Wie auch schon bei den letzten Spaziergängen der BraMM, hat sich auch zu dieses Mal die Teilnehmer_innenzahl reduziert. Dem Aufruf der von den Republikanern gesteuerten Veranstaltung folgten circa 70 bis 80 Personen. Obwohl BraMM sich von Menschen, die nicht auf den Grundfesten der Demokratie stehen, zu distanzieren versucht, stellten Neonazis mehr als die Hälfte der Teilnehmer_innen. So nahmen wieder NPDler_innen aus dem Raum Bad Belzig und
Premnitz — Rathenow teil. Auch die neonazistische Gruppierung „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ war mit einem Transparent und zwei Schildern vor Ort. Des Weiteren nahmen Personen aus dem Umfeld der islamfeindlichen Internetpräsenz PI-News mit einem Transparent teil. Die Inhalte dieser sind von zahlreichen rechtspopulistischen und neonazistischen Inhalten geprägt. Auch war wieder der Totschläger Sascha L. und fünf weitere Neonazis aus der Havelstadt vor Ort. Abgerundet wurde das neonazistische Spektrum durch fünf bis zehn Personen aus dem lokalen Hooliganmilieu. Somit wurde die selbst gesetzte Maxime sich gegenüber von Personen die „Krawall machen oder extremistisches Gedankengut absondern“ zu distanzieren nicht umgesetzt. Auch wenn in einem Redebeitrag erwähnt wurde, man stehe zum Asylrecht, kann dies kaum als glaubwürdig gelten, da die meisten Teilnehmer_innen aus dem neonazistischem Spektrum kamen und „Angst“ vor einer fantasierten „Überfremdung“ haben. Die Veranstalter_innen geben den Neonazis somit eine Bühne und das obwohl die Republikaner sich von neonazistischen Parteien und Gruppen distanzieren.
Dynamischer Gegenprotest
Der Gegenprotest hat sich, ebenso wie schon eine Woche zuvor, weiterentwickelt. Nachdem die BraMM-Spazierer_innen ihren Auftaktort verlassen hatten, säuberten die Menschen symbolisch den Platz. Auch war die Stimmung durch den Auftritt der Band Patchwork ausgelassen. Die Menschen zeigten deutlich, dass sie auch die nächsten Montagabende bereit sind sich gegen BraMM zu positionieren.
Dass Protest nicht nur innerhalb der polizeilichen Regeln möglich ist, zeigten circa zehn entschlossene Antifaschist_innen, indem sie sich wenige Meter vor dem Spaziergang auf die Straße setzten. Die Polizei räumte die kurze Blockade daraufhin mit Gewalt und drängte die Personen in eine Nebenstraße. Diese Aktion zeigt deutlich, dass nicht alle Brandenburger_innen es weiter hinnehmen werden, dass Rassist_innen und Neonazis durch die Havelstadt marschieren. Wir finden das Engagement der Stadtführung und der Bürger_innen herausragend und werden auch in Zukunft die Aktionen dieser unterstützen. Gleichzeitig möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass Protest nicht nur auf stationäre Veranstaltungen beschränkt bleiben muss sondern so vielfältig erscheinen kann wie die Menschen die ihn tragen.
19. Todestag von Sven Beuter
Am 20. Februar jährt sich zum 19. Mal der Todestag von Sven Beuter. Er gehörte in den 1990er Jahren zur alternativen Szene der Stadt und wurde wiederholt Opfer von neonazistischen Übergriffen. In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar traf er in der Grabenstraße auf Sascha L. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung schlug der bullige Naziskin auf Sven Beuter ein und verletzte ihn derart schwer, dass er fünf Tage später im Krankenhaus verstarb. L. wurde zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, anschließend zog er in die Schweiz. Spätestens im Jahr 2012 er nach Deutschland zurück gekehrt. Seither ist er wieder in der Szene aktiv und nimmt an zahlreichen Neonaziveranstaltungen in der ganzen Republik teil.
Anlässlich des Todestages von Sven Beuter wird es einen Gedenkspaziergang von seinem Wohnort in der Mühlentorstraße 13 über die Grabenstraße, dem Ort des Angriffs, bis in die Havelstraße, dort findet sich die Gedenkplatte für Sven Beuter, geben. Treffpunkt ist um 18 Uhr in der Mühlentorstraße 13.
Niemand ist vergessen!
Jahr: 2015
Am 12. Februar steht in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung das von der Verwaltung ausgearbeitete Unterbringungskonzept zur Abstimmung. Es sieht vor, Flüchtlinge dezentral in Wohnungen statt in Sammelunterkünften unterzubringen. Der Flüchtlingsrat Brandenburg begrüßt diesen Schritt in die richtige Richtung.
Am Rande des „Asylgipfels“ am 23. Januar hatte der Vorsitzende des Landkreistages Wolfgang Blasig noch verkündet: „Die Frage von Wohnungen stellt sich nicht mehr.“ Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen sei eine Unterbringung nur noch in Gemeinschaftsunterkünften zu bewerkstelligen.
Die SVV Frankfurt straft ihn Lügen: Orientiert am Bericht der Landesregierung zum Unterbringungskonzept aus dem Jahr 2013 sollen Asylsuchende nach zwölf Monaten in einer Gemeinschaftsunterkunft in Wohnungen untergebracht werden, Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedarf nach drei Monaten. Das Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft solle der
Vorbereitung eines selbstständigen Lebens in Wohnungen dienen, nicht wie bisher der bloßen Verwahrung.
Der Vorstoß der SVV Frankfurt ist besonders vor dem Hintergrund erfreulich, dass 2013 die Versuche der Landesregierung, ein Landesunterbringungskonzept zu entwickeln, gescheitert sind, obwohl dringender Handlungsbedarf besteht.Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält die längere Unterbringung in Sammelunterkünften für nicht menschenrechtskonform. Anlässlich des „Asylgipfels“ hat auch der Flüchtlingsrat in einem Offenen Brief, der von mehr als 100 Initiativen, Organisationen und engagierten Einzelpersonen unterzeichnet wurde, ein Umsteuern in der Unterbringungspolitik gefordert. Abgelegene Massenunterkünfte in stillgelegten Kasernen mit bis zu 400 Plätzen, wie
jetzt im Landkreis Dahme-Spreewald geplant, führen in die Isolation und erzeugen Konflikte.
Kritisch sieht der Flüchtlingsrat das in Frankfurt vorgesehene Verfahren, wonach die Genehmigung zum Auszug aus der
Gemeinschaftsunterkunft von Empfehlungen der Sozialarbeiter/innen abhängen soll. Eine solche Auffassung widerspricht dem Verständnis von Wohnen als Menschenrecht und zeugt von einer bevormundenden Haltung.
Andere Kommunen verzichten auf derartiges Schönreden der Sammelunterkünfte. So stellt der Bürgermeister von Trebbin Thomas Berger fest: „Bei der Unterbringung in vorübergehenden Sammelunterkünften stehlen wir diesen Menschen nur Lebenszeit, die sie wesentlich sinnvoller für eine schnelle Integration bei uns nutzen können.“ Der Flüchtlingsrat hofft, dass sich andere Landkreise und Kommunen diese Ansicht zu eigen machen.
*Presseanfragen:* Gabi Jaschke, Tel. 0176 45 64 75 80, Kay Wendel, Tel.
0170 9 65 90 42
Anlässlich einer Demonstration der von den rechtskonservativen REPUBLIKANERn (REP) gelenkten Initiative der „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) in Brandenburg an der Havel kam es wieder zu Protesten und Protestaktionen.
Vielfältige Proteste/Sitzblockade in der Jacobstraße
An einer Gegenkundgebung auf dem Neustädtischen Markt beteiligten sich ungefähr 200 Menschen, unter ihnen die Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg an der Havel, Dietlind Tiemann (CDU).
Gegenüber dem Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelten sich außerdem ungefähr 50 Linksalternative um ihren Unmut über diese Veranstaltung in Hör- und Sichtweite kundzutun. Allerdings wurde dies durch die Polizei de facto verhindert. Die Beamt_innen postierten mehrere Transportfahrzeuge und Bereitschaftspolizeieinheiten zwischen BraMM-Demo und Gegendemonstrant_innen, so dass ein Protest auf Augenhöhe so nicht möglich war. Ein Teil der Protestierer_innen mussten zu dem diesen Bereich auf Anordnung verlassen, darunter auch eine Gruppe junger Leute, die sich als Araber verkleidet hatten um vermeintliche Islamisierungsängste zu persiflieren.
In der Jacobstraße scheiterte zudem der Versuch einer Blockade des BraMM-Aufzuges. Als sich ungefähr zehn Jugendliche dort auf die Straße setzten und sich einhakten, stürmte sofort eine Gruppe der Bereitschaftspolizei auf sie zu. Ohne große Verhandlungen wurde die Blockade umgehend aufgelöst und die Blockierer_innen in eine Seitengasse abgedrängt. Weitere direkte Aktionen an der Strecke gab es nicht.
Lediglich am Startpunkt des BraMM-Aufzuges versammelte sich noch einmal die Koordinierungsgruppe für Toleranz und Demokratie in Brandenburg an der Havel, um den Antreteplatz unter dem Motto „BraMM aus der Stadt fegen“ symbolisch zu kehren.
BraMM stagniert/Neonazis dominieren
Tatsächlich werden die Teilnehmer_innen des BraMM-Aufzuges immer weniger. Waren es am 26. Januar 2015 immerhin 150 und am 2. Februar 2015 noch 100 Personen, sank die Zahl heute weiter auf ungefähr 80, darunter insgesamt höchstens 30 „Bürger_innen“, die Brandenburgs REPUBLIKANER Chef Heiko Müller mobilisieren konnte.
Die Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer_innen (ungefähr 50) wurden als Sympathisant_innen des neonazistischen Milieu aus Brandenburg an der Havel, Bad Belzig, Premnitz, Rathenow und Potsdam erkannt.
Die NPD war durch ihren mittelmärkischen Kreistagsabgeordneten André Schär vertreten, die neonazistische Bewegung „Ein Licht für Deutschland“ durch ein Banner und mehrere Plakate. Aus Potsdam war zudem der Sänger der Naziskinband „Preussenstolz“, Patrick D., angereist und aus Brandenburg an der Havel durfte Totschläger Sascha Lücke nicht fehlen.
Fotos: hier
Erneut ist die lokale und überregionale Unterstützung groß: So unterstützen fast 50 Gruppen und Initiativen sowie etliche Einzelpersonen den Aufruf vom Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“. „Wir freuen uns, dass auch der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Brandenburg Helmuth Markov den Aufruf zum wiederholten Male unterstützt“, so Janek Lassau, Pressesprecher des Bündnisses.
Über 50 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. 173.000 Geflüchtete beantragten in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, 2014 Asyl. Nur gut 30 Prozent von ihnen gewährt die Bundesrepublik Schutz. In Frankfurt (Oder) sind es ein paar hundert Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft Bürger_innen dieser Stadt sind oder werden. Die Rassist_innen entziehen sich nicht nur der völkerrechtlichen und humanitären Verantwortung gegenüber diskriminierten Minderheiten, politisch Verfolgten sowie Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten. Sie hetzen gegen eine vermeintliche „Asyl-Flut“ und fürchten sich mit ihrem nationalsozialistischen Weltbild vor einer vermeintlichen „Überfremdung“. Durch ihre Hetze bewerten sie Menschenleben in „wertvoll“ und „weniger wertvoll“. So wird deutlich: Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ und die beiden städtischen Initativen rufen für den 14. Februar und für die anderen 364 Tage im Jahr zu Solidarität mit Geflüchteten auf. Die drei Frankfurter Organisationen sind überzeugt, dass sich Demokrat_innen aller Couleur und mit
unterschiedlichen Perspektiven, auch über den kommenden Samstag hinaus, gemeinsam für die Rechte und Forderungen von Geflüchteten und einen antifaschistischen Konsens in der Gesellschaft einsetzen können. Ob Asylverfahrensberatung, Rassismuskritik, Deutschunterricht oder psychosoziale Betreuung – eine Frankfurter Willkommenskultur muss sich nach dem breiten zivilgesellschaftlichen Schulterschluss daran messen lassen, wie weit sie die Bedürfnisse der Geflüchteten als gemeinsames Vorhaben begreift.
Freischlag für Polizisten
Rückblick: 24.09.2011, Neuruppin. Anlässlich eines Naziaufmarsches in der Stadt kommt es zu friedlichen Sitzblockaden gegen diesen. Ein Neuruppiner im Rentenalter ist für das “Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt” als Ordner tätig. Er wird von zwei Polizisten aufgefordert, den Kreuzungsbereich auf dem die Blockade stattfindet, zu verlassen. Dabei stand die Person am Rande der Blockade und erklärte ihre Aufgabe wäre die Deeskalation der Situation. Sie wird trotzdem aufgefordert, zwecks Identitätsfeststellung in den Bereich des polizeilichen Kessels mitzukommen. Nach verbalem Widerspruch dagegen wird die Person von beiden Beamten gegriffen und abgeführt. Als der verbale Protest nicht aufhört, versetzt einer der Beamten ihm einen Faustschlag in die Rippen. Die betroffene Person fotografiert den schlagenden Polizisten und stellt Strafanzeige gegen ihn.
Es vergehen einige Jahre und schließlich kommt es zum Prozess gegen den Schläger. In der Verhandlung bestreitet er die Vorwürfe. Das Amtsgericht Neuruppin verurteilt ihn erstinstanzlich zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50,00€ (insgesamt 3.000,00€). Der Polizist legt Revision ein und der Fall wird an das Landgericht verwiesen.
Heute, am 09.02.2015 fand dieses Verfahren statt. Gleich zu Beginn der Verhandlung zeichnen sich Absprachen zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ab. Der Beamte gesteht dann die Vorwürfe und begründet den Vorfall mit “einer Sicherung, die ihm kurzzeitig durchgeknallt sei”. Im Tausch gegen dieses Geständnis wird eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldsumme (siehe §153a) in Aussicht gestellt. Nach Beratung kommen die Richter zum Urteil, dass dieser Vorgehensweise zuzustimmen ist, da die Schuld gering (“nur” eine Prellung des Rippenbogens bei einem Rentner) und dem öffentlichen Interesse mit der Geldzahlung genüge getan wäre. Es sei angemerkt, dass die öffentliche Sitzung gut besucht war. Der Beamte zahlt jetzt also 3.000,00€ an einen Hospizverein und darf sich weiterhin als nicht vorbestraft bezeichnen. Dienstliche Konsequenzen wird es für ihn wohl nicht geben.
Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die sich Neonaziaufmärschen in den Weg stellen. Wir erwarten und haben in der Vergangenheit allerdings kein anderes Verhalten von der deutschen Justiz beobachtet. Verfahren gegen Polizeibeamte werden nicht zur Verurteilung gebracht.
Trotzdem halten wir es für notwendig, auf die offensichtliche Vertuschung von “ungerechtfertigter Gewaltanwendung” durch Polizeibeamte aufmerksam zu machen. An diesem Fall ist exemplarisch zu sehen, wie Beamte – selbst wenn sie ihre Straftaten zu geben – von der Justiz geschont werden. Zwar muss der Beamte eine Geldstrafe zahlen – der Fall wird aber in der Öffentlichkeit verzerrt wahrgenommen. Nochmal: Da gesteht ein Polizist eine Körperverletzung (zumal noch in einer Situation ohne jede Rechtsgrundlage) und das Verfahren gegen ihn wird trotzdem eingestellt! Polizeigewalt wird so zum privaten Problem der Betroffenen und nicht etwa Teil der öffentlichen Statistiken. Wer dann über Polizeigewalt sprechen möchte, kriegt dann zu hören: “Polizeigewalt? Welche Polizeigewalt? Es gibt doch fast keine Verurteilungen.” Genau das ist das Problem! Die deutsche Justiz ist schlicht nicht bereit, ihre Polizeibeamten für deren Gewaltexzesse zur Verantwortung zu ziehen.
Mit Hinblick auf den anstehenden sogenannten “Tag der deutschen Zukunft” am 06.06.2015 durch Neonazis in Neuruppin halten wir es für ein fatales Signal an gewaltbereite Polizisten und alle Menschen, die es nicht hinnehmen wollen, dass Faschisten ohne Widerstand aufmaschieren.
Nun hat „PEGIDA“ die Stadt Cottbus auch offiziell erreicht. Am 11. Februar soll es zum ersten „Spaziergang“ durch die südbrandenburgische Stadt kommen. Wie es dazu kam und wer hinter den Kulissen seine Finger mit im Spiel hat, wird im folgenden Text dargestellt.
Wer bei „PEGIDA“ mitläuft, sollte wissen, dass sie oder er damit vor allem, aber nicht nur, Vorurteile und Hass gegen eine religiöse Minderheit schürt. Dabei spielt es auch keine Rolle welche sonstigen Forderungen sie oder ihn dazu bewegt haben bei „PEGIDA“ zu demonstrieren.
Die populistischen regionalen Forderungen von „COGIDA“ deuten auch darauf hin, dass für die Organisatoren zentral nicht das Thema der Islamisierung relevant ist, sondern dass es sich um den Versuch handelt, eine lockere Organisation zu etablieren und mit den Forderungen in der Gesellschaft anschlußfähig zu werden.
Wie alles begann
Angefangen hat alles am 23.12.2014 mit dem Erscheinen der Facebook-Seite „COGIDA“. „Cottbuser vereint & friedlich gegen die Islamisierung und Verfremdung unserer Heimat! Für den Erhalt unserer Kultur“ (COGIDA). COGIDA versteht sich selbst als einen Ableger der „PEGIDA-Bewegung“1
Seit Wochen demonstriert das Bündnis „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz „PEGIDA“, in Dresden. Die Masse der sich beteiligenden ist dabei keines Falls einheitlich sondern stark durchwachsen und umfasst viele Teile der Gesellschaft. Der antimuslimische Rassismus gilt dabei als „das Bindeglied zwischen Neonazis, neonazistischen Mörder*innen, Islamhasser*innen und Rechtspopulist*innen“2.
Bei den Aufmärschen sind rassistische Parolen zu hören, Rechtsradikale finden sich selbst unter den Organisatoren und gelegentlich kommt es auch zu gewaltätigen Übergriffen, wie etwa in Leipzig auf Jornalist*innen.3
COGIDA? — kann ich das essen!?
Der Facebook Auftritt von „COGIDA“ unterscheidet sich nicht großartig von anderen „PEGIDA“-Ablegern. Wenig bis keine eigenen Inhalte, die Ziele bleiben schwammig, die Organisator*innen möchten erst mal verdeckt bleiben.
Anders als bei den restlichen „-GIDAS“ wird „COGIDA“ beständig von dem Logo „VERITAS“ begleitet. Es soll darauf hinweisen, dass die Gruppe trotz ihrer Zugehörigkeit zu „PEGIDA“ regional „autark“ ist. Insgesamt soll das Logo dann scheinbar einer weiteren Organisierung in der Region dienen.
Die Seite hatte größeren Zulauf und erhielt innerhalb von 2 Tagen 200 neue „Gefällt mir“-Angaben. Durch die kontinuierliche Pflege der Seite, dem regen Austausch mit Interessierten, aber auch durch bundesweite und internationale Unterstützung schaffte es „COGIDA“ auf über 2000 „Gefällt mir“ Angaben4. Rund 500 — 600 Likes kamen beispielsweise hinzu, als HOYGIDA, der Ableger von PEGIDA in Hoyerwerda, dies auf seiner Facebookseite postete.
Die Beiträge bestehen aus diversen Zeitungsartikeln, die sich durch sämtliche Themengebiete ziehen, und aus geteilten Beiträgen anderer -“GIDA“ Gruppen5. Durch das gezielte Ansprechen regionaler Themen wie „Altanschließerbeiträge“, „Stoppt die Früheinschulung in Brandenburg“ oder „Abzocke bei Falschparkern“ wird versucht, eine breite gesellschaftliche Basis zu finden.
Die Bandbreite der angebotenen Themen, sowie der kurzen oder gar gar nicht vorhandenen Auseinandersetzung mit einem Thema führten dazu, dass sich keine kontinuierliche Debatte entwickeln konnte. Die Diskussionen sind meist wirr und wenig zusammenhängend, eine inhaltliche Tiefe ist nicht erkennbar. Dies hinderte die meisten Nutzer jedoch nicht daran gemeinsame Feindbilder zu generieren und Schuldige für gesellschaftliche Probleme zu finden.
Die Mär vom „kriminellen Ausländer“, die Unterteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge6 und Behauptungen wie z.B. „die kommunalen Kassen sind wegen der asylschwemme leer !“7 zeigen welche Geisteshaltungen hier vorherrschen. Was sich teilweise in den Kommentaren auf „COGIDA“ entlädt ist purer Rassismus.
Ein weiterer wichtiger Faktor für „COGIDA“ ist der Kampf gegen die „Verfremdung unserer Heimat!“ und „Für den Erhalt unserer Kultur“8 Auch wenn das „Wir“ nicht explizit definiert ist, sondern als „Wir sind EIN Volk“9 propagiert wird, wird bei genauem hinsehen schnell klar, dass es sich hier um ein „deutsches Volk“ zu handeln hat. Damit reiht sich „COGIDA“ nahtlos in den völkischen Nationalismus der europäischen „PEGIDA“-Bewegung, sowie historisch in die völkische Bewegung ein. Der völkische Nationalismus ist auf den Schutz des Volkes vor der „Andersartigkeit“ und der „Überfremdung“ ausgerichtet. Er ist stark an völkische und rassistische Konzepte gebunden und richtet danach seine orientiert daran seine Strategien aus.10
Wer sich die Facebook-Profile von den „COGIDA“-Anhängern „Spree Front“11 oder „Steffen Kreuziger“12 ansieht, bekommt einen Einblick darüber welch „Volk“ bei „COGIDA“ das „Wir“ verkörpert. Während „Steffen Kreuziger“ vermeintliche politische Gegner verhämt, sich an deren Schaden ergötzt13 und auf seinem Profil für die „Anti-Antifa“14 wirbt, findet sich bei „Spree Front“ ein starker Bezug zu Neonazis aus dem Umfeld der NPD, sowie der JN15.
Die Vernetzung mit anderen „PEGIDA“-Ablegern stellt einen wichtigen Faktor in der Mobilisierung für den 11. Februar 2015 dar. So fahren Teile der Organisator*innen regelmäßig nach Dresden oder auch Hoyerwerda um die dortigen Aufmärsche zu unterstützen16.
Gerade die Aufmärsche in Hoyerswerda unter dem Label „HOYGIDA“ sind ein Sammelbecken für die radikale Rechte. Unter den Teilnehmer*innen findet sich so ziemlich alles vom ehemaligen Kandidaten der Partei „Pro Deutschland“ bis hin zum verurteilten Neonazi. Die Darstellung rechter Ideologie reicht hier vom Tragen von „Thor Steinar“ Kleidung bis hin zum skandieren einschlägig rechter Parolen wie „Ruhm und Ehre der deutschen Nation“, welche stark an die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ erinnert17.
Die Organisator*innen von „HOYGIDA“ ergänzen dieses Bild des rechten Straßenmob um eine strukturgebende Kraft. So befindet sich unter Ihnen ein Mitglied der rechts-populistischen Partei „Alternative für Deutschland“, sowie eine Hoyerswerdaerin mit starker Affinität zur „NPD“ und einer Vorliebe für schnelle Abschiebungen.18
Diese Umstände hinderten die „COGIDA“-Organisatoren nicht daran, sich positiv darauf zu beziehen, geschweige denn sich von diesen Personen zu distanzieren. Das Gegenteil ist der Fall. Die beiden Gruppen trafen sich in der darauf folgenden Woche nach dem Aufmarsch am 24. Januar 2015 um sich Abzusprechen19. Beim 2. Aufmarsch am 07. Februar 2015 gab es schließlich einen Redebeitrag in dem um Unterstützung für den 11. Februar 2015 in Cottbus gebeten wurde20.
Auf der Facebookseite von COGIDA finden sich ebenfalls zahlreiche Vertreter von „HogeSa“ (Hooligans gegen Salafisten) – hier bestehen also Verbindungen in die gewaltbereite Hooliganszene.
Der Organisator von Seite und „Spaziergang“
Der Hauptakteur von „COGIDA“, sowie die Person hinter „VERITAS“ ist Niels Krautz.
„VERITAS“ bezieht sich hier vermutlich auf den Spruch „In vino veritas“ was soviel wie „Im Wein liegt die Wahrheit“ heißt. Krautz versucht wohl so zu verdeutlichen, dass seines das „wahre“ Wort sei. Unter dem Pseudonym „veritas“ schreibt er kleine E‑books und Kurzgeschichten um diese anschließend auf „mystorys.de“ zu veröffentlichen21. Kurze Zeit zierte selbst der Cottbuser Altmarkt mit dem schriftzug „veritas“ sein Facebookprofil22.
Das „VERITAS“-Logo welches die „COGIDA“-Facebookseite ziert, entwarf er kurze Zeit vor der Gründung von „COGIDA“ und stellte es auf seine Facebookseite zur Bewertung23.
Krautz selbst ist innerhalb der „Neuen Rechten“24 bzw. der „Identitären Bewegung“25 zu verorten. Er schrieb z.B. einen Artikel für das rechts-konservative Zeitungsprojekt „Blaue Narzisse“26, welches seine fremdenfeindliche Gesinnung u.a. dadurch zur Schau stellt, türkischstämmige Menschen als unzivilisiert darzustellen und kategorisch Ausländer*innen als Täter und Deutsche als Opfer gegenübergestellt27. Auch lassen sich auf seiner Facebook Seite immer wieder Bezüge und geteilte Beiträge von Ablegern der „Identitären Bewegung“ finden28.
Der autoritäre und antisemitische Charakter von Krautz kommt in Facebook-Diskussionen mit seinen Freund*innen zutage, wenn vom „Moslemschwein“, positiven Bezügen aufs „Gulag“29 und einem „Freischein seit ’45“ zum töten für „die Juden in Israel“ die Rede ist30. Solche Aussagen lassen außerdem Rückschlüsse auf ein Menschenbild zu, das fernab eines gleichberechtigten Umgangs miteinander ist.
Die Offenheit von Krautz gegen über einschlägig Bekannten Neonazis und die Nähe zu ihnen ist erkennbar an den Leuten, die mit ihm über Facebook kommunizieren. So hält Krautz Kontakt zu Benjamin Mertsch, Oliver Niedrich und Oliver Fischer31, alle drei bekannte „NPD“-Kader32, wobei sich Fischer eher durch sein penetrantes und aggressives (teilweise gewalttätiges) Auftreten, als durch politische Relevanz hervorhebt. Doch zeigt gerade der Kontakt zu Fischer, dass es sich hier nicht nur um reine „Facebook-Bekanntschaften“ handelt. So treten Krautz und Fischer auch gelegentlich gemeinsam im Cottbuser Stadtbild auf und warben per Megafon gemeinsam für die COGIDA-Demonstration.
Fischer selbst warb unter anderem vor kurzem noch für das verbotene Neonazinetzwerk „Spreelichter“33 bzw. die „Werde-Unsterblich“-Kampagne auf seiner Facebook-Seite34.
Niels Krautz soll im Umfeld der Anti-Euro-Kampagne der NPD politisch sozialisiert und ausgebildet worden sein. Die Kontakte zu Oliver Fischer u.a. lassen dies als plausibel erscheinen. Einzelnen Aussagen zu Folge soll er ebenfalls Vertreter einer „Queerfrontstrategie“ sein, was an Hand der Aussage: „es gäbe weder links noch rechts, sondern nur EIN Volk“ auf der COGIDA-Seite plausibel erscheint.
Ein weiterer Organisator von „COGIDA“ ist Patrick Krautz, der Bruder von Niels Krautz. Er ist eher still und zurückhaltend und politisch bisher noch nicht in Erscheinung getreten.
Der Aufmarsch am 11. Februar
Der sogenannte Spaziergang der „COGIDA“ in Cottbus erfolgt relativ spät im Kontext der gesamten „PEGIDA-Bewegung“. Der offizielle Grund war, dass die Organisatoren noch die erste Demonstration von „HOYGIDA“ abwarten wollten. Mit dem Abflauen der gesamten Bewegung sah sich „COGIDA“ genötigt, andere Themen als Propaganda gegen Flüchtlinge und „kriminelle Ausländer“ zu veröffentlichen und zunehmend wurden allgemeine andere politische Themen und regionale Themen aufgegriffen. Auffällig hierbei ist, dass sie aber auf keine regionale Medien Bezug nehmen. „COGIDA“ selbst positioniert sich inhaltlich nicht im Rahmen der auseinanderbrechenden „Pegida-Bewegung“.
Für den 11. Februar wurde durch „COGIDA“ zusätzlich eine Veranstaltungsseite auf Facebook erstellt35. Derzeit gibt es für den geplanten Aufmarsch über 300 Online-Zusagen, darunter befindet sich sowohl der rechte Straßenmob als auch organisierte Neonazis, wie z.B. Facebook-Nutzer „Heinz Scholten“, der auf seiner Seite mit geballter Faust und einem Landser-Shirt posiert36 sowie Oliver Fischer37.
Die Mobilisierung für den Aufmarsch erfolgte über Facebook und mit propagandistischen Megafondurchsagen in den Fußgängerzonen in Cottbus u.a. durch Niels Krautz. Weitere „PEGIDA“-Ableger wurden angefragt zu unterstützen, darunter die Gruppen aus Hoyerswerda und Dresden. In Hoyerswerda wurde zu diesem Zweck ein kurzer Redebeitrag von Niels Krautz gehalten38.
Fazit
Der Cottbuser „PEGIDA“-Ableger, „COGIDA“ will sich bürgernah und in der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft verortet sehen. Mit der Losung nach Frieden werden hier völkisch-nationale, antisemitische, antimuslimische und rassistische Weltbilder kaschiert. Hier wird Frieden propagiert während an anderer Stelle die Abschiebung von Flüchtlingen gefordert wird.
Insgesamt stellen „VERITAS“ und „COGIDA“ den Versuch einer Organisierung des rechten Potentials in Cottbus und darüber hinaus in die Region dar. Durch ihre Offenheit und Nähe zu rechten Ideologien bildet „COGIDA“ ein Sammelbecken vom Rechtskonservativen über rechte Hooligans bis hin zu organisierten Neonazis.
In einen historischen Kontext gesetzt lässt sich die Gefahr und Tragweite einer solchen Vereinigung erkennen. Der Zusammenschluss zwischen Konservativen und Nazis führte 1933 schließlich zum deutschen Faschismus mit all seinen Folgen.
Im Rahmen der rassistischen-nationalistischen Welle Anfang der 1990er Jahre kam es bundesweit zu Pogromen gegen Flüchtlinge und Migrant*innen. Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda sind nur die bekanntesten Beispiele, aber auch in Cottbus gab es den Versuch eines Pogroms gegen das damalige Flüchtlingsheim.
Für Frieden zu kämpfen heißt nicht mit „COGIDA/PEGIDA“ auf die Straße zu gehen und den „Deutschen Boden“ zu verteidigen, sondern sich solidarisch mit seinen Mitmenschen auseinander zu setzen. Auch wenn es dabei nicht auf konstruierte Gruppenzugehörigkeiten ankommt, ist eine antifaschistische Grundeinstellung elementar für ein gleichberechtigtes Leben miteinander.
Quellen:
1 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?fref=ts ; 06.02.2015
2 http://bubgegenextremerechte.blogsport.de/2014/12/06/hogesa-pegida-neue-nationalrassistische-massenbewegung-in-deutschland-nationalsozialismus‑2–0/ ; 06.02.2015 Der Artikel bietet eine Fundierte Analyse der HoGeSa/PEGIDA Problematik uns setzt diese in eine historischen Kontext
3 http://www.neues-deutschland.de/artikel/959546.renner-pegida-im-kern-voelkisch-und-autoritaer.html ; 06.02.2015
4 2276 Likes am 06.02.2015 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?sk=likes
5 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?fref=ts ; 06.02.2015
6 Ebd. Immer wieder wird gefordert sog. Wirtschaftsflüchtlinge sofort Abzuschieben, da diese ja keinen Grund hätten zu fliehen.
7 Bild 1
8 Bild 2
9 Ebd.
10 Vgl. Roger Griffin: Völkischer Nationalismus als Wegbereiter und Fortsetzer des Faschismus. Ein angelsächsischer Blick auf ein nicht nur deutsches Phänomen. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn und Jobst Paul (Hgg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie, 2005; Margret Jäger/Siegfried Jäger (1999): Gefährliche Erbschaften. Die schleichende Restauration rechten Denkens und Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 2001.
11 https://www.facebook.com/profile.php?id=100005534499352&fref=ts ; 07.02.2015
12 https://www.facebook.com/steffen.kreuziger?fref=ufi ; 06.02.2015
13 Bild 3 & 4
14 Militante Neonazi-Struktur, die vermeintliche politische Gegner auskundschaftet um militant gegen diese Vorzugehen; vgl. http://web.archive.org/web/20071213193138/http://www.amal-sachsen.de/news.php?article=379 07.02.2015
15 Bild 5,6 & 7
16 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?fref=ts ; 07.02.2015
17 http://pogrom91.tumblr.com/post/110240353704/hoygida-neonazis-rassisten-hoyerswerda ; 07.02.2015
18 Ebd.
19 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; 07.02.2015
20 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?fref=ts ; 07.02.2015
21 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; http://www.mystorys.de/b118274-Fantasy-und-Horror-Schattenwurzeln.htm ; http://www.mystorys.de/b118562-Gedichte-Traeumer.htm ; http://www.mystorys.de/b121307-Gedichte-Herbstdepression.htm ; Alle 07.02.2015 ; Bild 8
22 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; 07.02.2015 ; Bild 9
23 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; https://www.designmantic.com/de/share?id=MjU1Nzc4MA%3D%3D ; 07.02.2015 Bild10 & 11
24 http://web.archive.org/web/20091211072619/http://www.polwiss.fu-berlin.de/fsi/bernie/rrtraughber.htm
25 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/die-europ%C3%A4ische-%C2%BBidentit%C3%A4re-bewegung%C2%AB
26 http://www.blauenarzisse.de/index.php/gesichtet/item/4921-warum-sprachen-sterben ; 08.02.2015 ; Bild 12
27 Alexander Geisler, Martin Gerster: Fußball als Extrem-Sport – Die Unterwanderung des Breitensports als Strategie der extremen Rechten. In: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. VS Verlag, 2009. ISBN 3531159119, S. 193f. Onlineversion
28 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; 07.02.2015 ; Bild 13&14
29 Gulag bez. das Repressionssystem der Sowjetunion, mit Straflagern, Arbeitslagern, etc. Tausende Menschen fanden dort den Tod. Vgl.: Alexander Solschenizyn: Der Archipel Gulag. Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band. 3. Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978–3‑596–18423‑1, S. 334. Im Folgenden macht Solschenizyn eine Angabe zu den Überlebenden der Lager: „In der Tat ist ja von jenen, über die einst die Verhaftung hereingebrochen war (wir wollen ausschließlich von den Achtundfünfzigern [den ‘politischen’ Gefangenen] sprechen), schwerlich ein Fünftel, ’s wär schön, wenn ein Achtel, in den Genuß der Haftentlassung gekommen.“ (a.a.O, S. 481)
30 https://www.facebook.com/niels.krautz.7?fref=ts ; 06.02.2015 ; Bild 15, 16 & 17
31 Ebd. ; 08.02.2015 ; Bild 18, 19 & 20
32 Vgl. Fight Back #5, April 2013 und Hinter den Kulissen nummer 3, Sommer 2013; online https://www.antifa-berlin.info/sites/default/files/dateien/artikel/fightback05.pdf und http://apap.blogsport.eu/files/2014/01/hinter_den_kulissen_nummer_3_jahr_2013.pdf
33 Ebd.
34 Bild 21 & 22
35 https://www.facebook.com/events/834989929890590/?ref_newsfeed_story_type=regular&source=1 ; 08.02.2015
36 https://www.facebook.com/heinz.scholten.5?fref=ts ; 08.02.2015 ; Bild 23 & 24
37 Bild 25
38 https://www.facebook.com/pages/Cogida/1540762136194400?fref=ts ; 08.02.2015
Oberhavel für alle!
11. Februar / 18:00 / Bahnhof Oranienburg / “Oberhavel für alle” — Antirassistische Demonstration
Oranienburg ist ein Ort der Vielfalt mit vielen Errungenschaften. Davon profitieren nicht nur die Bürger_innen, sondern auch die immer zahlreicheren Gäste unserer Stadt. Grundlage für diesen Erfolg ist ein Klima, in dem Menschen sich wohlfühlen sowie frei von Angst und Verfolgung leben, arbeiten und sich entfalten können. Wir wissen, dass dies nicht immer und nicht für alle Realität ist. Die existierenden Sorgen und Nöte der Menschen in dieser Stadt nehmen wir wahr. Aber sie sind auch Anlass für eine lebendige, demokratische und antirassistische Alltagskultur. Zahlreiche Initiativen, Verbände, Vereine, aber auch Bürgerversammlungen, Parteien und demokratische Institutionen bieten Gelegenheit zum Teilhaben, Streiten und Mitmischen. Grundlage für all dies ist der Konsens im gegenseitigen Respekt und in der Anerkennung der universellen, unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechte. Das Schüren von Ängsten und Hass verbietet sich damit genauso wie die Ausgrenzung von Menschen aufgrund von Herkunft, sexueller Orientierung oder Religion als “fremd” oder “anders”.
Flüchtlinge willkommen — Refugees Welcome!
Unserer Stadt ging es immer dann am besten, wenn Zuzug und Zuwanderung sie wachsen und gedeihen ließ. So ist das noch heute. Nicht nur deshalb sollten wir die Menschen, die in den vergangenen Monaten Zuflucht aus Krisen- und Kriegsregionen in Deutschland gesucht haben, willkommen heißen. Bisher haben 193 Flüchtlinge und Asylbewerber_innen aus 15 Nationen die Gemeinschaftsunterkunft in der ehemaligen „Märkischen Kaserne“ im Ortsteil Lehnitz bezogen. Weiterhin sind bis zum jetzigen Zeitpunkt ca. 30 Personen in Wohnungen und im Luisenhof in Oranienburg untergebracht worden. Diesen Flüchtlingen gilt unsere Solidarität. Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, als sie vor Krieg, Terror, Folter, Hunger und Armut flohen. Wir wollen unsere neuen Nachbarn willkommen heißen und ihnen die Teilhabe an unserer Gesellschaft ermöglichen. Wir dulden keine Form von Menschenverachtung und rassistischer Hetze gegen Menschen, die auf unseren Schutz angewiesen sind.
Oberhavel für alle!
Nazis, Heimgegner_innen, Rassist_innen und angeblich “besorgte Bürger” rufen in unserer Stadt zu einem „Abendspaziergang für angemessene Asylpolitik“ auf. Doch Beiträge auf den “Nein zum Heim”-Internetseiten sowie von Rednern vergangener “Abendspaziergänge” beweisen, dass “angemessen” hier das Maß der Fremdenfeindlichkeit, der Nützlichkeit des Egoismus und der eigenen Maßlosigkeit, das Recht des Stärkeren und das Recht nach Herkunft meint.
Wir wissen, dass die Teilnehmer_innen der “Abendspaziergänge” zum großen Teil aus rechten Strukturen im ganzen Kreis und auch dem Land kommen. Wir meinen, dass die Werte unserer Stadt auch in unserem Landkreis gelten. Deshalb wünschen wir uns: Zeigt weiterhin Solidarität; steht mit uns auf und beweist, dass Oberhavel zusammen hält! Es geht um Demokratie und Vielfalt in unserer Region, in der wir uns dem Ziel eines guten und selbstbestimmten Lebens für alle Menschen verpflichtet fühlen.
Wir erinnern uns an das, was war, nicht nur in den zwei Konzentrationslagern, deren schreckliche Geschichten unseren Landkreis noch heute prägen. Wir wissen, wohin die Ideologie der “Spaziergänger_innen” führen kann. In den 90iger Jahren mussten wir erleben, wie erst Häuser und dann Menschen brannten und wie die, die nur besorgte Bürger sein wollten, zu Täter_innen wurden. Auch deshalb: Statt #Pegida gilt, nicht nur bei uns, #niewieda! Wir werden es nicht zulassen, dass unser Landkreis erneut zum Austragungsort menschenverachtender Hetze wird. Oberhavel ist ein Ort für alle, egal welcher Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung.
Gemeinsam setzen wir uns ein für ein friedliches, weltoffenes und vielfältiges Zusammenleben aller Menschen. Unser Ziel einer solidarischen Gemeinschaft ohne Rassismus und Ausgrenzung eint uns über unsere politischen, kulturellen und sozialen Unterschiede hinaus. Wir erklären uns ausdrücklich solidarisch mit all jenen, die mit uns das Ziel teilen, dem braunen Spuk auf unseren Straßen ein Ende zu bereiten. Wir sind die Demokraten und wir sind die Vertreter der Menschenrechte. Wir haben genug von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Angst und Hass. Wir sind viele und rufen euch auf: Stellt euch den Abendspaziergängen entgegen, widersprecht und widersetzt euch.
Genug ist genug!
Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister von Cottbus, dem Sprecher des Bündnisses „Cottbuser Aufbruch“, dem Präsident der BTU und dem Sprecher des Studierendenrates der BTU haben wir die Cottbuser Erklärung unterzeichnet! Darin wenden wir uns gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die bei PEGIDA-Demonstrationen immer wieder an den Tag gelegt werden – die Erklärung im Wortlaut findet ihr unten.
Wer die Erklärung unterzeichnen möchte, schreibt bitte kurz an cottbus-fuer-alle@posteo.de!
COTTBUSER ERKLÄRUNG
Wir wenden uns gegen die Menschenfeindlichkeit, die auf den Demonstrationen von PEGIDA zum Ausdruck kommt. Wir solidarisieren uns mit den (potentiell) Betroffenen und erklären, dass Cottbus eine weltoffene Stadt sein will und z.B. als Universitätsstadt auch sein muss.
Die Debatte um PEGIDA hat nun Cottbus erreicht, auch wenn der Höhepunkt der Demonstrationen vorbei scheint und die „Argumente“ öffentlich ausgetauscht sind. PEGIDA & Co. haben nur einen sehr verschwommenen Forderungskatalog, stellen ihre Demonstrationen aber unter das Motto: „gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Wer dort mitläuft, sollte also wissen, dass er oder sie damit Vorurteile und Hass gegen eine religiöse Minderheiten schürt – egal welche sonstigen Forderungen oder Meinungen ihn oder sie dazu bewegt haben, bei PEGIDA zu demonstrieren.
Wir beobachten mit Sorge, dass auf den PEGIDA-Demonstrationen häufig fremdenfeindliche und rassistische Ansichten vorgetragen werden und dass bundesweit auch zahlreiche Neonazis an den Demonstrationen teilnehmen und diese mit organisieren.
Wir wollen dem ein Bild entgegensetzen, was Cottbus für uns bedeutet:
Eine weltoffene Stadt – und keine verschlossene Stadt. Cottbus und die Region sollen sich inspirieren lassen von der Welt da draußen und von den Menschen der Erde, mit allen ihren Facetten.
Niemand unterstützt den islamistischen Terrorismus – aber wir können eben so wenig ausländerfeindliche Übergriffe oder auch nur die Bedrohung oder Diskriminierung unserer Mitmenschen hinnehmen, die nicht aus Deutschland stammen, eine andere Religion haben, eine andere sexuelle Orientierung besitzen oder vielleicht einfach nur „anders“ aussehen.
Wir stehen für eine Stadt, die es ermöglicht, Freiheit und Lebensglück auf je eigenem Wege zu suchen – ohne Vorschriften oder Einschränkungen anderer.
Cottbus für alle! No Pegida!
Erstunterzeichner:
Holger Kelch, Oberbürgermeister von Cottbus
Angelika Müller, Cottbus Nazifrei
Lothar Judith, Pressesprecher Cottbuser Aufbruch und DGB-Vorsitzender Cottbus
Jörg Steinbach, Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität
Daniel Kowald, Sprecher des Studierendenrates Cottbusnten.
Während in der Stadtverordnetenversammlung der Kleinstadt Nauen (Landkreis Havelland) noch kontrovers über einen Standort einer Unterkunft für ungefähr 250 Asylsuchende diskutiert wird, haben jetzt offenbar auch Unbekannte die Initiative ergriffen und sich ebenfalls zum Thema positioniert. Im Gegensatz zum schwarze-Peter-Spiel der Abgeordneten, um den geeignetsten Platz, scheinen diese Personen hingegen eine fundamentale Ablehnung zur Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu propagieren. Nach einer ersten Banneraktion gegen geplante Unterkünfte am 28. Januar 2015, die auch auf der Internetseite der neonazistischen Vereinigung „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“ Erwähnung fand, folgten gestern und heute früh weitere gleichartige Aktionen. Am Freitagmorgen war an einem leerstehenden Wohnhaus in der Dammstraße Ecke Hertefelder Straße ein Laken mit der Aufschrift: „Nauen sagt Nein zum Asylantenheim!“ aufgetaucht und am heutigen morgen eines mit der Aufschrift: „Nein Nein Nein zum Asylantenheim“, an der Bahnunterführung B273 (Graf Arco Straße). Beide Banner wurden inzwischen von Passant_innen entfernt, dokumentiert und der Polizei übergeben. Weiterhin waren heute Morgen u.a. in der Dammstraße, in der Gartenstraße, in der Neue Str sowie schwerpunktmäßig im Wohngebiet Karl Bernau Ring / am Bredower Weg / Feldstraße / Kreuztaler Straße / Waldemardamm dutzende A3-Papier-Plakate mit der Aufschrift „Nein zum Heim“ aufgetaucht. Der Waldemardamm 20 gilt übrigens als der wahrscheinlichste Standort des geplanten Asylbewerberheimes. Hierzu will die Stadt, nach einer Abstimmungsverschiebung bei der letzten Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 2015, nun am 12. Februar 2015 Fakten schaffen. Entsprechend waren die genannten A3-Plakate formuliert. „Ganz Nauen“ solle, nach dem Willen einer „Bürgeriniative Nauen“, nun dort erscheinen, um das Heim zu verhindern.
„Zukunft Nauen“
Der plötzlich recht drastische Widerstand kommt überraschend. Bereits am 17. November 2014 wurde die Unterbringung von Asylsuchenden in Nauen erörtert. Die Sitzung im Kreishaus wurde öffentlich beworben, Interessenten seitens eines „besorgten“ Bürgertums gab es jedoch keine. Auch nicht von der neuen Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“, welche nun die angeblich spärliche Informierung zum Asylheim anprangert. In einem am 4. Februar 2015 veröffentlichten Positionspapier wird zudem mit den üblichen Vorurteilen gegen derartige Unterkünfte gespielt. Das Heim liege zu nahe an einer Schule, einer Kita und einem Wohngebiet. Zudem befänden sich Garagen und eine Kleingartensparte in der Nähe.
Welches Bild über Asylsuchende wird hier entwickelt? Die üblichen Stereotype: alles Diebe und Kriminelle. Da darf natürlich auch nicht der Hinweis fehlen, dass in einem Asylbewerberheim „Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen mit komplett verschiedenen Weltanschauungen … unweigerlich aufeinander“ treffen. Als ob dies ein Indiz für kriminelles Verhalten wäre. Der bittere Beigeschmack des Rassismus ist offensichtlich.
Hinter „Zukunft Nauen“ soll übrigens der Nauener Heiko K. stecken. Dieser ist auch Administrator der Socialmedia-Präsenz der „Nauener Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA Nauen). Ansonsten ist nur recht wenig über ihn bekannt.
„Nein zum Heim in Nauen“
Eine typische NPD Kreation scheint hingegen die Socialmedia-Präsenz „Nein zum Heim in Nauen“ zu sein. Diese ist seit November 2014 online und wird seit dem fortlaufend aktualisiert. In der Regel werden einerseits Presseberichte, andererseits aber auch Artikel und Statements der neurechten Zeitschrift „Junge Freiheit“, der NPD Initiative „Nein zum Heim in Bad Belzig“ oder der NPD selber geteilt. Am 27. Januar 2015 veröffentliche „Nein zum Heim in Nauen“ einen Artikel über eine Zusammenkunft der Nauener Stadtverordnetenversammlung am 26. Januar 2015, der etwas später, am 2. Februar 2015, auch 1:1 auf der Socialmedia-Präsenz der „NPD Havel Nuthe“ als Bericht des Stadtverordneten Erik Brüning (NPD) publiziert wurde. In diesem wurde sich einmal mehr über eine angeblich „mangelnde Informationspolitik“ beschwert. Des weiteren wurde darüber berichtet, dass es zu einer „lautstarken Diskussion zwischen Einwohnern und Bürgermeister“ gekommen sei und „der Saal kurz vor der Räumung durch die Polizei“ stand. Des Weiteren, so „Nein zum Heim in Nauen“, soll „die komplette Fraktion“ von „Bauern- und frischer Wind für Nauen“ sich ablehnend gegenüber des Heimneubaus gezeigt haben, ebenso wie einige Mitglieder von SPD und CDU. Dies trifft allerdings, laut MAZ, zumindest zu letzt genannter Behauptung so nicht zu. Grundsätzlich wurde zunächst erst einmal betont, dass gegen die Aufnahme von Asylsuchenden nichts spricht. Lediglich der Standort, neben einem von der Stadt ausgewiesenen sozialen Brennpunkt, einem Plattenbauviertel am Rande Nauens, mache den ablehnenden Abgeordneten sorgen.
Doch genau auf diese Karte wollem jetzt offenbar auch die „Bürgerinitiativen“ setzen, indem Sympathisant_innen heute an nahezu jedem Hauseingang in diesem Gebiet Plakate, mit dem Aufruf sich am 12. Februar 2015 zur Stadtverordnetenversammlung einzufinden und das Heim zu verhindern, anbrachten.
Fotos: hier
Der Aufstand der Ekelhaften
Am Samstag, den 17. Januar fand ein von der neonazistischen Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich”[1] organisierter rassistischer Aufmarsch in Frankfurt
(Oder) statt. Unter dem Motto „Frankfurt/Oder wehrt sich — Stopp dem Asylmissbrauch“ [2] versuchten die Veranstalter*innen den Aufmarsch als bürgerlichen Protest zu inszenieren. Das Schauspiel war unglaubwürdig. Weder konnte die Gruppe glaubhaft Bürgerlichkeit imitieren noch ernsthaft suggerieren aus der „Mitte der Gesellschaft“ zu kommen. Immer wieder war auf ihrer Seite „Frankfurt/Oder wehrt sich“ zu lesen: „Wir sind keine Nazis“. Die neonazistischen Verstrickungen sind aber mehr als offenkundig.
Vorgeschichte – Der Rassistische Mob Frankfurts
Wir berichteten im jüngsten recherche output[3] über die Entstehung einer rassistisch aufgeladenen Debatte um vermeintliche Drogenkriminalität im Lenné-Park. In dieser Dynamik entlud sich der Alltagsrassismus der Frankfurter*innen auf Facebookseiten wie „Blaulichtreport Frankfurt (Oder)“[4],„Bürgerwehr Frankfurt (Oder)“[5] und „Brandenburg wehrt sich“[6]. Dabei verwiesen sie auf einen Artikel der Märkischen Oderzeitung,[7] der sich auf Gerüchte berief, die später sogar von der örtlichen Polizei widerlegt wurden.[8] Für die im Aufschwung befindliche Frankfurter AfD ein gefundenes Fressen: Der Stadtverband um Wilko Möller und Michael Korth konnte sich als neue Partei rechts der CDU profilieren und erhielt bei den letzten Landtagswahlen knapp 20% der Frankfurter Stimmen. Einzig die NPD konnte bisher nicht von der Stimmung profitieren, auch mangels fehlender Strukturen vor Ort.
Bisher stach vor allem der Frankfurter Neonazi Peer Koss als treibende Kraft innerhalb der organisierten rassistischen Mobilisierung hervor. So war es auch er, der am 26. August 2014 eine „Gegendemonstration“ anlässlich einer antirassistischen Demo durch Frankfurt (Oder) initiierte.[9] Schlussendlich beteiligten sich jedoch nur eine Handvoll Neonazis an der Aktion. Und es war erneut Koss, der am 1. November auf seinem persönlichen Facebook-Profil zu einer Anti-Asyl Demo aufrief.[10] Er vergaß diese jedoch vorher anzumelden, so dass es an diesem Tag statt eines rassistischen Aufmarsches eine Kundgebung für Willkommenskultur vor dem Frankfurter Hauptbahnhof gab.[11]
Die bis dato größte Bühne bot sich den rassistischen Frankfurt*innen jedoch am 27. November bei einer Einwohner*innenversammlung im Stadtteil West. Informiert werden sollte über bestehende und zukünftige Unterkünfte für Geflüchtete. Der Verein „Utopia“ fasste in seiner Pressemitteilung die Geschehnisse treffend zusammen: „Menschenverachtung eine Bühne geboten“.[12] Der Chauvinismus und Hegemonialstreben von „weißen“ Frankfurter*innen äußerte sich in vermeintlichen Ängsten vor Kindeswohlgefährdung, sexuellen Übergriffen, Eigentumsdelikten und Sauberkeit sowie anderen Konstruktionen vermeintlicher „Ausländerkriminalität“. Es waren auch zahlreiche stadtbekannte Neonazis vor Ort. Die Entladung des Hasses auf der Straße sollte nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Die Facebook-Seite „Frankfurt/oder wehrt sich“13
Zur Mobilisierung der Demo wurde Mitte Dezember ein Facebook-Profil angelegt, hinter dem mutmaßlich der Frankfurter Neonazi Peer Koss steht. Am 25. Dezember wurde dann eine Veranstaltung erstellt, die eine Demonstration für den 17. Januar 2015 ankündigte.[14]
Wie das Internetportal „Inforiot“[15] im Vorfeld berichtete, ließ die Facebook-Seite anfangs tief in das neonazistische Weltbild der Verantwortlichen blicken. Als Profilbild wurde eine Karte mit den Grenzen des Deutschen Reichs von 1941 verwendet, die in den Farben schwarz-weiß-rot gezeichnet war.
Immer wieder wurden Verweise zu eindeutig neonazistischen Seiten geliked bzw. verlinkt. Kommentator*innen konnten ohne Einschränkungen der Admins rassistische und antisemitische Postings hinterlassen. Nachdem einige User*innen sich am neonazistischen Bild der Veranstaltung störten, änderten sie die Werbung. Von da an war die Deutschland-Fahne zu sehen. Ein ersten Flyer, der u. a. im Frankfurter Stadtteil Neuberesinchen auch in Briefkästen gesteckt wurde, war mit dem Stadtwappen verziert. Das sorgte für weiteren Ärger: die Stadt stellte Anzeige gegen die Verantwortlichen. Denn für die Verwendung dieses Symbols bedarf es der Genehmigung der Stadt.[16]
Neonazipärchen organisiert Demonstration
Hinter der Organisation der Demonstration standen Franziska Koss und ihr Mann Peer. Sie war die Anmelderin der Demonstration. Peer Koss‘ Involvierung war offensichtlich: so suchte er auf seinem persönlichen Profil nach Ordner*innen für die Demonstration[17]. Auf der NPD gesteuerten Seite „Brandenburg wehrt sich!“ erschien der gleiche Aufruf nur wenige Stunden später.[18] Die neonazistische Partei selbst macht auf dieser Plattform fleißig Werbung für die Demonstration. Auf der Seite von „Frankfurt/Oder wehrt sich“ wurde wiederum u.a. ein NPD-Propaganda-Video verlinkt.[19] Die gegenseitige Sympathie ist offensichtlich, teilen sie doch ein gemeinsames neonazistisches Weltbild.
Die Zahl derer, die eine Teilnahme auf Facebook zugesagt haben stieg von Tag zu Tag. 420 Leute wollten am Ende an der Demonstration teilnehmen.[20] Ganz so viele waren es dann doch nicht.
Der 17. Januar – ein klassischer Neonaziaufmarsch
Am Samstagnachmittag zog der Aufmarsch hinter einer Deutschland-Fahne und dem aufgesprühten Spruch „Frankfurt/Oder wehrt sich“ vom Frankfurter Bahnhof durch die die Frankfurter Stadtteile Altberesinchen und Gubener Vorstadt zurück zum Bahnhof. Durch ein massives Polizeiaufgebot waren Blockaden der Route kaum möglich. Am Leipziger Platz, direkt vor dem Haus von Peer und Franziska Koss, welches mit einer überdimensionierten Deutschland-Fahne „geschmückt“ war, gab es eine kurze Zwischenkundgebung. Nach knapp zwei Stunden war die Demonstration schon wieder aufgelöst.
Doch zurück zum Anfang: Ab 13 Uhr versammelten sich, etwas abseits des Bahnhofsgebäudes die ersten Teilnehmer*innen der rassistischen Demonstration. Schnell wurde klar, dass es sich bei den Teilnehmenden nicht wie von den Facebook-Seite suggeriert wurde um „einfache und besorgte Bürger*innen“ handelte, sondern um offensichtliche Neonazis. Vieles sah nach einer typischen, von der NPD organisierten Demonstration aus, wie diese bereits im Jahr 2012 durchgeführt wurden.[21] Zwar war die Anzahl an Frankfurter Rassist*innen groß, es dauerte aber nicht lange und altbekannte Neonazis aus Berlin und Brandenburg kamen am Bahnhof an. So gehörten die Neonazis der JN Brandenburg um Marc Michalski, Patrick Niedergesäß, Alexander Kevin Pieper und Eric Lademann wie selbstverständlich zu den Teilnehmenden. Zusammen mit Berliner Neonazis, die regelmäßig an den „Nein zum Heim“-Aufmärschen im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf teilnehmen reisten auch Frank Odoy, Manuela Kokott, Markus Noack und Alexander Bode aus Guben zur Veranstaltung an. Wenig später traf zudem eine Delegation der neonazistischen Partei „Die Rechte“ um Klaus Mann ein.
Vor allem JN’ler übernahmen sogleich nach ihrer Ankunft organisatorische Aufgaben, wie Ordner*innenfunktionen. Franziska Koss, die Anmelderin, musste sich mit dem Halten des Front-Transparents, zusammen mit zwei anderen Frankfurterinnen, begnügen. Die Aufgabe der Demoleitung übernahm ein Neonazi aus Magdeburg.
Bis auf die Teilnahme einiger weniger als Bürger*innen erkennbare Rassist*innen glich das Bild einer typischen NPD-Demonstration der letzten Jahre in der Region. Mit etwa 250 Neonazis war es zugleich der größte Aufmarsch in Brandenburg seit langer Zeit. Kaum mehr als 150 Neonazis konnte die NPD in den vergangenen Jahren zu ihren Veranstaltungen organisieren, wobei der Trauermarsch von Cottbus noch als größtes Event zu zählen wäre.[22]
Eine weitere Überraschung war die Teilnahme der neonazistischen Gruppe „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ um den früheren JN-Kader Maik Eminger aus Grabow (Potsdam-Mittelmark), dessen Zwillingsbruder André einer der Hauptangeklagten im Münchener NSU-Prozess ist.[23] Lange Zeit nicht öffentlich in Erscheinung getreten, nimmt er im Zuge der rassistischen Stimmung durch PEGIDA und Co. mit seiner Gruppe immer wieder an solchen Aufmärschen teil. So zuletzt auch beim Leipziger PEGIDA-Ableger LEGIDA am 21. Januar.[24] Die Gruppe „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“, deren Anhänger*innen vor allem aus Westbrandenburg stammen, trat erstmals am 16. November in Gransee (Oberhavel) in Erscheinung. Dort führte Emingers Gruppe einen abendlichen Fackelmarsch unter dem Motto „Wir für Deutschland gegen Überfremdung“ durch.[25] Dass diese Aktionsform äußerlich dem Muster der 2012 verbotenen neonazistischen Spreelichter gleicht[26] ist nicht verwunderlich, so ist doch die Gruppe „Licht und Schatten“ aus denen „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ hervorging ein Ableger derselben.
Querschnitt der Frankfurter Neonaziszene
Dass es sich aber vorwiegend um eine von Frankfurter Neonazis organisierten Demonstration handelte, zeigt sich deutlich an der ungewöhnlich hohen Beteiligung Frankfurter Neonazis aus dem Umfeld der „Kameradschaft Kommando Werwolf“[27] und den „FCV-Hooligans“[28].
So gehörten Sven Lemke, Brian Dachwitz, Christian Riemer, Mario Schreiber, Dirk Weinert, Martin Wilke, Marcel Kuss und Andy Köpke zu den bekanntesten Frankfurter Neonazis auf der Demonstration.
Ebenfalls anwesend war Björn Brusak. Der als rechter Liedermacher und Fan des südafrikanischen Apartheids-Regimes bekannte Frankfurter,[29] war auch der erste Redner der Demonstration. Der Finanzberater Brusak bediente in seiner knapp siebenminütigen Rede[30] nahezu alle Themen, die sich im aktuellen Parteiprogramm der Brandenburger NPD finden. Zugleich betonte er aber, dass die Mehrzahl der anwesenden Personen nichts gegen integrierte ausländische Mitbürger*innen haben, solange sie “brav für die deutsche Volkswirtschaft arbeiten” würden. Sowieso taucht das “Volk” sehr häufig in seiner Rede auf. Folgerichtig stimmte er dann auch in der von Wutbürger*innen gerne gebrüllte Parole “Wir sind das Volk” ein, um, ganz nach dem Querfront-Prinzip, mit Zitaten der linken Intellektuellen Rosa Luxemburg und George Orwell abzuschließen.
Brusak begrüßte zudem die ankommenden Neonazis aus Fürstenwalde und Berlin. U. a. mit Eric Lademann führte er ein nahezu freundschaftliches Gespräch. Berühungsängste scheinen zur NPD also nicht zu bestehen.
Während der Demonstration stach Brusak immer wieder aus der Masse heraus. Während die Mehrzahl der rassistischen Teilnehmenden “Lügenpresse”, “Wir sind das Volk” oder „Ha,ha,Antifa“ skandierten, forderte er “Pressefreiheit” und “Demokratie”. Kaum verwunderlich, steht er doch mit seinen verschwörungstheoretischen Ansichten der extrem rechten antisemitischen Europäischen Aktion nahe[31] und besuchte die sogenannten Montags-Demos in Berlin im Sommer 2014.[32]
Ankündigungen zufolge wollten sich 500 Personen an der Demonstration beteiligen, am Ende waren es nur 250. Dennoch ist die öffentliche Mobilisierung, die lediglich über Facebook stattfand, erschreckend erfolgreich gewesen. Mindestens die Hälfte der Anwesenden stammten aus Frankfurt (Oder) selbst. Besonders auffällig war die Beteiligung vieler junger Menschen, z.T. trugen Schüler*innen Schilder und standen mit in der ersten Reihe.
Das rassistische Potential der Bevölkerung hat sich mal wieder offenkundig gezeigt, von jungen Menschen über gewaltbereite Hooligans bis hin zu Renter*innen.
Schnell hieß es “Wir kommen wieder”und so wurde für den 14. Februar von “Frankfurt/Oder wehrt sich” erneut eine Kundgebung angekündigt, diesmal an der Friedensglocke.[33]
Peer Koss bittet zur nächsten Runde
Am 26.01.2015 kündigte die Seite “Frankfurt/Oder wehrt sich” eine rassistische Kundgebung unter dem Motto “Frankfurt/Oder wehrt sich gegen Asylmißbrauch und Asylantenheime”[34]. Allerdings ist die Strategie diesmal eine andere. So findet statt einer Demonstration eine Kundgebung statt, zu welcher allerdings gemeinsam hingegangen werden soll, um sich vor Gegendemonstrant*innen zu “schützen”, so die Veranstalter*innen.[35]
Die versuchen inzwischen sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben, in dem sie in ihrem Aufruf auf friedliches Verhalten und “neutrale” Kleidung Wert legen.[36] Es scheint ihnen klar zu sein, dass offener Neonazismus eher auf Ablehnung als auf offene Arme stößt.
Die Vernetzung verschiedener Akteur*innen aus der Extremen Rechte wird immer deutlicher: Über Frankfurt (Oder) und dem Landkreis Oder-Spree hinaus sympathisieren neonazistische Aktivist*innen aus Berlin, Cottbus und dem Landkreis Prignitz[37] mit der Gruppierung “Frankfurt/Oder wehrt sich”.
Immer mehr Sympathisant*innen der rassistischen Hetze haben Angst für Neonazis gehalten zu werden. Zu Recht — die antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder) wird auch nach der Veranstaltung am 14.02. wieder Ross und Reiter bennen — versprochen.
1 hxxps://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110.
2 Rechtschreibfehler im Original
3 Vgl. hier und im Folgenden – https://recherchegruppe.files.wordpress.com/2014/12/output_7_final.pdf.
4 hxxps://www.facebook.com/BlaulichtreportFrankfurtOder.
5 Vgl. https://recherchegruppe.wordpress.com/2014/10/30/unser-ruckschlag-wird-kommen-analyse-einer-rassistisch-aufgeladenen-debatte-um-kriminalitat-und-gefluchtete/.
6 Vgl. hxxps://www.facebook.com/pages/Brandenburg-wehrt-sich/780097475356300.
7 Vgl. http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1314548.
8 Vgl. http://www.moz.de/heimat/lokalredaktionen/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1346221/.
9 Vgl. https://recherchegruppe.wordpress.com/2014/10/30/unser-ruckschlag-wird-kommen-analyse-einer-rassistisch-aufgeladenen-debatte-um-kriminalitat-und-gefluchtete/.
10 Vgl. https://inforiot.de/willkommenskultur-statt-rassismus/.
11 Vgl. https://inforiot.de/frankfurtoder-rechter-aufmarsch-fiel-aus/.
12 Vgl. https://inforiot.de/menschenverachtung-ein-podium-geboten/.
13 hxxps://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110.
14Vgl. hxxps://www.facebook.com/events/379203118908612/
15 Vgl. https://inforiot.de/rassistische-demonstration-in-frankfurtoder-geplant/
16 Vgl. http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1359138/.
17Vgl. Peer Koss, Beitrag vom 05.01.2015 um 08:35, hxxps://www.facebook.com/peer.koss.
18 Vgl. Brandenburg Wehrt sich, Beitrag vom 7. Januar 2015, 11:17: hxxps://www.facebook.com/pages/Brandenburg-wehrt-sich/780097475356300.
19 Vgl. Frankfurt/Oder wehrt sich, Beitrag vom 6. Januar 2015, 11:19: hxxps://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110.
20 Vgl. hxxps://www.facebook.com/events/379203118908612/
21 Vgl. https://recherchegruppe.wordpress.com/2012/11/20/das-kleeblatt-ist-verdorrt/ und https://recherchegruppe.wordpress.com/2012/05/10/das-war-wohl-nichts/.
22 Vgl. https://inforiot.de/cottbus-blockierte/.
23 Vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/64041.
24 Vgl. https://www.inventati.org/leipzig/?p=3335.
25 Vgl. http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/11/19/brauner-fackelmarsch-in-brandenburg_17710.
26 Vgl. http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2012/06/19/das-ende-der-nazi-masken-show_8923.
27Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Watch out for the Werwolf!“, auf: https://recherchegruppe.wordpress.com/2013/06/02/watch-out-for-the-werwolf/, 02.06.2013 und vgl. gegenrede: „Hausdurchsuchung in Frankfurt (Oder)“, auf: http://gegenrede.info/news/2013/lesen.php?datei=130624_01, 24.06.2013 sowie vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Verwundbarer Musiker und Tättowierer“, auf: https://recherchegruppe.wordpress.com/2014/08/28/verwundbarer-musiker-und-tattowierer/.
28Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Freunde, die niemand haben will.“, in: „recherche output #1“, 2006 und Vgl. antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder): „Rechte Frankfurter Ultras aktiv wie nie“, in: „recherche output #3“, 2007 sowie zahlreiche Artikel unter https://recherchegruppe.wordpress.com.
29 Vgl. https://recherchegruppe.wordpress.com/2013/09/08/immer-arger-mit-der-bierbar/.
30 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=RJYkXR_idOs, ab Minute 14:00.
31 Vgl. hxxps://de-de.facebook.com/pages/Europ%C3%A4ische-Aktion-St%C3%BCtzpunkt-Frankfurt-Oder/344266155722923.
32 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=xI996280x_g, ab Minute 03:08.
33 Vgl. Vgl. Frankfurt/Oder wehrt sich, Eintrag vom 27. Januar 2015, 05:24: hxxps://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110.
34 Vgl. „Frankfurt/ Oder wehrt sich“, Beitrag vom 26.01.2015 um 21:26, hxxps://www.facebook.com/events/1585257671687662/.
35 Vgl. „Frankfurt/ Oder wehrt sich“, Beitrag vom 27.01.2015 um 13:42 hxxps://www.facebook.com/events/1585257671687662/.
36 Vgl. „Frankfurt/ Oder wehrt sich“, Beitrag vom 27.01.2015 um 13:25, hxxps://www.facebook.com/events/1585257671687662/.
37 Der Versandhandel Itsh84u aus Karstädt, spendete Klamotten für einen Spendenaktion von „Frankfurt/Oder wehrt sich“. Die antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder) berichtete am 30.01.2015: https://inforiot.de/der-braune-teddy-baer-als-feigenblatt/.