Ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg soll nach dem Willen des Brandenburger Landtags nicht Preußen heißen. Das Parlament lehnte am Mittwochabend mit 59 zu 5 Stimmen einen entsprechenden Antrag der rechtsextremen DVU ab. Der Namensvorschlag wurde auch von Sozialminister Alwin Ziel (SPD) abgelehnt. Ziel hatte die Debatte in den vergangen Wochen selbst angeheizt und sich dafür ausgesprochen, das Land nach einer Fusion von Berlin und Brandenburg Preußen zu nennen.
POTSDAM Wäre es vor einer Woche nicht schon einmal so abgelaufen, wäre der gestrige Vorfall ein Novum gewesen: Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sieht sich zu einer öffentlichen Klarstellung veranlasst, weil ihn Äußerungen seines Stellvertreters in der Koalition, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), zum Reizthema Zuwanderung offensichtlich irritiert haben.
Schönbohm hatte gestern mittag kurzfristig die Presse geladen. Es sollte wieder einmal um die Zuwanderungsfrage gehen, aber auch um die Fraktionsvorstandswahl am Vortag. Als es um ein mögliches Abstimmungsverhalten im Bundesrat in der “Z‑Frage” ging, erklärte Schönbohm, dass er die vier Forderungen Brandenburgs im neuen Entwurf als nicht erfüllt ansieht; deshalb sei das Gesetz “nicht zustimmungsfähig”. Schönbohm: “Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, die ist glasklar”.
Ob die Forderungen Brandenburg erfüllt sind, genau diese Frage ist seit Tagen zwischen CDU und SPD strittig. Als Schönbohm vor einer Woche äußerte, “die Landesregierung” könne nicht zustimmen, hatte Stolpe ihn vom Urlaubsort in Tirol aus indirekt gerügt (“vorschnelle Äußerungen”) und auf den Zeitplan verwiesen: keine Entscheidung vor dem 19. März — drei Tage vor der Abstimmung im Bundesrat.
Gestern nun, knapp eine Stunde nach der Schönbohm-Äußerung, drängte es Stolpe zu den Journalisten und an die Mikrofone. Kurz davor ist Stolpe noch ein Satz von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) zu Ohren gekommen, der in München erklärte, er rechne mit einer Stimmenthaltung Brandenburgs im Bundesrat. Stolpe pochte erneut auf den mit der CDU und Schönbohm vereinbarten Zeitplan und merkte, scheinbar nebenbei, an: “Ob meine vier Forderungen erfüllt sind, das entscheide ich allein und nicht Stoiber oder sonst einer.”
So deutlich hatte er es bisher noch nicht gesagt. Im Klartext: Der Ministerpräsident behält sich als Regierungschef das letzte Wort vor. Auch im Bundesrat? Darauf geht er zwar nicht direkt ein. Aus seiner Umgebung ist aber zu hören, dass dies auch für den Bundesrat gelte. Schließlich stimme — entgegen allen anderen Beteuerungen — der Regierungschef in der Länderkammer ab — und nur der.
Verwunderung, vor allem aber Ratlosigkeit lösten Schönbohms Äußerungen in Stolpes Umfeld auch deshalb aus, weil sich die bundesweite Großwetterlage etwas entspannt hat. Möglicherweise kommt es auf Brandenburg gar nicht mehr an, sollte beispielsweise das SPD/FDP-geführte Rheinland-Pfalz nicht zustimmen.
Nun wird über die Gründe für Schönbohms neuen Vorstoß gerätselt. In der SPD gibt es die Befürchtung, die CDU könnte durch Querelen wie vor 1999 in schweres Fahrwasser geraten, was Folgen für die Koalition hätte. Und schließlich war am Vortag Schönbohms Ziehkind Sven Petke als innenpolitischer Sprecher der Fraktion durchgefallen.
Wie gefährdet die Koalition ist, darauf gaben beide Spitzenleute gestern ausweichend Antwort. Stolpe: “Ich werde nicht derjenige sein, der sie zerbricht.” Schönbohm: “Ich spekuliere nicht über ein Thema, das sich nicht stellt.”
WITTSTOCK Wer gestern in der Mittagspause “schnell mal zum Chinesen” wollte, hatte Pech. Die Woks im Hong-Kong-Imbiss in der Wittstocker Poststraße blieben kalt. Denn statt zu kochen, musste erst einmal geputzt werden. Der gesamte Geschäftsraum war gestern Früh mit einer weißen Staubschicht überzogen. In jeden Winkel hatte sich das Pulver verteilt.
Es war das Werk von Einbrechern, die in der Nacht zum Mittwoch den Imbiss heimgesucht hatten. Mit einem Feuerlöscher aus dem Hausflur wüteten sie in dem Geschäft, versprühten das Pulver sozusagen flächendeckend. “Außerdem ließen sie Getränke mitgehen, beschädigten die Kasse und stahlen 30 Euro, die sich darin befanden”, sagt der Chef des Hauses, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Auffällig: Um hinein zu gelangen, hatten die Chaoten lediglich die Tür zum Flur aufgebrochen. Sämtliche Außentüren blieben unversehrt.
Glück im Unglück: Die Einrichtung selbst wurde verschont, ebenso wie die Lebensmittel. “Dafür haben wir ein Lager”, erklärt der Geschäftsmann. So hielt sich der Schaden in Grenzen. “Es sind so etwa 500 Euro”, schätzt er.
Den Hong-Kong-Imbiss in der Poststraße gibt es seit 1994. Und in all den Jahren haben es die Geschäftsleute gelernt, mit Übergriffen und Zerstörungen zu leben. Wie oft etwas passiert ist, wissen sie selbst nicht so genau. Denn sie zählen längst schon nicht mehr mit. “Zwei Überfälle und verschiedene Einbrüche oder Beschädigungen. Insgesamt vielleicht acht Mal oder so”, meint der Chef und winkt ab.
Dennoch soll die Zwangspause so kurz wie möglich sein. “Wir wollen morgen wieder öffnen”, hieß es gestern. Um das zu schaffen, wurde den ganzen Tag über nur geputzt und aufgeräumt.
Die Polizei ermittelt — und das mit Erfolg. Es gibt erste Anhaltspunkte. “Wir haben auch schon Tatverdächtige im Visier. Sie kommen allerdings nicht aus Wittstock”, sagt dazu Kripo-Mann René Gerdewischke. Noch ist der Fall aber nicht abgeschlossen.
Tätowiertes Hakenkreuz
HENNIGSDORF Ein 31-Jähriger aus der rechtsextremen Szene, der sich seine Gesinnung auf den Leib hat «schreiben» lassen, wurde am Montagabend in Hennigsdorf (Oberhavel) vorläufig festgenommen. Polizisten hatten gerade einen Streit geschlichtet und nahmen Personalien auf, als sich der 31-Jährige plötzlich umdrehte. Er präsentierte ein auf seinen Rücken tätowiertes Hakenkreuz mit Vogelschwingen und skandierte «Deutschland den Deutschen». Gegen den einschlägig bekannten Mann mit zwei Promille, wird jetzt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
Gelungener Radiobeitrag
Gestern, 5. März, gab es im Deutschlandfunk eine recht gelungene Sendung zu linker Jugendpolitik und Kultur im Land Brandenburg. Mit dabei waren Suse vom Demokratischen Jugendform Brandenburg, die Spremberger Piraten, die Schwedter Gruppe PUKK und das Strausberger Hausprojekt Horte. Viel ging es um Aktion Noteingang und Aktion Analyse. Produziert wurde das Ganze vom Rheinischen Journalistenbüro. Hier noch einmal der Ankündigungstext vom D‑Radio:
Politisches Feature: 5.3.2002 • 19:15
Am liebsten würde ich aus Brandenburg weg …
Rechte Gewalt und jugendliche Gegenwehr
von Albrecht Kieser
Vor drei Jahren, als in Bernau ein Gambier und ein Vietnamese am helllichten Tage überfallen wurden, haben Jugendliche die “Aktion Noteingang” gegründet. Diese Aktion war als Nothilfe gegen aktuelle Angriffe gedacht: “Wenn jemand im Falle eines Übergriffs Hilfe suchend in ein Geschäft bzw. in öffentliche Gebäude flüchtet, sollte dem Hilfesuchenden solange Schutz durch die Schaffung von Öffentlichkeit geboten werden…”
Heute sind in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt zahlreiche Jugendgruppen und Bürgerbündnisse in der “Aktion Noteingang” zusammengeschlossen. Es geht ihnen nicht nur um den Schutz von Fremden, es geht ihnen auch um Jugendliche, die zur unangepassten Minderheit gehören und ebenfalls Angriffen ausgesetzt sind. Sie beteiligen sich an Diskussionen in Jugendeinrichtungen und Schulen, zu denen sie eingeladen werden, und sie organisieren eigene Veranstaltungen, Straßenfeste oder Freizeitcamps, in denen sie zum Widerstand gegen das rassistische Klima ermutigen, das nach ihrer Wahrnehmung auch in Teilen der ostdeutschen Politik und Verwaltung vorherrscht
Wer die Sendung verpasst hat, kann hier nach einem Tape fragen: Tel. 0221/345.1381; Redaktion Hintergrund Politik
Wittstocker Schläger vor Gericht
Kaum begonnen, musste der heutige Prozess gegen vier Wittstocker Nazis vorm Neuruppiner Amtsgericht auch schon wieder vertagt werden. “Ich bin nicht in der Lage, 29 Seiten Protokoll in einer halben Stunde aufzuarbeiten”, so Nazianwalt Wolfram Narath. Das Gericht hatte die Aufzeichnungen über eine vorangegangene Verhandlung erst gestern zugestellt. Die Kammer kam dem Antrag nach, die Sache zu vertagen. Am Donnerstag, 14. März, werden Sven K., die Brüder Dennis und Daniel E. sowie Karsten S. erneut vor Gericht stehen.
Gemeinsam drangen sie im Mai vergangenen Jahres in die Wohnung eines Wittstocker Jugendlichen ein. Mit dabei war auch Dennis S., der vom Jugendschöffengericht bereits verurteilt wurde. Die fünf waren auf der Suche nach dem Freund des Wohungsinhabers: Manuel, ein in der Dossestadt lebender dunkelhäutiger Jugendlicher. Sie traten die Tür ein, schlugen den Wohnungsinhaber, zerstörten Möbel und brüllten: “Wo ist der Neger?” Manuel hatte sich auf den Balkon geflüchtet doch die Nazis fanden ihn. Aus Angst versuchte er, den Balkon hinabzuklettern. Er stürzte im dritten Stock ab. Manuel ist schwer verletzt ins Krankenhaus gekommen. Das alles passierte, nachdem die fünf Täter in der Wohnung von Dennis E. gesoffen hatten, im Hintergrund lief die indizierte Naziband “Macht und Ehre”.
Am heutigen Verhandlungstag (04.03.02) machte der Staatsanwalt gar keine Umschweife. “Die Angeklagten sind der rechten Szene zuzurechnen.” Das wollten die Vier augenscheinlich auch gar nicht abstreiten. Bisher stellten sich rassistische Schläger in Prozessen selten so sehr als Nazis zur Schau. Weder auf sonst übliche saloppe Kleidung noch auf den Muttisöhnchen-Haarschnitt legte das Quartett wert. Die Glatze war bei allen frisch geschert, am Leib die klassischen Skinhead-Klamotten. Auf die Straftat eingehen wollen sie nicht. Überboten wurden die Angeklagten von ihren Kumpels, die im Publikum saßen. “Combat 18” oder “Chaos eighty eight” und “ZOG Watching” stand auf ihren Pullovern. Es kommt die Vermutung auf, dass es die Wittstocker Szene darauf anlegt, einen politischen Prozess zu führen. Das ist eine neue Qualität. Dass die Sache politisch werden soll, dafür spricht auch, dass unter anderem besagter Wolfram Narath als Verteidiger auftritt. Er ist Ex-Vorsitzender der mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend und auch im NPD-Verbotsverfahren als Anwalt tätig.
Eine rechte Herkunft zu leugnen wäre bei den Angeklagten auch unglaubwürdig. Immerhin handelt es sich bei Sven K. um denjenigen, der vor einigen Jahren einen Brandanschlag auf einen Wittstocker Döner-Imbiss verübte. Und auch nach der Jagd auf Manuel ist er wieder aufgefallen. Sven K. war dabei, als Besucher einer Naziparty sich eine Schlägerei mit der Polizei im Jugendclub Havanna lieferten. Er scheute auch nicht davor zurück, heute einen Prozessbeobachter in der Pause anzupöbeln und Schläge anzudrohen.
Dass Manuel als Nebenkläger auftreten will, war für die Verteidiger der Nazis nicht verständlich. Anwalt Janz: “Ich sehe da keinen hinreichenden Strafvorwurf.” Die Nebenklage wurde aber zugelassen.
Wie gesagt, am Donnerstag, 14. März, wird wieder verhandelt. Beginn ist um 9.15 Uhr, Saal 317 des Neuruppiner Amtsgerichtes. Als voraussichtlich weiterer Termin ist Mittwoch, 20. März, geplant. Selbe Stelle, selbe Welle. Kommt zahlreich. Lasst Manuel mit den Nazis und ihren Hackfressenfreunden nicht allein.
NEURUPPIN Der Prozess gegen Sven K., die Brüder Daniel und Dennis E. sowie Karsten St. gestern vor dem Neuruppiner Amtsgericht endete nicht wie geplant mit einem Urteil. Gerade mal die Anklage wurde verlesen.
Die wirft den vier jungen Männern im Alter von 21 bis 23 Jahren gefährliche Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor. Danach, so der Staatsanwalt, feierten die vier Angeklagten, die der rechten Szene angehören sollen, mit Gleichgesinnten in der Wohnung von Dennis E. Alkohol machte die Runde, die Musik heizte die Feiernden zusätzlich an: Musik mit fremdenfeindlichen Texten, so auch die indizierte CD “Herrenrasse” der Gruppe Macht und Ehre. Derart aufgestachelt fiel der Gruppe ein, dass bei einem Nachbarn häufig ein “Neger” zu Besuch ist. Alle waren sich einig, “dem eins auf die Fresse zu hauen”. Gesagt, getan.
Gemeinsam rannten alle in den vierten Stock zur Wohnung von Daniel A. Die geschlossene Wohnungstür wurde eingetreten. “Wo ist der Neger?”, soll Dennis St. gerufen haben. Der 18-Jährige ist dafür bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden.
Der so beschimpfte Manuel G. hatte sich aus Angst auf den Balkon geflüchtet und kletterte von dort aus auf den Nachbarbalkon. “Da ist er ja!” Dennis St. hatte den Flüchtenden entdeckt. In panischer Angst schwang sich Manuel G. über die Brüstung, um auf den darunter gelegenen Balkon zu gelangen. Doch statt in Sicherheit landete er drei Stockwerke tiefer auf dem Erdboden. Trotz seiner Verletzungen gelang ihm die Flucht.
In der Zwischenzeit wurde der Wohnungsinhaber von mindestens zwei seiner ungebetenen Gäste mit Fäusten geschlagen. Ein anderer zertrümmerte mit der Hand die Scheibe der Wohnzimmertür. Einer trat die Tür der Schrankwand ab. Dann machten sich alle auf die Suche nach Manuel G. Dennis E. mit einer Eisenstange bewaffnet, Karsten S. hatte einen Schlagring im Auto. Von diesem Tathergang geht die Staatsanwaltschaft aus. Die Angeklagten wollten sich gestern nicht dazu äußern.
Bevor der in einem Jugendverfahren bereits verurteilte Dennis St. als Zeuge aus der Haft vorgeführt werden sollte, erhielten die Verteidiger die Protokolle seiner Verhandlung. 29 Seiten in einer knappen Stunde durchzuarbeiten: Das sei eindeutig zu wenig Zeit, fanden übereinstimmend die Anwälte. Das Gericht gab ihnen Recht. Bis nächste Woche haben sie nun Zeit zum Aktenstudium. Die Verhandlung wird am 14. März fortgesetzt.
Das Forschungsinstitut der Bundesrepublik für verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen namens “Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs” wurde heute an der Potsdamer Universität Potsdam gegründet. Die Anwesenden 8 Gegendemonstranten konnten trotz Zahlenmässiger Unterlegenheit gegenüber Feldjägern, Polizei und Wachschutz ein klein wenig “reissen”.
Die Sonne geht auf über der Potsdamer Universität. Die ehemaligen Pferdeställe, nun ist dort die Caféteria sowie Matheinstitut untergebracht, erscheint im wohligschönem Gelb. Ein fast alltäglicher Morgen. Ein fast alltäglicher Morgen?
Ein paar Wachschützer mehr als sonst überblicken den Innenhof, wo der Protokollarbeamte der Universität die Hausmeister anweist, die letzten Zigaretten-Kippen in den entferntesten Ecken zu entfernen. Dieser Mann soll noch die nächsten Stunden aufgeregt den Hof auf und abrennen. Und überwachen dass für die Autos stets genug Platz ist. Aber wenden wir uns vielleicht “wichtigeren” Leuten zu.
Noch Stunden vor Veranstaltungsbeginn kommt Bewegung in die Sache. Polizei. Kriminalpolizei. Sprengstoffspürhunde. Feldjäger und noch ein paar Wachschützer.
Alle wollen dabei sein.
Und irgendwann auch die Gäste. Soldaten in schmucken Uniformen. Viele Soldaten. Soldaten aus In- und Ausland. Heer-Marine-Luftwaffe. Es müssen um die 200 gewesen sein. Ein paar wenige Professoren. Erstaunlich wenige Professoren. Obwohl es auch kein Wunder war — denn nur sehr wenige von ihnen waren eingeladen worden. Studenten? Hat ein Institut an einer Universität mit Studenten zu tun? Anscheinend nicht. Dann war es wohl gerechtfertigt, diese nicht einzuladen. Überhaupt wurde um diese Feier ein großes Geheimnis gemacht. Keinerlei Information im voraus durch die Universität an irgendjemanden, der nicht eingeladen war. Sperrung der Cafeteria erst heute mitgeteilt.
Dennoch wird versucht, einen normalen Betrieb zu gewährleisten. Keine Absperrungen. Keine Personenkontrollen und Straßenbarrikaden schon hunderte Meter vom Campus entfert. Man erinnert sich an den Tag zurück an dem hier auf dem Ehrenhof des Neuen Palais das Gelöbnis stattfand. Man hat dazugelernt. Oder den Widerstand richtig eingeschätzt. Diesmal bleiben keine Kinder alleine in der Kita, weil die Eltern sie nicht abholen können. Diesmal gibt es keine total verstörten ausländischen Erstsemestler, deren erster Studientag in rüdester Art und Weise es erscheinen ließ, als ob Deutschland eine Militärdiktatur wäre. Diesmal keine Hunderte Mitarbeiter und Studenten, die nicht zu ihrer Arbeit und Veranstaltungen kamen.
Nein. Es bleibt ruhig.
Eine kleine Gruppe von Studenten, die später auf 8 Personen anwachsen wird, hängt vor den Augen der Polizei, die vor hinter und seitlich von ihnen steht ein paar Plakate an den Zaun des Universitätsgeländes. Ein Wachschützer kommt. Diskutiert. Geht. Ruft die Polizei, und es wird sich mit den Polizisten drauf geeinigt, die Plakate ein paar Meter entfernt an einem Baum, ausserhalb des Unigeländes aufzuhängen. Aber vielleicht ist “Achtung Militärischer Sperrbereich, Universität Potsdam” und “Hier trifft sich die Welt-Kriegs-Elite” doch ein wenig zu hart, für die netten Herren (ausser der Gründungsprofessorin, und ein paar weiblichen Fotographen, und einer größeren Gruppe von Hostessen, waren fast keine Frauen da). Man könnte fast sagen, dass unter den Gegendemonstranten etwa soviele Frauen waren, wie Frauen an der Veranstaltung als Gäste teilnahmen. Einer der Sprüche wird von Polizei sofort nach zurückwechseln der Gegendemonstranten zum Veranstaltungsort entfernt. Der andere hält noch eine Gnadenstunde.
Stichwort Gegendemonstranten. Die nächsten Aktionen stehen auf dem Plan — doch vorher kommt noch Besuch von den netten Herren in Grün. Ihre Identität wird aufgenommen — denn Herr Schönbohm hatte angeordnet, dass der Campus ein “gefährlicher Ort” sei. Und somit sei von den Plakataufhängern Namen und Anschrift aufzunehmen, weil es möglich wäre, dass sie Straftaten begingen.
Um 12 Uhr sind die meisten Gäste im Audimax. Nur noch Herr Scharping (Bundesminister der Verteidigung) und Herr Robertson (Generalsekretär der NATO) fehlen. Die Presse wartet draussen gespannt — oder besser gesagt, man langweilt sich. Es ist also anscheinend die beste Zeit für eine Protestaktion. Zwei Plakate werden ausgepackt: “Krieg ist scheisse” und “Kriegsminister wollen wir nicht”. Die Presse stürzt sich drauf. Etwa 15 Fotographen und 2 Kamerateams. Den Protestierern ist sichtlich unwohl. Und nach einiger Zeit stecken sie die Plakate wieder ein.
Weiteres warten. Warten. Und dann erscheinen die Limousinen des Verteidungsministers. Er bequemt sich, im Gegensatz zum später kommenden Robertson, auch einen größeren Weg zu Fuss zu gehen. Schnell werden die Plakate wieder ausgekramt und in seine Richtung gehalten. Er liest “Krieg ist scheisse”. Und sein Kommentar — die Gegendemonstranten sind bei späteren Befragungen nicht sicher, die eine Hälfte verstand “Stümper”. Was sehr trocken und unheimlich cool rüberkommt. Und ein Kommentar der bei der mangelnden Kunstfertigkeit und dem handgemalten Schildern, sowie der geringen Anzahl der Teilnehmer dieser spontanen Kundgebung, auch sehr verständlich ist. Doch vielleicht hat er auch einfach nur “Stimmt” gesagt.
Herr Robertson der lange danach kommt, denn zu diesem Zeitpunkt landet gerade sein Flugzeug, und Hubschrauber und Limousinenkolonnen brauchen trotz Diplomatischer Imunität gegenüber Verkehrspolizisten auch eine gewisse Weile, wird nicht ganz so souverän sein. Er sieht die Gruppe von jungen Leuten — und winkt ihnen zu und spricht ein fröhliches “hello” — worauf diese in Lachen ausbrechen.
Ein Lachen was schnell in Staunen übergeht, denn nach dessen Verschwinden im Gebäude beginnt seine Kolonne auf dem kleinen Innenhof des Matheinstitutes eine Halbrunde — in irrwitziger Geschwindigkeit und ganz im Gegensatz zu den 2 Stunden Wartezeit, die die Fahrer jetzt dort verbringen müssen.
Insgesamt, so scheint es, dass die Öffentlichkeitswirksamkeit einer Aktion von nur sehr wenigen Leuten doch noch besser gewesen zu sein, als dies oft bei einer Friedensdemonstration der Fall ist (Zeitungsnotiz: “gestern nachmittag blockierte eine Demonstration den Verkehr in Innenstadt, aufgrund weitläufiger Umleitungen kam es jedoch zu keinen großen Verspätungen im Busverkehr”).
Zum Nachmachen empfohlen.
epd/dpa Potsdam — Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Rechtsextremisten hat sich im vergangenen Jahr gegenüber 1999 mehr als verdoppelt. Nach einer gestern in Potsdam vorgestellten Bilanz des Justizministeriums für 2001 wurden 3210 Ermittlungsverfahren in diesem Bereich gezählt, darunter 201 Verfahren wegen Körperverletzung. Vor drei Jahren lag die Zahl dieser Verfahren noch bei 1561, darunter 126 Verfahren wegen Gewalttaten gegen Menschen. Hintergrund sei die zunehmende Verfolgung von Propagandadelikten wie Hakenkreuz- Schmierereien und die größere Aufmerksamkeit gegenüber rechten Straftaten, sagte Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg. Während 1999 in 1217 Fällen wegen rechtsextremer Propagandadelikte Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, waren es im vergangenen Jahr 2586 Verfahren. Bei den Delikten mit rechtsextremistischem Hintergrund wurde 2001 gegen insgesamt 3382 Tatverdächtige ermittelt, darunter befanden sich 1348 Jugendliche und 1060 Heranwachsende. Während im Jahr 2000 noch 77 besonders schwere Gewaltdelikte von den Staatsanwaltschaften gemeldet wurden, seien es im vergangenen Jahr noch 43 Fälle gewesen.
Als im Bundesvergleich besonders hoch bezeichnete Justizminister Kurt Schelter (CDU) den Anteil jugendlicher Tatverdächtiger bei Straftaten. Mit rund 26 500 von insgesamt 97 000 Tatverdächtigen seien knapp 29 Prozent der mutmaßlichen Täter 21 Jahre und jünger, im Bundesdurchschnitt seien es hingegen knapp 22 Prozent.
Indes ist das Land Brandenburg laut Schelter bundesweit führend bei der Arbeit mit Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften. Alle Staatsanwaltschaften des Landes hätten solche Ermittlungsstellen zur Bekämpfung spezieller Kriminalitätsformen, darunter als bundesweit erste jene für Internet-Kriminalität und für die Verbindung zwischen Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Im vergangenen Jahr sei die durchschnittliche Ermittlungsdauer weiter gesenkt worden.
Aus Anlass von Angriffen Rechter am Abend des 22.02.2002 in der Frankfurter Innenstadt rufen antifaschistische Gruppen zu einer Demonstration in Frankfurt (Oder) auf.
Rückblick:
Am Abend des 22.02.2002 kam es in der Innenstadt zu einem Angriff zahlreicher Rechter auf alternative Jugendliche. Dabei wurden mehrere Personen verletzt, eine von ihnen so schwer, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Das Polizeiverhalten stieß in der Öffentlichkeit auf Kritik. Die Polizei verhielt sich sehr passiv und konnte den Schutz der Betroffenen nicht gewährleisten. Auch noch in der Nacht kam es so zu regelrechten Hetzjagden auf junge Menschen. ZeugInnen, die auf der Polizeiwache erschienen waren, wurden nicht ernst genommen und wüst beschimpft. Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt hat deshalb eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.
Nazis überfallen Hip Hopper in Frankfurt (Oder)
(Eigenbericht, 23.02.)
Frankfurt (Oder): Schwere Verletzungen nach Angriff durch rechte Jugendliche
(Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt , 26.02.)
Zwei Jugendliche nach Überfällen in Haft
(BZ, 26.02.)
Die Demonstration, die unter dem Motto: „Für die Freiheit, für das Leben! – Nazis von der Straße fegen!“ steht, beginnt um 19.00 Uhr am Dresdener Platz (in der Nähe vom Bahnhof: über den Vorplatz und links durch den Tunnel) und führt zum Brunnenplatz, wo sie nach mehreren kulturellen Events gegen 22.00 Uhr endet.
Kommt zahlreich nach Frankfurt!
Beats and boards against fascism!
Fight back!