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Cottbus und die Lausitz als Inbegriffe rassistischer Mobi

Cottbus und die Lausitz als Inbegriffe rassistischer Mobilisierung

Was wird uns von 2019 in Erin­nerung bleiben? Für den Jahres­rück­blick befra­gen wir zivilge­sellschaftliche Ini­tia­tiv­en über die Sit­u­a­tion in ihrem Bun­des­land. Heute: Bran­den­burg mit dem Opfer­per­spek­tive e.V. , Beratungsstelle für Betrof­fene rechter Gewalt.

2019 wurde in Bran­den­burg gewählt: Kom­mu­nale Par­la­mente, Bürgermeister*innen und – wie auch in Sach­sen und Thürin­gen – ein neuer Land­tag. Die extrem rechte AfD erlangte bei der Land­tagswahl 23,5 % der Zweit­stim­men und stellt nun die zweit­stärk­ste Frak­tion. Gegenüber der rot-schwarz-grü­nen Lan­desregierung bildet sie die größte Oppo­si­tion­spartei. So weit, so bekan­nt. Dieser Text soll keine Wahlanalyse darstellen, son­dern ein paar Schlaglichter auf die extrem recht­en Aktiv­itäten und Net­zw­erke im zurück­liegen­den Jahr werfen.

 Keine andere extrem rechte Partei hat es seit 1990 in Bran­den­burg geschafft, das Wäh­ler­poten­zial für ras­sis­tis­che, nation­al­is­tis­che und anti­semi­tis­che Posi­tio­nen so für sich zu nutzen, wie die AfD in 2019: Im Mai ist sie flächen­deck­end in die Gemein­den, Städte und Kreistage einge­zo­gen; in Cot­tbus, Spree-Neiße und Märkisch-Oder­land wurde sie sog­ar stärk­ste Partei. Im Sep­tem­ber entsch­ieden sich dann fast ein Vier­tel der Wäh­len­den für die recht­saußen Partei. An der fehlen­den Aufk­lärung über die AfD kön­nen diese hohen Wahlergeb­nisse nicht gele­gen haben. Gewählt wurde die AfD trotz und wegen ihrer extrem recht­en Verbindun­gen. So wurde etwa über Cot­tbus als Sam­melpunkt für neon­azis­tis­che Musik­er, rechte Fußball­hooli­gans, Kampf­s­portler und andere rechte Organ­i­sa­tio­nen umfänglich berichtet. Cot­tbus und die Lausitz sind inzwis­chen zum Inbe­griff ras­sis­tis­ch­er Mobil­isierung in Bran­den­burg gewor­den[1]. Mit der Nominierung von Christoph Berndt, ein­er der Haup­tini­tia­toren der Cot­tbuser Proteste, auf Platz 2 der Lan­desliste für die Land­tagswahl würdigte die AfD die außer­par­la­men­tarische Rechte. Die Liste der Kandidat*innen und gewählten Abge­ord­neten zeigt: In der AfD ver­sam­melt sich ein bre­ites extrem recht­es Net­zw­erk. Es reicht von den ras­sis­tis­chen Protesten des Vere­ins Zukun­ft Heimat in Cot­tbus von Süd­bran­den­burg bis zur Beteili­gung von AfD-Politiker*innen an Nazi­aufmärschen in der Uck­er­mark im Nor­den Brandenburgs.

Verschiebung von Süden …

Die Opfer­per­spek­tive lis­tet seit knapp 20 Jahren sys­tem­a­tisch die recht­en Gewalt­tat­en im Land auf. 2019 ist erst­mals seit vier Jahren ein deut­lich­er Rück­gang der Angriff­szahlen zu verze­ich­nen. In den ver­gan­genen Jahren gehörte beson­ders die Stadt Cot­tbus zu den Schw­er­punk­ten rechter Gewalt. In diesem Jahr nah­men im Süden Bran­den­burgs die Angriffe ab. Eine Ver­lagerung in die par­la­men­tarische Arbeit spielt dabei sich­er eine Rolle. Einen wesentlicheren Ein­fluss wird dabei die Repres­sion gegen Teile der extrem rechte Szene haben, die sich ins­beson­dere in ein­er Großrazz­ia gegen lokale Hooli­gan-Kreise der Kampfge­mein­schaft Cot­tbus nieder­schlug. Dabei sorgte vor allem jour­nal­is­tis­che, zivilge­sellschaftliche und poli­tis­che Aufmerk­samkeit auf die extrem recht­en Entwick­lun­gen im Süden des Lan­des für Hand­lungs­druck bei den Strafver­fol­gungs­be­hör­den. Wir gehen lei­der davon aus, dass dieser Rück­gang nur tem­porär ist, zumal die Jus­tiz in Cot­tbus seit langem nicht mit den Gerichtsver­fahren hin­ter­herkommt und damit ein Gefühl der Straf­frei­heit an die Täter*innen ver­mit­telt. Immer wieder mah­nt die Opfer­per­spek­tive eine kon­se­quente juris­tis­che Ver­fol­gung an.

In Cot­tbus erlangte die AfD über­durch­schnit­tliche Wahlergeb­nisse und stellt in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung die stärk­ste Frak­tion. Die Andro­hun­gen der extrem Recht­en gegen die Klimaproteste von Ende Gelände am let­zten Novem­ber­woch­enende zeigen, wie selb­st­be­wusst die extreme Rechte auch weit­er­hin in der Lausitz ist. Neben Gewalt- und Mor­daufrufen in sozialen Medi­en gehörte auch ein Trans­par­ent dazu. Es war von Teilen der Fan­szene des FC Energie Cot­tbus eine Woche zuvor mit dem Spruch „Wann Ende im Gelände ist, bes­timmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukun­ft! Ende Gelände zer­schla­gen“ bei einem Fußball­spiel in Cot­tbus gezeigt. Für Auf­se­hen sorgte zudem ein Graf­fi­ti, gemalt von offen­bar recht­en Polizis­ten, das zuerst „Stoppt Ende Gelände“ titelte und anschließend – nach­dem die Beteiligten zum Über­stre­ichen der Wand ver­don­nert wur­den – das extrem rechte Kürzel „DC!“, welch­es für „Defend Cot­tbus“ ste­ht, hin­ter­ließen. Dass sich die Anfein­dun­gen gegen die Klimabe­we­gung und ihre Aktiv­itäten in der Lausitz richt­en, ist insofern nicht ver­wun­der­lich, ist doch der Braunkohleab­bau ein bes­tim­mender Fak­tor für die regionale Wirtschaft. Auch im Wahlkampf nutzte die AfD das The­ma und set­ze sich deut­lich für den Erhalt der Braunkohle ein. In einem von der Opfer­per­spek­tive begleit­eten Fall, ging die Feind­schaft gegenüber Klimaaktivist*innen von Bedro­hung in kör­per­liche Gewalt über: Bei ein­er Live-Aufze­ich­nung des Rund­funk Berlin-Bran­den­burg (RBB) auf dem Cot­tbuser Alt­markt zum The­ma Kohleausstieg schlug eine Kohle-Befür­wor­terin ein­er jun­gen Frau, die sie als Kli­maak­tivistin aus­machte, zweimal ins Gesicht.

…in den Norden

Während in den Vor­jahren Süd­bran­den­burg die Sta­tis­tik rechter Gewalt anführte, übern­immt in 2019 zunehmend der Nor­den des Lan­des diese Rolle. Schon 2018 war die Uck­er­mark ein­er der Schw­er­punk­te, ins­beson­dere bei ras­sis­tis­chen Angrif­f­en. Auch in diesem Jahr sind die Städte Anger­münde, Pren­zlau, Schwedt und Tem­plin immer wieder Schau­platz von recht­en Angrif­f­en. Anfang des Jahres hat­te der polizeiliche Staatss­chutz deswe­gen das Per­son­al aufge­stockt. Häu­fig sind die Gewalt­tat­en im Nor­den Bran­den­burgs ras­sis­tis­che Gele­gen­heit­stat­en von unor­gan­isierten Grup­pen oder Einzeltäter*innen.

Unter den mut­maßlichen Täter*innen find­en sich aber auch ehe­mals organ­isierte Neon­azis und bekan­nte rechte Mörder. Ein­er ist Mar­co S., der zusam­men mit zwei weit­eren Tätern den damals 16-jähri­gen Mar­i­nus Schöberl aus Pot­zlow tötete. Er soll im Juni diesen Jahres mit einem weit­eren Täter einen 24-jähri­gen Syr­er in Pren­zlau ange­grif­f­en und ras­sis­tisch beschimpft haben. Der andere Angreifer soll dabei ein Jagdmess­er aus seinem Ruck­sack gezo­gen haben. Im April wurde Mar­co S. für das Zeigen sein­er Hak­enkreuz-Tätowierung am Unteruck­ersee zu ein­er Bewährungsstrafe verurteilt. Auch andere bekan­nte Neon­azis find­en sich bei recht­en Gewalt­tat­en wieder: In Bad Freien­walde (Märkisch-Oder­land) wur­den ehe­ma­lige Aktive der Kam­er­ad­schaft Märkisch Oder Barn­im wegen eines ras­sis­tis­chen Angriffs verurteilt. In Neu­rup­pin begin­nt derzeit ein Prozess gegen eine Gruppe von Neon­azis, die den Freien Kräften Prig­nitz nah­este­hen, wegen eines ras­sis­tis­chen Angriffs in Witt­stock (Ost­prig­nitz-Rup­pin).

Anders als im Süden find­en sich im Nor­den eher lose miteinan­der ver­bun­dene Struk­turen, auch öffentliche Ver­samm­lun­gen sind sel­tener. Bei den weni­gen Events find­en die ver­schiede­nen Spek­tren der extrem Recht­en zusam­men: An ein­er neon­azis­tis­chen Demon­stra­tion in Tem­plin im Feb­ru­ar beteiligten sich auch AfD-Aktivist*innen. Kreisvor­standsmit­glied Arib­ert Christ mobil­isierte zuvor auf ein­er Kundge­bung des AfD-Poli­tik­ers Lars Gün­ther in Eber­swalde für den Nazi­auf­marsch. Die neon­azis­tis­che Kle­in­st­partei Der Dritte Weg, die in der Uck­er­mark ihren Aktion­ss­chw­er­punkt hat, war auch in diesem Jahr auf „nation­al­rev­o­lu­tionär­er Streife“. Auch die NPD bewirbt unter „Schutz­zone“ ihr Konzept ein­er recht­en Bürg­er­wehr. Zwar sind diese Aktio­nen häu­fig vor allem eine medi­ale Insze­nierung, doch wirkt diese als Botschaft an andere extreme Rechte und sollte auf­grund ihres recht­ster­ror­is­tis­chen Poten­zials, wie es das Bun­desin­nen­min­is­teri­um in ein­er par­la­men­tarischen Anfrage nen­nt[2], nicht unter­schätzt werden.

Ein Beispiel recht­en Ter­rors beschäftigte uns im Früh­som­mer erneut. Die Grup­pierung Nord­kreuz, die schon zwei Jahre zuvor bekan­nt wurde, legte Lis­ten an, auf denen sich Engagierte, die sich gegen Rechts und für Geflüchtete ein­set­zen, wieder­fan­den. Dabei han­delte es sich sowohl um Politiker*innen als auch um Pri­vat­per­so­n­en. Verbindun­gen soll die Gruppe, die maßge­blich in Meck­len­burg-Vor­pom­mern aktiv war, auch im Nord­west­en Bran­den­burgs gehabt haben. Als Mitte Juni neue, erschreck­ende Details zu den Aktiv­itäten veröf­fentlicht wur­den, waren erst einige Tage seit dem Mord am CDU-Poli­tik­er Wal­ter Lübcke ver­gan­gen. Obwohl rechter Ter­ror aus diesem trau­ri­gen Anlass erneut ins öffentliche Bewusst­sein rück­te, wur­den Betrof­fene der „Fein­deslis­ten“ erst auf zivilge­sellschaftlichen Druck hin informiert. 

Baseballschläger-Jahre

Beson­ders rel­e­vant für den Land­tagswahlkampf der AfD war der Ver­gle­ich der heuti­gen poli­tis­chen Sit­u­a­tion mit der der DDR zur ihrem Ende. „Der Osten“ solle, so der Wun­sch der AfD, an die Proteste aus dem Herb­st 1989 anschließen und gegen die „Merkel-Dik­tatur“ auf­begehren. Dass sich die AfD-Wähler*innen nicht an der Instru­men­tal­isierung der Wen­denar­ra­tive durch die Partei­funk­tionäre aus West­deutsch­land störten, lässt sich angesichts der Wahlergeb­nisse bilanzieren. Was die Beschäf­ti­gung mit diesen Nar­ra­tiv­en und der Umbruch­szeit zu Beginn der 1990er Jahre in Erin­nerung brachte: Die hoch­poli­tis­chen Zeit­en, in denen ras­sis­tis­che Angriffe und Anschläge alltäglich waren, neon­azis­tis­che Struk­turen wach­sen kon­nten und ihnen poli­tisch und sozialar­bei­t­er­isch der Kopf gehätschelt wurde, prägten eine ganze Gen­er­a­tion von Recht­en. Diese Base­ballschläger-Jahre, benan­nt nach dem Hash­tag #base­ballschlaeger­jahre, den der Jour­nal­ist Chris­t­ian Ban­gel auf Twit­ter ein­führte, wur­den durch Erfahrungs­berichte von Betrof­fe­nen aus ver­schiede­nen Orten Bran­den­burgs in den let­zten Monat­en wieder in Erin­nerung gerufen. Es sind die ersten Jahre der 1990er, in denen beson­ders viele Men­schen aus ras­sis­tis­chen, anti­semi­tis­chen, homo­sex­uellen- und trans­feindlichen sowie sozial­dar­win­is­tis­chen Motiv­en getötet wer­den. Die Opfer­per­spek­tive erin­nert mit ein­er Wan­der­ausstel­lung an die Opfer rechter Gewalt in der gesamten Bun­desre­pub­lik[4]. In diesem Jahr kom­men der Mord an Wal­ter Lübcke in Kas­sel und die Morde an Jana Lange und Kevin S. in Halle hinzu (alle Infor­ma­tio­nen zur Ausstel­lung und zur Auslei­he: www.opfer-rechter-gewalt.de)

 

[1]              Aus­führlich ist dies in der Broschüre „Was inter­essiert mich denn Cot­tbus?“ Dynamiken rechter Formierung in Süd­bran­den­burg: der Vere­in Zukun­ft Heimat, an der unsere Mitar­beit­er Josch­ka Fröschn­er mitwirk­te, nachzulesen.

[2]              Kleine Anfrage der Abge­ord­neten Ulla Jelp­ke u. a. und der Frak­tion DIE LINKE. Recht­sex­trem bee­in­flusste Bürg­er­wehren ST-Druck­sache 19/13969

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Bildung & Kultur jüdisches Leben & Antisemitismus Sonstiges

…wie wir uns Antidiskriminierungsarbeit im Land wünschen”

Liebe Freund*innen, liebe Unterstützer*innen, liebe Aktive,

in diesem Jahr hät­ten wir wieder ein Jubiläum zu feiern. Unsere 2009 ein­gerichtete Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg beste­ht nun 10 Jahre. Doch, wie auch zum 20-jähri­gen Beste­hen der Opfer­per­spek­tive im let­zten Jahr, fällt es schw­er, die Notwendigkeit unser­er Arbeit als freudi­gen Anlass zu sehen.

Die Ereignisse in diesem Jahr – der Mord an Wal­ter Lübcke, die zahlre­ichen Ver­strick­un­gen von Neon­azis in die Sicher­heits­be­hör­den und die Morde an Jana L. und Kevin S. nach dem gescheit­erten Angriff auf die Syn­a­goge in Halle, sind erschreck­end. Angesichts der recht­en Gewalt, der alltäglichen Diskri­m­inierung und Het­ze, von denen uns Rat­suchende und Kooperationspartner*innen immer wieder bericht­en und die wir selb­st erleben, ist diese Eskala­tion jedoch wenig überraschend.

Auch wenn es nichts zu feiern gibt, nutzen wir das 10-jährige Beste­hen als Gele­gen­heit zurück­zuschauen, auf die Pro­jek­te, Ver­anstal­tun­gen und Kam­pag­nen, die wir alleine oder mit anderen ini­ti­iert haben, um dieser Alltäglichkeit ent­ge­gen­zuwirken. Aber auch, um nach vorne zu schauen, wie wir uns eine Antidiskri­m­inierungsar­beit im Land Bran­den­burg in Zukun­ft wünschen.

Eine freudi­ge Nachricht gibt es zum Schluss dann aber doch noch: Nach­dem wir im Okto­ber erfuhren, dass wir im kom­menden Jahr keine Finanzierung für ein Antidiskri­m­inierung­spro­jekt durch das Bun­de­spro­gramm Demokratie Leben! erhal­ten wer­den, riefen wir zu Spenden für unsere Arbeit auf, um ab 2020 zumin­d­est das lan­desweite Antidiskri­m­inierung­spro­jekt im gle­ichen Umfang umset­zen zu kön­nen. Dafür beka­men wir viel Zus­pruch und Unter­stützung. Nun erhiel­ten wir, uner­wartet und zeit­gle­ich zum Druck dieses Rund­briefes, die Auf­forderung, einen Antrag bei Demokratie Leben! zu stellen und gehen nun davon aus, eine Förderung im kom­menden Jahr zu erhalten.

Wir möcht­en uns bei allen bedanken, die sich auf unter­schiedlichen Wegen dafür stark gemacht haben, dass wir nachträglich als Mod­ell­pro­jekt aus­gewählt wur­den. Das ist ein großer Erfolg für uns, denn so kön­nen wir unsere Arbeit im Fach­bere­ich Antidiskri­m­inierungsar­beit mit gle­ich­er per­son­eller Stärke fort­set­zen und weit­er aus­bauen. Die gesam­melten Spenden wer­den als Eigenan­teil in die lan­desweite Beratung fließen.

Mit unserem aktuellen Rund­brief möcht­en wir euch Ein­blicke in unsere Arbeit geben und uns her­zlich für eure Unter­stützung bedanken!

Ihr kön­nt die gesamte Aus­gabe und ältere Aus­gaben hier abrufen: https://www.opferperspektive.de/schattenberichte

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Kundgebung zum Jahrestag des Beschlusses

Freude über geplante Auf­nahme von Geflüchteten – Mah­nung zur umfassenden Kehrtwende bei Ausländerbehörde

Die Ini­tia­tive See­brücke Pots­dam bege­ht mit der heuti­gen Kundge­bung um 14:30 Uhr am Rathaus Pots­dam vor der let­zten diesjähri­gen Sitzung der Stadtverord­neten­ver­samm­lung den Jahrestag des Beschlusses „SICHERER HAFEN“ mit Anlass zur Freude und zur Mah­nung zugleich.

Am 05.12.2018 beschloss die Stadtverord­neten­ver­samm­lung sieben Maß­nah­men¹, um die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam zum „Sicheren Hafen“ für geflüchtete Men­schen zu machen. Der Beschluss war Start­punkt für die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, sich bun­desweit für eine zusät­zliche Auf­nahme von geflüchteten Men­schen aus der Seenotret­tung über den bish­eri­gen Verteilungss­chlüs­sel hin­aus zu engagieren. Wir sind in freudi­ger Hoff­nung, dass nun gemäß neuesten Mel­dun­gen² die ersten geflüchteten Men­schen aus der Seenotret­tung nach Pots­dam kom­men sollen.

Unter maßge­blich­er Beteili­gung des Ober­bürg­er­meis­ters Mike Schu­bert und des Ver­wal­tungs­bere­ichs Par­tizipa­tion und Tol­er­antes Pots­dam unter Leitung von Frau Dr. Ursu­la Löbel wurde das bun­desweite Bünd­nis „Städte Sicher­er Häfen“ vor einem hal­ben Jahr gegründet.

Pots­dam ist damit sowohl ausstrahlen­des Vor­bild für eine men­schen­fre­undliche Auf­nah­me­poli­tik für viele Kom­munen als auch eine zen­trale Akteurin für die Migra­tionspoli­tik in Deutsch­land. Wir freuen uns mit der Stadtver­wal­tung über die Nominierung der Lan­deshaupt­stadt als Organ­isatorin des Bünd­niss­es „Städte Sicher­er Häfen“ für den diesjähri­gen „Inno­va­tion in Pol­i­tics Award“³.

Jedoch bringt die zen­trale Rolle im Bünd­nis „Städte Sicher­er Häfen“ eine beson­dere Ver­ant­wor­tung mit sich, die die Frage nach den Bedin­gun­gen eines Sicheren Hafens in der eige­nen Kom­mune stellt. Wir fordern die Stadt Pots­dam auf, den Beschluss „SICHERER HAFEN“ in all seinen sieben Punk­ten kon­se­quent und zeit­nah zu erfüllen. Beson­ders ist die Verbesserung der Bedin­gun­gen in der Aus­län­der­be­hörde wichtig. Nur so kann unsere Stadt ein wirk­lich sicher­er Hafen für Men­schen sein, wenn die Aus­län­der­be­hörde Inte­gra­tionschan­cen fördert statt sie zu blockieren.

Nach jahre­lan­gen Debat­ten über fehlende Umset­zun­gen des Inte­gra­tionskonzeptes und regelmäßi­gen Bericht­en über Missstände in der Aus­län­der­be­hörde fordern wir eine umfassende Kehrtwende der Aus­län­der­be­hörde zu ein­er echt­en Willkom­mens­be­hörde⁴, in deren Mit­telpunkt der Beschluss „SICHERER HAFEN“ ste­ht, näm­lich „alle Möglichkeit­en auszuschöpfen, um Geflüchteten in Pots­dam dauer­hafte legale Aufen­thalts- und Lebensper­spek­tiv­en zu schaffen“.

Unter Beteili­gung der See­brücke Pots­dam Ini­tia­tive wur­den in ein­er Arbeits­gruppe des Bünd­niss­es Pots­dam! Beken­nt Farbe Hand­lungsempfehlun­gen aus­gear­beit­et, die nun mit konkreten Maß­nah­men und Zeit­plä­nen unter­füt­tert wer­den müssen, um die über­fäl­lige Kehrtwende in der Aus­län­der­be­hörde ein­leit­en zu können.

Wir als See­brücke Pots­dam wer­den die Lan­deshaupt­stadt auf den Weg zum Sicheren Hafen vor Ort und bun­desweit weit­er­hin tatkräftig unterstützen!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Law & Order

Sozialamt Märkisch-Oderland

Am 2.12.2019 haben vor dem Sozialamt Märkisch-Oder­land in Vier­lin­den mehr als 50 Men­schen demon­stri­ert. Sie forderten die Gesund­heit­skarte für Geflüchtete von Anfang an und die Über­weisung ihrer Sozialleis­tun­gen auf ein Kon­to. Märkisch-Oder­land ist der einzige Land­kreis in Bran­den­burg, der diese inhu­mane Prax­is bis jet­zt aufrecht erhält.

Der Protest wurde getra­gen von Betrof­fe­nen und Per­so­n­en aus Selb­stor­gan­i­sa­tio­nen, Willkom­mensini­ta­tiv­en sowie weit­eren Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin. Geschmückt mit einem großen Ban­ner „Equal rights for all peo­ple – also in MOL!“ und „Stop police bru­tal­i­ty!!!“ war ein Protest-Bus aus Bran­den­burg vor Ort. Geflüchteten berichteten über ihre Lebenssi­t­u­a­tion, es wurde gemein­sam getanzt und gegessen.

Medi­en­bericht­en zufolge, lenk­te der Land­kreis bei Ausstel­lung der Gesund­heit­skarte bere­its ein. Der anwe­sende Vize­landrat Friede­mann Han­ke (CDU) rechne mit ein­er entsprechen­den Entschei­dung der Lan­desregierung bis Jahre­sende. Geldüber­weisun­gen würde es weit­er­hin nicht geben, um den Aufen­thalt­sort von Geflüchteten kon­trol­lieren und bess­er mit der Polizei kooperieren zu kön­nen. Während der Vize­landrat vor der Presse vom Funk­tion­ieren sein­er Behör­den­prax­is spricht, kommt es im Sozialamt zu einem weit­eren Vor­fall. Die Polizei nimmt einen Mann gewalt­sam in Gewahrsam.

Schön, dass wir bei der Gesund­heit­skarte mit unserem Protest erfol­gre­ich waren. Jet­zt müssen wir mit der Geld­karte weit­er machen. Die Bedin­gun­gen für uns Geflüchtete hier in MOL sind ein­fach unmen­schlich, da muss sich noch vieles ändern. Vor allem müssen die Schika­nen aufhören.“ So ein Bewohn­er der Gemein­schaft­sun­terkun­ft Müncheberg, der die Aktion mit vor­bere­it­et hatte.

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Antifaschismus Law & Order

Neonazi-Konzert fand in Roddan statt

In Rod­dan (Land­kreis Prig­nitz) führten Neon­azis im Geheimen ein Konz­ert durch. Grund: ein Lie­der­ma­ch­er mit indiziert­er Musik trat auf. Das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um erfuhr davon erst hin­ter­her, wie es jet­zt auf par­la­men­tarische Anfrage von Land­tagsab­ge­ord­neten mitteilte.

Geheimes Konz­ert

Eine typ­is­che Dor­f­gast­stätte im ländlichen Raum mit klein­er Bühne auf hal­ber Höhe und Holzvertäfelung in natür­lichem braun, an der Wand eine überdi­men­sion­ale schwarz-weiß-rote Fahne und davor sitzend ein Musik­er mit Gitarre. Auf seinem Telegram-Kanal ver­bre­it­ete der neon­azis­tis­che Lie­der­ma­ch­er „Fyl­gien“ als erster die Bilder seines Konz­ertes im Nor­den Bran­den­burgs. Dazu noch ein paar Schnapp­schüsse, die den Musik­er mit mut­maßlichen Fans zeigte (Redak­tioneller Hin­weis: alle Fotos liegen als Screen­shots vor). Doch zu erken­nen geben wollte sich sein Anhang anscheinend nicht. Alle Gesichter waren unken­ntlich gemacht – offen­bar aus Grün­den. Denn offiziell angemeldet war die Ver­samm­lung, wie das Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um auf eine par­la­men­tarischen Anfrage der Land­tagsab­ge­ord­neten Andrea Johlige und Thomas Dom­res (bei­de LINKE) zu erken­nen gab, nicht.

Auftritt Lie­der­ma­ch­er mit indiziert­er Musik

Lie­der­ma­ch­er Sebas­t­ian D mal ohne Gitarre: Als Sprech­er während ein­er extrem recht­en Demon­stra­tion in Tem­plin (2019)

Grund für die Geheimhal­tung dürfte übri­gens eben jen­er Auftritt des Lie­der­ma­ch­ers „Fyl­gien“ gewe­sen sein. Denn Sebas­t­ian D aus Tem­plin (Uck­er­mark), so dessen bürg­er­lich­er Name, spielt indizierte Musik. Dabei han­delt es sich um Liedgut, welch­es wegen seines jugendge­fährden­den Charak­ters nicht in der Öffentlichkeit vor­ge­tra­gen wer­den darf. Ds veröf­fentlichte Eigen­pro­duk­tion: „Mein Glaube heißt Deutsch­land“ war bere­its 2011 von ein­er Indizierung durch die Bun­de­sprüf­stelle für jugendge­fährdende Medi­en (BPjM) betrof­fen. Im Milieu erfreut er sich jedoch – möglicher­weise ger­ade wegen der­ar­ti­gen Liedgutes – bester Beliebtheit. So verge­ht kaum ein Woch­enende an dem D nicht irgend­wo in einem neon­azis­tis­chen Club­haus in Deutsch­land auftritt. Am 14. Sep­tem­ber 2019 war dies nun der Saal in der kleinen Gemeinde Rod­dan, ein Ort­steil von Legde/Quitzöbel in der Nähe der Stadt Havel­berg. Dort trat D gemein­sam mit Maik S aus Magde­burg, welch­er im Milieu unter dem Pseu­do­nym „Eid­streu“ fir­miert, sowie der For­ma­tion „Her­munduren“ aus dem Raum Eisenach/Schmalkalden (Thürin­gen) auf.

Tre­f­fen mil­i­tan­ter Neonazis

Die „Freien Kräfte Prig­nitz“ während eines Auf­marsch in Wittstock/Dosse (2015)

Anlass des Konz­ertes war – so wird es aus einem Konz­ert­fly­er ersichtlich – die Jahres­feier der „Freien Kräfte Prig­nitz“ (FKP), ein vere­in­sähn­lich­er Zusam­men­schluss mil­i­tan­ter Neon­azis aus den Städten Wit­ten­berge und Lenzen. „Alle Per­so­n­en, welche der Grup­pierung FKP zugerech­net wer­den, sind polizeilich bekan­nt“, schreibt das Innen­min­is­teri­um in sein­er Antwort auf die par­la­men­tarische Anfrage der LINKE-Abge­ord­neten zu Konz­ert und Ver­anstal­ter. „Ein Großteil der Per­so­n­en“ sei zu dem als „poli­tisch rechtsmo­tivierte Straftäter (PMK – rechts -) erfasst“. Allerd­ings wür­den diese Tat­en nicht in direk­tem Zusam­men­hang mit dem Label „Freie Kräfte Prig­nitz“ beste­hen. Unter diesem Namen betäti­gen sich die ihm zuge­ord­neten Neon­azis fast „nur“ als Aktivis­ten im vor­poli­tis­chen Raum, beispiel­sweise als Teil­nehmende von Aufzü­gen. Erst­mals gaben sich die „Freien Kräfte Prig­nitz“, laut Innen­min­is­teri­um, während ein­er Demon­stra­tion am 14.01.2014 in Magde­burg zu erken­nen. Die Gruppe sei gut ver­net­zt, habe Kon­tak­te nach Sach­sen-Anhalt und Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Darüber wird unter dem Label „Freie Kräfte Prig­nitz“ eine Face­book-Seite betrieben, auf der „Ver­anstal­tung­sh­in­weise gegeben, Kom­mentare und Bilder zu eige­nen Aktio­nen gepostet sowie Berichte über Aktio­nen ander­er recht­sex­trem­istis­ch­er Grup­pierun­gen und Parteien geteilt“ werden.

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Antifaschismus Law & Order

SS Treuelied auf Gedenkkranz

In Rathenow wurde vor Kurzem ein ehe­ma­liger Naziskin-Anführer zu Grabe getra­gen. Der mehrfach verurteilte Mann war ein­er schw­eren Krankheit erlegen. Seine ein­sti­gen Kam­er­aden kon­dolierten mit dem SS Treuelied.

Ver­ab­schiedung im Geiste der SS 

„Wenn alle Brüder schweigen“ – die „alten Fre­unde“ erin­nerten mit ein­er Zeile aus dem „SS Treuelied“

Etliche grüne Kränze lagen auf einem Ron­del für Urnenbestat­tun­gen auf dem Städtis­chen Fried­hof in Rathenow. „Wenn alle Brüder schweigen“ ist mit gold­en­er Schrift auf ein­er schwarzen Trauer­schleife zu lesen – ein ungewöhn­lich­es Geleit zur let­zten Ruhe. Es ist eine Zeile aus dem Lied „wenn alle untreu wer­den“, welch­es in der Zeit des Nation­al­sozial­is­mus als “SS Treuelied” Ver­wen­dung fand. Im SS Lieder­buch kam es deshalb gle­ich hin­ter dem „Horst Wes­sel Lied“ und dem „Lied der Deutschen“. Der Ver­stor­bene, dem dessen „alte Fre­unde“ auf diese Art und Weise gedacht­en, war Mario Knud­sen, ein­er der Köpfe der neon­azis­tis­chen Szene in Rathenow. Er starb im Okto­ber 2019 nach langer schw­er­er Krankheit.

Base­ballschläger­jahre

Knud­sen und seine „alten Fre­unde“ gal­ten in den 1990er Jahren als Bürg­er­schreck. Mit Glatze, Bomber­jacke, Base­ballschlägern und Springer­stiefeln macht­en sie Rathenow unsich­er. „Skins verun­sich­ern Rathenow – muss eine Bürg­er­wehr gegrün­det wer­den?“, betitelte die Märkische All­ge­meine Zeitung im Früh­jahr 1991 u.a. das Treiben der Gruppe. Zu ihren Opfern gehörten Ange­hörige der sow­jetis­chen Gar­ni­son, aus­ländis­che Ver­tragsar­beit­er, Geflüchtete, Ange­hörige link­er Sub­kul­turen, aber auch ganz nor­male Bürg­er. Wie etwa im Jan­u­ar 1991, als Knud­sen, sein Kumpan Sandy A und weit­ere Nazi-Skins in Prem­nitz zwei Ehep­aare, welche ger­ade von ein­er Faschingspar­ty kamen, mit Gegen­stän­den attack­ierten und bru­tal zusam­men­schlu­gen. Eine Blutsspur zog sich durch die Region. Mehrfach saß Knud­sen vor Gericht, zulet­zt im Novem­ber 1998. Er und Sandy A hat­ten im Früh­jahr 1997 zwei junge Män­ner – nach einem Stre­it in ein­er Frie­sack­er Diskothek – bru­tal zusam­mengeschla­gen. Nach sechs rel­a­tiv „milden“ Urteilen, darunter eine Bewährungsstrafe für den zuvor erwäh­n­ten Über­fall in Prem­nitz, wurde Knud­sen schließlich zu ein­er Frei­heitsstrafe von einem Jahr und neun Monat­en ohne Bewährung verurteilt.

Der „Fre­un­deskreis Rathenow“ gedenkt in den Far­ben: schwarz-weiß-rot.

Erst in den 2000er Jahren beruhigte sich die Sit­u­a­tion schein­bar. Knud­sen führte anscheind ein bürg­er­lich­es Fam­i­lien­leben, wurde Vater ein­er Tochter. Doch dies war offen­bar nur Fas­sade. Im April 2005 war Knud­sen von Maß­nah­men des Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­ums bei der Auflö­sung der Kam­er­ad­schaft “Hauptvolk” betrof­fen. Damals wur­den die Woh­nun­gen von ins­ge­samt 39 Mit­gliedern dieser vere­in­sähn­lichen Struk­tur durch­sucht und die Organ­i­sa­tion offiziell aufgelöst. Die Tätigkeit und der Zweck des “Hauptvolkes” richtete sich u.a. gegen die ver­fas­sungsmäßige Grun­dord­nung und lief Strafge­set­zen zuwider, so das Innen­min­is­teri­um. Im Kam­er­ad­schaft­srund­brief Heft 1 waren u.a. die Abze­ichen von 20 Divi­sio­nen der Waf­fen SS abge­bildet. Das “Hauptvolk” sah sich als Elitege­mein­schaft und in der Tra­di­tion vor­ge­nan­nter NS Organ­i­sa­tion. Knud­sens langjähriger Kumpan Sandy A war eben­falls in der Kam­er­ad­schaft aktiv. Dieser galt sog­ar als deren Kopf. Die Web­site der Organ­i­sa­tion war auf A’s Namen angemeldet. Ein Trauerkranz des “Hauptvolkes” war bei Knud­sens Beerdi­gung jedoch nicht zu find­en – offen­bar wegen des Ver­botes der Kam­er­ad­schaft. Stattdessen legte ein “Fre­un­deskreis Rathenow” einen in schwarz-weiß-rot gehal­te­nen Kranz mit der Auf­schrift: “Im Leben uns treu, im Tode an unser­er Seite” sowie das Grabgesteck mit eben jen­er Zeile aus dem SS Treuelied nieder. Später bedank­te sich Knud­sens Fam­i­lie bei seinen “treuen Kumpels”, sowie im Beson­deren bei “Sandy A”.

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Kritik an Polizei wegen Verstößen gegen Grundrechte

Während der Aktion­stage von Ende Gelände im Lausitzer und Leipziger Revi­er kam es aus Sicht des Aktions­bünd­niss­es zu mehreren Rechtsver­stößen von Seit­en der Polizei. Der Rechts­bei­s­tand von Ende Gelände weist auf fol­gende gravierende Rechtsver­stöße hin:
Ein­schränkung der Versammlungsfreiheit

Die Polizei Bran­den­burg und Sach­sen und die zuständi­gen Ver­samm­lungs­be­hör­den ver­sucht­en im Vor­feld das Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit erhe­blich einzuschränken. So ver­trat die Bran­den­burg­er Polizei eine grun­drechts­feindliche Recht­sauf­fas­sung im Hin­blick auf das Tra­gen von weißen Anzü­gen und Staub­masken. Das Eil­ver­fahren dage­gen wurde zweitin­stan­zlich gewon­nen. Das OVG Berlin-Bran­den­burg hat die Polizei Bran­den­burg darauf hingewiesen, dass ihre Recht­sauf­fas­sung nicht mit dem Grundge­setz vere­in­bar ist, wom­it den Teilnehmer*innen erhe­bliche Schika­nen erspart blieben. In Sach­sen wur­den sog­ar per All­ge­mein­ver­fü­gung Ver­samm­lungsver­bot-Zonen in drei Land­kreisen aus­gewiesen. Auch in Sach­sen wurde in Eil­ver­fahren gegen diese Ver­samm­lungsver­bote vorge­gan­gen. Die Gerichte urteil­ten in diesen Ver­fahren gegen die Ver­samm­lungs­frei­heit und ließen das Ver­samm­lungsver­bot bestehen.

Recht­san­walt Michael Plöse zu den Eil­ver­fahren: “Ich bin davon überzeugt, dass die Eilentschei­dung des Oberver­wal­tungs­gerichts Berlin-Bran­den­burg sehr zur Deeskala­tion der Lage beige­tra­gen hat. Das war ein wichtiges Judikat auch für die Anerken­nung der Vielgestaltigkeit und Offen­heit der von der Ver­samm­lungs­frei­heit geschützten Aktions­for­men. Dem gegenüber ist es wirk­lich ärg­er­lich, wie unkri­tisch die säch­sis­che Ver­wal­tungs­gerichts­barkeit die Ver­samm­lungsver­bot­szo­nen gerecht­fer­tigt hat. Aus­ge­hend von Szenar­ien zwis­chen Ter­ro­ralarm und Zom­bieapoka­lypse redete sie einen polizeilichen Not­stand her­bei, der umfassende Frei­heit­sein­schränkun­gen ermöglichte. Das ist Angst-Recht­sprechung, nicht demokratis­che Streitkultur.“

Trotz­dem ließen sich die Aktivist*innen durch die Ver­bote nicht von ihrem Protest abhal­ten. Dazu Nike Mahlhaus, Press­esprecherin von Ende Gelände: „Durch die Ein­schränkung des Ver­samm­lungsrechts wurde ver­sucht, unseren legit­i­men Protest zu unter­drück­en. Dieser muss aber dort sicht­bar wer­den, wo die Kli­makrise geschaf­fen wird: an den Orten der Zer­störung. Zivil­er Unge­hor­sam ist heutzu­tage wie auch his­torisch notwendig, um soziale Verän­derun­gen her­beizuführen. Wir brauchen einen sofor­ti­gen Kohleausstieg und einen schnellen und gerecht­en Struk­tur­wan­del. Das haben wir gestern ein­mal mehr deut­lich gemacht.“

Polizeige­walt

Im Ver­lauf der Aktion kam es zu mas­siv­er Polizeige­walt und ver­let­zten Aktivist*innen durch den Ein­satz von Schlagstöck­en, Pfef­fer­spray, Schlä­gen und Trit­ten sowie Schmerz­grif­f­en durch die Polizei. Im Tage­bau Vere­inigtes Schleen­hain wur­den sitzende Aktivist*innen über­fal­lar­tig und wieder­holt von Polizeiein­heit­en mit Schmerz­grif­f­en und Faustschlä­gen ange­grif­f­en, wodurch Panik ent­stand. Dort gab es zudem einen riskan­ten Ein­satz der Polizei mit Polizeipfer­den. Auch ander­norts wurde beobachtet, wie die Polizei Aktivist*innen anlass­los mit Schlä­gen und Schmerz­grif­f­en sowie Pfef­fer­spray attack­ierte. Mehrere Men­schen mussten sich von Demosanitäter*innen an den ver­schiede­nen Aktion­sorten behan­deln lassen. Dabei wur­den Demosanitäter*innen von einzel­nen Polizeigrup­pen an ihrer Arbeit gehindert.

Gewahrsam­nah­men

Während der Gewahrsam­nah­men im Gelände der Mibrag wur­den Aktivist*innen per­ma­nent gefilmt, ohne dass dazu irgen­dein weit­er­er Anlass gegeben war. Einige der Aktivist*innen wur­den zudem bei eisi­gen Tem­per­a­turen für mehrere Stun­den im Außen­bere­ich der mobilen Gefan­genen­sam­mel­stelle festgehalten.

Ein­schränkung der Pressefreiheit

Presservertreter*innen wur­den an mehreren Stellen mas­siv von der Polizei an ihrer Berichter­stat­tung gehin­dert. Es kam auch zu Durch­suchun­gen von Journalist*innen. Eine Autokolonne von Medienvertreter*innen wurde gezielt gestoppt und für län­gere Zeit ohne Angabe von Grün­den fest­ge­hal­ten. Sicher­heit­skräfte der LEAG ver­sucht­en außer­dem, Pressevertreter*innen durch Andro­hung von Strafanträ­gen einzuschüchtern und hin­derten sie am Zugang zu den Tage­bauarealen zur Berichterstattung.

Nike Mahlhaus kom­men­tierte: „Die Reak­tio­nen auf unsere Proteste offen­baren ein Demokratiede­fiz­it: Nicht nur, dass die Regierung seit Jahren nicht han­delt und die säch­sis­chen Behör­den im Vorhinein ver­sucht haben, unseren legit­i­men Protest mit Ver­samm­lungsver­boten zu krim­i­nal­isieren. Auch während unser­er Aktion wurde die Presse­frei­heit eingeschränkt und so die Berichter­stat­tung ver­hin­dert. Die Antwort auf die Kli­makrise muss mehr Demokratie sein, nicht weniger.“

Inforiot