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Sonstiges

polar — neue linke, antikapitalistische Gruppe in Potsdam

Weil die Ver­hält­nisse immer noch so sind, wie sie sind, bleibt uns
nichts anderes übrig…
Wir — einige Aktivist*innen aus Pots­dam — haben eine neue linke,
antikap­i­tal­is­tis­che Gruppe namens “polar” gegründet:

Schauen wir uns in Pots­dam und Bran­den­burg um, sehen wir, wie die
Polizei unsere Nachbar*innen abschiebt und wie Parteien und rechte
Grup­pen mit ras­sis­tis­chen Parolen in der Bevölkerung bre­it­en Zuspruch
bekom­men. Wir sehen, wie unsere Mieten steigen und Investor*innen
Men­schen aus ihren Stadtvierteln ver­drän­gen. Wie Frauen, Schwule, Lesben
und transPer­so­n­en noch immer diskri­m­iniert wer­den. Wie Krankenhäuser
geführt wer­den, als wären sie Fab­riken, in denen die Pfleger*innen von
Patient zu Pati­entin het­zen. Wie Konz­erne mit Kohlekraftwerken und
(Elektro-)Autos unsere Umwelt zerstören.

Konkur­renz und Gewalt begeg­nen uns nicht nur im All­t­ag, in der Familie,
auf der Arbeit oder in der Aus­bil­dung. Die weltweite Aus­beu­tung zerstört
täglich die Per­spek­tiv­en von Men­schen auf ein Leben in Würde und
Sicher­heit. Aber dieses Elend ist kein Naturge­setz. Schuld daran ist die
kap­i­tal­is­tis­che Wirtschaftsweise, die unsol­i­darisches und nicht
nach­haltiges Han­deln einiger auf Kosten viel­er belohnt. Diejeni­gen, die
vom Sys­tem prof­i­tieren, bauen es jeden Tag weit­er aus und wollen den
Protest dage­gen lähmen.

Wir wollen all das nicht akzep­tieren und untätig bleiben. Wir mischen
uns ein. Für ein gutes Leben für alle sehen wir keine andere
Möglichkeit, als den Kap­i­tal­is­mus zu über­winden. Wir brauchen einen
grundle­gen­den Bruch mit der Prof­it­mas­chine, die auf Aus­beu­tung und
Eigen­tum basiert. Vielmehr wollen wir Visio­nen eines Zusam­men­lebens in
Vielfalt und Gle­ich­berech­ti­gung entwick­eln, in der die Bedürfnisse der
Men­schen im Ein­klang mit der Umwelt im Mit­telpunkt stehen.

Deshalb möcht­en wir uns in die drän­gen­den Kon­flik­te ein­mis­chen und dort
präsent sein, wo sich Men­schen gegen Ungerechtigkeit­en wehren. Wir
wollen Kämpfe anzetteln, unter­stützen und vor­wärt­streiben. Wir möchten
Men­schen ermuti­gen und zu nach­haltigem Engage­ment befähi­gen. Dazu
brin­gen wir ver­schiedene Leute an einen Tisch und tra­gen unseren Protest
und Kri­tik in die Öffentlichkeit.

Es geht uns darum, gemein­sam mit anderen Aktiv­en im Hier und Jetzt
Alter­na­tiv­en zum Beste­hen­den aufzuzeigen und durchzuset­zen. Denn auch
kleine Erfolge kön­nen die Lebens- und Kampf­be­din­gun­gen verbessern.
Gemein­same Erfahrun­gen der Selb­ster­mäch­ti­gung und Sol­i­dar­ität können
neue Beziehun­gen zwis­chen den Men­schen knüpfen und mobil­isierend für
größere gesellschaftliche Verän­derun­gen wirken. Denn wir sind überzeugt,
dass es eine wirk­liche Gegen­macht von unten und eine breite
Massen­be­we­gung braucht, um die Machtver­hält­nisse ins Wanken zu bringen.

Wir haben uns als Gruppe polar zusam­menge­tan, um Teil solch­er Bewegungen
zu sein. Allerd­ings wollen wir nicht nur die eine Kam­pagne zu dem einen
The­ma machen, son­dern organ­isieren uns als länger­fristig arbei­t­ende und
the­menüber­greifende Gruppe. Für eine grundle­gende Umwälzung der
Gesellschaft braucht es Strate­gien und Kon­ti­nu­ität. Deshalb versuchen
wir, in Pots­dam und per­spek­tivisch auch über­re­gion­al Struk­turen zu
schaf­fen oder zu find­en, die uns Aus­tausch und gemein­sames Handeln
ermöglichen.
Zur Zeit arbeit­en wir in Pots­dam und darüber hin­aus an den Themen
Antifaschis­mus, Sol­i­dar­ität mit geflüchteten Men­schen und Recht auf
Stadt.

Für uns ist Poli­tik­machen keine Ein­tags­fliege. Wir bleiben mit Geduld
und Lei­den­schaft dabei. Wir wollen voneinan­der ler­nen und unsere
gemacht­en Erfahrun­gen reflek­tieren. Genau­so wichtig ist uns, dass unsere
Poli­tik Spaß macht und wir einen wohlwol­len­den Umgang miteinan­der haben.
Wir wollen mehr wer­den und sind offen für Inter­essierte mit
unter­schiedlichen Erfahrung­shor­i­zon­ten und Lebensumständen.

Schaut mal auf unser­er Web­seite polar.noblogs.org vorbei.

Sol­i­darische Grüße und bleibt gesund!

polar*

*potsdam:links.antikapitalistisch.radikaldemokratisch

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Antifaschismus Wohnen & Stadt

Zum Brandanschlag auf das Fahrzeug des Bürgermeisters

[Solidaritätserklärung] Zum Brandanschlag auf das Fahrzeug des Bürgermeisters

Das JWP-Mit­ten­Drin verurteilt den Bran­dan­schlag auf den Dienst­wa­gen des Neu­rup­pin­er Bürg­er­meis­ters Jens-Peter Golde, sowie aus­ge­sproch­ene Mord­dro­hun­gen gegen ihn (siehe MAZ-Artikel vom 20.10.2020 ).

Her­rn Golde haben wir in den ver­gan­genen Jahren als jeman­den zu schätzen gel­ernt, der sich zu antifaschis­tis­chen Werten beken­nt. Er zeigt ste­hts Präsenz auf Gedenkver­anstal­tun­gen etwa zur Reich­s­pogrom­nacht oder zum Gedenken der Ermor­dung Emil Wend­lands. In der Ver­gan­gen­heit hat er sich gegen Neon­azi­ak­tio­nen und ‑demon­stra­tio­nen gewandt, die Zivilge­sellschaft unter­stützt und sich zu Neu­rup­pin als einem „sicheren Hafen“ bekannt.

Auch wenn unpoli­tis­che Gründe (wie etwa per­sön­liche Abnei­gung) nicht auszuschließen sind, han­delt es sich nach unser­er Überzeu­gung mit hoher Wahrschein­lichkeit um eine neo­faschis­tis­che Tat, mit dem Ziel den Bürg­er­meis­ter einzuschüchtern und von seinen Überzeu­gun­gen abzubringen.

Die Ermor­dung des Kas­sel­er Regierung­spräsi­den­ten Wal­ter Lübcke im Juni 2019 durch den Neon­azi Stephan Ernst zeigte uns, dass sich die extreme Rechte in Deutsch­land weit­er radikalisiert und auch vor der Ermor­dung Ihrer poli­tis­chen Geg­n­er nicht zurück schreckt.

Auch wenn es in diesem Fall noch nicht bestätigt wurde, hal­ten wir es für wichtig darauf Aufmerk­sam zu machen, denn abwegig ist es keines­falls. So oder so zeigen wir uns als Antifaschist*innen solidarisch.

Wir rufen daher dazu auf sich öffentlich und wahrnehm­bar mit Jens-Peter Golde zu solidarisieren!

Getrof­fen hat es Einen – gemeint sind wir Alle!

Bildquelle: AG His­torische Stadtkerne

 

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Heimbesuch in der Seelowerstraße, Müchenberg am 2.10.20

Das Lager an der Seelow­er Straße Müncheberg ist ein vier­stöck­iges Gebäude, das vom Inter­na­tionalen Bund betrieben wird. Dieses Unternehmen ist der größte Akteur im Lager­be­treiben­den Geschäft in Bran­den­burg. Von außen sieht es mit hellen Gemälden gut erhal­ten aus. Von innen ist es wie jedes andere Lager nicht um die Bewohner*innen, son­dern um den Prof­it besorgt. Die Flüchtlinge teilen sich kleine Räume.

 

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Die einzi­gen drei Duschen für die Frauen befind­en sich im ersten Stock, was bedeutet, dass jede Frau, auch die mit Kindern, auf und ab gehen muss, um die Dusche zu erre­ichen. Die drei Duschk­abi­nen sind durch einen durch­sichti­gen Kun­st­stoff abge­tren­nt, so dass es für die Frauen nicht möglich ist, während des Duschens Pri­vat­sphäre zu haben. Es gibt keinen Mülleimer, son­dern nur eine kleine Plas­tik­tüte, die an der Türaufge­hängt ist und alle Män­ner gehen zum Duschen ins Erdgeschoss.

Die zwei Herde in einem kleinen Raum wer­den von mehr als 20 Per­so­n­en geteilt, von denen einige Fam­i­lie haben. D.h. man muss warten, bis die Nachbar*innen mit dem Kochen fer­tig sind, denn die Küche reicht nur für zwei Per­so­n­en gle­ichzeit­ig. Eine Frau, die auf­grund der Unter­bringungssi­t­u­a­tion bere­its depres­siv erkrankt ist, lebt mit ihrem fünf Monate alten Baby in einem kleinen Zim­mer. Das Zim­mer reicht nur für ihr Einzel­bett, das Kinder­bettchen und einen Schrank. So bleibt nur ein klein­er Zwis­chen­raum, um von ein­er Ecke in die andere zu gelan­gen. Um in die Küche und das Bad zu gelan­gen, muss sie wie die übri­gen Bewohner*innen durch mehrere Türen gehen. Diese Türen sind geschlossen, und jede*r muss sie immer wieder öff­nen. Eben auch Frauen und Kinder aus anderen Stock­w­erken, die zum Duschen in den ersten Stock kommen.

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Es gibt kein Konzept für Hygien­evorschriften im Zusam­men­hang mit dem Covid-19-Virus, grade wo sich eine zweite große Infek­tion­swelle anbah­nt. Nur einige ein­fache Noti­zen gibt es, in denen erk­lärt wird, dass die Hände zwis­chen 20 und 30 Sekun­den gewaschen wer­den soll­ten. Sie macht sich ständig Sor­gen darüber, was aus ihr und ihrem Baby wer­den soll, obwohl sie eine junge, ener­gis­che und gebildete Frau ist.

 

In unser­er Kam­pagne #social dis­tanc­ing is a Priv­i­lege haben wir sehr deut­lich gemacht, was es bedeutet, während der Coro­na-Pan­demie in einem Lager zu leben. Es ist bedauer­lich, dass die Behör­den nicht die Notwendigkeit gese­hen haben, zumin­d­est die Lebens­be­din­gun­gen der Flüchtlinge zu verbessern, ins­beson­dere für die gefährde­ten Grup­pen, mit dem Ziel, die Lager voll­ständig zu schließen!

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Flucht & Migration

Falsche Prioritäten bei der Beratung von Geflüchteten

Nach­dem in der let­zten Woche bekan­nt wurde, dass die unab­hängige Rechtsmit­tel­ber­atung für abgelehnte Asyl­suchende an allen Stan­dorten der Erstauf­nah­meein­rich­tung gestrichen wer­den soll1, wird nun mit Blick in den Haushalt­sen­twurf für 2021/2022 deut­lich, dass gle­ichzeit­ig die Mit­tel für eine lan­de­seigene Rück­kehrber­atung in fast gle­ich­er Höhe aufge­stockt wer­den sollen.

Dabei bieten schon jet­zt ver­schiedene Stellen eine „frei­willige“ Rück­kehrber­atung an. Die Teil­nahme an solchen Beratun­gen erfol­gt oft­mals unfrei­willig, teil­weise wird in Einzelfällen auch Druck auf Geflüchtete aus­geübt, an den Ange­boten teilzunehmen. Die Unter­stützungs- und Beratungsange­bote sollen nach Plä­nen der Lan­desregierung in diesem Bere­ich mit 1,2 Mil­lio­nen Euro finanziert werden.

Die Pläne der rot-schwarz-grü­nen Lan­desregierung gehen völ­lig am Bedarf der Rat­suchen­den vor­bei. Nach Infor­ma­tio­nen des Flüchtlingsrats wird die Rück­kehrber­atung im Ver­hält­nis zur Asylver­fahrens- und Rechtsmit­tel­ber­atung weitaus weniger nachge­fragt. So entste­ht im Bere­ich der Rechtsmit­tel­ber­atung der Bedarf unter anderem durch die zunehmend fehler­haften Asy­lentschei­dun­gen des Bun­de­samtes für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF).

Seit einiger Zeit häufen sich gravierende Ver­fahrens­fehler in den Asylver­fahren, die zu falschen Entschei­dun­gen führen.2 Ver­mehrt wer­den Asy­lanträge — ohne Berück­sich­ti­gung der Flucht­gründe und der indi­vidu­ellen Umstände des Einzelfalls — als „offen­sichtlich unbe­grün­det“ abgelehnt. Die Beschei­de des BAMF sind inhaltlich fehler­haft, mitunter euro­parechtswidrig, beziehen sich auf jahre­lang ver­al­tete Infor­ma­tio­nen oder wer­den noch am sel­ben Tag der Anhörung aus­gestellt, was darauf hin­weist, dass die Entscheider*innen sich schon allein aus zeitlichen Grün­den kaum mit dem vor­ge­tra­ge­nen Schutzge­such auseinan­der geset­zt haben kön­nen. Entsprechend übernehmen in solchen Fällen die Gerichte aktuell die Prü­fung der Schutz­gründe und kor­rigieren die Entschei­dun­gen des BAMF, in dem sie den Betrof­fe­nen immer wieder Schutz zusprechen.

Ohne eine externe unab­hängige Beratung und Unter­stützung wür­den Asyl­suchende auf­grund der hohen Hür­den bei ein­er Ablehnung als „offen­sichtlich unbe­grün­det“ es kaum schaf­fen, den Schutz zu bekom­men, den Gerichte ihnen später zus­prechen. Denn die Fris­ten in dem Ver­fahren sind extrem kurz, die Kla­gen müssen umfassend begrün­det sein und durch die isolierte Lage der Stan­dorte der Erstauf­nah­meein­rich­tung ist der Zugang zu Rechtsanwält*innen erschwert.

Durch die beab­sichtigte Stre­ichung der unab­hängi­gen Rechtsmit­tel­ber­atung und den gle­ichzeit­i­gen mas­siv­en Aus­bau der Rück­kehrange­bote set­zt Bran­den­burg flüchtlingspoli­tisch falsche Pri­or­itäten, die an der Real­ität der aller­meis­ten Betrof­fe­nen völ­lig vor­bei gehen. Das Land muss auch weit­er­hin durch unab­hängige Beratungsange­bote den effek­tiv­en Zugang zu Rechtsmit­teln und somit zur Schutzgewährung für Geflüchtete ermöglichen“, fordert Ivana Domazet.

1 https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/zugang-zu-unabhaengiger-rechtsmittelberatung-in-gefahr-fluechtlingsrat-brandenburg- kritisiert-plaene-des-brandenburger-innenministeriums/

2 Es ist nicht das erste Mal, dass das BAMF in Eisen­hüt­ten­stadt neg­a­tiv auf­fällt. In den let­zten Jahren wur­den die Außen­stellen des BAMF hin­sichtlich ihrer Entschei­dung­sprax­is über­prüft. Auf­fäl­lig ist, dass einzelne Außen­stellen des BAMF immer wieder deut­lich schlechtere Schutzquoten bei gle­ichen Herkun­ft­slän­dern im Ver­gle­ich zu anderen BAMF-Außen­stellen aufweisen, darunter auch Eisen­hüt­ten­stadt in Bran­den­burg, siehe auch http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/136/1813670.pdf

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Antifaschismus

Erneuter Protest vor “Mittelpunkt der Erde”

Am 7.Oktober fand erneut eine rechte Ver­anstal­tung, dies­mal mit Erik Lehn­ert und Götz Kubitschek vom Insti­tut für Staat­spoli­tik (IfS) in dem Restau­rant „Mit­telpunkt der Erde“ in Hönow statt. Ein­ge­laden wurde durch den AfD Kreisver­band Marzahn-Hellers­dorf in Koop­er­a­tion mit der Jun­gen Alter­na­tive Berlin, da diese auf­grund erfol­gre­ich­er antifaschis­tis­ch­er Proteste nicht in der Lage sind, Räum­lichkeit­en in Berlin zu find­en. In der Ver­anstal­tung, die ein Ersatz für eine im März geplante war, ging es um den Schrift­steller Ernst Jünger, der durch seine anti­demokratis­che Schriften zur soge­nan­nten Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion bekan­nt wurde und mit sein­er Ide­olo­gie dem Nation­al­sozial­is­mus dem Weg ebnete. Aus diesem Grund wird Jünger von der selb­ster­nan­nten Neuen Recht­en gefeiert. Gegenüber demon­stri­erten ca. 70 Antifaschist_innen, darunter der VVN-BdA Märkisch Oder­land und die Kam­pag­nen „Kein Raum der AfD“ sowie deren Schwest­erkam­pagne „Kein Ack­er der AfD“ gegen die Ver­anstal­tung. Rede­beiträge the­ma­tisierten dabei unter anderem den bish­eri­gen Erfolg der Kam­pagne „Kein Raum der AfD“ , die Posi­tion Lehn­erts und Kubitschek in neurecht­en Net­zw­erken und ras­sis­tis­che Struk­turen in der ver­meintlichen Mitte der Gesellschaft.

Über­raschen­der­weise wurde der Ver­anstal­tung­sort auf AfD- Fly­ern offen bewor­ben – die AfD und so auch das Restau­rant „Mit­telpunkt der Erde“ machen anscheinend keinen Hehl mehr aus ihrem Raum­man­gel. Neben zu erwartenden Gesichtern der Ver­anstal­ter der AfD Marzahn-Hellers­dorf wie Gun­nar Lin­de­mann, Daniel Birke­feld und Jeanette Auricht war aus Märkisch-Oder­land der rechte Net­zw­erk­er Lars Gün­ther (mehr Infos hier: https://inforiot.de/lars-guenther-rechter-netzwerker-verschwoerungstheoretiker/) vertreten. Von der Jun­gen Alter­na­tive Berlin war Vadim Derk­sen auch durch das Abfil­men der Gegen­demon­stra­tion präsent.Trotz der im Ver­gle­ich zur vorheri­gen Ver­anstal­tung mit Björn Höcke niedri­gen Teil­nehmenden­zahl von knap 30 Gästen war mit Car­lo Clemens der Lan­dessprech­er der Jun­gen Alter­na­tive NRW zuge­gen. Hier zeigt sich ein­mal mehr die enge Verbindung zwis­chen selb­ster­nan­nter Neuer Rechter und der AfD und ihrer Jugendorganisation.

Unter­stützung erhielt die antifaschis­tis­che Gegenkundge­bung von Anwohner_innen. Viele Nachbar_innen zei­gren sich sichtlich erfreut über den Gegen­protest und gaben an, dass es eine Schande sei, welche Ver­anstal­tun­gen in unmit­tel­bar­er Umge­bung stattfinden.

Wir bleiben dabei: Wir wis­sen, wer ihr seid und wo ihr euch tre­fft, und machen eure recht­en Loca­tions dicht. Kein Ack­er, kein Hof, kein Raum der AfD!

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Antifaschismus Law & Order

Solidatität mit Irmela Mensah-Schramm

Die Aktivistin für Men­schen­rechte, Irmela Men­sah-Schramm, ste­ht erneut vor Gericht!
Es wird ihr vorge­wor­fen, den NPD Kad­er Frank Knuf­fke durch zeigen des Mittelfingers
belei­digt zu haben 😉

Damit Irmela auch am 2. Ver­hand­lungstag nich allein mit den Nazis vor und im Gericht
kon­fron­tiert ist wird zur bre­it­en Sol­i­dar­ität aufgerufen:

Kommt am Dien­stag, 13.10.2020, 10.30 Uhr zum
Amts­gericht Königs Wusterhausen,
Schloß­platz 4
15711 Königs Wusterhausen

Die Ver­hand­lung begint um 11.00 Uhr im Saal 2

Zur Person:de.m.wikipedia.org/wiki/Irmela_Mensah-Schramm

Sol­i­darische Grüße
Rote Hil­fe e.V. Orts­gruppe Königs Wusterhausen

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Parlamentarismus

Zugang zu unabhängiger Rechtsmittelberatung in Gefahr?

Zugang zu unabhängiger Rechtsmittelberatung in Gefahr? Flüchtlingsrat
Brandenburg kritisiert Pläne des Brandenburger Innenministeriums

Im Innenauss­chuss des Bran­den­burg­er Land­tags ste­ht im Zuge der
Haushaltsver­hand­lun­gen die unab­hängige Geflüchteten­ber­atung in der
Erstauf­nah­meein­rich­tung zur Dis­po­si­tion. Nach Infor­ma­tio­nen des
Flüchtlingsrats soll die erst im let­zten Jahr ange­laufene Beratung nun
mit dem kom­menden Haushalt schon wieder gestrichen werden.

Im aktuellen Haushalt 2019/2020 ist die Beratung mit einem jährlichen
finanziellen Vol­u­men von 180.000€ unter dem Titel “unab­hängige
Geflüchteten­ber­atung” eingestellt. Die Mit­tel wer­den für eine
unab­hängige Rechtsmit­tel­ber­atung in der Erstauf­nah­meein­rich­tung an den
Stan­dorten Eisen­hüt­ten­stadt, Dober­lug-Kirch­hain, Wüns­dorf und
Frankfurt/Oder einge­set­zt. Ini­ti­iert wurde dies vom brandenburgischen
Innen­min­is­teri­um, da der Land­tag eine unab­hängige Beratung für
Geflüchtete forderte.

Durch die Beratung soll Asyl­suchen­den ver­mit­telt wer­den, welche
rechtlichen Möglichkeit­en sie im Fall eines neg­a­tiv­en Beschei­ds haben.
Sollte diese unab­hängige Beratung ersat­z­los weg fall­en, würden
Asyl­suchende keine Unter­stützung beim Ein­le­gen von Rechtsmit­teln und bei
der Rechts­durch­set­zung erhal­ten. Eine solche Beratung ist besonders
auf­grund der kurzen Fris­ten im Asylver­fahren und der qua­si nicht
vorhan­de­nen Alter­na­tiv­en an den Stan­dorten der Erstauf­nahme unabdingbar.
Zudem häufen sich in jüng­ster Zeit in der Bran­den­burg­er Außen­stelle des
Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF) in Eisenhüttenstadt
Asy­lentschei­dun­gen, die Anträge auf Schutz fehler­haft als offensichtlich
unbe­grün­det ablehnen. Mit Hil­fe der unab­hängi­gen Rechtsmittelberatung
kon­nten Geflüchtete bere­its mehrfach erfol­gre­ich dage­gen vorgehen.

Wir sehen die mögliche Stre­ichung der unab­hängi­gen Rechtsmittelberatung
mit großer Sorge. Geflüchtete brauchen mehr denn je engagierte
Unter­stützung, um gegen fehler­hafte Beschei­de des Bun­de­samtes rechtlich
vorge­hen zu kön­nen und ihre Rechte im Asylver­fahren wahrnehmen zu
kön­nen“, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Die Begrün­dung des Innen­min­steri­ums, die Rechtsmit­tel­ber­atung könne ab
dem kom­menden Jahr durch das BAMF abgedeckt wer­den, ist fach­lich und
rechtlich falsch. Die Asylver­fahrens­ber­atung des BAMF bein­hal­tet eben
keine indi­vidu­elle Beratung zu möglichen Rechtsmit­teln und unterstützt
nicht im Klagev­er­fahren. Zudem ist es ein Gebot der Sub­sidiar­ität, dass
nicht die selbe Behörde, die eine wom­öglich fehler­hafte Asylentscheidung
trifft, zugle­ich dabei unter­stützen kann, gegen diese Entscheidung
rechtlich vorzugehen.

Nur eine behördlich unab­hängige Beratung ist geeignet, Betroffene
unab­hängig zu möglichen Rechtsmit­teln und zum Klagev­er­fahren zu beraten.
Daher ist die Weit­er­fi­nanzierung der sehr gut nachgefragten
Rechtsmit­tel­ber­atung uner­lässlich.“, so Ivana Domazet.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gewalt der Vereinigung

Am 2. und 3. Okto­ber 1990 feierten Mil­lio­nen von Men­schen in BRD und DDR die Vere­ini­gung der bei­den deutschen Staat­en. Der 3. Okto­ber wurde zuvor zum Feiertag erk­lärt und wird als solch­er bis heute began­gen. In diesem „Ein­heit­staumel“ zogen am Abend des 2. Okto­ber 1990 bewaffnete Neon­azis und Rechte los und über­fie­len gezielt Linke und beset­zte Häuser sowie Migrant:innen und Vertragsarbeiter:innen und deren Woh­nun­gen. Es gren­zt an ein Wun­der, dass die teils mas­siv­en Angriffe, von denen einige auch noch am 3. Okto­ber stat­tfan­den, keine Todes­opfer forderten. Während ein Großteil der Gesellschaft aus­ge­lassen feierte, kämpften die Ander­sausse­hen­den und Ander­s­denk­enden, vielfach allein­ge­lassen von Gesellschaft und Polizei, um ihre Häuser – und mancherorts auch um ihr Leben.

Angekündigt und absehbar

Die Angriffe vom 2. und 3. Okto­ber 1990 hat­ten sich im Vor­feld ange­bah­nt und waren entsprechend abse­hbar. In den Monat­en zuvor hat­ten Neon­azis am Rande gesellschaftlich­er Großereignisse wie dem Him­melfahrt­stag oder der Fußball-WM immer wieder Linke und Migrant:innen attack­iert. Zudem hat­ten sie für den 2. und 3. Okto­ber 1990 solche Angriffe konkret angekündigt. Sowohl der Staat als auch die Bevölkerung als auch die Presse wussten also davon und kon­nten sich darauf einstellen.

In einem Aufruf vom Sep­tem­ber 1990 zu ein­er anti­na­tion­al­is­tis­chen Demon­stra­tion am 3. Okto­ber wer­den die Absicht­en der Neon­azis von den Organisator:innen der Demon­stra­tion klar benan­nt: „Das ist umso wichtiger, da auch mehrere Faschis­ten-Grup­pen an diesem Tag Aufmärsche pla­nen. Außer­dem wollen sie diejeni­gen über­fall­en, die in ihren Augen ‚undeutsch‘ sind. Aus diesen Grün­den ist am 3. Okto­ber eine Demo zum Alexan­der­platz geplant, der ein Zen­trum dieser Jubelfeiern sein wird. Dort wer­den wir uns auch dem Auf­marsch der Neon­azis ent­ge­gen­stellen.“2

Die Behör­den waren eben­falls informiert, gaben aber zumeist zu ver­ste­hen, dass sie nicht ein­schre­it­en kön­nen oder wer­den. In Berlin wurde eine PDS-Kundge­bung abge­sagt, da „die Partei durch das Innen­min­is­teri­um und Berlin­er Behör­den gewarnt wor­den [sei], daß die Sicher­heit nicht gewährleis­tet wer­den könne.“4 In Jena rieten die Behör­den den Hausbesetzer:innen, ihr Haus aufzugeben, da sie den Schutz nicht gewährleis­ten kön­nten: „Am 2. Okto­ber dann, am Abend vor der deutschen Ein­heit, ver­ließen die ‚Autonomen‘ ihr Dom­izil. Der Dez­er­nent Stephan Dorschn­er riet ihnen dazu, da Mag­is­trat und Polizei erneut Gewalt­tat­en befürchteten.“5 In Zerb­st erk­lärte die Polizei über eine Pressemit­teilung in der Lokalzeitung: „Informiert ist die Volk­spolizei, daß es in der Nacht vom 2. zum 3. Okto­ber zu einem Zusam­men­stoß ein­er großen Anzahl rechts­gerichteter Jugendlich­er aus Zerb­st, Roßlau und Magde­burg mit links­gerichteten Jugendlichen aus Zerb­st in der Kötschauer Müh­le kom­men soll. Das Zerb­ster VPKA sieht sich auf Grund sein­er zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kräfte jedoch außer­stande, dort einzu­greifen.“6 In Hoy­er­swer­da war die Polizei eben­falls durch konkrete Dro­hun­gen über die geplanten Über­fälle u.a. auf die Woh­nun­gen der mosam­bikanis­chen Vertragsarbeiter:innen informiert. Diese wur­den schlicht angewiesen, ihre Woh­nun­gen nicht zu ver­lassen.7 In Ros­tock wur­den die poten­ziellen Opfer der Angriffe immer­hin in Sicher­heit gebracht: „Recht­sradikale Über­griffe befürch­t­end, sind bere­its zu Wochen­be­ginn 25 aus­ge­siedelte sow­jetis­che Juden an einen unbekan­nten Aufen­thalt­sort gebracht wor­den.“8

Die so im Vor­feld angekündigte Zurück­hal­tung (im dop­pel­ten Wortsinn) der Polizei und des Staates hat­te eine zweifache Sig­nal­wirkung: Zum einen wurde den Neon­azis zu ver­ste­hen gegeben, dass sie freies Feld haben. Zum anderen wurde den poten­ziellen Opfern der Angriffe klar gemacht, dass sie sich selb­st schützen müssen.

Dementsprechend bere­it­eten sich in beset­zten Häusern in ganz Ost­deutsch­land die Besetzer:innen auf die Angriffe vor: Sie ver­ram­melten und ver­bar­rikadierten ihre Häuser, ver­net­zten, koor­dinierten und bewaffneten sich. In der Ost­see-Zeitung hieß es: „In mehreren beset­zten Häusern in Ost-Berlin wur­den in Erwartung von Auseinan­der­set­zun­gen Türen und Fen­ster ver­nagelt.“10 Für Pots­dam lässt sich nach­le­sen: „In der Nacht zum ‚Tag der Deutschen Ein­heit‘ 1990 erwarteten Hausbesetzer_innen einen Über­fall auf das alter­na­tive Pots­damer Kul­turzen­trum ‚Fab­rik‘. Ein damals Anwe­sender beschreibt die Sit­u­a­tion: ‚Vor dem Tor Wach­posten. […] Auf dem Hof Punks, bewaffnet mit Knüp­peln, mit denen sie kampfes­lustig oder nervös klap­pern. In der Fab­rik gedämpfte Stim­mung. Leise Musik, Grup­pen, die beieinan­der ste­hen oder sitzen.‘“11

Eine Welle von Angriffen und Gewalt

Kon­ser­v­a­tiv geschätzt beteiligten sich min­destens 1000 Neon­azis und Rechte direkt an den Angrif­f­en. In min­destens dreizehn ost­deutschen Städten kam es zu größeren Attacken:

  • In Zerb­st grif­f­en min­destens 200 Neon­azis über mehrere Stun­den und von der Polizei ungestört das beset­zte Haus an. Schließlich set­zten sie das Haus in Brand. Die Besetzer:innen wur­den von der Feuer­wehr in let­zter Minute gerettet. Beim Sprung vom Dach zogen sie sich teils schwere Ver­let­zun­gen zu.
  • In Erfurt grif­f­en 50 Neon­azis das Autonome Jugendzen­trum an. Dabei geri­et das Nach­barhaus in Brand. Die Polizei schritt erst spät ein.
  • In Weimar grif­f­en über 150 Neon­azis das beset­zte Haus in der Ger­ber­straße 3 u.a. mit Molo­tow-Cock­tails an. Die Belagerung dauerte mehrere Stun­den. Dann schritt die Polizei ein.
  • In Jena stürmten und ver­wüsteten Neon­azis das beset­zte Haus in der Karl-Liebknecht-Straße 58. Dabei waren sie von der Polizei ungestört.
  • In Leipzig ran­dalierten 150 Neon­azis in der Innen­stadt, grif­f­en Passant:innen an und ent­glas­ten anschließend das soziokul­turelle Zen­trum „Die Vil­la“. Die Polizei schritt jew­eils am Ende ein.
  • In Halle (Saale) über­fie­len 15 Neon­azis und Hooli­gans drei Mal in Folge das alter­na­tive Café „“ im Reformhaus, dem Haus der Bürg­er­be­we­gun­gen, und ver­wüsteten es. Die Polizei griff danach ein.
  • In Hoy­er­swer­da grif­f­en bis zu 50 Neon­azis ein Wohn­heim mosam­bikanis­ch­er Vertragsarbeiter:innen an. Die Polizei war vor Ort, schritt aber nur halb­herzig ein.
  • In Guben grif­f­en 80 Neon­azis ein Wohn­heim mosam­bikanis­ch­er Vertragsarbeiter:innen an und set­zten einen pol­nis­chen Klein­bus in Brand. Die Polizei schritt spät ein.
  • In Magde­burg ran­dalierten 70 Neon­azis in der Innen­stadt und grif­f­en einen Jugend­club an. Die Polzei griff zu spät ein. In Magde­burg-Olven­st­edt grif­f­en die Neon­azis das Wohn­heim der viet­name­sis­chen Vertragsarbeiter:innen an. Hier war die Polizei vor Ort und hat­te auch ein Schutzkonzept.
  • In Frankfurt/Oder griff eine kleine Gruppe von Neon­azis zwei Busse mit pol­nis­chen Arbeiter:innen an. Die Busse wur­den beschädigt, ein Fahrer wurde verletzt.
  • In Bergen auf Rügen belagerten teils ver­mummte Neon­azis ein Migrant:innenwohnheim. Der Mob wurde später von der Polizei aufgelöst.
  • In Selms­dorf an der ehe­ma­li­gen innerdeutschen Gren­ze zer­störten 50 Neon­azis die Gebäude der Gren­zkon­troll­sta­tion. Die Polizei schritt spät ein.
  • In Schw­erin kam es zu ein­er Straßen­schlacht zwis­chen ins­ge­samt 200 Linken und Neon­azis sowie der Polizei.

Diese größeren Angriffe waren nur die Höhep­unk­te ein­er Welle neon­azis­tis­ch­er Aktio­nen und Gewalt, von der das gesamte Land erfasst wurde: In Riesa ver­prügel­ten Neon­azis die Gäste ein­er Feier13, in Dres­den zogen Neon­azis durch den alter­na­tiv­en Stadt­teil Neustadt14, in Reck­ling­hausen skandierten 70 Neon­azis ras­sis­tis­che Slo­gans15, in Biele­feld pöbel­ten Neon­azis „Aus­län­der“ an16, in Ham­burg ver­sucht­en Neon­azis die beset­zten Häuser der Hafen­straße anzu­greifen17 – um nur einige zu nen­nen. Ins­ge­samt kon­nten bish­er 39 Vor­fälle in Deutsch­land und in der Schweiz ermit­telt werden.

Koor­diniert und organisiert

Bei nahezu allen Vor­fällen waren die Neon­azis schw­er bewaffnet – mit Flaschen, Pflaster­steinen, schw­eren Schrauben, Holzknüp­peln, Base­ballschlägern, Messern, Schreckschusspis­tolen, Pis­tolen mit Reiz­gas, Feuer­w­erk­skör­pern, Kanis­tern, Fack­eln oder Molotow-Cocktails.

Zudem beteiligten sich an den Angrif­f­en oft Neon­azis aus ver­schiede­nen Städten, auch zugereiste aus dem West­en. An den Ran­dalen in der Leipziger Innen­stadt und am Angriff auf „Die Vil­la“ nah­men etwa Mit­glieder der neon­azis­tis­chen „Gesin­nungs­ge­mein­schaft der Neuen Front“ (GdNF) aus Franken teil.19 Unter den Neon­azis, die das beset­zte Haus in Weimar angrif­f­en, befan­den sich laut der Thüringer Lan­deszeitung eben­falls „viele Zugereiste“.20 Das­selbe gilt für den Angriff auf die Kötschauer Müh­le in Zerbst.

Diese bei­den Sachver­halte – die mas­sive Bewaffnung und die oft städteüber­greifende Koor­di­na­tion der Angriffe – lassen darauf schließen, dass die Neon­azis viele der Angriffe im Vor­feld und in hohem Maße geplant und vor­bere­it­et haben.


Bürger:innen und Polizei

In eini­gen Städten beteiligten sich auch Bürger:innen, die nicht Teil der recht­en Szene waren, an den Angrif­f­en der Neon­azis. So beschreibt ein Augen­zeuge den Angriff auf das Wohn­heim viet­name­sis­ch­er Vertragsarbeiter:innen in Magde­burg-Olven­st­edt: „Da wurde halt gle­ich um die Ecke, wo ich gewohnt hab, da war ein Viet­name­sen-Wohn­heim, welch­es dann über­fall­en wurde, was dann nicht nur einge­fleis­chte Nazis waren, son­dern wo das halbe Vier­tel mit­gemacht hat.“21 In Leipzig sol­i­darisierten sich eben­falls Teile der Umste­hen­den mit den Neon­azis, wie eine Zeitung berichtet: „Nach ein­er Ver­fol­ungs­jagd durch den Stadtk­ern kon­nte die Polizei mehrere z.T. mit Messern bewaffnete Jugendliche fes­t­nehmen. Dabei kassierte sie sowohl den Beifall der Schaulusti­gen als auch Rufe wie ‚Rote Schweine‘ und ‚Stasiknechte‘.“22 Auch unter den Angreifer:innen in Zerb­st befan­den sich etliche Jugendliche, die nicht der recht­en Szene angehörten.

In den meis­ten Fällen schritt die Polizei nicht, halb­herzig oder zu spät ein – so wie sie es im Vor­feld in Teilen bere­its angekündigt hatte.

Bemerkenswert­er­weise war die Polizei am 3. Okto­ber 1990 wiederum sehr gut und aus­ge­sprochen offen­siv aufgestellt, als es darum ging, in Berlin gegen die von linken Bewe­gun­gen ini­ti­ierte Demon­stra­tion gegen die Vere­ini­gung der deutschen Staat­en – und die in deren Schat­ten zunehmende neon­azis­tis­che Gewalt – vorzuge­hen, diese schlussendlich aufzulösen und dort etliche Teilnehmer:innen anzu­greifen und festzunehmen. Zu diesem Großein­satz der Polizei waren sog­ar Ein­heit­en aus zahlre­ichen Städten West­deutsch­lands und Hub­schrauber herange­zo­gen worden.

Die Gesamtschau lässt hier kaum einen anderen Schluss zu als den, dass staatlich­er­seits den angekündigten Angrif­f­en von Neon­azis auf Linke und Migrant:innen weniger Aufmerk­samkeit geschenkt wer­den sollte als der Unter­drück­ung der linken Proteste gegen die Vereinigung.

Der Presse und den Medi­en generell waren die Angriffe der Neon­azis rund um den 2. und 3. Okto­ber 1990 nur einige Rand­no­ti­zen wert. Eine The­ma­tisierung oder gar der Ver­such ein­er Einord­nung der Gewalt blieb genau­so aus wie eine The­ma­tisierung oder gar öffentliche Empörung von poli­tis­ch­er Seite. Auch scheinen die Täter:innen kaum strafrechtlich ver­fol­gt wor­den zu sein.


Eine Etappe auf dem Weg zu den Pogromen

Die Gewalt zum Tag der Vere­ini­gung der deutschen Staat­en unter­schei­det sich so von den Pogromen der Jahre 1991 und 1992 in Hoy­er­swer­da24, Mannheim-Schö­nau25, Ros­tock-Licht­en­hagen26 und Quedlin­burg27. Diese wur­den von den Medi­en aktiv begleit­et und in Teilen sog­ar mitin­sze­niert. Ein weit­er­er Unter­schied beste­ht darin, dass die Gewalt vom 2. und 3. Okto­ber 1990 weit­ge­hend von der einiger­maßen klar abgrenzbaren Neon­azi- und Skin­head-Szene aus­ging und sich bre­it­ere Teile der Gesellschaft kaum daran beteiligten.

Insofern lassen sich die Angriffe zum Vere­ini­gungstag einord­nen als einen – bish­er kaum beachteten – vor­läu­fi­gen Höhep­unkt ein­er immer weit­er eskalieren­den recht­en Gewalt, die sich in den Pogromen 1991 und 1992 vol­lends entfesselte.


Auch zwei Terroranschläge

In diese Gewaltwelle ord­nen sich auch zwei Ter­ro­ran­schläge ein. In Bonn verübten Unbekan­nte einen Bran­dan­schlag auf das Stadthaus und hin­ter­ließen ein neon­azis­tis­ches Beken­ner­schreiben.28 In Win­terthur in der deutschsprachi­gen Schweiz verübten drei Neon­azis einen Hand­grana­te­nan­schlag auf die ver­meintliche Woh­nung eines antifaschis­tis­chen Jour­nal­is­ten. Dabei kam aus reinem Glück nie­mand zu Schaden. Jedoch wurde die Woh­nung weit­ge­hend zer­stört.29

Anmerkung der Redaktion: 
Im Online-Artikel ist eine Karte der Fälle, diverse Zeitungsar­tikel und Fotos sowie die Quellen der Fußnoten zu finden

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