Wir sind traurig und zornig, weil vier Kinder und Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren
abgeschoben wurden, die wir kennenlernen durften, mit denen wir zusammen spielten,
sangen und herzlich lachten, mit denen wir im April einen „echt coolen“ Ausflug in den
Wildpark Schorfheide machten (s. Fotos unten). Von ihnen hörten wir immer wieder, wie froh
sie waren, dass sich Menschen aus Wandlitz und Umgebung für die Flüchtlinge interessieren,
aber auch wie traurig sie waren, dass sie nicht regulär eine Schule besuchen konnten und
dadurch nicht so rasch deutsch lernten. Sie wurden vertröstet mit der „kurzen Übergangszeit,
bis Sie eine Wohnung bekommen und dann Ihre Kinder eingeschult werden“…
Nach einem halben Jahr in Wandlitz mussten sie sich am 15.07.2013 um 5.00 Uhr im
Übergangswohnheim bereit halten. Die Ausländerbehörde des Landkreises Barnim hatte die
Eltern mit einer schriftlichen Belehrung, die sie zu unterzeichnen hatten, informiert, dass sie
dann abgeholt und zum Flughafen Berlin-Tegel gefahren werden. Weiter hieß es:
„Für den Fall, dass Sie zum genannten Termin nicht in Wandlitz sind, kann angenommen
werden, dass Sie sich der Ausreise entziehen wollen.
Ich wurde heute darüber informiert, dass in diesem Fall die jeweilige zuständige
Ausländerbehörde die Haft zur Sicherung der Abschiebung beantragen wird.
Über die Mitnahme von 31 kg Reisegepäck (23 kg Gepäck und 8 kg Handgepäck) wurde ich
gleichfalls belehrt.“ (fett gedruckt im Original)
Die mitleidslose Amtssprache und die nur noch vage Hoffnung auf Erfolg der anwaltlichen
Schreiben und Petitionen bewirkte letztlich ein lähmendes Gefühl von Bedrohung durch eine
für die Betroffenen unfassbare gesetzliche Macht.
Keine Rolle spielten im konkreten „Fall“ bei dieser Aufforderung solche Kleinigkeiten wie die
Fluchtursachen, die mögliche Bedrohung in Polen und in Russland, der 40. Geburtstag des
Vaters am Tag vor der Abschiebung, diverse Vorerkrankungen und eine dringend notwenige
Operation der Mutter in der Woche davor, sie wurde erst am 12.07. aus dem Krankenhaus
entlassen.
So wundert es auch nicht, wenn die erneute Erkrankung der Mutter, die einen weiteren
Aufenthalt im Krankenhaus notwendig machte, wenn die verzweifelte Intervention des Vaters
und das Weinen der Kinder bei der Abholung in Wandlitz, auf der Fahrt nach Berlin, auf dem
Flughafen Tegel und beim Einchecken („Wir wollen nicht ohne unsere Mutter fliegen!“)
ignoriert wurden.
„Es hat alles seine Richtigkeit, wenn deutsche Gesetze angewandt und umgesetzt werden“,
wird die innere Rechtfertigung der vollziehenden Bediensteten sein. Aber wie immer gab es
auch hier einen Spielraum, ein Ermessen, das den Abbruch der Abschiebung wegen der
drohenden Trennung der Familie erfordert und gerechtfertigt hätte. Um weiteren seelischen
Schaden von der Familie abzuwenden, sollte dieser Fehler durch Rückkehr der Familie rasch
geheilt werden. Gesetze und Verordnungen, die solche Maßnahmen wie die durchgeführte
legitimieren, können nicht weiter hingenommen werden. Sie müssen geändert werden!
„Wo du herkommst, ist doch egal, du hast doch sowieso keine Wahl
Du fällst vom Himmel, irgendwann-irgendwo, das nennen die dann Heimat oder so.“ singt Udo
Lindenberg in „Keine Nationen und keine Staaten mehr“
Damit sie nicht als namenlose Objekte der Abschiebung verschwinden, und weil wir wollen,
dass sie hier in Deutschland eine Chance bekommen, zeigen wir sie hier als Menschen, als
Persönlichkeiten die uns fehlen. Wir fordern ihre sofortige Rückkehr in den Barnim!
Traurige und zornige Mitglieder der Verbindungsgruppe Bernau, der Barnimer Kampagne
„Light me Amadeu“ und des Kreisjugendkonvents Barnim, die sich im Rahmen der
evangelischen Jugendarbeit um akzeptierende Kontakte bemühen.
Am 28.07.1993 warfen sie ihn zwischen Strausberg und Petershagen aus der fahrenden S‑Bahn.
René B. war schon vorher für sein gewalttätiges Verhalten bekannt; im Umfeld des S‑Bahnhofs Vorstadt attackierte er gemeinsam mit anderen Neonazis regelmäßig Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten.
Die Angriffe von Rostock-Lichtenhagen ein Jahr zuvor hatten gezeigt, dass Neonazis zusammen mit oder unter dem Applaus der Bevölkerung Gewalt gegen Menschen ausüben können – ungestört von Polizei, als eine Konsequenz des gesellschaftlichen Klimas. Und genau als das sehen sich Neonazis oft: als diejenigen, die den Wunsch einer schweigenden Mehrheit konsequent umsetzen.
Wenn Neonazis morden, trifft es die Opfer, deren Familie und Freunde. Es trifft die, die nicht in das Menschenbild von Neonazis passen. Ein Weltbild, das Menschenleben in wert und unwert einteilt. Wenn Neonazis morden, sind auch die gemeint, die gegen ihre menschenverachtenden Worte und Taten aufstehen.
Wir kannten Hans Georg nicht. Aber wir wollen an ihn erinnern und wir wollen für eine Gesellschaft kämpfen, in der sein Weg ein anderer gewesen wäre; in der er vielleicht noch am Leben wäre.
Deshalb kommt am 28.07.2013 zur Kundgebung um 14 Uhr am Bahnhof Strausberg (Vorstadt).
Aufgrund der Vorkommnisse und Negativberichte der letzten Wochen errichteten am heutigen Dienstag ca. 30 Refugees und Aktivist*Innen ein Informations‑, Kommunikations- und Solidaritätszelt vor dem Eingang der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber*Innen (ZAST) in Eisenhüttenstadt. Politisch motivierte Aufhebung der Gewaltenteilung, Hungerstreik im Abschiebeknast, Abschiebungen, unterlassene ausreichende rechtliche und medizinische Versorgung sowie Suizidversuche sind die Hauptgründe dafür. Wir möchten durch unsere Aktion die unhaltbaren Zustände in Eisenhüttenstadt weiter offenlegen und mit den Flüchtlingen in einen dauerhaften Kontakt treten, um Isolation zu brechen und fehlende unterstützende Infrastruktur auf- und auszubauen. Das Zelt, dass wir direkt vor dem Eingang der ZAST aufgebaut haben, dient als Informations‑, Kommunikations und Vernetzungszentrum, als Zeichen für eine erste Infrastruktur. Wir wollen mit den Flüchtlingen in der ZAST und dem Abschiebeknast in engeren Austausch treten und die Flüchtlinge, die sich seit fünf Tagen im Hungerstreik befinden, in ihren Forderungen weiter unterstützen. Wir fordern von der herrschenden Politik und ihren Behörden, diese legitimen Proteste einschließlich der Kontaktaufnahme und die Unterstützung für die Flüchtlinge zuzulassen. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen! Wir unterstützen folgende Forderungen: — Aufhebung der Haft! — Aufhebung aller Abschiebebescheide! — fairer Zugang zu einem Asylverfahren! — freier Zugang zu externer, unabhängiger medizinischer und psychotraumatischer Versorgung! — freien und kostenlosen Rechtsschutz ermöglichen! — Zugang zu unabhängigen Dolmetscher*Innen! Wir werden uns nicht wie der Leiter Herr Wendorf an Hungerstreiks gewöhnen! Jeder Hungerstreik ist ein Hungerstreik zu viel! Den menschenverachtenden Isolationspraktiken muss ein entschlossenes und solidarisches Zeichen entgegengesetzt werden! Das Abschiebe- und Schweigekartell sowie das intransparente Verschwinden von illegalisierten Menschen muss beendet werden. Wir möchten alle Akteure der Eisenhüttenstädter Abschiebemaschinerie öffentlich unter Druck setzen. Es kann nicht sein, dass Menschen eingesperrt werden, weil sie ihr Grundrecht auf Asyl wahrnehmen. Wir fordern den Stop aller Abschiebungen und die Schließung des Abschiebeknastes in Eisenhüttenstadt! Kommt nach Eisenhüttenstadt und unterstützt den Kampf der preotestierenden Flüchtlinge und ihrer Unterstützer*Innen. Heute findet um 20:00 Uhr in Berlin auf dem refugee-camp am Oranienplatz eine Infoveranstaltung statt. Für morgen ist eine gemeinsame Busanreise um 09:00 Uhr vom Oranienplatz nach Eisenhüttenstadt geplant. Der Zugtreffpunkt für die gemeinsame Anreise ist um 10:00 Uhr am Ostbahnhof! Wir haben vor, vorerst bis Freitag zu bleiben. Außerdem ist für Freitag eine Demonstration ab 14.00 Uhr in Eisenhüttenstadt geplant. Letzte Info: Genadi Kokoladze, der sich im trockenen Hungerstreik befindet, wurde soeben von der Bundespolizei ins Krankenhaus gebracht! Solidarität muss praktisch werden! Asyl ist Menschenrecht!
*Pressemitteilung*vom Netzwerk Lager Eisenhüttenstadt – Netzwerk protestierender Refugees und Unterstützer*Innen aus Berlin und Brandenburg vom *13.07.2013*
+++ Solidarität mit den hungerstreikenden Flüchtlingen in Eisenhüttenstadt! +++ Keine Abschiebehaft für den suizidgefährdeten
Gigi Grigalashvili! +++ Asylantrag von Usman Manir abgelehnt – Widerspruch eingelegt +++
Seit Freitag, dem 12. Juli, befinden sich 11 von momentan 13 inhaftierten Geflüchteten aufgrund der unhaltbaren Zustände im
Abschiebegefängnis von Eisenhüttenstadt im Hungerstreik.
*Folgende Personen beteiligen sich an dem Hungerstreik:*
Genadi Kokoladze – 33 Jahre alt
Giorgi Chechelashvili – 25 Jahre alt
Giorgie Machitidze – 24 Jahre alt
Wachtang Devdariani – 30 Jahre alt
Gotscha Kiknadze – 28 Jahre alt
Ismet Muraci – 20 Jahre alt
Satnam Singh Dhilion – 31 Jahre alt
Usman Manir – 27 Jahre alt
John Etto Adumekweche – 30 Jahre alt
Elina Imakaeva – 25 Jahre alt
Gigi Grigalashvili – 21 Jahre alt
*Ihre Forderungen sind:*
- Aufhebung der Haft!
- Aufhebung aller Abschiebebescheide!
- fairer Zugang zu einem Asylverfahren!
- freier Zugang zu externer, unabhängiger medizinischer und
psychotraumatischer Versorgung!
- freien und kostenlosen Rechtsschutz ermöglichen!
- Zugang zu unabhängigen Dolmetscher*Innen!
Wir unterstützen die hungerstreikenden Flüchtlinge in ihren Forderungen und fordern die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt, das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Eisenhüttenstadt und BOSS — die Betreiberfirma der ZAST und des Abschiebegefängnis, diese zu erfüllen! Die Landesregierung von Brandenburg fordern wir dazu auf, die Forderungen aktiv zu unterstützen und sich nicht auf Nicht-Zuständigkeiten zurückzuziehen! Menschenrechtsverletzungen gehen alle an!
*Keine Abschiebehaft für den suizidgefährdeten Gigi Grigalashvili!*
Wir sind betroffen über einen weiteren Suizidversuch in Eisenhüttenstadt am vergangen Mittwoch. Der 21-Jährige Gigi
Grigalashvili verletzte sich mit einer Rasierklinge mit zahlreichen Schnitten an den Armen und am Bauch. Laut eigener Aussage wurde er danach bei dem Versuch, sich die Halschlagader aufzuschneiden, vom Wachpersonal überwältigt. Gigi schilderte, dass er unter anderem an Klaustrophobie leidet und traumatisiert ist. Während seines Aufenthalts im Abschiebegefängnis hatte er keinen Zugang zu psychotraumatischer Betreuung. Nachdem er zwei Nächte im Krankenhaus verbrachte, wurde Gigi am Freitag in das Abschiebegefängnis zurückgeführt. Laut anwesenden Zeug*Innen war er zu diesem Zeitpunkt immernoch suizidgefährdet und keineswegs hafttauglich. Durch dieses unverantwortliche und intransparente Verhalten spielen die Bundespolizei und die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt mit dem Leben nicht nur dieses suizidgefährdeten Flüchtlings. Der Suizidversuch von Gigi Grigalashvili ist kein Einzelfall, sondern trauriger Alltag. Nicht zuletzt der Suizid von Djamaa Isu am 28. Mai macht deutlich, dass die Zustände in Eisenhüttenstadt Menschen regelmäßig in den Tod treiben kann.
Wir fordern die zuständigen Behörden auf, Gigi in das Krankenhaus zurückzuführen und ihm eine angemessene psychotraumatische Betreuung zuzusichern, sowie einen freien Zugang zu einem Asylverfahren zu ermöglichen!
*Asylantrag von Usman Manir abgelehnt – Widerspruch eingelegt*
Das BAMF hat den am Donnerstag am Verwaltungsgericht Frankfurt(Oder) gestellten Eilantrag zur Aussetzung der Haft abgelehnt. Es wurde Widerspruch eingelegt.
Wir kündigen im Falle der Abschiebung von Usman Manir schon jetzt Proteste an!
vorläufiger Pressekontakt: 01771768633
Kein Mensch ist illegal!
Abschiebung ist Mord!
Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für alle Menschen!
Netzwerk Lager Eisenhüttenstadt – Netzwerk protestierender Refugees und Unterstützer*Innen aus Berlin und Brandenburg — 13.07.2013
INFORIOT — Bei angeblich „120 zahlenden Gästen“ bedankte sich gestern der NPD Kreisverband Havel Nuthe via Pressemitteilung für ihre Anwesenheit auf dem Sommerfest des Regionalverbandes in Rathenow. Ohne vorherige Ankündigung in der Öffentlichkeit veranstaltete die Partei am vergangenen Samstag die Feierlichkeit auf dem Gelände einer verbotenen Kameradschaft.
Gemäß Pressemitteilung wurde mehrere Redebeiträge gehalten, Aktivisten ausgezeichnet, neue Mitglieder aufgenommen und Gelder, angeblich für die „Geschädigten der Hochwasserflut“, wahrscheinlich aber eher für die Verbandskasse, gesammelt. Von der Straße aus war ein NPD Schirm zu erkennen. Ansonsten war das Festgelände, bis auf den Einlassbereich, vor neugierigen Blicken der Öffentlichkeit geschützt.
Ob tatsächlich 120 Gäste das Fest frequentierten bleibt unklar, Augenzeugen sprechen von ungefähr 40 Personen. Auf Fotos sind hingegen weniger als 10 zu sehen.
Lokale NPD Funktionäre überregional höchstaktiv
Dennoch ist die NPD im Raum Rathenow nicht zu unterschätzen. Hier ist ein Großteil der Aktivist_innen des Kreisverbandes Havel Nuthe, einer der größten Parteiuntergliederungen im Land Brandenburg, beheimatet. Auch Michel Müller, regionaler Sektionsleiter und Mitglied des NPD Landesverbandes wohnt hier. Er eröffnete, laut Pressemitteilung, das Sommerfest am vergangenen Samstag. Zuvor führte Müller an diversen Wochenenden im März, April und Mai 2013 mehrere Parteikundgebungen in den Stadt- und Landkreisen Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Havelland, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz durch, bei denen inhaltlich vor allem gegen Asylbewerber_innen gehetzt wurde.
Zudem bereiten sich offenbar mehrere Mitglieder des NPD Kreisverbandes Havel-Nuthe in Schulungsveranstaltungen auf künftig angestrebte Mandate in Kreis- und Gemeindeparlamente vor, um Einfluss in der Kommunalpolitik der Region zu erhalten.
„Laut und Bunt“ gegen Nazis
Obwohl gegen das NPD Sommerfest kaum Proteste möglich waren, engagieren sich mehrere Jugendliche bereits seit einigen Jahren gegen die zunehmende Einflussnahmeversuche durch Neonazis in Rathenow und Umgebung. Sie hatten deswegen u.a. 2008 das „Laut und Bunt“ — Festival ins Leben gerufen. Auch in diesem Jahr findet diese – für Interessierte kostenlose – Veranstaltung statt. Am kommenden Samstag, den 13. Juli 2013, stehen ab 16.00 Uhr im Rathenower Optikpark, Am Schwedendamm, wieder mehrere unterschiedliche Live-Acts laut und bunt auf der Bühne. Nähere Infos zum Festival gibt es hier.
Seit einigen Monaten schon stehen die ZAST (Zentrale Erstaufnahmestelle) und die Abschiebepraktiken der Eisenhüttenstädter Behörden in der Kritik. Nun offenbarte eine ARD-Reportage weitere Methoden des institutionellen Rassismus in der Oderstadt. Die Richterin Heidemarie Petzoldt verurteilt Geflüchtete nach eindeutig rassistischen Argumentationsmustern. So bezeichnete sie angeklagte Asylsuchende u.a. als “Asyltouristen” und als ein “Heer der Illegalen”.
Doch auch die antirassitischen Proteste gegen die Zustände in Eisenhüttenstadt lassen nicht ab. Nach der Demonstration Anfang Juni, bei der aufgrund der unhaltbaren Zustände in der ZAST und des Suizids von Djamaa Isu 250 Menschen protestierten, solidarisierten sich am Montag Antira-Aktivist*Innen vor dem Amtsgericht mit dem von Abschiebung bedrohten Usman Manir. Auch innerhalb des isolierten Areals in der Poststraße regt sich weiter Widerstand. Drei in Abschiebehaft befindliche Asylsuchende aus Georgien befanden sich vergangene Woche für fünf Tage im Hungerstreik.
“Justiz Gnadenlos”
Unter diesem Titel veröffentlichte am 02. Juli das ARD Politmagazin “Report Mainz” einen sieben minütigen Beitrag über die rassistischen Urteile der am Amtsgericht Eisenhüttenstadt tätigen Richterin Heidemarie Petzoldt. Geflüchteten werde systematisch und in ausfallender Art und Weise ihr Grundrecht auf Asyl abgesprochen. Teilweise werden angeklagte Flüchtlinge innerhalb von zehn Minuten verurteilt. Weiter unterstellt sie Asylsuchenden, dass “deren Lebensunterhalt in der Regel durch Straftaten verdient wird.[…] meist Schwarzarbeit”. Der Flüchtlingsrat Brandenburg spricht von “rassistischen Entgleisungen” und fordert Aufklärung. Weder Sprecher des Amtsgerichts, noch das Justizministerium in Potsdam wollten sich zu den Vorfällen äußern. Mitterweile beschäftigt sich jedoch die Staatsanwaltschaft Frankfurt(Oder) mit den umstrittenen Urteilen und der Art der Rechtssprechung. Auch der Republikanische Anwältinnen und Anwaltsverein und der Rechtsanwalt Volker Gerloff kritisieren die Vorgänge am Amtsgericht und bezeichnen die rassistischen Urteilsbegründungen “als eine Art richterlichen nationalen Widerstand”.
Verhandlung vor dem Amtsgericht am Montag
Am vergangenen Montag versammelten sich um 8:30 Uhr zehn Unterstützer*Innen des von Abschiebung bedrohten Usman Manir vor dem Amtsgericht in Eisenhüttenstadt. In einer nicht-öffentlichen Verhandlung sollte entschieden werden, ob die derzeitige Haft verlängert und eine Abschiebung am 18. Juli durchgeführt werden kann. Zwar war bei dieser Verhandlung Heidemarie Petzoldt nicht verantwortlich, doch tat sich die Justiz in Eisenhüttenstadt durch einen eindeutigen Rechtsbruch hervor. So wurde der Rechtsanwalt des Betroffenen nicht über die anstehende Verhandlung vom Amtsgericht informiert, erfuhr durch Zufall einen Tag vorher von der Verhandlung.
Usman Manir floh über Ungarn nach Deutschland. Er war dort Opfer eines höchstwahrscheinlich von Neonazis verübtem Übergriffs. Er erlitt dabei einen Schädelbasisbruch. Seit dem leidet er unter teilweisem Gehörverlust, Panikattacken und Schlafstörungen. Mehr als 50 Tage lang befand sich der 27-jährige in Abschiebehaft, ohne die Chance einen Asylantrag stellen zu können und ohne Zugang zu psychologischer Betreuung und ausreichender medizinischer Versorgung. Die geplante Abschiebung am 20. Juni am Flughafen Berlin-Tegel konnte durch die Unterstützung von Antira-Aktivist*Innen und eines couragierten Flugpassagiers verhindert werden. Danach wurde eine Online-Petition initiiert, die mittlerweile von mehr als 1600 Menschen unterschrieben wurde. Nach Übergabe der Petition an das Bundesinnenministerium am vergangenen Donnerstag wurde ihm die Überstellung von Antragspapieren und die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung zugesichert. Trotz der Zusagen strengten die Behörden ein erneutes Verfahren gegen ihn an, ohne dass er vorher einen Asylantrag stellen konnte. Die Verhandlung am Montag ergab, dass die Haft bis zum 17. Juli verlängert wurde. Ein neuer Abschiebetermin wurde jedoch nicht festgelegt. Eins haben die Proteste bisher trotzdem erreicht: ein unabhängiger Arzt hatte am Montag die Möglichkeit Usman Manir im Abschiebeknast zu untersuchen.
Die Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt geriet Anfang Juni in die Kritik, weil sich der 20-jährige, aus dem Tschad geflüchtete, Djamaa Isu das Leben nahm. Auch er hat keinen Zugang zu psychologischer Betreuung erhalten.
Besuch unerwünscht
Nach der Verhandlung am Amtsgericht wollten die Aktivist*Innen auf das Gelände der ZAST, um sich mit Bewohner*Innen auszutauschen. Dies wurde jedoch durch den zuständigen Leiter der Einrichtung, Norbert Wendorf, behindert. Ohne konkrete Begründung verwehrte er den zehn Personen den Zugang zum Gelände, auf Nachfrage begründete er seine Entscheidung mit der Aussage: “Ich bin hier der Hausherr!”. Nach einer halbstündigen Diskussion ließ er die Gruppe jedoch hinein.
Drei georgische Flüchtlinge befanden sich vergangene Woche für fünf Tage im Hungerstreik. Ein Grund dafür war unter anderem die nicht-Zustellung von benötigten Bescheiden durch die Ausländerbehörde. Sie befinden sich weiterhin in Abschiebehaft.
Update: Seit Mittwoch steht eine längere und umfangreichere Version des “Report Mainz”- Bericht zur Verfügung
Antifaschistische Proteste vermasselten die Tour durch insgesamt 5 Städte. Von den angekündigten 50 Teilnehmer_Innen, nahmen bei keiner der Kundgebungen mehr als die üblichen bekannten 15 Neonazis teil.
Am Samstag, den 15. Juni 2013, sollten kurzfristig NPD-Kundgebungen an zwei Standorten in Cottbus und an einem in Forst (Lausitz) stattfinden. In Cottbus versammelten sich 30 Antifaschist_Innen vor einer Nazifreien-Stadthalle. Die NPD wurde durch eine Doppelbelegung des Platzes spontan an den Rand der Stadt verbannt. Im Stadtteil Schmellwitz bekam die Kundgebung wenig Aufmerksamkeit und wurde von den Einwohnern kaum wahrgenommen. So standen sich die wenigen Neonazis eineinhalb Stunden die Beine in den Bauch.
Ernüchternd erreichte der NPD-Konvoi unter Polizeischutz später die zweite Station in Cottbus, jedoch nicht wie erwartet den Gelsenkirchner Platz, sondern einen weniger attraktiven Parkplatz in der Nähe. Auch dort versammelten sich mit Transparenten und Fahnen mehr als 20 Protestierende und tröteten ununterbrochen die rassistischen Reden von NPD-Funktionären Ronny Zasowk und Klaus Beier nieder. Deutlich desillusioniert machten sich die Neonazis nach einer Stunde Versteckspiel zwischen den geparkten Autos auf den Weg nach Forst.
Es bleibt dabei – Kein Heimspiel für Nazis in Forst
Schon vor der Ankunft der Neonazis erwarteten sie auf einer Gegenkundgebung mehr als 60 Antifaschist_Innen auf dem Berliner Platz. Nachdem sich die NPD auf engem Platz postiert hat, wurden sie schon von beiden Seiten zwischen den Gebäuden eingekesselt. Über eineinhalb Stunden hinweg wurde den Neonazis jegliche Präsenz genommen und die Reden übertönt. So wurden deprimierte Neonazis im Verlauf aggressiv, es kam vereinzelt zu Rangeleien und Flaschenwürfen und sie beendeten die Veranstaltung.
Small cities, nice action – NPD-Kundgebungen verhindert und massiv gestört
Eine Woche später versuchte die NPD einen zweiten Anlauf um die „NPD-Flagschiff-Tour“ zum Erfolg zu bringen. Am 22. Juni meldeten diese für die Städte Elsterwerda, Lauchhammer und Sedlitz Kundgebungen an. Nachdem sie im bescheidenen Elsterwerda noch störungsfrei Transparente halten konnten, mussten die Neonazis ihre Kundgebung in Lauchhammer aufgrund heftiger Proteste abbrechen, bevor sie überhaupt anfangen konnten. Ca. 80 Antifaschist_Innen besetzten den Platz und machten somit die NPD-Veranstaltung unmöglich. Am dritten Ort, in Sedlitz, wollte die NPD anfangs ihre Kundgebung vor einem Geflüchteten-Heim abhalten, was jedoch seitens der Stadt nicht genehmigt wurde. So standen Neonazis auch hier am Stadtrand vielen Protestierenden gegenüber, die NPD-Aufführung wurde erneut zu einem Desaster.
Am 2. Juli mussten wir feststellen, dass die Gedenkkränze, welche anlässlich des 21. Todestages von Emil Wendland niedergelegt wurden, geschändet worden sind. Erst einen Tag zuvor hatten etwa 40 Menschen – in der Mehrheit Jugendliche aus Neuruppin und Brandenburg/Havel – der Ermordung Wendlands durch eine Gruppe Neonazis im Neuruppiner Rosengarten gedacht.
Wendland war 1992 aufgrund seines sozialen Status von den Faschisten als “unwert” entmenschlicht, zusammengeschlagen und schließlich erstochen worden.
Die Täter der Kranzschändung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit im rechten Spektrum der Stadt zu finden. Für uns ist dieser Vorfall ein erneuter Angriff auf antifaschistische Gedenkkultur in der Region mit dem Ziel die Opfer rechter Gewalt weiter zu verhöhnen und Antifaschist_Innen einzuschüchtern. Wir werden die Schändung von Orten der Erinnerungskultur nicht hinnehmen – weder in Neuruppin, noch in Wittstock, wo vor kurzem das dortige OdF-Denkmal wiederholt beschmiert wurde.
INFORIOT Etwa 70 Unterstützer_innen und Sympathisant_innen hatten sich am sonnigen Dienstagmorgen vor dem Amtsgericht Potsdam versammelt. Sie bekundeten ihre Solidarität mit den Beschuldigten eines gleichzeitig stattfindenen Prozesses: Gegen 15 Personen wurde wegen der Stiftstraßen-Besetzung 2011 verhandelt. Draußen gab es Kaffee, Kuchen und gute Laune — trotz des großen Polizeiaufgebots. In drei Gruppen sollten sich die Beschuldigten in einem übervollen Gerichtssaal dem Vorwurf des Hausfriedensbruch stellen.
2011: “Eigennutzungsbedarf” für Haus behauptet, dann folgte der Verkauf
Hintergrund war die Besetzung und die kurz darauf folgende Räumung eines Hauses im Dezember 2011.Nur kurze Zeit später wurde die Immobilie durch die Eigentümerin Lafim (“Landesausschuss für innere Mission”) gewinnbringend verkauft, obwohl als ein Grund für die Räumung, ein Eigenutzungsbedarf, angegeben worden war. Die Lafim, die sich in der Öffentlichkeit gern als “sozial engagiert” darstellt, hatte Anzeige erstattet, um die im Haus Angetroffenen zu kriminalisieren. Im Prozess erklärten die Angeklagten, sie sähen eine Hausbesetzung nicht als Straftat an, sondern lediglich als ein bewusstes Überschreiten von gesetzten Grenzen.
Die Stadtpolitik Potsdams zog und zieht sich aus der Affäre: Man sei einflusslos. Gleichzeitig wurden jedoch auch keine Lösungsansätze vorgelegt oder Raum für alternative Wohn- und Lebensentwürfe geschaffen.
Verfahren wegen Formfehlern eingestellt
Der heutige Prozesstag endete mit einer Einstellung aufgrund von Formfehlern, die bei der Strafantragstellung seitens der Lafim gemacht worden waren.
Wie schon vor zwei Jahren prangerte der Themenkomplex „Stiftstraße“ die Mietenpolitik der Stadt an und zeigte, dass sich Opposition regt und dass sozialer Druck nicht durch Leugnen der Probleme gelöst werden kann.
Beschuldigte: “Wir lassen uns unser Engagement nicht nehmen!”
Dazu aus einer Erklärung der Betroffenen: „Nicht die Außenseiter_innen, die mit solchen Aktionen in der Öffentlichkeit auftreten sind eine Gefahr für die Menschenrechte. Sondern ein starker und autoritärer Staat mit einer ‘law-and-order’ Ideologie, welcher so weit rechts steht, dass Rechtsterrorist_innen über viele Jahre hinweg geschützt und gefördert werden, ist eine der größten Gefahren. […] Wir lassen uns unser Engagement nicht nehmen und erklären unsere Solidarität mit allen besetzten Häusern und den Hausbesetzungen, die noch kommen mögen, den Kämpfen von Mieter_innengemeinschaften und den Menschen, die durch ein Aufzeigen von Missständen eine Veränderung der herrschenden Verhältnisse herbeiführen wollen.“
Unter dem Motto: „ Niemand ist vergessen!“ erinnerten gestern Abend in Neuruppin ungefähr 40 Menschen, darunter viele Mitglieder und Freunde des JWP Mittendrin e.V. sowie des Aktionsbündnisses „Neuruppin bleibt bunt“, an den Tod von Emil Wendland. Der Obdachlose wurde am 1. Juli 1992 in einer Grünfläche am alten Gymnasium von mehreren Neonazis angegriffen, misshandelt und erstochen.
Gegen das Vergessen
In einem ersten Redebeitrag von zwei Vertreterinnen des JWP Mittendrin e.V. wurde versucht sich der Person Emil Wendland anzunähern und die letzten Stunden seines Lebens zu rekonstruieren. Doch die Erinnerung an ihm ist nur in Fragmenten erhalten, selbst sein Tod scheint nicht abschließend aufgeklärt zu sein. Lediglich zwei, der bis zu sieben Täter, wurden wegen „Totschlag“ oder „gefährlicher Körperverletzung“ verurteilt, so die Vertreterinnen des JWP Mittendrin.
Dennoch will sich der Verein nicht mit der Erinnerungslücke zu diesem düsteren Kapitel der Neuruppiner Stadtgeschichte abfinden. Zwar wurde die Forderung nach Umbenennung einer Straße zum Gedenken an Emil Wendland von der Stadt abgelehnt, im letzten Jahr jedoch auf Betreiben des JWP Mittendrin eine Gedenktafel am Tatort errichtet. Auf ihr ist übrigens auch vermerkt, dass Neonazis für den Tod des Obdachlosen verantwortlich waren. Ein wichtiges Detail, denn Emil Wendland wird von den Behörden nicht als „Opfer rechter Gewalt“ anerkannt. Entsprechend forderten die beiden Vertreterinnen des JWP Mittendrin wiederholt die Aufnahme in die entsprechenden Statistiken und somit ein Ende der Bagatellisierung der Tat.
Kein Einzelfall
Denn die Tötungen von Obdachlosen sind keine dramatischen Einzelfälle, wie ein Vertreter der Antifa Westbrandenburg in einem weiteren Redebeitrag darlegte. Neun wohnungslose Menschen wurden allein im Land Brandenburg aus sozialdarwinistischer Motivation umgebracht. In der öffentlichen Erinnerungskultur erfährt dies jedoch kaum Beachtung, so der Antifa-Vertreter weiter, denn „im Gegensatz zu Opfern, welche aus rassistischen oder politischen Motiven ermordet wurden, haben sie keine Community“. Um so wichtiger erscheint auch die in diesem Redebeitrag geforderte Anerkennung Emil Wendlands als „Opfer neonazistischer Gewalt“. Staat, Politik und Behörden sollen sich nicht mehr vor ihrer Verantwortung im Umgang mit dem Neonazismus drücken können, so der Vertreter der Antifa Westbrandenburg. Und den Mördern soll nicht der Erfolg gegönnt sein, eine Existenz spurlos vernichtet zu haben.
Kranzniederlegungen als Zeichen der Erinnerung
Anschließend wurden zwei Kränze zur Erinnerung an den gewaltsamen Tod von Emil Wendland neben der Gedenktafel niederlegt und nach einer Schweigeminute die Kundgebung beendet.
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