88Seit Jahren verwehren deutsche Geldinstitute vielen Migrant_innen mit Bezug auf mangelnde Deutschkenntnisse und Geduldeten aufgrund fehlender Möglichkeiten, mit ihren Duldungen dem Identitätsnachweis nach dem deutschen Geldwäschegesetz zu entsprechen, die Eröffnung eines Bankkontos. Zahlreiche Betroffene erhalten ohne Bankkonto keine Arbeitsstelle, können keine Wohnungen mieten, keinen Strom beziehen oder kein Fahrkartenabonnement abschließen. Diese massive Diskriminierung verhindert eine Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben. So findet ein seit 9 Jahren in Brandenburg lebender Ingenieur mit Duldung immer wieder an ihm interessierte Unternehmen. Diese können ihn am Ende jedoch nicht anstellen, weil ihm ein Bankkonto fehlt.
Erst der sog. Zahlungskontenrichtlinie der Europäischen Union (RL 2014/92/EU), die 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, verdanken wir es, dass diese Diskriminierung in Deutschland endlich beendet werden könnte.
Der Richtlinie entsprechend haben das Bundesministerien der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz jetzt einen Entwurf für ein Zahlungskontengesetz vorgelegt, das im März 2016 in Kraft treten könnte. Zeitgleich planen sie die Einführung einer Verordnung zum problematischen § 4 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 Geldwäschegesetz (GwG), der durch seinen Nexus zum deutschen Ausländerrecht die Grundlage für die Verweigerung der Kontoeröffnung bildet. Die geplante Verordnung soll auch solche amtlichen Dokumente von Geflüchteten, insbesondere von Geduldeten, die keinen Ausweisersatz darstellen, als Legitimationsgrundlage für eine Kontoeröffnung anerkennen.
Bis zum in Kraft treten dieser Regelung, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungaufsicht (BaFin) mit einem Schreiben vom 21.8.2015 eine Übergangslösung eingeführt, die auch Menschen vor Eröffnung ihres Asylverfahrens und Menschen mit Duldungen zur Kontoeröffnung berechtigen.
Mit dem Gesetz und der Verordnung sollen dann ab 2016 Geldinstitute keinen Menschen mehr aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder wegen anderer in Artikel 21 der Charta der Grundrechte der EU genannter Gründe von der Eröffnung eines Kontos mit Basisdienstleistungen ausschließen dürfen. Wenn sie Menschen ablehnen, was nur noch in einigen Ausnahmefällen möglich sein wird, müssen sie dies schriftlich begründen und den Betroffenen den Beschwerdeweg erklären. Der Beschwerdeweg soll ein neu eingeführtes, kostenloses Verwaltungsverfahren sein.
Das Vorhaben eines Gesetzentwurfs mit zusätzlicher Verordnung begrüßen wir, es geht allerdings nicht weit genug. Eine vollständige Beendigung der Diskriminierung sehen wir erst als erreicht an, wenn:
1. In dem Gesetz ein ausdrückliches Verbot von Ablehnungen der Geschäftsbeziehung wegen fehlender bzw. unzureichender Deutschkenntnisse erfolgt,
2. Zeitgleich mit diesem Gesetz das Geldwäschegesetz geändert wird, indem darin der Nexus des § 4 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 GwG zum Ausländerrecht gekappt wird.
Wir fordern die Politik dazu auf, diese Änderungen vorzunehmen, um die Richtlinie konsequent umzusetzen, die Diskriminierung damit endlich vollständig zu beenden und ein echtes Basiskonto für alle Menschen einzuführen.
Eine Stellungnahme der Antidiskriminierungsberatung Brandenburg, des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin, des Migrationsrates Berlin und des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland zu dem Gesetzentwurf haben die Organisationen heute in den zuständigen Bundesministerien der Finanzen und der Justiz und für Verbraucherschutz eingereicht.
Auf der Website der Antidiskriminierungsberatung Brandenburg ist die Stellungnahme einsehbar: www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de
Bei Nachfragen wenden Sie sich an: Antidiskriminierungsberatung Brandenburg/Opferperspektive e.V. Ansprechperson: Nadja Hitzel-Abdelhamid 0151–59100083
www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de
Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg e.V.
Ansprechperson: Kerstin Kühn 030–61305328
www.adnb.de
Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.
Ansprechperson: Cristina Martín 030–61658755
www.migrationsrat.de
Antidiskriminierungsverband Deutschland e.V.
Ansprechperson: Eva Andrades 030–61305328
www.antidiskriminierung.org
Kategorie: Law & Order
Superintendent Thomas Wisch, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit: “Es gibt Familien in den syrischen Bürgerkriegsgebieten, die sofort nach Brandenburg kommen können. Es gibt Bürger bei uns, die auf eigene Kosten diese Menschen aufnehmen wollen. Dafür muss das Aufnahmeprogramm sofort verlängert werden, dazu fordere ich die Landesregierung nachdrücklich auf. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit, und die Menschen in Syrien haben keine Zeit!”
Das Landesaufnahmeprogramm ermöglicht den Nachzug syrischer Angehöriger nach Brandenburg, wenn ein in Deutschland lebender „Verpflichtungsgeber“ den Staat von allen Kosten freistellt. Am Mittwoch, den 30. September, läuft das brandenburgische Programm aus. Am vergangenen Donnerstag hat der Landtag mit den Stimmen aller Parteien außer der AfD mit einem Beschluss die Landesregierung zur Verlängerung und Verbesserung des Programms aufgefordert.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), der die Verlängerung per Anordnung auf den Weg bringen müsste, sagte vor dem Landtag, es gebe „rechtliche Probleme“ zwischen Bund und Ländern, die erst beseitigt werden müssten. Damit droht eine Aussetzung des Programms auf unbekannte Zeit.
Martin Keune, der Vorsitzende des Vereins „Flüchtlingspaten Syrien e. V.”: “Wir können mehrere Familien aus Syrien herausholen, wenn die Landesregierung jetzt handelt. Die fünfköpfige Familie H. hat sich in Aleppo unter Granatenfeuer im Flur ihres Hauses verschanzt, ohne Wasser, ohne Strom und ohne Hoffnung auf eine Unterkunft. Brandenburger Bürger wollen mit uns dafür sorgen, dass diese Familie ohne Belastung der Landeskasse gerettet werden kann. Aber: Ohne die Verlängerung des Aufnahmeprogramms gibt es für diese Familie — und auch für andere — keine Hoffnung.”
Der Verein „Flüchtlingspaten Syrien e. V.” holt im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms Menschen aus dem Krieg in Syrien nach Brandenburg – mit Visum, auf eigene Kosten und ohne Schlepper oder den tödlichen Weg übers Mittelmeer. Bürger finanzieren Wohnungen, zahlen den Lebensunterhalt und geben Sprachunterricht. Diese Familienzusammenführung ist der letztere sichere und legale Weg aus Syrien nach Brandenburg.
Weitere Informationen Anna Spangenberg, Aktionsbündnis Brandenburg: 0331 505824–27 Martin Keune, Flüchtlingspaten Syrien e.V.: 030 21477700
INFORIOT Am Abend des 25. August haben knapp 350 Menschen gegen Rassismus und Neonazis in Nauen demonstriert. Anlass war der Brand einer Turnhalle, die als Notunterkunft für Geflüchtete genutzt werden sollte, in der Nacht von Montag zu Dienstag. Die Unterkunft sollte in wenigen Tagen vorübergehend bezogen werden, da ein Gebäude zur weiteren Unterbringung noch errichtet werden soll.

Rassistische Gewalt: Kein Ende in Sicht
Gegen zwei Uhr Nachts brannte die Turnhalle bereits so stark, dass die Feuerwehr keine Chance hatte das Gebäude zu retten, berichtet die MAZ. Es brannte komplett aus. Zu sehen sind nur noch verrußte Wände und durchgebrannte Überreste von Kabeln und Verkleidung. Auch wenn bisher keine Tatverdächtigen ermittelt wurden, ist mit ziemlicher Sicherheit klar, dass es sich hier um einen rassistischen Anschlag handelte. Denn der Angriff auf die geplante Notunterkunft in der Kleinstadt Nauen kam nicht über Nacht. Er kam quasi mit Ankündigung. Immer wieder waren in Nauen rassistische Vorfälle bekannt geworden. Angefangen bei einer Bürger_innenversammlung zum Thema Unterbringung im Februar, die von Neonazis so massiv gestört wurde, dass die Veranstaltung abgebrochen werden musste. Es folgten Kundgebungen gegen Asylpolitik u.a. im Mai von der rassistischen Facebookinitiative „Zukunft Nauen“ und durch die NPD im Juli. Im Juni und Juli kam es zu einer Serie von Anschlägen auf Parteibüros der Linken und der SPD.

In den letzten Tagen und Wochen waren es vor allem die sächsischen Städte Freital und Heidenau die durch rassistische Proteste in die Schlagzeilen geraten waren. Doch auch in Brandenburg ist die Zahl rassistischer Proteste und Gewalttaten alarmierend. Allein in diesem Jahr gab es nach Angaben der Opferperspektive 88 rechte Angriffe. Der Großteil davon mit rassistischem Hintergrund. Die Zahl ist umso erschreckender, wenn die Vorjahreszahl von 92 Angriffen in Relation dazu gesetzt wird: Die 88 Angriffe beziehen sich nur auf die erste Jahreshälfte 2015. 92 wurden im ganzen Jahr 2014 verübt. Der Anschlag in Nauen ist Angriff Nummer 89.
Politiker_innen im Redeschwall
Nur wenige Stunden nach dem Anschlag, hatte die lokale Initiative „Nauen für Menschlichkeit“ zu einer Kundgebung am Ort der geplanten Unterkunft, einige hundert Meter von der Turnhalle entfernt, aufgerufen. Gefolgt waren dem Aufruf nicht nur engagierte Anwohner_innen, Antifaschist_innen aus Berlin und Brandenburg, sondern auch eine Reihe von Landes- und Kommunalpolitiker_innen, die sich in ihren Reden zu übertreffen versuchten. So forderte beispielsweise Klaus Ness, Fraktionsvorsitzender der SPD im Brandenburger Landtag, einen „Aufstand der Anständigen“ und „den Anstand der Zuständigen“. Ursula Nonnenmacher, Grünenpolitikerin im Landtag, sah in der AfD die geistigen Brandstifter. Der Falkensee Bürgermeister war der Ansicht, die Parallelen zu 1933 seien deutlich: Bei den Neonazis und rassistischen Angreifern handle es sich ähnlich wie bei der SA um Kampftruppen auf der Straße. Als er im Weiteren davon sprach, dass es sich bei dem Angriff auf die Turnhalle nicht nur um einen Angriff auf Asylbewerber_innen handle, sondern auch auf Deutschland, hagelte es Buhrufe. Für Nationalstaat und deutsche Identität fand er wenig Sympathie unter den antifaschistischen Teilnehmer_innen. Ebenso wenig Begeisterung erntete einer der nachfolgenden Redner, der sich statt über die rassistische Tat, über den Schaden für die Turnhalle als Gebäude ausließ. Deutlichere Worte fand dagegen ein Antifaschist, der auf den Rassismus in der Mitte der Gesellschaft hinwies und auch die CDU als Teil des rassistischen Mainstreams ausmachte.

Spontandemonstration durch die Innenstadt
Nach Abschluss der Kundgebung zogen die Teilnehmer_innen mit einer spontanen Demonstration durch die Nauener Innenstadt. Lautstark wurden antirassistische Sprechchöre wie „Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here“ und „No Borders, no nations, stop deportation“ geäußert. Als Aufruf an alle Anwohner_innen am Rande der Demonstration wurde „Vorurteile hinterfragen, Ja zu neuen Nachbarn sagen!” gerufen.

Versuchter Naziangriff auf Versammlung
Während der Versammlung kam es zu zwei Zwischenfällen: Drei Neonazis versuchten sich der Kundgebung zu nähern, wurden jedoch frühzeitig ferngehalten. Einige Zeit später, tauchten wiederum acht Neonazis mit Eisenstangen auf und wollten den Spontanaufzug angreifen. Dazu kam es dank antifaschistischer Intervention jedoch nicht. Auch der Neonazikader und NPD-Stadtverordnete in Nauen Maik Schneider soll sich in der Nähe der Demonstration aufgehalten haben.
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Opferperspektive — Die rechte und rassistische Gewalt in Brandenburg steigt in diesem Jahr alarmierend. Mit 88 rechten Angriffen, die der Verein Opferperspektive bis Ende Juli registrierte, ist bereits nach 7 Monaten das Angriffsniveau des Vorjahres erreicht (2014 gesamt: 92 Fälle). Von einer hohen Dunkelziffer und von Nachmeldungen ist auszugehen. Das häufigste Tatmotiv ist Rassismus mit 50 Angriffen, weitere 23 Angriffe richten sich gegen politisch Aktive. Nach Kenntnis der Beratungsstelle sind von den Angriffen mindestens 250 Personen direkt oder indirekt betroffen.
Die Schwelle zur Gewalt ist wahrnehmbar gesunken und der überwiegende Teil der Angriffe sind gefährliche Körperverletzungen (37 Fälle) und einfache Körperverletzung (24 Fälle). Darüber hinaus sind Fälle von Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Brandstiftungen an geplanten Flüchtlingsunterkünften von der Opferperspektive registriert worden.
„Dieses Angriffsniveau vor allem gegenüber geflüchteten Menschen und einen so hohen Anteil an Körperverletzungen haben wir seit langem nicht erlebt. Die Lage ist alarmierend. Anders als im Vorjahr lassen sich keine regionalen Schwerpunkte mehr ausmachen, denn die rassistischen Angriffe werden flächendeckend in Brandenburg verübt,“ fasst die Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive Judith Porath die momentane Situation zusammen.
Angriffe sind Alltag
Die rassistische Stimmung in Brandenburg ist insgesamt stark gestiegen. Beleidigungen, Beschimpfungen und Angriffe erfolgen überall: im Supermarkt, im Wohnumfeld, auf der Straße, am Bahnhof und in der Umgebung von Gemeinschaftsunterkünften. Teilweise werden die Taten von organisierten Neonazis begangen, auffallend ist aber der steigende Anteil an Täter_innen, die sich selbst nicht diesen Strukturen zuordnen.
„Wir erfahren aus Beratungsgesprächen immer wieder, dass Menschen aus Angst vor weiteren Attacken nur noch für die wichtigsten Erledigungen das Haus verlassen. Rassistische Gelegenheitstäter_innen fühlen sich offenkundig durch die allgemeine Mobilisierung gegen Flüchtlinge bestärkt ihre Menschenverachtung und ihren Hass spontan in Gewalt umzusetzen,“ erläutert Judith Porath die bedrohliche Lage für Flüchtlinge.
In Hennigsdorf greift ein Mann Anfang August zwei Asylsuchende mit einer abgeschlagenen Bierflasche an und verletzt sie schwer, einer der Angegriffenen erleidet eine tiefe Schnittwunde nahe der Halsschlagader. Bei den rassistischen Angriffen ist versuchter Totschlag jedoch nur die Spitze des Eisberges:
In Frankfurt/Oder wird eine Gruppe syrischer Flüchtlinge zwei Stunden durch die Stadt gejagt und zusammengeschlagen, Flüchtlinge in Wriezen werden aus einem Auto heraus mit Flaschen beworfen, in Cottbus rammt ein Mann einer schwangeren Frau aus Tschetschenien mehrmals einen Einkaufswagen gegen den Bauch, vor einer Gemeinschaftsunterkunft in Potsdam attackieren Männer aus der benachbarten Autowerkstatt einen somalischen Flüchtling mit Werkzeugen. Neonazis schikanieren in Hennigsdorf den Betreiber eines Imbiss und greifen ihn und sein Personal so häufig an, bis sich keiner mehr für ihn zu arbeiten traut. An einer Bushaltestelle in Cottbus erhält ein Student aus Kamerun mehrere Faustschläge ins Gesicht – das ist nur eine Auswahl der Angriffe der letzten Monaten.
Rassistische Hetze nicht weiter fördern
Der alarmierende Anstieg rassistischer Gewalt in Brandenburg ist nach Einschätzung der Opferperspektive auf die massive Mobilisierung gegen Flüchtlinge in Politik, Medien und in den sozialen Netzwerken zurückzuführen. Lokale Initiativen, oft verwoben mit rechten Organisationen, hetzen gegen Flüchtlinge und organisieren Kundgebungen vor Gemeinschaftsunterkünften. In der Presse bestimmen seit Monaten Szenarien von Notstand die Berichterstattung über Flucht und Asyl und heizen das rassistische Klima an. Politiker_innen und Behörden gießen Öl ins Feuer, indem sie über Flüchtlinge nur als Massenphänomen sprechen und den Eindruck vermitteln, zu viele Menschen suchten in Deutschland Schutz vor Krieg, Verfolgung und Hunger.
„Zeigen Politiker_innen auch noch Verständnis für die ‘diffusen Ängste und Sorgen’ von Rassist_innen und fordern mehr Maßnahmen zur Abschreckung von Flüchtlingen, erinnert uns das an die verheerende ‘Das Boot ist voll’-Rhetorik der 1990er Jahre“, bemerkt Judith Porath von der Opferperspektive.
„Es ist für uns unerträglich, wenn Rassist_innen und Neonazis vor Flüchtlingsunterkünften aufmarschieren und Bewohner_innen einschüchtern und bedrohen können.Es ist unerträglich, wenn Politiker_innen Flüchtlinge verunglimpfen und ihnen massenhaften Asylmissbrauch unterstellen und damit Sozialneid schüren, denn die rassistischen Täter_innen fühlen sich dadurch in ihren Vorurteilen bestärkt“, so Judith Porath weiter.
Vor dem Hintergrund des dramatischen Anstiegs der rassistischen Gewalttaten in Brandenburg fordert der Verein Opferperspektive die Landesregierung auf, alle Maßnahmen zu ergreifen der rassistischen Stimmung entgegenzuwirken und klare solidarische Signale für die Aufnahme von geflüchteten Menschen in Brandenburg zu setzen. Dazu gehört es unabdingbar, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, ihnen das Ankommen durch begleitende Programme zu ermöglichen und vor allem für ihren Schutz vor Gewalt und Bedrohungen zu sorgen.
Auf der gestrigen Veranstaltung “Res Publica” auf der “Brückenplatz” genannten Freifläche neben der Slubicer Straße kam es zu einem sehr unangenehmen Zwischenfall. Drei Männer überquerten den Platz und schlugen und traten gegen die dort stehenden Litfasssäulen. Daraufhin angesprochen bedrohten sie uns, insbesondere unsere polnischen, syrischen und afrikanischen Freunde, die mit uns auf dem Platz waren. Neben Sätzen, wie ihr “schwulen Multikulti-Juden” drohten sie einem syrischen Arzt, ihn zu finden und ihm dann den Kopf abzuschneiden.
Ich wählte daraufhin die Nummer “110” und es dauerte 5 Minuten, bis dort jemand den Hörer abnahm. Als ich zu sprechen begann, schlug mir einer der Neonazis das Handy aus der Hand und der Akkumulator fiel heraus, so dass das Gespräch unterbrochen wurde. Mit einem weiteren Schlag stieß er mich zu Boden. Auch auf den Anruf eines weiteren Freundes hin kam keine Polizei.
Glücklicherweise hatten die Anrufe immerhin erreicht, dass sich die drei verzogen, nicht ohne uns und den “Schmarotzern aus dem Süden” noch einmal mit dem Tod zu drohen und dass “dieser Platz nicht mehr lange stehe”.
Die fehlende Reaktion der Polizei gibt zu denken. Der “Brückenplatz” ist ein Ort der Integration und soll es auch bleiben. Das geht aber nur, wenn wir die Polizei auf unserer Seite wissen!
Michael Kurzwelly, Slubfurt e.V.
Gesetzesentwurf „zur Neuregelung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“: Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
der Bundestag hat am 2. Juli das „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ beschlossen. Voraussichtlich am 10. Juli wird der Bundesrat darüber beraten. Obwohl die Bundesregierung den Gesetzesentwurf nicht als zustimmungsbedürftig deklarierte, sollten Sie sich dafür einsetzten, dass der Bundesrat seine Aufgabe ernst nimmt und zumindest der Vermittlungsausschuss angerufen wird, mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzesentwurfs. Der Gesetzesentwurf packt zwei völlig gegenläufige Regelungen zusammen, was wohl einem Kuhhandel zwischen den Koalitionspartnern von SPD und CDU/CSU geschuldet ist: die sehr zu begrüßende stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung und die massive Ausweitung der Abschiebungshaft. Die positiven Aspekte des Gesetzesentwurfs dürfen jedoch nicht als Verzuckerung menschenrechtlich bedenklicher Verschärfungen missbraucht werden.
Die Kritik am Gesetzesentwurf, die von einer Vielzahl von Sachverständigen und Menschenrechtsorganisationen geübt wurde, dürfte Ihnen bekannt sein:
— Anstatt Abschiebungshaft zu vermeiden, soll sie über die Definition von Anhaltspunkten für Fluchtgefahr ausgeweitet werden. In der Praxis werden diese Anhaltspunkte als Haftgründe angewandt werden.
— Besonders problematisch ist der Haftgrund, „erhebliche Geldbeträge“ an einen Schleuser gezahlt zu haben, obwohl allgemein bekannt ist, dass angesichts der Abschottung Europas eine Einreise von Schutzsuchenden ohne die Zuhilfenahme von Schleppern schlicht unmöglich ist. Zu Recht hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme festgestellt, dass von diesem Umstand nicht auf eine Absicht geschlossen werden kann, sich der Abschiebung zu entziehen. Der verabschiedete Gesetzesentwurf berücksichtigt in keiner Weise die Empfehlung des Bundesrats.
— Besonders problematisch ist der Haftgrund Identitätstäuschung durch Passlosigkeit. Zahlungen an einen Schlepper, Unterdrücken von Reisedokumenten oder falsche Angaben zur Identität sind typische, aus der Not geborene Verhaltensweisen von Flüchtlingen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention kein Grund für eine Inhaftierung sein dürfen.
— Besonders problematisch ist des weiteren, dass der Umstand, aus einem anderen EU-Staat nach Deutschland eingereist zu sein, als Haftgrund im Dublin-Verfahren herhalten soll. Der Rechtsausschuss des Bundesrats hatte die ersatzlose Streichung dieses Haftgrundes empfohlen. Leider fand diese Empfehlung keine Mehrheit im Bundesrat, wozu die Ablehnung Brandenburgs beigetragen haben dürfte.
— Hervorzuheben sind noch die völlig unverhältnismäßigen Einreisesperren, die für den gesamten Schengen-Raum gelten, sowie der europarechtswidrige Ausreisegewahrsam.
Perfide ist, wie jetzt die Verschärfung der Abschiebungsregelungen durch die Probleme der Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen gerechtfertigt werden, nämlich mit dem zynischen Argument „Wir brauchen Platz für die wirklich Verfolgten“. Wir möchten daran erinnern, dass Abschiebungshaft einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte von Menschen darstellt, die ja noch nicht einmal eine Straftat begangen haben; organisatorische Probleme dürfen in keinem Fall zur Legitimation von Freiheitsentziehungen dienen.
Mit der Praxis und Rhetorik der Abschiebungen wird die Willkommenskultur in Brandenburg untergraben, die eine große Zahl von Willkommensinitiativen tagtäglich praktizieren. Abschiebungen zerreißen die neu entstandenen Freundschaften und machen alle ehrenamtlichen Anstrengungen zunichte. Das ist eine Steilvorlage für RassistInnen. Wenn Sie es in Ihrem Bekenntnis zur Willkommenskultur wirklich ernst meinen, sollten Sie sich auch aus diesem Grund für eine komplette Überarbeitung des Gesetzesentwurfs aussprechen.
Im Brandenburger Koalitionsvertrag steht der Satz: „Die Koalition wird sich wie bisher darum bemühen, Abschiebungshaft zu vermeiden.“ Diese Bemühungen müssen jetzt stattfinden, vor und auf der entscheidenden Sitzung des Bundesrats, der immer noch die Möglichkeit hat, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Selbst wenn das nicht von Erfolg gekrönt sein sollte, wäre es dennoch ein wichtiges Signal, die schlimmste Verschärfung des Asylrechts seit 1993 nicht unkommentiert zu lassen und die öffentliche Debatte zu führen.
Mit freundlichen Grüßen
Kay Wendel (Flüchtlingsrat Brandenburg)
Zu mehreren Demonstrationen und Veranstaltungen erwartet Neuruppin am 6. Juni Gäste aus Nah und Fern. Sie wollen sich unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazis – Vielfalt ist unsere Zukunft“ friedlich versammeln und für Weltoffenheit demonstrieren. Der unerfreuliche Anlass ist ein Aufmarsch von Rechtsextremisten „gegen Überfremdung“, der für denselben Tag angekündigt ist.
Um 10 Uhr an diesem Sonnabend beginnen gleichzeitig drei Versammlungen:
‑Auf dem Schulplatz am Alten Gymnasium bildet ein ökumenischer Gottesdienst den Auftakt zu einem zehnstündigen Bühnenprogramm, das politische Beiträge mit einem fulminanten Kulturprogramm verbindet.
‑In der Bruno-Salvat-Straße hinter dem Einkaufszentrum REIZ beginnt ein Demonstrationszug, der sich über drei Kilometer Richtung Schulplatz bewegt.
‑Am Bahnhof Rheinsberger Tor versammeln sich wieder andere Demonstranten, um auf einer kurzen Route zum Bernhard-Brasch-Platz zu ziehen.
Die Organisatoren der demokratischen Proteste wollen allen Demonstrationsteilnehmern eine gute Anreise ermöglichen. „Man kann an jedem der drei Orte und auch später noch zu uns stoßen. Und man kann auf verschiedenen Wegen zu unseren Versammlungen gelangen,“ verspricht Martin Osinski, Sprecher im Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt. In Absprache mit Polizei und Versammlungsbehörde werden folgende Empfehlungen für die Anreise gegeben:
Mit der Bahn:
Regionalexpress Linie RE 6 aus Wittenberge oder Berlin bis Haltepunkt West oder Rheinsberger Tor.
Mit dem Auto:
— Aus Osten über B167 bis Alt Ruppiner Allee. Dort bestehen Parkmöglichkeiten am Oberstufenzentrum. Die ORP Nahverkehrsgesellschaft richtet von dort einen kostenlosen Bus-Shuttle-Service ein.
— Aus Süden, Westen und Norden A24 Abfahrt Neuruppin, weiter über B167 und nördliche Umfahrung (Certaldo‑, Nymburk‑, Bad-Kreuznach‑, Babimost-Ring) Richtung Eberswalde bis Alt Ruppiner Allee, Oberstufenzentrum (Bus-Shuttle).
Wer möglichst nah an das Stadtzentrum heranfahren möchte, sollte über Wittstocker Allee, Straße des Friedens oder Seedamm / Steinstraße die Karl-Marx-Straße ansteuern.
Mit Reisebus:
Über B167 und nördliche Umfahrung (Certaldo‑, Nymburk‑, Bad-Kreuznach‑, Babimost-Ring) bis Wittstocker Allee, diese stadteinwärts über Straße des Friedens bis Bahnhof Rheinsberger Tor. Für Busse bestehen Parkmöglichkeiten auf dem Betriebshof der ORP Nahverkehrsgesellschaft, Wittstocker Allee.
Empfehlenswert ist eine Anreise bis 10 Uhr. Im weiteren Tagesverlauf kann es wegen der verschiedenen Demonstrationszüge zu zeitweiligen Straßensperrungen kommen. Das Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt bittet die Bürger der Stadt um Verständnis für die unvermeidlichen Beeinträchtigungen. „Wir haben die Neonazis nicht hergebeten. Sie kommen nicht zum ersten Mal – aber vielleicht ist es ja das letzte Mal“, hoffen die Veranstalter.
Vor dem Versammlungsort des Geheimdienstes postierten sich Agenten der Kampagne Blackbox Verfassungsschutz in Trenchcoat und Sonnenbrille und klärten Besucher_innen über die Karrierechancen im Amt auf. Unter dem Motto „Werde Verfassungsschützer!“ präsentierten sie Werbeschilder mit den Slogans:
— „Extrem karrierefördernd- Bei uns gefährden Skandale nicht die Aufstiegschancen!“
— „Extrem gut betreut — Unser V‑Mann-Fahrer holt sie gern ab. Sogar im Knast.“
— „Extrem gut geschützt — Bei uns geht Quellenschutz vor Strafverfolgung.“
— „Extrem gut bezahlt — Als Nazi bis zu 300.000 € verdienen!“
„Existenzgründungs-Zuschuss — Der nötige ‚Bums‘ für Ihre Kameradschaft!“ Die ostdeutschen Landesämter für Verfassungsschutz hatten zu einer Tagung über die Gefahren von „Extremismus im Internet“ eingeladen. Als Experten sollten u.a. die Geheimdienstmitarbeiter Gordian Meyer-Plath und Bernd Palenda auftreten.
Palenda stieg 2012 zum Leiter des VS Berlin auf, weil seine Vorgängerin wegen des Schredderns wichtiger Akten im NSU-Komplex zurücktreten musste.
Meyer-Plath wurde 2012 Präsident des sächsischen LfV, obwohl er selbst in den NSU-Skandal verstrickt ist. Als er als V‑Mann Führer des Neonazis Carsten Szepanski (Piatto) bereits 1998 von der geplanten Bewaffnung des NSU-Trios erfuhr – unterließ er es, die Polizei zu informieren. Meyer-Plath chauffierte den wegen versuchten Mordes verurteilten Szepanski sogar vom Knast zu Neonazitreffen und ‑konzerten.
Während das NSU-Netzwerk mordete, flossen massiv staatliche Gelder in Kameradschaften und Naziläden und wurden V‑Männer vor der Polizei und Justiz geschützt. Nach der Selbstenttarnung der rassistischen Terrorgruppe wurde die Aufklärung aktiv behindert, Akten wurden vernichtet, Zeugenaussagen abgesprochen oder es wurde einfach geschwiegen.
Dazu erklärt der Pressesprecher der Kampagne Blackbox Verfassungsschutz, George Kaplan:
„Es ist ein Skandal, dass die selbe Behörde, die tatkräftig zur Radikalisierung der deutschen Neonaziszene beigetragen hat, heute über das “Radikalisierungsinstrument Internet” aufklären will. Worüber sie nicht sprechen werden, sind die Gefahren, die vom deutschen Inlandsgeheimdienst selbst ausgehen. Allein die Anzahl der V‑Männer in der NPD legt den Gedanken nahe, von der NPD als parlamentarischem Arm des Verfassungsschutzes zu sprechen. Die Gefahr lauert im Amt. Der Verfassungsschutz gehört nicht in die Bildungsarbeit, sondern abgeschafft.”
Hier Fotos von der Aktion
https://www.dropbox.com/sh/c6vcycjzsnddbuz/AACnLFwBTmlYNiLuuajkj3mka?dl=0
Durch massive Gewalteinwirkung versuchten sie, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten des Hauses zu verschaffen. Dabei wurde die Eingangstür demoliert. Die Außenfassade des Hauses wurde mit mehreren Keltenkreuzen, einem rassistischen Symbol, beschmiert. Darüber hinaus zerstörten die Angreifenden eine Fensterscheibe. Vor dem Haus wurde unter Anwendung von Pyrotechnik Feuer gelegt. Während des Angriffs skandierten sie die Parolen „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“. Besorgte Anwohner_innen verständigten die Polizei. Der Brand konnte vor dem Eintreffen der Polizei gelöscht werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich mehrere Personen im Haus, von denen glücklicherweise niemand verletzt wurde.
Dieser Angriff bildet den vorläufigen Höhepunkt einer Serie von Anschlägen auf das Hausprojekt und die alternative Begegnungsstätte „Zelle79“. Innerhalb eines Monats war das Hausprojekt mehrmals das Ziel rechter Anschläge: es kam zur Beschädigung der Eingangstür und zur Beschmutzung der Fassade durch einen Farbbeutelangriff. Im unmittelbaren Umfeld des Projektes wurden rechte Schmierereien beobachtet, wie „Cottbus bleibt braun“ in der Nähe des Bahnübergangs Parzellenstraße/Lobedanstraße. Blieb es bei vorherigen Angriffen auf das Hausprojekt hauptsächlich bei Sachbeschädigung, nimmt der aktuelle Vorfall eine höhere Gewaltintensität an. Menschen sollten gezielt bedroht und eingeschüchtert werden. Eine körperliche Verletzung der Menschen wurde dabei billigend in Kauf genommen. Das Vorgehen lässt vermuten, dass organisierte Strukturen hinter den Angriffen stecken.
Der Verein für ein multikulturelles Europa e. V. war schon oft Zielscheibe rechter Übergriffe, da er sich für eine solidarische und weltoffene Gesellschaft engagiert. Er stellt einen wichtigen Ort in der alternativen Jugendarbeit in Cottbus dar. Hier können sich Menschen unabhängig von sozialen und kulturellen Milieus vernetzen, bilden und in das Vereinsleben einbringen.
Wir lassen uns von diesen Geschehnissen keineswegs einschüchtern. Im Gegenteil, wir fühlen uns in der Bedeutung unserer Arbeit bestärkt. Cottbus darf nicht zu einem braunen Ort verkommen. Die Aktivität des Vereins wird mit umso größerer Vehemenz fortgesetzt, um rechtem Gedankengut eine klare Absage zu erteilen.