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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration

1. Abendspaziergang — 3. Versuch: Potsdams Pegida-Ableger marschiert ein bisschen

Der Wille des Podi­ga-Gesicht­es Chris­t­ian Müller ist offen­bar nicht zu brechen. Das selb­stge­drehte Video min­der­er Qual­ität, in dem er vor ein­er Deutsch­land-Fahne mit Schlange um den Hals die Welt an sein­er Mega­lo­manie teil­haben lies, ist zig­fach belächelt wor­den. Am heuti­gen Mittwoch hat­te sich diese Hart­näck­igkeit gelohnt. Ein Großaufge­bot der Polizei set­zte den nicht mal 1 km lan­gen Pogi­da-Auf­marsch im drit­ten Anlauf durch.
Polizei riegelte alles ab
Bere­its am frühen Abend glich der Bere­ich in und um den Pots­damer Haupt­bahn­hof ein­er Fes­tung. Die Polizei kon­trol­lierte Passant_innen (und deren Taschen), suchte in und um den Bahn­hof nach „gefährlichen Gegen­stän­den“, riegelte die lange Brücke, die Fre­und­schaftsin­sel sowie den Lust­garten kom­plett ab. 1000 Beamt_innen aus drei Bun­deslän­dern, Hun­destaffeln und ein Helikopter waren ständig im Ein­satz, Wasser­w­er­fer standen bereit.
Diese Tak­tik machte es unmöglich, trotz divers­er Ver­suche Block­aden zu stellen oder zu den Pogi­das vorzudringen.
Des Weit­eren kam es zu eini­gen gewalt­täti­gen und frag­würdi­gen Vor­fällen. Augenzeug_innen zufolge prügel­ten dutzende Polizist_innen auf einen einzel­nen Demon­stran­ten ein, der ein Ei gewor­fen haben soll. Es wur­den Journalist_innen und Santitäer_innen an ihrer Arbeit gehin­dert. Am Haupt­bahn­hof wurde am Rande des Pogia-Aufzuges eine ras­sis­tis­che Polizeikon­trolle mit Fes­t­nahme. Genaueres ist noch unbekannt.
POGIDA — ein krud­er Haufen mit kru­den Inhalten
Rel­a­tiv pünk­tlich kon­nten die 100 Pogi­da-Anhänger_in­nen, die sich am Nor­daus­gang des Haupt­bahn­hof ver­sam­melt hat­ten, losziehen. Während des Aufzuges wurde sowohl die deutsche, als auch die rus­sis­che Nation­al­hymne gespielt, gegen Linke und die etablierte Poli­tik, z.B. mit der Parole „Merkel nach Sibirien! Putin nach Berlin!“ gehet­zt. Außer­dem stimmten Pogi­da-Teil­nehmer_in­nen die 3. Stro­phe der Deutsch­land­hymne an, später wurde die Rede von Char­lie Chap­lin aus großem Dik­ta­tor abge­spielt. Der Auf­marsch lief vom Haupt­bahn­hof über die Lange Brücke zum Film­mu­se­um, drehte dort und lief wieder zurück zum Anfangsort.
Nach­dem die Ver­anstal­tung been­det war, verteil­ten sich die Teilnehmer_innen unkon­trol­liert, es wan­derten kleinere grölende Pogi­da-Grüp­pchen in ver­schiede­nen Stadtteilen.
Viel Gegen­protest, mehr als Präsenz zeigen ging lei­der nicht
Rund 1000 Gegendemonstrant_innen hat­ten sich einge­fun­den. Die Kundge­bun­gen des bürg­er­lichen Bünd­niss­es „Pots­dam beken­nt Farbe“ zählte etwa 700 Teilnehmer_innen und war mit zweirei­higem Ham­burg­er Git­ter „gesichert“. Sie kon­nten nur laut­stark den vor­beiziehen­den Pogi­da-Aufzug ihre Hal­tung ent­ge­gen­stellen. Daneben bewegten sich weit­ere 300 Per­so­n­en dezen­tral, kon­nten jedoch wenig ausrichten.
Ger­ade jet­zt: 71 Jahre Auschwitzbe­freiung gedenken
Trotz, oder ger­ade auf­grund, des Pogi­da-Auf­marsches ver­gaßen viele nicht, dass sich am 27. Jan­u­ar der Tag der Befreiung des Ver­nich­tungslagers Auschwitz jährt. Vor und auch nach den Protesten gedacht­en Antifaschist_innen am Mah­n­mal für die Opfer des Faschis­mus. Eine kraftvolle Spon­tandemon­stra­tion führte Aktivist_innen zum Platz der Ein­heit, wo zeit­gle­ich zur Pogi­da-Abschlusskundge­bung eine Schweigeminute gehal­ten wurde.
Ohne den Schutz des Staat­sap­pa­rates wäre das Aufmärschchen niemals möglich gewe­sen. Der 11. Jan­u­ar scheint sich Pots­dams Image verän­dert zu haben, das Medi­en­in­ter­esse war auch dies­mal wieder imens. Es bleibt abzuwarten, wie viele Wochen diese mas­sive Polizeipräsenz noch jegliche Aktiv­itäten im Keim erstick­en und Pogi­da ihren Weg freis­chaufeln kann.
Wir blick­en den­noch zufrieden auf einen Abend voller motiviert­er Men­schen, wichtiger Zeichen und Inhalte und hof­fen auf mehr Erfolg beim unver­mei­d­baren näch­sten Mal.
Wie es aussieht, ist lei­der kein Ende in Sicht: auf der Abschlusskundge­bung vor dem Haupt­bahn­hof kündigte Chris­t­ian Müller den näch­sten Pogi­da-Auf­marsch gemein­sam mit Bärgi­da und Pegi­da Havel­land für den 6. Feb­ru­ar 2016 an. Der genaue Ort ist noch nicht bekannt.

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Wir haben Nationalismus satt!

Am Sam­stag, 16.01.2015 18.30Uhr- 21.30Uhr, wird es wieder eine Kundge­bung von den „Bran­den­burg­er Patrioten“
in Pren­zlau auf dem Mark­t­berg geben. Hin­ter der Beze­ich­nung steckt NPD, AFD und Freie Kräfte (Kam­er­ad­schaften).
Mit ein­er kru­den Mis­chung der ver­schieden­sten The­men­bere­iche (u.a.: Abschaf­fung von GEZ-Gebühren, Asylpolitik)
ver­suchen sie ihren men­schen­ver­ach­t­en­den Dreck unter die Leute zu bringen.
Wir wollen das nicht hin­nehmen und ver­anstal­ten eine Gegenkundge­bung! Es wer­den 400‑1000 Rassist*innen erwartet, also zieht euch warm an. Es ist deutsch in Kaltland.
WANN? 16.01.2016 // 18.30 – 21.30 Uhr
WO? Ost­seite der Marienkirche in Prenzlau

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Antirassistische Intervention in Rathenow

Am heuti­gen 12. Jan­u­ar demon­stri­erten 200 Antifaschist_innen durch Rathenow. Anlass war der größte Neon­azi- und Ras­sist_in­nen-Auf­marsch den die Region Berlin-Bran­den­burg ertra­gen muss. Heute nah­men an diesem Auf­marsch ca. 550 Men­schen teil. An der kurzfristig geplanten Gegen­demon­stra­tion nah­men dage­gen 200 Men­schen teil, weit­ere 120 waren auf der sta­tionären, zivilge­sellschaftlichen Kundge­bung zuge­gen. Nach dem Start um 18.00 Uhr vere­in­ten sich die bei­den Grup­pen auf dem August-Bebel-Platz. Von hier aus wurde dann die Neon­azi-Kundge­bung gemein­sam und laut­stark mit Parolen eingedeckt. Nach ca. ein­er Stunde lief die anti­ras­sis­tis­che Demon­stra­tion wieder los in Rich­tung Bahn­hof, um den Zugereis­ten eine sichere Abfahrt zu ermöglichen.
Wir sind zufrieden mit dem Ablauf des Abends, es ging uns in Rathenow darum, die lokalen Akteur_innen zu unter­stützen und das ist auf ganz­er Lin­ie gelun­gen. Es gilt zu ver­hin­dern, dass sich in Rathenow säch­sis­che Zustände ein­bürg­ern und auf diesem Weg war unsere Demon­stra­tion der erste Schritt.

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Oranienburg: “Abendspaziergang” driftet in die Verschwörungstheorien ab

INFORIOT Erneut marschierten Neon­azis und Rassist_innen durch Oranien­burg. Bei dem neun­ten sog. “Abendspazier­gang” nah­men am gestri­gen Fre­itag etwa 250–300 Demonstrant_innen teil. Ent­ge­gen der Behaup­tung von “Nein zum Heim in Oranien­burg” stieg die Zahl der Demon­stri­eren­den nicht exor­bi­tant an son­dern blieb nahezu kon­stant, obwohl der Ter­min auf einen Fre­itag ver­schoben wurde. Ein Dutzend Antifaschist_innen ver­sucht­en auf die Route zu gelan­gen, wur­den jedoch durch die Polizei daran gehindert.

Spitze der Demonstration. Bild: Sören Kohlhuber
Spitze der Demon­stra­tion. Bild: Sören Kohlhuber

NPD dominiert die Organisation
Bei der gestri­gen Demon­stra­tion zeigte sich wieder ein Mal deut­lich, dass die sog. “Abendspaziergänge” durch die örtliche NPD ges­teuert und aus­gerichtet wer­den. Bere­its zum Beginn der Demon­stra­tion verteilte der Vel­tener NPD-Stadtverord­nete Robert Wolin­s­ki Ban­ner und Schilder an die Teil­nehmenden. Auch das NPD-Ban­ner “Asyl­be­trug macht uns arm” war wieder auf der Demon­stra­tion vertreten. Auf der Auf­tak­tkundge­bung kündigte der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit an, dass neben Tee auch “freie Lek­türe” ange­boten wird. Bei diesen “freie Lek­türe” han­delte es sich um die Zeitung “Deutsche Stimme”, die durch den NPD-Bun­desvor­stand her­aus­gegeben wird. Robert Wolin­s­ki verteilte die “Deutsche Stimme” auf der Auf­tak­tkundge­bung und drum herum. Das mut­maßliche JN-Mit­glied Mar­tin Ulbrecht sprach wieder auf der Demonstration.
Die Ord­nertätigkeit­en wur­den eben­falls weitest­ge­hend von NPD- und NPD-nah­nen Aktivis­ten über­nom­men, darunter Robert Weg­n­er und Maik Neu­ber. Neu­ber hat bere­its in Vel­ten die “Abendspaziergänge” am 6. Novem­ber 2015 und am 7. Jan­u­ar 2016 angemeldet. Bei der let­zten Demon­stra­tion in Vel­ten nah­men etwa 300 Rassist_innen und Neon­azis teil. Außer­dem ist Neu­ber Ober­feuer­wehrmann bei der “Frei­willige Feuer­wehr Mar­witz 1909 e.V.”. Seine Parteizuge­hörigkeit bzw. Gesin­nung soll der Feuer­wehr in Mar­witz schon länger bekan­nt sein.
Asylfeindliches Banner bei der Demonstration in Oranienburg. Foto: Sören Kohlhuber
Asylfeindlich­es Ban­ner bei der Demon­stra­tion in Oranien­burg. Foto: Sören Kohlhuber

Mit Ver­schwörungs­the­o­rien gegen Geflüchtete
Die Reden zeugten erneut von flüchtlings­feindlich­er Het­ze, antimus­lim­is­chem Ras­sis­mus, Anti­semitismus und krud­er Ver­schwörungs­the­o­rien. Der erste Red­ner, der sich unter den Namen “Sven” vorgestellt hat, sprach von ein­er “laufend­en Umvolkung” und ein­er “gelenk­ten Inva­sion” von sog. Flüchtlingsströ­men, der einen ange­blichen “Bevölkerungsaus­tausch” vorantreiben würde. Ange­blich wer­den Moscheen auch in den ländlichen Gebi­eten entste­hen und die “moslemis­che Kul­tur” (Fehler im Orig­i­nal) soll die Deutsche ver­drän­gen. Eine der­ar­tige Rhetorik gle­icht der Losung des sog. “Volk­stodes”, die viele neon­azis­tis­che Grup­pen propagieren. Nach Ansicht des Red­ners soll eine “schle­ichende Auflö­sung der deutschen Eth­nie dro­hen”, auch so soll die “ganze Flüchtlings­geschichte auf ein­er Lüge aufge­baut sein”. In einem Atemzug erk­lärte er Geflüchtete zu Tätern, “die bei uns die Chance wit­tern ihre krim­inellen Machen­schaften bess­er und erfol­gre­ich­er zu betreiben”.
Redner "Sven" bei der Auftaktkundgebung. Bild: Sören Kohlhuber.
Red­ner “Sven” bei der Auf­tak­tkundge­bung. Bild: Sören Kohlhuber.

Im weit­eren Ver­lauf sein­er Rede driftete er ab in krude Ver­schwörungs­the­o­rien. So soll die “Massen­e­m­i­gra­tion eine der Auswirkun­gen der Schaf­fung der soge­nan­nten Neuen Wel­tord­nung (NWO)” sein, so “Sven”. Die NWO wird in ver­schiede­nen Ver­schwörungs­the­o­rien beschrieben als ein geheimes Bestreben der Eliten, bzw. der USA, um eine autoritäre, supra­na­tionale Wel­tregierung zu schaf­fen. Im ras­sis­tis­chen Duk­tus kon­stru­ierte der Red­ner “Sven”, dass die NWO mit den ange­blichen Zus­trom von Geflüchteten die Sou­veränität der Staat­en negieren, Nation­al­staat­en auflösen und die Regierun­gen abschaf­fen wür­den und eine Auflö­sung “der Völk­er als homo­gene Eth­nien” forcieren. Die “homo­ge­nen Eth­nien” sollen den ange­blichen Plä­nen der NWO im Weg ste­hen, die “deutschen Nation­alvölk­er” sollen sich daher gegen die Bestre­bun­gen wehren. Zum Schluss rief er zu einem “zivilen Unge­hor­sam” und einem “Gen­er­al­streik nach Artikel 20 Absatz 4”, die gle­ichen Forderun­gen, die auf den recht­en Mon­tagsaufmärschen in Berlin, bei Bärgi­da, geäußert werden.
Verzweifelt um “friedlich­es” Bild bemüht
Zu Beginn der Demon­stra­tion wies Robert Wolin­s­ki die Teil­nehmenden an in Auf­stel­lung zu gehen, wobei er expliz­it Frauen vorschick­te, um ein eher “harm­loseres” Bild der Demon­stra­tionsspitze zu zeich­nen. Nicht nur er war bemüht um ein friedlicheres Bild der Demon­stra­tion. Auch der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit wies die Demonstrant_innen an sich ruhig zu ver­hal­ten und sich nicht provozieren zu lassen, nach­dem es bei der let­zten Demon­stra­tion mehrere Über­griffe von sog. “Abendspaziergän­gerIn­nen” auf Gegendemonstrant_innen gab. Den­noch pöbelte ein Teil der Demon­stra­tion in Höhe der Fis­ch­er­straße gegen die Gegenkundge­bung der Linksju­gend [’sol­id] Ober­hav­el, die sich auf dem Park­platz vor Ross­mann ver­sam­melt hatten.
Näch­ste Demon­stra­tion mit promi­nen­tem Islamhasser
Zu Beginn der Demon­stra­tion verkün­dete der Anmelder Car­lo-Eik Christopeit den Ter­min der näch­ste Demon­stra­tion an. Am 26. Feb­ru­ar soll der zehnte “Abendspazier­gang” vor dem Schloss in Oranien­burg stat­tfind­en. Als Red­ner kündigte er den Islamhas­s­er Michael Mannheimer an. Hin­ter dem Pseu­do­nym “Michael Mannheimer” ste­ht der rechte Blog­ger Karl-Michael Merkle, der als Autor und Ref­er­ent für den recht­spop­ulis­tis­chen Blog “Polit­i­cal­ly Incor­rect” (PI) tätig ist und als Red­ner bei diversen PEGI­DA-Ablegern im süd­deutschen Raum geladen war. Merkle soll die virtuelle Pranger­seite “Nürn­berg 2.0” betreiben. “Nürn­berg 2.0” ver­ste­ht sich laut Eige­nangabe als “Erfas­sungsstelle zur Doku­men­ta­tion der sys­tem­a­tis­chen und rechtswidri­gen Islamisierung Deutsch­lands” und der “grundge­set­zfeindlichen Ent­demokratisierung, der Entrech­tung des Bürg­ers und der Straftat­en link­er Faschis­ten zur Unter­drück­ung des Volkes”. Auf der Seite wer­den Namen von Journalist_innen, Politiker_innen und Künstler_innen veröf­fentlicht, die durch ein “Tri­bunal” bestraft wer­den sollen. Unter seinem Pseu­do­nym hat Merkle dort und auf seinen Blog zu “bewaffneten Wider­stand” gegen die ange­bliche “Islamisierung Deutsch­lands” aufgerufen.
Zudem ergriff Chris­t­ian Müller aus Saar­mund das Mikrophon am Ende der Ver­anstal­tung und warb für den Auf­marsch am 11. Jan­u­ar in Pots­dam. Er stellte sich als Anmelder der Demon­stra­tion in Pots­dam vor und gab an, dass der Berlin­er PEGI­DA-Ableger, Bärgi­da, sich eben­falls den Auf­marsch, der gegen 20 Uhr auf dem Bass­in­platz begin­nen soll, anschließen würde. Das Bünd­nis “Pots­dam beken­nt Farbe” meldete eine Gegen­ver­ansaltung am Alten Markt an. Weit­ere Proteste sollen folgen.
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»Which side are you on?«


Wir sind keine Gruppe von erfahre­nen Anti­ra- Aktivist*innen, son­dern trafen uns vor Kurzem im Zuge der »Willkom­mense­uphorie« und merk­ten schnell, dass uns vor lauter »Helfen« die poli­tis­chen Entwick­lun­gen über­roll­ten. Uns wurde klar, dass ohne eine poli­tis­che Debat­te mögliche Analy­sen und Per­spek­tiv­en fehlten. Die brauch(t)en wir aber, da wir plöt­zlich Arbeit­en und Auf­gaben erledigten, die wir mit einem linksradikalen Selb­stver­ständ­nis nicht vere­in­baren konnten.
Deswe­gen luden wir zu einem Kongress ein. Wir woll­ten disku­tieren. Und das vor allem mit den Migrant*innen sel­ber. Wir woll­ten dieser über­he­blichen Per­spek­tive des »Wir helfen euch Armen« ent­fliehen und die ver­gan­genen wie die aktuellen Kämpfe von Migrant*innen, aber auch unsere eige­nen, in den Mit­telpunkt rück­en und nach den Verbindun­gen dazwis­chen fragen.
Let­ztlich waren über den Tag verteilt 100 teils organ­isierte Leute aus Berlin und Bran­den­burg anwe­send. Der Anteil von Migran­tInnen war für unseren Erfahrung­shor­i­zont recht hoch. Inhaltlich bere­it­eten wir The­sen und Work­shops vor, die in zwei Blöck­en über den Tag hin­weg par­al­lel liefen.
Ein­stiegs­the­sen beim Kongress
1. Die Lagerver­wal­tung der „Refugees“ hat zwei Ziele: Selb­st­bes­timmte Mobil­ität von Migrant*innen zu unterbinden, um sie effizient zu reg­istri­eren und zu kat­e­gorisieren. Gle­ichzeit­ig wer­den sie in einen Sta­tus gezwun­gen (Dul­dung), in dem sie selb­st mobil und flex­i­bel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fall­en staatliche Kosten an, dro­ht Abschiebung.
2. Vor 25 Jahren gab es bere­its eine Ver­schär­fung der Asylge­set­ze in Deutsch­land. Die dort erprobten Maß­nah­men wur­den 10 Jahre später mit den Hartz-Geset­zen in der Bre­ite umge­set­zt. Was für die dama­li­gen Asylbewerber*innen an Lebens – Arbeits­be­din­gun­gen galt, sollte später für weite Teile der »unteren Beruf­s­grup­pen« (auch viele radikale Linke) gelten.
3. Wed­er gegen die Asyl­recht­sein­schränkun­gen noch gegen die Hartz-Geset­ze gab es erfol­gre­ichen Wider­stand, denn soziale oder beru­fliche Grup­pen kämpften poli­tisch isoliert voneinan­der: Student*innen gegen die Bedin­gun­gen an der Uni, Hausbesetzer*innen in ihren Immo­bilien, die Erzieher*innen & Lehrer*innen in Schule und Kita, die Industriearbeiter*innen in den Fab­riken, die von Hartz IV Drangsalierten mon­tags auf der Straße, der Einzel­han­del im Super­markt, die Bahner*innen auf dem Bahn­hof und die Migrant*innen gegen Res­i­den­zpflicht, Sachgutscheine, Lager­hal­tung und Abschiebungen.
4. Die aktuelle Sit­u­a­tion stellt uns vor eine ähn­liche Entwick­lung mit dem Unter­schied, dass wir es nicht mit bun­des­deutschen, son­dern mit weltweit­en Ver­schär­fun­gen der Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen zu tun haben.
5. Wir müssen aus den let­zten 25 Jahren viel ler­nen. Zwei Dinge ganz beson­ders: Dieser Staat ken­nt nur die kap­i­tal­is­tis­che Logik. Diese zeigt sich über­all: In Waf­fen­ex­porten, Kriegen, unternehmerisch­er Lagerver­wal­tung von Migrant*innen, in den Refor­men des Bil­dungswe­sens und des Arbeits­mark­tes, … Wir müssen uns klar von dieser Logik der Ver­wal­tung und Inwert­set­zung dis­tanzieren. Wir kön­nen nicht als Verwalter*innen für diesen Staat auftreten. Wir kön­nen uns nur auf Augen­höhe begeg­nen, die zunehmende Ver­schlechterung der Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen in den Mit­telpunkt rück­en und wieder gemein­sam kämpfen.
Work­shops
1. »Expe­ri­ences in self-orga­ni­za­tion in Syrian/Kurdistan«
Die »Refugees« sind keine Opfer. Sie sind Sub­jek­te ihrer Geschichte. Die Anschläge in Paris zeigen die Ausweitung des »War on ter­ror« vom Süden in den Nor­den. Lasst uns aus Syrien ler­nen, wie sich in solchen Zeit­en poli­tisch organ­isieren lässt.
2. »Expe­ri­ences in break­ing through the croa­t­ian border«
Die Erfahrun­gen in Pots­dam zeigen, wie schnell wir in staatliche Struk­turen gezo­gen wer­den. Eine anti­s­taatliche Organ­isierung ist nötig. Die Unter­stützung an der kroat­is­chen Gren­ze set­zte sich expliz­it über staatliche Poli­tik hin­weg. Aber hat diese Art von Poli­tik ein Perspektive?
3. »Migrant House occu­pa­tions — a sub­ver­sive answer or institutionalization?«
Haus­be­set­zun­gen eröff­nen meist autonome Räume. Erfahrun­gen aus Ital­ien zeigen jedoch, dass angesichts mas­siv­er Woh­nungsnot diese Räume nicht per se unab­hängig bleiben.
4. »‘Indus­try of wel­fare’ of DRK, Car­i­tas, AWO and Co.«
Viele Leute ver­suchen poli­tis­che Arbeit mit und für »Geflüchtete« zu leis­ten. Prob­lema­tisch ist, dass sie meist gefan­gen sind zwis­chen dem Zwang Geld zu ver­di­enen und der kom­merziellen Ver­wal­tung von »Geflüchteten«. Die poli­tis­che Hand­lungs­fähigkeit in solchen Struk­turen ist stark begren­zt, nicht wenige ver­aus­gaben sich und vereinzeln.
5. »Admin­is­tra­tion of con­cur­rence — ‘Life’ & Work between ‘Dul­dung’ & Deportation«
Lohnar­beit ist für »Geflüchtete« die einzige Chance dem Dul­dungssta­tus zu entkom­men. Andern­falls dro­ht ihnen die Abschiebung. Zu welchen Arbeits­be­din­gun­gen lassen sich die Leute aus­beuten und was hat dies mit den Arbeitsver­hält­nis­sen all­ge­mein zu tun?
6. Inter­re­gion­al Mobi­liza­tion in the Lager
Abschließend stellt sich die fol­gende Frage: Wie lässt sich mit ver­streuten, mehr oder min­der organ­isierten Grup­pen gemein­sam poli­tisch han­deln? Die Lagerver­wal­tung ist ein über­re­gionaler Mech­a­nis­mus, dem wir nur über­re­gion­al begeg­nen können.
Zusam­men­fas­sung des Feed­backs zum Kongress
Der DIY Charak­ter des Kon­gress­es sollte eine Ansage sein. Wir woll­ten ohne Anträge bei irgendwelchen Stiftun­gen auskom­men und auch ver­mei­den, dass wir uns finanziell ein riesiges Gerüst auf­bauen, was uns dann zu bes­timmten For­men zwin­gen kann. Wir woll­ten sagen: »Hey jede*r kann so einen Kongress ins Leben rufen!«
DIY war aber auch eine Notlö­sung. Die Vor­bere­itungs­gruppe blieb sehr klein und die Pots­damer Szene kon­nte trotz ihrer großen Aktiv­ität inner­halb der »Willkom­mense­uphorie« wed­er in die Vor­bere­itung ein­be­zo­gen noch zur Teil­nahme bewegt wer­den. Dies hat zwei Gründe. Die aktiv­en Leute sind mit Arbeit und Ver­ant­wor­tung über­schüt­tet und find­en keine Zeit für eine poli­tis­che Auseinan­der­set­zung. Und unsere Idee die poli­tis­chen Küchen­tis­che zu mobil­isieren, war eine Illu­sion. Wir verzichteten bewusst auf Ein­ladungs­bünd­nisse, die in unseren Augen nur Mar­ket­ing- oder Lip­pen­beken­nt­nisse sind, son­dern sprachen gezielt Wohnge­mein­schaften an. Wir erhoff(t)en uns eine Debat­te unter kri­tis­chen Men­schen und nicht unter Politiker*innen.
Die Über­set­zung während des Kon­gress­es war für uns die größte Her­aus­forderung und hat nur teil­weise geklappt. Wichtig war mehrsprachig einzu­laden und Englisch als Haupt­sprache zu nutzen. Da ger­ade die älteren Brandenburger*innen, zum Teil aber auch Migrant*innen (die die ganze Zeit drangsaliert wer­den Deutsch zu ler­nen) dies nicht gewohnt sind, mussten wir spon­tan auch andere Lösun­gen find­en. Zwei Dinge haben wir dabei gel­ernt: 1. Eine gut vor­bere­it­ete Mod­er­a­tion ist wichtig, die nicht nur einen Blick für den Inhalt, son­dern vor allem für die Leute in der Runde hat. 2. Alle Men­schen soll­ten sich über ihre (nicht) vorhan­de­nen Sprachken­nt­nisse bewusst sein und im Zweifels­fall Freund*innen mit­brin­gen, die mit­tels »stiller« Über­set­zun­gen in Diskus­sio­nen und Work­shops aushelfen können.
Beim Kongress ist sehr deut­lich gewor­den, dass es ein Bedürf­nis zu disku­tieren gibt. Wir waren über­rascht, wie viele Leute bere­its am Sam­stag Mor­gen teil­nah­men. Die Inhalte der Work­shops stießen auf pos­i­tive Res­o­nanz, wobei die ein­gangs gestell­ten The­sen nur teil­weise inhaltlich bear­beit­et wur­den. Dies hat vor­rangig mit dem »Kom­men und Gehen« über den Tag hin­weg zu tun und führte let­ztlich auch zu ein­er Über­forderung im Abschlussplenum. Teil­weise wurde beklagt, dass wir nicht zielo­ri­en­tiert auf­trat­en, son­dern das Tre­f­fen offen for­mulierten. Wir woll­ten keinen großen Kongress mit Per­spek­tive anbi­eten, son­dern einen »Stich ins Wespennest« wagen. Rück­blick­end hät­ten wir es inhaltlich nicht so bre­it fäch­ern müssen. Deswe­gen spitzen wir nun die uns wichti­gen Punk­te zu. Denn es gibt Redebe­darf, es gibt ähn­liche Kon­gresse und es gibt poli­tis­che Entwick­lun­gen, die wir nicht hin­nehmen werden!
Weit­er im Stoff – die »eigene Rolle« hinterfragen
Lager abschaf­fen!
Aus­gangspunkt unser­er Zweifel und Fra­gen waren die spez­i­fis­che Erfahrung und die Beobach­tun­gen, welche wir an unter­schiedlichen Stellen in Pots­dam machen mussten. Hier zeigte sich zuerst inner­halb der haupt­säch­lich von der linken Szene in weni­gen Tagen aufge­baut­en Außen­stelle der Erstauf­nahme, wie schnell wir in staatliche Struk­turen gezo­gen wer­den und uns plöt­zlich in der Rolle der Knas­tauf­se­her wiederfind­en. Kurz darauf bescherte uns die Diskus­sion um die Errich­tung von Leicht­bauhallen auf dem Gelände des alter­na­tiv­en Kul­turzen­trums frei­Land die bit­tere Erken­nt­nis, dass die Stadtver­wal­tung bewusst dieses Gelände gewählt hat, in der nicht unbe­grün­de­ten Hoff­nung, dass sich die dor­ti­gen Aktiv­en als dankenswerte Steigbügelhalter_innen eines repres­siv­en Asyl­sys­tems erweisen wer­den. Ähn­liche Fälle der Unter­bringung in unmit­tel­bar­er Nähe zu linken Zen­tren wur­den auch aus anderen Städten berichtet.
Von Lagern außer­halb Deutsch­lands ver­mit­telte der Work­shop zu Erfahrun­gen an der kroat­is­chen Gren­ze einen Ein­druck. Was als anti­s­taatliche, gren­züber­windende Aktion begann, wurde schnell von soge­nan­nten Sachzwän­gen bes­timmt. Statt poli­tisch frei agieren zu kön­nen, wurde man immer wieder auf eine rein ver­sor­gende Unter­stützung zurück­ge­wor­fen. Zudem ließ sich in den drei vor Ort besucht­en Lagern fol­gen­des Dilem­ma for­mulieren: Während es auf der einen Seite Lager gibt (bspw. Presova/Slowakei), in dem eine chao­tis­che Lage und schlechte hygien­is­che Sit­u­a­tion herrscht, aber die Migrant*innen eine mehr oder weniger uneingeschränk­te Bewe­gungs­frei­heit haben, existieren auf der anderen Seite Lager (bspw. Dobova/Slowenien), in denen eine erstk­las­sige (auch human­itäre) Infra­struk­tur und grundle­gende Ver­sorgung sich­er gestellt ist. Allerd­ings ist dieses Lager kom­plett mil­i­tarisiert und abgeriegelt. Es gibt keine selb­st­bes­timmte Bewe­gungs- und Handlungsfreiheit.
Unab­hängig von den jew­eili­gen Bedin­gun­gen in Lagern und Heimen erweist sich eine poli­tis­che Mobil­isierung in diesen Struk­turen als kaum durch­führbar. Im Work­shop zur inter­re­gionalen Lager­mo­bil­isierung wur­den dies­bezüglich kon­tinuier­liche Anstren­gun­gen und Mis­ser­folge der let­zten Jahre geschildert. Als beson­dere Hin­dernisse wur­den die oft schw­er erre­ich­bare geografis­che Lage, die Zugangsver­weigerung durch die jew­eili­gen Betreiber, die starke Fluk­tu­a­tion der Bewohner*innen sowie deren prekäre Leben­sum­stände benannt.
Als nahe­liegende Alter­na­tive zur Schaf­fung von freiem, kollek­tivem Wohn­raum gab/gibt es in Pots­dam die Idee leer ste­hende Objek­te ein­er sin­nvollen Nutzung zuzuführen. Dafür wollen wir an bere­its gemachte Erfahrun­gen anknüpfen.
Häuser beset­zen!
Nicht nur in Ital­ien und Frankre­ich wer­den seit Jahren wieder Häuser beset­zt, auch in der BRD gibt es wieder Beset­zun­gen. Die Moti­va­tion hier­für ist jedoch sehr unter­schiedlich. Der Nen­ner scheint die Migra­tion zu sein. Uns war es wichtig, aus der jün­geren Ver­gan­gen­heit zu ler­nen, das »Rad nicht neu zu erfind­en« und vor allem nicht bere­its began­gene Fehler zu kopieren. Hier­für haben wir Erfahrun­gen von ital­ienis­chen Haus­be­set­zun­gen gesam­melt und Leute von der Beset­zung in der Ohlauer Straße (Berlin) eingeladen.
Die ital­ienis­chen Erfahrun­gen lassen sich in drei Strän­gen fassen. 1. Die alten beset­zten Struk­turen sind über­fordert oder existieren nicht mehr. Migrant*innen nutzen seit Jahren die Räum­lichkeit­en, pri­vatisieren diese aber gle­ichzeit­ig. 2. Neue Beset­zun­gen wer­den meist von Linken ini­ti­iert und dann für die Migrant*innen geöffnet. Meist geht es hier um die Legalen, die in Ital­ien den kleineren Anteil unter den Migrant*innen aus­machen. Die Häuser sind offiziell beset­zt, wer­den geduldet und ital­ienis­che Vere­ine übernehmen dann im Ein­klang mit dem Staat/der Stadt die »Ver­wal­tung« der Leute. Das heißt, es gibt Geld vom Staat für die Inte­gra­tion der Asyl­suchen­den. Dies aber nur über den Umweg ital­ienis­ch­er Träger. Diesen Job übernehmen meist die Besetzer*innen, also Sprachkurse, Recht­shil­fe, Beratung, etc. Hier­bei kommt es auch zu Über­schnei­dun­gen mit der Mafia, die eben­falls daran ver­di­ent. 3. Es gibt Armuts­be­set­zun­gen, die oft mit erst kür­zlich ver­armten Italiener*innen, denen nichts anders übrig bleibt, gemein­sam stat­tfind­en, wobei es wed­er eine kollek­tive noch eine wirk­liche poli­tis­che Per­spek­tive gibt. Die Häuser sind oft gut ver­wal­tet und wer­den von staatlicher/städtischer Seite geduldet.
Die Schulbe­set­zung in der Ohlauer Straße in Berlin ist drei Jahr her. Im Zuge des Protest­camps auf dem Oranien­platz wurde auf­grund der Wet­ter­lage eine leer­ste­hende Schule beset­zt. Es wurde ein festes Gebäude zum Schlafen gebraucht. Die Schule wurde beset­zt, der Bürg­er­meis­ter wurde angerufen und mit dem Käl­teschutz-Argu­ment kon­fron­tiert. Das hat funk­tion­iert. Es war eine Dop­pelbe­set­zung. Der Haupt­teil der Schule war als Unterkun­ft gedacht, ein kleiner­er Teil, ein Pavil­lon als poli­tis­ch­er Aktion­sraum. Die Idee ist jedoch nicht aufge­gan­gen, da plöt­zlich über 300 woh­nungslose Men­schen meist in Fam­i­lien­zusam­men­schlüssen kamen, die keinen Beitrag zum vorheri­gen (oder nach­fol­gen­den) poli­tis­chen Kampf leis­teten. Das hat alle kom­plett überfordert.
Die Beset­zung war keine rechtliche, son­dern eine poli­tis­che Frage. Ein Jahr lang wollte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Regeln bes­tim­men und ein­führen. Gle­ichzeit­ig hat der Bezirk auf Zus­pitzung und Eskala­tion geset­zt. Das hat funk­tion­iert, es kam zwangsläu­fig zu Stre­it und einem Toten. Im Zuge dessen gab es mehr Secu­ri­ty auf dem Gelände, die die Leute voneinan­der isolierten, vor allem die Aktivist*innen mit deutschem Pass von denen ohne.
Es sollte ein Haus geöffnet und poli­tis­che Grup­pen ein­ge­laden wer­den. Das hat nicht funk­tion­iert. Denn schnell war der Großteil des Haus­es eine Notun­terkun­ft, in der die indi­vidu­ellen Prob­leme der Leute wichtiger waren als die poli­tis­che Dimen­sion, in der sie entste­hen. Let­ztlich haben die Aktivist*innen mit und ohne Migra­tionser­fahrung sehr darunter gelit­ten, weil sie in eine Sit­u­a­tion rutscht­en, die sie nicht mehr unter Kon­trolle hat­ten, aber auch nicht ein­fach aufgeben kon­nten. Ein ähn­lich­es Beispiel des Aus­geliefert­seins an schein­bare Sachzwänge wurde aus Frankre­ich berichtet, wo die Besetzer*innen eines Haus­es, das als Frauen­schutzraum gedacht war, sich let­ztlich unfrei­willig als 24/7‑Einlasskontrolleur*innen wieder­fan­den. Faz­it: Es muss sofort von Anfang an um poli­tis­che Stan­dards gehen. Ein auss­chließlich human­itär­er Anspruch reicht nicht aus! Denn wohin augen­schein­lich »human­itäre« Arbeit ohne poli­tis­chen Anspruch führt, zeigt uns in makabr­er Art und Weise die »Wohlfahrtsin­dus­trie«, die sich derzeit ganz beson­ders an der Ver­wal­tung von Migrant*innen labt.
»Wohlfahrtsin­dus­trie«? Ohne uns!
»Refugees« sind momen­tan ein großes Geschäft: Mil­liar­den Euro fließen in Unter­bringung, Ver­sorgung, Gebäud­ere­ini­gung, Sicher­heits­di­en­ste, Baugewerbe, Ver­wal­tung, Bullen, Aufrüs­tung, Sprachkurse, “Staats-Antifa”, Lehrer*innen, Erzieher*innen, etc.
Viele prof­i­tieren mas­siv von der soge­nan­nten »Flüchtlingskrise«. Viele, nur nicht die Betrof­fe­nen selb­st. Zu den Prof­i­teuren gehören als gemein­nützig eingestufte und pri­vate Träger von »Flüchtlings«unterkünften, z.B. das Diakonis­che Werk, die Arbeit­er­wohlfahrt, die Car­i­tas, das Deutsche Rote Kreuz und andere. Es ist wichtig zu erken­nen, dass es sich hier­bei um Unternehmen han­delt, deren Umsätze in Mil­lio­nen gerech­net wer­den. Jedes einzelne funk­tion­iert mit Hun­dert­tausenden Haup­tamtlichen sowie der Unter­stützung von min­destens eben­so vie­len (meis­tens jedoch mehr) Ehre­namtlichen. Ins­ge­samt arbeit­en für Car­i­tas und Diakonie zusam­men, cir­ca 1 Mil­lion Men­schen. Damit sind sie, nach dem Staat, der zweit­größte Arbeit­ge­ber in Deutsch­land. Dabei schla­gen diese Unternehmen nicht nur aus Frei­willi­gen und Angestell­ten Prof­it, son­dern auch aus den Men­schen, die sie »betreuen«. Solche Ver­bände stellen sich gern als »Wohltäter_innen« dar. Beson­ders aktuell ver­suchen sie als »soziale Versorger_innen« von Migrant_innen zu punkten.
In Bund und Län­dern wer­den derzeit Haushalte über­ar­beit­et, um Geld für die »Bewäl­ti­gung« der soge­nan­nten »Krise« bere­itzustellen. Das Geld wan­dert dann – zumeist über Pauschalen – vom Bund über die Län­der und Kreise zu den Kom­munen. Ver­ant­wortlichkeit­en und Gelder wer­den hin- und hergeschoben bis zur absoluten und schein­bar forcierten Undurch­sichtigkeit. Auch bei der Ver­gabe von öffentlichen Aufträ­gen wird mit­tler­weile auf Auss­chrei­bungs­stan­dards verzichtet. Ein Schelm, wer Vet­tern­wirtschaft unterstellt.
Abge­se­hen von den nur schw­er nachvol­lziehbaren Geld­strö­men fungieren Träger von »Flüchtlings«unterkünften schlicht als ver­längert­er Arm des Staates. Sie erfüllen einen staatlichen Auf­trag, d.h. Lager­hal­tung, Kon­trolle, Repres­sion und Ermöglichung von Abschiebung. Es ist eine Irrtum zu glauben, ein men­schlicher­er Umgang mit den »Geflüchteten« würde daran etwas ändern. Kein*e noch so nette*r Sozialarbeiter*in kann die fehlende Bewe­gungs­frei­heit wett machen oder die Tat­sache kom­pen­sieren, dass Men­schen, die in Deutsch­land als »Geflüchtete« gela­belt wer­den, kaum Rechte haben. Selb­st wenn Men­schen hier im Heim ein paar angenehme Monate haben soll­ten, in Zeit­en von Massen­ab­schiebun­gen ist das nicht von Bedeutung.
Polemisch gesprochen spie­len kom­fort­able Gemein­schaft­sun­terkün­fte mit engagiertem Per­son­al eine noch per­fidere Rolle, denn sie ver­hin­dern im Zweifels­fall, dass sich die Betrof­fe­nen ihrer Ent­mach­tung und Inhaftierung gewahr wer­den und die Kurve kratzen.
Nun ste­hen wir vor ein­er Sit­u­a­tion, in der viele Men­schen, die sich eigentlich linken und linksradikalen Posi­tio­nen verpflichtet fühlen, begin­nen für solche Träger der Wohlfahrtsin­dus­trie zu arbeit­en, in dem Irrglauben, sie täten etwas Gutes.
In diesen Struk­turen ökonomisch abhängig zu arbeit­en, führt zu ein­er krassen Reduk­tion indi­vidu­eller und kollek­tiv­er Handlungsfähigkeit.Ein gle­ich­berechtigtes sol­i­darisches Ver­hält­niss­es der »Betreu­ungsper­son« zu den »zu betreuen­den« Men­schen, in diesem Fall Migrant*innen, ist, struk­turell bed­ingt, nicht möglich.
Neben den ökonomis­chen Vorteilen, welche die staatliche Struk­tur aus den Net­zw­erken von Ehre­namtlichen oder schlecht bezahlten, aber engagierten Angestell­ten zieht, gibt es auch ein großes Inter­esse an dem Wis­sen, das in linken Net­zw­erken und Sup­port­grup­pen vorhan­den ist.
Indem der Staat ehe­mals außer­staatliche oder gar anti­s­taatliche Struk­turen bezuschusst, zum Beispiel durch Pro­jek­t­fonds, und in die regionalen Ver­wal­tungs- oder Bil­dung­spro­gramme ein­bindet, erhält er aus erster Hand Ein­blicke in bes­timmte Zusam­men­hänge, die ihm son­st ver­wehrt bleiben wür­den. Mit der »Staats-Antifa« Ini­tia­tive um das Jahr 2000 wur­den autonome Antifa-Struk­turen ange­grif­f­en und nach­haltig geschwächt. 15 Jahre später haben wir es mit der Neuau­flage dieses Prinzips, sprich mit ein­er »Staats-Antira«-Offensive zu tun.
Die Bild-Zeitung titelt »Refugees Wel­come«, während über Nacht sämtliche Errun­gen­schaften der selb­stor­gan­isierten Kämpfe von Migrant*innen zunichte gemacht wer­den und das repres­sivste Asylge­setz in der Geschichte der BRD ver­ab­schiedet wird. Hun­dert­tausende Frei­willige übernehmen die Erstver­sorgung der Neuank­om­menden und ers­paren den lokalen Behör­den jede Menge Kosten, während die Men­schen von nun an nur entsprechend wirtschaftlich­er Ver­w­ert­barkeit sortiert wer­den sollen. Die Rolle der Sozialarbeiter*innen in diesem Kon­text ist wieder ein­mal Befrieden und Verwertbarmachen.
In der Kon­se­quenz kann die Zielvorstel­lung nur laut­en: Heime und Lager abschaf­fen, Gren­zen öff­nen, Bewe­gungs­frei­heit für alle.
Genau das sind die Forderun­gen, die seit Jahrzehn­ten von selb­stor­gan­isierten Migrant*innengruppen for­muliert wer­den und im gesellschaftlichen Diskurs all­ge­mein, aber auch in inner­linken Debat­ten unge­hört unterge­hen. Viele von uns haben wed­er Ken­nt­nisse über die Selb­stor­gan­i­sa­tion­sstruk­turen noch Kon­tak­te zu Migrant*innen(-gruppen). Demzu­folge muss der erste Schritt auf dem Weg zu einem gemein­samen, sol­i­darischen Agieren jet­zt erst ein­mal die Auseinan­der­set­zung mit den bish­eri­gen migrantis­chen Kämpfen sowie den existieren­den Grup­pen sein.
Wenn sich linke Men­schen trotz­dem entschei­den, in die geschilderte Ver­wal­tungsin­dus­trie einzusteigen, müssen sie sich sowohl der Ver­w­er­tung ihrer Arbeit­skraft und ihres Wis­sens, als auch der möglichen Kon­se­quen­zen für ihre poli­tis­chen Aktiv­itäten bewusst sein. Sozialar­beit ist meis­tens Lohnar­beit zu extrem schlecht­en Bedin­gun­gen, die wiederum zu mis­er­ablen Kon­di­tio­nen in der jew­eili­gen Ein­rich­tung führen. Aus diesem Teufel­skreis kön­nen wir nur aus­brechen, indem die gesamte Logik der staatlichen Flüchtlingsver­wal­tung – und dazu gehört auch die entsprechende Lohnarbeit/Verwertbarmachung des Men­schen – in Frage gestellt wird.
Arbeit ver­weigern!
Hier­bei kom­men wir nicht an der Frage vor­bei: Wie ver­di­ene ich meine Brötchen?
In Vor­bere­itung zu einem Work­shop haben wir Men­schen mit und ohne deutschen Pass zu ihren Möglichkeit­en Geld zu ver­di­enen inter­viewt. Für uns war die These zen­tral: Die Lagerver­wal­tung der »Refugees« hat zwei Ziele: Selb­st­bes­timmte Mobil­ität zu unterbinden, um sie effizient zu reg­istri­eren und zu kat­e­gorisieren. Gle­ichzeit­ig wer­den sie in einen Sta­tus gezwun­gen (Dul­dung), in dem sie selb­st mobil und flex­i­bel jede Arbeit annehmen müssen. Gelingt ihnen das nicht und es fall­en staatliche Kosten an, dro­ht ihnen die Abschiebung.
Wir sprachen länger über das Wech­sel­spiel mit Arbeit­samt und Aus­län­der­be­hörde, welche Arbeitsver­tragszeit­en und Dul­dungszeit­en kop­peln. Teil­weise führt die Bürokratie zu zirkulären Wider­sprüchen, da die Leute ohne Arbeit keine Dul­dung und ohne Dul­dung keine Arbeit bekom­men. Das sind aber nur Ran­der­schei­n­un­gen, konkret geht es darum, dass die Leute alle Jobs annehmen müssen, und die Unternehmen sie jed­erzeit wieder loswer­den kön­nen. Anders als bei Deutschen, die dann ein­fach wieder zum Amt gehen (oft weil sie das Sys­tem auch bess­er ken­nen) sind die Migrant*innen durch ihren Dul­dungssta­tus zur Arbeit gezwun­gen. Ersche­inst du nicht auf Arbeit, wird die Dul­dung nicht verlängert.
Das ist aber nur die eine Seite. Über­raschend und neu waren für uns die Dimen­sio­nen der Ille­gal­ität. Sowohl bei der Reg­istrierung als auch bei der Job­suche. Das ist sicher­lich kein neues Phänomen, aber es drängt sich die Frage auf, die wir auch an uns sel­ber stellen kön­nen. In die Ille­gal­ität zu gehen bedeutet in die völ­lige Vere­inzelung unterzu­tauchen. Eine Tat­sache, die auch Linke, wenn auch auf ein­er anderen Ebene, ken­nen. Wie sollen vere­inzelte Leute kämpfen?
Die Antwort müsste laut­en: Indem sie über ihren All­t­ag über­haupt mal reden!
All­ge­mein glauben die betrof­fe­nen Men­schen, dass sie durch­hal­ten müssen, wenn nötig auch über Jahre, irgend­wann wird es bess­er. Die Deutschen denken dabei oft an Kar­ri­ereleit­ern, Migrant*innen ans schlichte Über­leben und das bedeutet Geld zu verdienen.
Doch dieser Durch­hal­tewil­le ist eine Selb­st­täuschung. Die derzeit­ige Poli­tik von EU und BRD ver­fol­gt keinen vorge­fer­tigten Plan und ist zugle­ich auch kein Ver­sagen gegenüber Krisen­er­schei­n­un­gen. Vielmehr zeigt sich eine Trans­for­ma­tion des poli­tisch-ökonomis­chen Sys­tems, zu der man sich nicht nicht ver­hal­ten kann. Die stat­tfind­en­den Verän­derun­gen drän­gen jede*n von uns zu ein­er klaren Posi­tion­ierung – »Neu­tral­ität« ausgeschlossen.
Es wäre ein guter Zeit­punkt mal wieder gemein­sam nach dem »Oben« und »Unten« zu fra­gen und (ger­ade als Linke) unser Ver­hält­nis zum Staat zu hinterfragen.
Eure Vor­bere­itungs­gruppe »M. Pit­sow« — Jan­u­ar 2016

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration

Naziaufmarsch in Beeskow verhindert

 
 
„Wir werten den heuti­gen Tag als großen Erfolg. Die Neon­azis kon­nten ihren Hass und ihre rechte Pro­pa­gan­da nicht wie geplant auf die Straße tra­gen“, so Christo­pher Voß, Sprech­er der Ini­tia­tive „Beeskow gegen Ras­sis­mus“. Ins­ge­samt haben sich über 200 Per­so­n­en an den Protesten gegen die ras­sis­tis­che Het­ze beteiligt. Die Teil­nehmenden bilde­ten ein Quer­schnitt der demokratis­chen Zivilge­sellschaft: Geflüchtete, Vertreter_innen von Gew­erkschaften, Kirchen, Parteien, Vere­inen und auch Einzelper­so­n­en aus der Stadtver­wal­tung, wie der Bürg­er­meis­ter Beeskows Frank Stef­fen, waren anwe­send. Zahlre­iche Redner_innen macht­en in ihren Beiträ­gen klar, dass Beeskow sich der Willkom­men­skul­tur für Geflüchtete verpflichtet fühlt. Die Nachricht, dass die Naziroute block­iert sei, wurde auf der Kundge­bung der Ini­tia­tive mit Jubel quittiert.
Die rund 50 Teil­nehmenden der extrem recht­en Ver­samm­lung, unter ihnen maßge­blich Anhänger_innen der Parteien „Der III. Weg“, „Die Rechte“, der „NPD“ und freien Kam­er­ad­schaften, reagierten aggres­siv auf die Block­ade ihrer angemelde­ten Route. So ver­sucht­en die teil­weise ver­mummten Recht­en, gewalt­sam zu den Gegendemonstrant_innen durchzu­drin­gen. Dies wurde von der Polizei vere­it­elt. Auf­grund der antifaschis­tis­chen Block­ade wurde die Ver­samm­lung der Neon­azis beendet.
Die Polizei löste die antifaschis­tis­che Block­ade anschließend auf und stellte die Per­son­alien aller Beteiligten fest. „Wir hal­ten die Fest­stel­lung der Per­son­alien für über­zo­gen. Zivil­er Unge­hor­sam ist ein legit­imes Mit­tel zur Vertei­di­gung ein­er demokratis­chen Gesellschaft“ so Christo­pher Voß.
Obwohl die Teilnehmer_innen der neon­azis­tis­chen Ver­samm­lung gewalt­tätig waren, wurde etwa 30 Per­so­n­en eine spon­tane Kundge­bung auf dem Mark­t­platz gewährt. „Ein Auf­marsch der Neon­azis fand heute nicht statt. Das ist der Ver­di­enst von engagierten Antifaschist_innen. Wir wer­den auch in Zukun­ft Ras­sis­mus und Neon­azis­mus die Stirn bieten. Wir ste­hen für ein offenes und vielfältiges Beeskow“, so weit­er Christo­pher Voß.

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Schulterschluss gegen Rassismus


Am 03.01.2016 wollen Rassist_innen der Grup­pierung ‘Beeskow wehrt sich’ durch Beeskow marschieren. Als Start­punkt dient ihnen dabei der Bahn­hof von Beeskow. Die Ini­tia­tive “Beeskow gegen Ras­sis­mus” ruft alle Bürger_innen dazu auf ein gemein­sames Zeichen der Sol­i­dar­ität mit den Geflüchteten und gegen Ras­sis­mus zu set­zen. Ab 14:30 Uhr find­et in diesem Sinne eine Kundge­bung auf dem Park­platz Bahn­hof­s­traße / Ringstraße statt.

Wir ste­hen für ein Beeskow das Geflüchtete willkom­men heißt und all jenen, die mit ras­sis­tis­chen Parolen und dumpfen Hass die Atmo­sphäre vergiften wollen, eine Absage erteilt!”,

so Christo­pher Voß, Sprech­er der Ini­tia­tive “Beeskow gegen Ras­sis­mus”. Auf der Kundge­bung wer­den u.a. Rede­beiträge von einem Vertreter der Ini­tia­tive, des DGB, der DKP, eines Mit­gliedes des Land­tages sowie der evan­ge­lis­chen Kirchenge­meinde Tauche zu hören sein. Für eine musikalis­che Unter­malung ist auch gesorgt.

Unser Schul­ter­schluss im gemein­samen Agieren gegen Ras­sis­mus und für eine offene Gesellschaft kann als Ver­sprechen für die Zukun­ft ver­standen wer­den. Wir wer­den weit­er für eine human­is­tis­che Flüchtlingspoli­tik und gegen Ras­sis­mus streiten.”

, so Voß.

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Cottbus 25 Jahre nach der Wende – Willkommen in den 90’ern (?)

Im Fol­gen­den geben wir unsere Ein­schätzung zu den ver­gan­genen zwei Monat­en in Cot­tbus wieder. Unser Text ist zuerst in der Blick­licht (Aus­gabe Dezem­ber 2015) erschienen. Er soll es ermöglichen einen groben Überblick zu bekom­men wie es zur Zeit in Cot­tbus aussieht. Einen Anspruch auf Voll­ständigkeit erheben wir dabei nicht.
Da es momen­tan nicht mehr jede Woche eine rechte Ver­anstal­tung im Stadt­ge­bi­et gibt, scheint die Lage bis zum Jahreswech­sel rel­a­tiv entspan­nt zu bleiben. Wir haben allerd­ings Grund zur Annahme das mit dem neuen Jahr eine neue Welle rechter Mobil­isierung auftreten wird. Organ­i­sa­tio­nen wie die AfD oder Zukun­ft-Heimat wer­den weit­er­hin Süd­bran­den­burg als Spielplatz für ihre Het­ze miss­brauchen wollen.
Antifaschis­tis­ch­er Lage­bericht – Okto­ber und Novem­ber 2015
Cot­tbus am 09. Okto­ber 2015: 400 Leute ver­sam­meln sich auf dem Nor­ma Park­platz in Sach­sendorf und zogen vor die Erstauf­nah­meein­rich­tung in der Poz­nan­er Straße, wo ein Willkom­mensfest stat­tfand. Eine Sit­u­a­tion, die die Erin­nerun­gen an die Pogrome von 1992 wachrief. Unter diesen 400 waren organ­isierte und unor­gan­isierte Neon­azis sowie ein bre­it­er Schnitt durch die Cot­tbuser Gesellschaft. Einige Per­so­n­en bracht­en selb­st ihre Kinder mit.
In den fol­gen­den Tagen wurde vor allem auf Face­book die Stim­mung gegen Geflüchtete weit­er ange­heizt und die NPD meldete für den darauf fol­gen­den Fre­itag ihre erste Demon­stra­tion in Sach­sendorf an. Die Vere­in­nah­mung des Protestes durch die neon­azis­tis­che Partei spal­tete die aufkeimende Bewe­gung. Etwa 400 Per­so­n­en trafen sich am 16.10. um 18 Uhr bei NORMA, an ihre Spitze set­zte sich der Reichs­bürg­er Rico Hand­ta aus Großräschen. Nur etwa die Hälfte von ihnen ver­suchte später um 19 Uhr noch an der NPD-Demon­stra­tion auf der Gelsenkirch­en­er Allee teilzunehmen.
Der Aus­gangspunkt für die neue ras­sis­tis­che Mobil­isierung in Cot­tbus war die Ankündi­gung „1000 Flüchtlinge in 72 Stun­den“ Tat­säch­lich kamen in den näch­sten Tage nicht ein­mal 100 Per­so­n­en. Trotz des schnellen Auf­baus eines bre­it­en Sol­i­dar­ität­snet­zw­erks löste die Kris­enin­sze­nierung bei einem Teil der Cot­tbuser Bevölkerung sehr viel Unruhe und Angst aus.
Seit Anfang Okto­ber wird nun auch hier öffentlich gegen Geflüchtete mobil gemacht. In nicht ein­mal zwei Monat­en wur­den in Cot­tbus und Umge­bung 18 Ver­samm­lun­gen durchge­führt. Die recht­en Parteien NPD und AfD ver­suchen aus der ras­sis­tis­chen Stim­mung Kap­i­tal zu schla­gen und auch ein „Reichs­bürg­er“ ver­sucht die Stim­mung für das eigene Image zu instru­men­tal­isieren. Um nicht den Überblick zu ver­lieren, haben wir im Fol­gen­den eine Über­sicht der Akteure in Cot­tbus erstellt.
NPD
Die NPD ist mit ihren jährlichen als Gedenken getarn­ten Aufmärschen zum 15. Feb­ru­ar in Cot­tbus gescheit­ert und sucht neue poli­tis­che Ent­fal­tungsmöglichkeit­en. Die Partei kon­nte durch langjährige und kon­se­quente antifaschis­tis­che Arbeit immer wieder als Neon­azi-Organ­i­sa­tion offen­gelegt wer­den. Sie hat inzwis­chen einen so schlecht­en Ruf, dass sie ihre Kam­pag­nen „Nein-zum-Heim“ bzw. „Stadt XY wehrt sich“ als ver­meintlich unab­hängi­gen Bürg­er­protest tar­nen muss. Die NPD ver­sucht gezielt über das The­ma „Flüchtlinge“ eine bre­it­ere Masse anzus­prechen. Sie möchte bürg­er­lich und durch das Auftreten ehe­ma­liger JN-Kad­er jünger wirken.
Für Cot­tbus hat der NPD-Kad­er Ron­ny Zasowk das Ziel aus­gegeben, alle zwei Wochen einen Auf­marsch in Sach­sendorf zu machen bis die Erstauf­nah­meein­rich­tung geschlossen wird. Das Equip­ment, die Ordner*Innen und Redner*Innen bei den bish­eri­gen Demon­stra­tio­nen wur­den von auswär­ti­gen NPD-Struk­turen gestellt. Zasowk selb­st stammt zwar aus Cot­tbus, doch ist er vor allem auf Bun­de­sebene aktiv und nur noch sehr sel­ten in Cot­tbus zu sehen. Die Organisator*innen und Red­ner kamen bis jet­zt vor allem von Auswärts. So waren vor allem bekan­nte Gesichter und NPD-Kad­er wie Ben­jamin Mertsch, Markus Noack, Ste­fan Lux, Oliv­er Schier­ack und der verurteilte Neon­azi und Totschläger Alexan­der Bode aus Guben anzutr­e­f­fen. Die stumpfe recht­sradikale Rhetorik und Parolen wie „Wir wollen keine Asy­lanten­schweine“ wirk­ten bei den bei­den ersten Aufmärschen offen­bar schon so abschreck­end auf parteifremde Teilnehmer*innen, dass viele die Demon­stra­tion bere­its vor der Abschlusskundge­bung wieder ver­ließen. Der Gebrauch von Reichs­fah­nen und das teil­weise aggres­sive Auftreten tat­en ihr übriges.
Reichs­bürg­er
Diejeni­gen, die sich mit ihren „Sor­gen“ nicht der NPD anschließen woll­ten, blieben am 16.10. bei NORMA. Hier wur­den sie allerd­ings mit dem Reichs­bürg­er Rico Hand­ta aus Großräschen kon­fron­tiert. Dieser ist u.a. in die Organ­i­sa­tion der selb­ster­nan­nten „Mon­tags­demos“ in Großräschen involviert, wo sich wöchentlich ca. 100–150 Neon­azis und Wut­bürg­er zusam­men find­en. In ein­er ein­stündi­gen Kundge­bung wird dort gegen die beste­hende Asylpoli­tik und gegen den Antifaschis­mus gewet­tert. Hand­ta hat, wie die NPD, das Ziel aus­gegeben, sich alle zwei Wochen Fre­itags in Cot­tbus zu ver­sam­meln, doch ver­legte er mit seinen Anhängern zum 06.11. auf den Alt­markt in die Innen­stadt. Sowohl räum­lich als auch inhaltlich hat er sich von dem ursprünglichen Protes­tanlass schnell gelöst. Ihm geht es vor allem um die Ver­bre­itung der These, dass das Deutsche Reich fortbeste­ht. Seine Ver­schwörungs­the­o­rien ver­mis­chen sich immer wieder mit verkürzter Kap­i­tal­is­muskri­tik und PEGI­DA-Parolen sowie Anek­doten über seinen Umgang mit der Stadtver­wal­tung, wo er sich schein­bar abwech­sel­nd auf Recht der BRD oder des Deutschen Reich­es beruft Hand­ta ist ein umtriebiger Aktivist in der Reichs­bürg­er-Szene und hat schon in der Ver­gan­gen­heit jede mögliche Bühne genutzt. Er selb­st beze­ich­net sich als „links“, doch hält ihn dies nicht davon ab, in Cot­tbus mit Neon­azis zusam­men­zuar­beit­en. Der Per­so­n­enkreis der Demoor­gan­i­sa­tion ist nahezu deck­ungs­gle­ich mit den­jeni­gen, die bere­its im Feb­ru­ar 2015 den Cot­tbuser PEGI­DA-Ableger „Cogi­da“ organ­isiert haben. Eine ein­heitliche und kose­quente poli­tis­che Lin­ie ist bei Hand­ta nicht zu erken­nen. Seine bish­eri­gen Bünd­nis­part­ner lassen allerd­ings den Schluss zu, dass er ein klas­sis­ch­er Vertreter der Quer­front-Strate­gie ist. Preußen- und umge­dreht­en Deutsch­land­fah­nen prä­gen das Bild der 14-tägi­gen Kundge­bun­gen wobei die Mobil­isierung vor allem über Face­book erfolgt.
AfD
Wenn es um Wähler*innenfang mit Ras­sis­mus geht, darf die AfD nicht fehlen. Auch sie kündigte zum ersten Mal am 26.10. einen „Bürg­er­dia­log“ im Stadthaus an, um zum „Wider­stand gegen das Asylchaos“ aufzu­rufen. Dazu wurde die Vor­sitzende der AfD Sach­sen Frauke Petry ange­heuert. Mit einem Auf­marsch am 04. Novem­ber unter dem Mot­to „Asylchaos stop­pen“ ver­suchte die AfD den Anschluss an die „Proteste“ zu schaf­fen und wollte von der sich aufheizen­den Stim­mung in Cot­tbus prof­i­tieren. Der Auf­marsch fand unter der Fed­er­führung des AfD Vor­sitzen­den Alexan­der Gauland statt. An den Aktio­nen der AfD beteiligten sich 150 Men­schen im Stadthaus und rund 500 beim Auf­marsch. Cot­tbus ist für die AfD von strate­gis­chem Inter­esse. So soll der Brück­en­schlag von Dres­den nach Berlin gelin­gen und sich die säch­sis­chen Ver­hält­nisse auch in Bran­den­burg aus­bre­it­en. Cot­tbus wurde als Ort für die „Herb­stof­fen­sive“ der AfD unter dem Mot­to „Heißer Herb­st in Deutsch­land – Heißer Herb­st in Cot­tbus“ aus­gewählt. Nach­dem die radikalen recht­en Strö­mungen inner­halb der AfD die Hoheit erlangt haben, set­zt diese ver­mehrt auf eine offen ras­sis­tiche und nation­al­is­tis­che Rhetorik. Wenn Gauland von „Umvolkung“ und „der Auflö­sung Deutsch­lands in einem Strom fremder Men­schen“ spricht, ist das ein klares Zeichen, dass der bürg­er­liche Man­tel abgelegt wurde. Am 25.11. gab es erneut einen Auf­marsch gegen gefüchtete Menschen.
Unor­gan­isierte Neonazis
Seien es NPD, Reichis oder AfD: im Umfeld der Ver­anstal­tun­gen dieser Kreise find­en sich immer die gle­ichen Gesichter wieder. Alt­bekan­nte und „neue“ Neon­azis, sei es aus dem Fußbal­lum­feld oder vom ver­bote­nen „Wider­stand Süd­bran­den­burg“ sind auf oder in der Nähe dieser Ver­anstal­tung anzutr­e­f­fen. Es liegt nahe, dass ihnen momen­tan eine poli­tis­che Heimat fehlt und sie in den „Protesten“ dur­chaus Anschlusspunk­te erken­nen. Meist sind diese zurück­hal­tend und fall­en beim ersten Blick nicht weit­er auf, jedoch ist das ver­steck­te Gewalt­poten­zial bei genauer­er Betra­ch­tung klar zu erken­nen. Oft sind Kle­in­grup­pen im Umfeld der Aufmärsche und vor allem im Anschluss in den Stadt­teilen unter­wegs auf der Suche nach „Zie­len“. Diese kön­nen im poli­tis­chen Geg­n­er, Flüchtlin­gen oder „nor­malen“ Bürg­er gefun­den wer­den. Seit dem Beginn der „Proteste“ Anfang Okto­ber kam es im Stadt­ge­bi­et wieder ver­mehrt zu recht­en Übergriffen.
Ereignisse
Nach der Demon­stra­tion am 23.10. in Sach­sendorf kam es zu mehreren recht­en Über­grif­f­en im gesamten Stadtgebiet.

– Auf dem Cam­pus der BTU wur­den Studierende ange­grif­f­en und z.T. schw­er verletzt.
– Die Syn­a­goge wurde zweimal ange­grif­f­en und beschädigt. 
– Es sind im gesamten Stadt­ge­bi­et Aufk­le­ber mit recht­sradikalen Inhal­ten zu sehen.
– Es find­en sich beson­ders in der Nähe von Geflüchtete­nun­terkün­ften Schmier­ereien z.T. mit Hak­enkreuzen o. Runen, gegen die Asylpoli­tik und gegen die Geflüchteten selbst.
– Es wur­den mehrfach geflüchtete Men­schen beschimpft, belei­digt, bedro­ht und angegriffen.
– Es kommt immer wieder zu kleineren Zusam­men­rot­tun­gen von betrunk­e­nen und stark aggres­siv­en Rechten.

– Auch im Fußballm­i­lieu bilden sich neue rechte Ableger.
Faz­it
Wenn Staatsver­sagen insze­niert wird und Geflüchtete in den Medi­en vor allem als Prob­lem erscheinen, gibt dies der recht­en Bewe­gung Auftrieb. Auf der einen Seite verkün­den unter­schiedliche Parteien laut­stark, dass „geflüchtete Men­schen willkom­men sind“ und auf der anderen Seite haben sie erst vor kurzem der Ver­schär­fung des Asyl­rechts zuges­timmt. Hier wird die ide­ol­o­gis­che Aufteilung in „legit­ime“ und „ille­git­ime“ Men­schen zugespitzt.
Aber auch die lokale Poli­tik trägt ihren Teil bei, wenn der Cot­tbuser Bürg­er­meis­ter davon spricht, dass „der Hahn zuge­dreht wer­den muss“ und der Präsi­dent von Energie Cot­tbus einen Eltern­brief gegen die vorüberge­hende Unter­bringung von Geflüchteten in Turn­hallen mitini­ti­iert. So bilden die Schreibtischtäter*innen aus Bun­destag und Bun­desrat, sowie lokale poli­tis­che Größen den Nährbo­den für ras­sis­tis­che Hetze.
Unter diesen Bedin­gun­gen fühlen sich Neon­azis, Reichsbürger*innen und Rechtspopulist*innen als Vertreter*innen des „wahren“ Volk­swil­lens und glauben, selb­st die ver­meintlich bedro­hte Deutsche Sou­veränität vertei­di­gen zu müssen.
Nach der ersten Erre­gung hat sich das Protest­poten­zial in Cot­tbus ger­ade etwas abgeschwächt, was sich im Zuge der Anschläge von Paris aber auch wieder ändern kann. Die Konkur­renz unter­schiedlich­er Parteien und Grup­pierun­gen in Cot­tbus zer­split­tert die rechte Bewe­gung. Die Gemein­samkeit ist der pos­i­tive Bezug auf „das Volk“, doch ob damit das Staatsvolk, ein ras­sisch definiertes Volk oder ggf. die staaten­losen Deutschen gemeint ist, da gehen die Sichtweisen schon weit auseinan­der. Eine weit­ere Gemein­samkeit ist „Merkel muss weg“, doch auch hier ste­hen die NPD und die AfD in direk­ter Konkur­renz zueinan­der und es bleibt unklar, ob lediglich bspw. Die Kan­z­leri aus­ge­tauscht wer­den soll, oder aber ein Regime errichtet wer­den soll.
Trotz der Dif­feren­zen der einzel­nen Akteure sehen wir das Resul­tat auf der Straße. Zwar sind in Cot­tbus die pogro­mar­ti­gen Krawalle wie in Hei­de­nau oder Fre­ital aus­ge­blieben, jedoch mehrt sich die Zahl rechter Angriffe doch immens. Weit­er­hin kam es im Süd­bran­den­burg­er Raum zu Bran­dan­schlä­gen, welche einen recht­en Hin­ter­grund sehr nahe legen.
Gegen­proteste kon­nten in Cot­tbus ihre Wirk­samkeit zeigen, indem sich ver­schiedene Grup­pen frühzeit­ig mit den Geflüchteten sol­i­darisierten. Organ­i­sa­tio­nen und Parteien, welche sich für Geflüchtete stark machen, arbeit­en trotz der Kri­tik an poli­tis­chen Entschei­dun­gen der Stadt­spitze (Unter­bringungskonzept) sowie auf Bun­de­sebene (Asyl­rechtsver­schär­fung) zusam­men. Das bedeutet Stärke und Schwäche zugle­ich, da ras­sis­tis­che Ansicht­en und Meth­o­d­en in den staatlichen Insti­tu­tio­nen hin­ter dem Mob, der sich auf den Straßen formiert, unbe­hel­ligt bleiben.
Ins­ge­samt gilt es, dem ras­sis­tis­chen Grund­ton dieser Tage aktiv ent­ge­gen­zutreten und vor allem Alter­na­tiv­en anzu­bi­eten. Dort wo es weit­er­hin Massen­ab­schiebun­gen, immer höhere Grenz­zäune und ver­schärfte Geset­ze gibt, wo der ras­sis­tis­che Mob ang­ste­in­flößend durch die Straßen zieht und Schlip­sträger das ganze legit­imieren, dort brauchen wir Sol­i­dar­ität. Für ein men­schlich­es Miteinan­der bedarf es nicht viel, lediglich dem Ver­ständ­nis und den Respekt gegenüber den Bedürfnis­sen unser­er Mit­men­schen. Ras­simus ist KEINE Alternative.
[Autonome Antifa Cottbus][November ’15]

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Arbeit & Soziales Flucht & Migration

Brandenburger Willkommensinitiativen richten Forderungen an die Landesregierung

Heute haben sich 47 flüchtlingspoli­tis­che Ini­tia­tiv­en und Willkom­mensini­tia­tiv­en, sowie Engagierte aus diversen Ini­tia­tiv­en in Bran­den­burg mit einem Offe­nen Brief an die Lan­desregierung gewandt. Darin sprechen sie sich gegen die Vere­in­nah­mung der Arbeit der Ini­tia­tiv­en durch die Poli­tik aus und fordern ein Ende der Prax­is, staatliche Ver­sorgungslück­en sys­tem­a­tisch durch ehre­namtliche Arbeit schließen zu lassen. „Wir fordern die Erfül­lung der wichtig­sten Voraus­set­zun­gen für ein gutes Zusam­men­leben in Bran­den­burg, näm­lich men­schen­würdi­ge Unter­bringung sowie Ver­sorgung und Beratung, die Geflüchtete nicht von uns ehre­namtlichen Unter­stützerIn­nen abhängig macht,“ heißt es in dem Brief, der heute der Lan­desregierung und den Land­tags­frak­tio­nen zuge­sandt wurde.
In dem Zehn-Punk­te-Papi­er kri­tisieren die Ini­tia­tiv­en ins­beson­dere die neuen Asyl­rechtsver­schär­fun­gen auf Bun­de­sebene und fordern die Lan­desregierung auf, die beste­hen­den Hand­lungsspiel­räume bei der Umset­zung zu nutzen und sich klar gegen diesen Angriff auf das indi­vidu­elle Grun­drecht auf Asyl zu posi­tion­ieren. Zen­trale Forderun­gen der Ini­tia­tiv­en sind außerdem:
Die angemessene Erken­nung und Ver­sorgung beson­ders schutzbedürftiger Flüchtlinge.
Diese ist nach gel­tender Recht­slage vorgeschrieben, wird von den zuständi­gen Behör­den jedoch kaum umge­set­zt. Weil entsprechende Struk­turen hier­für fehlen, müssen die Ini­tia­tiv­en diese Auf­gaben des Staates ohne Vor­bere­itung, Unter­stützung und fach­liche Exper­tise, wie z.B. in der psy­chol­o­gis­chen Betreu­ung trau­ma­tisiert­er Flüchtlinge, häu­fig selb­st übernehmen.
Die Gewährleis­tung unab­hängiger, kom­pe­ten­ter und gut aus­ges­tat­teter Asylver­fahrens­ber­atung in Ver­ant­wor­tung des Landes.
Eine Zuständigkeit der Land­kreise, wie sie der Entwurf zum Lan­desauf­nah­mege­setz vor­sieht, bedro­ht die Unab­hängigkeit der Beratung – zulas­ten der Geflüchteten und der Ini­tia­tiv­en, die sie unterstützen.
Der Respekt vor Grun­drecht­en, auch in Sammelunterkünften.
Immer wieder kommt es zur Mis­sach­tung von Grun­drecht­en, wie z.B. durch Besuchsver­bote in Gemein­schaft­sun­terkün­ften. Hinzu kommt die Unter­bringung in abgele­ge­nen, über­füll­ten Heimen, die von man­gel­nder Pri­vat­sphäre, Enge, Stress und Überwachung geprägt sind und in denen es kaum Zugang zu Gewaltschutzstruk­turen gibt. Daher fordern die Ini­tia­tiv­en, alle Men­schen und vor allem auch beson­ders schutzbedürftige Flüchtlinge in Woh­nun­gen statt in Sam­melun­terkün­ften unterzubringen.
Mit dem Offe­nen Brief fordern die Ini­tia­tiv­en von der Lan­desregierung, dem Beken­nt­nis zur Willkom­men­skul­tur endlich Tat­en fol­gen zu lassen und den Men­schen zuzuhören, die Tag für Tag Geflüchtete in Bran­den­burg ver­sor­gen und begleiten.
Der Offene Brief wurde auf einem Ver­net­zungstr­e­f­fen der Ini­tia­tiv­en Ende Novem­ber in Blossin ini­ti­iert. Eine Vor­bere­itungs­gruppe aus Ini­tia­tiv­en, der Aktion Schutzschild der Amadeu-Anto­nio-Stiftung und dem Flüchtlingsrat Bran­den­burg hat­te das Tre­f­fen organ­isiert. (Siehe Presseerk­lärung des Flüchtlingsrats vom 30.11.15)
Der Flüchtlingsrat unter­stützt in vollem Umfang die Forderun­gen der Ini­tia­tiv­en. „Die ehre­namtlichen Ini­tia­tiv­en gestal­ten die Willkom­men­skul­tur in Bran­den­burg, sehen sich aber immer wieder durch Ver­wal­tung­shan­deln in ihrem Engage­ment block­iert und sollen zugle­ich die ver­fehlte staatliche Auf­nah­me­poli­tik unent­geltlich kom­pen­sieren. Das Land ist in der Ver­ant­wor­tung auch langfristig men­schen­würdi­ge Auf­nah­me­poli­tik zu betreiben. Es darf sich nicht länger auf die Ver­wal­tung eines auch durch ver­fehlte Poli­tik verur­sacht­en „Not­stands“ zurückziehen,“ sagt Tobias Beck­er vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Offen­er Brief der Ini­tia­tiv­en 14.12.15
Pressemit­teilung

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Strausberg: Brandenburger Neonazis hetzen gegen geplante Erstaufnahmeeinrichtung

INFORIOT Am Sam­stag, den 12. Dezem­ber, ver­sam­melten sich in unmit­tel­bar­er Nähe zum Bahn­hof Straus­berg etwa 150 Neon­azis und soge­nan­nte „besorgte Bürg­erIn­nen“ um gegen die geplante Erstauf­nah­meein­rich­tung in der ehe­ma­li­gen Barn­im-Kaserne zu demon­stri­eren. Zeit­gle­ich trafen sich ebenso­viele Gegendemonstrant*innen unweit auf einen Park­platz, darunter auch Lan­despoli­tik­er, wie der Jus­tizmin­is­ter Hel­muth Markov. Die Polizei war indes mit mehreren Hun­dertschaften und einem Räumpanz­er vor Ort.

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Politiker*innen bei der Gegenkundge­bung am Bahnhof.

Rechte ver­schieden­ster Couleur
Die soge­nan­nte “Bürg­er­be­we­gung Heimat­land” mobil­isierte zu ein­er Demon­stra­tion durch die Straus­berg­er Vorstadt um gegen die geplante Zweig­stelle der Erstauf­nah­meein­rich­tung für Geflüchtete in Eisen­hüt­ten­stadt zu demon­stri­eren. Obwohl Ähn­lichkeit zu den seit eini­gen Wochen immer Mon­tags stat­tfind­en­den Bramm-Demon­stra­tio­nen in der Straus­berg­er Alt­stadt beste­ht, sind die Ver­anstal­terIn­nen offiziell andere gewesen.
Rechter Aufzug durch die Straus­berg­er Vorstadt. Am Mikro: Der Organ­isator Lars Günther.

Kurz nach 15 Uhr set­zte sich der Auf­marsch in Bewe­gung um dann ein Mal im benach­barten Wohnge­bi­et eine Runde zu drehen. Nach knapp 30 Minuten und etwa einem Kilo­me­ter war der Spuk auch wieder vor­bei. Die Teil­nehmenden des ras­sis­tis­chen Auf­marschs kamen dabei aus unter­schiedlichen extrem recht­en Strö­mungen und Grup­pierun­gen. Zahlre­ich vertreten waren Neon­azis von der NPD, wie der wegen seines anti­semi­tis­chen Tat­toos bekan­nt gewor­dene Mar­cel Zech aus Barn­im und Anhän­gerIn­nen der Partei „Die Rechte“ um Robert Geb­hardt aus Bad Freien­walde. Geb­hardt ver­anstal­tete zusam­men mit Lars Gün­ther, der als Red­ner und Organ­isator des Aufzuges in Straus­berg aufge­treten ist, eben­falls zahlre­iche rechte Aufmärsche Bad Freien­walde und Wriezen nach dem gle­ichen Muster. Schwarz gek­lei­det und das Gesicht fast ver­mummt präsen­tierten sich Neon­azis des NW-Berlin. Schon bei der Aunkun­ft von Gegendemonstrant*innen aus Berlin ver­sucht­en u.a. Oliv­er Oeltze und Tim Wendt diese einzuschüchtern und zu bedrohen.
Das ver­schwörungs­the­o­retis­che Mag­a­zin “Com­pact” auf der Demonstration.

An der Demon­stra­tion nah­men auch Mit­glieder der „Iden­titären Bewe­gung“ und Anhän­gerIn­nen des ver­schwörungs­the­o­retis­chen Com­pact-Mag­a­zin teil. Mit eigen­em Rede­beitrag beteiligten sie sich aktiv an der ras­sis­tis­chen Het­zte gegen Geflüchtete. Schon vor ein­er Woche beteiligten sich bei­de an den asylfeindlichen Protesten in Lübben. Bere­its vor etwa einem Monat waren die gle­ichen Per­so­n­en auf ein­er Demon­stra­tion der AfD in Berlin aufge­fall­en. Ein „Iden­titär­er“, der eben­falls am Auf­marsch in Straus­berg teil­nahm soll Mit­glied der „Jun­gen Alter­na­tiv­en“ in Bran­den­burg sein. Aber auch „besorgte Bürg­erIn­nen“, teil­weise mit Kindern marschierten zusam­men mit gewalt­bere­it­en Neon­azis. Für das näch­ste Jahr haben die Iden­titäre Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg eine Offen­sive für Bran­den­burg angekündigt. In Neu­rup­pin, Luck­en­walde und Cot­tbus sollen Aktio­nen folgen.
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Neon­azis um den “NW Berlin” auf der Demonstration.

Inhaltlich wur­den erneut die immer gle­ichen Parolen, bekan­nt von zahlre­ichen ras­sis­tis­chen Aufmärschen von PEGIDA bis AfD, gebrüllt. Das Wohnge­bi­et wirk­te indes wie aus­gestor­ben. Sel­ten waren Anwohner*innen an Fen­stern zu sehen.
Großaufge­bot der Polizei erstickt Proteste im Keim
Das Bünd­nis „Straus­berg Sor­gen­frei“ mobil­isierte zu ein­er Gegenkundge­bung mit Live-Musik und Polit­promi­nenz in Hör- und Sichtweite zum Neon­azi­auf­marsches. Trotz der aus­ge­lasse­nen Stim­mung und emo­tionalen Reden gegen Ras­sis­mus und für Men­schlichkeit fan­den sich nur 150 Men­schen ein um gegen den recht­en Auf­marsch zu demon­stri­eren. Neben dem schlecht­en Wet­ter, kön­nte es auch daran gele­gen haben, dass die Polizei den Kundge­bung­sort der Antifaschist*innen größ­ten­teils einge­git­tert hat­te, während sich die Neon­azis rel­a­tiv frei bewe­gen konnten.
Proteste in Strausberg
Proteste in Strausberg

Es kam aber auch zu Ver­suchen den Auf­marsch zu stören bzw. zu block­ieren. Auf hal­ber Strecke erre­icht­en zahlre­iche Gegendemonstrant*innen die Route der Neon­azis. Die Polizei unter­band den­noch sofort jeglichen Störungsver­such. Ins­ge­samt muss der Polizeiein­satz in Straus­berg in Frage gestellt wer­den. Ein Ein­satz eines Räumpanz­ers gegen Antifaschist*innen, die Schikanierung der anwe­senden Pressevertreter*innen sowie das völ­lig über­zo­gene Großaufge­bot für einen 1 km lan­gen Auf­marsch durch ein men­schen­leeres Wohnge­bi­et stellt Fra­gen nach der Strate­gie der bran­den­burg­er Polizei. Bei ver­gle­ich­baren Ver­anstal­tun­gen, wie etwa in Cot­tbus vor eini­gen Wochen waren nicht mal annäh­ernd so viele Ein­satzkräfte vor Ort. Hier kam es dann auch zu ver­sucht­en Über­grif­f­en auf Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen.
Proteste in Strausberg
Proteste in Strausberg

Weit­er Fotos find­et ihr hier, hier und hier.
Inforiot