Neonazis und Rassisten tragen massiv zur Unsicherheit und zur Gewalt in der Cottbusser Innenstadt bei. Dies wurde erneut am Dienstagabend (13. Juni) in furchtbarer Brutalität deutlich. Unmittelbar nach Abschluss der Demonstration des neurechten Vereins „Zukunft Heimat“ kam es zu mindestens zwei rechten Angriffen. Die Attacken richteten sich gegen Personen, die zuvor am Rande gewagt hatten, ihrem Unmut über die Demonstration verbal Ausdruck zu verleihen.
– Eine Frau wurde auf dem Heimweg in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße/Höhe Puschkinpark von zwei vermummten Personen vom Fahrrad geprügelt und im Gesicht verletzt. Sie musste im Krankenhaus behandelt werden, eine Platzwunde wurde genäht. Die Polizei erwähnt diesen Angriff in einer Mitteilung, verschweigt allerdings den Zusammenhang mit der Demonstration. https://polizei.brandenburg.de/…/koerperverletzung‑z…/656331
– Ein Ehepaar beobachtete in der Sandowerstraße die in Richtung Altmarkt vorbeiziehende Demonstration vom Rande her. Kurze Zeit später kamen aus Richtung des Marktes vier Personen auf das Paar zu. Eine der Personen bespritzte die Eheleute mit Wasser. Ein anderer Mann ging auf die Frau los. Der Ehemann versuchte seine Frau zu schützen; daraufhin wurde ihm gegen den Kopf geschlagen. Er ging zu Boden und riss sich dabei den Ellenbogen auf. Auch er musste im Krankenhaus behandelt werden. Ein beiden Fällen wurde Anzeige erstattet.
Mit völkischen und rassistischen Reden hatten „Zukunft Heimat“-Funktionäre wie Christoph Berndt und Anne Haberstroh zuvor die Stimmung angeheizt. Die dabei eingestreute Beteuerung, dass „Zukunft Heimat“ ihre rechtsradikalen politischen Ziele „mit friedlichen Mitteln“ erreichen will, entpuppte sich nicht erst durch die dann folgenden Übergriffe als hohle Phrase. Denn schon an der Demonstration selbst nahmen zahlreiche Personen aus gewaltgeneigten Fußballmilieus und Neonazis teil. Eine Personengruppe war mit einheitlichen T‑Shirts (Aufdruck: Schlagringe, „Anti-Antifa“) und teilweise mit Schutzkleidung ausgestattet.
„Zukunft Heimat“ hat weitere Demonstrationen in Cottbus angekündigt, die erneut in Kooperation mit der Dresdener „Pegida“ organisiert werden sollen. „Zukunft Heimat“ ist zudem aufs engste verquickt mit der AfD. Der Aufmarsch am 13. Juni war der zweite nach einer Auftaktdemonstration im Mai.
Luise Meyer, Sprecherin von Cottbus Nazifrei!: „Zukunft Heimat ist kein harmloser Bürgerverein. Es ist eine rechtsradikale Kampagnenorganisation, die das Klima in unserer Stadt gezielt vergiftet. Menschen werden angegriffen und niedergeschlagen, nur weil sie sich am Rande der Zukunft-Heimat-Demo gegen Rassismus geäußert hatten. Ein trauriger Fakt: Cottbus ist nicht sicher für Menschen, die von Rassismus betroffen sind und für solche, die sich gegen Neonazis positionieren. Seit mehreren Jahren sind die Zahlen rechter und rassistischer Gewalt in Cottbus hoch.“
Jahr: 2017
Islamfeindliche Demo in Bernau
INFORIOT – Am Mittwochabend demonstrierten etwa 80 Neonazis unter dem Motto „gegen die schleichende Islamisierung“ in Bernau. Hintergrund ist das Bekanntwerden der letzten Woche, dass der örtliche muslimischen Verein Gebetsräume im Bernauer Stadtteil Süd einrichten will. Die NPD griff das Thema auf und behauptete, dass nun eine Moschee in Bernau errichtet werden solle. Die Demonstration führte vom Bernauer Bahnhofsvorplatz bis in das Neubauviertel Süd, in dem inzwischen viele Geflüchtete leben und wo die Gebetsräume eingerichtet werden sollen. Die Demonstration, die erst kurzfristig bekannt wurde, wurde von lautstarkem Gegenprotest begleitet. Insgesamt 100 Menschen, darunter auch junge Geflüchtete, beteiligten sich an Kundgebungen am Bahnhofsvorplatz, am Markt in der Innenstadt sowie an Protesten am Rande der Neonazidemonstration. Auch einen Blockadeversuch gab es.

Veranstaltet und unterstützt wurde die Demonstration durch die lokale NPD Struktur, zusammen mit AktivistInnen der Pankower NPD sowie der Bernauer „Barnimer Freundschaft“. Unter den DemonstrantInnen befanden sich zahlreiche bekannte Neonazis aus der Region. Obwohl nicht offiziell durch die NPD aufgerufen worden war, zeichnet sich durch das Fronttransparent und Redner wie Sebastian Schmidtke, ehemaliger Berliner NPD-Landeschef, deutlich die Verortung der Demonstration in der neonazistischen Szene ab. Zwar waren auch AfD-Politiker wie der Boxtrainer Hans Link zugegen. Link hielt jedoch Abstand von der Demonstration und zeigte seine Sympathie für das Anliegen der NPD in Gesprächen mit Anwohner_innen.
Mit der Ankündigung der Gebetsräume hat die NPD nun ein Thema gefunden, welches sie als Anlass für ihre Asylfeindlichkeit und vor allem ihren antimuslimischen Rassismus nutzen kann. Redner Schmidtke wetterte gegen Geflüchtete und titulierte die Gebetsräume als „Terrorzelle“. Er kündigte weitere Aktionen in der Region an.


An den Gegenprotesten beteiligten sich neben zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Aktiven auch junge Geflüchtete. Der Polizei, die mit einem relativ großen Aufgebot die Neonazidemonstration begleitete, fehlte jedoch die Sensibilität für die Gefährdung der vor allem sehr jungen Geflüchteten. So wurden etwa die Neonazis unmittelbar an diesen vorbeigeführt, was die Neonazis zu verbalen Ausbrüchen und Drohgebärden veranlasste. Zu Verletzten kam es nicht.

„Niemand ist vergessen“
Kommt am 01.07.2017 nach Neuruppin und unterstützt unsere Demonstration! Eine Gedenktafel ist nicht genug!
Am 01. Juli 1992 wurde im Neuruppiner Rosengarten der 50-jährige Emil Wendland von einer Gruppe Neonazis ermordet. Die Täter wollten einen „Assi klatschen“. Nachdem Sie ihn brutal misshandelten, stach der 21-jährige Haupttäter 7 Mal auf den bereits Bewusstlosen ein und töte ihn so.
Am 1. Juli 2017 rufen wir erneut zum Gedenken an den Mord von Emil Wendland auf. In der Nacht zum 1. Juli 1992 überfielen nach einem Saufgelage Naziskinheads den schlafenden, damals wohnungslosen Wendland. Sie traten mit Springerstiefeln auf ihn ein und zerschlugen eine Bierflasche an seinem Kopf. Vorerst ließen sie den schwer Verletzten zurück, bis einer der Gruppe zurückkehrte und mit einem Jagdmesser auf ihn einstach, sodass er verblutete. Später kehrte die Gruppe noch einmal zurück und sammelte mögliche Beweismittel ein. Emil Wendland starb in dieser Nacht in Neuruppin. Seitdem 2012 gibt es ein regelmäßiges Gedenken durch Antifaschist*Innen zu seinem Todestag. In diesem Jahr jährt sich sein Todestag zum 25. Mal. In den vorigen Jahren waren immer wieder Neonazis in der Nähe der Kundgebung, um diese zu stören und ebenso eine Kundgebung abzugeben. Dies ist eine immer wiederkehrende Aktion unter vielen Weiteren in dieser Region. In den letzten Jahren gab es mehrere schwere Angriffe auf linksalternative Jugendliche und auf unser linkes Jugendprojekt „Jwp-MittenDrin“ in Neuruppin. Wir haben kein Bock auf rechte Gewalt, auf den Versuch uns Angst machen zu oder uns unsere Meinung ausprügeln zu lassen. Wir haben kein Bock auf dieses
ekelhafte, sozial-darwinistische Gedankengut, welches Menschen in wert und wertlos einteilt. In einer Welt, in der täglich Menschen gequält, verfolgt oder ermordet werden, wird es immer Menschen geben, die dagegen kämpfen. Deswegen rufen wir alle Antifaschist*Innen am 1. Juni 2017 um 12 Uhr dazu auf, in Neuruppin Emil Wendland ein würdiges und ehrenvolles Gedenken zu geben und ein Zeichen gegen Nazis und faschistische Gewalt zu setzen! Kein Vergeben! Kein Vergessen! Im Gedenken an Emil Wendland und an allen Betroffenen rechter Gewalt.
Die 90er Jahre – Straßenterror der Nazis
Hintergründe:
Die Nazigewalt der frühen 90er Jahre ging auch an Neuruppin nicht vorbei. Es gab nur wenige Tage ohne Meldungen in den Zeitungen von rechten Übergriffen, Anschlägen auf Asylsuchendenheime, Treffen von 200+ Nazis, rechten Parolen, Sprühereien usw. Es gab damals noch keinen funktionierenden Justiz- oder Polizeiapperat und keine Zivilgesellschaft
oder organisierte Gruppen, sodass die Nazis mit ihrer Gewalt auf der Straße leichtes Spiel hatten. Ziel der Angriffe waren insbesondere Migrant_Innen, linke Jugendliche und Punks, Menschen ohne Wohnung sowie homo- und transsexuelle Menschen. Der vorläufige Höhepunkt in Neuruppin war der Mord an Emil Wendland und ein Brandanschlag auf eine Unterkunft von Spätaussiedler_Innen im November 1992.
Emil Wendland wurde getötet, weil er in den Augen der Nazis lediglich „unwertes Leben“ war. Er war obdachlos und alkoholkrank und auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Gegenüber solchen Menschen findet eine extreme gesellschaftliche Ausgrenzung statt. Diese reicht von Vorurteilen („Assi“, „Alki“, faul, „Schmarotzer“, kriminell etc.), über ordnungspolitische Maßnahmen (Vertreibung von möglichen Schlaforten, Anzeigen etc.) bis hin zur direkten körperlichen Gewalt. Dabei verlassen sich die Nazis und andere Tätergruppen darauf, dass die Gewalt gegen Obdachlose zum einen auf keinen relevanten gesellschaftlichen Widerspruch trifft und zum anderen auch in den meisten Fällen straffrei bleibt. Dies liegt am offensichtlichen Desinteresse von Presse, Justiz und Polizei, aber auch daran, dass die Betroffenen sich mit Schikanen seitens der Behörden konfrontiert sehen, wenn sie sich dann doch trauen, Anzeige zu stellen. Ein Mord an einem obdachlosen Menschen schafft es selten weiter, als in die Randspalte der lokalen Tageszeitung.
Es geht uns darum, das Schickal von Emil Wendland bekannt zu machen und ihm einen Teil seiner Menschlichkeit zurückzugeben, der ihm durch die Nazis genommen wurde. Ein erster Schritt ist für uns, sein Leben zu skizzieren und durch eine Gedenktafel dauerhaft an die Tat zu erinnern.
Es muss aber auch darum gehen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu benennen, die solche Taten ermöglichen. Und dazu gehören ein zutiefst verinnerlichtes, kapitalistisches Konkurrenzdenken, Legenden wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“ und eine generelle Verachtung, die Menschen erfahren, die nicht zur „Mehrheitsgesellschaft“ gehören. Menschen, welche diesem täglichen Wahnsinn nicht standhalten oder deren Leben durch private Erlebnisse aus den Fugen gerät, laufen Gefahr, bis ans Ende der „sozialen Leiter“ durchgereicht zu werden. Dort einmal angekommen, ist es fast unmöglich, aus eigener Kraft wieder „auf die Beine zu kommen“.
Wenn eine Gesellschaft Unmengen an Reichtum produziert, aber großen Teilen der Bevölkerung der Zugang zu diesem Reichtum verwehrt ist, wenn Lebensmittel weggeworfen werden, obwohl es hungrige Menschen gibt, wenn mit Leerstand Profite gemacht werden, statt den Wohnraum Bedürftigen zur Verfügung zu stellen, dann hat diese Gesellschaft ihre
Existenzberechtigung verloren! Dann müssen wir uns umschauen nach gesellschaftlichen Alternativen!
Wir wissen nicht, was Emil Wendland für ein Mensch war. Wir haben ihn nie kennengelernt. Was wir wissen, haben wir aus Zeitungen erfahren, von damaligen Freunden oder Nachbar_Innen erzählt bekommen oder schlicht aus den Prozessunterlagen. Wir wollen ihn nicht als Märtyrer verklären oder aus seinem Schicksal politische Vorteile ziehen! Aber ebenso ist die Tat nicht einfach nur „irgendein“ Mord an „irgendeinem Obdachlosen“. Dem Sozialdarwinismus der Tat (den die Nazis gegen obdachlose Menschen praktizieren) geht zuerst ein Sozialdarwinismus des Wortes voraus (z.B.
abwertende Haltungen oder Vorurteile gegen vermeintliche „Assis“).
Wenn es also darum geht, solche Taten in Zukunft zu verhindern, ist das Problem nicht allein die Nazigewalt, sondern die grundsätzliche Akzeptanz dieser Gewalt durch das herrschende, gesellschaftliche Klima. Und genau da setzen wir an!
Kommt am 01.07.2017 nach Neuruppin und unterstützt unsere Demonstration! Eine Gedenktafel ist nicht genug!
Am 20ten Juni ist der Welt Flüchtlingstag. Aus diesem Anlass möchten Geflüchtete in Brandenburg und Deutschland sich Gehör verschaffen. Wir organisieren als Gruppen von selbstorganisierten Flüchtlingen und Freiwilligen eine dreitägige Aktion für Geflüchtete in Brandenburg.
Angefangen wird am 18ten Juni um 15:30 am Alten Markt, Potsdam. Dabei werden Workshops und Seminare am 19ten geboten. Am 20ten wird mit einer Pressekonferenz und eine Kundgebung vor dem Brandenburgischen Parlament die Aktion abgeschlossen. Ein Lager, welches wir vor dem Brandenburgischen Parlament aufbauen wollen, wird uns einen direkten Austausch mit der Zivilgesellschaft und Autoritäten ermöglichen. Wir möchten unsere Kompetenzen und Kapazitäten, welche wir mitgebracht haben, beleuchten aber auch unsere Stimmen laut machen über die inhumanen Abschiebungen aus Deutschland in Länder des Todes.
Wir kommen aus Kriegsgebieten und kennen die inhumanen Arten in der Menschen behandelt werde. Wir haben auch einen Mangel an demokratischer und freier Meinungsäußerung der Gesellschaft erlebt. Wir sind über Todesstraßen nach Europa gelangt (über das Mittelmeer und die Spanische Insel von Melila usw.) mit wenig Energie, nur um gleich mit einer schwierigen psychologischen sowie psychischen Umgebung konfrontiert zu
werden. In Deutschland sind wir höchst bürokratische Institutionen sowie einer schwierigen Zivilgesellschaft ausgesetzt, welche harsch und kritisch auf unser Dasein reagieren. Wir sind hier und sind zum Teil dieses Landes geworden. Wir haben Kompetenzen wie Kapazitäten und wollen
zum Schutz der großen Menschlichen Familie beitragen. Uns abzuschieben ist ein Fehler der Zivilgesellschaft. Sie verweigern ihre Verantwortung eben diese große Familie zu ehren und zu schützen. Nein zu Abschiebungen in den Ländern des Todes. Unser Potential zu verkennen ist ein Zeichen der Furcht des Anderen. Fürchtet uns nicht! Wir sind gekommen um zu
bleiben und möchten teilnehmen am Erschaffen einer offenen und wohlhabenden Gesellschaft.
Say it loud and say it clear, Refugees are Welcome here. Wir rufen die Zivilgesellschaft von Brandenburg und Deutschland auf, sich die Themen und Angelegenheiten aus der Geflüchteten perspektive anzuhören und zu unterstützen.
Organisiert von:
R.E, FIBB, RIRH, Mosaic Stern, Freiland Potsdam, Stop Deportation Potsdam, Pangea ‚Orga Potsdam, Stadtmitte für alle Potsdam
Kontakt Tel.: 017636266043 or 015211802328
Email: refugeesactiondaypotsdam@gmail.com
<mailto:refugeesactiondaypotsdam@gmail.com>
facebook. Refugees action days potsdam
Refugees Emancipation e.V
Zum Jagenstein 1
14478 Potsdam
Tél : 0331/2016927/03312015759
Mobil :017636266043
Email : info@refugeesemancipation.com
<mailto:info@refugeesemancipation.com>
www.refugeesemancipation.com <http://www.refugeesemancipation.com/>
INFORIOT — An einer kraftvollen Demonstration gegen Abschiebungen im Barnim beteiligten sich am 8. Juni 2017 in Eberswalde über 150 Personen. Anlässlich vermehrter Abschiebungen und Abschiebeversuche aus dem Landkreis in diesem Jahr hatte ein Bündnis von Antira- und Antifa-Gruppen zu dem Protest aufgerufen.
Demonstration quer durch die Stadt
Auftaktort war der Bahnhofsvorplatz, auf dem sich circa 100 Menschen versammelten. In Redebeiträgen wurde auf die zuletzt gehäuften Abschiebungen hingewiesen, darunter ein Vorfall Anfang April im Übergangswohnheim Bernau-Lobetal. In der Nacht des 3. April rissen Mitarbeiter der Barnimer Ausländerbehörde einen aus dem Tschad geflohenen Mann um 4 Uhr morgens aus seinem Schlaf. Er wurde unmittelbar nach Berlin gebracht und dann über Frankreich abgeschoben, berichteten die Organisator*innen des Protestes. Bewohner*innen aus Übergangsunterkünften in der Region wiesen in weiteren Redebeiträgen auf die unmenschlichen Lebensbedingungen in den Heimen, insbesondere in Ützdorf, hin. Die Route des Protestes führte vom Bahnhof in die Innenstadt zur Ausländerbehörde, bei der die Veranstaltungen nach einer Abschlusskundgebung mit circa 150 Teilnehmenden beendet wurde. Nehmen antirassistischen Aktivist*innen beteiligten sich auch viele Geflüchtete aus Eberswalde, Biesenthal und Ützdorf.
Neben einer Beschreibung der derzeitigen Abschiebepraxis und ihren Folgen für die Geflüchteten im Landkreis, sprach sich eine Geflüchtete Person gegen Stigmatisierung und Reduzierung auf den Flüchtlingsstatus aus: Jede*r habe das Recht, als eigenständige Person wahrgenommen zu werden. Auch wurde in einem Redebeitrag koloniale Kontinuitäten und Alltagsrassismus benannt. Als aktuelles Positivbeispiel im Umgang mit Geflüchteten wurden “Sanctuary Cities” vorgestellt. Das sind Städte, die sich dazu entschlossen haben, dem Druck der nationalen Regierung nicht nachzugeben und sich weigern, an Abschiebungen mitzuwirken oder Repression gegen illegalisierte Menschen auszuüben. Im Landkreis Barnim ist es der Durchsetzung von Kirchenasyl zu verdanken, dass mindestens eine Abschiebung verhindert werden konnte.
An diesen Vorbildern könne sich auch die Barnimer Ausländerbehörde für ein anderes Handeln entscheiden, so die Auffassung der Redner*innen. Die Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung eines Asylantrages liege zwar nicht in den Händen der Ausländerbehörde, aber sie könne beschließen, ob und unter welchen Bedingungen sie Abschiebungen durchsetzen lasse. So war die Forderung nach einem sofortigen Abschiebestopp ein Kernanliegen der Demonstration.
Nachdem im Vorfeld auf dem rechten Blog „Spreeruf“ gegen die Veranstaltung Stimmung gemacht wurde, blieb es während der Demonstration ruhig. Für mehr als ein unbemerktes Fotografieren der Veranstaltung reichte die Wut gegen „linke Gutmenschen“ wohl nicht.
INFORIOT Die AfD und ihre Jugendorganisation “Junge Alternative” (JA) scheren sich offenbar kein Stück um ihre eigenen Beschlüsse. Es gibt beispielsweise Abgrenzungsbeschlüsse gegen die extrem rechte “Identitäre Bewegung”. Tatsächlich aber sind Afd, JA und die “Identitären” vielfältig miteinander verbunden. Die Abgrenzungsbeschlüsse sind offenkundig rein taktisch motiviert und nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind.
Ein neues Beispiel für die Nähe von AfD, JA und den “Identitären”: Franz Dusatko ist Funktionär der “Jungen Alternative” in Brandenburg, der offiziellen Jugendorganisation der Landes-AfD. Die JA-Homepage führt ihn als stellvertretenden Landesvorsitzenden auf. Fotos auf der Homepage der Brandenburger AfD zeigen ihn zusammen mit dem Bundesvorsitzenden Alexander Gauland und dem Thüringer Vorsitzenden Björn Höcke. Auf aktuellen Fotos von einer Delegationsreise zum EU-Parlament im Mai ist Dusatko zusammen mit dem aktuellen AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz sowie der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch zu sehen.
Genau dieser Franz Dusatko war im Dezember 2016 am Versuch beteiligt, die Zentrale einer mit der AfD konkurrierenden Partei zu blockieren. Im Anschluss an eine Kundgebung in Berlin (an der auch Gauland und Kalbitz teilnahmen) platzierten sich nämlich mehrere Dutzend Angehörige der “Identitären Bewegung” vor der Parteizentrale der CDU. Fotos zeigen, dass Dusatko inmitten der “Identitären” saß und also aktiv und direkt an der versuchten Blockade beteiligt war.
Die Unvereinbarkeits- und Abgrenzungsbeschlüsse der AfD und der JA gegenüber den “Identitären” waren zum Zeitpunkt des Blockadeversuchs bereits in Kraft. Anlass für diese Beschlüsse war die Beobachtung der “Identitären” durch den Verfassungsschutz.
Am Rande der versuchten Blockade der CDU-Zentrale war im übrigen auch Jean-Pascal Hohm präsent, wie auf Fotos zu sehen ist. Hohm war lange Zeit Landesvorsitzender der JA und aktuell ist er laut JA-Homepage Beisitzer im Landesvorstand. Im April besuchte Hohm gemeinsam mit dem Berlin-Brandenburger Identitären-Chef Robert Timm den Gästeblock beim Fußballspiel Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus in Potsdam. Das Spiel wurde von massiven antisemitischen Parolen und Randalen der Cottbusser Fans begleitet.
„Wir sind noch immer da“
Unter dem Motto: „Wir sind noch immer da“ versammelte sich ab 18.30 Uhr wieder die rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland eV“ in Rathenow. An der angemeldeten Veranstaltung auf dem Märkischen Platz nahmen ungefähr 25 Personen teil. Dreiviertel der Teilnehmenden stammte aus Rathenow und Umgebung, ein Viertel war aus Berlin, darunter Sympathisierende des extrem rechten „Bärgida eV“, von „Hand in Hand“ und der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“, angereist.
Eröffnet wurde die stationäre Kundgebung durch den Versammlungsleiter Ralf Maasch. Er verlas die polizeilichen Auflagen und wies auf kommende Veranstaltungen der extrem rechten „Identitären Bewegung“ und „Wir für Deutschland“ in Berlin hin. Anschließend folgte der erste Redebeitrag.
Eine aus Berlin zugereiste Rednerin sollte sich eigentlich zu der Frage: „BRD – Sinn oder Unsinn“ äußern, hatte sich aber tatsächlich zu einer anderen Thematik vorbereitet. So schwadronierte sie, anknüpfend an Stichworte aus der Programmatik der „Identitären Bewegung“, vom „großen Austausch“ der Bevölkerung und rief zur Gründung von „Bürgerwehren“ auf. Friedlich sei in diesem Land ohnehin nichts mehr zu lösen, die Bundesrepublik sei zudem „ein linksversiffter terroristischer Staat“, so die Rednerin. Justizminister Maas beleidigte sie zudem als „Arsch“.
Nach einem kurzen musikalischen Zwischenspiel folgte dann der Redebeitrag eines Doktors, der in seiner sehr subjektiv gefärbten Meinungsäußerung die angeblich fehlende Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik beklagte. Weiterhin äußerte er sich zur Dresdener PEGIDA-Bewegung und empörte sich über angeblich geplante Maßnahmen gegen die extrem rechte Vereinigung.
Nach einem weiteren musikalischen Zwischenspiel hielt nun der Versammlungsleiter Ralf Maasch einen Redebeitrag, in dem dieser seine Meinung zu gesellschaftspolitischen Neuigkeiten aus nah und fern, wie dem Umbau eines Kreisverkehrs in Rathenow-West, zunehmender Drogenproblematik in der Rathenower City oder der kurzzeitigen Unterbrechung eines Rockkonzertes in Rheinland-Pfalz durch vermeintliche Dschihadisten, kundtat.
Anschließend wurde das Lied: „Ein Rose für mein Deutschland“ gespielt, in dem die ehemalige „nationale Liedermacherin“ Anett Müller in einer Textzeile bekannte, dass sie die „NPD wähle“. Maasch sang fröhlich mit. Eigenem bekunden nach, sei dies sein Lieblingslied. Ironie der Geschichte: Sängerin Anett soll inzwischen der NPD den Rücken gekehrt und die Szene verlassen haben. In Vorträgen vor Schülern warne sie mittlerweile vor „rechter“ Musik als Einstiegsdroge.
Wohl war, in Rathenow erfreut sich ihre damalige Lyrik bester Beliebtheit und umrahmt die mutmaßlich rassistisch motivierten Meinungsäußerungen der Bürgerbündnis-Vereinigung. Dumpfer Rassismus, der beispielsweise zu Tage tritt, wenn Vereinskassenwart Wolfgang Hoppe im letzten Redebeitrag des Tages mit reißerischen Stories insbesondere vor Menschen mit dunkler Hautfarbe „warnt“.
Eine Massenbewegung ist das „Bürgerbündnis Havelland“ jedoch freilich nicht mehr. Dennoch hat es durch seine regelmäßigen Versammlungen für eine Belebung im extrem rechten Milieu gesorgt. Die aus dem „Bürgerbündnis Havelland“ entstandene Ortsgruppe „Autonomer Nationalisten“ in Rathenow hinterlässt beispielsweise immer deutlicher ihre Spuren in der Stadt. Erst am vergangenen Wochenende waren an einer Schallschutzmauer mehrere neonazistische und extrem rechte Parolen mit Sprühfarbe angebracht worden. In der Nähe waren zudem Sticker überregional aktiver Gruppen „Autonomer Nationalisten“ auf denen u.a. eine „NS Zone“ propagiert wurde, angebracht worden.
Foto: hier
INFORIOT In Cottbus versucht die örtliche rechte Szene derzeit, Stimmung gegen Geflüchtete anzuheizen. Der Verein „Zukunft Heimat“ hatte zu einer Demonstration am 30. Mai unter dem Motto „Grenzen ziehen“ auf dem Cottbusser Oberkirchplatz aufgerufen. Etwa 350 Personen, darunter zahlreiche Neonazis und rechte Hooligans, nahmen teil. Eine Gruppe von Antifaschist_innen konnten den Aufmarsch kurzfristig zum Stopp zwingen. In der Vergangenheit konnten dem Verein mehrfach Verbindungen zu Personen der verbotenen „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ und zu der „Identitären Bewegung“ (IB) nachgewiesen werden.
Der Demonstration in Cottbus ging eine Serie von verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen in der Cottbuser Innenstadt voraus. Hauptsächlicher Anlass waren die Ereignisse in der Nacht vom 19. zum 20. Mai. Es kam zu einer Messerstecherei bei einem Junggesellenabschied in der Innenstadt, bei der nach Angaben der Polizeidirektion Männer deutscher und syrischer Herkunft involviert waren. Fünf deutsche Teilnehmer des Junggesellenabschieds im Alter zwischen 28 und 33 Jahren mussten mit Stich- und Schnittverletzungen ins Krankenhaus. Einen Tag später machte die Polizei zwei tatverdächtige Syrer aus. Diese gaben gegenüber der Staatsanwaltschaft an zuerst angepöblt und das körperlich angegangen worden sein. Auch sie wiesen Verletzungen auf.
Innerhalb kürzester Zeit kochte daraufhin in sozialen Netzwerken die Stimmung hoch: Rassist_innen machten die Syrer schnell als Schuldige aus und nutzten sie für ihre Propaganda. Die NPD witterte ebenfalls eine Gelegenheit zur Hetze und richtete bereits am vergangenen Mittwoch (24. Mai) eine kleine Kundgebung in der Nähe der Cottbuser Stadthalle aus.
„Lebendige Abschiebekultur“ gefordert
Die Demonstration wurde vom Brandenburger AfD-Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz zusammen mit dem Vorsitzenden von “Zukunft Heimat”, Christoph Berndt, angeführt. “Zukunft Heimat”-Kovoristzende Anne Haberstroh erfüllte derweil organisatorische Aufgaben. Kalbitz schürte in seiner Rede zum Auftakt der Demonstration gezielt Ängste: „Das, was hier in Cottbus vorgeht, hätte sich vor fünf Jahren keiner vorgestellt“. Unter Beifall forderte er eine „lebendige Abschiebekultur“ und stellte in Aussicht: „Wir werden uns unser Land wiederholen – friedlich und gewaltfrei (…) aber wir machen das mit der gebotenen Härte“.

Als Redner trat auch Siegfried Däbritz in Erscheinung — der Vorsitzende des Pegida-Vereins aus Dresden. Er ist “Sicherheitsunternehmer” und pflegt Kontakte zur Hooligan-Gruppe HoGeSa. Däbritz forderte die Demonstrant_innen auf, in den kommenden Wochen abwechselnd in Cottbus und in Dresden auf die Straße zu gehen. Im Demonstrationszug lief hinter Däbritz der Neonazi-Hooligan M. Völpel, der beim Auswärtsspiel von Energie Cottbus gegen den SV Babelsberg 03 am 28. April den Hitlergruß zeigte. Auch weitere Personen aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten Cottbuser Fangruppierungen “Inferno Cottbus” und “Unbequeme Jugend” sollen bei bei der Demonstration mitgelaufen sein. Ihre Gewaltbereitschaft zeigte sich jüngst ebenfalls bei dem Spiel bei Babelsberg, in dem sie rassistischen und antisemitische Parolen in Richtung der gegnerischen Fans skandierten und versuchten, das Spielfeld zu stürmen.
Video: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus
Auch Personen der Identitären Bewegung Berlin-Brandenburgs waren in Cottbus auf der Demonstration vertraten. So beispielsweise Paula Winterfeldt, die sich vergangene Woche an der gescheiterten Blockade-Aktion der IB vor dem Justizministerium in Berlin beteiligte. Szenekenner_innen gehen davon aus, dass Winterfeldt personelle Kontakte nach Cottbus pflegt. Zeitweise habe sie in Cottbus gewohnt. Die IB ist eine aktionsorientierte und völkisch ausgerichtete Gruppierung, die seit August 2016 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird.
Zum Bericht des Jüdischen Forums für Demkratie und gegen Antisemitismus zur Demonstration: hier.
Antifaschist_innen stoppen kurzzeitig den Aufmarsch
Einer Gruppe von Antifaschist_innen gelang es am Stadttor den Aufmarsch kurzfristig zum Sehen zu bringen. Zwar wurde die Blockade von der Polizei in kürzester Zeit abgeschirmt und abgedrängt. Die Aktion konnte jedoch trotzdem eine Verzögerung der Demonstration erreichen. Vereinzelt konnten außerdem am Rande des Demozuges Gegendemonstrant_innen ihren Unmut über das Geschehen äußern.

Auf eine zentrale Gegenveranstaltung hatten die zivilgesellschaftlichen Akteur_innen in der Stadt verzichtet. Im Vorfeld der Demonstration kritisierte das antifaschistische und zivilgesellschaftliche Bündnis „Cottbus Nazifrei“ die fehlgeleitete kommunale Debatte um die Frage der Sicherheit auf öffentlichen Plätzen. Nachdem es schon seit geraumer Zeit zu gewalttätigen Ausbrüchen in der Cottbuser Innenstadt gekommen ist, diskutiert das Stadtparlament nämlich darüber, ein Alkoholverbot in den besagten Brennpunkten einzurichten, sowie die Überwachung zu erhöhen. Den Vorwurf, dass die Gewalt in der Stadt vor allem von Geflüchteten ausgehen soll, schätzte das Bündnis „angesichts der Rekordzahlen rechter Übergriffe“ in der Stadt als „absurd“ ein. Mit der Debatte würden die Kommunalpolitiker_innen „rechten und autoritären Bewegungen“ in die Hände spielen, so Bündnissprecherin Luise Meyer.
english below
Vom 09. bis 11. Juni findet in Brandenburg/Havel die 2. Refugee-LGBTIQ*-Conference statt. Seit der letzten Conference hat sich einiges getan, leider viel Negatives: Asylrechtsverschärfung, Forderungen nach Obergrenzen und schnellere Abschiebungen in vermeintlich sichere Herkunftsländer. Obwohl es in einigen Großstädten Deutschlands jetzt Unterkünfte für besonders schutzbedürftige Geflüchtete gibt, können nur wenige LGBTIQ*s davon profitieren. Die Möglichkeit der sichereren Unterkunft ist bei der Verteilung der Geflüchteten selten von Belang und wer außerhalb der Großstädte lebt, hat keinen Zugang zu diesen. Daher fordern wir eine dezentrale Unterbringung aller geflüchteter Menschen und sensibilisierte Mitarbeiter_innen und Übersetzer_innen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sodass LGBTIQ*s ein faires Asylverfahren erhalten.
Kommt mit uns am 11. Juni auf die Straße um den Forderungen nach dezentraler Unterbringung, sensibilisierten Mitarbeiter_innen und einem Abschiebestopp in vermeintliche sichere Herkunftsländer Nachdruck zu verleihen, sowie auf die rassistischen und homo- sowie trans*feindlichichen Zustände aufmerksam zu machen!
english:
The second Refugee-LGBTIQ*-Conference in Brandenburg/Havel will take place from 9th June – 11th June. A lot has happened since the last conference, unfortunately a lot of negative things: aggravations of the asylum law, demands for maximum limits and faster deportations to allegedly safe countries.
Even though some of the bigger cities in Germany now offer accommodations for refugees in special need of protection, there are only a few LGBTIQ*-people who benefit from them. The possibility of safe accommodation is rarely relevant upon distribution. Furthermore, people, who live out-of-town, get denied access to these safe accommodations. That is, why we call for decentralized accommodation of all refugees and sensitized employees and translators at the Federal Office for Migration and Refugees (BAMF), so that LGBTIQ*-people receive a fair asylum procedure. Join us in taking to the streets on 11th June to lend weight to our demand for decentralized accommodation, sensitized employees and a ban on deporting to allegedly safe countries!
Let us rise awareness for the prevailing racist, homophobic andtransphobic conditions in our society!
Am heutigen Morgen, dem 26.05.2017, haben Kletteraktivist_innen ein Transparent in einem Baum im Park Sanssouci gegenüber der sogenannten Friedenskirche angebracht. Auf dem roten Transparent, das in etwa acht Meter Höhe in einem Baum befestigt ist, steht geschrieben “Martin Luther — Sexist, Antisemit, Tyrannfreund!”.
Die Aktion richtet sich gegen das Motto des diesjährigen evangelischen Kirchentags in Berlin, Potsdam und Wittenberg ‘500 Jahre Reformation und Luther’ und gegen das ausgerufene Luther Jahr 2017 allgemein. Denn 500 Jahre sind zu viel!
Martin Luther ist kein Held, sondern ein frauenfeindlicher, antisemitscher Hetzer. Ihn dieses Jahr (und die letzten Zehn im Sinne der Lutherdekade) so unkritisch zu feiern ist gefährlich und unangemessen. Das wollen wir nicht unkommentiert lassen und werden daher mit verschiedenen bunten, kreativen Aktionen versuchen das wahre Gesicht Luthers sichtbar zu machen.
Wir haben die sogenannte Friedenskirche im Park Sanssouci als Ort für unsere Kletteraktion ausgewählt, da die Kirche einer der zentralen Veranstaltungsorte des evangelischen Kirchentages in Potsdam ist. Zudem fand dort am Vortag, dem 25. Mai, eine “Luthermesse” statt, am heutigen Abend findet ein “Der Klang der Reformation” Konzert statt. Wir fordern von der evangelischen Kirche eine kritische und ehrliche Auseinandersetzung mit Martin Luther und der Reformation, anstatt von stumpfen Abfeiern und Ignorieren oder Kleinreden jeglicher Kritik.
500 Jahre Reformation und Luther sind zu viel!
In diesem Jahr endet die 2008 begonnene Lutherdekade der evangelischen Kirche mit dem 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags Martin Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. In der öffentlichen Debatte und in den Schulen wird meist betont, dass Luther „der mutige Kämpfer gegen die katholische Übermacht“ gewesen sei, „die arme Gläubige mit Ablassbriefen ausbeutete“.
Ihr feiert einen Wegbereiter der protestantischen Erwerbsethik
500 Jahre Reformation beflügelten Kapitalismus und Lohnarbeit in enormer Dimension und kreierte das unangefochtene Mantra der Gegenwart: Ich arbeite, also bin ich. Der Arbeitsfanatiker Luther („Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen“) meinte, dass diverse Auserwählte bereits mit ihrer Geburt für das Paradies prädestiniert wären und deswegen allein irdische Erfolge, Fleiß und harte Arbeit Indikatoren für die bevorstehende Erlösung seien. Seine Gedanken hatten schwerwiegende Folgen. Die damals selbstverständlich bestehende Allmende wurde der Allgemeinheit, oftmals in blutigen Szenen, aus den Händen gerissen und erschuf Lohnarbeiter*innen en masse. Diese mussten ihr Überleben sichern, indem sie das einzige Eigentum, was ihnen geblieben war auf dem Markt anboten: ihre eigene Arbeitskraft. Im weiteren Verlauf entstand ein neuartiger Begriff der Arbeit: Sie wurde vom notwendigen Übel zur fiktiven heilbringenden Berufung. Infolgedessen etablierte sich der, bis in die Gegenwart unerschütterliche, Irrglaube, dass nur (lohn-)arbeitende Menschen in einer Gesellschaft nützlich seien und alle Erwerbslosen eine Belastung für die selbige darstellten. Obendrein bringt Lohnarbeit gesellschaftlichen Bestätigung hervor, wohingegen unbezahlte Hausarbeit chronisch als Trivilität angesehen und an den Rand der Gesellschaft geschoben wird. Das führt uns zu einem weiteren Wesenszug Luthers:
Ihr feiert einen dogmatischen Sexisten
Luther schuf die wesentliche Prämisse für die Marginalisierung der Frau in der protestantischen Welt, indem er ihnen die Aufgaben „Hausarbeit und Männer gebären“ als gottgegebene Bestimmung aufs Auge drückte. Neben der Montage des Bildes einer bürgerlichen Frau, unterstützte Luther einen grausamen Disziplinierungsprozess, durch den Frauen als „Sündige“, „Verderbende“ und vor allem „Wissende“ stigmatisiert und umgebracht wurden („Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen… Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an.“, 1526).
Ihr feiert einen fanatischen Antisemiten
Primär muss zwingend bedacht werden, dass Martin Luther ein relevanter Teil einer langen Geschichte des christlichen Antijudaismus und christlicher Gewalt gegen Jüd*innen war. Seine Werke (bspw.: „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543) und deren Rezeption, waren ein Beweggrund für die Entstehung und Verwirklichung einer nationalsozialistische Ideologie. Luther stellte die Frage:
„Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“
Seine Antwort waren sieben Schritte, die er zynisch als „scharfe Barmherzigkeit“ betitelte: Mensch solle „Synagogen verbrennen, Häuser zerstören, deren Bewohner*innen in Ställen unterbringen, Gebet- und Talmudbücher wegnehmen, Rabbiner*innen das Lehren unter Androhung der Todesstrafe verbieten, Händler*innen ihr Wegerecht entziehen, weiterhin ihnen das Geldgeschäft verbieten und all ihr Bargeld und ihren Schmuck enteignen“. Abschließend sollten, Luthers Ansicht nach, alle „jungen Jüd*innen ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts mit harter Arbeit verdienen“. Luthers Schriften sprach Jüd*innen die Menschenwürde vollkommen ab und formulierte wesentlich das Muster der Schoah im Nationalsozialismus. Kann es eine protestantische Theologie nach Auschwitz überhaupt geben, die beharrlich jenen Autor glorifiziert, der von Nationalsozialist*innen in den Nürnberger Prozessen als Legitimationsgrundlage für ihr barbarisches Handeln genutzt wurde?
Danke für Nichts!
Martin Luther wird als Freiheitskämpfer, Humanist und Retter des Christentums betrachtet. Das diese Rezeption eine Illusion sondergleichen ist, hat dieser Text hoffentlich aufzeigen können. Seine Unterstützer*innen und die protestantische Kirche verteidigen ihn als „Kind seiner Zeit“ und deuten seine barbarischen Offenbarungen mit allerlei Interpretationsgeschick um, damit sie dem Mythos eines „deutschen Helden“ gerecht werden. Der Reformator, der die christliche Religion aus einer Krise befördert haben soll, wird durch einen kritischen Blick, derjenige, der eine neue Krise an das Ende der alten Misere gesetzt hat, der wir bis heute nicht gänzlich entfliehen konnten. Es wird Zeit für eine deutliche Kritik, die das öffentliche Mythos eines „barmherzigen Reformators“ zerstört und eine zeitgemäße Debatte, jenseits des artifiziellen Heldentums, fördert.
500 Jahre Reformation – Kein Grund zum Feiern, Zeit für einen endgültigen Schlussstrich!
Mehr Informationen und weiteführende Links und Literatur zu Luther und Reformation gibt es hier:
gegendiehelden.blogsport.eu
Zur lokalen Initiative gegen den evangelischen Kirchentag in Potsdam, schaut mal hier drauf:
gegendiehelden.blogsport.eu/potsdam/