“Die zahlreiche und vielfältige Solidarität bestärkt uns in unserem Vorhaben den rassistischen Aufmarsch zu verhindern. Frankfurt (Oder) ist kein Ort für Rassismus und das werden wir am 17.01.2015 auf die Straße tragen“, so Janek Lassau, Pressesprecher des Bündnisses „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“.
Zu den Unterstützer*innen des Aufrufs zählen studentische Initiativen, Kirchen, Gewerkschaften, Vereine, antifaschistische Initiativen, sowie Parteien und Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung. Außerdem haben etliche Einzelpersonen aus dem öffentlichen Leben ihre Unterstützung zugesagt. So hat erneut der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Helmut Markov, angekündigt an Gegenprotesten in Frankfurt (Oder) teilzunehmen.
“Gerade Frankfurt (Oder) ist ein Symbol für eine weltoffene Stadt mit vielen Beziehungen nach Osteuropa. Darum freue ich mich über das breite Bündnis, mit dem viele Bürgerinnen und Bürger ein klares Zeichen gegen Rassismus und das Schüren von Ängsten setzen wollen. Wir brauchen eine starkes demokratisches Signal, das zeigt, dass der überwiegende Anteil der Brandenburgerinnen und Brandenburger für ein tolerantes Land steht. Deshalb schließe mich dem Aufruf des Bündnisses “Keine Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)” an., so Helmut Markov, Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Brandenburg.
Weitere Informationen zu Gegenprotesten werden auf der Seite www.kein-ort-fuer-nazis.org veröffentlicht. Die Unterstützer*innnen finden Sie unter http://web621.mis06.de/kofn/unterstutzerinnen
Folgende Organisation unterstützen den Aufruf:
ADFC Frankfurt (Oder)
Alternatives Jugendprojekt 1260 e.V – Strausberg
antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder)
autonome antifa frankfurt (oder) [aaffo]
Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Frankfurt (Oder)
Bündnis 90/Die Grüne — BI Stadtentwicklung — Piraten Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (Oder)
Bund der Antifaschisten Frankfurt Oder) e.V.
DIE LINKE. Frankfurt (Oder)
DIE LINKE. Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (Oder)
dielinke.SDS Viadrina
Flüchtlingsrat Brandenburg
IG Metall Ostbrandenburg
Initiative “Vielfalt statt Einfalt in Frankfurt (Oder)”
Jungdemokrat*innen / Junge Linke Brandenburg
Libertäre Aktion Frankfurt (Oder)
Linkes Netzwerk Viadrina
Partei DIE PARTEI KV Frankfurt (Oder)
Slubfurt e.V.
Studierendenparlament der Europa-Universität Viadrina
Subtival 1260 e.V. — Strausberg
Utopia e.V. Frankfurt (Oder)
ver.di — Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft — Bezirk Frankfurt (Oder)
Folgende Einzelpersonen unterstützen den Aufruf:
Annalena Baerbock – MdB/Bündnis 90/Die Grünen
Carola Christen — Leiterin der VHS Frankfurt (Oder)
Christopher Voss — MdK Oder-Spree/Die Linke
Clemens Rostock — Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
Frank Hühner — Vorsitzender DGB-Stadtverband Frankfurt (Oder))
Frank Ploß — Geschäftsführer ver.di Bezirk Frankfurt (Oder)
Helmut Markov — Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg/stellvertretender Ministerpräsident des Landes Brandenburg, DIE LINKE.
Helmut Scholz — MdEP/DIE LINKE.
Invia1200 — Blogger
Jörg Gleisenstein — Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grüne — BI Stadtentwicklung — Piraten in der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (Oder)
Nico Faupel — Gewerkschaftssekretär IG Metall Ostbrandenburg
Peter Ernsdorf — 1. Bevollmächtigter IG Metall Ostbrandenburg
Prof. Dr. Alexander Wöll — Präsident der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Reinhard Schülzke — Leiter der Arbeitsstelle für evangl. Kinder- und Jugendarbeit — Büro Frankfurt (Oder)
René Wilke — MdL/DIE LINKE.
Ronny Diering — stellvertretender Kreisvorsitzender/DIE LINKE. Frankfurt (Oder)
Sigfried Wied — Gewerkschaftssekretär IG Metall Ostbrandenburg
Thomas Nord — MdB/DIE LINKE.
Ursula Nonnemacher — MdL/Bündnis 90/Die Grünen
Wolfgang Neumann — Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (Oder)/DIE LINKE.
Kategorie: Antifaschismus
Antifa United!

Es ist wieder so weit. Am 24. Januar geht der Spaß in die vierte Runde. Auch diesmal wird das Antifaschistische Pressearchiv Potsdam (APAP) seine aktuelle Chronik zu neonazistischen und diskriminierenden Aktivitäten im Jahr 2014 veröffentlichen und vorstellen.
Das vergangene Jahr ist geprägt von dem rassistischen Umgang mit Geflüchteten, Neonazis traten in Einzelaktionen in Erscheinung, alternative Projekte wurden wiederholt angegriffen. Rund um die Landtags- und Kommunalwahl gab es außerdem Wahlkampfaktionen der NPD, der AfD und parteifernen Neonazis. Nicht überraschend aber beunruhigend ist der Wahlausgang. Die AfD verzeichnete in Brandenburg mit 12,2% die bundesweit besten Wahlergebnisse der Partei und auch in Potsdam ist sie nun in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Der Kampf gegen menschenfeindliches Gedankengut, ob nun neonazistisch oder als Stammtischrassismus, ist in Zeiten wie diesen zweifellos notwendig. Es muss weiterhin für einen breiten Antifaschismus eingetreten werden!
Dieser muss über ein “Gegen Nazis” hinausgehen und die herrschenden gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnisse angreifen. Es ist leider nicht möglich für antifaschistische Strukturen in Zeiten des Kapitalismus ohne das nötige Kleingeld auszukommen. Deshalb nehmen wir die Party zum Anlass, unsere Kassen etwas zu füllen und selbstverständlich auch mit euch zu feiern.
Der Spartacus öffnet seine Türen für die Infoveranstaltung des APAP und einem weiteren Input zum Thema “Staatliche Überwachung in Brandenburg” ab 19.30 Uhr. 22.00 Uhr erwartet euch wie jedes Jahr unsere bunte AntifaKirmes mit AntifaPop oder Nazischrott, Kakerlaken-Rennen und vielen weiteren Überraschungen. Danach eröffnen die Antifa-Allstar-DJs … eine neue Wahnsinnsfahrt!
Antifa United – Never divided Präsentiert von: ak_antifa & APAP
Frankfurter*innen planen für den 17. Januar 2015 einen
flüchtlingsfeindlichen Aufmarsch in der Oderstadt unter dem Motto “Frankfurt(Oder) wehrt sich/Stopp dem Asylmissbrauch”. Inspiriert von der rassistischen Stimmung, die vielerorts auf die Straße getragen wird, setzen sie, offensiver als ihre Vorbilder, unverhohlen auf neonazistische Rhetorik und Ästhetik, die einen klaren Bezug zum Nationalsozialismus herstellt. Unter der Überschrift “Deutschland, wir geben dich nicht auf!” ziehen sie in der Ankündigung im Internet die deutschen Grenzen weit im Osten.
“Frankfurt (Oder) darf kein Ort für Rassismus sein! Wir sind solidarisch mit Flüchtlingen. Wir werden an unsere bisherigen erfolgreichen antifaschistischen Interventionen anknüpfen und den rassistischen Aufmarsch verhindern!” so Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses “Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)”.
Weitere Informationen zu den geplanten Gegenprotesten werden in den nächsten Tagen auf der Internetseite des Bündnisses folgen.
Kontakt:
keinortfuernazisffo@riseup.net
kein-ort-fuer-nazis.org
Bündnis “Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)”
Frankfurt (Oder), den 6. Januar 2015
Antifaschistische Aktion – Geschichte einer linksradikalen Bewegung
Buchvorstellung mit Bernd Langer
Mittwoch | 28. Januar 2015 | 19 Uhr
Finsterwalde | L86 | Oskar-Kjellbergstraße 28

Unter »Antifa« kann sich wohl jede/r etwas vorstellen. Schwarzer Block gleich Antifa; so vermitteln es zumindest die Medien in falscher Verkürzung. Denn die Geschichte dieser Bewegung reicht weit zurück und ist keineswegs auf Militanz zu reduzieren. Antifaschismus wurde in Deutschland Anfang der 1920er Jahre als polemischer Kampfbegriff durch die KPD eingeführt. Verstanden wurde darunter Antikapitalismus. Erst Anfang der 1930er Jahre rückte der Kampf gegen die Nationalsozialisten mehr und mehr in den Fokus. 1932 mündete diese Entwicklung in der Gründung der Antifaschistischen Aktion. In der BRD griffen kommunistische Gruppen in den 1970er Jahren das Emblem wieder auf. Später, von Autonomen übernommen und neu gestaltet, wurde es zum Zeichen der heutigen Antifa. Undogmatisch, radikal und systemkritisch ist Antifaschismus also von jeher viel mehr als nur ein Kampf gegen Nazis. Dieses Buch liefert den ersten umfassenden Überblick über die Entwicklung der Antifa. Ein Grundlagenwerk für AktivistInnen und all diejenigen, die erfahren wollen, in welcher Tradition Antifaschismus
in Deutschland steht.
Dies ist eine geschlossene Veranstaltung des “Es geht auch Anders” e.V.
INFORIOT Für Samstag, den 17. Januar 2015 ist ein rassistischer Aufmarsch in Frankfurt/Oder geplant. Auf Facebook wird unter dem Slogan “Deutschland — wir geben dich nicht auf!” zu einer Demonstration “gegen die Eröffnung weiterer Asylbewerberheime in der Stadt Frankfurt(Oder)” aufgerufen.

Die Aktion wird aus der Neonaziszene heraus geplant: Als Veranstalter tritt — ebenfalls auf Facebook — die Initiative “Frankfurt/Oder wehrt sich” auf. Dort sind zahlreiche Postings abgelegt, die offen auf die Nähe zum Neonazismus verweisen. Unter anderem sind Songs des Berliner Neonazi-Rappers “Villain 051”, der extrem rechten Hooliganband “Kategorie C” und der Neonazi-Liedermacherin Annett verlinkt. Auch der neonazistische “Kameradschaftsdienst Demosanis” wird beworben.

Ähnliche Aktionen wie die aktuell für Frankfurt geplante hatte es in den letzten Wochen beispielsweise in Wittstock, Oranienburg und Gransee gegeben.
Indes war bereits für den 1. November eine ähnlich ausgerichtete Demonstration in Frankfurt/Oder geplant. Kurzfristig wurde der Aufmarsch jedoch abgesagt — stattdessen demonstrierten 70 Menschen für eine menschenwürdige Asylpolitik. Hinter dem rassistischen Aufmarschplan steckte nach einem Bericht von Frankfurter Antifas ein Peer Koss. Dieser hatte nach eigenem Bekunden an der rassistischen “Hogesa”-Randaledemonstration im Oktober in Köln sowie den Anti-Asyldemonstrationen in Berlin-Marzahn im November und Dezember teilgenommen. Auf seiner Facebook-Seite bewirbt Koss aktuell auch den für den Januar geplanten Aufmarsch.


Am 21. Dezember 2014 veröffentlichte Recherchen wiesen darauf hin, dass der langjährig aktive Neonazi Mike Turau beim Königs Wusterhausener Sportverein SC-Blau Weiss Schenkendorf 1931 e.V. als Jugendtrainer beschäftigt wurde. Darüber hinaus wies einer der offiziellen Vereins-Sponsoren, der Mittenwalder Bestattungsunternehmer Ronny Grunow, ebenfalls Verbindungen zu den sogenannten „Freien Kräften Königs Wusterhausen“ auf.
Als Belege für die Verbindungen beider Neonazis zum SC-Blau Weiss Schenkendorf, bezogen sich die Recherchen auf ein PDF-Dokument des Vereins vom 4. November 2014, in dem Mike Turau namentlich genannt wurde, sowie auf die vereinseigene Internetseite, auf der sowohl Mike Turau in der Rolle als Jugendtrainer, als auch Ronny Grunow als offizieller Sponsor bis dato präsentiert wurden.
Der Verein war hierzu bis heute zu keiner Stellungnahme zu erreichen. Lediglich die am 22. Dezember kommentarlos vorgenommene Löschung Mike Turaus von der Vereinshomepage und Ronny Grunows aus der Sponsorenliste zeigte, dass die Intevention ihre Adressat_innen nicht verfehlt hat. Dass der Verein im weiteren jedoch keine Stellungnahme abgibt, unter welchen Umständen und wie lange der stadtbekannte Neonazi-Funktionär Mike Turau in die Trainerverantwortung gelangen konnte, ebenso wie das Schweigen über die genaueren Umstände des Sponsorings durch den Mittenwalder Bestattungsunternehmer Ronny Grunow, lässt sich als Versuch deuten, Schadensbegrenzung zu betreiben. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen im Vereinsleben des SC-Blau Weiss Schenkendorf sähe anders aus.
Recherche und Aktion — Nach uns vorliegenden Informationen trainiert Mike Turau die 2. E‑Jugend des Königs Wusterhausener Traditionsvereins SC-Blau Weiss Schenkendorf 1931 e.V. Der brandenburgische Sportverein beschäftigt damit einen langjährig aktiven Neonazi in der Kinder– und Jugendarbeit. Der Unterwanderung von Sportvereinen und Zivilgesellschaft durch Neonazis muss eine klare Absage erteilt werden.
Von „United Skins“ zu den „Freien Kräften“
Der in Königs Wusterhausen (KW) wohnhafte Mike Turau ist kein unbeschriebenes Blatt, sondern seit vielen Jahren für sein neonazistisches Engagement stadtbekannt. Bereits um das Jahr 2000 war er der KWer Neonazikameradschaft „United Skins“ zuzuordnen, die ihrerseits für Angriffe auf alternative Jugendliche, Migrant_innen und Obdachlose verantwortlich gemacht wurde. [1]
Als im Sommer des selben Jahres Carsten Szczepanski, Drahtzieher der lokalen Kameradschaftsszene, als V‑Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes enttarnt wurde, reagierte die Szene in KW und Umgebung mit einigen Jahren der organisatorischen Schwäche. Allerdings sollte dies nicht darüber hinweg täuschen, dass es in der Region auch in den Folgejahren noch zu einigen Aufsehen erregenden Gewalttaten kam: Hier seien unter anderem die Molotovcocktailwürfe auf ein Romalager und das antifaschistische Festival „Le Monde et a nous“ im Jahre 2001, der Brandanschlag auf das Auto eines Polizisten und eine, ebenfalls im Jahr 2005 durch einen Neonazi verübte Attacke mit einer abgebrochenen Glasflasche auf einen jungen Punk zu nennen. Es sollte klar sein, dass Neonazis keine festen Organisationsstrukturen benötigen, um ihr menschenverachtendes Weltbild in die Tat umzusetzen, auch wenn staatliche Behörden die Gefahr, die von unorganisierten Neonazis ausgeht, oftmals bagatellisieren.
Exkurs: Verfassungsschutz aufgeflogen
Als der Fall des V‑Mann „Piatto“ im Jahr 2000 öffentlich wurde, zeigte sich der Fatalismus des bundesdeutschen V‑Mann-Wesens in aller Deutlichkeit. Mit der Enttarnung von Carsten Szczepanski als V‑Mann „Piatto“ des Brandenburgischen Verfassungsschutzes wurde offensichtlich, dass der Geheimdienst jahrelang seine schützende Hand über einen der regionalen Drahtzieher der brandenburgischen Neonaziszene gehalten hatte. Obwohl gegen ihn damals schon u.a. ein Verfahren wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung lief und er wegen eines rassistischen Mordversuchs in Untersuchungshaft saß, sorgte der Verfassungsschutz für seine vorzeitige Haftentlassung und unternahm nichts, als dieser weitere militante Neonazistrukturen aufbaute. „Piatto“ hingegen erhielt Hafterleichterungen, finanzielle Zuwendungen in Höhe von 70.000 Mark und behördliche Rückendeckung. Folglich reorganisierte er die lokalen Strukturen der NPD, gab noch aus der Haft ein Fanzine der militanten Neonaziszene heraus, veranstaltete Blood&Honour-Konzerte und handelte, wie nach seiner Enttarnung hochkam, auch noch mit Waffen.
Im Jahr 2005 gehörte Turau schließlich zu einem neu gegründeten, losen und hauptsächlich durch Freundschaften getragenen Netzwerk von etwa 15 Neonazis aus KW und Umgebung [2], die erneut in die Öffentlichkeit traten: die „AG_KWh“. Neben der gemeinsamen Teilnahme an Aufmärschen unterhielt man schon zu jener Zeit enge Kontakte nach Berlin, insbesondere zu Mitgliedern der frisch verbotenen „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO) und „Kameradschaft Tor“ (KS-Tor) [3]. Dabei handelte es sich um Strukturen, die später überwiegend im Berliner Neonazi-Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin“ (NW-Berlin) aufgehen sollten, zu dem Turau auch heute noch enge Kontakte pflegt.
2006 verfestigte sich die Struktur der KWer Neonazis unter dem Label „Freie Kräfte Königs Wusterhausen“ (FK-KWh). Neben Mike Turau und anderen, gehörte fortan auch ein gewisser Ronny Grunow zu den Aktiven [4]. Auf den Bestattungsunternehmer aus dem Ortsteil Mittenwalde, soll im Text später noch eingegangen werden.
Anfangs mit Sprühereien im Stadtgebiet und durch gemeinsame Auftritten bei Neonaziaufmärschen, machten die FK-KWh bald auch durch Einschüchterungsversuche und offensichtliche Gewaltbereitschaft auf sich aufmerksam. So versuchten zehn Neonazis aus dem Umfeld der FK-KWh am Abend des 25. Mai 2007 ein Punkkonzert KWer Stadtjugendring anzugreifen. Nach einem ersten Angriffsversuch, bei dem Wurfgeschosse in Richtung des Veranstaltungsortes geworfen wurden, folgte nach einer halben Stunde ein weiterer, der jedoch abgewehrt werden konnte. Neben dem Königs Wusterhausener NPD-Vorsitzenden Michael Thalheim, der auf dem Rückzug den Hitlergruß zeigte, wurde in dem Parolen rufenden Mob auch Mike Turau identifiziert. [5]
Am 11. August 2008 verfolgte Mike Turau, in Begleitung von Benjamin Weise, der im selben Jahr im Landkreis für die NPD kandidierte, drei Antifaschist_innen in ihrem PKW durch KW. An einer Ampel versuchten die beiden Neonazis die Scheiben des PKW mit Teleskopschlagstöcken einzuschlagen. Nur durch schnelle Flucht gelang es den Angegriffenen eine weitere Eskalation zu vermeiden. [6]
Zur gleichen Zeit intensivierten die FK-KWh ihre Teilnahme an überregionalen Aufmärschen, wie z.B. am 1. Mai 2008 in Hamburg oder am 23. August des selben Jahres in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt). Auch eigene Versammlungen wurden organisiert, so z.B. am 21. August 2008 in KW. Am 24. Januar 2009 hielt Turau auf einem Aufmarsch Freier Kameradschaften in Brandenburg/Havel einen Redebeitrag der FK-KWh. Thematisch hetzte er gegen „Linke“, sowie das „raffende“ und „heimatzerstörende“ Kapital.
Nur drei Tage später, am 27. Januar 2009, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, versuchten sechs Neonazis aus dem Umfeld der FK-KWh eine Gedenkveranstaltung an die Opfer des Faschismus in Königs Wusterhausen zu stören. Während ein Teil der Gruppe rechte Parolen rief, versuchte Mike Turau die Teilnehmer_innen der Gedenkveranstaltung abzufotografieren. [7] Turaus anhaltende Anti-Antifa-Tätigkeit brachte ihm im Jahre 2013 eine Bewährungsstrafe ein. Nach drei Verhandlungstagen sah es das Amtsgericht Königs Wusterhausen als erwiesen an, dass Turau am 18. September 2010 einen freien Journalisten in Berlin-Schöneweide abfotografiert und dessen Portrait anschließend auf der Internetseite der FK-KWh veröffentlicht hatte. Derartige „Anti-Antifa“-Tätigkeiten stellen für Neonazis keinen Selbstzweck dar, vielmehr sind sie Mittel zur Einschüchterung und Vorbereitung von Gewalttaten gegenüber vermeintlichen und tatsächlichen politische Gegner_innen.
Anbindung an die Berliner Neonaziszene
Spätestens seit 2011 übernimmt Turau zunehmend logistische Aufgaben auf Veranstaltungen des Berliner Neonazinetzwerks NW-Berlin, in enger Verflechtung mit der Berliner NPD. Neben Anti-Antifa-Aktivitäten und Ordnerdiensten auf Kundgebungen und Parteitagen, tritt Turau mittlerweile regelmäßig als Fahrer des Lautsprecherwagens der Berliner NPD in Erscheinung.
Am 14. Mai 2011, versuchte der NW-Berlin im Zuge seiner „Ausländer raus!“-Kampagne einen Aufmarsch in Berlin-Kreuzberg durchzuführen. Noch im U‑Bahnhof veranstalten die Neonazis eine Hetzjagd auf Migrant_innen. Wenig später attackierten sie unter den Augen der Polizei eine kleine Gruppe an Gegendemonstrant_innen. Mike Turau befand sich unter den 120 Neonazis, die konspirativ aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren. Drei Monate später, am 13. August, fuhr Mike Turau den Lautsprecherwagen während einer NPD-Kundgebung in Berlin-Prenzlauer Berg. Das gleiche Bild gab es am 17. Juni 2012 während einer NPD-Kundgebung in Berlin-Friedrichshain.
In seiner Funktion als Ordner bei einer NPD-Saalveranstaltung Berlin-Gropiusstadt, bedrohte er am 16. Februar 2013 anwesende Pressevertreter_innen ohne, dass die Polizei eingriff. Am 14. April 2013 gehörte Mike Turau zum Kreise von acht NPD’ler_innen, die in Berlin-Tiergarten mit Megaphon und einem Transparent eine Kleinst-Kundgebung abhielten. Die Reden hielten die NPD-Funktionär_innen Maria Fank und Andreas Storr. Auf einer Kundgebung am 8. Mai 2013 in Berlin-Karlshorst kümmerte sich Turau gemeinsam mit NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke um den Aufbau der Technik, anschließend nahm er an einer NPD-Kundgebung in Königs Wusterhausen teil. Während einer NPD-Kundgebungstour am 13. Juli 2013 war Turau in Hellersdorf, Reinickendorf, Spandau und Marienfehle als Ordner tätig.
Während einer NPD-Kundgebung am 20. August 2013 in Berlin-Hellersdorf attackierte Turau in seiner Funktion als Ordner eine Reporterin des Berliner Kuriers, außerdem steuerte er den NPD-eigenen Lautsprecherwagen. Das gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen Körperverletzung dauert derzeit noch an. Gemeinsam mit dem ebenfalls in KW ansässigen Benjamin Weise und weiteren bekannten Berliner Neonaziaktivist_innen, trat Mike Turau am 8. Februar 2014 während einer weiteren NPD-Kundgebungstour als Ordner in Erscheinung.
Jugendtrainer beim SC-Blau Weiss Schenkendorf
Mit Mike Turau beschäftigt der Königs Wusterhausener Fußballverein „SC-Blau Weiss Schenkendorf 1931 e.V.“ einen langjährigen und stadtbekannten Neonazi im Bereich der Kinder– und Jugendarbeit mit Sechs– bis Zehnjährigen. Ein PDF-Dokument des Vereins („Stand: 04.11.2014“) zeigt, dass Mike Turau mindestens seit November 2014 als offizieller Trainer in Erscheinung tritt. Auch bei der Wahl der Sponsor_innen hat man bei dem brandenburgischen Sportverein offenbar keinerlei Berührungsängste. So tritt u.a. das Bestattungshaus Grunow als offizieller Sponsoringpartner des Vereins in Erscheinung.
„Bestattungshaus Grunow“, Sponsor mit fragwürdiger Vorgeschichte
Der an vorhergehender Stelle bereits erwähnte Inhaber Ronny Grunow trat spätestens ab 2008 öffentlich als aktives Mitglied der FK-KWh in Erscheinung, was ihm seinerzeit eine Erwähnung in der antifaschistischen Recherchezeitschrift „Fight Back“ einbrachte. [8]
Grunow war nicht nur regelmäßig mit Mike Turau und weiteren KWer Neonazis auf Nazi-Aufmärschen unterwegs. Im April 2008 beteiligte er sich an einer gewalttätigen Einschüchterungsaktion gegenüber einem Antifaschisten im KWer Ortsteil Zernsdorf. Zuerst verteilten Grunow und weitere Neonazis diffamierende Flugblätter in der Nachbarschaft. Anschließend suchten sie dessen Grundstück auf, beschossen es mit Signalmunition und versuchten unter Rufen wie „Jetzt bist du dran!“ zum Haus vorzudringen. Glücklicher Weise scheiterten sie am Hoftor und der Gegenwehr des Betroffenen. Noch bevor sie ihren Angriff beendeten, zog einer der Neonazis eine Gaspistole und schoss aus nächster Nähe in Richtung des Angegriffenen. [9]
Auch wenn die letzten dokumentierten Aktivitäten Grunows bereits einige Jahre zurück liegen, scheint er sich bis heute nicht vom brauen Milieu gelöst zu haben. In der Facebook-Freundesliste Grunows finden sich heute dutzende offen auftretende Neonazis. Unter den Profilen mit offenen Bekenntnissen zu neonazistischen Gruppen wie der Nazicliuqe „Aryan Blood Brothers Brandenburg“, sogenannten Nein-zum-Heim-Initiativen und den „Freie Nationalisten“, finden sich auch Profile von Mitte der 2000er Jahre namentlich bekannt gewordenen Aktivisten der AG– bzw. FK-KWh, wie z.B. Thomas Heuchler und Daniel Mantai wieder, die ihre rechte Gesinnung auch 2014 noch offen zur Schau stellen.
„Browntown“ Königs Wusterhausen, ein blinder Fleck?
Seit Anfang der 1990er Jahre genießt die 35.000-Einwohner_innenstadt südöstlich von Berlin verdientermaßen den Ruf eines „Browntowns“, eines Rückzugsraums für Neonazis. Wie auszugsweise geschildert, konnte sich in der Region eine aktive Neonaziszene über Jahre hinweg weitgehend ungehindert entfalten. Neben der schützenden Rolle des Staates, dessen V‑Mann Carsten Szczepanski durch die 1990er Jahre hindurch beim Ausbau der Szene eine besonders unrühmliche Rolle spielte, konnten sich die dominant auftretenden Neonazis auch auf die Ignoranz und die stille Duldung weiter Teile der KWer Zivilgesellschaft verlassen. Wenn sich überhaupt Widerspruch regte, schwang nicht selten schon eine gehörige Portion Angst um den Standort, um „den Ruf der Stadt“ mit. In den seltensten Fällen aber eine fundierte antifaschistische Haltung, die sich nicht in kurzweiliger Symbolpolitik erschöpfte. Gab es bis Ende der 2000er Jahre noch antifaschistisch aktive Gruppen und Einzelpersonen, denen es von Zeit zu Zeit erfolgreich gelang, ein Schlaglicht auf die Aktivitäten der rechten Szene in und um KW und den vorherrschenden gesellschaftlichen Konsens zu richteten, so scheint es mittlerweile, dass die Region seit dem Wegbrechen dieser Strukturen ein weitgehend blinder Fleck geworden ist.
Dabei zeigt nicht erst, dass wie im Fall von Mike Turau ein langjähriger und stadtbekannter Neonazi in einem Sportverein auf Kinder losgelassen wird, dass die Beschäftigung mit der Region noch immer angebracht ist. Auch der Zuzug einer Reihe von Neonazis wie René Bethage (ex– BASO) und Andreas Thomä (NW-Berlin) nach KW, das KWer Nazi-Modelabel „Erik and Sons“, die Zusammenarbeit von KWer Neonazis wie Mike Turau, Manuel Arnold und Benjamin Weise mit Berliner Strukturen und die noch immer regen Aktivitäten von NPD Dahmeland, Freien Kräften und anderen Neonazizusammenschlüssen in der Region, sollten von Antifaschist_innen nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
[1] fight.back 03 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Februar 2006, S. 39
[2] ebd. S. 41
[3] ebd. S. 40
[4] fight.back 04 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Mai 2009, S. 70
[5] Chronik rechter Aktivitäten, Autonome Antifa Königs Wusterhausen — Eintrag vom 25. Mai 2007
[6] Chronik rechter Aktivitäten, Autonome Antifa Königs Wusterhausen — Eintrag vom 11. August 2008
[7] Chronik rechter Aktivitäten, Autonome Antifa Königs Wusterhausen — Eintrag vom 27. Januar 2009
[8] fight.back 04 — Antifa-Recherche Berlin-Brandenburg, Mai 2009, S. 70
[9] Chronik rechter Aktivitäten, Autonome Antifa Königs Wusterhausen — Eintrag vom 10. April 2008
Am Mittwochabend protestierten ungefähr 300 Menschen in Oranienburg (Landkreis Oberhavel) gegen einen so genannten „Abendspaziergang“ für eine angeblich „angemessene Asylpolitik“. An diesem, von der Socialmedia-Kampagne „Nein zum Heim in Oranienburg“ beworbenen Fackelmarsch durch den Innenstadtbereich nahmen ungefähr 250 Personen, davon ungefähr 200 mutmaßliche Hooligans und Neonazis und 50 augenscheinliche „Bürger_innen“, teil. Die Proteste dagegen konzentrierten sich am Bahnhof und am Schloss. Dort kam es auch zu einer kleinen Blockadeaktion.
Oberhavel Nazifrei protestiert

Die Protestierer waren offenbar einem Aufruf des Bündnisses „Oberhavel Nazifrei“ gefolgt, das hinter dem „Abendspaziergang“ eine gezielte Aktion vermutete, um „rechte Hetze auf die Straße“ zubringen. Die Veranstaltung sei, in Anspielung auf die „Nein zum Heim“ –Seite, zu dem „der Höhepunkt einer andauernden Denunzierung, Herabwürdigung und Kriminalisierung hilfsbedürftiger Asylsuchender im Netz“, so „Oberhavel Nazifrei“. Zudem ginge es den Heimgegnern gar nicht darum „für eine angemessene Asylpolitik auf die Straße“ zu gehen, der „Aufmarsch“ sei vielmehr „eine offene rassistische Mobilisierung gegen Asylsuchende, in der sich eine Allianz zwischen NPD, AfD und Rechtspopulisten sowie scheinbar unpolitischen Bürgern herausbildet“, so das Bündnis in seinem Aufruf zu den Protesten weiter. Eine Einschätzung, die, so zeigt es die Unterzeichner_innenliste, von vielen, auch namhaften Personen aus Stadt und Umland geteilt wird. Unter den Erstunterzeichner_innen finden sich so beispielweise der Bürgermeister von Oranienburg, Hans Joachim Laesicke, der Vorsitzende der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung, Holger Mücke, der Bundestagsabgeordnete Harald Petzold (DIE.LINKE), der Vorsitzende der Oranienburger SPD, Dirk Blettermann, der Vorsitzende der Oranienburger B90/Die Grünen, Heiner Klemp, und viele andere mehr. Der Aufruf von „Oberhavel Nazifrei“ wurde im Übrigen sogar auf der offiziellen Socialmedia-Seite der Stadtverwaltung Oranienburg veröffentlicht.
Für „Oberhavel Nazifrei“ erfreulich und für einige neutrale Beobachter erstaunlich, kamen dann tatsächlich auch mehrere hundert Menschen für Protestaktionen zusammen. Bereits ab 18 Uhr hatten sich über 200 Menschen am Bahnhof eingefunden, deren Anzahl bis zum Start der „Nein zum Heim“ Veranstaltung auf 300 anwuchs. Es wurde Fahnen und Transparente gegen Nazis und Rassismus gezeigt und die Teilnehmer_innen des Abendspaziergangs lautstark ausgebuht. Die Polizei trennte, wie üblich bei Versammlungen konträren Inhalts, weitgehend beide Lager, durch Gitter und Polizeiketten, von einander ab. So blieb den Sympathisanten von „Oberhavel Nazifrei“ zunächst nur der Bahnhofsbereich um in Hör- und Sichtweite zu demonstrieren. Doch damit wollten sich viele Protestierer nicht zufrieden geben und zogen zum Oranienburger Schloss weiter, um abermals ihren Unmut über den vorbeiziehenden Fackelmarsch auszudrücken.
Vier Personen gelang es dabei auch auf die Strecke zu gelangen und eine Miniblockade durchzuführen. Allerdings ohne die Marschierer aufzuhalten, diese wurden von der Polizei daran vorbeigeleitet.
Mit Brandfackeln für eine „angemessene Asylpolitik“?

Der so genannte „Abendspaziergang“ der Heimgegner_innen hatte sich, entgegen des betont bürgerlichen Mobilisierungscharakters, derweil eher zu einem Aufmarsch entwickelt, bei dem mutmaßliche Hooligans und Neonazis nicht nur einen erheblichen Teil der Versammlungsteilnehmer_innen ausmachten, sondern offenbar auch einen großen Teil der Infrastruktur des Aufzuges zur Verfügung stellten. JN Funktionäre waren als Ordner eingeteilt, der Schönwalder NPD Gemeinderat Burkhard Sahner stellte seine Pkw als Lautsprecherwagen für die Abschlusskundgebung zur Verfügung und die Bernauer NPD Stadtverordnete Aileen Rokohl hielt einen Redebeitrag.
Die wenigen mitgeführten Fackeln mochten zwar hingegen nur entfernt an die nationalsozialistische Märsche zum 30. Januar 1933 erinnern, zeichneten aber dennoch ein sehr bedrohliches Bild: Sollen Brandfackeln die angemessene Antwort auf die derzeitige Asylpolitik sein?
Bemerkenswert ist auch das abermalige auftreten der Initiative „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“, deren Anhänger_innen in den letzten Wochen u.a. bei ähnlichen Märschen in Schneeberg (Erzgebirge), Wittstock/Dosse und erst am Montag in Dresden mitliefen sowie am Volkstrauertag unangemeldet mit zahlreichen Fackeln durch Gransee marschierten.
Während des Aufmarsches in Oranienburg gaben sie sich durch ihr braunweißes Banner und Schilder mit aufgemalter Fackel zu erkennen.
Weitere Neonazis stammten aus dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin und sind als Sympathisanten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ bekannt. Die NPD war außer mit den bereits erwähnten Abgeordneten, u.a. noch durch die Stadtverordneten Detlef Appel aus Oranienburg, Robert Wolinski aus Velten, Uwe Gosslau aus Hennigsdorf, Dave Trick aus Neuruppin und Pascal Stolle aus Bad Belzig vertreten.
„Nein zum Heim“ beansprucht „das Volk“ zu sein

Seit den durchaus teilnehmerstarken Demonstrationen und Kundgebungen der islamkritischen/islamfeindlichen Initiativen „HoGeSa“ („Hooligans gegen Salafisten“) und PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) hoffen offenbar auch Brandenburger Neonazis einen großen Teil, der durch die gesellschaftliche Debatte der letzten Monate anpolitisierten Bürger_innen für ihre Zwecke zu gewinnen. Offen zu erkennen geben will sich die neonazistische Szene dabei jedoch anscheinend nicht, sondern lässt sich eher über zwielichte Initiativen vertreten, deren Anliegen nur selten die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der militanten Islamist_innen ist. Tatsächlich wird vor allem die Asylpolitik der Bundesrepublik und konkret die Art der Unterbringung von Asylsuchenden scharf kritisiert. Genauer betrachtet hat aber keine dieser Initiativen ein tatsächliches Interesse, Menschen, die aus den Krisenherden dieser Welt in die Bundesrepublik kommen und in der Bundesrepublik Asyl suchen, zu helfen. Da macht auch die Socialmedia-Kampagne „Nein zum Heim in Oranienburg“, hinter der mutmaßlich die lokale NPD steckt, keine Ausnahme. Neu ist lediglich, dass sich die seit 2013 existierende und eigentlich gescheiterte Initiative durch PEGIDA und Co wieder im Aufwind sieht und nun ebenfalls mit dem bekannten Slogan der DDR-Bürgerrechtsbewegung „Wir sind das Volk“ auftritt.
Doch die Demonstration am Mittwochabend in Oranienburg zeigte einmal mehr, dass hier kein bürgerliches Aufbegehren gegen eine vermeintlich verfehlte Asylpolitik stattfand, sondern mehr eine Propagandashow von Hooligans und Neonazis zelebriert wurde.
Fotos:
Presseservice Rathenow
Sören Kohlhuber
INFORIOT Rund 250 Neonazis demonstierten am Mittwoch „für angemessene Asylpolitik“ in Oranienburg (Oberhavel). In sozialen Netzwerken und insbesondere auf der extrem rechten Facebook-Hetzseite „Nein zum Heim in Oranienburg“ wurde für die Demonstration, die durch einen Oranienburger angemeldet wurde, geworben. Als Vorbild für die Ausrichtung der Aktion dienten offenbar die “Pegida”-Großdemonstrationen, die zurzeit jeden Montag in der sächsischen Hauptstadt Dresden mit bis zu 15.000 Menschen gegen die vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“ stattfinden. Der Dresdener Aufruftext wurde für Oranienburg wortgetreu übernommen und auf der Demonstration vorgetragen. Derweil gründen sich auf Facebook erste Brandenburger Pegida-Ableger für das Land Brandenburg und für Potsdam.
Alles nur „besorgte Bürger“?
In sozialen Netzwerken liefen im Vorfeld der Oranienburger Demonstration hitzige Debatten, ob es sich bei der Demonstration um eine neonazistische Veranstaltung handeln würde. Sowohl der Veranstalter als auch SympathisantInnen echauffierten sich über das “Neonazi”-Etikett. Bei der Demowerbung hielten sich die NPD und andere Neonazigruppierungen tatsächlich eher im Hintergrund. Doch am Tag der Demonstration berichtete die PNN darüber, dass beim Anmeldegespräch in Oranienburg der JNler Martin U. den Anmelder begleitet hatte. Die Facebook-Seite zur Demonstration erstellte der stadtbekannte Tätowierer Olaf W., der Verbindungen zur NPD Oberhavel hat.

Bei der Demo selbst waren fast ausschließlich lokale NPD- und JN-Mitglieder für die Durchführung und Infrastruktur verantwortlich. Den Lautsprecherwagen bei der Abschlusskundgebung am Landratsamt und die Musikanlage wurden vom Kreisvorsitzenden der NPD-Oberhavel, Burkhard Sahner, bereitgestellt. Die Ordnerdienste übernahmen unter anderem der Neonazi Philip Badczong.

Die Abschlussrede hielt die NPD-Landesgeschäftsführerin Aileen Rokohl, die in Begleitung ihres Ehemanns Andreas Rokohl und dem gewaltbereiten Barnimer NPD-Kreistagsabgeordnete Marcel Zech vor Ort war. Personen um die neonazistische „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“-Kampagne und die Neonazis der “Freien Kräfte Neuruppin/ Osthavelland” trugen dazu mehrere Schilder mit dem Kampagnenslogan. Das hierzu gehörige Transparent hatten sie auf halber Strecke eingerollt.
Als Kontaktperson zur Polizei trat der Velterner NPD-Stadtverordnete Robert Wolinski auf, der am Rande der Demonstration die Gegendemonstrant_innen abfotografierte und auch versuchte, die Presse an ihrer Arbeit zu hindern. Die Polizei reagierte auf diese Aggressionen nicht. Stunden später tauchten seine Bilder auf der “Nein zum Heim in Oranienburg”-Facebookseite auf. Weitere Oberhaveler NPD-Mitglieder und –Verordnete, wie beispielsweise Detlef Appel, Lore Lierse, Uwe Goßlau, Björn Beuchel, Roy Zillgitt und weitere waren ebenfalls auf der Demonstration.
Im Gesamtbild war die Demonstration geprägt von vor allem männlichen, organisierten wie nichtorganisierten Neonazis, dem Hooliganspektrum zugehörende Personen und RassistInnen. Obwohl die VeranstalterInnen im Vorfeld dazu aufgerufen hatten, friedlich zu demonstrieren, waren die TeilnehmerInnen, gerade an der Demonstrationsspitze, offenbar teilweise alkoholisiert, in aggressiver Stimmung und ließen sich mehrfach auf Wortgefechte mit Gegendemonstrant_innen ein. An einer Stelle gab es gar einen Versuch, aus der Demonstration auszubrechen. Mehrfach wurde der Hitler-Gruß angedeutet. Als die Demonstration auf der Schlossbrücke ankam, versuchte ein Rassist einen Pressevertreter wegzuschubsen.

Proteste und Blockadeversuche
Die Auftaktkundgebung am Bahnhof Oranienburg wurde durch den Protest des Bündnis „Oranienburg Nazifrei“ akkustisch dominiert. Knapp 300 BürgerInnen und AntifaschistInnen hatten sich vor dem Runge-Gymnasium neben die Neonazi-Kundgebung versammelt. Der Bündnisaufruf wurde durch zahlreiche PolitikerInnen, Jugendverbände, zivilgesellschaftlich Vereine, GewerbetreiberInnen sowie dem Oranienburger Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke und den Lehnitzer Ortsbeiräten unterstützt.

Nachdem die Neonazi-Demonstration sich von Bahnhof über die Bernauer Straße zum Schloss in Bewegung setzte, formierte sich auch die Gegenkundgebung zu einer Demonstration, und steuerte über den Luise-Henrietten-Steg zum Schloss. Dort hatte man ebenfalls eine Gegenkundgebung angemeldet. Als die Demonstration den Schlossplatz erreichte, sprangen eine kleine Gruppe von GegendemonstrantInnen auf die Straße und versuchten, die Schlossbrücke zu blockieren. Umstellt von der Polizei wurde die Neonazi-Demo an ihnen vorbeigeführt. Später versuchte eine größere Gruppe von AntifaschistInnen die Berliner Straße in Höhe des Lild-Martes zu blockieren. Dort wurden sie von der Polizei weggedrängt.
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INFORIOT Nach andauernder rassistischer Hetze wird auf der Facebook-Seite „Nein zum Heim in Oranienburg“ nun zu einer Demonstration gegen die Unterbringung von Geflüchteten in Oranienburg aufgerufen. Im Netz kursiert ein Banner, demzufolge die Demonstration unter dem Motto „Wir sind das Volk — Abendspaziergang für eine angemessene Asylpolitik“ am Mittwoch, den 17. Dezember um 18:30 vom Bahnhof Oranienburg starten soll. Ähnlich wie eine Woche zuvor in Wittstock, wollen soll mit Fackeln durch die Stadt gezogen werden.
Bereits Anfang des Monats formierte sich eine „Nein zum Heim“-Facebook-Gruppe in der Nachbarstadt Leegebruch. In Oberkrämer, an der Grenze zu Leegebruch, soll eine seit zehn Jahren nicht mehr genutzte Fliegerschule zum Asylheim umgebaut werden. In der Facebook-Gruppe finden sich bekannte Neonazis und NPD-Mitglieder, sowie Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Leegebruch.
Großaufmarsch in Oranienburg?
Breits am 17. November marschierten 70 Neonazis mit Fackeln in Gransee (Inforiot berichtete). Die Demonstration war Auftakt für eine neonazistische Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“, die bundesweit rassistische Mobilisierungen zuspitzen soll. Als mutmaßlicher Initiator der Kampagne gilt Maik Eminger, der Zwillingsbruder des im NSU-Prozess angeklagten Adré Eminger, sowie weitere Neonazis aus Potsdam-Mittelmark. Mittlerweile verdichten sich Hinweise, dass die Kampagne zusätzlich von Neonazis aus Oberhavel getragen wird. Sowohl auf der Demonstration im sächsischen Schneeberg, als auch in Wittstock trugen Neonazis aus Oberhavel das Kampagnen-Transparent.

Willkommenskultur und Proteste in Oranienburg
Derweil setzen sich verschiedene Initiativen in Oranienburg und im gesamten Landkreis Oberhavel für eine Willkommenskultur ein. Die Initiative „Willkommen in Oberhavel“ leistet praktische Solidarität in den Städten Hennigsdorf, Gransee und Lehnitz. Am Sonnabend fand ein weihnachtliches Kaffetrinken in Lehnitz statt, um die neu angekommenen Geflüchteten zu begrüßen. Auch in Leegebrich hat sich, kurz nachdem die Unterbringung bekannt wurde, eine Willkommensinitiative gegründet.
Das Bündnis „Oberhavel Nazifrei“ mobilisiert zu Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von Parteien, Jugendorganisationen und zivilgesellschaftlichen Verbänden. Sie rufen zu einer Gegenkundgebung auf, die ebenfalls am Oranienburger Bahnhof stattfinden soll.





