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Flucht & Migration

Aufforderung zur Umsetzung der Zusage des Bundesrats und der Bundesregierung bezüglich des Vorrangs von Geldleistungen

Wir, die Asyl­suchen­den und Gedulde­ten von Hen­nigs­dorf und im ganzen Land­kreis Ober­hav­el, erhal­ten noch immer einen Großteil der Sozialleis­tun­gen in Form von Gutscheinen. Gutscheine sind diskri­m­inierend und machen es uns unmöglich, frei zu wählen, was wir
benöti­gen und erschw­eren die Teil­habe am sozialen und kul­turellen Leben. Deshalb kön­nen sie auch krank machen.
Die poli­tisch Ver­ant­wortlichen, Lan­drat Schröter, Kreistagsvor­sitzen­der Schröder und die Kreistags­frak­tio­nen, wer­den in dem Brief dazu aufge­fordert, die Zusage der Bun­desregierung und des Bun­desrats, die Sozialleis­tun­gen für Asyl­suchende und Geduldete zukün­ftig vor­rangig in Form von Geldleis­tun­gen auszuzahlen (Pro­tokollerk­lärung des Bun­desrat 19.09.2014), umzuset­zen. Die kooperieren­den Super­märk­te wer­den gebeten, die Zusam­me­nar­beit mit SODEXO zu unter­lassen, um zu mehr Gle­ich­berech­ti­gung beizutragen.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Kurzfristige Verhinderung eines „Verbrechens, das keine Rücksicht auf mein Leben nimmt“

Dies wird auch anhand von Justin Woachi Patoupés Geschichte deut­lich. Er beantragte 2012 Asyl in der Slowakei und ver­ließ das Land 2014, um eine angemessene, umfan­gre­iche Behand­lung sein­er Leberkrebs-Erkrankung zu erre­ichen. Vor kurzem wurde diese Behand­lung gegen seinen Willen in
Deutsch­land abge­brochen und er sollte genau dor­thin abgeschoben wer­den, wo ihm sein Recht auf Gesund­heit eben­falls aberkan­nt wurde. Die Bedin­gun­gen für Flüchtlinge in der Slowakei im All­ge­meinen sind kaum trag­bar, wie Berichte von Pro Asyl und Amnesty Inter­na­tion­al belegen.
So wurde die Slowakei „wegen der Abschiebung von Men­schen in Län­der kri­tisiert, in denen sie Gefahr liefen, gefoltert oder anderen Mis­shand­lun­gen aus­ge­set­zt zu wer­den.“ Hin­ter­grund der Abschiebung in die Slowakei sind die sog. Dublin-Abkom­men der EU sowie Nor­we­gen, Island, der Schweiz und Liecht­en­stein, bei denen Anträge auf Asyl zunächst nur
in dem Mit­gliedsstaat angenom­men wer­den, in den der_die
Antragssteller_in zuerst ein­gereist ist. Meist sind dies Staat­en am Rande der EU, in die in Deutsch­land lebende Asyl­suchende dann abgeschoben wer­den. Oft­mals sind dort die Lebens­be­din­gun­gen für Geflüchtete noch schlechter als in Deutschland.
Die Dublin-Verord­nung sieht zudem umfan­gre­ich Gründe vor, eine_n Asyl­suchen­den vor sein­er Abschiebung zu inhaftieren. So wurde auch Justin Woachi Patoupé vor sein­er Ein­liefer­ung in das Klinikum Frank­furt (Oder) im Abschiebege­fäng­nis in Eisen­hüt­ten­stadt fest­ge­hal­ten. Von dort schrieb er in einem Brief: „Ich wurde aufge­fordert, in die Slowakei zurück zu kehren. Das ist ein Ver­brechen, das keine Rück­sicht auf mein
Leben nimmt, das ist eine unmen­schliche Entschei­dung, die auf unmen­schliche Geset­ze und Kon­ven­tio­nen grün­det. Ich bin kein Krim­ineller, sodass man mich heute ins Gefäng­nis sper­ren muss. Ich bin auch kein Ter­ror­ist, den man sein­er Frei­heit beraubt. Ich bin ein Men­sch wie ihr, der ein Recht auf Gesund­heit und auf Frei­heit hat. Ich habe ein
Recht auf Leben.“
Der Utopia e.V. sol­i­darisiert sich mit Justin Woachi Patoupés Kampf gegen die men­sche­nun­würdi­gen Asyl-Bed­i­n­un­gen und fordert die zuständi­gen Behör­den auf, alle geplanten Abschiebun­gen zu wider­rufen. Die Krim­i­nal­isierung von Geflüchteten und das wortwörtliche Abschieben von
Ver­ant­wor­tung auf andere Mit­gliedsstaat­en im Rah­men der
Dublin-Verord­nun­gen muss gestoppt wer­den! Die Flüchtlings­ber­atung des Utopia e.V. sieht sich in diesem Zusam­men­hang mit ein­er Ver­hin­derung ihrer eigentlichen Arbeit kon­fron­tiert: Nicht die Unter­stützung von
Asylver­fahren ste­ht im Vorder­grund, son­dern ein kleinkari­ertes bürokratis­ches Rin­gen mit den Bes­tim­mungen von Dublin, die dem Asylver­fahren vorge­lagert sind und die Geflüchteten in ihrem Ein­treten für uni­ver­sale Men­schen­rechte zer­mür­ben soll.
Kein Men­sch ist ille­gal! Bleiberecht überall!
Frank­furt (Oder), den 20.10.2014,
Utopia e.V.

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Antifaschismus

Log Kalbitz?

INFORIOT Andreas Kalb­itz, AfD-Land­tagsab­ge­ord­neter in Bran­den­burg, hat wom­öglich über seine Ver­gan­gen­heit gel­o­gen. Wie das Por­tal “Blick nach Rechts” berichtet, war Kalb­itz in den frühen 1990er Jahren bei der extrem recht­en Partei “Die Repub­likan­er”. Als sich Kalb­itz im Mai 2014 für die Lan­desliste der AfD auf­stellen ließ, wurde von ihm auch ver­langt, Auskun­ft über frühere Parteim­it­glied­schaften zu geben. Er ver­wies lediglich auf seine Vor­mit­glied­schaft in der Jun­gen Union und der CSU. Eine Mit­glied­schaft in den “Repub­likan­ern” wird in seinem öffentlich ein­se­hbaren “Bewer­ber­pro­fil” nicht erwäh­nt. Dass Kalb­itz tat­säch­lich bei den Repub­likan­ern aktiv war, berichtete laut “Blick nach Rechts” 1992 die Tageszeitung “Süd­deutsche”.
 UPDATE 21.10.2014: Kalb­itz hat sich inzwis­chen zu sein­er Repub­likan­er-Mit­glied­schaft geäußert. Tat­säch­lich sei er dort Mit­glied gewe­sen, “wahrschein­lich” zwis­chen 1992 und 1994. Die PNN schreibt: “Kalb­itz habe sich zuvor nicht daran erin­nern kön­nen und habe erst bei Durch­sicht sein­er Unter­la­gen einen Hin­weis darauf gefun­den.” Die AfD hat mit dem Gedächt­niss­chwund von Kalb­itz offen­bar kein Prob­lem, sie deckt ihm den Rück­en: Er habe “eine zweite poli­tis­che Chance ver­di­ent”, so Bran­den­burgs AfD-Press­esprech­er Detlef Frye.

Bewerberprofil von Andreas Kalbitz (AfD)
Bewer­ber­pro­fil von Andreas Kalb­itz für die AfD-Lan­desliste zu den Land­tagswahlen 2014 (Screen­shot)

Zahlre­iche weit­ere Verquick­un­gen von Kalb­itz mit der extremen Recht­en wur­den von Infori­ot bere­its aufgezeigt.
Die Lüge per Ver­schweigen bei Kalb­itz wäre nicht der erste Fall dieser Art bei der Bran­den­burg­er AfD: Auch ein ander­er jet­ziger AfD-Land­tagsab­ge­ord­neter hat­te bei sein­er Bewer­bung die eigene poli­tis­che Ver­gan­gen­heit ver­schwiegen. Sven Schröder war bei der extrem recht­en Partei “Pro Deutsch­land”, hat­te dies aber in seinem Bewer­bungss­chreiben nicht erwäh­nt. Er hätte gedacht, dass “Pro Deutsch­land” eher ein Vere­in und keine Partei im eigentlichen Sinne sei, erk­lärte Schröder damals auf Nachfrage.
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Flucht & Migration

Freiheit für Justin! Abschiebung und Abschiebehaft stoppen! Aufenthalt und medizinische Behandlung sichern!

Freiheit für Justin!
Frei­heit für Justin!

Justin braucht Eure prak­tis­che Sol­i­dar­ität! Poli­tisch Ver­ant­wortliche und Flugge­sellschaften, die am 21.10. von Leipzig nach Bratisla­va fliegen, anrufen, anmailen und informieren! Sol­i­dar­ität kann hier eben­falls per Unter­schrift gezeigt wer­den, um diese Peti­tion noch vor dem Abschiebeter­min weit­er­leit­en zu können.
Justin Woachi Patoupe ver­ließ mit Hil­fe seines sys­ten­mkri­tis­chen und poli­tisch aktiv­en Vaters mit 22 Jahren Kamerun.
Dies gelang ihm mit ein­er Stu­dien­zu­las­sung für Architek­tur in der Ukraine 2010. Auf Grund der finanziellen Sit­u­a­tion und des Todes seines Vaters, musste er das Studi­um abbrechen und ver­ließ 2012 die Ukraine Rich­tung Slowakei.
Dort stellte er einen Asy­lantrag und bekam nach einem Jahr eine Arbeit­ser­laub­nis und einen Job. Diesen kon­nte er auf Grund seines sich ver­schlechtern­den Gesund­heit­szu­s­tandes sowie ein­er fehlen­den adäquat­en Gesund­heitsver­sorgung nicht mehr ausüben. So wurde ihm lt. eige­nen Aus­sagen Häpati­tis C, Leber- oder Nierenkrebs sowie Wirbel­säu­len­schä­den attestiert, wobei let­ztere seine Bewe­gungsmöglichkeit­en ins­beson­dere der Beine stark einschränkten.
Da eine angemessene medi­zinis­che Behand­lung in der Slowakei nicht möglich gewe­sen sei, ver­suchte er nach Frankre­ich zu gelan­gen. An der öster­re­ich­sich-deutschen Gren­ze wurde er festgenom­men, zu einem Asy­lantrag gezwun­gen und in die Erstauf­nah­meein­rich­tung Eisen­hüt­ten­stadt geschickt.
Eine notwenige, vol­lum­fängliche medi­zinis­che Unter­suchung und Behand­lung scheint es dort aber nicht oder nur teil­weise gegeben zu haben.
Nach der Ablehnung seines Asy­lantrages und einiger abgelehn­ter Eilanträge (das Hauptver­fahren ist noch anhängig) mit Bezug auf Dublin III und der fol­gen­den Abschiebeauf­forderung suchte Justin weit­er­hin medi­zinis­che Hilfe.
Bei der geplanten Abschiebung vom Flughafen Berlin-Tegel nach Kosice (Slowakei) am 24.09. wurde Justin nicht angetrof­fen. Am 09.10. 2014 wurde er am Bahn­hof Karl­sruhe festgenom­men und in Abschiebe­haft nach Eisen­hüt­ten­stadt überstellt.
Laut Beschluss des Amts­gericht­es Karl­sruhe soll er am 21.10. über den Flughafen Leipzig in die Slowakei zurück­geschoben wer­den. Mehrfach hat­te Justin darauf hingewiesen, nicht in die Slowakei zurück und lediglich sein Recht auf Frei­heit und eine medi­zinis­che Behand­lung wahrnehmen zu wollen (“ Ich hab Angst in der Slowakei zu sterben”).
Diese ulti­ma­tiv­en Men­schen­rechte sollen ihm nun per Abschiebung ver­wehrt wer­den. Dabei wird auch nicht berück­sichtigt, dass die Lebenssi­t­u­a­tion ins­ge­samt für Geflüchtete in der Slowakei keines­falls unprob­lema­tisch son­dern dur­chaus prekär ist.
“Die Slowakei wurde wegen der Abschiebung von Men­schen in Län­der kri­tisiert, in denen sie Gefahr liefen, gefoltert oder anderen Mis­shand­lun­gen aus­ge­set­zt zu wer­den.” (https://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/slowakei?destination=node/3012)
“Slowakische Beamte: Flüchtlin­gen auf Kopf uriniert” (http://derstandard.at/2379572)
“Ukraine: Flüchtlinge als Opfer allum­fassender Korruption”
(http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/ukraine_fluechtlinge_als_opfer_allumfassender_korruption/)
Derzeit befind­et sich Justin im Kranken­haus Frankfurt/Oder. Ob er dort “abschiebungstauglich” gemacht wer­den soll, ist nicht bekan­nt. Eine Anwältin hat Rechtsmit­tel wegen Rechtswidrigkeit gegen den Haftbeschluss sowie den Abschiebebeschluss eingelegt.
Wir die Unterzeichner_innen fordern:
1. Sofor­tige Freilas­sung aus der Abschiebehaft.
2. Sofor­tige und umfängliche medi­zinis­che Behandlung.
3. Eine unab­hängige medi­zinis­che Untersuchung.
4. Keine Abschiebung! Erst Recht nicht vor dem Abschluss des Haupt­sachev­er­fahrens sowie der Entschei­dung über derzeit­ig und fol­gende, ein­gere­ichte Rechtsmittel!
Nie­mand ist ille­gal! Abschiebun­gen und Dublin II + III abschaffen!

(alle Angaben lei­der unter Vor­be­halt der richti­gen Wider­gabe bzw. Übersetzung)
Brief an alle von Justin aus der Abschiebehaft:
“Ich heiße Woachi Patoupé Justin. Ich bin ein Men­sch mit kamerunis­ch­er Nation­al­ität. Ich bin sehr deprim­iert und vol­lkom­men verzweifelt, nach­dem ich vier Tage ohne Essen und Trinken ver­bracht habe. Hinzu kom­men die Begleit­er­schei­n­un­gen, (wie Schwindel, Schmerzen, Müdigkeit…), so dass ich ger­ade so den Stift hal­ten kann, um Euch einen Teil mein­er Geschichte zu erzählen, einen Teil meines Lebens.
Als ich 2012 in die Slowakei gekom­men bin, wurde ich im Asyl­heim Huméné emp­fan­gen. Nach der ärztlichen Unter­suchung, teilte der Arzt mir mit, dass ich bere­its seit Jahren Leberkrebs habe sowie eine Verkrüm­mung der Wirbel­säule, auf die die Schmerzen zurück zu führen seien, die sich zwei Jahre später bis in die Füße zogen. Als ich zwei Jahre später fest­stellte, dass sich meine Gesund­heit erhe­blich ver­schlechtert hat­te, beschloss ich, die Slowakei zu ver­lassen und nach Frankre­ich zu gehen und mich dort auf der Suche nach medi­zinis­ch­er Behand­lung zu machen. Als mich aber die deutsche Polizei an der öster­re­ichisch-deutschen Gren­ze im Feb­ru­ar 2014 fes­t­nahm, hat­te ich keine Wahl mehr. Mir blieb nur noch, erneut Asyl zu beantra­gen. Acht Monate später wurde meine Behand­lung mit dem Ziel mein­er Gesun­dung [in Deutsch­land] abge­brochen. Ich wurde aufge­fordert, in die Slowakei zurück zu kehren. Das ist ein Ver­brechen, das keine Rück­sicht auf mein Leben nimmt, das ist eine unmen­schliche Entschei­dung, die auf unmen­schliche Geset­ze und Kon­ven­tio­nen grün­det. Ich bin kein Krim­ineller, so dass man mich heute ins Gefäng­nis sper­ren muss. Ich bin auch kein Ter­ror­ist, den man sein­er Frei­heit beraubt. Ich bin ein Men­sch wie ihr, der ein Recht auf Gesund­heit und auf Frei­heit hat. Ich habe ein Recht auf Leben. Ich bin ein Men­sch, der alle Vorteile genießen kön­nen sollte, die die Natur uns bietet, bevor mein Aufen­thalt auf dieser Erde zu Ende geht. Jedes men­schliche Wesen hat ein Recht auf Gesundheit.
Justin aus dem Gefäng­nis in Eisenhüttenstadt”
Empfänger:
Peti­tion­sauss­chuss Deutsch­er Bun­destag und Land­tag Brandenburg
Land­tag Brandenburg
Abschiebung und Abschiebe­haft stop­pen! Aufen­thalt und medi­zinis­che Behand­lung sichern!
Mit fre­undlichen Grüßen
[Ihr Name]
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Arbeit & Soziales

Bekleidungsindustrie? Upcycling!

jwp
Ob Pri­mark, H&M, C&A oder die Nobel-Marke — auch deine Klei­der sind wahrschein­lich zu 90% in Entwick­lungs- oder Schwellen­län­dern wie Bangladesh, Indi­en, Chi­na und der Türkei pro­duziert. Schau mal nach, ste­ht auf dem Label. Ob bil­lig oder teuer — für die Pro­duk­tion zahlen vor allem die Arbeiter*innen in diesen Län­dern die Zeche für den Prof­it der Konz­erne. In unserem zweit­eili­gen Work­shop am 16. und 17. Okto­ber wollen wir uns am Don­ner­stag mit den Arbeits­be­din­gun­gen an den Pro­duk­tion­stät­ten der Bek­lei­dungsin­dus­trie auseinan­der­set­zen und kreative Aktion­sid­een gegen die herrschen­den Ver­hält­nisse vorstellen. Am Fre­itag wollen wir ein bissl tech­nis­ches Know-How ver­mit­teln, damit ihr dem Kon­sum ein Schnip­pchen schla­gen kön­nt — näht doch mal ein­fach sel­ber! Alte Klam­ot­ten sind ein paar vor Ort, bringt mit wenn ihr welche zuhaus rum­liegen habt. Näh­maschienen und Anleit­er stellen wir — Ihr müsst nur die Ideen für neue Sachen, Taschen oder vielle­icht einen selb­st­de­sign­ten Aufnäher mit­brin­gen. Upcy­cling ist angesagt.
Ter­mine:
Do, 16.10.2014, 16:00 Uhr im Café. Fr, 17.10.2014, 15:00 im Sem­i­nar­raum. Im MittenDrin!

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Kein Schutz für eritreische Flüchtlinge in Brandenburg?

Vor der Mil­itärdik­tatur in Eritrea geflo­hen, in der Forster Unterkun­ft von anderen Flüchtlin­gen mis­shan­delt, in Guben von Ras­sis­ten ange­grif­f­en und nach der Zeu­ge­naus­sage auf der Polizeis­ta­tion in Hand­schellen gelegt – sieht so Flüchtlingss­chutz in Bran­den­burg aus? Diesen Text empfehlen
Der Angriff in der Forster Unterkun­ft in der Nacht zum 20. August erfol­gte nicht ohne Vor­war­nung. Schon 14 Tage vorher wen­det sich die 15-köp­fige Flüchtlings­gruppe aus Eritrea an die Heim­leitung mit der Bitte um Hil­fe gegen Beschimp­fun­gen und Bedro­hun­gen durch andere Heim­be­wohn­er. Aber nichts passiert. Da es keine abgeschlosse­nen Wohnein­heit­en in der Unterkun­ft gibt, kann die Sit­u­a­tion weit­er eskalieren: Die eritreis­che Gruppe wird am 20. August regel­recht über­fall­en. Vier der Män­ner müssen im Kranken­haus behan­delt wer­den, ein­er von ihnen neun Tage lang.
Jet­zt reagieren die Behör­den schnell und ver­legen die inzwis­chen mehrfach trau­ma­tisierte Gruppe nach Guben. Doch auch hier kön­nen sie keinen Frieden find­en, son­dern wer­den kon­fron­tiert mit ein­er Serie ras­sis­tis­ch­er Anfein­dun­gen und Angriffe. Wenige Tage nach ihrer Ankun­ft wird die Parole „Refugees go home!“ auf den Weg vor ihrer Unterkun­ft gemalt. Zwei Tage nach sein­er Ent­las­sung aus dem Kranken­haus wird ein­er von ihnen vor einem Super­markt in Guben ras­sis­tisch bedro­ht. In Guben fehlen der Gruppe Ansprech­part­ner, die ihnen durch die schwierige Sit­u­a­tion helfen. Nach Auskun­ft der zuständi­gen Behörde ist tägliche ein­er der Mitar­beit­er für eine Stunde vor Ort, zu wenig und immer wieder fehlen Englis­chken­nt­nisse, um sich ver­ständi­gen zu kön­nen. In ihrer Verzwei­flung flücht­en sie nach Gießen in Hes­sen zu einem eritreis­chen Vere­in, bei dem sie Rat und Unter­stützung bekom­men. Wegen ihrer Zuteilung zum Land­kreis Spree-Neiße müssen sie aber nach Guben zurück. Am 25. Sep­tem­ber kommt es dort zu einem weit­eren ras­sis­tis­chen Angriff, direkt vor ihrer Unterkun­ft. Dieses Mal rufen sie die Polizei und ein­er der Betrof­fe­nen fährt mit zur Zeu­ge­naus­sage nach Cot­tbus. Dort muss er mehrere Stun­den auf einen Dol­metsch­er warten, der dann aber nur Ara­bisch spricht. Unver­richteter Dinge soll er nach Guben zurück­ge­fahren wer­den. Seine Hände wer­den dafür mit Hand­schellen auf den Rück­en gefes­selt. Diese völ­lig unver­ständliche, erniedri­gende und bedrohliche Behand­lung als Opferzeu­gen hat ihn nach­haltig schock­iert. Die Polizei wird vom Vere­in Opfer­per­spek­tive am 6. Okto­ber um eine Stel­lung­nahme gebeten, die bis heute nicht erfol­gt ist.
Am 30. Sep­tem­ber wandten sich die Eritreer mit dem fol­gen­den Brief an die Öffentlichkeit:
Wir, die unten­ste­hen­den Unterze­ich­n­er, sind mit Prob­le­men kon­fron­tiert, die unser Leben bedro­hen. Obwohl wir dies schon am 6.8.2014, in einem Offe­nen Brief an die soziale Betreu­ung [Heim­leitung] in Forst mit­geteilt hat­ten, hat nie­mand etwas unter­nom­men oder ver­sucht, diese schlim­men Aktiv­itäten zu ver­hin­dern. Am 20.9.2014 gegen 2 Uhr nachts umringten uns 50 Per­so­n­en in unser­er Unterkun­ft und grif­f­en uns bru­tal im Schlaf an. Forst ist für uns keine Minute mehr sich­er. Gegen­wär­tig leben wir in Guben. Hier sind wir noch immer mit Prob­le­men kon­fron­tiert. Hier gibt es Per­so­n­en (höchst­wahrschein­lich Ras­sis­ten), die uns has­sen und bedro­hen. Sie haben Worte gegen uns an die Seite des Gebäudes geschrieben, in dem wir jet­zt wohnen. Diese Men­schen rufen uns hin­ter­her und spuck­en nach uns, wenn wir in den Strassen Gubens laufen. Wir kön­nen uns hier nicht frei bewe­gen. Am 30.8.2014 ver­suchte eine Per­son M. mit einem Spray anzu­greifen, während er auf dem Weg zum Super­markt war. Und am 25.9.2014 gegen 6 Uhr abends ver­fol­gten 4 Per­so­n­en, deren Iden­tität uns nicht bekan­nt ist, mit einem schwarzen Auto [Autonr. bekan­nt] F. und M.. Sie kon­nten entkom­men. Dieses mal riefen wir die Polizei. Die Polizei kam und nahm F. mit zu ihrem Büro in Cot­tbus. Er blieb dort für 4 Stun­den, während­dessen sie ver­sucht­en, ihn mit Hil­fe eines Über­set­zers über den Angriff zu befra­gen. Diese Befra­gung war erfol­g­los, da der Über­set­zer Ara­bisch über­set­zen kon­nte, F. aber kein Ara­bisch ver­ste­ht. Später dann wandte sich die Polizei an F. und fes­selte seine Hände, was uns sehr über­rascht hat. Unser Leben ist noch immer in Gefahr. Wir sind sehr verzweifelt und angestrengt. Es gibt nie­man­den, der sich um uns küm­mert. Deshalb bit­ten wir die zuständi­gen Stellen darum, uns zu einem sicher­eren Platz zu brin­gen oder, falls möglich, unser Asyl­begehren so schnell wie möglich zu bearbeiten.
Her­zlichen Dank.
(Unterze­ich­net von 15 Flüchtlin­gen aus Guben)
Opfer­per­spek­tive und Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordern:
‑unverzügliche Unter­bringung der eritreis­chen Flüchtlinge an einem Ort, wo sie in Sicher­heit leben kön­nen; Bewil­li­gung ihrer Umverteilungsanträge nach Cottbus;
— vor­rangige Bear­beitung ihrer Asy­lanträge; Eritrea ist eines der Herkun­ft­slän­der mit der höch­sten Asyl-Anerken­nungsquote; nach ihrer Anerken­nung als poli­tisch Ver­fol­gte hät­ten sie das Recht auf freie Wohnortwahl.

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(Anti)militarismus

Transparent für Rojava

Soli­ak­tion in Fin­ster­walde: Wir haben in der Nacht vom 11. zum 12. Okto­ber ein Tran­par­ent in Gedanken an die Kämpfe in Roja­va — Kobanê auf gehangen. Wir kön­nen unser­er Wut über das was zurzeit auf der Welt und speziell in Kur­dis­tan geschieht kaum Aus­druck ver­lei­hen. Um wenig­stens ein kleines Zeichen zu set­zen haben wir das Trans­par­ent auf gehangen. Unsere Gedanken sind bei den Men­schen die um Frei­heit und Gle­ich­heit kämpfen. Bijî YPG/YPJ

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Antifaschismus

Völkisches vom AfD-Abgeordneten Andreas Kalbitz

AfD- Landtagsabgeordneter Andreas Kalbitz (Screenshot: Landtag Brandenburg)
AfD- Land­tagsab­ge­ord­neter Andreas Kalb­itz (Screen­shot: Land­tag Brandenburg)

INFORIOT Der AfD-Land­tagsab­ge­ord­nete Andreas Kalb­itz hat eine bewegte poli­tis­che Ver­gan­gen­heit im Feld zwis­chen hart recht­skon­ser­v­a­tiv­en und extrem recht­en Organ­i­sa­tio­nen. Schon Anfang der 1990er sprach sich Kalb­itz für eine Radikalisierung nach Rechts in den Union­sparteien aus. Von dort führte ihn sein poli­tis­ches Wirken an etliche extrem rechte Organ­i­sa­tio­nen und Zeitschriften her­an. Als Autor schrieb Kalb­itz selb­st im ein­schlägi­gen Duk­tus. Kalb­itz, Jahrgang 1972, lebt in Königs Wuster­hausen und zog nach den Wahlen im Sep­tem­ber für die “Alter­na­tive für Deutsch­land” in den Pots­damer Land­tag ein.
UPDATE 21.10.2014: Kalb­itz war auch Mit­glied der recht­sradikalen Partei “Die Repub­likan­er”. Er behauptet, diese Mit­glied­schaft vergessen zu haben und sie darum bei sein­er Bewer­bung auf einen Lan­deslis­ten­platz nicht angegeben zu haben.
Die Zeitschrift “Der Rechte Rand” berichtete in ein­er Aus­gabe aus dem Jahr 1995, dass Kalb­itz im “Witikobund” wirken würde. Der 1950 gegrün­dete, extrem rechte, völkische und revan­chis­tis­che Witikobund ist nach seinem Selb­stver­ständ­nis eine “nationale Sude­tendeutsche Gesin­nungs­ge­mein­schaft” und gehört zum äußer­sten recht­en Rand im Milieu der Ver­triebe­nen­ver­bände. Wer ein­mal dabei ist, soll auf ewig bleiben: Die Mit­glied­schaft ist auf Leben­szeit ausgerichtet.
“Kampf gegen den volk­lichen Tod”
2001 grat­ulierte Kalb­itz im Witikobund-eige­nen Rund­schreiben “Witiko­brief” dem extrem recht­en “Fre­und­schafts- und Hil­f­swerk — Ost” (FHwO) zum zehn­jähri­gen Jubiläum. Kalb­itz lobte den Ein­satz des FHwO, weil es pos­i­tiv im “oft­mals aus­sicht­s­los scheinen­den Kampf gegen den kul­turellen und volk­lichen Tod auf jahrtausendeal­tem deutschen Kul­tur­bo­den” wirken würde. Das FHwO ist unter anderem mit der Neon­azi­partei NPD eng verquickt. In einem weit­eren Text fragte Kalb­itz “Wo ist der Wider­stand?” und trauerte über die weg ster­ben­den “Kam­er­aden der Erleb­nis­gen­er­a­tion”. Die “Jugend von heute” wiederum sei Opfer eines “nie dagewe­se­nen kul­turellen Sub­stanzver­lusts” und “durch Mate­ri­al­is­mus und Genuß­sucht” zu “entseel­ten Kon­sumenten” gewor­den. In Manier der extremen Recht­en beklagte Kalb­itz, dass ein “Eth­nozid am deutschen Volk” stat­tfind­en würde — ganz so, wie derzeit Bran­den­burg­er Neon­azis vor einem “Volk­stod” war­nen.
Autor für Neonazi-Vereinsblatt
Passend dazu: Zwis­chen­zeitlich trat Kalb­itz als Autor für die Zeitschrift “Fritz” in Erschei­n­ung — dem Vere­ins­blatt der extrem recht­en “Jun­gen Lands­man­nschaft Ost­deutsch­land” (JLO, bis 2006: “Junge Lands­man­nschaft Ost­preußen”). Die JLO war jahre­lang für Anmel­dung und Organ­i­sa­tion der “Trauer­märsche” in Dres­den ver­ant­wortlich. Diese Demon­stra­tio­nen waren zeitweise die europaweit größten und bedeu­tend­sten Ver­samm­lun­gen von Alt- und Neon­azis. 2003, als Kalb­itz Texte beis­teuerte, war die JLO bere­its von Neon­azis dominiert. In Inter­views in Neon­azi-Zeitschriften aus dieser Zeit beze­ich­nen sich JLO-Funk­tionäre selb­st als “Nationale Sozial­is­ten”, nutzen die Neon­azi-Gruß­formel “88” (Zeitschrift “Das treue Mädel”) und loben die Zusam­me­nar­beit mit dem “Witikobund” (Zeitschrift “Die Kameradschaft”).
Ver­schwörungs­the­o­rien als “Meis­ter­leis­tung”
In Kalb­itz’ Tex­ten für die JLO-Zeitschrift “Fritz” bemüht dieser erneut seine Volk­stod-Analyse: Ein “Bewußt­sein­seth­nozid in den Köpfen der bun­desre­pub­likanis­chen Jugend” sei zu bekla­gen und die Erin­nerung an NS-Ver­brechen sei eine “Ver­ständ­nisim­plan­ta­tion von 12 Jahren als 99% deutsch­er Geschichte”. Ein Buch des franzö­sis­chen Ver­schwörungs­the­o­retik­ers Thier­ry Meyssan wird indes von Kalb­itz als “geistige Waffe” und als “Meis­ter­leis­tung des inves­tiga­tiv­en Jour­nal­is­mus” gelobt. Meyssan ver­tritt die These, dass bei den Ter­ro­ran­schlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001 kein Flugzeug in die New York­er Twin Tow­ers geflo­gen sei, es han­dele sich um einen Fall von “insze­niertem Terrorismus”.
Schla­gende Schülerverbindung und JU-Radikaler
Der gebür­tige Münch­n­er Kalb­itz ist zudem “Alter Herr” bei der in sein­er Heimat­stadt ansäs­si­gen “Pen­nalen Burschen­schaft Sax­o­nia-Czer­nowitz”, ein­er schla­gen­den Schülerverbindung. Die Sax­o­nia-Czer­nowitz hält ihre Tre­f­fen im Haus der Burschen­schaft “Danu­bia” ab. Die Danu­bia ist bekan­nt für das Abhal­ten von extrem rechte Ver­anstal­tun­gen in ihrem Anwe­sen — unter anderem sprachen dort Holo­caustleugn­er wie Horst Mahler und Wil­helm Stäglich.
In Kalb­itz’ Münch­n­er Zeit fällt auch sein zeitweiliges Engage­ment in CSU und in der “Jun­gen Union” (JU) — er war unter anderem CSU-Parteitags­delegiert­er und im Bezirksver­band­sauss­chuß der JU München. Kalb­itz trat entsch­ieden für eine Radikalisierung sein­er dama­li­gen Partei nach Rechts ein. So schrieb er 1992 in einem Debat­ten­beitrag für die neurechte Wochen­zeitung “Junge Frei­heit” ein Plä­doy­er “für einen recht­en Auf­bruch in der CDU/CSU”: “Nonkon­formistis­che Rechte” müssten “Alt­las­ten” in der Union “ertränken” — oder aber “den verkomme­nen Gefechts­stand” der Union “aufgeben” und sich dann ein­er “unver­braucht­en poli­tis­chen Kraft” zuwen­den. Offen­bar war also Kalb­itz schon damals auf der Suche nach ein­er recht­en “Alter­na­tive” in der Parteienlandschaft.
Zulet­zt — von 2009 bis 2014 — war Kalb­itz  Geschäfts­führer des Hör­buchver­lages “Edi­tion Apol­lon” in Königs Wuster­hausen. Der mit­tler­weile insol­vente Ver­lag veröf­fentlichte unter anderem einen Jahreskalen­der 2011 mit Ansicht­en der Wewels­burg, die im Nation­al­sozial­is­mus zu ein­er SS-Kult­stätte umge­baut wer­den sollte.
 
Andreas Kalbitz als Autor im "Witikobrief" (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz als Autor im “Witiko­brief” (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz (AfD) als Autor für die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen" 2003 (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz (AfD) als Autor für die “Junge Lands­man­nschaft Ost­preußen” 2003 (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz (AfD) 1992 in der "Jungen Freiheit" (Ausschnitt)
Andreas Kalb­itz (AfD) 1992 in der “Jun­gen Frei­heit” (Auss­chnitt)

Andreas Kalbitz als Witikone (Faksimile aus "Der Rechte Rand")
Andreas Kalb­itz als Witikone (Fak­sim­i­le aus “Der Rechte Rand”)

Wewelsburg-Kalender aus dem Verlag von Andreas Kalbitz (Screenshot Amazon.com)
Wewels­burg-Kalen­der aus dem Ver­lag von Andreas Kalb­itz (Screen­shot Amazon.com)

JLO-Interview in Neonazi-Zeitschrift "Die Kameradschaft" (Faksimile)
JLO-Inter­view in Neon­azi-Zeitschrift “Die Kam­er­ad­schaft” (Fak­sim­i­le)

Interview mit JLO-Funktionär in Neonazizeitschrift von 2001 (Faksimile)
Inter­view mit JLO-Funk­tionär in Neon­az­izeitschrift von 2001 (Fak­sim­i­le)
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Antifaschismus

”Auf dem Boden des Grundgesetz”?

INFORIOT Stef­fen Königer, Land­tagsab­ge­ord­neter der “Alter­na­tive für Deutsch­land”, war jahre­lang Redak­teur beim Recht­saußen-Wochen­blatt “Junge Frei­heit”. Das sei völ­lig unprob­lema­tisch, find­et Königer erwartungs­gemäß. Er ließ ver­laut­en, dass jed­er Redak­teur dort fest auf dem Boden der frei­heitlich-demokratis­chen Grun­dord­nung ste­he, und zwar „fes­ter als manch­er Bun­destagsab­ge­ord­nete“. Dies berichteten jüngst die “Pots­damer Neuesten Nachricht­en”.

Steffen Königer (AfD) zur "Jungen Freiheit"
Stef­fen Königer (AfD) zur “Jun­gen Frei­heit” (Screen­shot PNN)

Die “Junge Frei­heit”, Flag­gschiff der “neuen Recht­en”, ganz fest auf demokratis­chem Boden? Und zwar ohne Aus­nahme “jed­er Redak­teur”? Nun: Königer selb­st war beispiel­sweise bis 2004 dort tätig und ver­ließ das Blatt zusam­men mit Ange­li­ka Willig und Manuel Ochsen­re­it­er. Willig machte weit­er beim Blatt “Hier und Jet­zt”, das sich selb­st im Unter­ti­tel “radikal rechte Zeitung” nen­nt und The­o­rieor­gan der neon­azis­tis­chen NPD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion “Junge Nation­aldemokrat­en” ist. Manuel Ochsen­re­it­er hinge­gen ist Chefredak­teur der Monat­szeitung “Zuerst!” — ein Ver­such, ein extrem recht­es Nachricht­en­magazin an den Kiosken zu etablieren. Her­aus­ge­ber ist Diet­mar Munier, ein­er der ein­flussre­ich­sten Ver­leger aus der extremen Rechten.
Ex-Junge Freiheit RedakteurInnen Willig und Ochsenreiter schreiben für extrem rechte Blätter.
Ex-Junge Frei­heit Redak­teurIn­nen Willig und Ochsen­re­it­er schreiben für extrem rechte Blätter.
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Verharmlosung von Nationalismus und Rassismus in Brandenburg

Im Nach­gang der Land­tagswahlen in Bran­den­burg am 14. Sep­tem­ber gab der Geschäfts­führer des Bran­den­bur­gis­chen Insti­tuts für Gemein­we­sen­ber­atung in der Märkischen Oder-Zeitung eine Exper­tise zu den Ursachen der gerin­gen Wahlbeteili­gung von 47,9 Prozent, dem Wahler­folg der „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) und dem Umgang mit Geflüchteten im Land ab.[1] Dass das Insti­tut zur Wahlanalyse von einem lan­desweit­en Presse­or­gan als Expert_innenstelle herange­zo­gen wird, ist zunächst nicht ungewöhn­lich. Die Fehlein­schätzung der derzeit­i­gen poli­tis­chen Land­schaft Bran­den­burgs hinge­gen schon: Ekla­tant falsch waren die Darstel­lun­gen im Zusam­men­hang mit den Wahler­fol­gen der AfD und dem Umgang mit geflüchteten Men­schen in Brandenburg.
Das Prob­lem
Dirk Wilk­ing, Geschäfts­führer des Insti­tuts, schätzt die AfD zwar als nation­alkon­ser­v­a­tive Partei ein, sieht aber keine Verknüp­fung ihres Wahler­fol­gs mit dem Diskurs um Krim­i­nal­ität in der deutsch-pol­nis­chen Region. Dies geht an der Real­ität vor­bei: Die AfD erlangte bei den Wahlen ins­ge­samt 12,2 Prozent. In fast ganz Bran­den­burg lag sie bei über 10%, in der Gren­zre­gion sog­ar höher – etwa in Oder-Spree (21,3%) und Frank­furt (Oder) (19,7%). „Gren­zkrim­i­nal­ität und Sicher­heit“ waren die The­men, mit denen die AfD haupt­säch­lich ihren lan­desweit­en Wahlkampf geführt hat. Sie sind in allen Regio­nen ent­lang der Gren­ze pop­ulär. Öffentliche oder in den sozialen Medi­en geführte polen­feindliche Debat­ten und auch die Exis­tenz von soge­nan­nten “Bürg­er­wehren” beispiel­sweise in den Städten Küstrin-Kietz, Neuzelle, Eisen­hüt­ten­stadt und Frank­furt (Oder) soll­ten Beweis genug dafür sein, dass die AfD diese Stim­mung nutzen kon­nte und ihre Posi­tio­nen ger­ade dort auf frucht­baren Boden fielen.[2] Gideon Botsch von Moses-Mendelssohn-Insti­tut Pots­dam etwa charak­ter­isierte die AfD tre­f­fend als nation­alpop­ulis­tis­che Rechtspartei.[3]
Zudem for­muliert Wilk­ing die Annahme, dass Geflüchtete und deren Unter­bringung in den Kom­munen im All­ge­meinen akzep­tiert seien. Eine nähere Betra­ch­tung der bran­den­bur­gis­chen Ver­hält­nisse hätte ihn zu einem anderen Schluss kom­men lassen müssen: Die durch den Anstieg von Flüchtlingszahlen bed­ingte Neuein­rich­tung von Flüchtling­sun­terkün­ften löste in vie­len Kom­munen eine Welle des Protests aus. Die all­ge­meine Stim­mung gegenüber den Geflüchteten und ihren Unterstützer_innen war kri­tisch bis feindlich; in eini­gen Gegen­den ging der Hass auf Geflüchtete so weit, dass es zu gewalt­täti­gen Über­grif­f­en und pogromähn­lichen Stim­mungen kam. So gab es im ver­gan­genen Jahr beispiel­sweise in Prem­nitz einen Bran­dan­schlag auf ein Asyl­suchen­den­heim, und in Bestensee gin­gen 200 Men­schen gegen dein Heim auf die Straße. Dass deshalb auch die AfD mit ihrer Forderung nach einem Ein­wan­derungsstopp punk­ten kon­nte, ist kein Zufall. Daneben sehen sich Geflüchtete sowohl einem alltäglichen als auch insti­tu­tionellen Ras­sis­mus aus­ge­set­zt, dem sich zwar bere­its Ini­tia­tiv­en und Ein­rich­tun­gen ent­ge­gen­stellen, der das Leben von Geflüchteten aber nach wie vor in höch­stem Maße prägt. In Frank­furt (Oder) beispiel­sweise lud sich kür­zlich die Stim­mung gegen Geflüchtete inner­halb weniger Tage maß­los ras­sis­tisch auf, als in sozialen Net­zw­erken Gerüchte gestreut wur­den, die einen Zusam­men­hang zwis­chen „Dro­genkrim­i­nal­ität“ und Geflüchteten konstruierten.[4] Die AfD Frank­furt (Oder) unter­stützte diese Hetze.
Wilk­ing ver­harm­lost die Posi­tio­nen der AfD; ihm scheint nicht klar zu sein, dass es auch die genan­nten Reizthe­men waren, die über 10% der Brandenburger_innen ansprachen. Bei diesen han­delt es sich um klas­sis­che The­men der poli­tis­chen Recht­en – und sie wer­den gezielt von der AfD über­nom­men. Das Wahlergeb­nis der Partei als reinen Protest abzu­tun, verken­nt das grundle­gende Prob­lem. Indem Wilk­ing von ein­er all­ge­meinen Akzep­tanz gegenüber Geflüchteten in den Kom­munen spricht, bagatel­lisiert er die von ein­er ras­sis­tis­chen Grund­stim­mung geprägte Hal­tung der Mehrheits­ge­sellschaft gegenüber Migrant_innen.
Die Fol­gen
Das Insti­tut gilt im Land Bran­den­burg als wichtige Instanz in Sachen Neon­azis­mus- und Demokratieber­atung; die von ihren Mitarbeiter_innen abgegebe­nen Ein­schätzun­gen wer­den in der Öffentlichkeit, aber auch auf der Poli­tik- und Ver­wal­tungsebene des Lan­des wirk­mächtig und sind als Exper­tise anerkan­nt. Die Fehlein­schätzung des Geschäfts­führers kann schw­er­wiegende Fol­gen für die Wahrnehmung der Prob­lem­felder AfD, All­t­agsras­sis­mus und Diskri­m­inierung von Migrant_innen haben. Eine seit Jahren seit­ens der Zivilge­sellschaft betriebene Sen­si­bil­isierung zu dieser The­matik wird dadurch enorm erschw­ert. Zudem macht eine falsche Analyse adäquates Han­deln unmöglich: Zum einen wer­den zuständi­ge Lan­desstellen – darunter auch der Ver­fas­sungss­chutz – falsch informiert und in ihren Maß­nah­men fehlgeleit­et, zum anderen wird das konkrete Engage­ment im zivilge­sellschaftlichen Bere­ich gegen Ungle­ich­heit und Ras­sis­mus häu­figer infrage gestellt wer­den. Denn wo von der Lan­desstelle für Demokratie kein Prob­lem gese­hen wird, müssen sich zivilge­sellschaftliche Akteure mit ein­er anderen Per­spek­tive erst ein­mal behaupten.
Welche Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den müssen
Ob es sich bei der Analyse der Bran­den­burg­er Land­tagswahlen durch Dirk Wilk­ing um gewollte Schön­fär­berei, um eine Unter­schätzung des Prob­lems oder um Infor­ma­tion­sprob­leme auf­grund ein­er fehlen­den kom­mu­nale Ver­ankerung des Insti­tuts han­delt – in allen Fällen ist zu fra­gen, welchen Sinn eine solche vom Land genau für die ange­sproch­enen The­men­felder ein­gerichtete Beratungsstelle erfüllt. Es bleibt zu hof­fen, dass die Stelle abgeschafft oder anders beset­zt wird. Denn so wie sie arbeit­et, ist sie Teil des Prob­lems und nicht Teil ein­er Lösung für das Ras­sis­mus­prob­lem in Brandenburg.
 
[1] Vgl. Hen­ning Kraudzun, „Die Dör­fer kapseln sich ab“ — Demokratie-Experte Dirk Wilk­ing im Inter­view, MOZ, 16.09.2014 (http://www.moz.de/themen/landtagswahl/artikelansicht/dg/0/1/1325725/)
[2] Vgl. Jeanette Bed­erke, Bürg­er­wehr gegen krim­inelle Gren­zgänger, MAZ, 11.04.2014 (http://www.maz-online.de/Brandenburg/Buergerwehr-gegen-kriminelle-Grenzgaenger); Chris­t­ian Ban­gel, Die Angst geht auf Streife, Zeit Online, 12.05.2014 (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014–05/buergerwehr-in-deutschland/); Cate­ri­na Loben­stein, Brücke der Angst, DIE ZEIT Nº 38/2014, 11.11.2014 (http://www.zeit.de/2014/38/grenzkriminalitaet-brandenburg-landtagswahl).
[3] Alexan­der Fröh­lich im Inter­view mit Gideon Botsch, „Die AfD ist eine nation­alpop­ulis­tis­che Rechtspartei“, PNN, 16.09.2014, (http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/892684/).
[4] Vgl. DPA, Neon­azi-Het­ze gegen Asyl­be­wer­ber, MOZ, 27.12.2013 (http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1229587/), Opfer­per­spek­tive e.V. — Antidiskri­m­inierungs­ber­atung (http://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/), Utopia e.V., Het­ze gegen Asyl­suchende nimmt bedrohlich­es Maß an, 28.08.2014 (http://utopiaffo.blogsport.de/2014/08/29/pm-hetze-gegen-asylsuchende-nimmt-bedrohliches-mass-an/).
Frank­furt (Oder), den 02.10.2014
Utopia e.V.

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