Bund und Länder beabsichtigen, in Brandenburg eine Abschiebezentrale einzurichten. Ministerpräsident Woidke begrüßt öffentlich die Einrichtung dieser Logistikstelle für Sammelabschiebungen – trotz berechtigter Kritik seines Koalitionspartners, der Partei DIE LINKE. Während sich die Landesregierung öffentlich zum Thema Abschiebungen nach Afghanistan nicht positioniert, schafft sie mit der Potsdamer Abschiebezentrale Tatsachen. Mit diesem klaren Zeichen für eine repressive Abschiebepolitik reiht sie sich ein in den Kreis populistischer Scharfmacherei, die einfache Problemlösungen und Sammelabschiebungen propagiert.
Der Landesregierung sollte sehr wohl bewusst sein, dass es neben fehlender Dokumente, deren Beschaffung zukünftig in das Aufgabenprofil der zentralen Logistikstelle fallen soll, viele Gründe dafür gibt, dass Menschen trotz einer Ablehnung des Asylgesuchs nicht in Herkunfts- oder Durchgangsländer zurückkehren können – weder in vermeintlich sichere Herkunftsregionen in Afghanistan noch in einige überlastete EU-Länder wie Griechenland oder Ungarn, wo Flüchtlinge systematisch inhaftiert werden. Auch aus humanitären, medizinischen, familiären und persönlichen Gründen werden Abschiebungen in der Praxis häufig nicht durchgeführt. Dies zeigt, dass es Mängel im Schutzsystem gibt. Abschiebezentren sollen jedoch abschotten und Druck auf Menschen ausüben, das Land zu verlassen, damit sie ihre Möglichkeiten zur weiteren Aufenthaltssicherung nicht wahrnehmen.
Anstatt Abschiebezentren einzurichten und Flüchtlinge weiterhin nach Italien und ab März auch nach Griechenland abzuschieben, sollte Deutschland seine Energien darauf verwenden, den Verpflichtungen aus dem Relocation-Programm, das im September 2015 von der Europäischen Union verabschiedet wurde, nachzukommen. Von der zugesagten Aufnahme von über 27.400 Personen sind bisher lediglich etwa 2000 in Deutschland angekommen. Bleiben rund 25.400 Menschen, die bis Herbst diesen Jahres noch aufgenommen werden müssen.
Menschen außer Landes schaffen zu wollen, findet in der zunehmenden Missachtung des Innenministers gegenüber der Brandenburger Härtefallkommission seine Entsprechung. Innenminister Schröter hat in den vergangen beiden Jahren etwa ein Drittel der von der Kommission befürworteten Ersuchen abgelehnt, was eine traurige Bilanz darstellt. Die Statistik zeigt, dass besonders Familien von den negativen Entscheidungen des Ministers betroffen sind. Mit seinem Verhalten unterscheidet sich dieser Innenminister deutlich von seinen Vorgängern. Die Härtefallkommission Brandenburg wurde 2005 installiert. In den Jahren 2005–2014 wurden 137 Ersuchen an den jeweiligen Innenminister gestellt. Nur sechs, also 4% wurden abgelehnt.
Erst im Dezember hat Innenminister Schröter wieder ein Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt. Im Fall einer vierköpfigen albanischen Familie sprach sich die Kommission für ein Bleiberecht nach der Härtefallregelung (§23a AufentG) aus und richtete ein entsprechendes Ersuchen an den Innenminister. Der Familienvater befand sich in psychiatrischer Behandlung, die minderjährige Tochter wurde wegen einer schweren Angststörung psychotherapeutisch behandelt. Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst sah nach einer Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums die Gefahr der Kindeswohlgefährdung beim Ausbleiben oder Abbruch einer psychotherapeutischen Behandlung. Dennoch lehnte der Minister das Ersuchen der Kommission ab und setzte damit seine harte Linie fort.
Lang und sorgfältig debattierten Entscheidungen der Kommission, die einen humanitären Einzelfall begründen und auf Grundlage der verabschiedeten Härtefallkommissionsverordnung (HFKV) getroffen werden, misst der Innenminister keine Bedeutung bei. Stattdessen nimmt er nach eigenem Gutdünken eine Bewertung der Fälle vor und entscheidet nach persönlichem Maßstab. Damit spricht er der Kommission die Kompetenz ab und stellt zum wiederholten Mal ihre Arbeit und Funktion in Frage. Diese Entscheidungspraxis unterläuft eine bundesgesetzlich verankerte Regelung, die aus persönlichen und humanitären Gründen ein Bleiberecht ausdrücklich vorsieht.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg drängt darauf, dass wohlbedachte und sorgfältig getroffene Entscheidungen der Härtefallkommission durch den Innenminister gewürdigt werden. Seine Alleingänge und sachlich nicht gerechtfertigten Entscheidungen müssen ein Ende haben und dürfen nicht länger schweigend geduldet werden. Der Flüchtlingsrat sieht hier insbesondere auch den Koalitionspartner in der Pflicht.
Außerdem fordert der Flüchtlingsrat das Land auf, endlich entschiedener von bestehenden Bleiberechtsregelungen Gebrauch zu machen und der restriktiven Abschiebemaschinerie eine Absage zu erteilen.
Wir hoffen, dass es weiterhin Kräfte in der Landesregierung gibt, die sich den Prinzipien einer humanitären und menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik verpflichtet fühlen und die darauf hinwirken, dass sich Brandenburg nicht vor den Karren der neuen Abschiebekultur der Kanzlerin und des Bundesinnenministers spannen lässt.
Kontakt: Lotta Schwedler
schwedler@fluechtlingsrat-brandenburg.de, Tel.: 0176–21425057
Monat: Februar 2017
Am Dienstagabend führte die rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ eine Versammlung zum Gedenken an die Toten eines Luftangriffs auf die Stadt Dresden, während des Zweiten Weltkrieges, durch. An der Veranstaltung beteiligten sich ungefähr 20 Personen aus dem Landkreis Havelland sowie dem Land Berlin. Das sowohl historisch als auch grammatikalisch bedenkliche Motto der abendlichen Zusammenkunft lautete: „Im Zeichen an den deutschen Völkermord“. Weitere Schwierigkeiten bereitete dem „Bürgerbündnis“ offenbar die rechtschreiblich korrekte Darstellung des Wortes „Bomba®dierung“ in einer parallel zu einem Redebeitrag abgespielten Videopräsentation.
Der Dilettantismus der selbsternannten Erhalter der deutschen Kultur konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auf der Versammlung am Dienstagabend auch knallharter Geschichtsrevisionismus verbreitet wurde. Bereits der Vorsitzende der Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ eröffnete die Veranstaltung mit den Worten, dass diese ganz im „Zeichen des deutschen Völkermordes“ stehe. Daran anknüpfend hielt der mutmaßliche Chefideologe des Vereins, ein betagter Doktor, einen sehr persönlich gefärbten Redebeitrag zum Luftangriff auf die Stadt Dresden im Februar 1945. Dennoch bediente er sich auch der üblichen Argumente, die insbesondere Geschichtsrevisionisten nutzen, um die historische Schuld des Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu relativieren. Dabei bezweifelte der ältere Herr auch die von Historikern geschätzte Zahl der Todesopfer des Luftangriffs an. Vom Doktor wurden selber aber keine eigenen Zahlen benannt. Dies übernahm dann der Kassenwart der rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland e.V.“, bei seinem Redebeitrag am Ende der Versammlung. Er sprach von einem „Völkermord“ am deutschen Volk, bei dem ungefähr 300.000 Menschen zu „Staub“ zerfielen.
Komplettiert wurde die Rednerliste durch eine Abgesandte der Berliner Vereinigung „BÄRGIDA“. Diese äußerte sich zunächst ebenfalls zum Luftangriff auf Dresden, bevor sie, wie üblich, gegen die GRÜNEN, Gender-Mainstream und die Bundespolitik polemisierte sowie Schlussendlich zum Sturz der Bundesregierung aufrief.
Die Erinnerung an den Luftangriff auf Dresden und insbesondere die Kultivierung historisch längst widergelegter Opfermythen gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire von alten und neuen Nazis sowie Geschichtsrevisionisten. Ihnen allen ist gemein, dass sie versuchen die Zerstörung der Stadt als schweres Verbrechen gegen die Gräueltaten des NS Regimes aufzurechnen. Dabei ist der Boden für derartiges Gedankengut in Bezug auf die Stadt Dresden besonders fruchtbar, da viele Menschen, wider besserer Erkenntnisse aus der Forschung, nach wie vor daran glauben, dass während der Luftangriffe im Februar 1945 mehr als eine viertelmillion Menschen ums Leben gekommen seien. Dieser Irrglaube beruht aber tatsächlich auf einer Fälschung des NS Propagandaministeriums, bei welcher der offiziellen Anzahl der Toten einfach eine Null angehängt wurde.
Fotos: hier
Zwei Strafverfahren nach Angriffen auf einen Pressevertreter am Rande von PEGIDA-ähnlichen Versammlungen in Rathenow wurden jetzt durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt. Den Beschuldigten waren die Straftaten zwar im Wesentlichen nachgewiesen, aber aufgrund des geringen Schadens von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen worden. Komplett ohne Konsequenzen schieden die mutmaßlichen Täter jedoch nicht aus dem Strafverfahren aus. Beide müssen dreistellige Geldbeträge zahlen, damit die Einstellung auch tatsächlich rechtswirksam wird.
Strafverfolgungsbehörden ließen Milde walten
In einem Verfahren, welches am Dienstagnachmittag vor dem Amtsgericht Rathenow verhandelt wurde, sah es die Anklagevertretung beispielsweise als erwiesen an, dass der Angeklagte Hans-Joachim T. am 17. November 2015 während einer Auseinandersetzung am Rande einer Versammlung des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“ mutwillig ein Teil des Equipments eines Fotografen zerstört habe. Der „besorgte“ Bürger hatte nach der Kamera des Journalisten gegriffen und den Aufsteckblitz abgebrochen. Während das Kameragehäuse der rohen Gewalt trotzte, war der Blitz irreparabel beschädigt. Da sich der Angeklagte, nach der Eröffnung der Verhandlung und der Verlesung der Anklageschrift geständig zeigte und Schadenswiedergutmachung signalisierte, verfügte der Richter die vorläufige Einstellung des Verfahrens. Dem Angeklagten, ein ehemaliger Prokurist aus Hannover, der eigenen Angaben zufolge von Arbeitslosengeld II leben soll, wurde auferlegt, den entstanden, dreistelligen Schaden dem Geschädigten in fünf Raten zu erstatten. Erst danach sei die Einstellung auch rechtskräftig.
Ein zweites Verfahren wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gegen einen „besorgten“ Bürger aus Rathenow stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam bereits im Dezemberdes vergangenen Jahres gegen eine Geldauflage von 600,00 € ein. In diesem Fall soll der Beschuldigte Jens Harald R. während einer Versammlung des rechten „Bürgerbündnisses Havelland“am 23. Februar 2016 einen Fotografen mit einem Laserpointer geblendet haben. Das Tatwerkzeug wurde damals bei dem Beschuldigten festgestellt und durch die Polizei beschlagnahmt.
Feindbild „Lügenpresse“
Während sich die Strafverfahren hauptsächlich auf die direkt handelnden Personen, also auf den mutmaßlichen Täter und den Betroffenen, beschränkte und so das Bildnis eins Konfliktes zwischen zwei Einzelpersonen gezeichnet wurde, blieb der Gesamtkontext nur skizzenhaft.
Hinterfragt werden müsste eigentlich das gesamte Veranstaltungskonzept des Rathenower PEGIDA-Ablegers, indem sich die Angeklagten bewegten. Von Anfang an war dieses nämlich auf die Bündelung von Emotionen sowie auf die Fokussierung von bestimmten Feindbilder ausgelegt. Dazu kam die bewusste Entscheidung der Veranstalter für abendliche Versammlungen, mit einer so durch Dunkelheit anonymisierten Menschenansammlung. Dazu kamen verbalaggressive Redner, die durch bewusste Zuspitzung und Polemisierung, die Stimmung des Auditoriums zusätzlich anstachelten und bestehende Konflikte in der Gesellschaft noch weiter zuspitzten. Statt tragfähige Lösungen zu entwickeln wurde vielmehr nach Schuldigen am eigenen Elend gesucht und in bestimmten Feindbildern auch „gefunden“.
Neben dem Islam und Flüchtlingen war die Presse dabei sogar ein Hauptfeindbild der Veranstalter. Bei den aggressiven Redebeiträgen wurde sich auch nicht davor gescheut bewusst falsche Informationen zum Presserecht zu verbreiten oder Pressevertreter, unter dem Anfachen von „Lügenpresse“-Rufen, namentlich zu benennen.
Es war offensichtlich, dass damit indirekt dazu aufgefordert wurde, sich der Presse, diese als Auge der Welt mit Blickrichtung auf die höchst fragwürdigen Machenschaften des Rathenower PEGIDA-Ablegers, mit schlagkräftigen Argumenten zu entledigen. Dass dies in Ansätzen auch gelang, zeigten die beiden Strafverfahren.
Dass sich die Initiatoren des Rathenower PEGIDA-Ablegers für die höchstaggressive Stimmungsmache und die daraus resultierenden Angriffe ebenfalls verantworten müssen, gilt indes eher als unwahrscheinlich.
„Besorgte“ Bürger wegen Volksverhetzung anzuklagen dürfte vermutlich genauso schwierig sein, wie einzeln abgeurteilte Neonazis, die über einen bestimmten Zeitraum aus einer Gruppenstruktur mehrere schwere Straftaten, darunter auch eine Brandstiftung in Millionenhöhe, verübten, wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
An einer Versammlung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) beteiligten sich am Montagabend knapp 30 Personen. Die Versammlungsteilnehmer stammten hauptsächlich aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Havelland. Mit kurzen Redebeiträgen traten die Schweriner Stadtverordnete Petra Federau, der sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete Hans Thomas Tilschneider sowie der lokale AfD Patriarch Michael Nehls auf.
Eigentliche Hauptrednerin war aber die aus Neumarkt (Bayern) stammende Rechtsaktivistin Ester Seitz. Ihr Thema waren die Ereignisse um den 13. Februar 1945 in Dresden (Sachsen). Kern ihrer diesbezüglichen Rede war eine Kritik an der derzeitigen Erinnerungskultur zum Luftangriff der Alliierten auf die Stadt, während des Zweiten Weltkrieges. Insbesondere polemisierte Seitz gegen ein vor kurzem auf dem Dresdener Neumarkt errichtetes Kunstprojekt zur Erinnerung an die Toten des syrischen Bürgerkrieges. Sie sprach in diesem Zusammenhang auch von „Volksverrat“. Man solle doch lieber die „deutschen Opfer“ ehren.
Die durch die PEGIDA-Bewegung politisierte Frau gilt als Anführerin der rechten Gruppierung „Widerstand Ost West“. Sie ist momentan Dauergast bei PEGIDA-ähnlichen rechten und rechtspopulistischen Versammlungen im gesamten Bundesgebiet. Im Mai 2016 war Seitz sogar Gastrednerin auf dem Parteitag der neonazistischen Partei „DIE RECHTE“.
Fotos: hier
In der vergangenen Woche veröffentlichten die „Patrioten Cottbus“ auf ihrem Socialmedia-Profil ein einminütiges Video, in dem Akteure der Gruppe „heldenhaft“ eine Parole auf eine Mauer sprühten. Das Filmdokument (https://www.facebook.com/1801007430170823/videos/1876720775932821/)zeigt die Aktion aus der Täterperspektive und hat mittlerweile ungefähr 22.000 Aufrufe. Allerdings dürfte dies weniger an der äußerst unspektakulären Aktion ansich liegen, sondern eher an der unfreiwilligen Slapstick der unbekannten Akteure. Entsprechend humorvoll gestalteten sich die meisten Reaktionen in der Kommentarspalte. Wohl auch, weil die Veröffentlichung des Videos im Socialmedia mit äußerst unpatriotischer Rechtschreibung („Patrioten Deutschland hat wie ein Zeichen gesetzt!!!“) unterlegt war.
Rathenow statt Cottbus-Sandow
Doch nicht nur der eher peinliche Filmdreh und das ambivalente Verhältnis zur deutschen Sprache gerieten zum Mega-Fail der selbsternannten „Patrioten Cottbus“, sondern auch der vermeintliche Aktionsort. Denn die Mauer, die besprüht wurde, befindet sich gar nicht, wie angegeben, in Cottbus-Sandow, sondern vielmehr in der havelländischen Kreisstadt Rathenow. Die Einfriedung gehört zum Rathaus in der Berliner Straße. Und auch der auf der Mauer gesprühte Slogan: „Merkel muss weg und Seger – Scheiss Asyl“ (Rechtschreibung im Original) hat eher eine Schnittstelle zur Lokalpolitik in Rathenow, als in Cottbus. Mit „Seger“ dürfte nämlich der Rathenower Bürgermeister Ronald Seeger (CDU) gemeint sein, der im benachbarten Rathaus sein Amt ausübt.
Verbindungen zu ähnlichen Sprühaktionen
Es ist übrigens nicht das erste mal, dass Parolen mit dem Slogan „Merkel muss Weg“ im Raum Rathenow angebracht wurden. Unbekannte hatten diese Parole dort bisher an mindestens 21 Stellen, vor allem auf Ausfallstraßen aus der Stadt, angebracht. Auch bei diesen Slogans war die „alternative“ Rechtschreibvariante markant. Gefasst wurden der oder die Täter bisher jedoch noch nicht. Erste Reinigungsmaßnahmen der Straßenmeisterei sollen, nach Angaben der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 29. Juli 2016, jedoch bereits ca. 4.000,00 Euro verschlungen haben.
Rathenower Fußballfan als Hauptakteur
Als Hauptakteur der „Patrioten Cottbus“ gilt der Selbstständige Lutz M. aus Rathenow. Er bekennt sich durch das Tragen von entsprechenden Kleidungsaufdrucken zu dieser Gruppe bzw ist auf mehreren Fotos, die auf deren Socialmedia-Profil verbreitet werden, in eindeutigen Posen zu sehen. Ferner veranstaltete M. am 15. Oktober 2016 mit 34 weiteren Gesinnungsgenossen eine Versammlung der „Patrioten Cottbus“ in Cottbus. Eine weitere Veranstaltung sei in Planung.
M. wurde in Rathenow vor allem durch das hier seit Oktober 2015 auftretende rechte „Bürgerbündnis Havelland“ politisch geprägt. Bis zum Frühjahr 2016 nahm er an nahezu jeder Versammlung dieser inzwischen zu einem Verein gewachsenen Gruppierung teil. Mehrfach trug M. dabei das Frontbanner des „Bürgerbündnisses Havelland“, immer erkennbar an der Mütze mit dem Aufdruck einer bekannten Cottbusser Fußballmannschaft. Dies scheint übrigens auch seine persönliche Hauptverbindung zur Stadt Cottbus zu sein. Eine weitere existierte zeitweise über eine jetzt in Berlin aktive Cottbusserin im BÄRGIDA Umfeld.
Auch wenn er in Rathenow, u.a. aufgrund seiner peinlichen Live-Berichterstattungen aus der Küche, überhaupt nicht ernst genommen wird und selbst im eigenen Milieu viel Häme einstecken muss, ist bei M.seit geraumer Zeit eine stetige Radikalisierung festzustellen. Gerne tritt er im Stadtgebiet vermummt auf, pöbelt und droht oder posiert auf einem Socialmedia-Bildnis mit einer Schusswaffe.Auf letzt genanntem Foto ist M. übrigens mit einem Pullover gekleidet, dessen markanter Aufdruck auch in der Anfangssequenz des eingangs erwähnten Videos zu erkennen ist.
Seit 2010 versucht die NPD die Bombardierung der Stadt Cottbus am 15.02.1945 für ihre geschichtsrevisionistische Propaganda zu missbrauchen und dabei die Täter-Opfer-Rollen auszutauschen. Doch nachdem ihre Aufmärsche durch zivilen Ungehorsam unterbrochen, verkürzt und blockiert wurden, haben sie sich in den letzten beiden Jahren zu einer Kundgebung zurückgezogen. In diesem Jahr haben sie ihre Anmeldung sogar ganz abgesagt.
Für uns ist das jedoch nur ein Zwischenerfolg. Denn obwohl die NPD in Cottbus an Bedeutung verloren hat, gibt es andere rechte Bewegungen, die in den Straßen Angst und Terror verbreiten. Sei es durch Hetzreden auf Demonstrationen der AfD, mit martialischen Aufmärschen oder mit direkter
Gewalt.
Mit dem Wahlerfolg der AfD und den Protesten der „Besorgten Bürger“ gegen Flüchtlingsheime entsteht eine Stimmung gegen eine offene und plurale Gesellschaft. Opfer sind häufig Migrant*innen (oder wer dafür gehalten wird), aber auch alle anderen Personen die nicht in ihre völkisch-nationale Ideologie passen. Auch hier in Cottbus versuchen Nazi-Gruppen die Straßen zu dominieren. Sie fühlen sich durch neurechte
Propaganda dazu legitimiert.
Grade in dieser schweren Zeit ist es wichtig zusammenzuhalten und solidarisch miteinander umzugehen. Viele Cottbusser*innen tun dies bereits indem sie sich auf unterschiedliche Weise für ein friedliches und respektvolles Miteinander engagieren.
Am 15.02.17 um 16.30 Uhr treffen wir uns am Hauptgebäude der Universität zu einer lauten und vielfältigen Demonstration. Wir ziehen gemeinsam ins Zentrum der Stadt und vereinen uns dort mit der zweiten Demonstration vom “Cottbuser Aufbruch”.
Lasst uns für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle Menschen gleichberechtigt und ohne Angst miteinander leben können. Denn wir wissen: Sowas kommt von sowas. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!
Im Strafprozess gegen den Nauener NPD Stadtverordneten Maik Schneider und fünf seiner Komplizen verkündete das Landgericht Potsdam am Donnerstagnachmittag die Urteile. Den sechs Angeklagten wurden insgesamt sieben Delikte vorgeworfen, die sie in unterschiedlicher Konstellation verübt haben sollen. In der Beweisaufnahme nachgewiesen konnten jedoch nicht alle Straftaten. Die schwerste Straftat, ein Brandanschlag auf eine als Flüchtlingsnotunterkunft bereitgestellte Sporthalle in Nauen (Landkreis Havelland), konnte aber immerhin fünf der sechs Angeklagten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Das Gericht verhängte Freiheitsstrafen zwischen 8 Monaten bis neuneinhalb Jahren. Bei vier der Angeklagten wurde die Gefängnisstrafe jedoch zur Bewährung ausgesetzt.
Trotz des vergleichsweise harten Urteils gegen die beiden Haupttäter, bleiben jedoch viele Fragen offen. Beispielsweise wie groß das Netzwerk der Helfer und klammheimlichen Unterstützer tatsächlich war.
Außerdem ist eine politische Aufarbeitung des Gesamtkomplexes Nauen außerhalb des Kriminalverfahrens bisher nicht erkennbar. Doch genau das erscheint dringend notwendig. Schließlich wurden hier Politakteure verurteilt, die sich durch ihr Handeln, insbesondere im Hinblick auf die Niederbrennung einer fertigen Flüchtlingsnotunterkunft, an die Spitze einer breiten Protestbewegung, die von der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft bis an den extrem rechten Rand der Gesellschaft reichte, gesetzt haben.
Harte Einzelurteile, Straffreiheit als Organisation
Im Zentrum der Anklage der Staatsanwaltschaft stand der 29 jährige NPD Stadtverordnete Maik Schneider, der bereits seit spätestens 2006 im Neonazimilieu aktiv ist. Ihm konnte das Gericht Nötigung, Sachbeschädigung, Beihilfe zur Brandstiftung und gemeinschaftliche Brandstiftung nachweisen. Urteil: 9 Jahre und 6 Monate Haft.
Dem ebenfalls 29 Jährigen Dennis W. konnte Brandstiftung, Sachbeschädigung sowie gemeinschaftliche Brandstiftung nachgewiesen werden. Er gilt neben Schneider als Haupttäter unter den Angeklagten. Urteil: 7 Jahre Haft.
Milde zeigte das Landgericht jedoch bereits bei dem 27 Jährigen Christopher L, der seit spätestens 2011 im Neonazimilieu aktiv ist. Er wurde zwar der Sachbeschädigung und der Beihilfe zur Brandstiftung für schuldig befunden, erhielt jedoch wegen seiner Einlassung und der angeblichen Distanzierung vom Neonazimilieu mildernde Umstände. Urteil: 1 Jahr und 8 Monate Haft, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung.
Außerdem nicht in Haft müssen die beiden Angeklagten Sebastian F. (33) und Christian B. (32). Sie wurden zwar der Beihilfe zur Brandstiftung überführt, sollen aber ebenfalls durch Geständnisse zur Aufklärung der Tat beigetragen haben. Urteil F: 1 Jahr und 3 Monate, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung. Urteil B: 1 Jahr und 6 Monate, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung.
Ebenfalls mit einer Haftstrafe auf Bewährung kam der 30 Jährige Thomas Frank E., der seit spätestens 2003 im Neonazimilieu aktiv ist, davon. Ihm konnte nur Sachbeschädigung nachgewiesen werden. Urteil: 8 Monate, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung.
Bereits schon während des Prozesses fallengelassen wurde der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Er wurde allen Angeklagten gleichermaßen zur Last gelegt, speziell aber Schneider als Rädelsführer hervorgehoben. Der polizeiliche Staatsschutz hatte sogar ursprünglich wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, wurde jedoch durch Generalbundesanwalt ausgebremst, der in den Straftaten der sechs Männer keine menschengefährdende Tathandlungen erkennen wollte. Das endgültige Aus für den Gruppenanklagepunkt kam dann während des Prozesses. Die Staatsanwaltschaft stellte diesen nun in „Bildung einer kriminelle Vereinigung“ abgeschwächten Strafvorwurf aus „prozessökonomischen Gründen“ ein.
Taten statt Worte
Für eine konkrete Verbindung zwischen den Angeklagten sollen zumindest gemeinsame Verabredungen in einer eigenen Kurznachrichtendienst-Gruppe im mobilen Netz belegbar gewesen sein. In der virtuellen Austauschplattform mit dem Namen „Heimat im Herzen“ kamen wohl auch die vor Gericht verhandelten Straftaten zur Sprache.
Insgesamt ordnete die Staatsanwaltschaft der Gruppe der Angeklagten ursprünglich sieben Straftaten zu:
- Am 12. Februar 2015 soll Maik Schneider eine Stadtverordnetenversammlung, die auf dem Gelände des evangelischen Gemeindezentrums Nauen stattfand, durch Rufen von ausländerfeindlichen Parolen so gestört haben, dass die Sitzung aus Angst vor weiterer Eskalation abgebrochen wurde.
- Am 17. Mai 2015 soll Dennis W. aufgrund eines zuvor gefassten Plans mit Maik Schneider mit einer Axt eine Scheibe des Fahrzeugs des Geschädigten K. eingeschlagen und das Fahrzeug später mittels einer Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben, was der Maik Schneider beobachten haben soll.
- Am 1. Juni 2015 soll Dennis W. gemäß dem Willen der Gruppe eine Zylinderbombe vor einer LIDL – Filiale in Nauen gezündet haben, wodurch ein Sachstanden in Höhe von mehr als 9.000,00 € an dem Gebäude entstand.
- Im Zeitraum Ende Mai/Anfang Juni 2015 soll Maik Schneider den Christopher L. beauftragt haben, das Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Farbbeuteln zu bewerfen. Christopher L. und Thomas Frank E. sollen dies sodann in die Tat umgesetzt haben, wodurch an der Fassade des Hauses ein Schaden in Höhe von ca. 6.000,00 € entstanden ist.
- Dennis W. soll zudem am 9. Juni 2015 in Wahrnehmung des Gruppenwillens das Türschloss und das Briefkastenschloss zu dem Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Sekundenkleber verklebt haben, wodurch diese unbrauchbar wurden.
- Christopher L. soll zudem in der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 2015 in Entsprechung des Gruppenwillens auf die Baustelle für ein neues Übergangsheim am Waldemardamm, wo er die Dixi-Toilette mittels Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben soll.
- Den Angeklagten Maik Schneider, Dennis W., Christian B. und Sebastian F. – Letzterer soll zumindest als Mitglied einer Kurznachrichtendienst-Gruppe insoweit eingebunden gewesen sein – wurde schließlich vorgeworfen, in der Nacht vom 24. zum 25. August 2015 eine Sporthalle des OSZ Nauen, die als Notunterkunft für Flüchtlinge vorgesehen war, durch das Anzünden davor gelagerter Materialien in Brand gesetzt zu haben, wodurch die Sporthalle vollständig zerstört wurde und ein Sachschaden von ca.3.500.000,00 € entstand. Die Angeklagten Christian B., Christopher L. und Thomas Frank E. sollen bei der Tat „Schmiere“ gestanden haben.
Die Vollstrecker des „Volkswillens“
Wenig Beachtung während des Prozesses fand hingegen die gesellschaftspolitische Situation aus der die Angeklagten handelten und was sie dazu befähigte in dieser Lage als entscheidende Politakteure aufzutreten.
Die einzelnen Straftaten stehen nämlich durchaus im Zusammenhang mit der sehr kontrovers geführten gesamtgesellschaftlichen Debatte zur Flüchtlingspolitik.
Bereits Anfang 2013 sah die Brandenburger NPD, für die beispielsweise auch der Angeklagte Maik Schneider seit 2008 in zwei Kommunalparlamenten saß, in den steigenden Flüchtlingszahlen einen willkommenden Anlass sich stärker gegen die Asylsuchende bzw deren Unterbringung im Land zu engagieren. Im Rahmen eines Entschließungsantrages auf dem Landesparteitag der Partei im März 2013 wurde u.a. die „Streichung des einklagbaren Rechts auf Asyl“ gefordert. Wenig später wurden so genannte „Nein zum Heim“ – Internetseiten freigeschaltet, die schon bald die gewünschte Reaktion erzielten.
Ein frühes Beispiel für Stimmungsmache mit Konzept und entsprechendem Ergebnis war die Stadt Premnitz (ebenfalls Landkreis Havelland). Hier sollte eine ehemalige Förderschule zu einer Flüchtlingsunterkunft ausgebaut werden. Schon bald nach dem Erscheinen der „Nein zum Heim“ – Seite mit täglich nahezu neuen Artikeln, die ein einseitiges Bildnis von Flüchtlingen präsentierte, entwickelte sich eine lebhafte Diskussion um das Heim und dessen künftige Bewohner. Die NPD marschierte sogar Anfang September 2013 vor der künftigen Unterkunft auf, um ihr flüchtlingsfeindliches Ansinnen zu unterstreichen. Wenige Tage später folgte schließlich ein Brandanschlag durch Heimgegner. Dieser verursachte allerdings nur geringfügigen Schaden im Eingangsbereich und verhinderte den Bezug der Unterkunft nicht. Dennoch war das erste Zeichen im Havelland gesetzt worden: Flüchtlinge sollten hier nicht willkommen sein.
Ein weiteres sollte knapp zwei Jahre später in Nauen folgen. Dort hatte sich nämlich die Stadtverwaltung seit Ende des Jahres 2014 dazu bekannt, Flüchtlingen im Stadtgebiet Asyl zu gewähren. Kurze Zeit später wurde im Socialmedia auch für Nauen eine lokale „Nein zum Heim“- Seite mit täglichen Hetzartikeln freigeschaltet.
Darüber hinaus hatte sich der Ton der gesamtgesellschaftlichen Debatte zum Thema Flüchtlinge innerhalb des Jahres 2014 deutlich verschärft.
Die bundesweit beachtete PEGIDA-Bewegung in Sachsen trat erstmals mit Veranstaltungen auf und schuf eine Mischszene, in der sich konservatives Bürgertum, gemäßigte und extreme Rechte vermengten. Zunächst als Bewegung „Patriotischer Europäer“ gegen eine vermeintliche „Islamisierung“ gestartet, waren alsbald auch die steigenden Flüchtlingszahlen Thema von PEGIDA-Versammlungen. Anfang 2015 liefen bereits tausende bei dieser selbsternannten Volksbewegung in ihrem Hauptwirkungsort Dresden mit. PEGIDA wurde daraufhin auch bundesweit wahrgenommen und strahlte entsprechend in andere Bundesländer aus.
Auch in Nauen wurde die neue Bewegung aus Sachsen beachtet. Eine kurzzeitig im Socialmedia existente Internetseite mit dem Titel „PEGIDA Nauen“ entfaltete jedoch kaum Aktivitäten. Stattdessen gelang es wiederum der NPD, vor allem in Person des Angeklagten Maik Schneiders, an den PEGIDA-Hype anzuknüpfen und mit einer klar flüchtlingsfeindlicher Programmatik eine Protestbewegung zu initiieren, die lokal erstmals auch vermeintlich bürgerliche Bevölkerungsschichten erreichte.
Konkretes Ziel der Proteste war die Verhinderung des Neubaus einer Flüchtlingsunterkunft in Nauen bzw zunächst die Sabotierung des Verkaufs eines dafür notwendigen Grundstücks durch die Stadt an den Landkreis. Massiv mobilisierte „Nein zum Heim“ deshalb für eine Stadtverordnetenversammlung am 12. Februar 2015. „Ganz Nauen“ sollte erscheinen, um die Stadtverordneten am Verkauf des Grundstücks zu verhindern. Tatsächlich kamen ungefähr 150 Heimgegner, von denen sich 100 im Saal postierten und 50 vor den Saalfenstern. Schnell kam es zu Tumulten, deren offensichtliches Ziel es war, die Versammlung zu sprengen. Herausragend dabei war der Angeklagte Maik Schneider, der in dieser aufgeheizten Situation ein flüchtlingsfeindliches Banner zeigte. Auch die Angeklagten Dennis W., Christopher L. und Christian B. waren, wie Fotos beweisen, bei den Tumulten zumindest anwesend. Die Polizei musste schließlich einschreiten und Saal sowie Grundstück räumen. Der Verkauf des Grundstücks durch die Stadt an den Landkreis wurde jedoch dadurch nicht verhindert, ebenso wie der spätere Bau des Heimes.
Dennoch versuchte die Nauener „Nein zum Heim“-Bewegung durch weitere Aktionen den Bau der Unterkunft zu verhindern. In der Öffentlichkeit wurde dabei in der Regel auf demokratisch legitimierte Handlungen gesetzt. Unterschriften wurden gesammelt und Versammlungen durchgeführt, an der sich auch alle Angeklagten beteiligten. Insbesondere Maik Schneider, Dennis W., Christopher L., Thomas Frank E. und Christian B. nahmen mehrfach an derartigen Veranstaltungen teil, Sebastian F. mindestens einmal.
Ob sich die Angeklagten in diesem Rahmen zu einer kriminellen Vereinigung zusammenfanden und aus diesem Kontext Straftaten verübten, blieb jedoch ungeklärt, da die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren eben einstellte. Nachgewiesen wurde dem Großteil der Beschuldigten jedoch, in unterschiedlicher Konstellation sechs der sieben angeklagten Straftatbestände, die offensichtlich im Kontext der „Nein zum Heim“-Bewegung begangen wurden, ausgeführt zu haben. Insbesondere der schwere Brandanschlag auf die als Flüchtlingsnotunterkunft bereitgestellte Sporthalle des OSZ Havelland in Nauen konnte gerichtlich weitgehend aufgeklärt werden. Ein durchaus wichtiger Punkt, denn gerade durch diese schwere Straftat, sollte nach Auffassung des Landgerichtes, das entscheidende Zeichen in Richtung Flüchtlinge gesetzt werden, nämlich das diese (auch) „hier nicht willkommen“ seien.
Völlig offen bleibt hingegen wer die anderen, nicht zur Anklage gebracht Delikte, wie Aufrufe zu Straftaten, Sachbeschädigung oder eine weitere Brandstiftung begangen hat und wie groß die Zahl der Unterstützer und Helfer war.
Dunkelfeld Nauen
Ebenfalls bislang noch nicht erschöpfend hinterfragt wurde die Rolle der NPD als Impuls der Anti-Asyl-Kampagne ab 2013 und das Wirken ihrer Funktionäre. Immerhin waren anlässlich der flüchtlingsfeindlichen Aktionen und Versammlungen von Februar bis Juni 2015 sowohl einfache Parteimitglieder als auch Mandatsträger aus dem gesamten Havelland, den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Teltow-Fläming und Oder-Spree sowie aus Berlin nach Nauen gereist.
Nicht geklärt ist die Rolle der „Freien Kräfte Neuruppin-Osthavelland“, die zwischen März und Juli 2015 ebenfalls mit drei eigenen Versammlung, zwei Kundgebungen und eine Demonstration, mit ausländerfeindlichen Themen Flagge in Nauen zeigten.
Unklar bleibt, in wie fern die verbotene terroristische Vereinigung „Freikorps Havelland“, die in den Jahren 2003 bis 2004 mehrere Imbisse ausländischer Gastarbeiter niederbrannte, noch aktiv ist. Immerhin verband Maik Schneider auch eine langjährige Freundschaft mit Freikorps-Anführer Christopher H. Beide wurdenbeispielsweise Anfang des Jahres 2013 wegen Hakenkreuzschmierereien in Jüterbog (Landkreis Teltow-Fläming) verurteilt. Daneben nahmen sie über Jahre gemeinsam an Neonaziveranstaltungen, beispielsweise am 1. September 2007 in Neuruppin, am 1. September 2012 in Velten und am 23. November 2013 in Bad Belzig teil. Eine weitere Verbindung zum „Freikorps Havelland“ ergibt sich durch den Angeklagten Thomas Frank E. Er wurde sogar wegen der Mitgliedschaft in dieser terroristischen Vereinigung verurteilt.
Es ist soweit, die AfD Elbe-Elster will am 16.02.2017 ihre einst verschobene Demonstration gegen „Extremismus und Gewalt“ in Finsterwalde nachholen. Ihren Aufzug und die Wahl ihres Themas werten wir als klare Provokation gegen die antifaschistischen Strukturen in Finsterwalde. Wie schon bekannt ist, haben Rassisten und rechte Strukturen in der linksgeprägten Stadt Finsterwalde aufgrund massiver und zahlreicher Gegenwehr kaum eine Chance Fuß zu fassen!
Die AfD versucht regelmäßig durch ihre Stammtische ihre rassistische Hetze zu verbreiten und durch die Eröffnung ihres Büros letztendlich ein Standbein in der Stadt zu bekommen. Wenige Stunden nach ihrer Eröffnung wurde der AfD klar gemacht, dass sie hier nicht erwünscht sind und ihre Eröffnung des Büros nicht ohne Folgen bleiben wird. Nach mehrmaligen Angriffen auf ihre Schaufenster, versucht die AfD jetzt mit dieser Demonstration die Bürger von Finsterwalde gegen die linken Strukturen aufzubringen. Wir werden nicht zulassen, dass die AfD sämtliche linke Strukturen in die Extremismusschiene stecken!
Wir rufen euch alle auf, kommt am Donnerstag den 16.02.2017 um 18:30Uhr in den Stadtpark Finsterwalde, um gemeinsam die Demonastration der AfD zu verhindern!
Finsterwalde ist und bleibt ROT! Rassisten und Nazis aus der Stadt jagen!
Am 20. Februar jährt sich der Todestag des alternativen Jugendlichen Sven Beuter zum 21. Mal. Er wurde in der Nacht des 15. Februar von einem bis heute bekennenden Neonazi derart schwer zusammengeschlagen, dass er fünf Tage später seinen Verletzungen erlag. Im vergangenen Jahr organisierten wir eine überregionale antifaschistische Gedenkdemonstration mit circa 250 Teilnehmer_innen. Wir zogen lautstark durch Brandenburg an der Havel und machten deutlich, dass wir weder Sven Beuter vergessen noch den verurteilten Totschläger Sacha L. vergeben werden. L. nimmt bis heute regelmäßig an neonazistischen Demonstrationen und Kundgebung in der ganzen Bundesrepublik teil und provozierte gemeinsam mit anderen Neonazis wiederholt Teilnehmer_innen der Gedenkveranstaltungen*.
In diesem Jahr haben wir uns nach reiflicher Diskussion dafür entschieden keine Demonstration oder eine von Redebeiträgen durchzogene Kundgebung abzuhalten, denn diese würden sich inhaltlich wiederholen, denn wir alle wissen, warum Sven Beuter sterben musste: Er passte nicht in das neonazistische Weltbild des Täters. Er entschied sich für einen eigenen Lebensweg, färbte sich seine Haare bunt, liebte Punk- sowie Metallmusik und war regelmäßiger Gast in dem ehemals besetzen Haus in der Klosterstraße.
Wir haben uns daher entschlossen uns am 20. Februar um 19 Uhr an der Gedenkplatte zu treffen und an ihn zu erinnern. Ziel ist es gemeinsam ins Gespräch zu kommen, mit alten Weggefährt_innen, mit jungen Antifaschist_innen, mit Passant_innen, um sich auszutauschen und eben jenen Menschen die Möglichkeit zu geben sich zu äußern, die sich nicht trauen einen Redebeitrag zu halten. Des Weiteren kann so jede_r Teilnehmer_in auf seine_ihre Weise Sven Beuter gedenken. Dies ist auch für uns ein Versuch, das Gedenken weiter zu entwickeln. Während wir im vergangenen Jahr Parallelen zu den 1990er Jahren zogen, in denen der Totschlag einen Wendepunkt markierte, gilt es nun in die Zukunft zu schauen und neue Konzept zu entwickeln, wie wir uns mit den erstarkenden bürgerlichen Rassist_innen und Neonazis auseinandersetzen, wir Übergriffen auf antifaschistische Strukturen und geflüchtete Menschen begegnen.
Wir werden Sven Beuter niemals vergessen, denn sein Leben erinnert uns daran, wohin die neonazistische Ideologie führt – zum Mord an Menschen!
Wir werden Sascha L. niemals vergeben, denn wer nicht bereut und stattdessen sein Opfer verhöhnt verdient keine Vergebung!
+++ Treffpunkt: 20. Februar 2017 – 19 Uhr – Havelstraße 15 +++
* Da auch in diesem Jahr mit Provokationen durch die örtliche Neonaziszene zu rechnen ist, solltet ihr die Augen offen halten und entstehende Handlungsspielräume effektiv nutzen.
Am Dienstagabend beteiligten sich an einer Versammlung der rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ ungefähr 25 Personen. Diese stammten aus dem Umfeld des Vereins, dem Berliner BÄRGIDA e.V. sowie der Gruppierung „N.S Havelland“.
Die Veranstaltung wurde nach dem üblichen Modus abgehalten. Es wurden vier Redebeiträge zu den PEGIDA-Themen gehalten und dazwischen einzelne Propagandavideos gezeigt.
Der Vereinsvorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland“ solidarisierte sich in seinem Statement jedoch auch mit dem umstrittenen Thüringer AfD Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke und dessen Dresdener Rede, in dem das Berliner Denkmal für ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ im Herzen der Hauptstadt bezeichnet wurde.
Zu einem kurzen Tumult kam es dann gegen Ende der Veranstaltung. Ein angeblich betrunkener Mann wollte ein Angebot des „Bürgerbündnisses“ zum Dialog wahrnehmen. Da er aber anscheinend alkoholisiert war, wurde ihm das zunächst zugesicherte Rederecht verwehrt. Es kam zu Handgreiflichkeiten, welche die kurzzeitige, polizeiliche Festsetzung des Mannes zur Folge hatte.
Offenbar ebenfalls alkoholisiert traten drei bekannte Sympathisanten der Gruppierung „N.S Havelland“ auf. Sie zeigten sich mit einer schwarzen Fahne und skandierten Neonaziparolen. Nach der Beendigung der Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ versammelten sich die Drei und eine weitere Person an der Rathenower Hauptkreuzung, betranken sich und grölten wiederum Parolen des neonazistischen Milieus.
Fotos: hier