Es war die letzte Verhandlung des Tages, die heute gegen 15.45 Uhr im Saal III des Amtsgerichtes Brandenburg an der Havel begann. Ob dies allerdings auch die letzte Verhandlung für den einschlägig vorbestraften Angeklagten L. sein wird, bleib abzuwarten. Heute wurde er jedenfalls einmal mehr für ein politisch motiviertes Delikt verurteilt.
„Kühnengruß“ bei erster BraMM-Demo
Dabei ging es um einen Fall im Januar diesen Jahres. Der Angeklagte Sascha L. befand sich als Versammlungsteilnehmer auf der ersten „PEGIDA“-Demonstration der BraMM („Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“). Schnell zog der einschlägig bekannte und sehr auffällig gekleidete Mann das Interesse eines Fotografen auf sich. L. bemerkte dies und soll den rechten Arm zum sogenannten „Kühnengruß“ erhoben haben. Der Fotograf versuchte dieses Ereignis zu dokumentieren, löste aber offenbar zu spät aus, so dass auf dem entstandenen Foto nur noch der sich senkende Arm zu sehen war. Als Zeuge der Anklage stand der Journalist dem Gericht jedoch trotzdem zur Verfügung. Der Fotograf hatte den Gruß nämlich deutlich wahrgenommen und dies auch noch einmal vor Gericht zweifelsfrei dargelegt. Bestätigt wurden dessen Aussage von einem Polizeibeamten, der am Tattag in Brandenburg an der Havel eingesetzt war. Er hatte das Geschehen aus der Ferne beobachtet und den Gruß ebenfalls gesehen. Der Angeklagte L. bestritt hingegen den „Kühnengruß“ verwendet zu haben. Gemäß seiner Erinnerung habe er lediglich das „Victory“-Zeichen gezeigt. Für dieses Symbol hätte er lediglich den Zeigefinger und den Mittelfinger benötigt, um daraus ein „V“ zu machen. Beide Zeugen bestätigten jedoch, unabhängig voneinander, dass L. auch den Daumen gespreizt habe. Das somit gezeigte „W“, entspricht, unter Zuhilfenahme des gestreckten Armes, dem so genannten „Widerstandsgruß“ oder „Kühnengruß“, einem im Neonazimilieu verwendeten Ersatzgruß für den verbotenen „deutschen Gruß“ (umgangssprachlich: „Hitlergruß“).
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe
Nach Abschluss der Beweisaufnahme sah die Staatsanwältin somit den Anklagepunkt des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“, gemäß § 86a StGB, als erfüllt an und forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung, sowie eine Geldbuße in Höhe von 300,00 €.
Diesem Antrag folgte die Richterin in vollem Umfang und sprach L. schuldig.
Eine Geldstrafe allein sah das Gericht offenbar als zu milde, da der Angeklagte bereits drei Vorstrafen aufwies. Die schwerwiegendste Tat lag allerdings schon einige Jahre zurück. Im Februar 1996 hatte L. in Brandenburg an der Havel den damals 23 Jährigen Punk Sven Beuter getötet und war dafür zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
Darüber hinaus wies sein Bundeszentralregisterauszug noch zwei weitere Einträge, einen wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes sowie einen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf. Letztgenannter Eintrag stammte erst vom 16. Oktober 2014, vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten.
„Heimattreue ungebrochen“
L. schien von dem Urteil jedoch wenig beeindruckt zu sein. „Immer noch billiger als ein Freispruch“, so seine letzten Worte in der Verhandlung. Bereits zuvor, auf dem Flur des Gerichtsgebäudes hatte er zu seinem Begleiter geraunt, dass er „hoffentlich“ verurteilt werde. Der letzte Freispruch habe ihm 3.000,00 € gekostet.
Auch sonst gab er sich wenig reumütig. Zur Gerichtsverhandlung erschien L. mit einem schwarzen T‑Shirt, dass u.a. die Aufschrift „Heimattreue ungebrochen“ sowie ein „eisernes Kreuz“ als Symbol enthielt.
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Monat: Juni 2015
Opferperspektive und Amadeu Antonio Stiftung begrüßen unabhängige Untersuchung “Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Brandenburg (1990–2008)“des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ)
Berlin, 29.06.2015: Die Ergebnisse des Forschungsprojekts des MMZ haben offen gelegt, dass das Ausmaß tödlicher rechter Gewalt in Brandenburg bisher von staatlichen Stellen falsch beurteilt wurde. In nahezu allen untersuchten Fällen konnte ein rechtsextremes oder rassistisches Motiv nicht ausgeschlossen werden. Dies zeigt, wie wichtig die Forderung des Vereins Opferperspektive und der Amadeu Antonio Stiftung nach einer erneuten, unabhängigen Überprüfung der umstrittenen Tötungsdelikte stets war und für andere Bundesländer noch immer ist.
“Für viele Hinterbliebene war die unabhängige Überprüfung ein bedeutender Schritt. Endlich wurde versucht, die offene Frage nach dem Warum zu klären. Die erneute Konfrontation mit dem Tod eines Angehörigen ist gleichzeitig auch eine enorme Belastung, da alte Narben wieder aufbrechen”, erklärt Judith Porath, Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive.
Die Ergebnisse des MMZ verdeutlichen, dass bei nachweislich rechten Tätern den politischen Motiven durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht überhaupt nicht oder nicht ausreichend nachgegangen wurde. Die
Folge war eine sukzessive Entpolitisierung der Taten von Instanz zu Instanz. In der Rückschau sind daher nicht mehr in allen Fällen die politischen Tathintergründe zu klären. Vielmehr zeigt sich, wie wichtig eine Nebenklage und eine breite kritische Medienberichterstattung für die Thematisierung politischer Hintergründe der Tat sind. “Hinterbliebene von Todesopfern müssen anwaltlich gut vertreten werden. Zudem brauchen wir eine breite kritische Öffentlichkeit, damit derartige Fälle auch im Hinblick auf politische Tatmotive eingehend beleuchtet werden”, fordert Porath.
Das MMZ hat alle 24 strittigen Todesfälle angelehnt an das polizeiliche Erfassungssystem “Politisch motivierte Kriminalität” (PMK) bewertet. Das System weißt jedoch deutliche Mängel auf. “Taten, in denen ein
sozialdarwinistisches oder rassistisches Motiv mindestens eine tatbegleitende bis tateskalierende Rolle spielen, werden bisher nicht in der PMK-Statistik erfasst und damit von staatlicher Seite völlig entpolitisiert. Hier braucht es eine Möglichkeit, auch solche Fälle abzubilden, um die tödlichen Folgen von rassistischer und rechter Gewalt in Deutschland nicht länger zu verharmlosen”, so Anna Brausam von der
Amadeu Antonio Stiftung. Diese Fälle wurden auch vom MMZ nicht als eindeutig rechte Gewalt gewertet.
“Wir hoffen, dass auch andere Bundesländer dem Brandenburgischen Vorbild einer unabhängigen Überprüfung folgen werden. Dabei sollte auch das Konzept des MMZ aufgegriffen werden, einen Expertenarbeitskreis in
beratender Funktion einzusetzen. In Brandenburg hat sich gezeigt, dass es sehr konstruktiv war, strittige Fälle noch einmal aus den unterschiedlichen Blickwinkeln staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen zu diskutieren”, so Anna Brausam.
Zum Hintergrund:
Opferperspektive und Amadeu Antonio Stiftung beklagen seit Jahren die große Differenz zwischen der Zählung von Todesopfern rechter Gewalt durch staatliche Behörden und durch unabhängige Organisationen und Journalisten. Vertreterinnen beider Organisationen waren in beratender Funktion Mitglied im Expertenarbeitskreis für das Forschungsprojekt “Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Brandenburg (1990–2008)” des Moses Mendelssohn Zentrums. Die vom LKA bislang genannte Zahl von neun Todesopfern rechter Gewalt in Brandenburg verdoppelt sich gemäß den Ergebnissen des MMZ-Forschungsprojekts auf 18.
Für Rückfragen:
Opferperspektive e.V.: Judith Porath (0151 591 000 82) und Joschka Fröschner (0151 507 248 51)
Amadeu Antonio Stiftung: Anna Brausam 0176 (239 481 54)
Den Bürgermeister von Nauen sowie den Landrat des Kreises Havelland wollte eine „Bürgerbewegung freies Nauen“, gemäß massiv verbreiteter Flyer und Plakate, am Sonntagabend im Rahmen einer Demonstration absetzen. Das Vorhaben scheiterte jedoch grandios. Gerade einmal 30 Personen waren den Aufrufen gefolgt und hatten sich an der Bahnhaltestelle Nauen versammelt. Die Demonstration wurde allerdings trotzdem durchgeführt, wenn auch in viel kürzerer Form als üblich. Auch führte der rassistisch motivierte Aufzug erstmals nicht in Hör- und Sichtweite der zentralen Gegenkundgebung vorbei. Diese fand wieder am Rathaus, mit ungefähr 60 Teilnehmer_innen, statt. Entlang der Route des rassistischen Aufzuges gab es hingegen nur sporadische Protestaktionen.
Lokale NPD Struktur dominiert Rassist_innenaufzug
Auch wenn zu dieser erneuten Demonstration gegen die geplante Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende im Ort die „Bürgerbewegung freies Nauen“ aufgerufen hatte, stellte die lokale NPD erneut ihre Logistik zur Verfügung. Der Lautsprechwagen wurde einmal mehr vom ehemaligen NPD Stadtverordneten Maik Schneider gestellt, Schneider selber betätigte sich als Stimmungsmacher und der einzige Redner stammte offenbar von befreundeten Parteistrukturen aus dem Landkreis Oberhavel. Des Weiteren war der Brieselanger NPD Gemeinderat Frank Kittler wieder vor Ort.
Auch inhaltlich blieb die Veranstaltung wenig „bürgerlich“. Zwar wurde die „Absetzung des Bürgermeisters + des Landrates“, als vorgeblich eigentlicher Anlass der Demonstration, mit angeblichen „Steuergeldverschwendungen“, „geplanten Zwangsenteignungen“ und „undemokratischer Regierungsweise (Asylantenheim)“ begründet – auf Plakaten, Sprechchören oder den Redebeiträgen wurde allerdings dann fast ausschließlich nur gegen Asylsuchende und Flüchtlinge gehetzt. Bezeichnend war diesbezüglich auch das Frontbanner mit der Aufschrift: „Wir schreien es laut heraus: Asylschmarotzer raus“. Vereinzelt wurden während der Demonstration auch wieder Naziparolen, wie „Nationaler Sozialismus – jetzt, jetzt, jetzt“ gerufen.
Frühzeitig vom rassistischen Aufzug abgesetzt, dass heißt noch vor dessen eigentlichen Beginn, hatte sich hingegen eine Gruppe Autonomer Nationalisten aus Nauen und Ketzin/Havel, die mit den „Freien Kräften Neuruppin / Osthavelland“ sympathisieren. Diese postierten sich in unmittelbarer Nähe zur Gegenkundgebung und spähten offensichtlich die Protestler aus. Zu Zwischenfällen kam es jedoch nicht.
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Gegen eine Veranstaltung von ungefähr 65 Neonazis hatten am Freitagabend ca. 40 Menschen auf dem Wittstocker Marktplatz zunächst ohne Zwischenfälle protestiert. Nach zunächst verbalen Auseinandersetzungen begaben sich jedoch Gruppen von Teilnehmer_innen der neonazistischen Versammlung direkt zur Gegenveranstaltung und suchten dort die gewalttätige Konfrontation. Bereitschaftspolizei ging allerdings im letzten Moment dazwischen und schickte die Aggressoren weg. An einer anderen Stelle versuchten Neonazis weiterhin offenbar eine kleine Gruppe von Gegendemonstrant_innen auf dem Nachhauseweg abzufangen.
III. Weg setzt „Tradition“ asylfeindlicher Aufmärsche fort
Die neonazistische Versammlung reihte sich einmal mehr in eine ganze Reihe von Veranstaltungen gegen „die Asylpolitik“ in der Region ein. Zuvor fanden ähnliche Veranstaltungen bereits mehrfach in Wittstock/Dosse und einmal in Pritzwalk statt. Dieses mal wurde die Versammlung jedoch erstmals unter dem Emblem der neonazistischen Kleinpartei „der dritten Weg“ beworben. Ähnlich wie im Mai in Pritzwalk, blieb die Demonstration jedoch nur stationär, als Kundgebung.
Dennoch kamen ungefähr 65 Personen aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Havelland, Potsdam-Mittelmark und Brandenburg an der Havel, die sich am Marktplatz entlang des historischen Rathauses aufstellten. Dabei wurden typische Fahnen und Banner des neonazistischen Milieus gezeigt. Das Rathaus als Propagandasymbol zu missbrauchen gelang den Neonazis jedoch nicht. Die Stadtverwaltung hatte nämlich dort zuvor ebenfalls Symbolik positioniert, mit der sich allerdings deutlich zu Toleranz und Vielfalt bekannt wurde.
Wittstock bekennt Farbe
Gegenüber den Neonazis, am anderen Ende des Markplatzes, hatte sich zudem das Bündnis „Wittstock bekennt Farbe“, unterstützt durch das Bündnis „Neuruppin bleibt bunt“ und Antifas, zu einer Kundgebung versammelt. Dabei wurden interessierten Bürger_innen vor allem zahlreiche Informationsangebote zum Thema Asyl bereitgestellt. Eine kleine Plakatausstellung wurde gezeigt sowie Broschüren zum mitnehmen angeboten.
Darüber hinaus wurde natürlich auch protestiert. Mit Beginn der Neonazikundgebung stellten sich die Gegendemonstrant_innen ebenfalls auf, zeigten Plakate und Transparente, die sich gegen Hass und neonazistische Ideologie richteten, und pfiffen die Neonazis auf der anderen Seite aus. Ein als Pirat verkleideter Mann schwang mitten auf dem Marktplatz sogar eine Peitsche Richtung neonazistischer Versammlung. Möglicherweise sollte durch das Knallen des Leders den Neonazis gezeigt werden, dass sie hier nicht willkommen sind.
Angriffsversuche auf Gegendemonstrant_innen
Die Teilnehmer_innen der Neonazikundgebung blieben zunächst jedoch unbeeindruckt. Der erste Redebeitrag von Pascal Stolle („Der dritte Weg“) führte auch nicht gerade zu emotionalen Ausschweifungen, wurde wahrscheinlich schon zu oft wiederholt. Auch der Redebeitrag von Marvin Koch („Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“) schien ebenfalls ähnlich zu verlaufen. Dann provozierte Koch jedoch mit dumpfer Polemik gegen Antifas im Allgemeinen, so dass sich einige Gegendemonstrant_innen einen Spaß daraus u.a. ihn zu verulken. Die Neonazis verstanden aber diesbezüglich offenbar überhaupt keinen Spaß, fühlten sich möglicherweise in „ihrer“ Stadt brüskiert und begaben sich, unmittelbar nach dem Ronny Scharfenort die neonazistische Versammlung beendete, sofort in Richtung Gegenkundgebung. Allen voran schritten zwei bekannte Brüder, welche T‑Shirts mit einem Emblem der „Nationalen Sozialisten Wittstock/Dosse“ trugen. Sie versuchten die Situation durch verbale Beleidigungen und Drohungen eskalieren zu lassen. Die Polizei trennte jedoch die Lager. Ebenfalls stellte sie sich dazwischen, nachdem Sympathisant_innen der „Freien Kräfte Prignitz“ desgleichen versuchten, zur Gegendemonstration vorzudringen. Dabei sollen auch konkrete Bedrohungen gegen einzelne Gegendemonstranten ausgesprochen worden sein.
Tatsächlich sammelten sich die Neonazis dann später noch in einmal in einer Seitenstraße und versuchten die zuvor bedrohten Personen auf deren Nachhauseweg durch nochmalige Gewaltandrohung und Spuckattacken einzuschüchtern.
In allen Fällen blieb es jedoch, zumindest an diesem Abend, bei den Versuchen. Verletzungen wurden nicht bekannt.
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Weltweit sind über 50 Millionen Menschen auf der Flucht, ein Großteil davon Frauen und Kinder.
Deutschland und die Europäische Union reagieren auf die Flüchtlinge mit Abschottung und diskriminierenden Gesetzen. Wir Flüchtlingsfrauen – die wenigen, die es überhaupt nach Europa geschafft haben — erleben hier tagtäglich die Verletzung unserer Menschenrechte:
Wir werden zwischen den europäischen Ländern hin und her geschoben, die Unterbringung in Lagern isoliert uns und verletzt unser Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, und das Asylbewerberleistungsgesetz soll uns noch weiter entrechten. Dieses Schicksal teilen wir mit allen asylsuchenden Frauen und Männern in Deutschland.
Deshalb fordern wir, diese Diskriminierungen abzuschaffen!
Politik und Medien versuchen den Eindruck zu erwecken, die Politik tue alles dafür, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Berichtet wird beispielsweise über Pläne für einen gesicherten Bleiberechtsstatus während der Ausbildung und um eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt. Doch das sogenannte „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ folgt dem fatalen Grundprinzip der aktuellen europäischen Asylpolitik: Verletzung von elementaren Grundrechten für die einen — graduelle Verbesserungen für die anderen.
Mit diesem neuen Gesetz wiederholt sich die alte Spaltung in „nützliche“ Migrant_innen, die integriert werden sollen, ein paar „richtige Flüchtlinge“, die zumindest vorübergehend Schutz brauchen und die vielen angeblichen „Asylbetrüger_innen“. Das neue Gesetz führt Kriterien ein, die massive Inhaftierung und einen weiteren Anstieg von Abschiebung zur Folge haben werden.1
Wir Flüchtlinge lassen uns nicht spalten in „richtige“ und „falsche“ Asylsuchende, in erwünschte und unerwünschte Asylsuchende. Wir haben alle ein Recht auf Schutz und auf ein menschenwürdiges Leben.
Alle Menschen, die fliehen, haben gute Gründe.
Wir, Aktivist_innen mit oder ohne Fluchthintergrund, halten zusammen und bekämpfen diese diskriminierenden, rassistischen Gesetze gemeinsam.
Parallel zum Weltflüchtlingstag findet unsere dreitägige bundesweite Flüchtlingsfrauenkonferenz in Berlin statt. Wir tauschen uns aus und kommen von unseren individuellen Situationen zu gemeinsamen Forderungen, um zusammen für unsere Rechte zu kämpfen!
Organisierung muss auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Deshalb solidarisieren wir uns mit der
Bundesweiten Demonstration für ein solidarisches und grenzenloses Europa:
20.Juni, 13.00 Oranienplatz, Berlin Kreuzberg: (http://europa-anders-machen.net/)
Schalom in Friesack
Eine israelische Band als Hoffnungsträger Ein wachsender Teil der jungen Generation in Israel ist unzufrieden mit der politischen Situation im Land und spielt mit dem Gedanken auszuwandern. Die Band The Angelcy aus Tel Aviv gilt als Hoffnungsträger einer desillusionierten Jugend. „Wir wollen in Israel bleiben und in unserem Land etwas verändern,“ sagt Rotem Bar Or, Sänger und Texter der sechsköpfigen Band. Damit sind sie den Organisatoren des Frierock-Festivals sehr ähnlich: „Auch das Land Brandenburg hat mit Abwanderung zu kämpfen. Immer mehr Jugendliche zieht es in die Städte Deutschlands. Weniger aus politischen, denn aus ökonomischen und kulturellen Gründen,“ begründet René Buschow sein freiwilliges Engagement bei der Organisation des alljährlichen Frierock-Festivals in seiner Heimatstadt. Die Kampagne sei die perfekte Gelegenheit, auch über die Grenzen des Havellands hinaus Aufmerksamkeit für das Festival zu erhalten. Link zur Crowdfunding-Kampagne: www.indiegogo.com/project/preview/d95e45c1 Informationen zu The Angelcy: www.theangelcy.com Informationen zum Frierock-Festival: www.frierock-festival.de *17 Jahre Frierock-Festival* Die „Frierocker“ – das sind etwa 20 Leute aus der Region – präsentieren an einem Wochenende im Jahr, was es in der Welt der alternativen Musik zu entdecken gibt oder was ihnen einfach Spaß macht. Das ganze Jahr über reisen sie von Konzert zu Konzert und bringen eine exklusive Auslese an regionalen und überregionalen Bands aus verschiedensten Musikstilen nach Friesack. Im Kollektiv wird so im Handumdrehen ein richtiges Festival aus dem staubigen Boden der charmanten Fliederstadt gestampft. Mit viel Liebe zum Detail und einem traditionellem Gespür für echte Geheimtipps schaffen es die Organisatoren die alternative Flamme des Havellandes am Lodern zu halten. Faire Preise und eine einzigartig familiäre Atmosphäre runden das Festival ab und sorgen für seine Beliebtheit.
Auch der heutige Abend stand, wie so oft in den letzten Tagen und Wochen, voll und ganz im Fokus der Diskussion zur Aufnahme von neuen Flüchtlingen. Da deren Anzahl weiterhin steigt, sind die jeweiligen Administrationen bestrebt, ihnen die vom Gesetzgeber zugesicherten Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
Auch die Landkreise in Brandenburg stehen hier in der Pflicht. Gestern wurde über einen geplanten neuen Standort in Schönwalde-Glien (Landkreis Havelland) informiert, heute die Einwohner_innen des Lehniner Ortsteils Damsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Beide Gemeinden verbindet der ländliche Siedlungscharakter und die Abwesenheit urbaner Infrastrukturen. Allerdings gibt es an beiden Orten große, ungenutzte Flächen die für die temporäre Bebauung sowie für die Nutzung als Unterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge geeignet sind. Auch wenn dies nicht unbedingt dem Idealfall einer Wohnunterbringung entspricht.
Während im Havelland aber ein Neubau geplant ist, wird der Landkreis Potsdam-Mittelmark einen 2004 geschlossenen Kasernenstandort nutzen. Dieser befände sich, laut Kreisverwaltung, in einem guten Zustand.
Resolution der Gemeinde
600 Asylsuchende und Flüchtlinge sollen hier einmal untergebracht werden. Eine Anzahl, welche die Gemeindeverwaltung Kloster Lehnin für sehr bedenklich hält.
In einer heute verlesenden Resolution fordert die Gemeinde eine Beschränkung der Flüchtlingszahl auf 200 Menschen sowie eine Verteilung der übrigen Personen auf andere Standorte. „Im Verhältnis zur Größe des ca. 1.500 Einwohner starken Ortes Damsdorf ist für 600 hilfesuchenden Menschen eine offene nachhaltige Willkommenskultur nicht umsetzbar“, so die schriftlich niedergelegte Position der Gemeindevertretung.
Andererseits will sich Kloster Lehnin, gemäß Resolution, aber auch der „gesellschaftlichen Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern/Flüchtlingen“ nicht entziehen, sondern wird sich ihr eben doch stellen.
Zwischen Ablehnung und Willkommen
Dennoch war die Anspannung bei den ungefähr 300 Bürger_innen auf der Einwohner_innenversammlung in einer Schulsporthalle deutlich anzumerken. Abermals, wie auch an vielen anderen Standorten, prasselten wieder diverse Ängste und Vorurteile auf die im Podium sitzenden Verwaltungsangestellten und Amtsträger. Alle vier Ansprechpartner, Gertrud Meißner und Thomas Schulz von der Landkreisverwaltung sowie Bernd Kreykenbohm (Bürgermeister von Kloster Lehnin) und Uwe Brückner (Ortsvorsteher Damsdorf), machten allerdings einen sehr kompetenten Eindruck und beantworten geduldig alle Fragen. Die Mehrheit der Menschen im Saal zu gewinnen fiel aber auch ihnen schwer. Immer wieder aufs Neue wurden Sicherheitsbedenken, zuweilen Sozialneid aber auch ein tiefes Unverständnis für die Arbeit der Verwaltung in Gemeinde und Landkreis artikuliert. Viele der Anwesenden schienen sich überhaupt zum ersten mal mit Kommunalpolitik auseinanderzusetzen.
Allerdings gab es auch hier in Damsdorf Wortmeldungen von Menschen, die sich für die Flüchtlinge einsetzen wollen. Einige von ihnen trugen sich im Anschluss an die Veranstaltung sogar in Listen für die Unterstützung einer „Willkommensinitiative“ ein.
Petition und Flugblätter gegen das Heim
Unterschriftenlisten sammeln jedoch momentan auch die Gegner_innen der geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge. Im Internet existiert dazu eine „openpetion“, in der sich bisher 191 Personen, davon 143 aus dem gesamten Landkreis Potsdam-Mittelmark, eingetragen haben. Auch André Schär, Kreistagsabgeordneter der NPD, hat sich in dieser Liste eingetragen. Er war auch heute mit einigen NPD Sympathisant_innen, Funktionären des „dritten Weges“ sowie einigen lokalen Protagonisten der ehemaligen Blood&Honour Szene vor Ort. Dem Großteil der organisierten Neonazis, ungefähr 20 Personen, wurde jedoch der Einlass zur Veranstaltung verwehrt. Mitglieder des „dritten Weges“ positionierten sich daraufhin aber mit ihren Parteishirts im Eingangsbereich und verteilten Flugblätter dieser neonazistischen Kleinpartei. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es jedoch nicht.
Neben dem mittelmärkischen Neonazimilieu war übrigens auch die rechtskonservative AfD durch ihren Landtagsabgeordneten Steffen Königer aus Werder (Havel) vertreten. Dieser hielt sich jedoch ebenso zurück und beschränkte sich aufs beobachten und Kontakte knüpfen.
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Wolfgang Gall, Sozialdezernent des Landkreises Havelland, ist am gestrigen Abend in Schönwalde/Glien nicht zu beneiden. Er ist sichtlich angenervt von dem immer wieder gleichen Vorurteilen, die ihn bei jeder Einwohnerversammlung zur Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften von Asylsuchenden und Flüchtlingen entgegenschlagen. Einige Querulanten, z.B. ein ehemaliger Polizeibeamter aus West-Berlin kennt er inzwischen persönlich. Bei anderen wechseln die Gesichter. Die Ängste und Vorurteile aber bleiben: Warum wurden die Einwohner_innen nicht gefragt? Warum kommen nur Männer? Wir haben Angst um unsere Kinder. Um nur einige Punkt zu nennen.
Trotz der Routine die eigentlich herrschen müsste, wirkt Gall gestern etwas schlecht vorbereitet. Zwar konnte er zu allen Punkten etwas sagen, im Detail wirkt er jedoch zu oft blass, von den Fragestellern überrollt.
Unumstritten ist jedenfalls das im Schönwalder Gewerbegebiet eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge gebaut werden soll. Geplant sei es, dort, ab November 2015, ungefähr 400 Menschen unterzubringen. Bessere, schneller zur Verfügung stehende und gleichzeitig preisgünstige Wohnunterkünfte seien, gemäß Herrn Gall, zurzeit nicht beschaffbar. Auch bei der Lage des Objektes, außerhalb der Ortschaft, mitten in einem Gewerbegebiet, in unmittelbarer Nähe eines Paintballspielfeldes für Freizeit-Paramilitärs scheint der Landkreis keine Bedenken zu haben bzw. am Ende seiner Optionen zu sein. Immerhin wurde versprochen den Radweg vom Dorf bis zum Heim zu verlängern und eine Busanbindung zu schaffen. Die ärztliche Versorgung solle zudem durch ein Ärztezimmer sowie Einrichtungen in Nauen und Falkensee garantiert werden. Polizei soll im Bedarfsfall aus Falkensee und Hennigsdorf angefordert werden. Neue Einkaufmöglichkeiten soll es hingegen nicht geben.
Dies waren aber nur einige Dinge die den sichtlich gereizten Bürger_innen unter den Nägeln brannten. Viele wollten konkrete Tipps zur Integration. 400 Menschen in eine Dorfgemeinschaft zu integrieren ist eben doch eine Herausforderung. Schnell kommen Fragen nach Kita- und Schulplätzen, zusätzlichen Erzieher_innen und Lehrer_innen. Außerdem soll es im Ort kaum Vereine, die den Flüchtlingen eine Perspektive geben könnten, existieren. Andererseits ist Schönwalde-Glien eine Gemeinde aus sieben Ortsteilen in denen insgesamt 9.108 Einwohner_innen leben, mehr als in so mancher Kleinstadt mit Flüchtlingsunterkunft im Kreis. Eine Ortsbeirätin aus Perwernitz regte deshalb auch eine engere Zusammenarbeit an. Ein Wille zur Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden war also am gestrigen Abend durchaus vorhanden. Es fehlte anscheinend allein die Überzeugungskraft der beiden Landkreismitarbeiter, im Angesicht der bis zu 300 Zuschauer_innen. Zwar war auch noch ein Vertreter der Polizei als Gastreferent anwesend und der Bürgermeister von Schönwalde als Moderator tätig, weitere wichtige Personen, die von ihren Erfahrungen mit der Betreuung von Flüchtlingen und Asylsuchenden im Landkreis berichten könnten, wie z.B. Heimleiter_innen der bestehenden Unterkünfte oder der/die Verantwortliche für das künftige Heim in Schönwalde-Glien fehlten. Dies lief bei ähnlichen Veranstaltungen in anderen Landkreisen, wie Ostprignitz-Ruppin und Potsdam-Mittelmark, oder kreisfreien Städten, wie Brandenburg an der Havel, deutlich besser ab.
Rechtskonservative und Neonazis stören Veranstaltung
Die Gegner_innen der Gemeinschaftsunterkunft waren indes offenbar besser vorbereitet. Der ehemalige AfD-Pressesprecher für den Landkreis Havelland, Gerald Hübner, verteilte beispielsweise vor Beginn der Einwohner_innenversammlung Flugblätter, die sich gegen eine „Dauer-Willkommenskulturpropaganda“ sowie die „massenhafte ungesteuerte Ansiedlungspolitik zukünftiger Nichtdeutscher“ richtet.
Der ehemalige havelländische Kreistagsabgeordnete und Nauener Stadtverordneter, Maik Schneider (NPD), konnte sich mit einem Sympathisanten vor dem Fenster des Sitzungssaales postieren und dort ein Banner mit der Aufschrift: „Wir sagen nein zum Asylantenheim“ zeigen. Eine ähnliche Aktion hatte er bereits am 12. Februar 2015 bei einer Stadtverordnetenversammlung in Nauen veranstaltet. Dort war die Situation anschließend so eskaliert, dass der Saal polizeilich geräumt werden musste. Gegen Schneider sollen diesbezüglich polizeiliche Ermittlungen wegen Landfriedensbruch laufen. Dies hielt ihn jedoch gestern nicht davon ab in Schönwalde zu erscheinen.
Bei der Einwohner_innenversammlung ebenfalls anwesend war der Schönwalder NPD Gemeinderat Burkhardt Sahner. Er nutzte die Fragestunde um hinsichtlich der Finanzierung der Unterkünfte zu polemisieren und bekam dafür tosenden Applaus von einem Großteil des Publikums. Ansonsten blieb die anwesende NPD, neben Schneider und Sahner war auch Frank Kittler aus Brieselang da, eher ruhig. Lediglich Franz Poppendieck, ehemaliger Leiter des NPD Ortsverbandes Brandenburg/Havel pöbelte öfters in den Saal und musste vom Bürgermeister zur Ordnung gerufen werden. Poppendieck soll sich inzwischen den „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ zugewandt haben, die gestern ebenfalls mit ungefähr 15 Sympathisant_innen vor Ort waren. Allerdings trat die Gruppe nicht als Block auf, sondern hatte sich in „zivil“ im ganzen Saal verteilt. Durch einzelne Zwischenrufe von den Sympathisant_innen der „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ entstand so der Eindruck, dass im Ort eine breite Ablehnung gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchende herrscht.
Verunsicherung und Hoffnung
Allerdings war die Mehrheit der ablehnenden Stimmen, die ordnungsgemäß mit dem Mikro das Wort ergriffen, nicht unbedingt auf die Anwesenheit der regional aktiven Neonaziszene zurückzuführen. Insbesondere Bürger_innen aus Berlin, die von ihren angeblich schlechten Erfahrungen mit Asylsuchenden in Steglitz und Rudow berichteten und diesen kriminelles Verhalten unterstellten, putschten die Stimmung immer wieder auf. Dass der Landkreis Havelland, wie auch Wolfgang Gall noch einmal betonte, bisher hingegen völlig konträre, positive Erfahrungen mit Flüchtlingen zu haben und dies auch durch die polizeiliche Kriminalstatistik belegen könne, interessierte aber offenbar nur wenig. Diffuse Angst war bei vielen Einwohner_innen spürbar. Ein Mann erkundigte sich sogar, ob es noch möglich sei Einspruch oder Klage gegen das Vorhaben des Landkreises zu erheben. Ein anderer forderte einen Volksentscheid zur Aufnahme von Flüchtlingen.
Dennoch gab es auch Stimmen, die sich für die Aufnahme von Asylsuchenden aussprachen. Viele wären angeblich durchaus bereit eine kleinere Zahl Flüchtlinge, genauer gesagt bis zu 200, aufzunehmen, 400 schien den meisten jedoch zu viel. Auch der Bürgermeister schien diesbezüglich auf künftige Verhandlungen mit dem Landkreis zusetzen.
Andere Wortmeldungen sahen die erwartete Zahl der Flüchtlinge offenbar wenig dramatisch. Ein Mann, der noch dass Ende des zweiten Weltkrieges miterlebt, Not gelitten hatte und selbst auf der Flucht war, sprach sich sehr deutlich für die Aufnahme aller verfolgten Menschen auf. Eine junge Frau rief zu dem dazu auf, endlich Verantwortung zu übernehmen, anzupacken und die künftigen neuen Nachbarn in Schönwalde tatkräftig zu unterstützen.
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Über tausend Menschen haben sich am 6. Juni im Rahmen verschiedener Veranstaltungen und Aktionen, gegen eine neonazistische Versammlung in der Fontanestadt Neuruppin (Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg) positioniert.
Zum so genannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) waren ungefähr 500 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Die Zahl entspricht in etwa den Teilnehmer_innenzahl der vormaligen Veranstaltungsorte in Wolfsburg (2013) und Dresden (2014).
Während die Neonazis jedoch bisher an allen vormaligen Standorten der TddZ-Kampagne bis zum Ende marschieren konnten, gab der diesjährige Versammlungsleiter der Veranstaltung bereits nach 1.200m auf. Mehrere hundert Menschen hatten zuvor alle wichtigen Punkte der Neonaziroute sowie mögliche Umgehungswege besetzt.
In Velten (Landkreis Oberhavel) führte ein NPD Funktionär außerdem eine Unterstützungskundgebung für den TddZ durch. Zu den befürchten Übergriffen auf Zugreisende kam es hier jedoch nicht. Ebenfalls wurden keine Ersatzaufmärsche für den diesjährigen TddZ bekannt.
Die Polizei war in der Region mit mindestens 1.000 Beamt_innen aus Brandenburg, Niedersachsen und Hamburg im Einsatz.
Der nächste „Tag der deutschen Zukunft“ soll 2016 in Dortmund stattfinden.
Neonaziaufmarsch
Die Neonazis hatten sich in Neuruppin zunächst an der Bahnhaltestelle „Neuruppin West“ versammelt. Die Anreise erfolgte überwiegend mit der Bahn. PKW Reisende hatten ihre Fahrzeuge u.a. an Bahnhaltestellen vor Neuruppin geparkt und waren ebenfalls mit dem Zug angereist. In Velten hatte der örtliche NPD Stadtrat diesbezüglich auch eine Kundgebung an der Bahnhaltestelle „Velten (Mark)“ angemeldet. Nur vereinzelte Neonazigruppen steuerten Neuruppin direkt an.
Von der Bahnhaltestelle „Neuruppin West“ zogen die Neonazis dann ab 13.00 Uhr, äußert langsam und immer wieder zum Anhalten gezwungen, über die Präsidentenstraße, Puschkinstraße bis zur Neustädter Straße, Höhe Bushaltestelle „Kreisverwaltung“. Dort löste Anmelder und Versammlungsleiter, nach mehreren Redebeiträgen und Drohungen von Redner_innen die Situation eskalieren zu lassen den Marsch gegen 15.30 Uhr entnervt auf.
Die ungefähr 500 Teilnehmer_innen des Aufmarsches kamen überwiegend aus den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Hamburg und Bayern. Vereinzelt waren auch Neonazis anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden vertreten.
Politisch war auf dem diesjährigen TddZ die gesamte aktive Bandbreite des neonazistischen Spektrums vertreten. Die drei großen Neonaziorganisationen NPD/JN, die RECHTE und der „dritte Weg“ hatten zuvor zur Teilnahme am Aufmarsch aufgerufen und Parteifunktionäre entsandt. Des Weiteren waren auch viele so genannter „Freien Kräfte“ vertreten.
Dem Aufruf des Veranstalters, der Initiative „Zukunft statt Überfremdung“, mit T‑Shirts der aktuellen TddZ Kampagne zu erscheinen waren ungefähr ein Drittel der Teilnehmer_innen gefolgt. Das überwiegend in Rot gehaltene „Solishirt“, mit dem schwarz-weißen Fontane-Konterfei, konnte zuvor käuflich erworben werden. Ein großer Teil der Teilnehmer_innen erschien jedoch betont in schwarz. „Autonome Nationalisten“ und „Freie Kräfte“ bildeten auch einen so genannten „schwarzen Block“, dessen kämpferische Bedeutung am 6. Juni, im Gegensatz zum Aufmarsch am 1. Mai 2015 in Saalfeld/Saale (Thüringen) aber nur geringfügig war. Lediglich zum Ende der Veranstaltung deutete diese Formation einen zaghaften Ausbruchsversuch an, blieb jedoch kurz vor den Polizeiketten stehen.
Dennoch war die Stimmung während des Aufmarsches hochaggressiv. Vor allem Neonazis aus Berlin und Dortmund, die am Rande des Aufzuges liefen, bedrängten immer wieder Journalist_innen. Dass diese durch solche Provokationen auch im Sinne der Versammlung handelten, wurde durch Banner mit der Aufschrift „Lügenpresse“ im Aufzug deutlich.
Ein hohes, allerdings in erster Linie verbales Aggressionspotential hatten auch die Redner_innen während des Aufmarsches. Kurz vor dessen Abbruch ließ Beatrice Koch von „Freien Kräften Neuruppin / Osthavelland“ ihren Hass gegen die „Zecken“ in der Stadt frei Lauf und posaunte, dass sie an einem andern Tag gerne mal eine Grillparty bei sich zu Hause veranstalteten werde, von der aus dann anschließend ein „Abendspaziergang“ durch die Stadt folgen könnte. Selbstverständlich, wenn nicht soviel Polizei im Ort wäre.
Anmelder Dave Trick, NPD Stadtverordneter in Neuruppin, sowie Pierre Dornbrach (Landesvorsitzender der JN Brandenburg), Maik Eminger (Der dritte Weg) und Stefan Köster (Landesvorsitzender der NPD Mecklenburg-Vorpommern) versuchten in ihren Redebeiträgen ebenfalls die Menge anzustacheln. Ihre Drohgebärden verpufften jedoch unter der drückenden Sonnenhitze des Nachmittags.
Ein weiterer Redebeitrag kam übrigens nur noch von Sebastian Schmidtke, Landesvorsitzender der NPD Berlin. Die ebenfalls angekündigten Redner Michael Brück (stellvertretender Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“ in Nordrhein-Westfalen) und Maik Müller aus Dresden waren zwar anwesend, betätigten sich aber eher als Fotografen oder liefen am Rande des Aufzuges.
Antifa-Bündnis „NoTDDZ“ blockiert
Gegen den „Tag der deutschen Zukunft“ hatte bereits im Vorfeld das Antifa-Bündnis „NoTDDZ“ mobil gemacht. In einer Pressemitteilung vom 3. Juni 2015 wurde diesbezüglich erklärt: „Wir werden gemeinsam den „Tag der deutschen Zukunft“ verhindern“. Allerdings waren die Hürden hierfür bereits im Vorfeld sehr hochgestellt. Die Polizei hatte nämlich ihrerseits verlauten lassen, dass sie die Versammlungsfreiheit für alle Veranstaltungen an diesem Tag, einschließlich des Neonaziaufzuges, garantieren werde. Konflikte waren somit vorprogrammiert. „NoTDDZ“ blieb jedoch entschlossen: „Ziviler Ungehorsam und Blockaden sind für uns dabei das Mittel der Wahl“. Gemeinsam mit „viele(n) Antifaschist*innen aus mehreren Bundesländern“ wollte das Bündnis erfolgreich sein.
Diesbezüglich gab es offenbar mehrere, so genannter Fingerstrukturen, die an unterschiedlichen Punkten der Neonaziroute ungefähr gleichzeitig mit ihren Aktionen begannen. Erste Blockadepunkte gab es dann gegen 11.30 Uhr u.a. in der Puschkinstraße, im Bereich Heinrich Heine Straße und am Fontaneplatz. Als mehrere dutzend Antifaschist_innen in der Fehrbelliner Straße offenbar zu bereits bestehenden Blockaden durchbrechen wollten, setzte die Polizei Pfefferspray ein und nahm mehrere Personen kurzzeitig in Gewahrsam. Im Bereich Heinrich-Heine-Straße und Rosa-Luxemburg-Straße kam es auch zu einem Wasserwerfereinsatz.
In der Puschkinstraße Ecke Franz Künstler Straße leitete die Polizei den Neonaziaufzug an einer Blockade vorbei. Dabei kam es in erster Linie zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Neonazis und Gegendemonstrant_innen. Vereinzelt flogen aber auch Flaschen.
Weitere Blockaden in der Heinrich Rau Straße und der Thomas Mann Straße brachten dann den diesjährigen „Tag der deutschen Zukunft“ endgültig zum erliegen und führten letztendlich zur Aufgabe der Neonazis, die anschließend über eine unbelebte Umgehungsstraße zur Bahnhaltestelle „Neuruppin West“ zurückgebracht wurden.
Neuruppins Innenstadt blieb bunt
Ebenfalls gegen den „Tag der deutschen Zukunft“ engagiert hatte sich am 6. Juni auch die Neuruppiner Zivilgesellschaft. Sie hatte sich zuvor als Aktionsbündnis „Neuruppin bleibt bunt“ zusammengefunden und unter dem Motto: „Schöner leben ohne Nazis – Vielfalt ist unsere Zukunft“ ein breites politisches und kulturelles Rahmenprogramm für den 6. Juni zusammengestellt.
Die ersten Veranstaltungen begannen bereits ab 10.00 Uhr. Sowohl von der Bruno-Salvat-Straße im Südwesten Neuruppins, als auch von der Bahnhaltestelle „Rheinsberger Tor“, in der nordöstlichen Innenstadt, startete jeweils ein Demonstrationszug Richtung Zentrum. An beiden Versammlungen beteiligten sich ungefähr 400 Menschen. Ziel der Demonstrationen war der zentrale Schulplatz, auf dem unter dem Motto „Fest für Alle“ den ganzen Tag über verschiedene Musikgruppen sowie Redner_innen aus Politik und Gesellschaft auftraten. Dadurch blieb den Neonazis die Innenstadt weitgehend versperrt.
Hintergrund „Tag der Deutschen Zukunft“
Der „Tag der deutschen Zukunft“ ist eine im jährlichen Rhythmus veranstaltete Großversammlung, an der bis zu 750 Neonazis teilnehmen. Ursprünglich offenbar zunächst für den norddeutschen Raum, genauer gesagt Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg, konzipiert, fand der TddZ im vergangenen Jahr zum ersten mal außerhalb dieser Region, in Dresden, statt. Dort wurde auch die diesjährige Veranstaltung in Neuruppin erstmals öffentlich beworben. Angemeldet wurde der heutige Aufmarsch aber bereits Ende März 2014.
Nach dem letztjährigen TddZ am 7. Juni 2014 in Dresden begann die Initiative „Zukunft statt Überfremdung“, hinter der sich offenbar ortsansässige NPD Funktionäre als auch die „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“ verbergen, auch damit bundesweit in die Fontanestadt zu mobilisieren. Regelmäßig erschienen Vertreter_innen der Initiative bei einschlägigen Szeneversammlungen im Bundesgebiet oder führten eigene Veranstaltungen in Brandenburg durch.
Letztendlich hat sich der Aufwand aber nicht gelohnt. Die „Freien Kräften Neuruppin / Osthavelland“ waren einmal mehr in der Fontanestadt gescheitert. Außerdem haben sich die diesjährigen Veranstalter_innen dahingehend (szeneintern) blamiert, dass der „Tag der deutschen Zukunft“ in Neuruppin erstmals gestoppt wurde.
Das Ende der TddZ-Veranstaltungen steht hingegen noch nicht fest. Während des Aufmarsches in Neuruppin wurden nämlich bereits Flyer für die nächste Versammlung im Jahr 2016 verteilte. Diese soll in Dortmund stattfinden.
Fotos: hier
Am Samstag, den 06. Juni 2015, wollte die neonazistische Initiative “Zukunft statt Überfremdung” den “Tag der deutschen Zukunft” (TddZ) als Abschluss ihre “Kampfkampagne gegen antideutsche Politik” durchführen. Die über 500 Neonazis aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Sachsen-Anhalt sowie aus Dortmund, wo 2016 der nächste TddZ stattfinden soll, wurden jedoch durch den Protest von mehreren tausend Gegendemonstrant_innen zum Abbruch ihres Aufmarsches gezwungen.
Polizeigewalt: Antifa-Blockaden standhaft
Während ein Teil der Neonazis sich in Velten, kurz hinter Berlin zur gemeinsamen Anreise und kurzer Kundgebung traf, starteten bereits am Vormittag zwei antifaschistische Demonstrationen. Diese und weitere hunderte anreisende Antifaschist_innen folgten dem Aufruf des antifaschistischen Bündnisses “No TddZ” und blockierten noch vor Ankunft der Neonazis in Neuruppin wichtige Punkte der geplanten Aufmarschroute. Trotz eines massiven Polizeiaufgebotes und rigorosem Vorgehen der Polizei gegen die Gegendemonstrant_innen, konnten die Innenstadt blockiert werden. Pfefferspray und Wasserwerfer wurden gegen die Blockierenden eingesetzt. Etwa 1500 Polizist_innen soll an diesem Tag im Einsatz gewesen sein. In den frühen Morgenstunden hatten einige von ihnen schon mit “Hurra, Hurra- die Hamburger sind da”-Rufen über die Polizei-Lautsprecheranlage ihre Vormachtstellung auf der Straße verkünden wollen. Das berichtet eine Augenzeugin. Mindestens 19 Festnahmen soll es an diesem Tag gegeben haben, mehrere Aktivist_innen mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Neonazis: Fontane, Rasse, Genetik
Im Vorfeld des TddZ warben die Neonazis der Freien Kräfte Neuruppin, die als austragende Lokalgruppe für die Initiative “Zukunft statt Überfremdung” fungierte, mit dem Schriftsteller Theodor Fontane als Symbol der Stadt Neuruppin. Nach Kritik von der Gegenseite, Fontanes Zitate falsch zu deuten und sein Konterfei zu missbrauchen, nutze Bea Koch — führende Aktivistin der Freien Kräfte Neuruppin — ihre Begrüßungsrede um sich für die Nutzung Fontanes als Symbol der diesjährigen Kampagne zu rechtfertigen. In ihrer Rede erklärte sie ihre Weltanschauung als “modern” und “zeitgemäß” und verteidigte das Rassenkonzept, indem sie auf die genetischen Differenzen sogenannter “Rassen” verwies. Auch lies sie es sich nicht nehmen, zu behaupten, mit der derzeitigen Asylpolitik ginge eine Verherrlichung von Gewalt einher.
Gegen 13 Uhr startete die Neonazidemonstration vom Bahnhof Neuruppin West. Bereits zu Beginn herrschst eine aggressive Stimmung, die sich vor allem gegen die anwesenden Journalist_innen richtete. Neben den üblichen Neonaziparolen wie “Nationaler Sozialismus Jetzt”, “Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen” und “Deutschland den Deutschen — Ausländer raus”, zeigten die Neonazis ihre Drohgebärden gegenüber den anwesenden Antifaschist_innen und Journalist_innen in lautstarken Aussprüchen wie “Antifa-Hurensöhne” und “Lügenpresse, auf die Fresse”. Nebenher lief über den Lautsprecher der Neonazis vornehmlich Rechtsrock, aber auch ein eigens komponierter Song für Neuruppin von Marvin Koch, lokaler Aktivist und Möchtegern-Rapper.
Widerstand: währt nicht lang
Nach wenigen hundert Metern kam es zum ersten größeren Zwischenfall: Nachdem die Neonazis auf Grund von Blockaden stoppen mussten, führte die Polizei einige Zeit darauf den Aufzug unmittelbar an einem antifaschistischen Blockadepunkt vorbei. Dabei wurden die Neonazis lediglich über den Grünstreifen an der Antifablockade geleitet, Flaschen und Pyrotechnik flogen. In dieser Situation kam es erneut zu Bedrohungen von Journalist_innen. Nach dem Passieren der Blockade blieben den Neonazis nur noch wenige Meter bis ihr Aufmarsch endgültig zum Stehen kam. Eine weitere Blockade mit etwa mehreren hundert Gegendemonstrant_innen verhinderte den Weg. Anmelder Dave Trick — NPD Abgeordneter in Neuruppin und ebenfalls Aktivist der Freie Kräfte Neuruppin — stand nach Verhandlungen mit Polizei vor der Wahl: Entweder freiwillig die Strecke zurückzulaufen oder unter Drängeln der Polizei auf direktem Weg zum Bahnhof West zurück. Trick entschied, den Aufmarsch vorzeitig zu beenden.
Während der Verhandlung ergriff Bea Koch erneut das Mikrofon und drohte mit Angriffen auf das linke Hausprojekt “Mittendrin” in Neuruppin. Als deutlich wurde, dass die Polizei die Blockade nicht räumen wird, versuchten Neonazis mehrfach aus ihrem Aufmarsch auszubrechen und unterliefen sukzessive die Polizeiketten. Neonazis wie Christian Bentz und David Gudra aus Berlin, die sich als Fotografen ausgaben, bedrohten Gegendemonstrant_innen. Nach der Auflösung der Veranstaltung brach eine Gruppe von 25–30 Neonazis aus und versuchte ebenfalls die Blockaden anzugreifen. Einige Zeit später konnten die ausgebüxten Neonazis wieder eingefangen werden. Dass sich die Neonazis einen frühzeitigen Abbruch ihrer Veranstaltung nicht gefallen lassen, machten sie in mehreren Redebeiträgen deutlich: Sie werden sich den Weg notfalls erkämpfen, so eine der Aussagen. Letztlich gelang den Neonazis der Durchbruch nicht. Da half auch ein energisches Diskutieren von Aktivist Thomas “Steiner” Wulff nicht. Ebenso wenig wie seine Drohung gegenüber der Polizei, dass auch diese einen Nach-Hause-Weg hätten. Die “Lügner” der Polizei, wie sie die Neonazis betitelten, geleiteten die Teilnehmer_innen des aufgelösten Aufmarsches auf kürzestem Weg zum Bahnhof Neuruppin West zurück.
Rednermangel
Von den sieben angekündigten Rednern kam nur die Hälfte zu Wort: Maik Eminger vom III. Weg Brandenburg, Sebastian Schminkte von der NPD Berlin, Stefan Köster von der NPD Mecklenburg-Vorpommern und Pierre Dornbrach von der JN Brandenburg, zu Wort. Ungewöhnlich für den TddZ: Es redeten mehrere Frauen (Bea Koch, und Aileen Rokohl, NPD Brandenburg in Velten) — und das obwohl nur Männer angekündigt waren. Auch in Vorjahren waren es fast ausschließlich männliche Redner. Einer der diesjährigen Redner hätte Michael Brück von “Die Rechte Dortmund” sein sollen. Seine Aufgabe wäre es gewesen, den nächsten Demonstrationsort für den 8. Tag der deutschen Zukunft zu verknüpfen. Im nächsten Jahr wird Dortmund die Kampagne gestalten.
Erstmals TddZ blockiert
Die erfolgreiche Blockade in Neuruppin verhinderte damit erstmals einen “Tag der deutschen Zukunft”. Bereits im Vorjahr im sächsichen Dresden konnten antifaschistische Proteste den Neonazis den Weg in die Innenstadt versperren. In Neuruppin versammlten sich nach Abzug der Neonazis über 700 Antifaschist_innen zu einer spontanen Demonstration und feierten den gelungenen Tag. Ingesamt waren an diesem Tag etwa 2500 Gegendemonstrant_innen unterwegs. Auf dem Schulplatz hatte das landesweite “Aktionsbündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt” gemeinsam mit dem lokalen Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt und vielen Vereinen und Initiativen unter dem Titel “Vielfalt ist unsere Zukunft” ein breites Bühnenprogramm organisiert.
Fotos (9) von Pressedienst Frankfurt (Oder).
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