Bürgerliches Engagement unabhängig von Parteimitgliedschaft ist eigentlich positiv zu bewerten, jedoch auch manchmal mit Vorsicht zu genießen. Erst im vergangenen Herbst hatte die Listenvereinigung „Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung/ 50 Plus“ (BVB/ 50 Plus), die zu den Kommunalwahlen in ganz Brandenburg antrat, für Tumult gesorgt. Denn kurz vor den Wahlen wurde bekannt, dass sich Rechtspopulisten und Nazi-Sympathisanten darunter befanden, welche das ganze Bündnis iniziert und in den Händen hatten. „Eine Liste für Enttäuschte und Rechte“ und „Bürgerbewegung will nicht rechts sein, aber DVU Kandidatin hilft bei Wahlkampf“ titelt damals die Berliner Zeitung.
Nun stehen die Landtags – und Bundestagswahl kurz bevor, und dieses Mal treten gleich zwei Listenvereinigungen an. Die einen sind das „Generationsbündnis 50 Plus“und die anderen „Zusammen für Brandenburg: FREIE WÄHLER“. Und wer hätte es gedacht, bei beiden treffen sich alte Bekannte von BVB/ 50Plus.
Zusammen für Brandenburg: FREIE WÄHLER“
Die Listenvereinigung „Zusammen für Brandenburg: Freie Wähler“, auch BVB/ FW (Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegung/ Freie Wähler), geht aus dem Landesverband der Freien Wähler hervor, der im Dezember 2008 in Chorin (Barnim) gegründet wurde. Vorsitzender ist Hans Jürgen Malirs aus Hoppegarten (Märkisch-Oderland), sein Stellvertreter ist der Eberswalder Manfred Ehlert (Barnim).
Bereits kurz nach der Gründung, im Frühjahr 2009, warf man den Landesverband Brandenburg, ebenso wie den aus Bremen aus dem Bundesverband der Freien Wähler raus. Der Grund waren rechtspopulistische und rechtsradikale Mitglieder der Landesverbände. Bundesvorsitzender Grein äußerte in der TAZ, er habe Informationen, wonach die Landesverbände Brandenburg und Bremen den Bundesverband unterwandern wollen. Nach dem Rauswurf entschied sich der Brandenburger Landesverband kurzerhand einen eigenen Bundesverband zu gründen. Der „neue“ Bundesverband, mit dem Namen „Freie Wähler Deutschland“, arbeitet nun seit Juni diesen Jahres unter dem Vorsitz von Manfred Ehlert und seinem Stellvertreter, dem Bernauer Dirk Weßlau. Nur knapp und trotz „erhebliche[r] Zweifel“ seitens des Bundeswahlausschusses waren sie zur kommenden Wahl zugelassen worden.
Nach Aussage des Landesvorsitzenden Malirs, wollen seine „Freien Wähler“ nicht mit Rechtsextremen in Verbindung gebracht werden, wie es vor den letzten Kommunalwahlen geschah. Doch ausgerechnet Dirk Weßlau und Peter Vida, die nun als Stellvertreter und Kandidaten (Vida auf Listenplatz 2 für Landtag) agieren, sagte man Verbindungen zu Neonazis nach. An dieser Stelle daher der Verweis auf die Broschüre „Aktiv gegen Nazis“ des Bernauer Netzwerkers für Toleranz und Weltoffenheit. Hier heißt es „Die Bernauer Rechtspopulisten der „Unabhängigen Fraktion“ seien „in der Vergangenheit Seit an Seit mit Nazikameradschaften auf einer Demonstration gelaufen“. Außerdem wird hier u.a. die Anstellung des ehemaligen NPD Kreisvorsitzenden und Abgeordneten für die DVU im Barnimer Kreistag, Mike Sandow, bei Herrn Weßlau [siehe Berliner Zeitung und gegenrede.info] erwähnt sowie die Herausgabe der so genannten „Unabhängigen Zeitung“ bei welcher die DVU-Kandidatin Peggy Müller als Chefredakteurin fungierte. Verleger war offiziell das „Generationsbündnis 50Plus“, die Kontaktadresse war Weßlaus „Rollbergeck“ in Bernau.
Ein Grund mehr sich die Vorsitzenden und die Kandidaten von Landes– und Bundesverband genauer anzuschauen:
Die Akteure der „Freien Wähler“:
Hans Jürgen Malirs ist Landesvorsitzender des Landesverband Freie Wähler und Spitzenkandidat für „Zusammen für Brandenburg: Freie Wähler“ (Landtag) und Freie Wähler Deutschland (Bundestag). Er ist Oberst der Reserve der Bundeswehr, Autor der Jungen Freiheit und laut einem Bericht auf Indymedia sympathisiert er offen „mit rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Positionen“. Malirs trat zudem als Sympathisant für den geplanten Berliner Ableger der Schill-Partei auf.
Als Bundesvorsitzender der Freien Wähler fungiert der Eberswalder Manfred Ehlert. Er ist auch gleichzeitig stellvertretender Landesvorsitzender der Freien Wähler Brandenburg und tritt für die Landesliste auf Platz 34 an. Auch er war, wie seine Kollege Weßlau, aktiver Schillanhänger. 2003 versuchte er sich als Bürgermeisterkandidat für die Schillpartei in Eberswalde, nachdem er die Wahl zum Landesvorsitzendem in Berlin im November 2002 verlor.
Gibt man den Namen „Peter Vida“ bei Google ein, so enthüllen bereits die ersten Beiträge das Wesen dieses Herrn. 2003 tat er sich als „Unabhängiger“ mit Dirk Weßlau und Thomas Strese zusammen. Die beide ehemals bei der Schillpartei aktiven, kooperieren offen mit Neonazis. 2004 wurde er entgültig wegen „parteischädigendem Verhalten“ aus der CDU geworfen. 2005 saß der aktive Burschenschaftler dann im Studenten_innenparlament der FU. Mindestens eine Veröffentlichung in der rechten Zeitung „Junge Freiheit“, die vor Nationalismus nur so trieft, ist bekannt. Gern wird auch mit der DVU geplauscht, nicht verwunderlich, so gehört auch Vida zu dem Herausgeberkreis der „Unabhängigen Zeitung“.
Ein Weggefährte Vidas ist Dirk Weßlau, ebenfalls aus Bernau. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender und Geldgeber der Vereinigung. Er ist Zahnarzt und Besitzer des „Rollbergecks“ in Bernau, bei dem wie oben erwähnt, der ehemaliger NPD Kreisvorsitzende und DVU-Abgeordnetei m Barnimer Kreistag, Mike Sandow, als Hausmeister angestellt war. Weßlau tritt trotz seines Amtes als stellvertretender Bundesvorsitzender als Einzelbewerber für den Bundestag an. Ob ihn interne Streitereien oder Strategie dazu getrieben haben, bleibt erst einmal Spekulation.
Andere auf der Kandidatenliste wie Günther Spangenberg, ebenfalls aus Eberswalde, kennen den Kreis um Vida und Weßlau seit einigen Jahren. Spangenberg will allerdings nichts mit Rechten zu tun haben Vielleicht sollte er dann bei seinen Bündnispartnern mal genauer hinschauen und sich ein Beispiel an Martin Lindstedt aus Zossen nehmen. Er hat es bereits vorgemacht und trat aus der Vereinigung aus.
„Das Generationsbündnis 50Plus“
„Das Generationsbündnis 50Plus“ ist kein Verband von über 50- Jährigen, wie der Name vielleicht vermuten lässt. „50Plus“ meint hier „langfristig eine Mehrheit von über 50 Prozent“ zu erreichen. Im letzten Jahr traten sie zusammen mit BVB als Listenvereinigung für die Kommunalwahlen an und es gab damals bereits Diskussionen um rechte Positionen und Akteure.
Die Akteure von 50Plus:
Der Vorstandsvorsitzende von 50Plus, Werner Müller, war einst Landesvorsitzender der Republikaner (REP) in Berlin. Auf der Kandidatenliste findet man zwei Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt Oder, Meinhard Gutowski und Werner Voigt. Ähnlich wie die „Unabhängige Fraktion“ in Bernau sind sie in der SVV in Frankfurt Oder isoliert und nehmen am parlamentarischen Geschehen kaum teil. Beide saßen bereits vor den letzten Kommunalwahlen im Stadtparlament — angetreten waren sie 2003 für die damalige Schillpartei. Gutowski sorgte 2006 für Aufsehen, als er der NPD einen Saal anmietete und als Ansprechpartner für die NPD- Veranstaltung fungierte. Sabine Petzholtz, Landesschatzmeisterin von 50Plus, sowie Nicole Driegert, sie trat zu den Kommunalwahlen 2008 an, sind Mitarbeiterinnen einer Zeitarbeitsfirma des Berliner REP-Funktionärs Wolfgang Seifert.
An dieser Stelle müssten auch Vida und Weßlau der Vollständigkeit halber nochmal erwähnt werden. Vida war von 2007 bis 2009 noch stellvertretender Bundesvorsitzender von 50Plus und gab u.a. zusammen mit Weßlau als „Generationsbündnis 50Plus“ die „Unabhängige Zeitung“ in Bernau heraus.
Verbindung und Absprache zwischen „Freien Wählern“ (BVB/ FW) und 50Plus
Freie Wähler? Aber die gibt’s doch schon!
Bereits vor Bestehen der Freien Wählern um Malirs und Vida gab es einen Bundes- sowie Landesverband. Letzterer besteht bereits seit den Neunziger Jahren in Brandenburg und hat sich bereits von den „neuen“ Freien Wählern distanziert. Eine ähnliche Stellungnahme findet sich auch beim Bundesverband, der den Landesverband um Malirs im Frühjahr rauswarf, und nun ankündigt wegen „namensrechtliche Auseinandersetzungen vor Gericht“ zu ziehen.
Hinter der Gründung der Freien Wähler steckt eine Strategie des „zentralen Kreises“ um Vida, Weßlau, Müller, Malirs und Ehlert. Bewusst wolle man nach den Erfolgen der Freien Wählern in Bayern, auf die „Werbemaschine“ aufspringen und vom „Hype des Namens Freie Wähler“ profitieren, so heißt es in E‑Mails. Nicht nur der Name wurde übernommen, auch das Logo der Freien Wähler findet sich in abgewandelter Form wieder. Sehr ausführlich berichtete dazu im August die Barnimer Bürgerpost.
Ein neuer, medienwirksamerer Name war da, also musste der alte Name „BVB“ verschwinden. Wohl auch um sich von der schlechten Presse im letzten Jahr reinzuwaschen. Die Internetseite www.bvb-50plus.de leitet nun auf die Seite www.bvb-fw.de weiter. Dort wiederum wird allein für die Liste „Zusammen für Brandenburg: FREIE WÄHLER“ geworben. Genau wie bei der „Unabhängigen Zeitung“ von 50Plus steht erneut Weßlaus „Rollbergeck“ im Impressum der Internetseite. Wieder ein Briefkästen mehr in seinem Geschäftshaus. Der Briefkasten der „Unabhängigen Zeitung“ ist nach einer Anzeige und dem Aufsehen um die DVU-Kandidaten Peggy Müller jedoch seit vergangenem Herbst verschwunden. Bis heute wollen sich Weßlau und Vida nicht zu ihren DVU- und NPD-Kontakten äußern.
Ein Spiel mit Namen, Posten und Biografien
Klar ist, es geht nicht um Inhalte — diese finden die Wähler_innen in den Programmen beider Bündnisse wenig — sondern um Täuschung. Täuschung durch ein geschicktes Spiel mit Namen, Vorsitzen und Funktionen. Sitze in Parlamenten sollen Seriösität suggerieren, eine Vielzahl von Personen, die meist von einer Vereinigung zur Nächsten springen, sollen Größe und Vielfalt demonstrieren. Doch bei genauem Blick ist ein Großteil lediglich Fassade, denn der „zentrale Kreis“ speist sich nur aus einigen wenigen Personen. An Peter Vida lässt sich das deutlich erkennen: Von 2007 bis 2009 noch stellvertretender Bundesvorsitzender von 50Plus, dann Vorsitzender von BVB (auch in der gemeinsamen Liste von BVB und 50Plus) musste der Name „BVB“ nun verschwinden. Nichtsdestotrotz wollte er die „Koordination und Strategierplanung“ für die Landtagswahlen sowohl für 50Plus als auch das neue Projekt „Freie Wähler“ übernehmen.