Das extrem rechte Bürgerbündnis Havelland setzte am Dienstagabend seine Kundgebungsserie auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Es erschienen fünf bekannte Vereinsmitglieder aus Rathenow und Premnitz sowie zehn weitere Sympathisierende der Vereinigung aus Rathenow, Brandenburg an der Havel und Berlin.
Als Versammlungsleiter gab sich Ralf Maasch zu erkennen. Er und zwei weitere bekannte Vereinsmitglieder, darunter auch der, gemäß aktuellem Vereinsregisterauszug, amtierende Vereinsvorsitzende, hielten Redebeiträge. Eine weitere (geplante) Rednerin aus dem extrem rechten Berliner BÄRGIDA-Umfeld hat angeblich witterungsbedingt abgesagt.
Der Vereinsvorsitzende Christian Kaiser kommentierte, in einer für ihn typischen Art und Weise, den Bürgermeisterwahlkampf in Rathenow. Er bedankte sich bei den Wählenden, die für ihn stimmten, und rief dazu auf bei der kommenden Stichwahl den amtierenden Bürgermeister zu wählen: „Liebe Leute geht einfach hin und wählt lieber Ronald Seeger anstatt diese rote Brut. Das ist das Allerletzte. Lasst uns Golze verhindern mit aller Macht“, so Kaiser. Der Vorsitzende des Bürgerbündnisses war, neben Ronald Seeger (CDU) und Daniel Golze (LINKE), einer von fünf Kandidaten für das höchste Amt in der Stadt. Bei der Wahl am 25. Februar 2018 stimmten jedoch nur 813 Wählende für Kaiser, 8.829 hielten andere Kandidaten für geeigneter. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,7 %.
Trotz des deutlich niedrigen Wahlergebnisses für Kaiser bekräftigte dieser auch am Dienstagabend seine Absichten auch künftig in der Kommunalpolitik mitmischen zu wollen. Zwar wolle er sich beim Bürgerbündnis vorerst von der Bühne zurückziehen, sich jedoch politisch weiter schulen. Dabei deutete Kaiser auch eine mögliche Kandidatur zu den Wahlen zur Rathenower Stadtverordnetenversammlung an.
Nach zwei weiteren kurzen Redebeiträgen von Vereinsmitgliedern aus Rathenow endete die Versammlung des Bürgerbündnisses Havelland witterungsbedingt vorzeitig nach 40 Minuten. Den Dauerdemonstrierenden war es offensichtlich zu kalt.
Jahr: 2018
Der Landkreis Barnim hat die Entwicklung eines Konzepts für Sprachmittlung in Auftrag gegeben und will demnächst darüber beraten und entscheiden, ob und wie es umgesetzt wird. Dabei geht es darum, für Behördentermine, Arztbesuche, Beratungen u.ä. einfacher als bisher Sprachmittler_innen hinzuziehen zu können.
Das Fehlen von Sprachmittler_innen ist häufig ein Problem, für die Betroffenen, die (noch) nicht gut Deutsch sprechen ebenso wie für Ärzt_innen, Ämter und andere. Ärzt_innen können Menschen nicht sinnvoll beraten, wenn die Verständigung nicht funktioniert. Beim Grundsicherungsamt, Jobcenter und anderen Stellen haben die Angestellten häufig mehr Arbeit, wenn sie nicht richtig verstanden werden. Betroffene wiederum haben Rechte gegenüber den Ämtern und müssen ihre Rechte kennen, verstehen und dafür einstehen können. Wenn schon hier Aufgewachsene oft nur schwer bürokratische Begriffe und Vorgänge verstehen können, wie soll es dann jemand können, der noch nicht lange genug hier lebt, um die Sprache so gut zu beherrschen?
Diesen Problemen soll ein Sprachmittlungs-Konzept entgegenwirken. Die Initiative „Barnim für alle“ begrüßt es sehr, dass der Landkreis das Thema angeht. Bisher gibt es lediglich den Verein „Kontakt e.V.“ als unabhängige Stelle, die Sprachmittler_innen in begrenztem Umfang vermitteln kann und der für einzelne Übersetzungsleistungen vom Grundsicherungsamt eine Erstattung bekommt. Ein Sprachmittler_innen-Pool, über den Betroffene als auch Ämter, Ärzt_innen usw. unkompliziert Sprachmittler_innen für Termine buchen können, würde dem Abhilfe verschaffen. Der Landkreis hofft, einen solchen Sprachmittler_innen-Pool rein aus Ehrenamtlichen aufbauen zu können. In diesem Ansatz sieht die Initiative „Barnim für alle“ mehrere Probleme:
‑Nur eine angemessene Vergütung kann Professionalität und kontinuierliche Qualität sichern, denn ehrenamtliche Sprachmittler_innen sind davon schnell überfordert, wenn sie keine oder keine ausreichende Aus- und Fortbildung und Berufspraxis haben.
‑Bezahlte Sprachmittler_innen können ihre Kenntnisse vertiefen, wenn sie regelmäßig dolmetschen und nicht einer anderen Vollzeit-Erwerbsarbeit nachgehen müssen.
‑Eine klare Rollentrennung zwischen Dolmetschen und ehrenamtlichem Unterstützen ist notwendig, um die Neutralität der Sprachmittlerin/ des Sprachmittlers zu sichern.
In vielen Städten und Landkreisen gibt es staatlich finanzierte Sprachmittlungs-Konzepte, die die Sprachmittler_innen angemessen bezahlen. In Städten wie Osnabrück und Hannover werden mind. 20,00 Euro/ Stunde bezahlt. In Hennigsdorf im Landkreis Oberhavel bekommen Sprachmittler_innen immerhin Aufwandsentschädigungen, wenn auch (noch) keine Honorare.
Die Inititative „Barnim für alle“ fordert den Landkreis auf, ein Sprachmittlungs-Konzept zu beschließen, das eine angemessene Vergütung vorsieht, um die nötige Qualität zu gewährleisten. Dazu müsste ein Finanzierungskonzept entwickelt werden, das beachtet, wie viel Arbeitszeit und damit Kosten den jeweils beteiligten staatlichen Stellen (Ämter, Schulen,…) zusätzlich entstehen, wenn es keine funktionierende Sprachmittlung gibt. Jede dieser staatlichen Stellen könnte sich an der Übernahme der Kosten beteiligen.
Unter dem Motto „Cottbus unerhört!“ lädt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am 01. März 2018 zu einer zweifelhaften „Diskussionsplattform“, um über die Probleme in Cottbus zu debattieren, die laut Ankündigungstext seit Beginn des Jahres bestehen. Zur Veranstaltung sind auch der neurechte Verein Zukunft Heimat und eine lokale AfD-Vertreterin geladen. Wer aber politisch Andersdenkende als “Volksverräter” bezeichnet, kann kein Dialogpartner sein.
Auf den Demonstrationen von Zukunft Heimat gehören Rufe wie “Volksverräter” und “Lügenpresse” zum Standardritual - beinahe wie das Amen in der Kirche. Auch am 24. Februar riefen hunderte Demonstrationsteilnehmende “Volksverräter” während einer Rede des Geschäftsführers der AfD-Bundestagsfraktion Hansjörg Müller gegen alle anderen Parteien im Bundestag. Götz Kubitschek hatte zuvor Politik und Zivilgesellschaft zum Feind der Demonstrierenden erklärt — ebenfalls unter Volksverräter-Rufen.
Dazu erklärt Luise Meyer: “Wer Volksverräter ruft, will keinen Dialog. Er entzieht einem potentiellen Dialog die Grundlage, indem er politisch Andersdenkende, MedienvertreterInnen und PolitikerInnen zu Volksfeinden erklärt. In biederer Maske wollen AfD und Anhänger gerade keinen politischen Meinungsaustausch, sondern sie bereiten bereits die nächsten Demonstrationen vor, auf denen gegen politisch Andersdenkende und Flüchtlinge gehetzt wird — und Volksverräter-Rufe gehören zu jeder ihrer Demonstrationen.”
Während und nach den Demonstrationen von Zukunft Heimat kam es in der Vergangenheit zu mehreren gewalttätigen Übergriffen. “Menschen haben Angst in die Innenstadt zu gehen, wenn Zukunft Heimat dort demonstriert. Nachweislich befinden sich jedes Mal gewalttätige Neonazis unter den Teilnehmenden. Und diese rufen nicht nur Volksverräter, sondern werden handgreiflich.” fährt Luise Meyer fort. “Das politische Spiel ist doch ganz einfach: die AfD und ihre Vorfeldorganisation Zukunft Heimat schüren Ängste in der Bevölkerung, um sich dann selbst als Lösung anzubieten. Da spielen wir nicht mit.”
Darüber hinaus kritisiert Cottbus Nazifrei die zeitlich verkürzte Betrachtung von Vorfällen erst ab Januar 2018. So wurde beispielsweise am 28.06.2017 eine junge Afghanin auf dem Weg nach Hause mit ihren beiden Kindern von einer Frau angegriffen und mit einem Messer bedroht. Die Frau flüchtete in ihre Wohnung, die gerufene Polizei konnte das Messer kurze Zeit später sicherstellen. Am 23.06.2017 griffen in Guben mehrere Personen einen aus Afghanistan stammenden Vater und seinen 13-jährigen Sohn an, prügelten den Vater bewusstlos und verletzten seinen Sohn mit einem Messer. Weitere Übergriffe auf Geflüchtete und FlüchtlingshelferInnen sind auf der Internetseite des Vereins „Opferperspektive e.V.“ dokumentiert. Cottbus bildete in ganz Brandenburg 2016 die einsame Spitze bei Anzahl und Anstieg rassistischer und rechter Angriffe.
Der Verein Zukunft Heimat, der eng mit der AfD zusammenarbeitet, bereitete sich schon mindestens seit Mai 2017 auf seine Angstkampagne vor, die seit September im Vorfeld des Stadtfestes angekündigt wurde. Auch die Veranstaltung des rbb am 1. März ist also Ergebnis einer fremdenfeindlich motivierten und teilweise rassistischen Kampagne, die Angst in der Bevölkerung schüren und einen Keil zwischen CottbuserInnen und Geflüchteten treiben soll.
Der Zschäpe-Prozess in München wird in den kommenden Wochen voraussichtlich tatsächlich zu Ende gehen — der Skandal namens “NSU” aber bleibt. Dazu zählt die tiefe Verstrickung des Verfassungsschutzes (VS) in die Mordserie. Er hatte in den rechtsextremen Szenen eine Reihe von V‑Leuten im Einsatz, lange bevor das Trio Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe vor der Polizei floh.
Die VS-Geschichte lief bereits, als die NSU-Geschichte begann. Eine wichtige Figur dabei ist Carsten Szczepanski aus Berlin, Neonazi und Informant des Geheimdienstes namens “Piatto”. Der Untersuchungsausschuss von Brandenburg bemüht sich, seine Rolle zu rekonstruieren — und stößt auf bemerkenswerte Funde. Auf einen Verfassungsschutz, dem es offensichtlich gelingt, rechtsstaatliche Verfahren zu manipulieren. Auf einen V‑Mann, der allem Anschein nach auch aus dem Justizministerium heraus gedeckt wird. Ein Lehrstück.
“Piattos” Geschichte kurz von hinten her erzählt: Schon ab 1998 hatte er in Chemnitz Kontakt zum Umfeld des untergetauchten Trios. Spätestens im August 1998 wusste er, dass die drei sich bewaffnen und Raubüberfälle planen. Das meldete er auch dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) von Brandenburg. 1994 hatte er sich im Knast zur Zusammenarbeit mit dem Dienst bereiterklärt. Inhaftiert war er, weil er 1992 versucht hatte, einen nigerianischen Flüchtling zu ermorden. Doch weil Carsten Szczepanski auch zu jenem Zeitpunkt höchst wahrscheinlich bereits mit einer Geheimdienststelle in Verbindung stand, was offiziell aber mit Schweigen belegt wird, muss seine Geschichte an der Stelle auch von vorne erzählt werden.
Szczepanski, Jahrgang 1970, baute nach der Wende in der DDR im Umland von Berlin eine neonazistische Ku-Klux-Klan-Gruppierung auf. Bei einem Treffen im Herbst 1991 war auch der KKK-Chef aus den USA, Dennis Mahon, dabei. Im Dezember 1991 durchsuchte die Polizei seine Wohnung und fand Utensilien zum Bombenbau. Sz. tauchte unter, die Bundesanwaltschaft (BAW) leitete am 13. Februar 1992 ein Verfahren gegen ihn und den Ku-Klux-Klan Berlin-Brandenburg wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ein. Am 22. Februar 1992 wurde Sz. in Brandenburg festgenommen. Möglicherweise gab den Tipp ein Spitzel. Nur: von welcher Behörde? Der Brandenburger Verfassungsschutz kann es nicht gewesen sein, denn er durfte erst ab 1993 menschliche Quellen führen. Bemerkenswert dann: Sz. wurde am 23. Februar direkt wieder freigelassen. Warum? Vom 24. bis 26. Februar stellte er sich einer dreitägigen Vernehmung durch das Bundeskriminalamt (BKA).
Rechtsanwalt Christoph Kliesing, der das nigerianische Opfer von 1992 vertritt und im Januar 2018 im Untersuchungsausschuss (UA) gehört wurde, ist der Meinung, dass Sz. in jenen Februartagen “überredet” wurde zu reden. Sprich: Er nimmt an, dass Sz. am 23. Februar 1992 von einer Behörde als Informant “angeworben” wurde. Möglicherweise vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Entgegen anderen Fällen weigert sich das Amt bisher gegenüber dem UA zu verneinen, dass Sz. seine Quelle war.
Der Verdacht, dass Sz. schon vor seiner Kooperation mit dem VS von Brandenburg mit einem anderen Amt zusammengearbeitet hat, wird erhärtet durch zwei Briefe des früheren VS-Chefs von Brandenburg, Wolfgang Pfaff, die im Ausschuss zitiert wurden. Im Oktober 1995 schrieb Pfaff im Plural einmal von “Kontakten Szczepanskis zu Verfassungsschutzbehörden”, ein andermal “zu Sicherheitsbehörden”. Pfaff war einmal Bundesanwalt und lange Jahre Verbindungsbeamter der Bundesanwaltschaft beim BfV. Ein Westimport der Exekutive in den neuen Ländern sozusagen. Nicht der einzige, wie sich zeigen wird.
Interessanterweise hat Carsten Szczepanski selber als Zeuge im NSU-Prozess vor dem OLG in München erklärt, bereit 1991 Informant für eine Behörde gewesen zu sein. Der Februar 1992 läge da datumsmäßig nicht so weit entfernt. Von Bedeutung ist das auch, weil Sz. den Mordversuch an dem Nigerianer Steve E. dann als Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde begangen hätte. Am 9. Mai 1992 war der Asylsuchende in Wendisch-Rietz von mehreren Neonazis lebensgefährlich attackiert worden. Sz. soll dabei unter anderem “KKK!” gerufen haben. Das Gericht sah einen “direkten Tötungsvorsatz” als belegt an.
Nach seiner ausführlichen Aussage beim BKA im Februar 1992 liefen verschiedene Verfahren im Interesse Szczepanskis. Sie wurden liegen gelassen, bis sie verjährt waren, oder wurden eingestellt. Das Terrorismusverfahren der BAW wurde im September 1992 eingestellt.
Man kennt diesen Umgang bei anderen V‑Leuten wie etwa Tino Brandt. Für Rechtsanwalt Kliesing muss jemand Szczepanski “geschützt” haben.
Als der Prozess Ende 1992 begann, war Sz. noch nicht einmal Beschuldigter in dem Verfahren. Das geschah erst im Dezember 1992, der Vorwurf lautete zunächst lediglich auf “gefährliche Körperverletzung”. Erst 1994 wurde die Anklage auf “versuchten Mord” umgeändert und Sz. daraufhin im Mai 1994 in Haft genommen — zwei Jahre nach der Tat. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder im Februar 1995 lautete schließlich auf acht Jahre Haft wegen versuchten Mordes.
1994 kam es in der U‑Haft zur offiziell bestätigten Verpflichtung Carsten Szczepanskis als V‑Mann des Verfassungsschutzes von Brandenburg mit dem Decknamen “Piatto”. Wenn er schon 1992 ein V‑Mann war, dann war er nach Einschätzung von Rechtsanwalt Kliesing durch den Mordversuch an seinem Mandanten danach für den entsprechenden Dienst eine “tickende Zeitbombe” geworden. Deshalb sei er von einem Dienst bei einem anderen “entsorgt” worden.
Jedenfalls bestimmte nun der Verfassungsschutz von Brandenburg die Knastregeln für seinen Schützling. Und zwar mit Wissen des Justizministeriums.
Illegales Handeln eines Geheimdienstes und seiner Quelle, abgedeckt durch ein Ministerium?
Regelmäßig besuchten zwei VS-Beamte den Strafgefangenen. Der eine war Gordian Meyer-Plath, heute VS-Präsident in Sachsen. Der andere hieß Hermann-Dieter B. und wurde innerhalb des Gefängnisses als “Sozialarbeiter” “verkauft”. Das bestätigt der zuständige Abteilungsleiter, zeitweise auch kommissarischer JVA-Chef, Kurt E., gegenüber den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss. In der Sitzung im Januar hatten E. sowie der langjährige JVA-Leiter Wolfgang H. noch abgestritten, auch nur irgendetwas von den VS-Aktivitäten im Haus mitbekommen zu haben. H. hatte sich zur Februarsitzung jetzt krankgemeldet (Dauersumpf NSU, siehe Kapitel: Schauplatz Untersuchungsausschuss Brandenburg: V‑Mann “Piatto”).
Die Insassen sollen aber nichts von Szczepanskis VS-Kontakten gewusst haben. Dass die Frage, ob ein Häftling als Informant für einen Nachrichtendienst arbeiten soll, intensiv erörtert worden sein musste, ergab sich aus den Ausführungen eines anderen zeitweiligen JVA-Leiters, Bernd R., der die letzte UA-Sitzung geschwänzt hatte. Die Anstaltsleitung habe Bedenken geäußert aufgrund der Stasi-Überwachungen zu DDR-Zeiten. Wenn Insassen, die in der DDR groß geworden waren, mitbekämen, dass es wieder Ausspähungen im Knast gebe, dass, so R. wörtlich, “wir im neuen System ähnlich arbeiten”, sei das für die Ziele des Strafvollzuges “klimatödlich”. Außerdem hätten sie Sorge gehabt, dass die Sicherheit des V‑Mannes Sz. gefährdet ist.
Letztlich trug die JVA-Leitung aber die Anwesenheit der Verfassungsschützer mit und half bei der Konspiration. Im Jahr 1995 war der LfV-Beamte Meyer-Plath 24-mal da, haben die Abgeordneten gezählt, von März 1996 bis Januar 1997 der “Sozialarbeiter” B. in Diensten des VS 17-mal.
Doch auch aus der rechtsextremen Szene erhielt V‑Mann “Piatto” immer wieder Besuch, unter anderem aus Chemnitz von Michael und Antje Probst, in deren Szeneladen er später jobbte, sowie von Thomas Starke, der im Januar 1998 der erste Anlaufpunkt des flüchtenden Trios Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe aus Jena wurde. Probsts und Starke können zum unmittelbaren NSU-Umfeld gerechnet werden. Gegen Starke ist zur Zeit noch eines von neun Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen neun Beschuldigte anhängig.
Als nach dem Fund von rechtsextremistischen Schriften bei Szczepanski vorübergehend dessen Post kontrolliert wurde, sorgte die Gefängnisleitung dafür, dass das nur durch einen Wachtmeister geschah, der eingeweiht war. Er wusste von dem Kontakt zum Landesverfassungsschutzamt (LfV) und sorgte dafür, dass der Brief- und Päckchen-Verkehr mit dem Häftling ungestört weiterlaufen konnte. Keine Postkontrolle durchzuführen, wie es das Amt wollte, wäre auffällig gewesen, deshalb, so der damalige JVA-Chef R., habe man es auf diese Weise geregelt. “Postkontrolle fand also nicht statt”, kommentiert ein Ausschussmitglied, “es war eine legendierte Postkontrolle.”
Bernd P., der die JVA Brandenburg von 1992 bis Juli 1995 leitete, war, wie der LfV-Chef Pfaff, ebenfalls ein Westimport. Er wechselte 1995 ins Justizministerium des Landes, wo er den Rang eines Ministerialrates bekleidete. Er hatte in der Folge wiederholt mit der JVA und dem V‑Mann-Häftling Sz. zu tun. Einmal nahm er persönlich an einem Gespräch mit dem V‑Mann-Führer Meyer-Plath teil, bei dem es um die Frage einer Haftverkürzung Szczepanskis ging, die der Dienst begrüßte.
Das Justizministerium war also in die Causa Szczepanski involviert und deckte die Pläne des LfV mit seiner Quelle “Piatto” ab. Justizminister war in jenen Jahren der Westimport Hans-Otto Bräutigam, bekannt als ehemaliger Leiter der Ständigen BRD-Vertretung in der DDR.
Aus den Akten, die die Abgeordneten vorliegen haben, ergeben sich Hinweise, dass in der JVA mindestens drei rechte Szeneblätter hergestellt und nach draußen geschmuggelt wurden. Ein Häftling hatte deshalb sogar Strafanzeige erstattet. Sz. selber soll das Fanzine “United Skins” produziert haben. Offiziell wird das bestritten. Ministerialrat Bernd R. war im Justizministerium mit der Sache befasst — und beschied dienstlich, es sei auszuschließen, dass ganze Hefte in der JVA hergestellt worden seien. Möglich sei lediglich, dass einzelne Beiträge den Weg nach draußen gefunden haben könnten. Aber auch dafür gebe es keine Hinweise.
Im NSU-Ausschuss von Brandenburg bleibt R. bei seiner Bewertung und begründet sie mit keinem geringeren als dem Amt selber: “Wenn etwas vorgelegen hätte, hätte sich der Verfassungsschutz gemeldet oder das Innenministerium.” Dann zitiert der Ministerialrat a.D. noch einen EDV-Mann aus der JVA, der es “technisch ausgeschlossen” habe, dass ganze Hefte in der Anstaltsdruckerei hätten hergestellt werden können.
Die Abgeordnete der Grünen und ihr Mitarbeiter suchen daraufhin die Aussage jenes EDV-Mannes und finden folgenden Satz von ihm: “Das Absuchen der Festplatten würde Tage dauern”, um das festzustellen. Offensichtlich wurde der Vorgang nicht überprüft, er kann also nicht ausgeschlossen werden.
Illegales Handeln eines Geheimdienstes und seiner Quelle, abgedeckt durch ein Ministerium? Offensichtlich musste die Quelle “Piatto” von besonderem “Wert” sein. Das hatte schon vor fünf Jahren der ehemalige V‑Mann-Führer und heutige LfV-Chef in Sachsen, Gordian Meyer-Plath, vor dem NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag erklärt. Carsten Sz. alias “Piatto” sei für den Informationsbedarf des LfV ein Meilenstein gewesen. Selbst durch die kritische Nachfrage, ob Sz. für das Amt “noch wertvoller” gewesen wäre, wenn er “den Mord im Mai 1992 vollendet” hätte, ließ sich der Karrierebeamte nicht provozieren und antwortete kühl: “Das ist reine Spekulation.” Herauskam noch: Der V‑Mann und sein Führer — sie duzten sich.
Auffällige Sonderbehandlung des Gefangenen Szczepanski
In der JVA Brandenburg an der Havel ging die Sonderbehandlung des Gefangenen Szczepanski weiter. 1998 kam er in den offenen Vollzug. Er konnte ein sogenanntes Praktikum machen — und zwar im über 200 Kilometer entfernten Chemnitz in dem rechten Szeneladen “Sonnentanz” der Probsts. Hin- und zurückgebracht wurde er von seinen Beamten des LfV Brandenburg. V‑Mann-Führer als V‑Mann-Fahrer sozusagen.
Die für die Organsierung von Praktika zuständige Sozialarbeiterin gibt sich im Ausschuss von Potsdam überrascht. Eine Praktikumsstelle, die derart weit weg ist, könne sie sich nicht vorstellen. Dem hätte sie nie zugestimmt. Wenn, dann wäre der Häftling in die nahe gelegenste Haftanstalt verlegt worden.
Auch die konkrete Praktikumsstelle, jener Neonaziladen in Limbach-Oberfrohna bei Chemnitz, war der JVA-Angestellten nicht bekannt. Sie sei die Person gewesen, die die Praktikaplätze vorbereitete und auch im Vorfeld angeschaut habe, aber: “Ich bin nicht nach Limbach gefahren, 100-prozentig.”
Wurden Praktikumsstelle plus Arbeitsvertrag also an der dafür Verantwortlichen vorbei organisiert, hinter ihrem Rücken? Die Beteiligten jedenfalls müssen gewesen sein: der Gefangene Szczepanski und seine VS-Männer, die Praktikumsgeber Probst sowie der JVA-Abteilungsleiter für den offenen Vollzug, Gerhard K. Er hatte bei der letzten UA-Sitzung im Januar 2018 bestritten, gewusst zu haben, dass Sz. regelmäßig Besuch vom Verfassungsschutz bekam. K. wurde nach seiner Aussage vereidigt.
K. war dann auch beim nächsten Schritt der “Befreiung” von Carsten Szczepanski beteiligt: Der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Potsdam im November 1999. Sz. hatte beantragt, nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe vorzeitig entlassen zu werden. Im Dezember 1999 erging tatsächlich das entsprechende Urteil. Dafür spielte eine wesentliche Rolle, dass Sz. den Praktikumsplatz hatte sowie die große Entfernung dahin. Zusätzlich lag ein knappes psychologisches Gutachten vor, das aber für die Sozialprognose des Straftäters Sz. ziemlich wertlos war.
Die Richterin, die damals das Urteil fällte, reagiert verunsichert, als ihr die Abgeordneten nach und nach die heute bekannten Widersprüchlichkeiten im Falle Szczepanski präsentieren. Um was für eine Praktikumsstelle es sich konkret gehandelt hat, wusste sie nicht. Erst Recht nicht, dass das nicht einmal die zuständige Sozialarbeiterin in der JVA wusste. Sie habe sich auf die Stellungnahmen der JVA verlassen, habe keinen Grund gehabt, das zu hinterfragen, so die Juristin, die heute beim Bundesverfassungsgericht tätig ist. Dass jemand versucht habe, sie zu beeinflussen oder unter Druck zu setzen, verneint sie entschieden.
Ein Abgeordneter der Linken hakt nach: “Um Sie zu beeinflussen, hätte man also den Weg über die zwei wesentlichen Quellen nehmen müssen: a) die Stellungnahme der JVA und b) das psychologische Gutachten?” Antwort: “Ja, richtig.” Der Anwalt von Steve E., dem Opfer eines mutmaßlichen V‑Mannes, sagt, Teile der Biografie von Carsten Szczepanski liegen nach wie vor im Dunkeln. Mittlerweile weiß man, dass es staatliche Stellen gibt, die sie kennen.
Anlässlich des 08. März, dem internationalen Frauen*kampf-Tag, veranstalten wir, Women in Exile, zusammen mit weiteren Bündnispartner*innen eine Demonstration im südbrandenburgischen Cottbus. Wir wenden uns strikt gegen die rechtspopulistisch entfachte, medial aufgegriffene und verwaltungspolitisch getragene Hetze gegen Geflüchtete. Diese Hetze folgt einem konservativen und rechten Frauenbild, treibt einen Keil durch die Einwohner*innenschaft der Stadt Cottbus und provoziert somit eine gezielte Spaltung.
Warum Cottbus?
Südbrandenburg im Allgemeinen und Cottbus im Speziellen sind seit langer Zeit als rassistische Hochburgen bekannt. Der Verein Opferperspektive meldet seit Jahren zunehmende Gewalttaten in dieser Region. Der neurechte Verein “Zukunft Heimat” marschiert seit über einem Jahr regelmäßig durch die Cottbuser Innenstadt. Die offizielle Bekanntgabe des Aufnahmestopps für Geflüchtete aus der Erstaufnahme-Einrichtung in Eisenhüttenstadt ist ein falsches und auch gefährliches Signal und spielt den Rassist*innen in die Hände. Daher ist es wichtig, jetzt in Cottbus auf die Straße zu gehen und zu zeigen, dass es reicht. Denn, es geht nicht um Geflüchtete, es geht um offene rassistische Hetze und Gewalt.
Eine Stadt im Griff der Angst
Seit Monaten, wenn nicht gar seit Jahren, haben besonders geflüchtete Frauen* und Kinder aufgrund verbaler und physischer Angriffe Angst, ihre Wohnungen zu verlassen. Klingelschilder von Geflüchteten und Migrant*innen werden beschädigt, so dass Briefe nicht ankommen. Kinder werden in Schulen diskriminiert. Dies führt zu steigender Isolation. Integration scheitert auf allen Ebenen, da das Problem verkannt wird. Rassismus wohin das Auge reicht! In der Stadt herrscht ein Klima der Angst. Der Druck auf Flüchtlinge und insbesondere auf Flüchtlingsfrauen* ist massiv. Die Angst ihre Stimme zu erheben ist allgegenwärtig. Wir sagen Schluss damit!
Ihr Rassismus nicht im Namen des Feminismus!
Ebenfalls am 10.03 wollen wieder rassistische Gruppen durch Cottbus marschieren. Unter dem Motto “Die Freiheit der Frau ist nicht verhandelbar” suggerieren sie feministische Ansprüche. Feminismus fordert die Abschaffung von Ungleichheit und somit gleiche Rechte und Freiheiten für alle Menschen, egal welcher Herkunft.Dass dies mit rechtem und rassistischem Denken unvereinbar ist, versteht sich von selbst. Darum lasst uns gemeinsam am 10.03. deutlich machen: Feminismus geht nur ohne Rassismus!
WERDET LAUT gegen Rassismus, Unterdrückung, rechte und rassistische Gewalt! Lasst uns Druck auf die lokalen Behörden aufbauen! Lasst uns gemeinsam für den Feminismus kämpfen! Wir rufen alle Gruppen und Menschen, die für Feminismus und gegen Rassismus kämpfen auf, es klar und deutlich zu sagen: Für das Recht, zu Kommen! Für das Recht, zu Gehen! Für das Recht, zu Bleiben! Für das Recht auf Selbstbestimmung!
Cottbus 10.03.2018, 11:30 Uhr, Muskauer Platz (Cottbus Sandow)
Am vergangenen Mittwoch besuchte Innenminister Schröter die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Doberlug-Kirchhain. Der Fokus lag dabei auf Auseinandersetzungen zwischen Bewohner_innen, denen nun mit erhöhter Präsenz von Polizei und Sicherheitspersonal begegnet werden soll. Der Flüchtlingsrat Brandenburg ist empört über die Ignoranz von Landesregierung, Innenministerium und Polizei gegenüber den strukturellen Ursachen für diese Vorfälle, die in der problematischen Lagerunterbringung begründet sind. Die Folgen, die Unterversorgung, Isolation und Perspektivlosigkeit haben können, sind hausgemacht, verursacht von einer menschenunwürdigen Unterbringungspolitik der Landesregierung.
In Gemeinschaftsunterkünften wie der Erstaufnahme haben Menschen kaum Rückzugsmöglichkeiten, sie sind häufig extremen Alltagssituationen, Enge und Stress ausgesetzt. Erstaufnahmelager fungieren zunehmend als Abschieberampen und schließen Menschen aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben gezielt aus. Konkret bedeuten sie die Verwehrung von regulärer Beschulung, eingeschränkte Bewegungsfreiheit, Arbeitsverbote, minimale Gesundheitsversorgung und stark eingeschränkten Zugang zu Beratungs- und Hilfestrukturen. Polizei und Sicherheitsdienst bedeuten für die Bewohner_innen nicht Schutz, sondern Kontrolle und Abschiebung. Insofern ist eine Verstärkung dieser Kontrollinstanzen mehr als fragwürdig, da sie zu weiterem Stress und Angst führen wird.
„Es ist zynisch und unmenschlich, Menschen monate- und jahrelang auf engstem Raum zentral in abgelegenen Kasernen unterzubringen und dann die Auswirkungen dieser Zwangsunterbringung als Anlass zu nehmen, die Freiheiten und Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen noch weiter einzuschränken“, kommentiert Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Studien zu den Effekten zentraler, fremdbestimmter Unterbringungsformen haben gezeigt, dass sich diese Lebensbedingungen gesundheitsschädigend auswirken können.
Anstatt eine sachgerechte Analyse der Ausgangslage vorzunehmen, diskutiert Schröter lieber einen Verbleib von Flüchtlingen bis zu 24 Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen wie Doberlug-Kirchhain. Ein wirksamer Gewaltschutz kann aber nur erfolgen, wenn Lager wie dieses abgeschafft werden. Menschen müssen unabhängig von Herkunft und Bleibeperspektive dezentral untergebracht und aufgenommen, statt ausgegrenzt und kaserniert werden.
2016 hatte die Bundesregierung den Familiennachzug für subsidiär geschützte Kriegsflüchtlinge bis März 2018 ausgesetzt. Die Hoffnung der Geflüchteten, nun endlich auch ihre Familien in Sicherheit bringen zu können, wurde durch einen Beschluss des Bundestags Anfang Februar erneut zunichte gemacht. „Das ist ein humanitärer Offenbarungseid, eine tiefe Verbeugung vor dem Rechtspopulismus. Und es ist ein krasser Verstoß gegen die Grundordnung unseres Staates“ schätzt der Sprecher des Aktionsbündnisses Martin Osinski ein. „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.“ heißt es in Artikel 6 des Grundgesetzes.
Gegen die weitere Trennung der Familien waren im Januar zahlreiche Organisationen Sturm gelaufen, darunter auch das Deutsche Kinderhilfswerk. Die ExpertInnen für den Schutz von Kindern hatten eindringlich vor den Folgen gewarnt, wenn Kinder jahrelang von ihren Eltern getrennt aufwachsen müssen.Sie hatten erfolglos an die Bundestagsabgeordneten appelliert, „das international und grundgesetzlich geschützte Recht auf familiäres Zusammenleben auch für diese Flüchtlingskinder zu respektieren“.
Die etwa einstündige Versammlung auf dem Neuruppiner Schulplatz beginnt am Montag, 12.03.2018 um 17 Uhr.
Hiermit laden wir alle Interessierten zu den anarchistischen Tagen in Potsdam am 4. bis 18. März 2018 ein.
Was sind die anarchistischen Tage?
In erster Linie eine Gelegenheit für Anarchist*innen und Sympathisant*innen, einander kennen zu lernen und sich gegenseitig zu bilden. Dafür haben wir auch ein Programm mit Vorträgen und Diskussionen entworfen. Aber natürlich gibt es an den Kerntagen am Wochenende 16. bis 18. März auch einen Ort, an dem wir einfach gemeinsam rumhängen, reden und essen können.
Wozu sind die anarchistischen Tage gut?
Wir wollen anarchistische Perspektiven, Handlungs- und Organisierungsmöglichkeiten sichtbar machen. Durch die Veranstaltungen soll eine Grundlage für das Forschen nach herrschaftsfreier Praxis geboten werden. Sichtbarkeit und Plattformen für Anarchist*innen fehlen unserem Eindruck nach in Potsdam, dabei bilden sie eine wichtige Voraussetzungen dafür, dass der Anarchismus irgendwann mal wieder gesellschaftsverändernde Kraft entwickeln kann.
Wenn Ihr fragen habt oder Pennplätze braucht, schreibt uns: atagepotsdam@riseup.net
Am 23.02.2018 findet die Premiere des Films „Alle anders, alle gleich – Geschichten aus dem Lebens“ in Frankfurt (Oder) statt. Einlass ist ab 18:30 Uhr im „Frosch – Der Club“ (Ziegelstraße 36, 15230 Frankfurt (Oder)). Der Film ist das Ergebnis eines Projektes des Utopia e.V., bei dem 15 geflu?chteten und nicht-geflu?chteten Jugendliche seit Sommer 2017 zusammenarbeiteten.
Im Rahmen der interkulturellen Begegnung haben die Mitglieder der Gruppe sich u?ber ihre Lebensgeschichten ausgetauscht, Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede herausgearbeitet und die gewonnenen Erkenntnisse im Film verarbeitet.
„Wir geben den einzelnen Protagonist*innen ein Gesicht, um sie aus der Anonymita?t zu befreien.“, so Madlen Fox, Sprecherin der Gruppe.
„Ziel des Films ist es, Rassismus und anderen Diskriminierungsformen entgegenzuwirken, um unseren Tra?umen von einer offenen Gesellschaft na?her zu ru?cken“, so Hadi Hussaini, ein weiterer Sprecher der Filmemacher*innen.
Das Projekt wurde gefo?rdert durch die Bundeszentrale fu?r politische Bildung und im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch das Bundesministerium fu?r Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Heute fand unser Protest gegen die Zwangsräumung der Familie Jahnke in Gallinchen statt. Unserem Widerstand und der Tatsache, dass es keine vernünftige Alternative für die Familie gibt zum Trotz, hat die Gerichtsvollzieherin die Räumung mit Polizeiunterstützung durchgeführt. Unsere Forderung nach einer tragbaren Alternative für die Familie bleibt bestehen.
Etwa 25 Personen sind heute unserem Aufruf gefolgt und haben heute zwischen 10 und 12 Uhr vor dem Haus der Familie Jahnke in Gallinchen gegen die Zwangsräumung der Familie protestiert. Wir riefen Parolen wie: „Profite, Profite über alle Maße, dafür setzen sie Kinder auf die Straße!“ und hatten Schilder und Banner des Solidaritätsnetzwerks mit unseren Forderungen mitgebracht. In Redebeiträgen machten wir immer wieder darauf aufmerksam, dass das Schicksal der Familie Jahnke kein Einzelfall ist, sondern dass tausende Menschen täglich in diesem Land aufgrund von niedrigen Löhnen oder Arbeitslosigkeit vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind.
Die Gerichtsvollzieherin rückte von Anfang an mit einem Aufgebot von etwa 20 Polizisten an, um die Räumung durchzusetzen. Mehrmals betonten wir, dass die Stadt Cottbus, die rechtliche Möglichkeit hat, die Zwangsräumung aufzuschieben, in dem sie eine befristete Beschlagnahmung der Wohnung beschließt. Offenbar hat sich die Stadtverwaltung aber dagegen entschieden. Jan Gloßmann, Sprecher der Stadt Cottbus, gab dem Solidaritätsnetzwerk gegenüber an, dass die Beschlagnahmung nur für dringende Notfälle vorgesehen sei, in denen es keine andere Alternative gibt. Diesen Fall sieht die Stadt offenbar nicht als gegeben an.
Den auch in der Presse und zum Beispiel auf Facebook verbreiteten Gerüchten, dass der Familie zahlreiche Angebote gemacht worden seien, die sie nicht akzeptiert hätten, widerspricht Daniela Jahnke entschieden: „Uns wurden Häuser, die kilometerweit weg sind, angeboten, mit denen wir unser Familienleben einfach nicht mehr bewältigen könnten. Als Notlösung gelten für die Stadt unter anderem auch zwei Wohnungen, die in zwei unterschiedlichen Hauseingängen sind. Was für eine Lösung soll das sein? Wie sollen wir unter solchen Umständen unserer Aufsichtspflicht als Eltern nachkommen?“.
Obwohl die Zwangsräumung nicht verhindert werden konnte, bleibt ein Teil unserer Forderungen bestehen: Wohnraum muss auch in Cottbus mehr sein als eine Ware! Es müssen mehr Interessen als die der Vermieter berücksichtigt werden!
Von der Stadt fordern wir weiterhin eine tatsächlich mit dem Familienleben vereinbare Lösung zu schaffen und sich nicht weiter hinter Scheinlösungen zu verstecken, um sich so aus der Verantwortung zu ziehen.