3] https://www.fsn-tv.de/zeige_vod.php?nr=5
[4] „Rock Against Communism“: In den späten 1970er Jahren wurde in England eine rechte Gruppierung mit dem Namen „Rock Against Communism“ gegründet. Diese wurde 1982 von Ian Stuart Donaldson, dem Sänger und Gründer der Neonaziband „Skrewdriver“, und Joseph Pearce reanimiert. „Rock Against Communism“, unter dessen Banner Skrewdriver in den folgenden Jahren mehrere Konzerte gab“, entwickelte sich zu einem festen Begriff in der neonazistischen Szene. Damals eher als Name für eine Kampagne, steht er heute oft auch für einen Musikstil, der sich in der Tradition des RechtsRock der 1980er Jahre sieht. RAC als eine der Ursprungsformen des RechtsRock findet auch heute noch großen Anklang in der Neonaziszene, da er trotz „Modernisierung“ der Neonaziszene hinsichtlich der Differenzierung rechtsextremer Jugendkultur(en) und der dazugehörenden Lebenswelt für Beständigkeit und Tradition zu stehen scheint und somit immer wieder die „guten alten Zeiten“ herbei konstruieren kann. Auch „Preussenstolz“, bezeichnet die von ihr gemachte Musik, in einem Interview mit dem neonazistischen Radioprojekt „OPF Radio“, als „klassische[n] R.A.C.“
[5] http://forum.thiazi.net/showthread.php?s=6f7f6c4921117168b7e6a29321399728&t=203836&page=2
[6] https://www.aida-archiv.de/index.php/chronik/3802–27-juli-2013-ech
[7] http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtsextreme-partei-der-iii-weg-neonazis-fordern-politiker-und-journalisten-auf-deutschland-zu-verlassen/13405158.html und http://www.maz-online.de/Brandenburg/Rechtsextreme-schicken-Post-an-Volksfeinde
Ungefähr 20 Funktionäre und Sympathisant_innen der neonazistischen Partei des III. Weges veranstalteten am Samstagnachmittag Kundgebungen in Beelitz und Brück (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Neben der üblichen NS-ähnlichen Pathetik und ausländerfeindlichen Hetzreden, wurde dabei auch für einen bundesweiten Neonaziaufmarsch dieser Organisation am 1. Mai 2016 in Plauen (Vogtlandkreis, Sachsen) geworben.
Gegen die die beiden Neonazi-Versammlungen positionierte sich vor allem in Brück die regionale Zivilgesellschaft. An einer Gegenveranstaltung, bei der lautstark gegen die neonazistische Kundgebung protestiert wurde, beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. In Beelitz wurde hingegen nicht zu Protesten aufgerufen. Dennoch protestierten mehrere Bürger_innen spontan am Rande gegen die Veranstaltung des III. Weges. Zudem gibt es in der Spargelstadt eine Initiative „Beelitz hilft“, die sich ehrenamtlich bei der Betreuung der 90 im Ort lebenden Flüchtlinge engagiert.
Fotos aus Beelitz
Fotos aus Brück
Auch das Interesse an Versammlungen der PEGIDA Havelland in Schönwalde-Glien lässt immer weiter nach. Kamen bei der ersten Veranstaltung im Januar 2016 noch ungefähr 200 und bei der zweiten im Februar noch immerhin 150, waren es bei der dritten am Freitagabend lediglich 90 Teilnehmer_innen. Und neben den Leuten gehen den Veranstalter_innen anscheind auch die Themen aus. Eine Islamisierung Schönwaldes ist immer noch nicht erkennbar und die Flüchtlingszahlen sind auch rückläufig. Lediglich an Einzelpersonen aus Politik und Presse scheint es für die Redner_innen noch lohnenswert zu sein sich persönlich abzuarbeiten.
Bemerkenswert ist auch, dass das neonazistische Milieu langsam das Interesse an derartige Versammlungen zu verlieren scheint. Lediglich eine kleine Abordnung einer lokalen Kamerdschaft erschien so während des Aufzuges mit ihren schwarz-weiß-roten Fahnen. Und von der NPD ließ sich auch nur der NPD Landratskandidat Frank Kittler blicken. Darüber hinaus wurde auf einem Plakat zur Wahl der rechtspopulistischen AfD aufgerufen.
An der Gegenveranstaltung nahmen hingegen wieder deutlich mehr Menschen teil. Ungefähr 150 Personen hatten sich hier zusammengefunden. Auch dort gab es Redebeiträge, u.a. von den Landratskandidaten Martin Gorholt (SPD) und Harald Petzold (LINKE). Die Landratskandidatin Petra Budke von den Grünen war ebenfalls bei der Gegenversammlung anwesend. Neben den dortigen Protesten versuchten Einzelne auch am Rande der PEGIDA-Veranstaltung ihr Missfallen über deren Kundgebung zum Ausdruck zu bringen. Dabei wurde u.a. auch eine Antifa-Fahne gezeigt.
Fotos: hier
Schon am frühen Nachmittag gab es in Potsdam ein überdimensioniertes Polizeiaufgebot, um am Abend die inzwischen schon bekannten Pogida-Dauerschleife, vom Hauptbahnhof, über die Lange Brücke bis zum Filmmuseum, durchzusetzen. Von den geplanten vier geplanten Gegenveranstaltungen wurden aufgrund von Polizeiauflagen und Schikanen nur drei als sinnvoll erachtet und durchgeführt. Insgesamt nahmen an den Protestaktionen etwa 600 Menschen teil, die die 45 Pogida-Anhänger_innen lächerlich wirken ließen.
Auf der Neonaziseite lief im Prinzip alles wie immer, nur mit angeblich neuem Chef. Der nennt sich Holger Schmidt und ist hauptsächlich dadurch aufgefallen, dass er wenig aufgefallen ist. Wie immer stand Christian Müller im Mittelpunkt der Veranstaltung und verteilte die Aufgaben und machte die Ansagen. Christian Müller bekundete dann auch, dem neuen Veranstalter gerne unter die Arme gegriffen zu haben und das auch in Zukunft tun zu wollen. Laut eigener Aussage wird er der Pressesprecher von Pogida bleiben. Der bisherige Pressesprecher Herbert Heider wurde kurzfristig abgesetzt und nicht nur das, er wurde vom neuen Veranstalter des Aufmarsches verwiesen. Herbert Heider hatte in der Vergangenheit versucht, Pogida aus der ganz rechten Schmuddelecke zu holen. Angesichts der dauerhaft und offen zu Tage getragenen Neonazipropaganda eine sisyphusartige Aufgabe. Und nun erfolgte der Ausschluss durch Pogida. Apropos Pogida, mit diesem durch die Antifa vergebenen Namen, einem „Ehrentitel“, sind die Neonazis nun auch unzufrieden. Mensch fragt sich wo all das Gemeckere enden soll, demnächst fordern sie noch, dass Merkel abdanken solle.
Der heutige Aufmarsch war wie gewohnt eingebettet in Deutschland-Fahnen, sowie einer Fahne der neonazistischen und völkischen „Identitären Bewegung“ getragen vom umtriebigem NeonaziTouri Dietmar Gröper und einer Wirmer-Flagge, das wohl beknackteste Symbol der Pegida-Bewegung. Neben Jens Lorek (der ja schon von Pegida-Dresden als Mathekünstler bekannt ist und heute den Knaller verlautbaren ließ, dass Pogida mehr Leute auf die Straße bekäme als Nopogida) ergriffen auch andere Knallchargen das Wort. Ein wütender Hertha-Hool empörte sich brüllend darüber, dass es „Gesetze braucht was ordentlich funktioniert“(sic). Danach kam ein „Max“ aus Potsdam. Der beleuchtete den Hintergrund von Pogida mehr als ihm lieb gewesen sein dürfte. Er verkündet, er würde niemandem hinterherlaufen und dass ihm, also ihm persönlich ein Asylbewerberbescheid aus Bad Doberan zugespielt sein soll, laut diesem Bescheid bekäme ein „Mohammed“ 1004€ im Monat vom Staat. Darüber empörte er sich dann minutenlang. Dumm nur: Das ist uralte Neonazipropaganda aus Mecklenburg-Vorpommern, MV-Gida ist darüber gestolpert. Außerdem meint der gute Max, fortan nur noch RassistenMax genannt, er könne Asylbwerber an ihrem Aussehen erkennen, Deutsche sind für ihn wahrscheinlich allesamt so käseweiß wie seine Füße. Relativ zügig, da diese keine 500 Meter lange Schleife ja mittlerweile eingespielt ist, ging es dann wieder zurück zum Hauptbahnhof. Hier dankte Müller dem neuen Veranstalter und schwadronierte das übliche selbstverherrlichende Zeug. Am Ende wurde dann wie immer „Das Lied der Deutschen“ angestimmt. Putzigerweise wurden dafür Textzettel verteilt, zum Mitsingen.
Auch heute kam es vereinzelt zu Festnahmen und willkürlicher Polizeigewalt. Mit über 700 Polizeibeamt_innen, Hubschraubereinsatz, Hundestaffeln, Wasserwerfen und einem Räumpanzer demonstrierte die Polizei ihre Macht und ermöglichte den Marsch der Menschenfeinde, Rassist_innen und Neonazis.
Der nächste Pogida-Abendspaziergang soll nun am 11.5.2016 stattfinden. Mal schauen was die Zersetzungserscheinungen bis dahin von dem Häufchen Elend, welches sich nicht mehr Pogida nennen möchte, übrig lassen. Wir werden weiter zeigen, was wir von ihrem völkischen und rassistischen Mist halten und entschlossen auf die Straße gehen — gegen diese Neonazis ohne Namen.
Keinen Fussbreit den Rassist_innen!
Alerta!
Danke Antifa!
Bernau — Die Mitglieder des Bernauer Netzwerks für Weltoffenheit verurteilen das Versenden von Hasspostkarten in Bernau und in anderen Orten. Der auf Spaltung und Gewalt zielende rechtsextreme Hintergrund der Absendenden zeugt von ihrem armseligen rassistischen Weltbild. Er macht deutlich, wie wichtig es ist und bleibt, geflüchtete Menschen willkommen zu heißen und zu unterstützen — durch ein Lächeln, einen freundlichen Gruß, ein Gespräch, durch Hilfestellung und gerade auch durch Widerspruch gegen dumpfe Parolen, gegen Gerüchte und Ablehnung, gegen Hass und Gewalt.
Lassen Sie uns mit bürgerschaftlichem Engagement gemeinsam aktiv werden und entschlossen gegen neonazistisches Gedankengut und Handeln eintreten. Wehren wir den Anfängen – auch in Bernau!
Wir solidarisieren uns mit den persönlich angefeindeten Menschen und möchten alle Bürgerinnen und Bürger motivieren, sich für Mitmenschlichkeit und Demokratie einzusetzen.
Das Bernauer Netzwerk für Weltoffenheit engagiert sich seit über 15 Jahren ehrenamtlich über Partei- und Glaubensgrenzen hinweg für ein lebenswertes Klima ohne Gewalt in Bernau und Umgebung. Das Netzwerk trifft sich wieder am 14. April um 19 Uhr. Wer im Netzwerk oder bei “Willkommen in Bernau” aktiv werden möchte, melde sich bitte per Mail unter netzwerk.toleranz@web.de
Bernau am 7. April 2016
Aufgrund der andauernden Bedrohungssituation für Geflüchtete, unter anderem am Schlaatz, ist es uns ein Anliegen die aktuelle Situation nicht unwidersprochen hinzunehmen. Ein Ausgangspunkt für rassistisch motivierte Aggressionen und Attacken ist die Kfz Selbsthilfewerkstatt an der Alten Zauche, direkt neben der Geflüchtetenunterkunft am Schlaatz. In diesem Zusammenhang haben wir uns vor zwei Wochen an Henry Koch, den verantwortlichen Leiter der Werkstatt, gewandt, um auf strukturelle Veränderungen in und im Umfeld der Werkstatt hinzuwirken. Diesen Brief möchten wir hier dokumentieren:
Umgang der Kfz Selbsthilfewerkstatt mit rassistischen Vorfa?llen
Sehr geehrter Herr Koch,
Sie sind Leiter der Selbsthilfewerkstatt am Schlaatz. Wie Sie vielleicht schon mitbekommen haben, ist Ihre Werkstatt in der Vergangenheit in den Fokus von Antifaschist_innen gelangt. Dieser Fokus wird sich so schnell nicht verschieben.
Ausgangspunkt ist die sich vera?ndernde, zunehmend bedrohlicher werdende Stimmung am Schlaatz. Betroffen davon sind hauptsa?chlich Geflu?chtete oder andere Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe. Ihre Werkstatt wurde dabei zu einem Angstort fu?r eben diese Menschen. Vom Grundstu?ck Ihrer Werkstatt aus kam es zu mindestens einem rassistischen Angriff, bei dem Werkzeuge aus Ihrer Werkstatt Tatwaffen waren. Auch wurde uns schon mehrfach von verbalen Attacken auf Geflu?chtete berichtet.
Ihre Werkstatt ist nicht nur ein Ort, von dem rassistische Angriffe ausgehen, sondern auch ein Ort, an den sich bekennende Neonazis zuru?ckziehen ko?nnen. Sie mu?ssen sich in Ihrer Werkstatt noch nicht einmal die Mu?he machen, ihre Ideologie zu verbergen, denn sowohl von Ihnen als auch von den anderen in der Werkstatt Mitarbeitenden werden die neonazistischen Symbole auf Kleidungsstu?cken toleriert. Dabei legen Neonazis in ihrer Freizeit ihre Ideologie nicht einfach ab. Sie ist weiter vorhanden in ihren Ko?pfen und ihren A?ußerungen. Entweder nutzen Neonazis Ihre Werkstatt als willkommene Nebenbu?hne fu?r politische Aktivita?ten oder sie nutzen sie um neue Kra?fte zu tanken (und nebenbei die Autos zusammen zu halten, die sie zu neonazistischen Demonstrationen bringen).
Obwohl die benannten Vorfa?lle bereits seit einiger Zeit bekannt sind, haben Sie daraus keine wahrnehmbaren Konsequenzen gezogen. Das werden wir so nicht akzeptieren. Wir fordern Sie auf, erkennbaren Neonazis, wie zum Beispiel dem stadtbekannten Tim Borowski, sofort Hausverbote zu erteilen, rassistische U?bergriffe und Po?beleien zu unterbinden und nicht la?nger einen Ru?ckzugsort fu?r Rassist_innen zu bieten. Wir sagen Angstra?umen den Kampf an. Wir dulden weder Angstra?ume fu?r Geflu?chtete, noch fu?r andere nicht in das Weltbild von Neonazis passende Menschen.
Sie werden Hilfe im Umgang und bei der Umsetzung dieser Standards brauchen. Es gibt Organisationen, die darauf spezialisiert sind, in solchen Fa?llen zu helfen. Wenden Sie sich an das „Mobile Beratungsteam Potsdam“ oder die „Servicestelle Tolerantes und Sicheres Potsdam“. Diese ko?nnen Sie bei der Verbesserung der Situation fu?r alle Beteiligten vor Ort unterstu?tzen. Vielleicht wa?re auch ein Integrationsprojekt fu?r Geflu?chtete nach dem Umsetzen der Standards im Rahmen der Selbsthilfewerkstatt denkbar.
Wir werden diesen Brief, zwei Wochen nachdem Sie ihn erhalten haben, vero?ffentlichen. Damit mo?chten wir Ihnen Zeit zum selbststa?ndigen Handeln geben.
Mit freundlichen Gru?ßen,
Einige Antirassist_innen Potsdam