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(Anti-)Rassismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Nazi-Veranstaltung in Wietstock – SS Angehöriger eingeladen

Infori­ot – Am Sam­stag, den 16. Mai fand eine Nazi-Ver­anstal­tung in Wiet­stock nähe Lud­wigs­felde (Tel­tow-Fläming) statt. Ein­ge­laden war ein ehe­ma­liges Mit­glied der SS, das über seine Tätigkeit­en während des Nation­al­sozial­is­mus bericht­en sollte. Geplant war außer­dem die Vorstel­lung eines Buch­es mit dem Titel „Alles nur getürkt“, in dem die „Lügen“ von Mölln, Solin­gen und Ros­tock Licht­en­hagen „ent­tarnt“ wer­den soll­ten. In diesen Städten fan­den Anfang der 90er Jahre Pogrome und Bran­dan­schläge auf Woh­nun­gen von Migrant_innen und so genan­nte Asyl­be­wer­ber­heime statt, wobei mehrere Men­schen starben.

Aus Angst vor Repres­sion und Gegen­protesten, wurde die Ver­anstal­tung nicht öffentlich bewor­ben: Es wurde stattdessen zu einem inter­nen Schleusungspunkt nach Blanken­felde, dem Wohnort des Organ­isators Dirk Rei­necke, geladen. Geschniegelt in Anzug und mit blauem VW-Bus nahm Rei­necke diejeni­gen in Empang, die sich an den Aus­führung des Alt­nazis inter­essiert zeigten. Von Blanken­felde aus, ging es dann in eine Gast­stätte im ca. 12 km ent­fer­n­ten Wiet­stock. Der Wirt der Gast­stätte „Stixx Wiet­stock“ soll nach Aus­sage Rei­neck­es „ein­er von uns“ – also ein Nazi — sein.

Etwa 60 bis 80 Teil­nehmer kamen schließlich um den SS-Vet­er­an zu erleben: Viele aus Tel­tow Fläming, u.a. Denis Här­tel von den Freien Kräfte Tel­tow Fläming, aber auch aus Berlin und weit­en Teilen Bran­den­burgs: Brandenburg/Havel und den Land­kreisen Dahme-Spree­wald, Oder-Spree, Pots­dam-Mit­tel­markt, Barn­im und Havel­land. Bei der Ver­anstal­tung war auch Alfred Zutt aus Waren an der Müritz (Meck­len­burg Vor­pom­mern). Er betreibt dort gemein­sam mit sein­er Frau Doris den Naziladen „Zutts Patri­o­ten­tr­e­ff“. Die NPD´lerin Doris Zutt trat in Waren bere­its vor Jahren zur Wahl der Ober­bürg­er­meis­terin an. Auch der Lan­deschef der Berlin­er NPD, Jörg Häh­nel, nahm an der Ver­anstal­tung teil. Bere­its im März 2009 sollte im „Stixx Wiet­stock“ ein Lieder­abend mit Häh­nel stat­tfind­en.
Auch die Polizei war heute vor Ort und nahm die Per­son­alien aller Anwe­senden auf, ohne die Ver­anstal­tung jedoch zu beenden.

Organ­isator Dirk Rei­necke ist bekan­nt als so genan­nter Reichs­bürg­er und Holo­caustleugn­er u.a. durch Prozesse in Bernau. Hier hat­te Rei­necke 2004 zusam­men mit Gerd Wal­ter, Rain­er Link und Wolf­gang Hack­ert vor ein­er Schule in Bernau Flug­blät­ter verteilt und darin den Holo­caust geleugnet. Unter­stützt wur­den sie während der Prozesse durch den bekan­nten Holo­caustleugn­er Horst Mahler und Sylvia Stolz, die vor kurzem den Hit­ler­gruß zeigte, als sie zu ein­er Haft­strafe verurteilt wurde. Die Reichs­bürg­er sehen sich als „kom­mis­arische Reich­sregierung“, des für sie noch exis­ten­ten deutschen Reich­es. 2008 wur­den Rei­necke und co für die Leug­nung des Holo­caust zu Geld­strafen und Bewährungsstrafen verurteilt.

 

Här­tel, Aktivist der Freien Kräfte Tel­tow Fläming, ist Anmelder ein­er geplanten Neon­azi-Demon­stra­tion am kom­menden Sam­stag in Luck­en­walde. Ein Bünd­nis aus linken Grup­pen plant mit diversen Aktio­nen und ein­er Gegen­demon­stra­tion am 23. Mai gegen den recht­en Aufzug vorzuge­hen. Weit­ere Infor­ma­tio­nen unter www.linker-flaeming.de.vu

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(Anti)militarismus Bildung & Kultur

Bernau: Bundeswehr in Gymnasium gestört

Am 15. Mai wurde zum Protest nach Bernau bei Berlin gerufen. In einem dor­ti­gen Gym­na­si­um fand eine Aus­bil­dungs- und Stu­di­en­börse statt, auf der zahlre­iche Aussteller, darunter Rüs­tungskonz­erne, die Polizei und eben auch die Bun­deswehr, Kinder und Jugendliche für sich begeis­tern wollten.

 

Die öffentliche Mobil­isierung in Zeitun­gen (unter anderem taz) und im Inter­net (Indy­media, antimil.blogsport.de) führten dazu, das die Ver­ant­wortlichen unruhig wur­den und schon frühzeit­ig die Polizei ein­schal­teten. Am 15. Mai bot sich dann in und um die Bernauer Lohmüh­len­straße das fol­gende Bild: Es gab eine mas­sive Polizeipräsenz, zahlre­iche Polizeifahrzeuge um das Schul­gelände, zahlre­iche zivile und uni­formierte Polizei in der Schule. Außer­halb des Schul­gelän­des gab es einen kleinen Info­s­tand, auf dem Flug­blät­ter, Zeitun­gen, Broschüren und CDs gegen die Bun­deswehr, gegen deren Rekru­tierungsver­suche und für Musterungsver­weigerung auslagen.

Seit Jahren gibt es Proteste gegen die Bun­deswehr bei dieser Bernauer Ver­anstal­tung. In diesem Jahr war die Bun­deswehr, anders wie ursprünglich vorge­se­hen, nicht mit ihrem Info-Truck vor Ort. Ein­er ihrer Info-Trucks wurde schließlich einige Tage zuvor in Heil­bronn abge­fack­elt. Die Bun­deswehr hat­te Angst und zog sich in einen Klassen­raum zurück, wo sie nur einen Tisch hat­te, zusam­men mit bzw. neben der Bun­de­spolizei. Auf den Tis­chen in den Fluren und im Lichthof der Schule lagen Infor­ma­tions­blät­ter, die sich gegen die Präsenz der Bun­deswehr aussprachen.

Ähn­lich wie bei anderen angekündigten Protesten gegen Bun­deswehr-Rekru­tierungsver­anstal­tun­gen in Arbeit­sämtern beschränk­te die Bun­deswehr ihre Präsenz aufs nötig­ste und verzichtete auf das Brim­bo­ri­um der Vor­jahre. Die Ver­ant­wortlichen hat­ten Bedenken, dass es zu Auss­chre­itun­gen am Stand der Bun­deswehr kommt und auch, dass die Bun­deswehr schlechte Presse erhält.

Wer die Bun­deswehr ein­lädt, muss damit rech­nen, seine Ver­anstal­tun­gen nur mit mas­siv­er Polizeipräsenz durch­führen zu kön­nen. Dass die Bernauer Stu­di­en- und Aus­bil­dungs­börse zu ein­er Polizeimesse wurde — und dies in den näch­sten Jahren bleiben wird — ist Anti­mil­i­taristin­nen und Anti­mil­i­taris­ten zu ver­danken, die es nicht ein­se­hen, dass die Bun­deswehr in Schulen für die Aus­bil­dung zum Krieg wirbt.

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Antifaschismus

Rechtsrockkonzert am 1. Mai in Biesenthal

Biesen­thal — Am 1. Mai hat es ein Recht­srock­konz­ert im von der NPD Barn­im-Uck­er­mark (BUM) genutzten ehe­ma­li­gen Stasigelände in Biesen­thal vor über 100 Nazis gegeben. Das geht aus einem Forum­sein­trag im inter­na­tionalen Nazi-Forum “thiazi.net” her­vor. Dabei sollen drei Recht­srock-Bands aufge­treten sein: “Star­garder Jungs”, “Täter­volk” und “Exzess”.

Aus dem Thread oder Diskus­sion­sstrang “Sol­i­dar­ität­sKonz­ert am 1. Mai” geht eben­falls her­vor, dass die Polizei vor Ort war und die Fahrzeuge der anreisenden Recht­sex­trem­is­ten kon­trol­liert hat. Dabei sollen auch Musikin­stru­mente beschlagnahmt wor­den sein. Das Konz­ert habe aber trotz­dem stattge­fun­den, heißt es in dem Forum­sein­trag weit­er, “Trotz all der Schikane schafften die Grün Weis­sen es doch nicht alle Instru­mente sich­er zu stellen und so war der Abend gesichert.”

In den Pressemit­teilun­gen des Schutzbere­ich­es Barn­im fand sich allerd­ings kein Hin­weis auf den Ein­satz in Biesen­thal. Die Sprecherin der Polizei des Schutzbere­ich­es Barn­im, Mar­ti­na Schaub, bestätigte jedoch gegenüber “gegenrede.info” Verkehrskon­trollen in Biesen­thal am 1. Mai nach­dem man Per­so­nen­zu­lauf auf das Objekt fest­gestellt habe. Sie bestätigt auch, dass im Zuge der Gefahren­ab­wehr Musikin­stru­mente beschlagnahmt wur­den. Ob es wirk­lich zu einem Konz­ert gekom­men sei, könne sie nicht sagen. Die Beamten hät­ten keine Musik wahrgenom­men. Während im Thread von 150 Anwe­senden geschrieben wird, spricht die Polizei von knapp über 100 Per­so­n­en, die das ehe­ma­lige Stasigelände betreten haben.

Das Recht­srock­konz­ert ist nach der Geburt­stags­feier der Kam­er­ad­schaft Märkisch Oder Barn­im (KMOB) am 21. März diesen Jahres, das zweite größere Tre­f­fen von Recht­sex­trem­is­ten auf dem ehe­ma­li­gen Stasigelände in Biesenthal.

Das Gelände, das früher von der Stasi und nach der Wende durch den Kreis Barn­im als Asyl­be­wer­ber­heim genutzt wurde, gilt schon seit let­ztem Früh­jahr als Opjekt recht­sex­trem­istis­ch­er Begier­den. Möglich­er Pächter oder zukün­ftiger Eigen­tümer wird nach jet­zigem Wis­sens­stand allerd­ings nicht die NPD sein. “Das Gelände ist von ein­er Dev­as­ta GmbH in Grün­dung gepachtet wor­den. Geschäfts­führer ist der ehe­ma­lige NPD-Kreis­chef von Barn­im-Uck­er­mark Mike Sandow”, so Biesen­thals Bürg­er­meis­ter André Stahl.

Um die Sor­gen und Äng­ste der Ein­wohn­er Biesen­thals zu vertreiben, hat­te sich die Dev­as­ta GmbH im let­zten Jahr in einem Flug­blatt an die Öffentlichkeit gewandt. Unter der Über­schrift “Ein offenes Wort zum ehe­ma­li­gen Asyl­be­wer­ber­heim in Biesen­thal” ver­suchte die ihren Namen nicht nen­nende “Geschäft­sleitung” zu vernebeln: “Zu keinem Zeit­punkt war oder ist die NPD Eigen­tümer, Mieter oder Pächter der Immo­bilie im Erich-Müh­sam-Weg und es fan­den auch keine ‚NPD-Ver­anstal­tun­gen’ statt. Entsprechend kann die NPD auch kein ‘Schu­lungszen­trum’ errichtet oder geplant haben.”

Unab­hängig davon, wie die Eigen­tumsver­hält­nisse wirk­lich sind, die NPD BUM kann das Grund­stück jed­erzeit nutzen und tut das auch, um den jun­gen Kam­er­aden, auf die sie ja im kom­menden Wahlkampf angewiesen ist, einen Platz zum Feiern zu bieten.

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Antifaschismus

Erinnerung an den Tag der Befreiung

Am 8. Mai 1945 brach mit der Gesamtka­pit­u­la­tion der faschis­tis­chen Achse vor den Vertretern der alli­ierten Stre­itkräfte in Europa auch die nation­al­sozial­is­tis­che Dik­tatur in ihrem noch verbliebe­nen Macht­bere­ich zusam­men. Die Herrschaft des Faschis­mus, in der deren Vertreter durch ihrer ver­brecherische Ide­olo­gie das Leben von mil­lio­nen Men­schen als min­der­w­er­tig betra­chteten und es ihnen durch ihren weltan­schaulich bed­ingten Gewalt­fetis­chis­mus sowie Mordlüstern­heit nah­men, war damit beendet.

Zu Recht wird der 8. Mai deshalb noch heute als Tag der Befreiung im gesamten europäis­chen Raum began­gen, an dem den Gefal­l­enen der alli­ierten Stre­itkräfte eben­so gedacht wird, wie den Opfern der faschis­tis­chen Diktaturen.

Im Gel­tungs­bere­ich des Grundge­set­zes wurde sich, auf­grund der poli­tis­chen Entwick­lung während des so genan­nten “Kalten Krieges”, lange Zeit schw­er getan, dass Ende der Nation­al­sozial­is­ten sowie deren Helfern als befreien­den Akt zu werten. Lange Zeit wurde mit dem 8. Mai vor allem ein Tag der Nieder­lage verbunden.

Erst 1985, anlässlich des 40. Jahrestages, erkan­nte das dama­lige Staat­sober­haupt der Bun­desre­pub­lik den 8. Mai als “Tag der Befreiung” an.

Im Bere­ich der neuen Bun­deslän­der wurde jedoch, auf­grund der anderen poli­tis­chen Entwick­lung, dem 8. Mai von Anfang an eine dem Anlass angemessene Erin­nerung zu gedacht. Hier war der “Tag der Befreiung” zeitweise sog­ar geset­zlich­er Feiertag, an dem gemein­sam mit Vertretern der Roten Armee, welche die Haupt­last des Krieges gegen den Faschis­mus trug, den für die Frei­heit Gefal­l­enen sowie den Opfern des Faschis­mus gedacht wurde.

Noch heute wird ihr Andenken, so auch in Prem­nitz und Rathenow am gestrige Tage, durch die erbracht­en Ehrerweisun­gen gewahrt. In den bei­den Städten gehört es nach wie vor zur Tra­di­tion am 8. Mai den Opfern des Faschis­mus sowie den Gefal­l­enen der Roten Armee durch Ver­anstal­tun­gen an sym­bol­is­chen Orten zu gedenken und durch Kranznieder­legun­gen zu würdigen.

In ihrem Rede­beitrag am Denkmal der Opfer des Faschis­mus in Prem­nitz warnte die Kreistagsab­ge­ord­nete Susanne Meier (Die Linke) im Hin­blick auf die jüng­sten Ereignisse in der Region zudem auch vor (neo)nazistischen Ten­den­zen in der heuti­gen Gesellschaft und ent­larvte das ein­seit­ige Erin­nerungsver­mö­gen deren Anhänger als Tak­tik, um die Ver­brechen der Nazi Dik­tatur zu rel­a­tivieren. Passend zum Tag der Befreiung kündigte die Abge­ord­nete, die gle­ichzeit­ig in einem lokalen Aktions­bünd­nis gegen (Neo)nazis aktiv ist, im Hin­blick auf diese Erschei­n­un­gen ein entschlossenes Vorge­hen und einen Kampf mit allen demokratis­chen Mit­teln an. 

Denn “der Sieg der Alli­ierten über die Bar­barei”, so ein weit­er­er Red­ner zur Zer­schla­gung des NS Sys­tems vor 64 Jahren, ist ein Ereig­nis “das uns den Opti­mis­mus ver­lei­ht, uns auch in der heuti­gen Zeit gegen neue Nazis zu behaupten.”

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

270 bei Feier und Gedenken in Bernau zum 8.Mai

Bernau – Etwa 270 Men­schen feierten und gedacht­en dem 8. Mai – dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus.

Organ­isiert und aufgerufen hat­ten die Bernauer Linkspartei, das Bernauer Net­zw­erk für Tol­er­anz und Weltof­fen­heit, der Jugendtr­e­ff Dos­to und die Antifaschis­tis­che Aktion Bernau.

Im Aufruf der Antifa Bernau hieß es: „Für uns gilt es, am 8. Mai an die Opfer der schreck­lichen Tat­en der Nation­al­sozial­is­ten zu erin­nern.“ Eben­so, so heißt es weit­er, sei es ein Anlass „den Frauen und Män­nern der Roten Armee und der alli­ierten Stre­it­macht für die Zer­schla­gung Nazi-Deutsch­lands zu danken und die Befreiung vom deutschen Faschis­mus zu feiern.“

In drei Sta­tion teilte sich die Ver­anstal­tung. Die Kundge­bung begann am Denkmal für die Gefall­en der Roten Armee mit musikalis­chen Beiträ­gen des deutsch-rus­sis­chen Chors Kalin­ka. Dag­mar Enkel­mann (MdB, die Linke) erin­nerte an die Befreiung Bernaus am 20/21.April und nahm Bezug zu aktuellen Gefahr des Recht­sex­trem­is­mus, in dem sie ein Ver­bot der anti­demokratis­chen und recht­sex­tremen NPD fordert. Ein­ge­laden war außer­dem ein Mil­itärat­ache der rus­sis­chen Botschaft. Er erin­nerte an die rus­sis­chen Sol­dat­en, die ihr Leben im Kampf für die Frei­heit ließen. Danach ging es weit­er zum Deser­teur­denkmal, auf der gegenüber­liegen­den Straßen­seite. Dort erin­nerten Mit­glieder des Net­zw­erkes für Tol­er­anz und Weltof­fen­heit an jene Kriegs­di­en­stver­weiger­er, die gefoltert und ermordet wur­den. Sie forderten „Nie wieder Faschis­mus, Nie wieder Krieg!“. Zum Abschluss feierten die Anwe­senden, bei strahlen­dem Son­nen­schein, auf dem Mark­t­platz mit Sekt und Kuchen.

Eine Gedenkkundge­bung anlässlich des 8.Mai gibt es seit vie­len Jahren, die Idee diesem Tag auch eine feier­lichen Charak­ter zu geben, stieß zu Beginn auf Ver­wun­derung“, sagt Maria Buch­heim, Press­esprecherin der Antifa Bernau. Mit­tler­weile im drit­ten Jahr, sei das Festessen zu ein­er Tra­di­tion geworden.

Für die noch leben­den Jüdin­nen und Juden, Sin­ti und Roma, poli­tis­chen und religiösen Ver­fol­gten, Zwangsarbeiter_innen, Widerstandskämpfer_innen und eben­so Sol­dat­en und Ange­höri­gen der alli­ierten und sow­jetis­che Armeen ist die bedin­gungslose Kapit­u­la­tion Deutsch­lands und das Ende das Drit­ten Reich­es, das Ende von Massen­mord, Depor­ta­tio­nen, Unter­drück­ung und Verfolgung.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Am 23.05.: Gemeinsam gegen Nazis in Luckenwalde

Am 23.Mai, dem Tag des Grundge­set­zes, wollen Neon­azis aus dem mil­i­tan­ten
Spek­trum der freien Kam­er­ad­schaften eine Demon­stra­tion in Luck­en­walde,
wenige Kilo­me­ter südlich von Berlin durch­führen. Diese faschis­tis­che
Demon­stra­tion ist der vor­läu­fige Höhep­unkt ein­er beson­ders
aktion­sori­en­tierten mil­i­tan­ten Neon­aziszene in Tel­tow-Fläming. Nach­dem am
Anfang des Jahres die Freien Kräfte Tel­tow-Fläming mehrfach
Gedenkver­anstal­tun­gen zur Shoah in der bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Zossen
gestört haben und durch mehre Sprühereien auf sich aufmerk­sam gemacht
haben, wollen sie nun ihre men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie nach Luck­en­walde
tra­gen. Unter dem Mot­to „60 Jahre Lüge sind genug! Schluss mit diesem
Volks­be­trug“ mobil­isieren die freien Kräfte bun­desweit. Der Aufruf, der
vom ange­blichen „Betrug am deutschen Volk“ schwadroniert, ent­larvt die
anti­semi­tis­che und geschicht­sre­vi­sion­is­tis­che Wah­n­welt der Neon­azis, und
belegt außer­dem die enge Zusam­me­nar­beit zwis­chen jun­gen Neon­azis und den
ein­schlägig bekan­nten Berlin­er Reichs­bürg­ern Rain­er Link und Gerd Wal­ter,
die sich eben­falls in Berlin­er Umland niederge­lassen haben. Angemeldet
wurde die Demon­stra­tion, die vom Bahn­hof Rich­tung Innen­stadt und wieder
zurück­ge­hen soll von dem bekan­nten Neon­azi und Mit­glied der Freien Kräfte
Den­nis Här­tel. Dieser geht derzeit von 300 Teil­nehmern aus, die in
Luck­en­walde ihr Unwe­sen treiben wollen.

Aus diesem Grund hat sich das spek­trenüber­greifende antifaschis­tis­che
Bünd­nis „Link­er Fläming Unit­ed“ gegrün­det, welch­es sich unter dem Mot­to:
„Gemein­sam gegen Nazis – Kein Ort für die Ver­drehung der Geschichte!“ den
Neon­azis an diesem Tag ent­ge­gen­stellen will.

Wir kön­nen Sie aufhal­ten! Lassen wir es nicht zu, dass sich Neon­azis im
Berlin­er Hin­ter­land bre­it machen! Lassen wir es nicht zu, dass die Freien
Kam­er­ad­schaften in Bran­den­burg in aller See­len­ruhe ihre
men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie ver­bre­it­en kön­nen. Set­zten wir ihnen aktiv­en
und bre­it­en Wider­stand ent­ge­gen und putzen wir die Nazis auch von
Luck­en­walden­er Straßen.

Kommt deshalb alle am 23.Mai um 11 Uhr nach Luck­en­walde! Beteiligt euch
dort an unser­er großen Bünd­nis­de­mo und nutzt die dezen­tralen
Kundge­bung­sorte, um euren antifaschis­tis­chen Protest Aus­druck zu
ver­lei­hen!

Kein ruhiges Hin­ter­land für Faschis­ten!
Am 23.Mai Neon­azis kreativ und offen­siv entgegentreten!

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Vom Opfer zum Täter gemacht

Notwehr­fonds: Spendenkam­pagne wird ausgesetzt

Die Opfer­per­spek­tive hat am 7. Mai einen Spende­naufruf ges­tartet, um Musa E. bei ein­er Beru­fungsver­hand­lung eine Vertei­di­gung zu ermöglichen. Diesen Aufruf haben wir heute zurück­ge­zo­gen, denn durch die Beiord­nung eines Pflichtvertei­di­gers wer­den die Kosten von der Staatskasse getra­gen. Es wer­den zunächst keine Spenden benötigt.

Musa E. war zu fünf Monat­en Haft auf Bewährung verurteilt wor­den, weil er sich gegen die Bedro­hung sein­er Fam­i­lie durch rechts ori­en­tierte Jugendliche zur Wehr geset­zt hat­te. Er hat sich entsch­ieden, das Urteil des Amts­gerichts Pots­dam anzufecht­en. Die Opfer­per­spek­tive unter­stützt ihn dabei.

In einem Spende­naufruf schrieben wir gestern, dass ein Pflichtvertei­di­ger nicht beige­ord­net wor­den sei, daher wür­den etwa 5.000 Euro benötigt, um das Urteil anzufecht­en. Dabei stützten wir uns auf die Angaben des Anwaltes; dieser teilte uns heute mit, dass er seine Beiord­nung überse­hen habe.

Wir danken allen, die ihre Unter­stützung für Her­rn E. zeigen. Wir wer­den Sie weit­er­hin informieren. Wir hof­fen auf einen Freis­pruch. Sollte Musa E. aber vor dem Landgericht tat­säch­lich verurteilt wer­den, wird er erhe­bliche Gerichts- und Anwalt­skosten zu tra­gen haben. In diesem Fall wür­den wir Sie erneut um Spenden bitten.

Pots­dam, 8.5.2009

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Vom Opfer zum Täter gemacht

Pots­dam — Musa E. wurde verurteilt, weil er sich gegen einen ras­sis­tis­chen Angriff auf seine Fam­i­lie zur Wehr set­zte: Fünf Monate Haft auf Bewährung. Der Kurde hat gegen das Urteil des Amts­gerichts Pots­dam Beru­fung vor dem Landgericht eingelegt.

Was wür­den Sie tun, wenn junge Män­ner gegen Ihre Woh­nungstür schla­gen und Ihre Fam­i­lie bedro­hen? Frau E. rief die Polizei, zwei Mal. Die kam aber erst eine halbe Stunde später. Rechte Jugendliche waren in das Haus einge­drun­gen, in dem die kur­dis­che Fam­i­lie wohnt, häm­merten an die Tür, brüll­ten »Scheiß-Aus­län­der« und »Wir fick­en Dich«. Ihr Ehe­mann, der Schweißer Musa E., jagte die Jugendlichen mit einem Tis­chbein die Treppe hin­unter, wobei ein Angreifer leichte Ver­let­zun­gen an Schul­ter und Unter­arm erlit­ten haben soll.

Wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung wurde der Fam­i­lien­vater zu fünf Monat­en Haft auf Bewährung verurteilt. Notwehr kon­nte das Amts­gericht Pots­dam nicht erken­nen, und von einem ras­sis­tis­chen Angriff könne keine Rede sein. Die Jugendlichen hät­ten lediglich »eine Sache klären« wollen.

Musa E. hat Beru­fung eingelegt.

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Notwehrfonds für Opfer rechter Gewalt gegründet

Pots­dam — Musa E. wurde verurteilt, weil er sich gegen einen ras­sis­tis­chen Angriff auf seine Fam­i­lie zur Wehr set­zte: Fünf Monate Haft auf Bewährung. Das Ver­fahren gegen die Angreifer wurde eingestellt. Die Opfer­per­spek­tive bit­tet um Spenden für die Beru­fungsver­hand­lung: 5.000 Euro für das Recht auf Notwehr.

Was wür­den Sie tun, wenn junge Män­ner gegen Ihre Woh­nungstür schla­gen und Ihre Fam­i­lie bedro­hen? Frau E. rief die Polizei, zwei Mal. Die kam aber erst eine halbe Stunde später. Rechte Jugendliche waren in das Haus einge­drun­gen, in dem die kur­dis­che Fam­i­lie wohnt, häm­merten an die Tür, brüll­ten »Scheiß-Aus­län­der« und »Wir fick­en Dich«. Ihr Ehe­mann, der Schweißer Musa E., jagte die Jugendlichen mit einem Tis­chbein die Treppe hin­unter, wobei ein Angreifer leichte Ver­let­zun­gen an Schul­ter und Unter­arm erlit­ten haben soll.

Wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung wurde der Fam­i­lien­vater zu fünf Monat­en Haft auf Bewährung verurteilt. Notwehr kon­nte das Amts­gericht Pots­dam nicht erken­nen, und von einem ras­sis­tis­chen Angriff könne keine Rede sein. Die Jugendlichen hät­ten lediglich »eine Sache klären« wollen.

Spendenkam­pagne

Der Vere­in Opfer­per­spek­tive will 5.000 Euro Spenden für Anwalts- und Gericht­skosten sam­meln, damit Musa E. das Urteil anfecht­en kann. Denn die Beiord­nung eines Pflichtvertei­di­gers wurde abgelehnt, obwohl dem Hartz IV-Empfänger eine erhe­bliche Strafe droht.

Wir bit­ten um Spenden unter dem Stich­wort »Notwehr«:

Spendenkon­to 3813100

Opfer­per­spek­tive

Bank für Sozialwirtschaft

Blz 10020500

Alle Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zu dem Fall und Mate­ri­alien für die Spendenkam­pagne hat die Opfer­per­spek­tive auf ein­er neuen Web­site veröf­fentlicht: www.notwehrfonds.de – Dort kann auch online gespendet werden.

Unter­stützung erhält der Aufruf unter anderen von der Inte­gra­tions­beauf­tragten der Stadt Pots­dam und der Aus­län­der­seel­sorg­erin der Evan­ge­lis­chen Kirche in der Lan­deshaupt­stadt. Auf www.notwehrfonds.de haben die ersten Spenderin­nen und Spender begrün­det, weshalb sie den Notwehr­fonds unterstützen:

Die Gen­er­al­su­per­in­ten­dentin der Evan­ge­lis­chen Kirche Heil­gard Asmus, Vor­sitzende des Aktions­bünd­niss­es gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Frem­den­feindlichkeit, schreibt, es sei »besorgnis­er­re­gend, dass aus­ländis­che Mit­bürg­er auch in ihrem Zuhause nicht vor Ras­sis­mus sich­er sein kön­nen.« Sie bit­tet alle Bürg­erin­nen und Bürg­er, die Kam­pagne zu unterstützen.

Der Pots­damer Diakonie-Geschäfts­führer Mar­cel Kankarow­itsch sieht in dem Urteil gegen Musa E. ein »fatales Sig­nal«, weil es so wirke, »als ob es kein Unrecht sei, Migranten zu bedro­hen.« Andrea Würdinger, die Vor­sitzende des Repub­likanis­chen Anwaltsvere­ins, will spenden, damit eine Kor­rek­tur des Urteils gegen Musa E. nicht daran scheit­ert, »dass er als Hartz IV-Empfänger keinen Anwalt bezahlen kann.«

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Urteil im Mordprozess: Gericht bestätigt rechtsextremes Motiv

Neu­rup­pin — Am Dien­stag, den 5. Mai verkün­dete Gert Weg­n­er, Vor­sitzen­der Richter am Landgericht Neu­rup­pin, das Urteil im Tem­plin­er Mord­prozess. Die Kam­mer
sprach nach zwölf Ver­hand­lungsta­gen den Angeklagten Sven P. des Mordes
schuldig und verurteilte ihn zu ein­er Jugend­frei­heitsstrafe von zehn
Jahren. Der Mitangeklagte Chris­t­ian W. wurde der Bei­hil­fe zum Mord durch
Unter­lassen für schuldig befun­den und erhielt eine Gesamt­frei­heitsstrafe
von neun Jahren und drei Monaten.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die bei­den jun­gen Män­ner den
55-jähri­gen Fam­i­lien­vater Bernd K. in der Nacht vom 21. zum 22. Juli
2008 bru­tal mis­shan­delt und zu Tode geprügelt hat­ten, weil sie ihn
auf­grund seines sozialen Sta­tus als Alko­ho­lik­er ver­achteten. Das »völ­lig
wehrlose« Opfer sei nicht zufäl­lig gewählt wor­den, so das Gericht;
vielmehr habe das »neon­azis­tis­che Men­schen­bild« der Täter eine wichtige
Rolle gespielt. Der Haupt­täter Sven P. habe zudem aus Mord­lust gehandelt.

Bis zum Schluss hat­te die Vertei­di­gung in Abrede gestellt, dass die
recht­sex­treme Ein­stel­lung der Täter Ursache für die bru­tale Tat gewe­sen
sein kön­nte. Die neon­azis­tis­che Überzeu­gung der Bei­den hat­ten sie
verniedlichend als »ver­queres Welt­bild« beze­ich­net. Wie die Kam­mer das
Motiv der Tat bew­erten würde, war während des Ver­fahrens nicht abse­hbar.
Zwis­chen­zeitlich hat­te der Vor­sitzende Richter geäußert, er könne kein
recht­sex­tremes Tat­mo­tiv erken­nen, son­dern gehe von ein­er »typ­is­chen Tat
im Trinker­m­i­lieu« aus.

Urteilsbegründung:

Mit der Urteils­be­grün­dung schloss sich das Gericht weit­ge­hend der
Argu­men­ta­tion von Staat­san­waltschaft und Neben­klage an: Bernd K. wurde
grausam mis­shan­delt und getötet, weil die Täter sich als Her­ren über
Leben und Tod auf­spiel­ten und sich anmaßten, sein Leben als
»min­der­w­er­tig« und »ver­acht­enswert« zu betra­cht­en. Dass Chris­t­ian W. in
den Monat­en vor der Tat ein kumpel­haftes Ver­hält­nis zum Opfer gehabt
hat­te, erscheint nur auf den ersten Blick wider­sprüch­lich. Solange er
sich durch den Kon­takt Vorteile erhoffte – Bernd K. schenk­te ihm unter
anderem ein Fahrrad und teilte Alko­hol mit ihm –, hat­te er nichts gegen
ihn einzuwen­den. Aber schon auf dem Weg zur Werk­statt, in der die Tat
verübt wurde, zeigte sich die tiefe Mis­sach­tung der Per­son des Bernd K.
Chris­t­ian W. war es, der ihn mit ein­er, so das Gericht, »erstaunlichen
Men­schen­ver­ach­tung« als »Pen­ner« und »alten Sack« beschimpfte, mit einem
Tier gle­ich­set­zte und vor sich her trieb.

Während der Mis­shand­lun­gen – über 30-mal soll Sven P. in das Gesicht des
Opfers getreten haben – sah Chris­t­ian W. keinen Grund, sich schützend
vor ihn zu stellen. Ob er sich selb­st in größerem Maße aktiv an der
Gewalt beteiligte, bleibt aus Sicht des Gerichts ungek­lärt. Zugegeben
hat­te er lediglich zwei Schläge und Tritte.

Für die Hin­terbliebe­nen war es erle­ichternd, dass der Prozess nach
vie­len Verzögerun­gen endlich zu Ende ging. Dass die Mor­dan­klage gegen
Chris­t­ian W. fall­en gelassen wurde, bleibt für die Fam­i­lie
unver­ständlich. Angesichts dessen, dass der Fall in den Medi­en und
teil­weise auch vor Gericht als »Schlägerei unter Saufkumpa­nen«
dargestellt wurde, ist die Bedeu­tung, die der neon­azis­tis­chen
Ein­stel­lung der Täter in der Urteils­be­grün­dung beigemessen wurde, von
großer Wichtigkeit.

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(Anti-)Rassismus jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Bernd K. : Es gab ein Leben vor dem Tod

Tem­plin — Bernd Ks. Leben ver­lief neben den Schlagzeilen. Erst sein Tod brachte ihn kurzzeit­ig in die Medi­en, machte ihn zum sen­sa­tion­strächti­gen Opfer rechter Gewalt. Erst sein Tod ließ ihn obdach­los wer­den, machte ihn zum arbeit­slosen Alko­ho­lik­er – oder pro­sais­ch­er – zu einem, der am Rande der Gesellschaft lebte. Es passte so schön ins jour­nal­is­tis­che Welt­bild: Zwei Ange­hörige der recht­en Szene Tem­plins töten einen Obdachlosen auf bru­tal­ste Weise. Sie haben ihn zertreten wie man Ungeziefer zer­tritt. Während des Prozess­es um diesen Mord wurde viel über sein Ster­ben gesprochen aber nie über sein Leben.

Hier wohnt Stip­pi“ ste­ht noch heute an der Tür zur ehe­ma­li­gen Böttcher­w­erk­statt seines Vaters, die er Mitte der 90er Jahre von den Geschwis­tern gekauft hat­te. Hier hat­te ihn am frühen Mor­gen des 22. Juli 2008 sein Kumpel Uwe L. auf der Suche nach Alko­hol tot aufge­fun­den. Zu Tode getreten von zwei jun­gen Män­nern. Der eine, Chris­t­ian W., war bere­its am Vor­abend mit Bernd K. unter­wegs und hat­te mit ihm ein paar Bier getrunk­en, der andere, Sven P., stieß zufäl­lig hinzu.

 

Dort drin­nen haben wir immer Ver­steck­en und Fan­gen gespielt. Und Ostereier gesucht,“ erin­nert sich Bernd Ks. Schwest­er Wal­traud. Die 64-jährige res­olute kleine Frau beschreibt die Werk­statt des Vaters als einen Spielplatz sein­er Kind­heit. Nur wenige Schritte ent­fer­nt, an der Müh­len­straße im Wohn­haus der Fam­i­lie, hätte er eigentlich zur Welt kom­men sollen, wenn während der Schwanger­schaft keine Kom­p­lika­tio­nen aufge­treten wären.

Wir Geschwis­ter sind ja alle zu Hause geboren wur­den“, erk­lärt Wal­traud K., „nur bei Stip­pi war das anders. Unsere Mut­ter musste ins Kranken­haus. Sie wäre fast bei der Geburt getorben.”

Am 27. Juli 1952 wurde Bernd K. geboren. Er war das achte Kind, dazu ein Nachzü­gler, ein Nesthäkchen, Liebling der Mut­ter, und der Geschwis­ter, Stip­pi eben. „So hieß er von Anfang an“, bestätigt die Schwest­er. Der Vater habe ihn nicht so gemocht, ergänzt sie: „Weil unsere Mut­ter ihn immer ver­hätschelt hat.“

Wil­helm Pieck, der Präsi­dent der DDR, wurde sein Pate, und der Staat schenk­te ihm ein Spar­buch mit 100 Mark, die er zu seinem 18. Geburt­stag abheben durfte.

Über die Schulzeit weiß die Schwest­er wenig zu bericht­en. Acht Jahre besuchte er die Poly­tech­nis­che Ober­schule in Tem­plin. „Er hätte auch zehn geschafft. Aber er kon­nte die Lehrerin nicht lei­den. Da ist er lieber in die Lehre.“

Er machte seinen Fachar­beit­er für Melo­ration. Er wurde ein­er, der in der Entwässerung tätig war. Ein Bag­ger­führer, und zwar ein geschick­ter. „Er war mit seinem Seil­bag­ger genau­so schnell wie die Kol­le­gen mit den mod­er­nen Hydraulikgeräten.“ erin­nert sich der Schwa­ger. „16 Jahre hat er dort gut Arbeit gemacht.“

Bernd K. wohnte weit­er im elter­lichen Haus. „Er wohnte in Sper­lingslust“, schmun­zelt die Schwest­er, „Hier oben direkt unterm Dach.“

1971 musste er zum Mil­itär­di­enst. Er durfte der DDR in der Nähe Neubran­den­burgs dienen, indem er das Rollfeld des Mil­itär­flughafens Trol­len­hagen fegte. „Da habe ich ihm ein­mal im Monat ein Päckchen geschickt. Gut darin ver­steckt immer eine kleine Flasche Schnaps. Das war ja verboten.“

Nach dem Mil­itär besorgte er sich eine MZ. „Unsere Mut­ter hat ihm dafür das Geld geliehen“, weiß die Schwest­er zu bericht­en „Aber er hat in Rat­en zurück­gezahlt.“ Viele Rat­en musste er allerd­ings nicht zurück­zahlen. Öfters ging es am Woch­enende nach Boitzen­burg in die Diskothek, den Fre­und auf dem Soz­ius. Es wurde gefeiert, getanzt und gesof­fen. „In der Woche hat er nie gesof­fen, höch­stens ein Feier­abend­bier getrunk­en“, erk­lärt Wal­traud K. „Aber an den Woch­enen­den, da ging es immer rund.“

Ein­mal war es ein zu kurz­er Schlaf in ein­er Sche­une. Die Fahrt endete im Graben. K. blieb unver­let­zt, der Fre­und starb zwei Wochen später im Kranken­haus. Bernd K. musste für zwei Jahre ins Gefäng­nis. Der Vater verkaufte das Motor­rad, ohne seinen Sohn zu fragen.

Gear­beit­et hat­te er in diesen zwei Jahren in der Häftlings­bri­gade im Stahlw­erk Riesa. Er hat­te es sog­ar zum Brigadier gebracht. Die Truppe arbeit­ete gut. Ihm wurde Bewährung ange­boten. „Das wollte er nicht“, sagt die Schwest­er bes­timmt. „Er wollte die Strafe ver­büßen und danach seine Ruhe haben.“

 

Anfang der 80er fing er an, im Vere­in Tis­chten­nis zu spie­len. Er war nicht schlecht, kämpfte um die Kreis­meis­ter­schaft. Später trainierte er die Jugend­mannschaft. Er fotografierte gern, entwick­elte die Fotos sog­ar selb­st. Er trank aber auch weit­er Alkohol.

1987 wech­selte er als Kraft­fahrer in das Getränkekom­bi­nat. Er wurde Bierkutsch­er. Wann das Trinken in Abhängigkeit umschlug, lässt sich heute nicht mehr klären. Als er 1988 einem Magen­durch­bruch erlitt kam er nur knapp mit dem Leben davon.

Er hat­te riesige Schmerzen, hat­te ja schon Blut im Stuhl. Dann habe ich einen Arzt geholt. Der hat ihn sofort eingewiesen.“ Wal­traud K. erin­nert sich, das sie nach der Oper­a­tion von einem Arzt stark gerüf­felt wurde. „Der war richtig zornig und brüllte mich an. Warum nie­mand gesagt habe, dass ihr Brud­er Alko­ho­lik­er sei.“ Bernd K. hat­te im Kranken­z­im­mer ran­daliert. Die Ärzte erzwan­gen den kalten Entzug. Nie­mand aus seinem Umfeld hat­te das bis dahin gemerkt, dass er alko­ho­lab­hängig war.

Bernd K. war wed­er nüchtern noch betrunk­en aggres­siv. Er wird als fre­undlich­er und lustiger Men­sch geschildert, der sich zurück­zog, wenn es Stre­it gab.

 

Ein Jahr später ver­liebten sich Bernd K. und Car­o­la G. ineinan­der. „Seine gan- ze Art war liebenswert und fre­undlich,“ beschreibt die Witwe Car­o­la K. seine Wesen. Sie zog zu ihm in die Müh­len­staße. Von Alko­hol bemerk­te sie nichts. „Ein Feier­abend- bier, mehr nicht.“ Zwei Töchter, Sarah und Stel­la, wur­den geboren. 1994 heirateten die Bei­den im eng­sten Fre­un­deskreis. „Sein­er Fam­i­lie hat­ten wir nichts davon gesagt“, erin­nert sich die Ehe­frau an den Tag der Hochzeit. “Er ging ein­fach hoch zu Trau­di und sagte, ihr braucht keinen Kaf­fee zu kochen. Der Tisch ist bei uns schon gedeckt. Wir haben uns heute zusam­men­schreiben lassen.“ Nach der Geburt der zweit­en Tochter zog die Fam­i­lie aus der Müh­len­straße aus.

Die Wende brachte das Ende der Kom­bi­nate. Bernd K. wollte mehr Geld ver­di­enen. Er fand eine Anstel­lung als Bau­mas­chin­ist. Bis 2000 hat­te er regelmäßig Arbeit. Danach war er mit kurzen Unter­brechun­gen ständig arbeitslos.

Ohne die Arbeit fing er an, mehr zu trinken. Es war ein schle­ichen­der Prozess,“ erin­nert sich Car­o­la K: „Später bin ich immer durch Tem­plin gefahren und habe ihn gesucht.“ Unzäh­lige Male hat­te sie ihn betrunk­en aufge­le­sen und nach Hause gebracht. Falls die Polizei ihn nicht schon vorher gefun­den hat­te. Drei Mal war er in den fol­gen­den Jahren im Entzug. „Er hat sich immer geweigert, eine Ther­a­pie zu machen“, erzählt Car­o­la K. „Ich lass mir doch mein Bier nicht nehmen, war dann sein Standardsatz.“

Ein Jahr vor seinem Tod löste er seine Lebensver­sicherung auf. Von dem Geld kaufte er sich eine Tis­chten­nis­plat­te, Fotoap­pa­rate und zwei Fahrräder. Es wirk­te wie ein Ver­such, die Erin­nerung an eine schönere Zeit wachzuhal­ten. Vielle­icht war es auch ein Ver­such, dem Leben wieder einen Sinn zu geben. Doch seine Saufkumpa­nen ließen das nicht zu. Die Tis­chten­nis­plat­te war sofort aus der Werk­statt ver­schwun­den. Zwei Fotoap­pa­rate und ein Fahrrad taucht­en nie wieder auf. Und das verbliebene Rad fis­cht­en die Polizis­ten kurze Zeit nach dem Mord aus dem Kanal.

Inforiot