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Antifaschismus

Frost verkürzte Kundgebung des extrem rechten Bürgerbündnisses

Das extrem rechte Bürg­er­bünd­nis Havel­land set­zte am Dien­stagabend seine Kundge­bungsserie auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Es erschienen fünf bekan­nte Vere­ins­mit­glieder aus Rathenow und Prem­nitz sowie zehn weit­ere Sym­pa­thisierende der Vere­ini­gung aus Rathenow, Bran­den­burg an der Hav­el und Berlin.
Als Ver­samm­lungsleit­er gab sich Ralf Maasch zu erken­nen. Er und zwei weit­ere bekan­nte Vere­ins­mit­glieder, darunter auch der, gemäß aktuellem Vere­in­sreg­is­ter­auszug, amtierende Vere­insvor­sitzende, hiel­ten Rede­beiträge. Eine weit­ere (geplante) Red­ner­in aus dem extrem recht­en Berlin­er BÄRGI­DA-Umfeld hat ange­blich wit­terungs­be­d­ingt abgesagt.
Der Vere­insvor­sitzende Chris­t­ian Kaiser kom­men­tierte, in ein­er für ihn typ­is­chen Art und Weise, den Bürg­er­meis­ter­wahlkampf in Rathenow. Er bedank­te sich bei den Wäh­len­den, die für ihn stimmten, und rief dazu auf bei der kom­menden Stich­wahl den amtieren­den Bürg­er­meis­ter zu wählen: „Liebe Leute geht ein­fach hin und wählt lieber Ronald Seeger anstatt diese rote Brut. Das ist das Aller­let­zte. Lasst uns Golze ver­hin­dern mit aller Macht“, so Kaiser. Der Vor­sitzende des Bürg­er­bünd­niss­es war, neben Ronald Seeger (CDU) und Daniel Golze (LINKE), ein­er von fünf Kan­di­dat­en für das höch­ste Amt in der Stadt. Bei der Wahl am 25. Feb­ru­ar 2018 stimmten jedoch nur 813 Wäh­lende für Kaiser, 8.829 hiel­ten andere Kan­di­dat­en für geeigneter. Die Wahlbeteili­gung lag bei 46,7 %.
Trotz des deut­lich niedri­gen Wahlergeb­niss­es für Kaiser bekräftigte dieser auch am Dien­stagabend seine Absicht­en auch kün­ftig in der Kom­mu­nalpoli­tik mit­mis­chen zu wollen. Zwar wolle er sich beim Bürg­er­bünd­nis vor­erst von der Bühne zurückziehen, sich jedoch poli­tisch weit­er schulen. Dabei deutete Kaiser auch eine mögliche Kan­di­datur zu den Wahlen zur Rathenow­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung an.
Nach zwei weit­eren kurzen Rede­beiträ­gen von Vere­ins­mit­gliedern aus Rathenow endete die Ver­samm­lung des Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land wit­terungs­be­d­ingt vorzeit­ig nach 40 Minuten. Den Dauerdemon­stri­eren­den war es offen­sichtlich zu kalt.

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Arbeit & Soziales Flucht & Migration

Sprachmittlung muss angemessen vergütet werden

Der Land­kreis Barn­im hat die Entwick­lung eines Konzepts für Sprach­mit­tlung in Auf­trag gegeben und will dem­nächst darüber berat­en und entschei­den, ob und wie es umge­set­zt wird. Dabei geht es darum, für Behör­den­ter­mine, Arztbe­suche, Beratun­gen u.ä. ein­fach­er als bish­er Sprachmittler_innen hinzuziehen zu können.
Das Fehlen von Sprachmittler_innen ist häu­fig ein Prob­lem, für die Betrof­fe­nen, die (noch) nicht gut Deutsch sprechen eben­so wie für Ärzt_innen, Ämter und andere. Ärzt_innen kön­nen Men­schen nicht sin­nvoll berat­en, wenn die Ver­ständi­gung nicht funk­tion­iert. Beim Grund­sicherungsamt, Job­cen­ter und anderen Stellen haben die Angestell­ten häu­fig mehr Arbeit, wenn sie nicht richtig ver­standen wer­den. Betrof­fene wiederum haben Rechte gegenüber den Ämtern und müssen ihre Rechte ken­nen, ver­ste­hen und dafür ein­ste­hen kön­nen. Wenn schon hier Aufgewach­sene oft nur schw­er bürokratis­che Begriffe und Vorgänge ver­ste­hen kön­nen, wie soll es dann jemand kön­nen, der noch nicht lange genug hier lebt, um die Sprache so gut zu beherrschen?
Diesen Prob­le­men soll ein Sprach­mit­tlungs-Konzept ent­ge­gen­wirken. Die Ini­tia­tive „Barn­im für alle“ begrüßt es sehr, dass der Land­kreis das The­ma ange­ht. Bish­er gibt es lediglich den Vere­in „Kon­takt e.V.“ als unab­hängige Stelle, die Sprachmittler_innen in begren­ztem Umfang ver­mit­teln kann und der für einzelne Über­set­zungsleis­tun­gen vom Grund­sicherungsamt eine Erstat­tung bekommt. Ein Sprach­mit­tler_in­nen-Pool, über den Betrof­fene als auch Ämter, Ärzt_innen usw. unkom­pliziert Sprachmittler_innen für Ter­mine buchen kön­nen, würde dem Abhil­fe ver­schaf­fen. Der Land­kreis hofft, einen solchen Sprach­mit­tler_in­nen-Pool rein aus Ehre­namtlichen auf­bauen zu kön­nen. In diesem Ansatz sieht die Ini­tia­tive „Barn­im für alle“ mehrere Probleme:
‑Nur eine angemessene Vergü­tung kann Pro­fes­sion­al­ität und kon­tinuier­liche Qual­ität sich­ern, denn ehre­namtliche Sprachmittler_innen sind davon schnell über­fordert, wenn sie keine oder keine aus­re­ichende Aus- und Fort­bil­dung und Beruf­sprax­is haben.
‑Bezahlte Sprachmittler_innen kön­nen ihre Ken­nt­nisse ver­tiefen, wenn sie regelmäßig dol­metschen und nicht ein­er anderen Vol­lzeit-Erwerb­sar­beit nachge­hen müssen.
‑Eine klare Rol­len­tren­nung zwis­chen Dol­metschen und ehre­namtlichem Unter­stützen ist notwendig, um die Neu­tral­ität der Sprachmittlerin/ des Sprach­mit­tlers zu sichern.
In vie­len Städten und Land­kreisen gibt es staatlich finanzierte Sprach­mit­tlungs-Konzepte, die die Sprachmittler_innen angemessen bezahlen. In Städten wie Osnabrück und Han­nover wer­den mind. 20,00 Euro/ Stunde bezahlt. In Hen­nigs­dorf im Land­kreis Ober­hav­el bekom­men Sprachmittler_innen immer­hin Aufwand­sentschädi­gun­gen, wenn auch (noch) keine Honorare.
Die Ini­ti­ta­tive „Barn­im für alle“ fordert den Land­kreis auf, ein Sprach­mit­tlungs-Konzept zu beschließen, das eine angemessene Vergü­tung vor­sieht, um die nötige Qual­ität zu gewährleis­ten. Dazu müsste ein Finanzierungskonzept entwick­elt wer­den, das beachtet, wie viel Arbeit­szeit und damit Kosten den jew­eils beteiligten staatlichen Stellen (Ämter, Schulen,…) zusät­zlich entste­hen, wenn es keine funk­tion­ierende Sprach­mit­tlung gibt. Jede dieser staatlichen Stellen kön­nte sich an der Über­nahme der Kosten beteiligen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Wer Volksverräter ruft, will keinen Dialog!

Unter dem Mot­to „Cot­tbus uner­hört!“ lädt der Rund­funk Berlin-Bran­den­burg (rbb) am 01. März 2018 zu ein­er zweifel­haften „Diskus­sion­splat­tform“, um über die Prob­leme in Cot­tbus zu debat­tieren, die laut Ankündi­gung­s­text seit Beginn des Jahres beste­hen. Zur Ver­anstal­tung sind auch der neurechte Vere­in Zukun­ft Heimat und eine lokale AfD-Vertreterin geladen. Wer aber poli­tisch Ander­s­denk­ende als “Volksver­räter” beze­ich­net, kann kein Dialog­part­ner sein.
Auf den Demon­stra­tio­nen von Zukun­ft Heimat gehören Rufe wie “Volksver­räter” und “Lügen­presse” zum Stan­dard­ritu­al -­ beina­he wie das Amen in der Kirche. Auch am 24. Feb­ru­ar riefen hun­derte Demon­stra­tionsteil­nehmende “Volksver­räter” während ein­er Rede des Geschäfts­führers der AfD-Bun­destags­frak­tion Han­sjörg Müller gegen alle anderen Parteien im Bun­destag. Götz Kubitschek hat­te zuvor Poli­tik und Zivilge­sellschaft zum Feind der Demon­stri­eren­den erk­lärt — eben­falls unter Volksverräter-Rufen.
Dazu erk­lärt Luise Mey­er: “Wer Volksver­räter ruft, will keinen Dia­log. Er entzieht einem poten­tiellen Dia­log die Grund­lage, indem er poli­tisch Ander­s­denk­ende, Medi­en­vertreterIn­nen und Poli­tik­erIn­nen zu Volks­fein­den erk­lärt. In bieder­er Maske wollen AfD und Anhänger ger­ade keinen poli­tis­chen Mei­n­ungsaus­tausch, son­dern sie bere­it­en bere­its die näch­sten Demon­stra­tio­nen vor, auf denen gegen poli­tisch Ander­s­denk­ende und Flüchtlinge gehet­zt wird — und Volksver­räter-Rufe gehören zu jed­er ihrer Demonstrationen.”
Während und nach den Demon­stra­tio­nen von Zukun­ft Heimat kam es in der Ver­gan­gen­heit zu mehreren gewalt­täti­gen Über­grif­f­en. “Men­schen haben Angst in die Innen­stadt zu gehen, wenn Zukun­ft Heimat dort demon­stri­ert. Nach­weis­lich befind­en sich jedes Mal gewalt­tätige Neon­azis unter den Teil­nehmenden. Und diese rufen nicht nur Volksver­räter, son­dern wer­den hand­grei­flich.” fährt Luise Mey­er fort. “Das poli­tis­che Spiel ist doch ganz ein­fach: die AfD und ihre Vor­fel­dor­gan­i­sa­tion Zukun­ft Heimat schüren Äng­ste in der Bevölkerung, um sich dann selb­st als Lösung anzu­bi­eten. Da spie­len wir nicht mit.”
Darüber hin­aus kri­tisiert Cot­tbus Naz­ifrei die zeitlich verkürzte Betra­ch­tung von Vor­fällen erst ab Jan­u­ar 2018. So wurde beispiel­sweise am 28.06.2017 eine junge Afghanin auf dem Weg nach Hause mit ihren bei­den Kindern von ein­er Frau ange­grif­f­en und mit einem Mess­er bedro­ht. Die Frau flüchtete in ihre Woh­nung, die gerufene Polizei kon­nte das Mess­er kurze Zeit später sich­er­stellen. Am 23.06.2017 grif­f­en in Guben mehrere Per­so­n­en einen aus Afghanistan stam­menden Vater und seinen 13-jähri­gen Sohn an, prügel­ten den Vater bewusst­los und ver­let­zten seinen Sohn mit einem Mess­er. Weit­ere Über­griffe auf Geflüchtete und Flüchtling­shelferIn­nen sind auf der Inter­net­seite des Vere­ins „Opfer­per­spek­tive e.V.“ doku­men­tiert. Cot­tbus bildete in ganz Bran­den­burg 2016 die ein­same Spitze bei Anzahl und Anstieg ras­sis­tis­ch­er und rechter Angriffe.
Der Vere­in Zukun­ft Heimat, der eng mit der AfD zusam­me­nar­beit­et, bere­it­ete sich schon min­destens seit Mai 2017 auf seine Angstkam­pagne vor, die seit Sep­tem­ber im Vor­feld des Stadt­festes angekündigt wurde. Auch die Ver­anstal­tung des rbb am 1. März ist also Ergeb­nis ein­er frem­den­feindlich motivierten und teil­weise ras­sis­tis­chen Kam­pagne, die Angst in der Bevölkerung schüren und einen Keil zwis­chen Cot­tbuserIn­nen und Geflüchteten treiben soll.

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Antifaschismus Law & Order

NSU: Schutz für V‑Mann “Piatto” von ganz oben

Der Zschäpe-Prozess in München wird in den kom­menden Wochen voraus­sichtlich tat­säch­lich zu Ende gehen — der Skan­dal namens “NSU” aber bleibt. Dazu zählt die tiefe Ver­strick­ung des Ver­fas­sungss­chutzes (VS) in die Mord­serie. Er hat­te in den recht­sex­tremen Szenen eine Rei­he von V‑Leuten im Ein­satz, lange bevor das Trio Böhn­hardt, Mund­los, Zschäpe vor der Polizei floh.
Die VS-Geschichte lief bere­its, als die NSU-Geschichte begann. Eine wichtige Fig­ur dabei ist Carsten Szczepan­s­ki aus Berlin, Neon­azi und Infor­mant des Geheim­di­en­stes namens “Piat­to”. Der Unter­suchungsauss­chuss von Bran­den­burg bemüht sich, seine Rolle zu rekon­stru­ieren — und stößt auf bemerkenswerte Funde. Auf einen Ver­fas­sungss­chutz, dem es offen­sichtlich gelingt, rechtsstaatliche Ver­fahren zu manip­ulieren. Auf einen V‑Mann, der allem Anschein nach auch aus dem Jus­tizmin­is­teri­um her­aus gedeckt wird. Ein Lehrstück.
“Piat­tos” Geschichte kurz von hin­ten her erzählt: Schon ab 1998 hat­te er in Chem­nitz Kon­takt zum Umfeld des unter­ge­taucht­en Trios. Spätestens im August 1998 wusste er, dass die drei sich bewaffnen und Raubüber­fälle pla­nen. Das meldete er auch dem Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz (LfV) von Bran­den­burg. 1994 hat­te er sich im Knast zur Zusam­me­nar­beit mit dem Dienst bere­it­erk­lärt. Inhaftiert war er, weil er 1992 ver­sucht hat­te, einen nige­ri­an­is­chen Flüchtling zu ermor­den. Doch weil Carsten Szczepan­s­ki auch zu jen­em Zeit­punkt höchst wahrschein­lich bere­its mit ein­er Geheim­di­en­st­stelle in Verbindung stand, was offiziell aber mit Schweigen belegt wird, muss seine Geschichte an der Stelle auch von vorne erzählt werden.
Szczepan­s­ki, Jahrgang 1970, baute nach der Wende in der DDR im Umland von Berlin eine neon­azis­tis­che Ku-Klux-Klan-Grup­pierung auf. Bei einem Tre­f­fen im Herb­st 1991 war auch der KKK-Chef aus den USA, Den­nis Mahon, dabei. Im Dezem­ber 1991 durch­suchte die Polizei seine Woh­nung und fand Uten­silien zum Bomben­bau. Sz. tauchte unter, die Bun­de­san­waltschaft (BAW) leit­ete am 13. Feb­ru­ar 1992 ein Ver­fahren gegen ihn und den Ku-Klux-Klan Berlin-Bran­den­burg wegen Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung ein. Am 22. Feb­ru­ar 1992 wurde Sz. in Bran­den­burg festgenom­men. Möglicher­weise gab den Tipp ein Spitzel. Nur: von welch­er Behörde? Der Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz kann es nicht gewe­sen sein, denn er durfte erst ab 1993 men­schliche Quellen führen. Bemerkenswert dann: Sz. wurde am 23. Feb­ru­ar direkt wieder freige­lassen. Warum? Vom 24. bis 26. Feb­ru­ar stellte er sich ein­er dre­itägi­gen Vernehmung durch das Bun­deskrim­i­nalamt (BKA).
Recht­san­walt Christoph Kliesing, der das nige­ri­an­is­che Opfer von 1992 ver­tritt und im Jan­u­ar 2018 im Unter­suchungsauss­chuss (UA) gehört wurde, ist der Mei­n­ung, dass Sz. in jenen Feb­ru­arta­gen “überre­det” wurde zu reden. Sprich: Er nimmt an, dass Sz. am 23. Feb­ru­ar 1992 von ein­er Behörde als Infor­mant “ange­wor­ben” wurde. Möglicher­weise vom Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz (BfV). Ent­ge­gen anderen Fällen weigert sich das Amt bish­er gegenüber dem UA zu verneinen, dass Sz. seine Quelle war.
Der Ver­dacht, dass Sz. schon vor sein­er Koop­er­a­tion mit dem VS von Bran­den­burg mit einem anderen Amt zusam­mengear­beit­et hat, wird erhärtet durch zwei Briefe des früheren VS-Chefs von Bran­den­burg, Wolf­gang Pfaff, die im Auss­chuss zitiert wur­den. Im Okto­ber 1995 schrieb Pfaff im Plur­al ein­mal von “Kon­tak­ten Szczepan­skis zu Ver­fas­sungss­chutzbe­hör­den”, ein ander­mal “zu Sicher­heits­be­hör­den”. Pfaff war ein­mal Bun­de­san­walt und lange Jahre Verbindungs­beamter der Bun­de­san­waltschaft beim BfV. Ein Wes­t­im­port der Exeku­tive in den neuen Län­dern sozusagen. Nicht der einzige, wie sich zeigen wird.
Inter­es­san­ter­weise hat Carsten Szczepan­s­ki sel­ber als Zeuge im NSU-Prozess vor dem OLG in München erk­lärt, bere­it 1991 Infor­mant für eine Behörde gewe­sen zu sein. Der Feb­ru­ar 1992 läge da datumsmäßig nicht so weit ent­fer­nt. Von Bedeu­tung ist das auch, weil Sz. den Mord­ver­such an dem Nige­ri­an­er Steve E. dann als Mitar­beit­er ein­er Sicher­heits­be­hörde began­gen hätte. Am 9. Mai 1992 war der Asyl­suchende in Wendisch-Rietz von mehreren Neon­azis lebens­ge­fährlich attack­iert wor­den. Sz. soll dabei unter anderem “KKK!” gerufen haben. Das Gericht sah einen “direk­ten Tötungsvor­satz” als belegt an.
Nach sein­er aus­führlichen Aus­sage beim BKA im Feb­ru­ar 1992 liefen ver­schiedene Ver­fahren im Inter­esse Szczepan­skis. Sie wur­den liegen gelassen, bis sie ver­jährt waren, oder wur­den eingestellt. Das Ter­ror­is­musver­fahren der BAW wurde im Sep­tem­ber 1992 eingestellt.
Man ken­nt diesen Umgang bei anderen V‑Leuten wie etwa Tino Brandt. Für Recht­san­walt Kliesing muss jemand Szczepan­s­ki “geschützt” haben.
Als der Prozess Ende 1992 begann, war Sz. noch nicht ein­mal Beschuldigter in dem Ver­fahren. Das geschah erst im Dezem­ber 1992, der Vor­wurf lautete zunächst lediglich auf “gefährliche Kör­per­ver­let­zung”. Erst 1994 wurde die Anklage auf “ver­sucht­en Mord” umgeän­dert und Sz. daraufhin im Mai 1994 in Haft genom­men — zwei Jahre nach der Tat. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder im Feb­ru­ar 1995 lautete schließlich auf acht Jahre Haft wegen ver­sucht­en Mordes.
1994 kam es in der U‑Haft zur offiziell bestätigten Verpflich­tung Carsten Szczepan­skis als V‑Mann des Ver­fas­sungss­chutzes von Bran­den­burg mit dem Deck­na­men “Piat­to”. Wenn er schon 1992 ein V‑Mann war, dann war er nach Ein­schätzung von Recht­san­walt Kliesing durch den Mord­ver­such an seinem Man­dan­ten danach für den entsprechen­den Dienst eine “tick­ende Zeit­bombe” gewor­den. Deshalb sei er von einem Dienst bei einem anderen “entsorgt” worden.
Jeden­falls bes­timmte nun der Ver­fas­sungss­chutz von Bran­den­burg die Knas­tregeln für seinen Schüt­zling. Und zwar mit Wis­sen des Justizministeriums.

Regelmäßig besucht­en zwei VS-Beamte den Strafge­fan­genen. Der eine war Gor­dian Mey­er-Plath, heute VS-Präsi­dent in Sach­sen. Der andere hieß Her­mann-Dieter B. und wurde inner­halb des Gefäng­niss­es als “Sozialar­beit­er” “verkauft”. Das bestätigt der zuständi­ge Abteilungsleit­er, zeitweise auch kom­mis­sarisch­er JVA-Chef, Kurt E., gegenüber den Abge­ord­neten im Unter­suchungsauss­chuss. In der Sitzung im Jan­u­ar hat­ten E. sowie der langjährige JVA-Leit­er Wolf­gang H. noch abgestrit­ten, auch nur irgen­det­was von den VS-Aktiv­itäten im Haus mit­bekom­men zu haben. H. hat­te sich zur Feb­ru­ar­sitzung jet­zt krankgemeldet (Dauer­sumpf NSU, siehe Kapi­tel: Schau­platz Unter­suchungsauss­chuss Bran­den­burg: V‑Mann “Piat­to”).
Die Insassen sollen aber nichts von Szczepan­skis VS-Kon­tak­ten gewusst haben. Dass die Frage, ob ein Häftling als Infor­mant für einen Nachrich­t­en­di­enst arbeit­en soll, inten­siv erörtert wor­den sein musste, ergab sich aus den Aus­führun­gen eines anderen zeitweili­gen JVA-Leit­ers, Bernd R., der die let­zte UA-Sitzung geschwänzt hat­te. Die Anstalt­sleitung habe Bedenken geäußert auf­grund der Stasi-Überwachun­gen zu DDR-Zeit­en. Wenn Insassen, die in der DDR groß gewor­den waren, mit­bekä­men, dass es wieder Ausspähun­gen im Knast gebe, dass, so R. wörtlich, “wir im neuen Sys­tem ähn­lich arbeit­en”, sei das für die Ziele des Strafvol­lzuges “kli­matödlich”. Außer­dem hät­ten sie Sorge gehabt, dass die Sicher­heit des V‑Mannes Sz. gefährdet ist.
Let­ztlich trug die JVA-Leitung aber die Anwe­sen­heit der Ver­fas­sungss­chützer mit und half bei der Kon­spir­a­tion. Im Jahr 1995 war der LfV-Beamte Mey­er-Plath 24-mal da, haben die Abge­ord­neten gezählt, von März 1996 bis Jan­u­ar 1997 der “Sozialar­beit­er” B. in Dien­sten des VS 17-mal.
Doch auch aus der recht­sex­tremen Szene erhielt V‑Mann “Piat­to” immer wieder Besuch, unter anderem aus Chem­nitz von Michael und Antje Prob­st, in deren Szeneladen er später jobbte, sowie von Thomas Starke, der im Jan­u­ar 1998 der erste Anlauf­punkt des flüch­t­en­den Trios Böhn­hardt, Mund­los, Zschäpe aus Jena wurde. Prob­sts und Starke kön­nen zum unmit­tel­baren NSU-Umfeld gerech­net wer­den. Gegen Starke ist zur Zeit noch eines von neun Ermit­tlungsver­fahren der Bun­de­san­waltschaft gegen neun Beschuldigte anhängig.
Als nach dem Fund von recht­sex­trem­istis­chen Schriften bei Szczepan­s­ki vorüberge­hend dessen Post kon­trol­liert wurde, sorgte die Gefäng­nisleitung dafür, dass das nur durch einen Wacht­meis­ter geschah, der eingewei­ht war. Er wusste von dem Kon­takt zum Lan­desver­fas­sungss­chutzamt (LfV) und sorgte dafür, dass der Brief- und Päckchen-Verkehr mit dem Häftling ungestört weit­er­laufen kon­nte. Keine Postkon­trolle durchzuführen, wie es das Amt wollte, wäre auf­fäl­lig gewe­sen, deshalb, so der dama­lige JVA-Chef R., habe man es auf diese Weise geregelt. “Postkon­trolle fand also nicht statt”, kom­men­tiert ein Auss­chuss­mit­glied, “es war eine leg­endierte Postkontrolle.”
Bernd P., der die JVA Bran­den­burg von 1992 bis Juli 1995 leit­ete, war, wie der LfV-Chef Pfaff, eben­falls ein Wes­t­im­port. Er wech­selte 1995 ins Jus­tizmin­is­teri­um des Lan­des, wo er den Rang eines Min­is­te­ri­al­rates bek­lei­dete. Er hat­te in der Folge wieder­holt mit der JVA und dem V‑Mann-Häftling Sz. zu tun. Ein­mal nahm er per­sön­lich an einem Gespräch mit dem V‑Mann-Führer Mey­er-Plath teil, bei dem es um die Frage ein­er Haftverkürzung Szczepan­skis ging, die der Dienst begrüßte.
Das Jus­tizmin­is­teri­um war also in die Causa Szczepan­s­ki involviert und deck­te die Pläne des LfV mit sein­er Quelle “Piat­to” ab. Jus­tizmin­is­ter war in jenen Jahren der Wes­t­im­port Hans-Otto Bräutigam, bekan­nt als ehe­ma­liger Leit­er der Ständi­gen BRD-Vertre­tung in der DDR.
Aus den Akten, die die Abge­ord­neten vor­liegen haben, ergeben sich Hin­weise, dass in der JVA min­destens drei rechte Szeneblät­ter hergestellt und nach draußen geschmuggelt wur­den. Ein Häftling hat­te deshalb sog­ar Strafanzeige erstat­tet. Sz. sel­ber soll das Fanzine “Unit­ed Skins” pro­duziert haben. Offiziell wird das bestrit­ten. Min­is­te­ri­al­rat Bernd R. war im Jus­tizmin­is­teri­um mit der Sache befasst — und beschied dien­stlich, es sei auszuschließen, dass ganze Hefte in der JVA hergestellt wor­den seien. Möglich sei lediglich, dass einzelne Beiträge den Weg nach draußen gefun­den haben kön­nten. Aber auch dafür gebe es keine Hinweise.
Im NSU-Auss­chuss von Bran­den­burg bleibt R. bei sein­er Bew­er­tung und begrün­det sie mit keinem gerin­geren als dem Amt sel­ber: “Wenn etwas vorgele­gen hätte, hätte sich der Ver­fas­sungss­chutz gemeldet oder das Innen­min­is­teri­um.” Dann zitiert der Min­is­te­ri­al­rat a.D. noch einen EDV-Mann aus der JVA, der es “tech­nisch aus­geschlossen” habe, dass ganze Hefte in der Anstalts­druck­erei hät­ten hergestellt wer­den können.
Die Abge­ord­nete der Grü­nen und ihr Mitar­beit­er suchen daraufhin die Aus­sage jenes EDV-Mannes und find­en fol­gen­den Satz von ihm: “Das Absuchen der Fest­plat­ten würde Tage dauern”, um das festzustellen. Offen­sichtlich wurde der Vor­gang nicht über­prüft, er kann also nicht aus­geschlossen werden.
Ille­gales Han­deln eines Geheim­di­en­stes und sein­er Quelle, abgedeckt durch ein Min­is­teri­um? Offen­sichtlich musste die Quelle “Piat­to” von beson­derem “Wert” sein. Das hat­te schon vor fünf Jahren der ehe­ma­lige V‑Mann-Führer und heutige LfV-Chef in Sach­sen, Gor­dian Mey­er-Plath, vor dem NSU-Unter­suchungsauss­chuss­es im Bun­destag erk­lärt. Carsten Sz. alias “Piat­to” sei für den Infor­ma­tions­be­darf des LfV ein Meilen­stein gewe­sen. Selb­st durch die kri­tis­che Nach­frage, ob Sz. für das Amt “noch wertvoller” gewe­sen wäre, wenn er “den Mord im Mai 1992 vol­len­det” hätte, ließ sich der Kar­ri­ere­beamte nicht provozieren und antwortete kühl: “Das ist reine Speku­la­tion.” Her­auskam noch: Der V‑Mann und sein Führer — sie duzten sich.

In der JVA Bran­den­burg an der Hav­el ging die Son­der­be­hand­lung des Gefan­genen Szczepan­s­ki weit­er. 1998 kam er in den offe­nen Vol­lzug. Er kon­nte ein soge­nan­ntes Prak­tikum machen — und zwar im über 200 Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Chem­nitz in dem recht­en Szeneladen “Son­nen­tanz” der Prob­sts. Hin- und zurück­ge­bracht wurde er von seinen Beamten des LfV Bran­den­burg. V‑Mann-Führer als V‑Mann-Fahrer sozusagen.
Die für die Organ­sierung von Prak­ti­ka zuständi­ge Sozialar­bei­t­erin gibt sich im Auss­chuss von Pots­dam über­rascht. Eine Prak­tikumsstelle, die der­art weit weg ist, könne sie sich nicht vorstellen. Dem hätte sie nie zuges­timmt. Wenn, dann wäre der Häftling in die nahe gele­gen­ste Haf­tanstalt ver­legt worden.
Auch die konkrete Prak­tikumsstelle, jen­er Neon­aziladen in Lim­bach-Ober­frohna bei Chem­nitz, war der JVA-Angestell­ten nicht bekan­nt. Sie sei die Per­son gewe­sen, die die Prak­tikaplätze vor­bere­it­ete und auch im Vor­feld angeschaut habe, aber: “Ich bin nicht nach Lim­bach gefahren, 100-prozentig.”
Wur­den Prak­tikumsstelle plus Arbeitsver­trag also an der dafür Ver­ant­wortlichen vor­bei organ­isiert, hin­ter ihrem Rück­en? Die Beteiligten jeden­falls müssen gewe­sen sein: der Gefan­gene Szczepan­s­ki und seine VS-Män­ner, die Prak­tikums­ge­ber Prob­st sowie der JVA-Abteilungsleit­er für den offe­nen Vol­lzug, Ger­hard K. Er hat­te bei der let­zten UA-Sitzung im Jan­u­ar 2018 bestrit­ten, gewusst zu haben, dass Sz. regelmäßig Besuch vom Ver­fas­sungss­chutz bekam. K. wurde nach sein­er Aus­sage vereidigt.
K. war dann auch beim näch­sten Schritt der “Befreiung” von Carsten Szczepan­s­ki beteiligt: Der Anhörung vor der Strafvoll­streck­ungskam­mer des Landgericht­es Pots­dam im Novem­ber 1999. Sz. hat­te beantragt, nach Ver­büßung von zwei Drit­teln der Strafe vorzeit­ig ent­lassen zu wer­den. Im Dezem­ber 1999 erg­ing tat­säch­lich das entsprechende Urteil. Dafür spielte eine wesentliche Rolle, dass Sz. den Prak­tikum­splatz hat­te sowie die große Ent­fer­nung dahin. Zusät­zlich lag ein knappes psy­chol­o­gis­ches Gutacht­en vor, das aber für die Sozial­prog­nose des Straftäters Sz. ziem­lich wert­los war.
Die Rich­terin, die damals das Urteil fällte, reagiert verun­sichert, als ihr die Abge­ord­neten nach und nach die heute bekan­nten Wider­sprüch­lichkeit­en im Falle Szczepan­s­ki präsen­tieren. Um was für eine Prak­tikumsstelle es sich konkret gehan­delt hat, wusste sie nicht. Erst Recht nicht, dass das nicht ein­mal die zuständi­ge Sozialar­bei­t­erin in der JVA wusste. Sie habe sich auf die Stel­lung­nah­men der JVA ver­lassen, habe keinen Grund gehabt, das zu hin­ter­fra­gen, so die Juristin, die heute beim Bun­desver­fas­sungs­gericht tätig ist. Dass jemand ver­sucht habe, sie zu bee­in­flussen oder unter Druck zu set­zen, verneint sie entschieden.
Ein Abge­ord­neter der Linken hakt nach: “Um Sie zu bee­in­flussen, hätte man also den Weg über die zwei wesentlichen Quellen nehmen müssen: a) die Stel­lung­nahme der JVA und b) das psy­chol­o­gis­che Gutacht­en?” Antwort: “Ja, richtig.” Der Anwalt von Steve E., dem Opfer eines mut­maßlichen V‑Mannes, sagt, Teile der Biografie von Carsten Szczepan­s­ki liegen nach wie vor im Dunkeln. Mit­tler­weile weiß man, dass es staatliche Stellen gibt, die sie kennen.

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(Anti-)Rassismus Gender & Sexualität

Frauen* gemeinsam gegen Rassismus und Ungerechtigkeit”

 
Anlässlich des 08. März, dem inter­na­tionalen Frauen*kampf-Tag, ver­anstal­ten wir, Women in Exile, zusam­men mit weit­eren Bündnispartner*innen eine Demon­stra­tion im süd­bran­den­bur­gis­chen Cot­tbus. Wir wen­den uns strikt gegen die recht­spop­ulis­tisch ent­fachte, medi­al aufge­grif­f­ene und ver­wal­tungspoli­tisch getra­gene Het­ze gegen Geflüchtete. Diese Het­ze fol­gt einem kon­ser­v­a­tiv­en und recht­en Frauen­bild, treibt einen Keil durch die Einwohner*innenschaft der Stadt Cot­tbus und provoziert somit eine gezielte Spaltung.
Warum Cot­tbus?
Süd­bran­den­burg im All­ge­meinen und Cot­tbus im Speziellen sind seit langer Zeit als ras­sis­tis­che Hochbur­gen bekan­nt. Der Vere­in Opfer­per­spek­tive meldet seit Jahren zunehmende Gewalt­tat­en in dieser Region. Der neurechte Vere­in “Zukun­ft Heimat” marschiert seit über einem Jahr regelmäßig durch die Cot­tbuser Innen­stadt. Die offizielle Bekan­nt­gabe des Auf­nahmestopps für Geflüchtete aus der Erstauf­nahme-Ein­rich­tung in Eisen­hüt­ten­stadt ist ein falsches und auch gefährlich­es Sig­nal und spielt den Rassist*innen in die Hände. Daher ist es wichtig, jet­zt in Cot­tbus auf die Straße zu gehen und zu zeigen, dass es reicht. Denn, es geht nicht um Geflüchtete, es geht um offene ras­sis­tis­che Het­ze und Gewalt.
Eine Stadt im Griff der Angst 
Seit Monat­en, wenn nicht gar seit Jahren, haben beson­ders geflüchtete Frauen* und Kinder auf­grund ver­baler und physis­ch­er Angriffe Angst, ihre Woh­nun­gen zu ver­lassen. Klin­gelschilder von Geflüchteten und Migrant*innen wer­den beschädigt, so dass Briefe nicht ankom­men. Kinder wer­den in Schulen diskri­m­iniert. Dies führt zu steigen­der Iso­la­tion. Inte­gra­tion scheit­ert auf allen Ebe­nen, da das Prob­lem verkan­nt wird. Ras­sis­mus wohin das Auge reicht! In der Stadt herrscht ein Kli­ma der Angst. Der Druck auf Flüchtlinge und ins­beson­dere auf Flüchtlings­frauen* ist mas­siv. Die Angst ihre Stimme zu erheben ist all­ge­gen­wär­tig. Wir sagen Schluss damit!
Ihr Ras­sis­mus nicht im Namen des Feminismus! 
Eben­falls am 10.03 wollen wieder ras­sis­tis­che Grup­pen durch Cot­tbus marschieren. Unter dem Mot­to “Die Frei­heit der Frau ist nicht ver­han­del­bar” sug­gerieren sie fem­i­nis­tis­che Ansprüche. Fem­i­nis­mus fordert die Abschaf­fung von Ungle­ich­heit und somit gle­iche Rechte und Frei­heit­en für alle Men­schen, egal welch­er Herkunft.Dass dies mit rechtem und ras­sis­tis­chem Denken unvere­in­bar ist, ver­ste­ht sich von selb­st. Darum lasst uns gemein­sam am 10.03. deut­lich machen: Fem­i­nis­mus geht nur ohne Rassismus!
WERDET LAUT gegen Ras­sis­mus, Unter­drück­ung, rechte und ras­sis­tis­che Gewalt! Lasst uns Druck auf die lokalen Behör­den auf­bauen! Lasst uns gemein­sam für den Fem­i­nis­mus kämpfen! Wir rufen alle Grup­pen und Men­schen, die für Fem­i­nis­mus und gegen Ras­sis­mus kämpfen auf, es klar und deut­lich zu sagen: Für das Recht, zu Kom­men! Für das Recht, zu Gehen! Für das Recht, zu Bleiben! Für das Recht auf Selbstbestimmung!
Cot­tbus 10.03.2018, 11:30 Uhr, Muskauer Platz (Cot­tbus Sandow)
 
 

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Flucht & Migration Law & Order

Innenminister Schröter verleugnet einzig wirksames Mittel gegen Gewalt: Abschiebelager abschaffen!

Am ver­gan­genen Mittwoch besuchte Innen­min­is­ter Schröter die Erstauf­nah­meein­rich­tung für Flüchtlinge in Dober­lug-Kirch­hain. Der Fokus lag dabei auf Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen Bewohner_innen, denen nun mit erhöhter Präsenz von Polizei und Sicher­heitsper­son­al begeg­net wer­den soll. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg ist empört über die Igno­ranz von Lan­desregierung, Innen­min­is­teri­um und Polizei gegenüber den struk­turellen Ursachen für diese Vor­fälle, die in der prob­lema­tis­chen Lagerun­ter­bringung begrün­det sind. Die Fol­gen, die Unter­ver­sorgung, Iso­la­tion und Per­spek­tivlosigkeit haben kön­nen, sind haus­gemacht, verur­sacht von ein­er men­sche­nun­würdi­gen Unter­bringungspoli­tik der Landesregierung.
In Gemein­schaft­sun­terkün­ften wie der Erstauf­nahme haben Men­schen kaum Rück­zugsmöglichkeit­en, sie sind häu­fig extremen All­t­agssi­t­u­a­tio­nen, Enge und Stress aus­ge­set­zt. Erstauf­nah­me­lager fungieren zunehmend als Abschieber­am­p­en und schließen Men­schen aus dem gesellschaftlichen Zusam­men­leben gezielt aus. Konkret bedeuten sie die Ver­wehrung von reg­ulär­er Beschu­lung, eingeschränk­te Bewe­gungs­frei­heit, Arbeitsver­bote, min­i­male Gesund­heitsver­sorgung und stark eingeschränk­ten Zugang zu Beratungs- und Hil­festruk­turen. Polizei und Sicher­heits­di­enst bedeuten für die Bewohner_innen nicht Schutz, son­dern Kon­trolle und Abschiebung. Insofern ist eine Ver­stärkung dieser Kon­trol­linstanzen mehr als frag­würdig, da sie zu weit­erem Stress und Angst führen wird.
„Es ist zynisch und unmen­schlich, Men­schen monate- und jahre­lang auf eng­stem Raum zen­tral in abgele­ge­nen Kaser­nen unterzubrin­gen und dann die Auswirkun­gen dieser Zwang­sun­ter­bringung als Anlass zu nehmen, die Frei­heit­en und Hand­lungsmöglichkeit­en der Betrof­fe­nen noch weit­er einzuschränken“, kom­men­tiert Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Stu­di­en zu den Effek­ten zen­traler, fremdbes­timmter Unter­bringungs­for­men haben gezeigt, dass sich diese Lebens­be­din­gun­gen gesund­heitss­chädi­gend auswirken können.
Anstatt eine sachgerechte Analyse der Aus­gangslage vorzunehmen, disku­tiert Schröter lieber einen Verbleib von Flüchtlin­gen bis zu 24 Monat­en in Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen wie Dober­lug-Kirch­hain. Ein wirk­samer Gewaltschutz kann aber nur erfol­gen, wenn Lager wie dieses abgeschafft wer­den. Men­schen müssen unab­hängig von Herkun­ft und Bleibeper­spek­tive dezen­tral unterge­bracht und aufgenom­men, statt aus­ge­gren­zt und kaserniert werden.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Zurück auf den Boden des Grundgesetzes! Familiennachzug ist Menschenrecht!

2016 hat­te die Bun­desregierung den Fam­i­li­en­nachzug für sub­sidiär geschützte Kriegs­flüchtlinge bis März 2018 aus­ge­set­zt. Die Hoff­nung der Geflüchteten, nun endlich auch ihre Fam­i­lien in Sicher­heit brin­gen zu kön­nen, wurde durch einen Beschluss des Bun­destags Anfang Feb­ru­ar erneut zunichte gemacht. „Das ist ein human­itär­er Offen­barung­seid, eine tiefe Ver­beu­gung vor dem Recht­spop­ulis­mus. Und es ist ein krass­er Ver­stoß gegen die Grun­dord­nung unseres Staates“ schätzt der Sprech­er des Aktions­bünd­niss­es Mar­tin Osin­s­ki ein. „Ehe und Fam­i­lie ste­hen unter dem beson­deren Schutz des Staates.“ heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes.
Gegen die weit­ere Tren­nung der Fam­i­lien waren im Jan­u­ar zahlre­iche Organ­i­sa­tio­nen Sturm gelaufen, darunter auch das Deutsche Kinder­hil­f­swerk. Die Exper­tIn­nen für den Schutz von Kindern hat­ten ein­dringlich vor den Fol­gen gewarnt, wenn Kinder jahre­lang von ihren Eltern getren­nt aufwach­sen müssen.Sie hat­ten erfol­g­los an die Bun­destagsab­ge­ord­neten appel­liert, „das inter­na­tion­al und grundge­set­zlich geschützte Recht auf famil­iäres Zusam­men­leben auch für diese Flüchtlingskinder zu respektieren“.
Die etwa ein­stündi­ge Ver­samm­lung auf dem Neu­rup­pin­er Schulplatz begin­nt am Mon­tag, 12.03.2018 um 17 Uhr.

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Sonstiges

Einladung zu den Anarchistischen Tagen 2018 Potsdam!

Hier­mit laden wir alle Inter­essierten zu den anar­chis­tis­chen Tagen in Pots­dam am 4. bis 18. März 2018 ein.
Was sind die anar­chis­tis­chen Tage?
In erster Lin­ie eine Gele­gen­heit für Anarchist*innen und Sympathisant*innen, einan­der ken­nen zu ler­nen und sich gegen­seit­ig zu bilden. Dafür haben wir auch ein Pro­gramm mit Vorträ­gen und Diskus­sio­nen ent­wor­fen. Aber natür­lich gibt es an den Kern­ta­gen am Woch­enende 16. bis 18. März auch einen Ort, an dem wir ein­fach gemein­sam rumhän­gen, reden und essen können.
Wozu sind die anar­chis­tis­chen Tage gut?
Wir wollen anar­chis­tis­che Per­spek­tiv­en, Hand­lungs- und Organ­isierungsmöglichkeit­en sicht­bar machen. Durch die Ver­anstal­tun­gen soll eine Grund­lage für das Forschen nach herrschafts­freier Prax­is geboten wer­den. Sicht­barkeit und Plat­tfor­men für Anarchist*innen fehlen unserem Ein­druck nach in Pots­dam, dabei bilden sie eine wichtige Voraus­set­zun­gen dafür, dass der Anar­chis­mus irgend­wann mal wieder gesellschaftsverän­dernde Kraft entwick­eln kann.
Wenn Ihr fra­gen habt oder Pen­nplätze braucht, schreibt uns: atagepotsdam@riseup.net

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Arbeit & Soziales Flucht & Migration

Alle anders, alle gleich!“

Am 23.02.2018 find­et die Pre­miere des Films „Alle anders, alle gle­ich – Geschicht­en aus dem Lebens“ in Frank­furt (Oder) statt. Ein­lass ist ab 18:30 Uhr im „Frosch – Der Club“ (Ziegel­straße 36, 15230 Frank­furt (Oder)). Der Film ist das Ergeb­nis eines Pro­jek­tes des Utopia e.V., bei dem 15 geflu?chteten und nicht-geflu?chteten Jugendliche seit Som­mer 2017 zusammenarbeiteten.
Im Rah­men der interkul­turellen Begeg­nung haben die Mit­glieder der Gruppe sich u?ber ihre Lebens­geschicht­en aus­ge­tauscht, Gemein­samkeit­en als auch Unter­schiede her­aus­gear­beit­et und die gewonnenen Erken­nt­nisse im Film verarbeitet.
„Wir geben den einzel­nen Protagonist*innen ein Gesicht, um sie aus der Anonymita?t zu befreien.“, so Madlen Fox, Sprecherin der Gruppe.
„Ziel des Films ist es, Ras­sis­mus und anderen Diskri­m­inierungs­for­men ent­ge­gen­zuwirken, um unseren Tra?umen von ein­er offe­nen Gesellschaft na?her zu ru?cken“, so Hadi Hus­sai­ni, ein weit­er­er Sprech­er der Filmemacher*innen.
Das Pro­jekt wurde gefo?rdert durch die Bun­deszen­trale fu?r poli­tis­che Bil­dung und im Rah­men des Bun­de­spro­gramms „Demokratie leben!“ durch das Bun­desmin­is­teri­um fu?r Fam­i­lie, Senioren, Frauen und Jugend.

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Arbeit & Soziales Law & Order

Unsere Solidarität gegen eure Ausgrenzung!

Heute fand unser Protest gegen die Zwangsräu­mung der Fam­i­lie Jahnke in Gallinchen statt. Unserem Wider­stand und der Tat­sache, dass es keine vernün­ftige Alter­na­tive für die Fam­i­lie gibt zum Trotz, hat die Gerichtsvol­lzieherin die Räu­mung mit Polizeiun­ter­stützung durchge­führt. Unsere Forderung nach ein­er trag­baren Alter­na­tive für die Fam­i­lie bleibt bestehen.
Etwa 25 Per­so­n­en sind heute unserem Aufruf gefol­gt und haben heute zwis­chen 10 und 12 Uhr vor dem Haus der Fam­i­lie Jahnke in Gallinchen gegen die Zwangsräu­mung der Fam­i­lie protestiert. Wir riefen Parolen wie: „Prof­ite, Prof­ite über alle Maße, dafür set­zen sie Kinder auf die Straße!“ und hat­ten Schilder und Ban­ner des Sol­i­dar­ität­snet­zw­erks mit unseren Forderun­gen mit­ge­bracht. In Rede­beiträ­gen macht­en wir immer wieder darauf aufmerk­sam, dass das Schick­sal der Fam­i­lie Jahnke kein Einzelfall ist, son­dern dass tausende Men­schen täglich in diesem Land auf­grund von niedri­gen Löh­nen oder Arbeit­slosigkeit vom Ver­lust ihrer Woh­nung bedro­ht sind.
Die Gerichtsvol­lzieherin rück­te von Anfang an mit einem Aufge­bot von etwa 20 Polizis­ten an, um die Räu­mung durchzuset­zen. Mehrmals beton­ten wir, dass die Stadt Cot­tbus, die rechtliche Möglichkeit hat, die Zwangsräu­mung aufzuschieben, in dem sie eine befris­tete Beschlagnah­mung der Woh­nung beschließt. Offen­bar hat sich die Stadtver­wal­tung aber dage­gen entsch­ieden. Jan Gloß­mann, Sprech­er der Stadt Cot­tbus, gab dem Sol­i­dar­ität­snet­zw­erk gegenüber an, dass die Beschlagnah­mung nur für drin­gende Not­fälle vorge­se­hen sei, in denen es keine andere Alter­na­tive gibt. Diesen Fall sieht die Stadt offen­bar nicht als gegeben an.
Den auch in der Presse und zum Beispiel auf Face­book ver­bre­it­eten Gerücht­en, dass der Fam­i­lie zahlre­iche Ange­bote gemacht wor­den seien, die sie nicht akzep­tiert hät­ten, wider­spricht Daniela Jahnke entsch­ieden: „Uns wur­den Häuser, die kilo­me­ter­weit weg sind, ange­boten, mit denen wir unser Fam­i­lien­leben ein­fach nicht mehr bewälti­gen kön­nten. Als Notlö­sung gel­ten für die Stadt unter anderem auch zwei Woh­nun­gen, die in zwei unter­schiedlichen Hau­se­ingän­gen sind. Was für eine Lösung soll das sein? Wie sollen wir unter solchen Umstän­den unser­er Auf­sicht­spflicht als Eltern nachkommen?“.
Obwohl die Zwangsräu­mung nicht ver­hin­dert wer­den kon­nte, bleibt ein Teil unser­er Forderun­gen beste­hen: Wohn­raum muss auch in Cot­tbus mehr sein als eine Ware! Es müssen mehr Inter­essen als die der Ver­mi­eter berück­sichtigt werden!
Von der Stadt fordern wir weit­er­hin eine tat­säch­lich mit dem Fam­i­lien­leben vere­in­bare Lösung zu schaf­fen und sich nicht weit­er hin­ter Schein­lö­sun­gen zu ver­steck­en, um sich so aus der Ver­ant­wor­tung zu ziehen.

Inforiot