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Klima & Umwelt Law & Order

Einstellung des Verfahrens gegen Klimaaktivist*innen

Einstellung des Verfahrens gegen Klimaaktivist*innen — skandalöses Urteil des Amtsgerichts Cottbus konnte nicht aufrecht erhalten werden

Am Landgericht Cot­tbus wurde heute der Beru­fung­sprozess von drei Klimaaktivist*innen mit der Ein­stel­lung des Ver­fahrens gegen Zahlung eines Betrags an die Staatskasse und Pro Asyl e.V. been­det. Die drei Per­so­n­en gehören zu den “Lausitz23”, ein­er Gruppe von Klimaaktivist*innen von Ende Gelände und Robin Wood, die im Feb­ru­ar 2019 zwei Kohle­bag­ger der Betreiberge­sellschaft LEAG in Jän­schwalde und Wel­zow-Süd beset­zten. “Das Ein­stel­lungsange­bot ist das Min­deste gewe­sen. Engage­ment für Klim­agerechtigkeit ist wichtiger denn je. Wir wer­den darüber weit­er auf der Straße und in der Grube ver­han­deln” , sagte eine*r der angeklagten Aktivist*innen.

Anlass der Bag­gerbe­set­zung am 4. Feb­ru­ar 2019 war der Beschluss der Kohlekomis­sion, erst im Jahr 2038 aus der Kohle auszusteigen und in der Zwis­chen­zeit weit­er das Kli­ma anzuheizen.
Am 25. Feb­ru­ar 2019 fand am Amts­gericht Cot­tbus die erstin­stan­zliche Ver­hand­lung gegen die drei Aktivist*innen mit den Wahlna­men Non­ta, Stan­ley und Vin­cent statt. Der Richter nan­nte die Absicht­en der Beset­zen­den “hon­orig”, verurteilte sie aber den­noch zu 2 Monat­en Haft ohne Bewährung. Nach der Angabe ihrer Iden­tität wur­den Non­ta, Stan­ley und Vin­cent aus der Haft ent­lassen, es wurde Beru­fung ein­gelegt. Die Cot­tbusser Behör­den zeigten im Fall der Lausitz23 bish­er einen exzes­siv­en Straf- und Ermit­tlungswillen, wie sich schon in der Begrün­dung des Urteils 2019 zeigte, das ver­hängt wurde, um “den Angeklagten durch die Ver­hän­gung ein­er kurzen Frei­heitsstrafe vor Augen zu führen, dass man sich auf diese Weise nicht ein­er Bestra­fung ein­fach entziehen kann. Es ist dabei uner­he­blich, welche Qual­ität das zugrun­deliegende Delikt hat.”

Das Gericht hat trotz des Wider­willen der Staat­san­waltschaft eine Ein­stel­lung des Ver­fahrens ange­boten, die die Angeklagten akzep­tierten. Eine Verurteilung wäre angesichts der immer lauter wer­den­den öffentlichen Forderun­gen, den Kohleab­bau endlich zu stop­pen, und der Entschei­dung des Bun­desver­fas­sungs­gerichts in der let­zten Woche nicht zu begrün­den gewe­sen. Doch ob Urteil, Ein­stel­lung oder Freis­pruch — unser Protest bleibt legitim!

Weit­ere Infos unter https://www.ende-gelaende.org/aktion-baggerstoppen/ oder https://twitter.com/lausitz23

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Afghanistan Abschiebung verschoben

Afghanistan Abschiebung ver­schoben: Jet­zt poli­tis­che Kon­se­quen­zen ziehen!

Der für heute geplante bun­desweite Sam­me­lab­schiebe-Char­ter nach Afghanistan wurde wegen Sicher­heits­be­denken ver­schoben. Dies bestätigt die Kri­tik von PRO ASYL und den Lan­des­flüchtlingsräten an den Abschiebun­gen nach Afghanistan, das laut Glob­al Peace Index das unsich­er­ste Land der Welt ist. Afghanistan befind­et sich sicher­heit­stech­nisch im freien Fall. Die prekäre Sicher­heit­slage hat sich durch den am 1. Mai begonnenen Abzug der NATO-Trup­pen weit­er ver­schärft. Wie das Macht­vaku­um gefüllt wird, ist ungewiss. Eine Zunahme der Angriffe durch die Tal­iban und Ver­suche zur Machtüber­nahme sind zu erwarten. Darüber hin­aus hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan auf Grund der Covid-19-Pan­demie extrem ver­schlechtert, sodass Abgeschobe­nen ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk die Vere­len­dung dro­ht. Trotz­dem bleibe der Grund­satz des Innen­min­is­teri­ums zu Abschiebun­gen nach Afghanistan weit­er unverän­dert, wie dpa berichtet. Dass der für Dien­stag geplante Abschiebe­flug nicht voll­ständig abge­sagt, son­dern lediglich ver­schoben wurde, ist vol­lkom­men unangemessen.

PRO ASYL und die Lan­des­flüchtlingsräte fordern:

  • Die Bun­desregierung und die Bun­deslän­der müssen einen sofor­ti­gen und aus­nahm­slosen Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen. Aus der prekären und völ­lig ungewis­sen Sicher­heit­slage sowie angesichts der desas­trösen wirtschaftlichen Sit­u­a­tion, die sich eben­falls mit dem Trup­pen­abzug weit­er ver­schär­fen wird, muss ein bun­desweites Abschiebe­ver­bot nach Afghanistan fol­gen, welch­es es bei der näch­sten Innen­min­is­terkon­ferenz zu beschließen gilt. Bere­its jet­zt kön­nen und müssen die Bun­deslän­der auch in eigen­er Ver­ant­wor­tung die Abschiebun­gen nach 60 a) Abs. 1 Aufen­thG für sechs Monate aus­nahm­s­los aussetzen.

Geflüchtete sind nach der Abschiebung aus Deutsch­land häu­fig auch in Afghanistan stig­ma­tisiert. Viele Gerichte, darunter auch der Ver­wal­tungs­gericht­shof in Baden-Würt­tem­berg, haben fest­gestellt, dass ihnen eine Rück­kehr ohne ein sta­biles famil­iäres oder soziales Net­zw­erk in Afghanistan nicht zuzu­muten ist.

  • )  Das Auswär­tige Amt muss die Lage und Ver­fol­gungssi­t­u­a­tion umge­hend neu bew­erten, da die Lage­berichte Grund­lage für Asy­lentschei­dun­gen des Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF) sind. Bish­er wer­den Asy­lanträge abgelehnt mit der Begrün­dung, es gebe inner­halb des Lan­des sichere Gebi­ete, soge­nan­nte inner­staatliche Fluchtal­ter­na­tiv­en. Doch nach dem Trup­pen­abzug der NATO kön­nen auch Städte wie Kab­ul nicht länger als sich­er gel­ten. Wie aus einem Spiegel-Artikel vom 29.04.2021 her­vorge­ht, schließen Außen- und Vertei­di­gungsmin­is­teri­um selb­st einen „Sturm auf Kab­ul” durch auf­ständis­che Grup­pen nicht mehr aus.

 

  • Mit dem Trup­pen­abzug muss allen afghanis­chen Ort­skräften – Dolmetscher:innen, Fahrer:innen und son­sti­gen Mitar­bei­t­en­den der Bun­deswehr, der Bun­de­spolizei und ander­er Organ­i­sa­tio­nen – mit ihren Fam­i­lien­ange­höri­gen schnell und unbürokratisch die Auf­nahme im Bun­des­ge­bi­et ange­boten wer­den. Sie müssen eine Aufen­thalt­ser­laub­nis in Deutsch­land erhal­ten. Diese Men­schen jet­zt zurück­zu­lassen, wäre für sie und ihre Fam­i­lien lebensgefährlich.

 

  • Die Bun­desregierung muss jet­zt den Fam­i­li­en­nachzug aus Afghanistan zu ihren in Deutsch­land leben­den Ange­höri­gen mit allen Mit­teln beschle­u­ni­gen und unter­stützen. Hierzu muss eben­so wie für Ort­skräfte ein schnelles, unbürokratis­ches Ver­fahren instal­liert wer­den. Für diese ist die Eröff­nung zweier Büros in Kab­ul und Masar‑e Sharif geplant, von wo aus die Auf­nahme organ­isiert wer­den soll. Da die Visaabteilung der Botschaft in Kab­ul infolge eines Anschlags weit­er­hin geschlossen ist, müssen diese Büros auch für den Fam­i­li­en­nachzug genutzt wer­den. Eine kurzfristige Auf­s­tock­ung des Per­son­als an den Botschaften in Islam­abad oder Neu-Del­hi – die derzeit für Visaanträge afghanis­ch­er Staat­sange­höriger zuständig sind – ist notwendig. Angesichts der Zeitk­nap­pheit und der Gefahren, die den Antrag­stel­len­den bei der Reise dor­thin dro­hen, reicht das jedoch nicht aus. Es kann schutz­suchen­den Afgha­nen nicht zuge­mutet wer­den, monate­lang in Neu-Del­hi oder Islam­abad auf Ter­mine zur Visumsver­gabe zu warten.

 

  • Das BAMF muss seine Wider­ruf­sprax­is ändern. In jün­ger­er Zeit wider­ruft das BAMF in zahlre­ichen Fällen, in welchen noch vor weni­gen Jahren jun­gen unbe­gleit­eten Min­der­jähri­gen die Flüchtling­seigen­schaft wegen (dro­hen­der) Zwangsrekru­tierung durch die Tal­iban zuge­sprochen wor­den war, kurz nach Erre­ichen der Volljährigkeit den Flüchtlingssta­tus. Das darf nicht länger gängige Prax­is sein. Auch Abschiebungsver­bote wer­den mit Erre­ichen der Volljährigkeit wider­rufen, da das Bun­de­samt davon aus­ge­ht, dass es jun­gen Män­nern möglich ist, ein Leben am Rande des Exis­tenzmin­i­mums auch ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk zu führen. Dies ist indessen – wie jüngst im oben genan­nten Urteil des VGH Baden-Würt­tem­berg deut­lich aufgezeigt wurde – nicht der Fall. Wider­rufe des BAMF müssen fol­glich unterbleiben.

 

  • Ein gesichertes Bleiberecht muss es auch für jene Afgha­nen geben, die nur mit ein­er Dul­dung in Deutsch­land leben oder sich seit Jahren im Asylver­fahren befind­en. Kein Afghane, keine Afghanin in Deutsch­land darf in der jet­zi­gen Lage zurück­geschickt wer­den – egal, ob sie erst vor weni­gen Monat­en angekom­men sind oder seit Jahren hier leben. Die Fol­gen ein­er Dul­dung sind nicht nur ein Leben in ständi­ger Angst, Per­spek­tivlosigkeit und Armut, son­dern auch gerin­gere Chan­cen auf dem Arbeits- und Woh­nungs­markt, in der Bil­dung und in der Entwick­lung per­sön­lich­er Poten­ziale. Let­ztlich sind dies auch ver­passte Chan­cen für die Gesellschaft, in der diese Men­schen leben. Mit Blick auf die gemein­same gesellschaftliche Zukun­ft ist es geboten, diesen Men­schen jet­zt eine Lebensper­spek­tive zu eröff­nen und ihnen die in einem solchen Fall anstelle von Ket­ten­dul­dun­gen geset­zlich vorge­se­henen Aufen­thalt­ser­laub­nisse zu erteilen.
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order Parlamentarismus

Die tödliche Dimension von Rechts wird unterschätzt

Die tödliche Dimension von Rechtsterrorismus, Antisemitismus, Rassismus und rechter Gewalt wird noch immer unterschätzt

Neun Men­schen wur­den beim recht­ster­ror­is­tisch und ras­sis­tisch motivierten Atten­tat in Hanau am 19. Feb­ru­ar 2020 ermordet. Doch trotz aller Erk­lärun­gen von Strafver­fol­gungs­be­hör­den, Jus­tiz und Innen­poli­tik wird die tödliche Dimen­sion rechter, ras­sis­tis­ch­er und anti­semi­tis­ch­er Gewalt noch immer nicht aus­re­ichend erfasst.  

Ras­sis­mus, Anti­semitismus und Ver­schwörungsnar­ra­tive haben in 2020 während der Coro­n­a­pan­demie zu ein­er für viele Men­schen extrem bedrohlichen Zunahme von poli­tisch rechts motivierten Gewalt­tat­en geführt. Am 19. Feb­ru­ar 2020 wur­den in Hanau Fer­hat Unvar, Gökhan Gül­tekin, Hamza Kur­tović, Said Nesar Hashe­mi, Mer­cedes Kier­pacz, Sedat Gür­büz, Kaloy­an Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu durch einen ras­sis­tisch motivierten Atten­täter ermordet, der weit­ere Men­schen ver­let­zte und anschließend seine Mut­ter und sich selb­st tötete. Dass Ras­sis­mus und Recht­ster­ror­is­mus die Motive für eines der schw­er­sten recht­ster­ror­is­tis­chen Atten­tate seit der Jahrtausendwende waren, wird auch von den Strafver­fol­gungs­be­hör­den eben­so wie von Bun­des- und Lan­despoli­tik­ern anerkannt.

Wie schon in den Vor­jahren müssen wir fest­stellen, dass in den Jahres­bi­lanzen der Strafver­fol­gungs­be­hör­den der Län­der und des BKA zahlre­iche Gewalt­tat­en aus 2020 fehlen, in denen die Täter mit unglaublich­er Bru­tal­ität vorge­gan­gen sind und offen­sichtlich aus ras­sis­tis­ch­er und rechter Moti­va­tion gehan­delt haben”, kri­tisiert Robert Kusche vom Ver­band der Beratungsstellen für Betrof­fene rechter, ras­sis­tis­ch­er und anti­semi­tis­ch­er Gewalt (VBRG e.V.). „Dabei haben die Betrof­fe­nen die Schussver­let­zun­gen, Tritte, Schläge und Messer­stiche der recht­en Täter oft nur durch glück­liche Umstände überlebt.”

Die nach wie vor man­gel- und lück­en­hafte Erfas­sung und Anerken­nung von Ras­sis­mus, Anti­semitismus und Recht­sex­trem­is­mus als Tat­mo­tive durch Polizei und Jus­tiz ver­schleiert das Aus­maß der tödlichen Dimen­sion rechter Gewalt und lässt die Betrof­fe­nen im Stich”, betont Robert Kusche.

Fol­gende Beispielfälle vol­len­de­ter und ver­suchter Tötungs­de­lik­te haben Opfer­ber­atungsstellen des VBRG in 2020 reg­istri­ert, die bis­lang von den Lan­deskrim­i­nalämtern und dem BKA nicht als Poli­tisch motivierte Krim­i­nal­ität-Rechts (PMK-Rechts)-Gewalttaten gew­ertet werden.

Altenburg, 12.02.2020: Ein 52-Jähriger wird in sein­er Woh­nung von zwei jun­gen Män­nern mit Bezü­gen zur recht­en Szene mit einem Mess­er ange­grif­f­en und mit Schlä­gen und Trit­ten gegen Oberkör­p­er und Kopf so lange mis­shan­delt, bis er stirbt. Zu ihren Motiv­en geben die Angreifer im Mord­prozess am Landgericht Gera im März 2020 an, sie hät­ten den Mann für seine ange­bliche Homo­sex­u­al­ität und ver­mutete Pädophilie bestrafen und ihm einen „Denkzettel” ver­passen wollen. Bis­lang ist offen, ob das LKA Thürin­gen den Mord als PMK-Rechts Tötungs­de­likt wertet. www.ezra.de

Schwe­in­furt, 25.02.2020: Ein 19-jähriger Algerier wird am Faschings­di­en­stag auf dem Roß­markt durch einen Messer­stich in den Herz­muskel lebens­ge­fährlich ver­let­zt. Bei dem 27-jähri­gen Täter wer­den zahlre­iche recht­sex­treme Pro­pa­gandage­gen­stände und ein­schlägige Szenek­lei­dung gefun­den. Den­noch lässt das Urteil der Schwurg­ericht­skam­mer des Landgerichts Schwe­in­furt die Frage nach Ras­sis­mus als Tat­mo­tiv offen. Der Täter wird wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung zu fünf Jahren Haft verurteilt. In den PMK-Rechts Sta­tis­tiken des LKA Bay­ern wird der Fall nicht erwäh­nt. www.bud-bayern.de

Halle/Saale, 01.05.2020: An ein­er Straßen­bahn­hal­testelle wer­den kurz vor 1 Uhr nachts zwei syrische Geflüchtete von drei Unbekan­nten umringt, ras­sis­tisch und homo­phob belei­digt und dann unver­mit­telt zu Boden geschla­gen. Ein­er der bei­den Ange­grif­f­e­nen erlei­det lebens­bedrohliche Kopf- und Gesichtsver­let­zun­gen und muss mehrfach operiert wer­den. Die Ermit­tlun­gen wegen ver­sucht­en Totschlags sind über Monate block­iert, weil die Staat­san­waltschaft Halle die Ermit­tlungsak­ten „ver­liert”. Das LKA Sach­sen-Anhalt führt den Angriff nicht in der PMK-Rechts Sta­tis­tik. Auch in der Anklage, die die Staat­san­waltschaft Halle mit­tler­weile erhoben hat, fehlen Ras­sis­mus und Homo­pho­bie als Tat­mo­tive. www.mobile-opferberatung.de

Stral­sund, 21.05.2020: Eine Gruppe von fünf Recht­en greift nach ras­sis­tis­chen Belei­di­gun­gen einen Geflüchteten aus Soma­lia an und schlägt ihn bewusst­los. Dann zer­ren die Angreifer den leblosen Kör­p­er des Betrof­fe­nen auf eine viel befahrene Straße. Nur Dank des beherzten Ein­greifens eines Zeu­gen über­lebt der Betrof­fene den Angriff. Obwohl der Betrof­fene die ras­sis­tis­chen Belei­di­gun­gen ver­standen und der Ers­thelfer die Angreifer als Rechte beschrieben hat, wertet das LKA Meck­len­burg-Vor­pom­mern den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalt­tat. Eine Anklage gegen die polizeibekan­nten Angreifer gibt es bis heute nicht. www.lobbi-mv.de

Guben, 22.05.2020: Zwei Geflüchtete sind mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Super­markt, als ein Auto mit über­höhter Geschwindigkeit auf sie zufährt mit frt Absicht, sie anz­u­fahren. Beim Ver­such auszuwe­ichen, ver­let­zt sich ein­er der Geflüchteten. Dann legt der Aut­o­fahrer den Rück­wärts­gang ein und ver­sucht erneut, die Geflüchteten anz­u­fahren. Kurze Zeit später ver­sucht der Aut­o­fahrer einen drit­ten Geflüchteten anz­u­fahren. Die Amok­fahrt endet erst, als das Auto des Angreifers sich am Bürg­er­steig verkan­tet. Die Täter flücht­en zu Fuß und wer­den kurze Zeit später gefasst. Ein­er von ihnen wird der recht­en Szene zuge­ord­net. Eine Anklage ist bis heute nicht erhoben. Das LKA Bran­den­burg wertet den Fall nicht als PMK-Rechts Gewalt­tat. www.opferperspektive.de

Dres­den, 30.08.2020: Bei ein­er Open-Air-Technopar­ty in der Dres­den­er Hei­de mit vie­len Besucher*innen aus der alter­na­tiv­en Szene belei­digt ein 16-jähriger Rechter zunächst eine Besucherin ras­sis­tisch und zeigt den Hit­ler­gruß. Dann sticht er mit einem Mess­er auf einen jun­gen Mann und eine jun­gen Frau ein und ver­let­zt bei­de lebens­ge­fährlich. Die Staat­san­waltschaft Dres­den hat inzwis­chen Anklage wegen zweifachen ver­sucht­en Mordes erhoben, sieht jedoch kein recht­es Tat­mo­tiv. Das LKA Sach­sen führt den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalt­tat. www.raa-sachsen.de/support/beratung

13.06.2020, Coburg: Am Gold­bergsee greifen drei Män­ner eine syrische Fam­i­lie mit Kleinkindern an. Mit der Dro­hung „Ich steche euch ab, ihr K***[rassistisches Schimpf­wort]!” schlägt der Haupt­täter so bru­tal mit ein­er Met­all­stange auf den Kopf des Fam­i­lien­vaters, dass dieser dauer­haft den Großteil seines Hörver­mö­gens ver­liert. Obwohl die Staat­san­waltschaft von ein­er ras­sis­tisch motivierten Tat aus­ge­ht und Ras­sis­mus im Plä­doy­er her­vorhebt, hält das Amts­gericht Coburg das Angriff­s­mo­tiv für ungek­lärt und verurteilt den Angreifer wegen Kör­per­ver­let­zung zu ein­er 16-monati­gen Haft­strafe. Das LKA Bay­ern führt den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalt­tat. www.bud-bayern.de

Esens, 20.07.2020: Am Abend des 20. Juli 2020 wird ein soma­lis­ch­er Fam­i­lien­vater unver­mit­telt vom Gast­ge­ber ein­er pri­vat­en Par­ty mit einem umge­baut­en Luft­gewehr bedro­ht und dann durch Schüsse lebens­ge­fährlich ver­let­zt. Der Betrof­fene ver­liert einen Teil sein­er Lunge und muss inten­sivmedi­zinisch behan­delt wer­den. Das Landgericht Aurich verurteilt den 29-jähri­gen Täter, der Mit­glied recht­sex­tremer Chat­grup­pen war und in sein­er Woh­nung Schwarzpul­ver gehort­et hat­te, im März 2020 zu 9,5 Jahren Haft wegen ver­sucht­en Mordes und benen­nt Ras­sis­mus und Aus­län­der­feindlichkeit als Tat­mo­tive. Den­noch wird der Fall vom LKA Nieder­sach­sen bis­lang nicht als PMK-Rechts Gewalt­tat genan­nt. https://betroffenenberatung.de/

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Asylpolitik kostet Leben

Asylpolitik kostet Leben

Drei Suizide von Geflüchteten in Berlin und Brandenburg innerhalb weniger Wochen

Im Feb­ru­ar und März 2021 nah­men sich drei Geflüchtete aus Pots­dam, Eber­swalde und Berlin das Leben. Für Ange­hörige und Berater*innen ste­ht fest: Die drei Män­ner wur­den durch das Asyl­sys­tem mas­siv unter Druck geset­zt. Sie erhiel­ten nicht den Schutz, den sie in Deutsch­land gesucht hatten. 

Pots­dam:
A. H. aus Afghanistan nahm sich am 16. Feb­ru­ar 2021 mit 43 Jahren das Leben.
Er hat­te seit neun Jahren um die Fam­i­lien­zusam­men­führung mit sein­er Frau gekämpft. 
Ohne Erfolg. 

In sein­er Zeit in Deutsch­land war A.H. psy­chisch und kör­per­lich zunehmend erkrankt. Er hat­te eine Niere ver­loren und litt unter starken Schmerzen auf­grund von drei Brüchen an der Wirbel­säule. Nach neun Jahren auf der Flucht hat­te er im Dezem­ber endlich den Flüchtlingssta­tus in Deutsch­land bekom­men. Doch die neun­jährige Tren­nung von sein­er Frau und sein jahre­langer Kampf um Fam­i­li­en­nachzug war verge­blich und trieb ihn in die Verzwei­flung. Er hat­te psy­chother­a­peutis­che Behand­lung, Gesund­heits­ber­atung und eine Selb­sthil­fe­gruppe in Anspruch genom­men. Seit der Pan­demie litt er jedoch unter einem Man­gel an geeigneten Ange­boten Pots­dam und an sozialer Isolation.

Shorreh Bad­dieh, Trau­mather­a­peutin bei XENION:
„Ins­beson­dere in Bran­den­burg ist die Ver­sorgungsstruk­tur für geflüchtete Men­schen mit psy­chis­chen Prob­le­men schlecht. Ich mache mir aktuell um mehrere mein­er Patien­ten große Sor­gen wegen Suizidge­fahr. Sie brauchen drin­gend Hil­fe, tre­f­fen aber vor allem in der Akutver­sorgung immer wieder auf Men­schen mit geringer interkul­tureller Kom­pe­tenz und erhal­ten keine Dol­metschung in ihre Muttersprache.”

Chris­tiane Weber, Psy­chol­o­gis­che Psy­chother­a­peutin bei XENION:
„Wir sehen aktuell, dass der psy­chis­che Druck ger­ade bei den Men­schen, die sich in ein­er unsicheren Aufen­thaltssi­t­u­a­tion befind­en und auf­grund ihrer Geschichte bere­its schw­er belastet sind, enorm steigt. Coro­na wirkt dabei wie ein Bren­n­glas. Das große Prob­lem ist, dass es keine reg­uläre Ver­sorgungsstruk­tur im Sinne von qual­i­fizierten ther­a­peutis­chen Ange­boten für sie gibt, und auch der Zugang zu den Akut­sta­tio­nen der Psy­chi­a­trien oft schwierig ist. Dies ist aber ger­ade jet­zt umso nötiger, um Men­schen in Exis­ten­zkrisen zu stärken und damit Suizid­präven­tion zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass unsere Gutacht­en, in denen wir auf die psy­chis­che Belas­tung und Suizidal­ität hin­weisen, mit­tler­weile immer häu­figer von Behör­den und Gericht­en als Gefäl­ligkeitsgutacht­en diskred­i­tiert werden.”
 
Eber­swalde: 
Salah Tayar aus dem Tschad nahm sich am 11.3.2021 mit 35 Jahren das Leben. 
Er hat­te seit acht Jahren um ein Recht zu bleiben gekämpft. 
Ohne Erfolg. 

Salah Tayar kam als junger Mann im Tschad wegen Unge­hor­sam in ein Mil­itärge­fäng­nis. In den zweiein­halb Jahren dort wur­den er regelmäßig gefoltert. Nach jahre­langer Flucht durch Libyen und übers Mit­telmeer erre­ichte er Deutsch­land. Sein Asy­lantrag wurde abgelehnt, weil der Tschad als sich­er gilt. Im April hätte er einen let­zten Ter­min vor dem Ver­wal­tungs­gericht Frankfurt/Oder im Klagev­er­fahren – mit kaum Aus­sicht auf Erfolg- gehabt. Fre­unde und Ange­hörige beschreiben, dass die unklare Aufen­thaltsper­spek­tive ihn in eine tiefe Depres­sion stürzte.

Sein Cousin Yahia Mohammed:
„Salah hat jahre­lang für ein men­schen­würdi­ges Leben gekämpft, im Tschad und in Deutsch­land. Trotz allem, was er durchgemacht hat, wurde ihm kein Schutz gewährt. Sein Asyl wurde abgelehnt, obwohl er seine ganze Geschichte offen­gelegt hat­te. Das hat ihm jede Per­spek­tive auf ein Leben in Würde ger­aubt. Daran ist Salah zerbrochen.” 
Weit­er führt Yahia Mohammed aus:
„Salah hat 8 Jahre im Heim in Eber­swalde gelebt, er hat­te eine Dul­dung und damit keine umfassende Arbeit­ser­laub­nis. Die Sit­u­a­tion im Heim ist schlimm, es gibt nichts zu tun, das treibt Men­schen in die Hoff­nungslosigkeit. Der Ras­sis­mus im öffentlichen Raum in Eber­swalde kommt hinzu. Es gibt viele Men­schen, den es so geht, die nicht mehr wis­sen, wie sie die Sit­u­a­tion aushal­ten sollen.”
 
Mustafa Hussien von Barn­im für Alle:
“Salah floh vor Folter, vor der Unter­drück­ung und Poli­tik der tschadis­chen Regierung unter der Führung von Dik­ta­tor Idriss Deby. Salah lebte unter uns als ruhiger und guter Men­sch. Es gibt eine Gruppe von Geflüchteten, die noch leben, aber unter den gle­ichen Bedin­gun­gen wie Salah lei­den. Wir als Gruppe ‚Barn­im für Alle’ und als in der Region lebende Geflüchtete erk­lären unsere völ­lige Ablehnung dieser Poli­tik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Geset­ze verändern.”

Berlin
Alpha Oumar Bah aus Guinea nahm sich in der Nacht vom 16.3.2021/17.3.2021 mit 27 Jahren das Leben. Er hat­te seit mehr als drei Jahren um eine Bleibeper­spek­tive gekämpft. Ohne Erfolg. Er hat­te sehr große Angst vor ein­er Abschiebung. 

Alpha Oumar Bah lebte in ein­er Unterkun­ft für Geflüchtete in Berlin und ver­di­ente seinen Leben­sun­ter­halt bei ein­er Reini­gungs­fir­ma. Er war im Asylver­fahren und lebte in der Angst vor Abschiebung.
Der Berlin­er Innense­n­a­tor Andreas Geisel hat­te im Feb­ru­ar eine Del­e­ga­tion des Regimes in Guinea ein­ge­laden, um die Iden­tität von Geflüchteten aus Guinea zu klären und damit die nöti­gen Doku­mente für eine Abschiebung ausstellen zu kön­nen. Im Vor­feld wur­den schwarze Men­schen im Gör­l­itzer Park wegen ange­blich­er Deal­erei kon­trol­liert. Nach Aus­sagen der Polizei gegenüber der taz sei die Polizei zu dieser Zeit zudem auf der Suche nach „rel­e­van­ten Per­so­n­en zur Vorstel­lung vor der Guineis­chen Expertenkom­mis­sion”[1]gewe­sen. Bei einem Pres­seter­min in Gör­l­itzer Park unter­stre­icht der Innense­n­a­tor diese ras­sis­tis­che Prax­is. Bish­er wurde in 15 von 22 Men­schen aus Berlin die Guineis­che Staats­bürg­er­schaft fest­gestellt und die Betrof­fe­nen abgeschoben. Als eines von drei Bun­deslän­dern beteiligte sich Berlin unter anderem am 16.3. an den bun­desweit­en Sam­me­lab­schiebun­gen nach Guinea. Die Del­e­ga­tion soll im Herb­st erneut nach Berlin kom­men. Am 15.03.2021 gab es in der Unterkun­ft, in der Alpha Oumar Bah lebte, einen Polizeiein­satz, um die Abschiebung ein­er anderen Per­son zu vol­lziehen. Es ist anzunehmen, dass all dies Alpha Oumar psy­chisch mas­siv unter Druck setzte.
 
Rachid von Ayében Berlin
„Die Del­e­ga­tion aus Guinea hat die Aus­bil­dungs­dul­dung nicht anerkan­nt. Men­schen, die mit­ten in der Aus­bil­dung standen, wur­den nach Guinea abgeschoben. Wir fra­gen den Innense­n­a­tor von Berlin, wie kann das sein? Dieses Vorge­hen hat Panik aus­gelöst. Die Angst vor ein­er Abschiebung ist unsag­bar groß. Dass die Del­e­ga­tion erneut im Herb­st 2021 nach Deutsch­land kom­men soll, erschreckt die Men­schen sehr.”
 
Alpha von Ayében Berlin
„Die Sit­u­a­tion in Guinea ist sehr schwierig, zum einen ist die Bevölkerung schut­z­los der glob­alen Covid-19 Pan­demie aus­ge­set­zt, auf der anderen Seite bre­it­et sich Ebo­la erneut aus. Hinzu kommt, dass viele Oppo­si­tionelle im Gefäng­nis sitzen. Gle­ichzeit­ig gibt es schwere Men­schen­rechtsver­let­zun­gen. Die Lage in Guinea ist desaströs.”
 
Wir fordern von der Berlin­er und Bran­den­burg­er Lan­desregierung poli­tis­che Konsequenzen: 
> Öffentliche voll­ständi­ge Aufk­lärung der Suizide.
> Anerken­nung des Gesuch­es auf Schutz und Asyl.
> Erle­ichterung der Familienzusammenführung.
> Gedol­metschte und kul­tursen­si­ble Akutver­sorgung und Therapieangebote.
> Bleiberecht für psy­chisch belastete und trau­ma­tisierte Menschen.
> Keine Abschiebung in Län­der, die von Men­schen­rechtsver­let­zun­gen gekennze­ich­net sind.
> Keine Zusam­me­nar­beit mit dik­ta­torischen Reg­i­men zur Beschaf­fung von Abschiebepapieren.

Wir laden ein zur Kundgebung: 
13. April, 12–17 Uhr
Eber­walde Ausländerbehörde
Pfeilstr/Schicklerstr. 
 

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Wir weinen, aber niemand hört uns zu”

Geflüchtete aus Bran­den­burg a.d. Hav­el wollen am 30. März unter dem Mot­to „Leben im Lager? Keinen Tag länger!” gegen ihre Lebens­be­din­gun­gen protestieren.

Mitte März im Indus­triege­bi­et von Bran­den­burg a.d. Hav­el: Es sind Minus­grade – und trotz­dem tre­f­fen sich zum wieder­holten Mal Bewohner_innen der Sam­melun­terkun­ft Upstall­straße und Flämingstraße vor ihren Häusern und pla­nen einen Protest vor der Ausländerbehörde.

Worum geht es ihnen? „Ich habe Frau und Kinder. Trotz­dem darf ich nicht mit ihnen zusam­men wohnen”, klagt Bebe­to. Er ist aus Kamerun und wartet seit fünf Jahren auf eine Auszugser­laub­nis aus dem Lager. Auch Eric ist unzufrieden: „Seit Coro­na haben wir absolutes Besuchsver­bot im Lager. Per­ma­nent und unbe­fris­tet. Das ist unmen­schlich, wir brauchen Coro­na-taugliche Regeln”. Auch aus dem Lager raus dür­fen die Bewohner_innen nicht uneingeschränkt: Auf nicht mehr als neun Tage pro Monate haben sie ein Anrecht. „Ist das ein Gefäng­nis?”, fragt ein Bewohn­er kritisch.

Ein­heit der Fam­i­lie und gute Inte­gra­tions­be­din­gungen — nur zwei von ganzen sechzehn Missstän­den, welche die Bewohner_innen ben­nen. Unter ihnen solche, die eigentlich ein Grun­drecht sind: Fam­i­lien­leben und soziale Teil­habe, Bewe­gungs­frei­heit und Mobil­ität, Pri­vat­sphäre und Gesund­heit, Bil­dung und Arbeit.

Die Bewohner_innen richt­en ihre Forderun­gen an konkrete Entscheidungsträger_innen: Mit Jörg Vogler von den Verkehrs­be­trieben Bran­den­burg an der Hav­el GmbH wollen sie über die Wieder-Inbe­trieb­nahme der Buslin­ie C in der Upstall­straße sprechen. Von Doreen Brandt von der Aus­län­der­be­hörde erwarten sie schnellere Entschei­dun­gen beim The­ma Auszug und eigene Woh­nung. Gegenüber den Betreibern der zwei Bran­den­burg­er Heime, das Deutsche Rote Kreuz und die PulsM GmbH, wollen sie gegen die elek­tro­n­is­che Anwe­sen­heit­skon­trolle und die nächtliche Schließung der Küchen ansprechen.

Doch am Ende sehen die jun­gen Leute in den Lagern selb­st Prob­lem und fordern ihre Auflö­sung: „Sie machen das Gegen­teil von Inte­gra­tion – sie isolieren und nehmen uns die Würde”, so Eric. Mit der Kundge­bung wollen sie erre­ichen, dass man ihnen endlich zuhört.
Unter­stützung erhal­ten sie dabei neben See­brücke Brandenburg/Havel, See­brücke Pots­dam und Weltof­fenes Werder auch von eini­gen anderen poli­tisch aktiv­en Geflüchteten aus Bran­den­burg, die ihre Anreise angekündigt haben.

Am 30. März um 15:00 Uhr wollen sie den Protest vor die Aus­län­der­be­hörde am Neustädter Markt tra­gen und laden alle Brandenburger_innen ein, dazu zu kommen.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Wir sind alle Salah!“ 400 Menschen gegen Rassismus

Wir sind alle Salah!“ 400 Menschen gegen Rassismus in Eberswalde

400 Men­schen haben am Son­ntag in Eber­swalde gegen das ungerechte Asyl­sys­tem und den struk­turellen Ras­sis­mus in Deutsch­land demonstriert.

Der 21. März ist der inter­na­tionale Tag gegen Ras­sis­mus – trau­riger Anlass an diesem Tag war der Tod von Salah Tay­yar aus dem Tschad. Nach acht Jahren in Deutsch­land war er ohne sichere Aufen­thaltsper­spek­tive und hat keinen anderen Ausweg mehr gese­hen und sich am 11.03. das Leben genom­men. Ange­hörige und Freund*innen, Aktivist*innen der Gruppe „Barn­im für alle“ und ander­er Geflüchteten-Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin hiel­ten teils kämpferische, teils nach­den­kliche Reden auf dem Bahn­hofsvor­platz. Im Anschluss kamen 200 Men­schen vor das Haus im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel in Eber­swalde, in dem Salah gewohnt hat­ten, um an ihn zu erinnern.

Fotos: https://umbruch-bildarchiv.org/wir-sind-alle-salah/

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Gender & Sexualität

Offener Brief anlässlich des Internationalen Frauentages

Am 8. März 2021 — anlässlich des Inter­na­tionalen Frauen­t­ages — haben geflüchtete Men­schen, mehrheitlich Frauen, in Pots­dam einen offe­nen Brief an den Ober­bürg­er­meis­ter geschrieben und eine Kundge­bung gemacht. Während der Kundge­bung wurde der Protest­brief von der Sozial­beige­ord­neten Frau Meier ent­ge­gengenom­men. Die schutz­suchen­den Men­schen wur­den zu einem Tre­f­fen im Rathaus am 19. März 2021 eingeladen.

Wohl wis­send, dass die Ver­wal­tung in der Ver­gan­gen­heit die Prob­leme der Geflüchteten nicht ernst nimmt, bestanden die Flüchtlinge darauf, den Ober­bürg­er­meis­ter Herr Schu­bert zu tre­f­fen. Dies war nicht möglich. Herr Schu­bert, der unser Schreiben erhielt, delegierte das Tre­f­fen an Frau Meier.

Am 19. März gin­gen vier geflüchtete Frauen zu dem Tre­f­fen und präsen­tierten drei wichtige The­men, die gelöst wer­den sollten:

1. Wir fordern den Rück­tritt vom Aus­län­der­be­hör­denchef Her­rn Meier und ein Par­a­dig­men­wech­sel in der Aus­län­der­be­hörde. Wir wollen das alle Maß­nah­men umge­set­zt wer­den, die das Bünd­nis „Pots­dam beken­nt Farbe“ erar­beit­et hat. Das Papi­er mit den Maß­nah­men find­en Sie hier: https://www.potsdam.de/sites/default/files/documents/anlage_erklaerung_willkommenskultur_etablieren.pdf. Wir sind im Aus­tausch mit zivilge­sellschaftlichen Organ­i­sa­tio­nen wie dem Migranten­beirat und wis­sen, dass nicht nur wir die Pots­damer Aus­län­der­be­hörde als Prob­lem­be­hörde sehen.
Wir wis­sen aus unser­er Real­ität: In den let­zten Jahren hat sich bei der Aus­län­der­be­hörde nichts verbessert, trotz Inte­gra­tionskonzept, Sicher­er Hafen und allen anderen Ver­sprechun­gen. Wenn eine Behörde block­iert, liegt es an dem Chef der Behörde. Wir wis­sen, dass Herr Meier die bish­eri­gen Prozesse nicht unter­stützt, anson­sten hätte sich doch längst etwas geän­dert! Wir benöti­gen Per­so­n­en in der Aus­län­der­be­hörde, die einen Sicheren Hafen und Inte­gra­tion wollen und davon per­sön­lich überzeugt sind. Wir brauchen keine Per­so­n­en wie Her­rn Meier, die die Spiel­räume immer neg­a­tiv ausle­gen und keine Ambi­tio­nen und Ideen haben, etwas zu ändern.Wir wollen, dass sich die Aus­län­der­be­hörde grundle­gend ändert. Wir wollen einen­Par­a­dig­men­wech­sel. Das heißt: Die Haup­tauf­gabe der Aus­län­der­be­hörde soll die Schaf­fung von Bleibe-und Lebensper­spek­tiv­en für die Men­schen sein. Daher erwarten wir von dem Ober­bürg­er­meis­ter genau­so klare Maß­nah­men, wie er sie gegenüber der Bun­desregierung ein­fordert. Er sagte bei einem Besuch im Moria-Camp im Feb­ru­ar 2020 sehr deut­lich: Es darf nicht nur gere­det wer­den, es muss Lösun­gen geben. (https://www.youtube.com/watch?v=fGUOL2cDsvk).
Das sagen wir auch für Pots­dam: Die Lösun­gen ste­hen bere­it, es muss jet­zt gehan­delt wer­den, der Aus­tausch des Behör­denchefs Herr Meier ist ein erster Schritt.

2. Keine weit­ere Block­ade mehr gegen die Erteilung von Aufen­thalt­ser­laub­nis­sen für die Frauen, deren Kinder deutscheS­taat­sange­hörigkeit haben. Seit Jahren belässt die Aus­län­der­be­hörde Pots­dam viele Frauen in Unsicher­heit, obwohl die Frauen ein Recht auf diese Aufen­thalt­ser­laub­nisse haben. DiesePrax­is ist zynisch für eine Stadt, die sich Sicher­er Hafen nennt!

3. Empow­er­ment-Vere­in­barun­gen für alle abgelehn­ten Schutz­suchen­den, ange­fan­gen mit­ge­flüchteten Per­so­n­en aus der Seenotrettung.
Die Aus­län­der­be­hörde soll vom Ober­bürg­er­meis­ter angewiesen wer­den: Statt Men­schen den Abschiebun­gen auszuliefern, sollen für alle –ange­fan­gen bei den Men­schen aus Relo­ca­tion­pro­gram­men aus der Seenotret­tung –Empow­er­ment-Vere­in­barun­gen ges­tartet wer­den! Die Aus­län­der­be­hörde Pots­dam soll eine mehrjährige, sichere Zeit für abgelehnte Asyl­suchende garantieren, in der sie einen Weg zum sicheren Aufen­thalt gezeigt bekom­men und nutzen kön­nen, wie z.B. über Deutschkurse und Aus­bil­dungs-und Jobmöglichkeiten.

Die Frauen wur­den von der Sozial­beige­ord­neten darüber informiert, dass von­der Stadtver­wal­tung momen­tan unter­sucht wird, inwieweit Spiel­räume für pos­i­tive Entschei­dun­gen im Sinne von geflüchteten Men­schen möglich sind. Die Ergeb­nisse sollen erst bis Ende des Jahres vor­liegen! Viel zu spät!!

Am Ende waren wir ent­täuscht. Uns wurde wenig zuge­hört. Auf unsere Forderung, dass der Aus­län­der­be­hör­denchef zurück­treten muss, da er seit Jahren ver­sagt, wurde nicht reagiert. Wir ste­hen wieder mal bürokratis­chen Manip­u­la­tio­nen gegenüber. Sie wollen nicht sofort auf ein drin­gen­des Prob­lem zu reagieren. Aber die Lage der geflüchteten Men­schen ist drin­gend –jeden Tag!
Wir ver­ließen das Gespräch entschlossen, unseren Kampf fortzuset­zen, denn die Prob­leme, mit denen die Flüchtlinge in Pots­dam kon­fron­tiert sind, machen sie kaputt. Pots­dam ist kurz davor, Fälle zu haben, wie das, was ger­ade in Eber­swalde passiert ist ‑Selb­st­mord wegen jahre­langer Dul­dung und ohne Hoffnung.

Wir wer­den unseren Protest in den kom­menden Wochen fortsetzen!

Refugees Eman­ci­pa­tion e.V.

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Antifaschismus Verschwörungsideologie

Querdenken versenken! — Solidarität statt Verschwörung

Sol­i­dar­ität statt Verschwörung

Wie diese Dinge weit­erge­hen und die Ver­ant­wor­tung dafür, […] das ist in let­zter Instanz an uns.“ (Theodor W. Adorno)

Wie stark die extreme Rechte auftreten und mobil­isieren kann hängt davon ab, wie aktiv ihr die Zivilge­sellschaft ent­ge­gen­tritt. Es liegt an uns, ras­sis­tis­chen und faschis­tis­chen Welt­bildern entschlossen den Raum zu nehmen.

Unheil und Katas­tro­phe sind die Antrieb­skraft der extremen Rechte und Pro­pa­gan­da ist für sie ein wichtiges Instru­ment. Es wer­den Unwahrheit­en ver­bre­it­et und das öffentlich Sag­bare gezielt nach rechts ver­schoben. Ins­beson­dere die AfD tut dies, um danach zu behaupten, man sei falsch ver­standen wor­den oder auf der Maus aus­gerutscht. Damit wer­den gezielt rechte Wähler*innen ange­sprochen, während man gle­ichzeit­ig ver­sucht, den bürg­er­lichen Schein zu wahren.

Mit der im let­zten Jahr ent­stande­nen Bewe­gung „Quer­denken“ scheint die AfD eine neue Ziel­gruppe gefun­den zu haben. Während man zu Beginn der Pan­demie noch kri­tisierte, die Regierung würde nicht aus­re­ichend auf die Lage reagieren und die Maß­nah­men seien nicht hart genug, schwenk­te man schließlich auf den Kurs von „Quer­denken“ um und wurde gewis­ser­maßen zum par­la­men­tarischen Arm.

Auch in Bran­den­burg an der Hav­el gibt es einen „Querdenken“-Ableger. Unter dem Namen „Bran­den­burg ste­ht auf“ demon­stri­eren jeden Mon­tag „besorgte Bürger*innen“ Hand in Hand mit Anhänger*innen recht­sna­tion­al­is­tis­ch­er Grup­pe­nund Parteien. Zusät­zlich zu diesen Demon­stra­tio­nen, bei denen Maß­nah­men wie Masken tra­gen und Abstand hal­ten ignori­ert wer­den, find­et nun auch jeden zweit­en Sonnabend Autoko­r­sos statt. An diesen nehmen ca. 450 Per­so­n­en in gut 300 Autos teil. Auch der Direk­tkan­di­dat für den Bun­destag der AfD, Axel Brösicke, befind­et sich unter ihnen und äußert sich immer wieder wohlwol­lend über die Aktivitäten.

Ähn­lich wie die AfD insze­niert man sich auch im Milieu von „Quer­denken“ gerne als Opfer falsch­er Berichter­stat­tung. So sei der ver­suchte Sturm des Reich­stags im let­zten Som­mer drama­tisiert wor­den und die extreme Rechte spiele keine wesentliche Rolle bei den Demon­stra­tio­nen. Dies behauptet auch „Bran­den­burg ste­ht auf“. So wurde im Bezug auf eine in Berlin geplante Ver­anstal­tung in der Telegram-Gruppe disku­tiert, ob dies nicht eine Aktion des Staatss­chutzes sei, um die Bewe­gung zu diskred­i­tieren. Daraufhin wurde durch einen Hauptver­ant­wortlichen erläutert, dass man den Organ­isator aus Berlin kenne, dieser sei „mit Sicher­heit kein Nazi, son­dern Voll­blut­pa­tri­ot“. In der genan­nten Telegram-Gruppe fall­en immer wieder Nutzer*innen mit Reichs­flagge als Pro­fil­bild und ein­schlägi­gen Pseu­do­ny­men auf, in denen bekan­nte Szenecodes wie „88“ (=HH, Heil Hitler) genutzt wer­den. Auch Slo­gans wie „Heimat­treu“ wer­den immer wieder ver­wen­det. Weit­er­hin tauschen im örtlichen und zeitlichen Zusam­men­hang mit den Aktiv­itäten der Gruppe auch immer wieder Stick­er der Anti-Antifa sowie der Iden­titären Bewe­gung in der Stadt auf, nicht sel­ten mit Stick­ern von „Bran­den­burg ste­ht auf“.

Eine Nähe zur recht­en Szene ist also sicht­bar. Zudem kann man im Chat immer wieder klas­sis­che Ver­schwörungserzäh­lun­gen lesen, nach denen geheime Mächte im Hin­ter­grund der Welt­poli­tik steuern wür­den. Diese Erzäh­lun­gen sind tief im Anti­semitismus ver­wurzelt. Auch das immer wieder genutzte Motiv der „Lügen­presse“ hat einen anti­semi­tis­chen Ursprung. Es wurde im Nation­al­sozial­is­mus geprägt, um eine kri­tis­che Presse auch gesellschaftlich zu diskred­i­tieren. So wurde behauptet, dass die Medi­en durch eine jüdis­che Ver­schwörung ges­teuert wür­den, um dem deutschen Volk zu schaden. Hinzu kom­men noch Äußerun­gen, die den Holo­caust rel­a­tivieren und bei denen sich Mit­glieder der Gruppe der­sel­ben Ver­fol­gung aus­ge­set­zt fühlen wie die Jüdin­nen und Juden im NS. Konkret wurde etwa die Möglichkeit der Durch­set­zung der Quar­an­täne für Verweiger*innen mit Konzen­tra­tionslagern gle­ichge­set­zt. Als dies hat nichts mit „Frieden und Frei­heit“ zu tun, wie man es sich gerne auf die Fahne schreibt.

Wer an Ver­anstal­tun­gen dieser Gruppe teil­nimmt und nicht wider­spricht, macht sich wil­lentlich mit Antisemit*innen, Nazis und Verschwörungsideolog*innen gemein. Wer schweigt, akzeptiert.

Am 27.03. plant „Bran­den­burg ste­ht auf“ einen Autoko­r­so. Daher rufen wir zu eine Gegenkundge­bung auf. Kommt am 27. März zum Wiesen­weg und set­zt mit uns ein Zeichen gegen Ver­schwörungserzäh­lun­gen und Anti­semitismus. Bran­den­burg bleibt bunt!

Tre­ff­punkt: Sonnabend, 27.03. um 13.00 Uhr am Wiesenweg

Tragt Masken, hal­tet Abstand, kommt nur, wenn ihr keine Symp­tome habt.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Wir sind alle Salah!” — 400 Menschen gegen Rassismus in EW

400 Men­schen gegen Ras­sis­mus in Eberswalde

400 Men­schen haben heute in Eber­swalde gegen das ungerechte Asyl­sys­tem und den struk­turellen Ras­sis­mus in Deutsch­land demon­stri­ert. Der 21.03. ist der inter­na­tionale Tag gegen Ras­sis­mus – trau­riger Anlass an diesem Tag war der Tod von Salah Tayyar aus dem Tschad. Nach acht Jahren in Deutsch­land war er ohne sichere Aufen­thaltsper­spek­tive und hat keinen anderen Ausweg mehr gese­hen und sich am 11.03. das Leben genommen. 

Ange­hörige und Freund*innen, Aktivist*innen der Gruppe „Barn­im für alle” und ander­er Geflüchteten-Grup­pen aus Bran­den­burg und Berlin hiel­ten teils kämpferische, teils nach­den­kliche Reden auf dem Bahn­hofsvor­platz. Im Anschluss kamen 200 Men­schen vor das Haus im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel in Eber­swalde, in dem Salah gewohnt hat­ten, um an ihn zu erinnern.

Yahia Mohammed, ein Cousin des Ver­stor­be­nen, lebt in Berlin und will die Kundge­bung am Bahn­hof eröff­nen. Aber die Gefüh­le lassen das nicht zu. Nach weni­gen Worten ver­sagt ihm die Stimme – angesichts des Todes von Salah, und der anteil­nehmenden Menge fehlen ihm die Worte, er gibt an den näch­sten Red­ner weiter.

Mustafa Hus­sein ist nicht nur trau­rig, son­dern auch richtig wütend. „Wir erleben hier in Eber­swalde soviel Ras­sis­mus: in der Aus­län­der­be­hörde, beim Sozialamt, bei den Ämtern und auf der Straße – jeden Tag!”. Er ist poli­tis­ch­er Aktivist aus dem Sudan und selb­st wie Salah und viele andere Anwe­sende im Klagev­er­fahren gegen die Ablehnung seines Asy­lantrags. Wie so viele andere ken­nt er nur zu gut den Druck, die Ungewis­sheit und die tägliche Angst wegen der unklaren Per­spek­tive. Für ihn und die anderen geflüchteten Aktivist*innen ist klar, dass dieser Druck, diese Angst Salah in den Suizid getrieben haben. „Wir sind alle Salah!” ist deshalb das Mot­to der Kam­pagne. Auf einem Plakat zer­stört eine Faust eine soge­nan­nte „Dul­dung” – die Art von Ausweis, den viele Geflüchtete bekom­men und mit dem sie kaum Rechte haben. „Stop Dul­dung! Stop mak­ing fear!” ste­ht darauf. 

Noch wüten­der und ent­täuschter ist Ahmed Rahama, eben­falls aus dem Sudan. Er sagt in sein­er Rede:„Fuck Asyl­sys­tem! Die Lage ist für mich ein­fach eskaliert. Ich habe keine Hoff­nung mehr in Deutsch­land zu leben. Fuck Aus­län­der­be­hörde! Fuck struk­tureller Ras­sis­mus in Deutschland!”. 

Fiona Kisoso aus Kenia begin­nt ihre Rede mit ruhi­gen Worten: „Nor­maler­weise habe ich viel Pow­er, wenn ich eine Rede halte. Dies­mal fehlt mir die Energie, es hat mich zu trau­rig gemacht. Ich brauche die Energie von euch!” Sie ani­miert die Menge zu Sprechchören und plöt­zlich scheint doch sehr viel Energie von ihr selb­st zu kom­men. Sie sagt: „Wir wollen nur Chan­cen­gle­ich­heit. Wir wollen eine Chance, uns zu inte­gri­eren, zu arbeit­en, zur Schule zu gehen, ohne von den Behör­den schikaniert und gestresst zu werden.” 

Aziza Al Shar­wi fragt: „Wieviele Salahs brauchen wir, um die ungerecht­en Geset­ze zu ändern?”

Viele schwarze Aktivist*innen haben etwas zu sagen, der Tod von Salah berührt viele, einige sind aus Pots­dam, Berlin oder Brandenburg/Havel angereist. Danach begeben sich immer noch gut 200 Men­schen zum Haus des Ver­stor­be­nen in einem sech­stöck­i­gen Plat­ten­bau im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel, am Stad­trand von Eber­swalde. Auf­grund der Coro­na-Beschränkun­gen hat­te die Polizei keine Demon­stra­tion erlaubt, nur „orts­feste” Kundgebungen.

Vor dem Haus in der Sen­ften­berg­er Str. 4 bit­tet der Cousin des Toten zunächst die anwe­senden mus­lim­is­chen Gläu­bi­gen nach vorn zum Gebet. Nach einem darauf fol­gen­den Moment der Stille geht Salah Bechir, ein Fre­und von Salah Tayyar, ans Mikro­fon, um aus dessen Leben zu erzählen. „Salah hat­te einen Traum, mit dem er nach Deutsch­land kam. Sein Traum war es für seine Fam­i­lie sor­gen zu kön­nen. Er hat­te zwei Kinder und eine Frau im Tschad, die er seit vie­len Jahren nicht sehen kon­nte. Er floh vor dem Mil­itärge­fäng­nis aus dem Tschad nach Libyen. Libyen musste er wegen des Krieges ver­lassen.” Er beschreibt ihn: „Salah war ein stiller, beschei­den­er Men­sch. Dabei war er fre­undlich und immer sehr hilfsbereit.”

Eric von Wel­come Unit­ed, der aus Brandenburg/ Hav­el angereist ist, erk­lärt: „Wir alle kom­men mit Träu­men hier­her. Unser Traum ist es, ein nor­males Leben in diesem Land zu führen. Unser Traum ist in Frei­heit zu leben.”

Die Gruppe „Barn­im für alle” kündigte zum Abschluss eine weit­ere Kundge­bung an einem Dien­stag in den näch­sten Wochen vor der Barn­imer Aus­län­der­be­hörde an.

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Antifaschismus Parlamentarismus

Antifaschistischer Protest laut und sichtbar gegen die AfD

Antifaschistischer Protest laut und sichtbar gegen die Brandenburger AfD in Frankfurt (Oder)

Am ver­gan­genen Sam­stag kam die Bran­den­burg­er AfD in Frank­furt (Oder) zu einem Parteitag zusam­men, um ihre Kandidat_innen für die kom­mende Bun­destagswahl zu bes­tim­men. Die Teil­nehmenden wur­den an der Zufahrt zum Olympiastützpunkt, wo der Parteitag in der Bran­den­burghalle stat­tfand, von einem bre­it­en antifaschis­tis­chen Bünd­nis „begrüßt“.

Ohne Nazis lässt sich ein­fach schön­er leben.

Nach langem Hin und her wegen des zunächst nicht aus­re­ichen­den Hyge­niekonzepts kon­nte der Parteitag des stark vom ange­blich aufgelösten „Flügel“ bee­in­flussten Lan­desver­bands nun doch in Frank­furt (Oder) stat­tfind­en. Ursprünglich wollte der aus­tra­gende AfD-Stadtver­band um den Bun­de­spolizis­ten Wilke Möller eine Genehmi­gung für 700 Delegierte durch­set­zen, scheit­erte aber an der Stadtver­wal­tung, die nur 500 genehmigte, was vom Ver­wal­tungs­gericht später bestätigt wurde. Für die unter hohem Polizeiaufge­bot geschützte Parteiver­samm­lung hät­ten sich die Ver­ant­wortlichen juris­tis­che Auseinan­der­set­zun­gen auch sparen kön­nen. Am Ende waren nicht ein­mal 300 Men­schen in der Halle.

Die antifaschis­tis­chen Kundge­bung war von weit­em gut sicht­bar auf einen Hügel positioniert.

Direkt an der Zufahrt zum Sport­gelände an der Kiel­er Straße kamen rund 250 Antifaschist_innen zusam­men, um gegen den Parteitag der extrem recht­en Partei zu demon­stri­eren. Aufgerufen hat­te das Frank­furter Bünd­nis „Kein Ort für Nazis“, welch­es von zahlre­ichen Ini­tia­tiv­en und Parteien aus ganz Bran­den­burg unter­stützt wurde. Auch das Berlin­er Bünd­nis „Kein Raum der AfD“, die das Woch­enende zuvor gegen den Berlin­er AfD-Parteitag im havel­ländis­chen Paaren am Glien demon­stri­erten, mobil­isierten an die Oder. In mehreren Rede­beiträ­gen wurde auf die Gefährlichkeit der Partei im Land hingewiesen. Mit regelmäßi­gen Anfra­gen zu linken und alter­na­tiv­en Pro­jek­ten im Land­tag ver­sucht die unter dem Recht­sex­tremen Christoph Berndt gelei­t­ende Frak­tion diese unter Druck zu set­zen und ihre Finanzierung in Frage zu stellen. Aber auch auf lokaler Ebene ver­sucht die extrem rechte Partei ihre Strate­gie umzuset­zen. In Frank­furt geri­et so der Vere­in Utopia unter Druck. Ein­er der Stich­wort­führer des Prinzips der Rück­gewin­nung kul­tureller Hege­monie ist der Neon­azi Andreas Kalb­itz. Der ehe­ma­lige Frak­tionsvor­sitzende ist nach wie vor der Teil der Frak­tion im Land­tag und es gibt kaum Anschein, dass sich seine ehe­ma­li­gen Parteikam­er­aden von ihm dis­tanzieren wollen. Das frühere HDJ-Mit­glied Kalb­itz hat­te vor kurzem sog­ar ver­sucht sich als Direk­tkan­di­dat in Süd­bran­den­burg auf­stellen zu lassen.

Der beste Platz für die AfD ist ganz weit unter der Erde.

Gewählt wurde er dieses Woch­enende nicht, dafür aber der Ehren­vor­sitzende Alexan­der Gauland. Eine deut­liche Mehrheit der Anwe­senden wollte ihn auf Lis­ten­platz 1 sehen. Der Höcke-Ver­traute wolle es noch ein­mal wis­sen und auch der näch­sten Bun­destags­frak­tion ange­hören. Ver­hin­dern wolle er damit wahrschein­lich einen zu großen Ein­fluss des nur wenig radikaleren recht­skon­ser­v­a­tiv­en Flügels um Jörg Meuthen, der als Gaulands Wider­sach­er gilt.

Vere­inzelt traut­en sich AfD-Anhänger_in­nen zu Fuß an die Kundge­bung. Lange blieben sie da aber nicht.

Die Bran­den­burg­er AfD tagte nach 2017 nun zum zweit­en Mal in der Bran­den­burghalle. Da die AfD im Stadt­par­la­ment sitzt, ste­hen ihr öffentliche Räume zu. Der Wider­stand dage­gen wird fast auss­chließlich von parteiun­ab­hängi­gen Ini­tia­tiv­en geführt, die in der Ver­gan­gen­heit auch auf ver­fas­sungs­feindliche Äußerun­gen lokaler AfD-Akteur_in­nen hingewiesen haben. Inzwis­chen soll es Über­legun­gen in der Parteizen­trale der Recht­sna­tionalen geben, ihren näch­sten Bun­desparteitag in Frank­furt (Oder) stat­tfind­en zu lassen.
Wenn es dazu kom­men sollte, wird es auch dage­gen zu ver­schiede­nen Protesten kom­men, ist sich ein Sprech­er von „Kein Ort für Nazis“ gegenüber Infori­ot sich­er. Der Aus­tra­gung­sort musste im Übri­gen noch bis kurz vor Ein­tr­e­f­fen der ersten AfD-Mit­glieder gere­inigt wer­den. Der Ein­gangs­bere­ich war zwei Tage zuvor großflächig mit Anti-AfD-Parolen ver­schön­ert worden.

Inforiot