‑Die Schutzzonen-Aktion der NPD-
Die NPD kündigte bereits in einem Video, welches bei ihrer Kundgebung auf dem Bad Belziger Marktplatz in diesem Sommer unter dem Motto “Wir schaffen Schutzzonen” gedreht wurde, ihre Pläne für ganz Deutschland an. Auf dem YouTube-Account des stellvertretenden NPD-Parteivorsitzenden Ronny Zasowk, heißt es dazu: „Auf einer Kundgebung im brandenburgischen Bad Belzig haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir Bürger das Recht haben, uns selbst zu schützen, wenn der Staat dazu nicht mehr Willens oder in der Lage ist. Wir rufen alle Deutschen dazu auf, in ihrer Heimat Schutzzonen einzurichten, mit denen unseren Landsleuten wieder mehr Sicherheit geboten wird.” (https://www.youtube.com/watch?v=OkJgb4_1ZwI)
Ausrüstung und Infomaterialien verteilten sie schon länger bei Kundgebungen und Infoständen an die eigene Anhängerschaft. Dazu zählte nicht nur ein Taschenalarm sondern auch Pfeffersprays für die “Kameraden”. Laut der NPD-nahen Facebookseite “Schutzzone” wurde am 30. Oktober die “Schutzzonen-Gruppe” in Bad Belzig eingerichtet. “Nun wird in Bad Belzig für Ordnung gesorgt” heißt es dort. Auf Facebook berichten Anwohner darüber, die Gruppe schon häufiger gesehen zu haben. Scheinbar klingelten sie sogar an Wohnungen.
‑Sie machen ernst, wenn man ihnen Raum lässt!-
„Die Fallzahlen in der Kriminalitätsstatistik sinken – in Bad Belzig und Umgebung wie auch bundesweit“, erklärte Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) bereits in diesem Jahr gegenüber der MAZ. Dennoch versucht die NPD dieser Tage, anderen rechten Parteien in nichts nach zu stehen. Angst schüren vor vermeintlichen Übergriffen und bewusste Grenzüberschreitung wider jeglicher Realität in unserer Stadt gehört auch hier zum Repertoire. Für uns ist diese Grenzüberschreitung aber auch symptomatisch für die Akzeptanz, die die NPD mittlerweile nicht zuletzt auch in der SVV genießt. Die NPD scheint für einige Abgeordnete ein akzeptabler Partner auf kommunaler Ebene geworden zu sein: Fußballturniere oder Genehmigungen für das (nicht korrekte) Entfernen von vermeintlich linksextremen Graffiti. Herr Schär bekommt den Spielraum und nutzt diesen im Internet wo er sich als engagierter Bürger darstellen kann. Im rechtsextremen Wahn ist der Weg selbst die Rolle des Ordnungshüters zu übernehmen da nicht mehr weit.
‑Klare Kante gegen Bürgerwehr und NPD-
In Anbetracht der unzähligen Übergriffe auf unser Infocafé “Der Winkel” in den letzten Jahren kann man sich nur Schutz vor dieser “Schutzzone” wünschen. Auch bleibt grundsätzlich festzuhalten, dass in diesem Land die Polizei für Recht und Ordnung auf der Straße sorgt und eben zurecht keine Privatpersonen ohne jegliche Rechtskenntnis und Befugnisse.
Wir fordern den Stadtverordneten Herrn Andre Schär (NPD) auf, diese Aktivitäten, die in keinem demokratischem Rahmen vertretbar sind, einzustellen sowie alle weiteren Stadtverordneten und den Bürgermeister sich klar gegen derartige Willensbekundungen zur Selbstjustiz zu positionieren!
Nicht zuletzt ist der Schaden, der für Bad Belzig und die Region aus solchen Aktionen entsteht, nicht absehbar. Welcher Tourist hat schon Lust nach einem Besuch der Burg oder der Therme einer selbsternannten rechtsextremen Bürgerwehr in die Arme zu laufen. Auch zeigen sich viele Bürgerinnen und Bürger in den sozialen Netzwerken ängstlich und besorgt. Wir befinden uns im Jahr 2018 und nicht 1933. Es ist höchste Zeit, sich der von der NPD ausgehenden Gefahr u.A. für das Bild Bad Belzigs bewusst zu werden! Das bedeutet nicht nur diese Entwicklung nicht zu normalisieren, sondern auch klar Stellung zu beziehen und Rechtsextremen keine Freiräume zu bieten.
Belziger Forum e.V. gegen Rechtsextremismus und Gewalt
Die planmäßig letzte Versammlung der extrem rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ im Jahr 2018 fand am Montagabend auf dem Rathenower August Bebel Platz unter dem Zeichen der so genannten Gelbwesten-Bewegung statt. Die zur Spitzenzeit 15, an der angemeldeten Kundgebung teilnehmenden Vereinsmitglieder sowie Sympathisierende aus Rathenow, Premnitz, Brandenburg an der Havel und Berlin wollten damit offenbar ihre Verbundenheit mit Protestierenden in Frankreich demonstrieren. Dort führte die Entscheidung der französischen Regierung die Spritpreise vorgeblich zu Gunsten der Umwelt zu erhöhen zu teilweise heftigen, aber – auf das Land bezogen – durchaus typischen Protesten aller politischen Lager.
In der Bundesrepublik erfahren die Aktionen der „Gelbwesten“ allerdings bisher fast ausschließlich bei extrem rechten Gruppen aus dem PEGIDA-Spektrum einen Widerhall. Erst am vergangenen Samstag zeigten sich beispielsweise in Berlin mehrere Teilnehmende eines Marsches der flüchtlingsfeindlichen Initiative „Zukunft Heimat“ in gelben Warnwesten. Andere PEGIDA-ähnliche Gruppen, wie zB eine Initiative aus Mönchengladbach, versuchten in kleiner Anzahl durch das kontinuierliche Überqueren von Zebrastreifen – erfolglos und begleitet von großem Spott in den sozialen Medien – den Verkehr lahm zu legen.
In Rathenow blieb es am Montagabend, ähnlich wie in Berlin, lediglich bei einem symbolischen Zeigen von gelben Warnwesten mit der Aufschrift: „Bürgerbündnis Havelland“. Dennoch ließ der Vorsitzende des offiziell „gewaltfreien“ Vereines, Christian Kaiser, durchblicken, dass er durchaus Sympathie mit diesen – aus seiner Sicht – „antikapitalistischen“ Protesten habe, auch wenn dabei eben auch Autos angezündet werden. Denn Schuld seien ja angeblich die Politiker, welche das Volk zur „Weißglut“ brächten. Ähnliche Protestformen von autonomen Gruppen, beispielsweise anlässlich des G20-Gipfels im vergangenen Jahr in Hamburg, wurden vom „Bürgerbündnis“ hingegen damals verurteilt und sich mit der Polizei solidarisiert. Die Realität wird eben so hingebogen wie sie für die Propaganda erforderlich ist.
Der gleiche Widersinn trifft für die Attribute „unabhängig“ und „parteilos“ zu, welche noch immer groß auf dem Gruppenbanner prangen. Denn der Vorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland“ ist seit jüngstem auch Landesvorsitzender der extrem rechten Partei „ Die REPUBLIKANER“ (REP). Dazu wurde ihm gestern auch offiziell von einem seiner Getreuen auf der Kundgebung gratuliert.
Allerdings bleibt unklar, ob tatsächlich alle Vasallen des Kaisers Engagement für die REPs gut heißen. Ein erheblicher Teil des „Bürgerbündnisses“ ist nämlich regelmäßiger Gast bei den AfD Stammtischen in Rathenow. Konflikte im eigenen Milieu sind somit vorprogrammiert, insbesondere wenn der Kaiser – wie gestern wieder – über die blaue Partei lästert.
Ansonsten blieb die gestrige Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ im üblichen Niveau. Die üblichen Gestalten versuchten auf die für sie typischen Art und Weise, ihr immer gleiches Anliegen und ihren schwierigen Kampf mit sich selbst den genervten Passanten und Anwohnenden näher zu bringen. Zu den vier Redenden am Montagabend gehörten, neben dem bereits erwähnten Kaiser aus Rathenow-West mit seinem gewohnt ambivalentem Verhältnis zur deutschen Sprache, auch wieder die verbittert, von Hass zerfressen wirkende Frau aus Berlin, der Chemtrail-Spezialist aus der Waldsiedlung sowie der trockene (?) Alkoholiker mit seinem wirren Träumen.
Die Veranstaltungsreihe soll im Januar 2019 fortgesetzt werden.
Fotos hier: https://flic.kr/s/aHsmuFNnqg
Rund um den 25.11. – dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen – fanden auch im Raum Cottbus verschiedene Aktionen statt. So trafen sich am Sonntag Frauen im QuasiMono zu einem gemeinsamen Workshop unter dem Titel „Raus aus der Stille – Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“. Es wurde inhaltlich über verschiedene Formen von Gewalt diskutiert und die Machtfunktion, die Gewalt häufig als Ziel hat, thematisiert. Der Standpunkt, dass Gewalt keine objektiv beschreibbare Variable ist, sondern viel mehr die individuelle Empfindung einer Grenzüberschreitung, wurde diskutiert und vertreten.
Im Anschluss konnten die individuellen Erfahrungen der anwesenden Frauen durch kreatives Schreiben aufgearbeitet und mit stärkenden Sätzen veröffentlicht werden. So sagte die Teilnehmerin Anne Kalinske: „Die Erkenntnis, dass auch ich in vielen Situationen stark und kämpferisch handele, hat mir viel Kraft gegeben.“ Jennifer Weber vom Organisationskreis Frauenkollektiv ergänzte: „Frauen zu bestärken und einander zu empowern – das ist für uns das zentrale Element an diesem Tag. Wir wollen das Spiel Gewalt zu verschweigen nicht mitspielen und haben daher gezielt das Motto ‚Raus aus der Stille‘ gewählt, um zu zeigen, sobald wir Gewalt thematisieren und uns untereinander verbinden, kann ihr diese Wirkmächtigkeit genommen werden.“. Und gerade diese Thematisierung von Gewalt und die Solidarität der Frauen stand bei den Teilnehmerinnen im Vordergrund und so wurden die Ergebnisse und Heldinnen-Sätze der Frauen verschriftlicht und in die Öffentlichkeit getragen. Sätze wie „Ich bin stark, weil ich für mich gekämpft habe und gesagt habe: ‚Ich will das nicht‘.“ oder auch „Ich bin eine Heldin, weil ich mir meine Würde zurück geholt habe.“ wurden gemeinschaftlich auf große Plakatpappen geschrieben und somit sichtbar gemacht. „Wir betrachten den Workshop als sehr gelungen und bekamen von einigen Teilnehmerinnen, die Rückmeldung, Denkprozesse noch einmal von einer neuen Perspektive angestoßen zu haben und gestärkt aus unserer Veranstaltung raus zu gehen.“ sagte Jennifer Weber vom Frauenkollektiv abschließend.
Anm. d. R.: Es wird ebenfalls eine Gegendemo unter dem Motto “Es gibt kein ruhiges Hinterland!” geben. Treffpunkt ist 16:30 Uhr am Berliner Tor.
Am Montag, 3.12. von 17:00 bis 20:00 wollen Nazis unter dem Motto “Asylpolitik, Migrationspakt, Systemterror stoppen” durch Templin laufen. Der Anmelder der Demo kommt vom 3. Weg aus Angermünde. Es ist unklar wie groß das Mobilisierungspotenzial ist.
Es ist eine Gegenkundgebung ab 17 Uhr auf dem Templiner Marktplatz angemeldet, organisiert durch das bunte Bündnis Templin. Die Gegenkundgebung ist angelehnt an die Aktionsform in Wunsiedel: Es handelt sich um einen unfreiwilligen Spendenlauf, es werden im Vorfeld Spenden gesammelt, die für jeden Meter der Demoroute der Nazis an soziale Projekte gespendet werden, die den Demoteilnehmern nicht gefallen werden, dieses Mal sind es der Geflüchtetenverein “NeuTempliner e.V.” und die freiwillige Feuerwehr. Blockadeversuche sind von dieser Seite aus nicht geplant. Stattdessen gibt es Musik auf dem Marktplatz.
Die Gegenkundgebung befindet sich auf dem Marktplatz und damit auf der Route der Nazidemo, die von der Sprint-Tankstelle in der Strahl-Goder-Straße, einmal quer durch die Stadt am Marktplatz vorbei bis zur Aral-Tankstelle in der Lychener Straße angemeldet ist.
Wir freuen uns über kreativen, selbstorganisierten Protest auf der Demoroute.
In Brandenburg gibt es bundesweit die meisten Angriffe von Neonazis. In Cottbus sprechen Bürgerinitiativen schon von einer allgegenwärtigen Bedrohung und einem feindseligen Klima. Wie leben Geflüchtete, Linke, Punks und liberale Fußballfans in dieser Stadt?
Zum Nachhören: hier.
Am Montagabend setzte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ ihre regelmäßige Kundgebungsreihe auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Die Veranstaltung wurde im Internet unter dem Motto: „Wir für unser Volk“ beworben und sollte sich gegen den von den Vereinten Nationen angestrebten „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“, umgangssprachlich: „Migrationspakt“ richten. An der Veranstaltung nahmen im Kern 15 Personen aus Rathenow, Premnitz und Berlin teil.
Nach der üblichen Einleitungsprozedur, dem Abspielen der umstrittenen, inoffiziellen Landeshymne „Märkische Heide“, hielt Vereinsvorsitzender Christian Kaiser den ersten Redebeitrag. Dessen Kern beinhaltete allerdings fast nur die Verlesung von Antworten auf eine offizielle Anfrage des Bürgerbündnisses an die Stadtverwaltung Rathenow. Entsprechend ihrer üblichen Meinungskundgaben fragte die flüchtlingsfeindliche Vereinigung vor allem zu Themen wie „Zuwanderung“ und „Asylpolitik“. Insbesondere interessierte die Rassisten, wie viele Menschen „nichtdeutscher Herkunft“ im Stadtgebiet gemeldet seien.
Des Weiteren erkundigte sich das Bürgerbündnis über angeblich „zunehmende Kriminalität“, „Drogenprobleme“ oder aber auch wie die Bedingungen seien, um zur Wahl der Stadtverordneten im Jahr 2019 zu gelassen zu werden. Dabei betonte Kaiser einmal mehr seine Absichten bei der Kommunalwahl anzutreten, um im Stadtparlament aktiv zu werden.
Anschließend setzte eine verbittert und von Hass zerfressen wirkende, ältere Rednerin aus Berlin die Verlesung der Antworten der Rathenower Stadtverwaltung auf die Anfragen des Bürgerbündnisses fort und kommentierte diese in der für sie üblichen, geringschätzenden Art und Weise.
Auch die anderen drei Redner taten sich schwer das Niveau der Veranstaltung zu heben. Einer hatte Probleme einen inhaltlich zusammenfassenden Beitrag über den Besuch der Bundeskanzlerin in Chemnitz (Sachsen) vorzutragen. Ein Anderer sprach von seinen Eindrücken beim Fackelmarsch in Magdeburg sowie der Volksverdummung durch Migration, Chemtrails, Alkohol und Pornos. Und ein weiterer Redner sinnierte über wirre Träume sowie den Sturz der Regierung.
So blieb der „Migrationspakt“ nur der Aufhänger, um die wahnhaften öffentlichen Auftritte des Bürgerbündnisses fortzusetzen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem 32 seitigen Dokument bzw. den darin formulierten Zielen fand nicht statt. Die allgemein gehaltenen, polemischen Statements erweckten den Eindruck, dass sich die Redenden nur oberflächlich mit dem Pakt beschäftigt hatten.
Fotos zur Kundgebung: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157703717882034
Gestern, am 14. November wurde das geplante neue Polizeigesetz für Brandenburg erstmalig im Potsdamer Landtag beraten. Nach dem Willen der Koalition könnte das Gesetz schon im ersten Quartal 2019 beschlossen werden.
Auch die Gegner*innen des neuen Polizeigesetzes haben ihre Arbeit am Mittwoch fortgesetzt. Die Organisator*innen der Großdemonstration am vergangenen Samstag in Potsdam, an der sich 2.300 Personen beteiligt haben, hatten zu weiteren Aktionen in dieser Woche aufgerufen.
Während der Diskussion im Landtag ließen Aktivist*innen ein Transparent mit der Aufschrift „Neues Polizeigesetz stoppen!“ von der Empore. Die Landtagspräsidentin reagierte mit einem Ordnungsruf.
In Cottbus hatte das Bündnis gegen das neue Polizeigesetz in Brandenburg zu einer Kundgebung um 17 Uhr aufgerufen. Die Veranstalter*innen geben die Teilnehmerzahl mit 50 an. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem Gegner des Berliner Polizeigesetzes, Fußballfans, eine Vertreterin des Frauencafé Cottbus und ein Mitglied der Internationalen Jugend.
Saskia Thiele, Sprecherin des Bündnisses in Cottbus, bewertete die Aktion positiv: „Hier ist ein wirklicher Querschnitt unserer Stadt zusammengekommen. Wir haben heute als Schüler*innen, Studierende, Fußballfans, linke Aktivist*innen, Industriearbeiter*innen, Lehrer und Renter*innen gemeinsam lautstark gegen dieses undemokratische Gesetz protestiert. So ein breiter Protest ist gut, denn genauso groß ist die Zahl der potentiellen Betroffenen solch eines Gesetzes. Gerade jetzt müssen wir im Bezug auf den weiteren Gesetzgebungsprozess unseren Widerstand entschlossen fortsetzen.“
Inforiot’s Geburtstags-Rückblick
Diesen Samstag, den 17.11., findet endlich Inforiot’s Geburtstags-Zeckentreff statt. Um 20:00 geht es im Spartacus los. Euch erwarten eine Lesung, Konzerte, im Anschluss Party und natürlich alles, was sonst noch zu einer guten Geburtstagsfeier dazugehört.
Als Einstimmung werden diese Woche Redaktionsmitglieder erzählen, wie sie eigentlich zu Inforiot gekommen sind und was das Projekt für sie bedeutet.
Den Anfang macht Summer.
„Ich komme aus einer Kleinstadt im Speckgürtel von Berlin. Geboren bin ich in einem ganz anderen Land. Wie es zu der Zeit nicht ganz unüblich war, ist der Nachbarsjunge irgendwann ein Nazi geworden. Er fing an meine Familie, die einen eindeutig ausländisch klingenden Namen hat, zu terrorisieren, indem er nächtliche Saufgelage bei sich veranstaltete. So eine Plattenbau-Wand ist dünn. Und so kam es, dass ich regelmäßig unter „Sieg Heil“ und „Ausländer Raus“-Rufen sowie dem Trällern von Landser-Songs mitten in der Nacht geweckt wurde. Die Polizei kam hin und wieder an, nachdem meine Eltern dort ganz entnervt anriefen. Aber sobald die Polente weg war, ging der Psycho-Terror von vorne los. Irgendwann reichte es mir und ich beschloss, selbst dagegen vor zu gehen. Während ich vorgab Hausaufgaben zu machen, suchte ich nach Kontakt zu Gleichgesinnten im Internet, denn meine Mitschüler_innen haben sich einen Dreck für Politik interessiert. Ich stieß dabei auf die Seite „antifa.de“. Die schrieb ich dann an. In ihrer Antwort verwiesen sie mich an die Opferperspektive, die lokale Antifa-Gruppe und eben an Inforiot. Das war der Tag, an dem Inforiot meine Verbindung zu einem gewaltigen Micro-Kosmos wurde, in dem ich mich nicht mehr alleine gefühlt habe. Noch bevor ich die Leute aus der lokale Antifa-Gruppe kennenlernen konnte, machten diese Abitur und verpissten sich nach Berlin. Aber Inforiot blieb und wurde zu meinem täglichen Begleiter. Fünf Jahre nach diesem Erlebnis wurde ich dann gefragt, ob ich Teil der Redaktion werden möchte. Mittlerweile bin ich nun fast sieben Jahre dabei und hoffe all denen, die sich in den Kleinstädten und Dörfern auch so ohnmächtig und allein fühlen, wie ich es einst war, Mut und Hoffnung zu geben.“
Heute erzählt Jess seine Geschichte.
„Als Jugendlicher, in einer kleinen Stadt in Brandenburg, ohne Smartphones, gutes Internet oder einen Raum, in dem man sich hätte treffen können, war es manchmal gar nicht so einfach aufzuwachsen und sich politisch außerhalb von Parteien einzubringen. Die Bedrohung durch Neonazis war regelmäßig gegeben und es war auch keine Seltenheit, dass 20 Neonazis vor der Schule warteten, um links aussehende Jugendliche abzufangen und einzuschüchtern. Oft stand man damit allein da oder hatte das Gefühl, nichts machen zu können, da es an eigenen Erfahrungen mangelte und der Austausch mit älteren Generationen von linken Menschen nicht möglich war.
Da fühlt man sich als linker Jugendlicher schnell sehr allein. Mit dem Fachabitur, welches ich in der nächst größeren Stadt machte, lernte ich zum ersten Mal ein Hausprojekt kennen und weitere Menschen, die den Wunsch nach Räumen ohne Neonazis mit mir teilten. Dort hörte ich auch das erste Mal von Inforiot.
Mit dem Umzug in eine größere Stadt in Brandenburg, ergab sich auch die Möglichkeit, sich mit vielen verschiedenen Themen zu beschäftigen. Zentral dabei war immer die Prävention der extremen Rechten, woraus natürlich auch politische Arbeit resultierte, für die IR nicht wegzudenken war. Einerseits war es sehr bestärkend zu sehen, dass so viel in Brandenburg passiert und nicht nur in Berlin. Wie viele linke Häuser es gibt, wie viele Gruppen, Veranstaltungen oder Bildungswochenenden. Das zu sehen gab auf jeden Fall Kraft.
Nach Jahren der politischen Arbeit in Brandenburg blieb IR immer ein fester und wichtiger Bestandteil für mich und somit war es eine große Freude, dann auch gefragt zu werden und selbst dieses, für mich so wichtige, Projekt unterstützen zu können.“
Kalle:
„Nachdem mir Inforiot von einem guten Freund nahe gelegt wurde, fing ich innerhalb kurzer Zeit an, dort genauso oft nach Neuigkeiten zu suchen wie auf linksunten.indymedia. Für mich, als jugendlichen Antifa, war Inforiot nicht nur ein Anschluss an die “Szene”, die es in der eigenen Stadt nicht gab. Inforiot war auch eine Art riesiger virtueller Bibliothek. Ich habe damals auch oder vor allem tagelang ungeduldig auf den nächsten Rechercheartikel gewartet. Egal ob aus Nord‑, Süd, Ost- oder Westbrandenburg, ich habe alles verschlungen.
Ich finde, dass Inforiot eine extrem wichtige Struktur, auch in social media dominierten Zeiten, ist. Obwohl jüngere Menschen mittlerweile oft gar nicht mehr auf Webseiten gehen, weil Facebook alles bis in den Feed liefert, sind und bleiben Projekte wie Inforiot strukturell wichtig.“
Zum Abschluss erzählt Rachel ihre Geschichte zu Inforiot:
„Als ich nach Brandenburg gezogen bin (Ja, bei IR gibt es Leute aus dem kapitalistischen Westen!), war Inforiot meine erste Adresse, um zu schauen, was in meiner neuen (Provinz-)Heimatstadt so geht. Die Übersicht über Gruppen und Projekte war ein guter Einstieg.
Um so cooler, dass ich jetzt Teil des Redaktionskollektives sein kann! Gerade wenn mensch noch nicht so eingebunden ist, sei es, weil mensch neu in der Region oder frisch politisiert ist, ist eine landesweite Plattform enorm hilfreich, um sich zu orientieren.“
Feiert morgen, 17.11.2018, mit uns zusammen im Spartacus den Inforiot-Geburtstag. Wir freuen uns!
Brandenburgs Regierung um Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will das Polizeigesetz verschärfen. Dagegen regt sich Widerstand. Am 14.11. findet dazu eine Kundgebung in Cottbus statt – genau an dem Tag, an dem die erste Lesung im Potsdamer Landtag stattfinden wird.
Deshalb ruft an diesem Mittwoch das Bündnis #noPolGBbg – ein breiter Zusammenschluss von politischen Initiativen, Geflüchteten, Studierenden und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren – zu einer Kundgebung am Platz am Stadtbrunnen (Heronplatz) in Cottbus auf.
Dazu erklärt Saskia Thiele vom Sprecher*innenrat des Bündnis folgendes: „Das Polizeigesetz soll verschärft werden, um besser gegen Terrorgefahren gerüstet zu sein – aber nicht nur. Von den Gesetzen und ihren Auswirkungen sind letztendlich alle betroffen. Die Verschärfung kann auf den ersten, oberflächlichen Blick für ein größeres Sicherheitsgefühl sorgen. Beim zweiten, genauen Blick wird deutlich, dass die Gesetze einen Einschnitt in die persönliche Freiheit bringen. Der aktuelle Entwurf beschreibt etwa vorbeugende Ingewahrsamnahme, Telekommunikationsüberwachung, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote. Mit diesen Maßnahmen werden Repressionen gegenüber allen Menschen vereinfacht. Dagegen setzen wir uns entschieden zur Wehr.“
Bereits am vergangenen Samstag nahmen rund 2000 Menschen an der Großdemonstration gegen das neue Polizeigesetz in Potsdam Teil. Nun muss der Protest in alle Regionen Brandenburgs getragen werden, um den flächendeckenden Widerstand zu zeigen. „Vor allem in Cottbus, wo seit Jahresbeginn die Polizeikontrollen massiv ausgebaut worden sind, ist spürbar, was verstärkte Repression macht.“ ergänzt Saskia Thiele. „Es geht nicht, darum das Miteinander zu stärken, sondern einzig darum, Macht zu demonstrieren und die Bevölkerung kontrollierbar zu machen. Wir protestieren solange bis das Gesetz vom Tisch ist, auch am Mittwoch in Cottbus.“, sagt Saskia Thiele abschließend.
Weitere Infos: www.nopolgbbg.de Kontakt:kontakt@nopolgbbg.de
Am vergangenen Samstag protestierten über 2.300 Menschen gegen das neue Polizeigesetz in Brandenburg, darunter Datenschützer*innen, Gewerkschaften, Vereine, Politiker*innen und Fußballfans. Lautstark und vielfältig zeigten wir der Landesregierung: Wer das Polizeigesetz verschärfen und Grundrechte einschränken will, muss mit Protest aus allen gesellschaftlichen Schichten rechnen. An der Demonstration beteiligten sich Menschen aus ganz Brandenburg. Sie war einer der größten, die das Land Brandenburg in den letzten Jahren gesehen hat. Wir fordern die rot-rote Landesregierung auf, den Plan der Verschärfungen auf Eis zu legen.
In der kommenden Woche, in der das Gesetz in den Landtag eingebracht wird, ruft das Bündnis zu dezentralen Aktionen gegen das Polizeigesetz auf. In Cottbus wird am Mittwoch, den 14. November, um 17 Uhr eine Protestkundgebung am Heronplatz veranstaltet. Die Online-Petition „Neues Polizeigesetz in Brandenburg stoppen – Grundrechte schützen!“ hat mittlerweile deutlich über 5.000 Unterzeichner*innen.
Bei der Demonstration kamen in Redebeiträgen verschiedene Organisationen zu Wort, unter anderem:
„Wenn das neue Gesetz kommt, werden Geflüchtete nicht mehr nur ständig kontrolliert, sie geraten auch noch schneller in Präventivgewahrsam, weil die Polizei sich immer weniger dafür rechtfertigen muss“, kritisierte Jibran Khalil von Jugend ohne Grenzen.
„Im Umgang mit Fussballfans können wir schon seit Jahren beobachten, wie die Polizei sich militarisiert und immer öfter auch ganze Fangruppen überwacht. Mit dem neuen Gesetz darf die Polizei nicht nur mehr, sie darf auch temporär früher agieren und soll dabei weniger kontrolliert werden. Umso wichtiger ist es, dass wir auch auf die Polizei schauen“, mahnte Christian R., ein aktiver Fußballfan aus der Nordkurve Babelsberg.
„Die im neuen Gesetz erwähnten Meldeauflagen im Bereich des Versammlungsgesetzes sind ein Angriff auf unser Demonstrationsrecht. Warum Politiker*innen der SPD und der Linken solch schwerwiegende Grundrechtseinschränkungen verantworten wollen, ist mir schleierhaft“, so Demonstrationsanmelder Konstantin Gräfe.
Die Polizei verhielt sich während der ganzen Demonstration zurückhaltend. Im Gegensatz dazu kam es im Vorfeld und im Nachgang der Demonstration zu inakzeptablen Übergriffen seitens der Polizei auf friedliche Demonstrationsteilnehmer*innen sowie Menschen, die sich in der Nähe zur Demonstration aufhielten. Insbesondere waren Potsdamer Hausprojekte und deren Umfeld in der Zeppelinstraße 25, 26 und 29 betroffen. Vor und nach der Demonstration filmte die Polizei ohne einen erkennbaren Anlass in die Häuser und in die Innenhöfe hinein. Im Nachgang der Demonstration wurden insgesamt acht Menschen im Umfeld der Hausprojekte festgesetzt, ihre Personalien kontrolliert, durchsucht und trotz geäußertem Widerspruch erkennungsdienstlich behandelt. In zwei Fällen kam es unerwartet zu brutalen Festnahmen, bei den Menschen zu Boden geworfen wurden. Gegen alle kontrollierten Personen stellte die Polizei Strafanzeigen. Kurz nach der Demonstration versuchten einige Polizist*innen in die Zeppelinstraße 25 einzudringen. Noch drei Stunden nach Ende der Demonstration wurden die Hausprojekte überwacht.
Als Grund für die Maßnahmen galt wohl die völlig gewaltfreie Performance der drei Hausprojekte während der Demonstration, die aus 2 min aufsteigenden bunten und ungefährlichem Rauch, Heraushängens von Transparenten und einem Redebeitrag gegen das Polizeigesetz bestand. Die Maßnahmen sind bezeichnend für die Kriminalisierungsstrategie der Polizei. Es bestand zu keiner Zeit eine gefährliche Situation, weder für die Demo-Teilnehmer*innen noch für die Polizei. Die Häuser samt den Baugerüsten sind im Eigentum der Hausprojekte. Dagegen waren die Maßnahmen der Polizei selbst mutmaßlich grundrechtsverletzend: Das Abfilmen von Privatwohnungen ist ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre, das Eindringen in Häuser ist ebenso ein schwerwiegender Eingriff, der nicht mit Lappalien wie einer kurzweiligen und kontrollierten Rauchperformance zu begründen ist. Dass die einzelnen Polizisten eingeforderte Grundrechte ignorieren, zeigte das Verhalten des filmenden Beamten, der mit den ironischen Worten „Ich kann euch nicht hören“ auf die Bitte reagiert hat, das Filmen des Hinterhofs der Zeppelinstraße 25 aufgrund der mangelnden Rechtsgrundlage zu unterlassen. Selbiger Polizist war an der stundenlangen Überwachung des Hausprojektes beteiligt. Dass ihm das sichtlich Spaß machte, zeigte er mit einem auffälligen Schwingen seines Schlagstocks gegenüber Passant*innen und Bewohner*innen der Hausprojekte.
Die polizeilichen Maßnahmen am Rand der Demonstration haben gezeigt, dass die Ermittlungsbehörden schnell jegliches Maß verlieren können. Umso wichtiger ist es, die geplante Ausweitung der polizeilichen Befugnisse zu stoppen!