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Antifaschismus Law & Order

Dossier: Brandenburger Neonazi Sven Sch.

SvenSchneider-700x300Sven Sch., Jahrgang 1978, ist ein bran­den­bur­gis­ch­er Neon­azi und war Funk­tionär des mil­i­tan­ten Blood-&-Honour-Netzwerkes. Er gab Infor­ma­tio­nen unter anderem an das bran­den­bur­gis­che Lan­deskrim­i­nalamt weit­er und unter­hielt ein enges Ver­hält­nis zur Polizei. In der Neon­aziszene wurde er in der Folge als Ver­räter gemieden. Er war ver­net­zt mit Neon­azis aus Pots­dam und Umge­bung, die im Ver­dacht standen, an den Anschlä­gen der Nationalen Bewe­gung beteiligt gewe­sen zu sein.

Die Varianten Blood & Honour Brandenburg

Die Vari­anten Blood & Hon­our Brandenburg

Sven Sch. galt bis zum Ver­bot von Blood & Hon­our im Jahr 2000 als ein Anführer der Sek­tion Bran­den­burg und zudem als „Kassen­wart“ der Dachor­gan­i­sa­tion Blood & Hon­our Deutsch­land. Bei ein­er Durch­suchung sein­er Woh­nung in Bork­walde (Pots­dam-Mit­tel­mark) wurde ein Spar­buch mit 73.000 D‑Mark sichergestellt – die „Kriegskasse“ von Blood & Hon­our Deutschland.
Sch. war im Jahr 2000 an der Ver­bre­itung der ille­gal pro­duzierten und kon­spir­a­tiv ver­triebe­nen CD „Ran an den Feind“ der Neon­azi-Band Landser beteiligt. Er hat­te 500 CDs zum Weit­er­ver­trieb bestellt. Den Druck des Book­lets dieser CD hat­te der Ver­fas­sungss­chutz-V-Mann Toni Stadler organ­isiert. Im gle­ichen Jahr war Sch. an der Arbeit für den „Bran­den­burg-Sam­pler“ von Blood & Hon­our mit Bran­den­burg­er und Berlin­er Neon­azi-Bands beteiligt. Anfang 2000 war Sven Sch. zusam­men mit Ste­fan Rietz und Dirk H., zwei weit­eren Bran­den­burg­er Blood-&-Honour-Aktivis­ten auf dem Weg zu einem Neon­azi-Konz­ert in Schwe­den festgenom­men worden.
Sch. unter­hielt ein enges Ver­hält­nis zu Chris­t­ian Kö., einem Neon­azi und V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes. Zeitweise war Sch. Mit­be­wohn­er von Kö.. Seit Anfang 2000, berichtete Kö. später, habe er zudem „ver­botenes Zeug“, das Sch. gehörte, in seinem Keller „gebunkert“.
Im Rah­men des Ver­botes von Blood & Hon­our wurde auch die Woh­nung von Sch. durch­sucht. Nach dem Ver­bot von Blood & Hon­our betrieb Sch. einen Ver­sand für Neon­azi-Klei­dung und Musik, der den Namen Hate­sounds (alter­na­tive Schreib­weise: Hate Sounds) trug und in Werder (Hav­el) ein Post­fach nutzte.
Unmit­tel­bar nach dem Blood-&-Honour-Ver­bot fand in Annaburg (Land­kreis Wit­ten­berg) am 25. Novem­ber 2000 ein Konz­ert statt, gegen das die Polizei vorg­ing. Die Neon­azis hin­ter­ließen in alt­deutsch­er Schrift gesprühte Schriftzüge:BH“ und darunter der Schriftzug „Hal­lo Otto [gemeint ist Innen­min­is­ter Otto Schi­ly], trotz Ver­bot sind wir nicht tot“. Die Organ­i­sa­tion dieses Konz­ertes war über Werder (Hav­el) gelaufen.
Bei Hate­sounds wur­den unter anderem Alben der mil­i­tan­ten US-Band Blue Eyed Dev­ils und der Ros­tock­er Gruppe Nord­macht veröf­fentlicht. An den Pro­duk­tio­nen war teil­weise Sch.s Part­ner­in Karoli­na W., eine pol­nis­che Neon­azistin, beteiligt. Weil Sch. andere Neon­azis mit Aus­sagen bei der Polizei belastet haben soll, wur­den zwis­chen­zeitlich Boykot­taufrufe gegen Hate­sounds ver­bre­it­et. Sch. set­zte sich mit Stel­lung­nah­men gegen diese „Lügen“ zur Wehr.
Im Feb­ru­ar 2001 wurde Sch. vom V‑Mann Chris­t­ian Kö. tele­fonisch vor ein­er Razz­ia gewarnt, die sich gegen die bran­den­bur­gis­che Neon­aziszene richtete und die maßge­blich auch Neon­azis betraf, die wegen der Anschläge der Nationalen Bewe­gung verdächtigt wurden.
Bei der fol­gen­den Durch­suchung bei Sch. wur­den zum Teil in Corn­flakes-Schachteln ver­steck­te Entwürfe von CDs gefun­den, die sich in der Pro­duk­tion befan­den. Nach der Durch­suchung wurde seit­ens des Lan­deskrim­i­nalamts ein „guter Draht“ zu dem Neon­azi aufge­baut. Ins­beson­dere der Polizist Michael K. traf sich regelmäßig mit Sch.. Die bei­den duzten einan­der und Sch. gab Infor­ma­tio­nen aus der Neon­aziszene weit­er. Diese Tipps gin­gen unter anderem in ein Ver­fahren gegen den Neon­azi Bernd Peruch in Bay­ern und in ein Ver­fahren in Sach­sen-Anhalt ein. Im Gegen­zug beri­et K. den Neon­azi, wie dieser seinen Hate­sounds-Kat­a­log und seine CDs strafrechtlich „sauber“ hal­ten könne. Bei einem Tre­f­fen an ein­er Tankstelle nan­nte Sch. dem Polizis­ten K. einen Neon­azi, der nach seinen Infor­ma­tio­nen für die Tat­en der „Nationalen Bewe­gung“ ver­ant­wortlich gewe­sen sein soll. Auch mit dem Pots­damer Staatss­chutz stand Sch. in Kon­takt – mit einem Mitar­beit­er traf er sich min­destens 16 Mal. Trotz dieser Zusam­me­nar­beit wird von Seit­en der Bran­den­burg­er Behör­den betont, dass Sch. kein „offizieller“ V‑Mann der Polizei gewe­sen sei.
In einem Ver­merk des Lan­deskrim­i­nalamts Sach­sen-Anhalt hieß es dage­gen, dass sich Sch. „aus der Konz­ert- Organ­i­sa­tion und son­sti­gen strafrechtlich rel­e­van­ten Aktiv­itäten zurück­ge­zo­gen hat, seit er als Infor­mant für das LKA Bran­den­burg geführt wird“. Im Jahr 2002 kur­sierte im Inter­net und in der Neon­aziszene genau dieser Aktenteil.
In der Zeitschrift Der weiße Wolf wurde 2002 die fol­gende Notiz veröf­fentlicht: „Vie­len Dank an den NSU, es hat Früchte getra­gen“. In der gle­ichen Aus­gabe wurde Sch. unter der Über­schrift „V‑Männer fliegen nach und nach auf!“ als Ver­räter geoutet. Kurz darauf zog sich Sch. zurück.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Tagung “30 Jahre Antifa in Ostdeutschland”

2017.10.12_AFA-Ost_Tagung_Plakat03_webVor nun­mehr drei Jahrzehn­ten grün­de­ten sich die ersten unab­hängi­gen Antifa-Grup­pen in der DDR. Nach dem Angriff von Neon­azis auf ein Punk-Konz­ert in der Berlin­er Zion­skirche und angesichts eines zunehmenden Ras­sis­mus war ihr erk­lärtes Ziel, die Gesellschaft wachzurüt­teln und Selb­stvertei­di­gung zu organ­isieren. Somit ent­stand in der aus­ge­hen­den DDR eine eigen­ständi­ge antifaschis­tis­che Bewe­gung, deren spez­i­fis­ches Pro­fil allerd­ings nach 1989/90 schrit­tweise verblasste. Die per­sön­lichen Erfahrun­gen sowie poli­tis­chen Denk- und Hand­lungsweisen der dama­li­gen Aktivist*innen geri­eten angesichts von Gen­er­a­tions­brüchen und wech­sel­nden Strö­mungen inner­halb der Bewe­gung in Vergessen­heit. Damit ver­bun­den war und ist ein­er­seits eine stetige Entwick­lungss­chleife der Her­aus­bil­dung und Auflö­sung antifaschis­tis­ch­er Zusam­men­hänge in Ostdeutschland.
Ander­er­seits war die Deu­tung darüber was unab­hängige Antifa meint oft­mals aus west­deutschen Blick­winkeln geprägt. Im Ergeb­nis ist Wis­sen ver­loren gegan­gen und sind Lern­prozesse zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen abge­brochen. Aus diesem Anlass geht es auf der Tagung darum, Brück­en zwis­chen den Gen­er­a­tio­nen zu schla­gen und voneinan­der zu ler­nen. In Anschluss an den im Mai 2017 erschienen Sam­mel­band „30 Jahre Antifa in Ost­deutsch­land – Per­spek­tiv­en auf eine eigen­ständi­ge Bewe­gung“ wollen wir uns über per­sön­liche und poli­tis­che Erfahrun­gen, Entwick­lun­gen und Prob­leme aus­tauschen, sowie verblasstes Wis­sen erin­nern, weit­ergeben und in die heutige Zeit über­tra­gen. Und zwar mit dem Ziel, sowohl die eigene Bewe­gungs­geschichte zu disku­tieren als auch das Wis­sen aus den ver­gan­genen drei Jahrzehn­ten für heutige Aktivist*innen nutzbar zu machen.
Pro­gramm

Auf dem Pro­gramm ste­hen unter anderem fol­gende The­men: Neon­azis und Ras­sis­mus in der DDR und Gegen­wart, das Span­nungs­feld von mil­i­tan­ter Selb­stvertei­di­gung und staatlich­er Repres­sion sowie die Bedeu­tung beset­zter Häuser als antifaschis­tis­che Orte damals und heute. Außer­dem ein Rück­blick auf die Pogrome von Hoy­er­swer­da 1991 bis Hei­de­nau 2015, der Antifa- und Anti­ra-Wider­stand dage­gen und das Gedenken danach. Weit­er­hin fra­gen wir danach, was Antifa eigentlich heißt, welche Anlässe Aktivist*innen hat­ten, sich poli­tisch zu engagieren und umgekehrt aufzuhören? Dabei geht es auch darum, wie die Grup­pen ihre Aktio­nen organ­isierten, sich ver­net­zten und um das Ver­hält­nis von Antifa in Ost-West und Stadt-Land. Zudem ste­ht die Rolle von Frauen in der Bewe­gung und der Umgang mit Sex­is­mus im Fokus. Nicht zulet­zt wird der Umgang mit der eige­nen linken und antifaschis­tis­chen Geschichte und Erin­nerungspoli­tik beleuchtet.
Du und ihr seid daher her­zlich ein­ge­laden am 1. und 2. Dezem­ber nach Pots­dam zu kom­men, um euch mit uns und andern Zeitzeug*innen, poli­tis­chen Aktivist*innen und gesellschaf­skri­tis­chen Wissenschaftler*innen auszu­tauschen. Wir freuen uns auf dein und euer Kom­men und Mittun.
» Direkt zum Pro­gramm: Hier klick­en

Auf­tak­t­podi­um zur Tagung

1. Dezem­ber // 18.00 Uhr

Rechen­zen­trum // Dor­tus­tr. 46 Ecke Bre­ite Str. 

Arbeits- & Diskussionskreise

2. Dezem­ber // 10.00 Uhr (ab 9 Uhr Frühstück)

Frei­land-Gelände // Friedrich-Engels-Straße 22 

Anmel­dung und Kontakt

Wir bit­ten um An­mel­dung zur Tagung.
Du kannst/Ihr kön­nte auch ohne Anmel­dung kom­men. Doch wir haben nicht unendlich Platz: Mit ein­er vorherige Anmel­dung sich­erst Du Dir/Ihr Euch zum einen verbindlich die Teil­nahme, Essen­ver­sorgung und mögliche Schlaf­plätze. Zum anderen erle­ichterst Du/Ihr uns die Pla­nung und Kalkulation.
Teil­nah­me­beitrag

Der Ein­tritt für die Fre­itagsver­anstal­tung ist frei.
Beitrag für Sam­stag (inkl. Vollverpflegung): 

Ermäßigt: 8€ 

Nor­mal: 15€ 

Förder­beitrag: 20€ + 

» Direkt zur Anmel­dung: Hier klick­en
 
Inter­net­seite: www.afa-ost.de
Twit­ter: twitter.com/antifa_ost
Face­book: facebook.com/events/529717947378335/
Mate­r­i­al: Fly­er  vorn/ hin­ten, Plakat

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Antifaschismus Law & Order

Dossier: Neonazi-Musiker Uwe Menzel

Uwe Men­zel ist ein 1974 geboren­er Pots­damer Neon­azi, der seit den 1990er Jahren als Musik­er in diversen Recht­srock­bands (u.a. Prois­senheads, Uwocaust) tätig ist und eine Schlüs­selfig­ur in der bran­den­bur­gis­chen Recht­srock­szene ein­nimmt. Seit Anfang der 1990er Jahre bewegt er sich in der neon­azis­tis­chen Szene.

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Uwe Men­zel bei einem Auftritt (links mit Mikrofon)

1993 grün­dete er die Band Prois­senheads, in der er als Sänger fungierte und die eine der ersten bran­den­bur­gis­chen Recht­srock­bands war, die im Rah­men der „akzep­tieren­den Sozialar­beit“ einen Prober­aum in einem städtis­chen Jugend­club nutzen kon­nte. Inner­halb weniger Jahre erspielte sich die Band einen hohen Bekan­ntheits­grad in der Bun­desre­pub­lik, was auch die Ver­net­zung in andere Städte förderte. Gute, teils fre­und­schaftliche Kon­tak­te bestanden seit spätestens 1997 zu den säch­sis­chen Blood-&-Honour-Führungs­fig­uren Jan Wern­er und Thomas Starke, also wichti­gen Unter­stützern des NSU-Trios. Men­zel soll ein häu­figer Gast bei Blood-&- Hon­our-Konz­erten in Chem­nitz und Umland gewe­sen sein. So war er über diese Verbindung auch in das finanziell ertra­gre­iche transna­tionale Beziehungs­ge­flecht neon­azis­tis­ch­er Musiknet­zw­erke einge­bun­den. Im April 1997 sollte in Buf­fa­lo (USA) ein Konz­ert mit ver­schiede­nen Neon­azi-Bands, unter anderem mit der US-Gruppe Blue Eyed Dev­ils stat­tfind­en. Dazu reiste eine Gruppe deutsch­er Neon­azis an, zu der neben Andreas Graup­n­er, Jens Schaarschmidt, Thomas Starke und auch Uwe Men­zel gehörten. Diesem Besuch fol­gte ein Gegenbe­such. Im Som­mer 1997 spiel­ten die Prois­senheads und die Blue Eyed Dev­ils gemein­sam in Anklam. Ein Mit­glied der Blue Eyed Dev­ils, Wade Michael Page, erschoss 2012 in einem Sikh-Tem­pel sechs Men­schen aus ras­sis­tis­chen Motiven.
Um die Band Prois­senheads, die sich zeitweise einen Prober­aum mit der Berlin­er Nazirock­band Landser teilte, bildete sich ab Mitte der 1990er Jahre eine bran­den­bur­gis­che Sek­tion von Blood & Hon­our. Dass sie sich nicht nur auf die Ver­to­nung ras­sis­tis­ch­er Rock­musik beschränk­ten, zeigte ihr son­stiger Aktion­is­mus, der auf weite Ver­net­zung in das mil­i­tante Lager und auf eine Mobil­isierungs­fähigkeit ver­weist und ein­mal mehr das Wech­selver­hält­nis von neon­azis­tis­chen Musiknet­zw­erken und gewalt­täti­gen poli­tis­chen Aktio­nen verdeut­licht. Im August 1998 mobil­isierten Pots­damer Neon­azis dazu, die wöchentlich abge­hal­tene Wach­pa­rade der preußis­chen Tra­di­tion­s­gruppe Lange Kerls in Pots­dam gegen linke anti­mil­i­taris­tis­che Proteste zu schützen, die unter anderem von der Pots­damer Kam­pagne gegen Wehrpflicht organ­isiert wur­den. Am 5. Sep­tem­ber 1998 gab es zum wieder­holten Male eine tele­fonis­che Mord­dro­hung gegen ein Mit­glied der Kam­pagne gegen Wehrpflicht. Eine Fangschal­tung führte zu der Woh­nung ein­er Frau in Babels­berg, in der sich das Prois­senheads-Mit­glied Ilja Sch. regelmäßig aufhielt. Dro­hbriefe ein­er Pots­damer „Anti-Antifa“ gegen die Kam­pagne gegen Wehrpflicht, die im Dezem­ber 1998 auf­taucht­en, sind ver­mut­lich aus dem gle­ichen Umfeld, da sich die Schreiben inhaltlich auf eine vor­ange­gan­gene Schmähung Uwe Men­zels beziehen. Bei ein­er fol­gen­den Durch­suchung der Woh­nung von Ilja Sch. wurde u.a. die Grün­dungserk­lärung ein­er Anti-Antifa Aktion Pots­dam gefun­den. Am 26. Sep­tem­ber 1998 taucht­en erneut mehrere Neon­azis aus Pots­dam und Bran­den­burg bei der Lange-Kerls-Wach­pa­rade auf. Sie verübten Über­griffe auf linke Demonstrant*innen. Unter den anwe­senden Neon­azis war auch Carsten Szczepan­s­ki alias V‑Mann „Piat­to“, der sich im Com­bat-18-T-Shirt präsen­tierte. Dieser hat­te noch am Vor­abend in Bran­den­burg an einem Tre­f­fen mit einem Musik­er der Band Landser (ver­mut­lich Chris­t­ian Wen­ndorf) und britis­chen Neon­azis teilgenom­men. Bei den Briten han­delte es sich Steve Sar­gent und Tony Williams, die zur Nation­al Social­ist Move­ment (NSM) gehörten, aus deren Rei­hen sich David Copeland rekru­tierte, der 1999 mehrere Nagel­bombe­nan­schläge verübte. Szczepan­s­ki und ein Teil der Pots­damer Neon­azis, die am 26. Sep­tem­ber 1998 in Pots­dam auf­trat­en, besucht­en am gle­ichen Abend ein von der säch­sis­chen Sek­tion von Blood & Hon­our organ­isiertes Konz­ert im säch­sis­chen Mun­zig, an dem „Piat­to“ und Jan Wern­er sich darüber aus­tauscht­en, dass Wern­ers Waf­fen­suche für das unter­ge­tauchte Neon­azi-Trio noch nicht erfol­gre­ich war.
Zwis­chen „Piat­to“ und Men­zel bestand offen­bar eine Ver­trauens­beziehung. Im Som­mer 2000 wurde ein Repetiergewehr, das Carsten Szczepan­s­ki für Men­zel besorgte, bei ein­er Haus­durch­suchung in Men­zels Woh­nung sichergestellt. Den Anlass für die Haus­durch­suchung gab ein von der Polizei mit­ge­hörtes Tele­fonat, in dem es um eine Demon­stra­tion von Hausbesetzer*innen im Juli 2000 in Pots­dam ging und Aus­sagen wie „alle Mann unter Waf­fen“ und „Hor­ror­fes­ti­val“ aus­tauscht­en. Bei der Durch­suchung fand das LKA auch ein Foto, auf dem Men­zel mit ein­er Maschi­nen­pis­tole posierte, die Waffe selb­st war nicht in der Woh­nung. Men­zel über­gab die Waffe der Polizei und gab an, diese in einem Depot im Wald gefun­den zu haben, von dem er aber nicht wisse, wer dies angelegt habe. Ob und wie und mit welchen Ergeb­nis­sen die Polizei damals bezüglich dieses Waf­fend­e­pots noch nacher­mit­telt hat oder ob sich die „Sache“ mit Men­zels bekun­de­ten Unwis­senheit tat­säch­lich erledigt hat­te, ist bish­er noch nicht öffentlich aufgeklärt.
Men­zel ver­fügte auch über Kon­tak­te zu Nick Greger, der an der recht­ster­ror­is­tis­chen Gruppe Nation­al-Rev­o­lu­tionären Zellen (NRZ) beteiligt war, die im Jahr 2000 Rohrbombe­nan­schläge plante. Wie sich die Kon­tak­te zu Greger wirk­lich gestal­teten ist allerd­ings unklar.
In der NSU-Unter­suchungsauss­chuss­sitzung im bran­den­bur­gis­chen Land­tag im Juni 2017 kamen erste Hin­weise zur Beziehung zutage, die Men­zel zur Nationalen Bewe­gung gehabt haben kön­nte: Der Pots­damer Neon­azi Mar­cus Sch. äußerte am 1. Feb­ru­ar 2001 in einem vom Berlin­er LKA überwacht­en Tele­fonat gegenüber Uwe Men­zel: „Gut ich wollt nur sagen, ich habe die Bombe gelegt. Und Nationale Bewe­gung hehe­he“. Ver­mut­lich­er Hin­ter­grund: Am 30. Jan­u­ar 2001 las der Kabaret­tist Ser­dar Somuncu aus Hitlers Buch „Mein Kampf“. Am 30. und 31. Jan­u­ar 2001 gin­gen im Namen der Nationalen Bewe­gung dies­bezüglich an ver­schieden Stellen Schreiben mit fol­gen­dem Wort­laut ein:
„Am 30. Jan­u­ar 2001, wird im The­ater­haus Am Alten Markt das Blut der­er fließen, welche meinen, sich mit der Teil­nahme an der Ver­anstal­tung gegen den größten deutschen Kan­zler schmück­en zu können.“
Auf­fäl­lig ist, dass im Zuge der Ermit­tlun­gen zur Nationalen Bewe­gung nicht gegen Men­zel als Beschuldigter ermit­telt wurde. Dieser Umstand wurde in der NSU-Unter­suchungsauss­chuss­sitzung am 2. Juni 2017 an die gelade­nen Zeu­gen herange­tra­gen, die jedoch keine Erk­lärung liefern kon­nten oder woll­ten. Eben­so wenig wurde gek­lärt, warum Men­zel, trotz­dem er sich auf der Liste der Verdächti­gen und zu Durch­suchen­den ganz oben befand, nicht zu jenen gehörte, die im Zeitraum Ermit­tlun­gen mit Haus­durch­suchun­gen bedacht wurden.
Men­zel ist bis heute als Tex­ter und Sänger in ver­schiede­nen Neon­azi-Bands aktiv, die die Idee von „White Pow­er“ propagieren. Men­zel, der sich heute auch „Uwocaust“ nen­nt, ist seit Jahren eine Szene-Größe. 2012 beteiligte er sich mit einem Song am Sol­i­dar­itätssam­pler „Sol­i­dar­ität IV“ für den NSU-Angeklagten Ralf  Wohlleben. Beim Neon­azi-Konz­ert im Som­mer 2017 in The­mar trat „Uwocaust“ vor tausenden Neon­azis auf.
Dass Men­zel immer noch eine Ide­olo­gie artikuliert, die auch für den NSU rich­tungsweisend war, ist offen­sichtlich. Eben­so offen­sichtlich ist seine Nähe zu den maßge­blichen Unter­stützern des NSU und dem neon­azis­tis­chen Milieu in Chem­nitz und Königs Wuster­hausen. Was seine Rolle im Fall der Nationalen Bewe­gung ange­ht, nähren diverse Hin­weise den Ver­dacht, das Men­zel und sein dama­liges Umfeld mit den Tat­en der Nationalen Bewe­gung mehr zu tun gehabt haben kön­nte, als bish­er polizeilich aufgek­lärt wurde.
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Geschichte & Gedenken

Q — Gegen Luther, Papst und Fürsten — Alles gehört Allen!

In der Repub­lik wird dieses Jahr “500 Jahre Luther” gefeiert. Allerd­ings find­en sich Luthers Fun­da­men­tal­is­mus und die Bru­tal­ität der Luther­schen Äußerun­gen, sein Juden- und Frauen­hass und seine wahn­hafte Apoka­lyp­tik nicht so recht im Mar­ket­ingkonzept von Weltof­fen­heit, Tol­er­anz und Fried­fer­tigkeit wieder, welch­es zu diesem his­torischen Ereig­nis ermit­telt wer­den soll.
Aus diesem Grund haben wir zum 31. Okto­ber, der dieses Jahr zum bun­desweit­en Feiertag zu Ehren Luthers gemacht wurde, mit Denis Mos­chi­to, Ruth Marie Kröger, Michael Kelle und Jörg Pohl ein ein hochkarätiges Schaus­piel­erensem­ble nach Pots­dam in den Spar­ta­cus ein­ge­laden. Sie zeigen die szenis­che Lesung “Q”, die uns die Zeit des Renais­sance-Human­is­mus und der Ref­or­ma­tion aus ein­er – beson­ders im „Luther­jahr“ – ungewöhn­lichen Per­spek­tive erleben lässt.
Insze­niert wurde das Stück von Thomas Eber­mann und Berthold Brun­ner. Wer die let­zten Stücke von Thomas Eber­mann im Spar­ta­cus erleben durfte, “Der Fir­men­hym­nen­han­del” und “Der Eindi­men­sion­ale Men­sch”, wird wis­sen, dass er es vortr­e­f­flich ver­ste­ht einen Stoff zu insze­nieren, welch­er die Fin­ger in die Wun­der der Gegen­wart legt.
1517 – 1555: Fast vierzig Jahre ist er, der so oft seinen Namen zu wech­seln gezwun­gen ist, dabei. Keine fromme oder unfromme Ket­zerei lässt er aus. Keinen Auf­s­tand gegen die klerikale und fürstliche Macht ver­passt er. Als Ver­trauter Thomas Müntzers wird dessen Cre­do — «alles gehört allen» — auch zu seinem. Die Nieder­lage im Bauernkrieg (1525) lässt ihn als einen der weni­gen Über­leben­den zurück. Bei den Wiedertäufern trägt er die Ver­ant­wor­tung zur Vertei­di­gung der Stadt Mün­ster, aus der das neue Jerusalem wer­den soll. Er feiert mit, bei den aus­ge­lasse­nen Fes­ten der Siege; er wird Zeuge der Ver­wand­lung rev­o­lu­tionär­er Ambi­tio­nen in religiösen Wahn, beim Umschlag von Befreiung in Ter­ror. Er wan­dert durch das «Europa der gescheit­erten Auf­stände», durch ver­lorene Schlacht­en und Nieder­la­gen, die Verzwei­flung erzeu­gen und Res­ig­na­tion nahelegen.
Wo immer er involviert ist, ist auch ein Zweit­er zuge­gen. Unerkan­nt und zunächst nur als eine vage Ahnung. Der Spi­on der Kurie und Agent der Inqui­si­tion, der seine Briefe mit «Q» unterze­ich­net, der dem Kar­di­nal (und späterem Papst) Gian­petro Carafa nicht nur über die pap­st­feindlichen Machen­schaften berichtet, son­dern auch ein­wirkt, vielle­icht sog­ar anwe­send ist, vielle­icht sog­ar alle Rebel­lion ins Unglück lenkt? Diesem Phan­tom zu begeg­nen, von Angesicht zu Angesicht, um die Opfer zu rächen, wird zur fix­en Idee des Aufrührers …
Kri­mi und High Noon am Ende des Mittelalters!
Bear­beit­et von Thomas Eber­mann und Berthold Brunner.
Ensem­ble: u.a. Denis Mos­chi­to, Ruth Marie Kröger, Michael Kelle,Jörg Pohl
Das Werk des linken Kollek­tivs Luther Blis­sett, das sich heute Wu Ming nen­nt, war in Ital­ien «die lit­er­arische Sen­sa­tion der Sai­son» (Süd­deutsche Zeitung). Es ver­mit­tle «eine Ahnung vom epochalen Dra­ma jen­er Zeit» (FAZ). Das Anliegen der Autoren ist, «eine Art von Gegengeschichte zu erzählen, eine sub­ver­sive Prax­is des Geschicht­en­erzäh­lens zu vol­lziehen.» (Literaturkritik.de)
Der in achtzehn Sprachen über­set­zte Roman ist von Assozi­a­tion A wieder aufgelegt worden.
Ein Beitrag der Rosa-Lux­em­burg-Stiftung zu 500 Jahre Ref­or­ma­tion. Die Auf­führung im Spar­ta­cus wird zusät­zlich unter­stützt vom AStA der Uni Potsdam.
Einen kurzen Ein­blick und einige Hin­ter­grund­in­fos zu dem Stück direkt durch Schaus­piel­er und Regis­seur bekom­men Sie hier: https://youtu.be/VLHW9Idb8hI
Fotos der Auf­führung die gerne benutzt wer­den dürfen:
https://www.flickr.com/photos/rosalux/34849100712/in/album-72157681590596592
Ort: Spar­ta­cus Pots­dam / frei­Land Pots­dam / Friedrich-Engels-Straße 22,
14473 Potsdam
Ter­min: 31.10.2017 || 19:30 Türen / 20:30 Uhr Beginn
Ein­tritt: VVK 7,70 € (ermäßigt) / 11,- € || Abend­kasse: 8,-€ (ermäßigt) /
13,- €
VVK unter: https://www.tixforgigs.com/site/Pages/Shop/ShowEvent.aspx?ID=22243

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Sonstiges

Richterin Ahle: „Dann werden wir das nächste mal auch fertig“

Der Prozess um die Block­ade eines Urantrans­portes gegen eine Klet­ter­ak­tivistin vor dem Amts­gericht Pots­dam wird am am 16. Okto­ber um 12:30 Uhr in Saal 21 fort­ge­set­zt. Es wird mit dem Urteil an diesem Tag gerech­net, sol­i­darische Unter­stützung ist Willkommen!
Der 3. Prozesstag lief am 26.9.  bis ca. 16 Uhr.  Es wur­den durch die Vertei­di­gung zahlre­iche Beweisanträge gestellt, die sowohl den Ablauf der Aktion als auch ihre Umstände und Hin­ter­gründe (Gefahren von Atom­trans­porten, Erkrankung von Arbeit­ern in der Anlage Nar­bonne Malvési, , etc.) betrafen.  Die Rich­terin ord­nete nach den ersten Anträ­gen das „Selb­stle­sev­er­fahren“ an. Die Begrün­dung der Anträge wurde nicht mehr ver­lesen. Damit die Ver­hand­lung schneller voran kommt. Sie verkün­dete eine Pause von 30 Minuten um… die über 70 Seit­en Anträge zu lesen und zu beschei­den. Über 2000 Worte pro Minute hätte sie lesen müssen. Nach ein­er Stunde verkün­dete sie dann einen Teil der Beschlüsse. Ein weit­er­er wird am 16. Okto­ber verkün­det. Der über­wiegende Teil der Beweisanträge wurde pauschal abgelehnt, als zur Erforschung der Wahrheit nicht erforder­lich. Ob die Rich­terin die Anträge wirk­lich gele­sen hat, darf bezweifelt wer­den… sie hat ca. 15 Anträge inner­halb ein­er Stunde gele­sen (?) und beschieden.
Rich­terin Ahle war zu Beginn der Ver­hand­lung – für ihre Ver­hält­nisse –  einiger­maßen entspan­nt, aber gegen Ende nicht mehr. 
Sie wirk­te unkonzen­tri­ert und gen­ervt. Ins­beson­dere als sie merk­te, dass sie wegen diesem Prozess mal wieder erst spät Feier­abend machen kann, wenn alle Kol­le­gen längst fer­tig sind und die Putzkolonne anrückt. Sie ließ mal wieder ihre Frust auf die Betrof­fene ab. Obwohl aus­gerech­net die Betrof­fene den größeren Aufwand mit 4‑stündiger Anreise (und 4 ‑stündi­ger Abreise) nach Pots­dam hat – und es sich um ein Ord­nungswidrigkeitsver­fahren han­delt. Rich­terin Ahle darf und kann jed­erzeit ein­stellen (Oppor­tu­nität­sprinzip). Das will sie partout nicht machen, ihr Urteil ste­ht schon fest.
Mit Bemerkun­gen à la „Wer hat die Anträge gestellt?“ und „Dann wer­den wir das näch­ste mal auch fer­tig“ set­zte sie die Betrof­fene unter Druck.
Das Gericht muss der mit­tel­losen Betrof­fe­nen eine Fahrkarte zur Ver­fü­gung stellen. Die aus­gestellte Fahrkarte für die Rück­fahrt am Dien­stag war jedoch für eine Verbindung gültig, die eine Abfahrt vor 16 Uhr erforder­lich gemacht hätte. Darauf ange­sprochen, schob Rich­terin Ahle die „Schuld“ auf die Betrof­fene, die mit ihren Anträ­gen den Prozess in die Länge ziehen würde: „Wer hat die ganzen Anträge gestellt?“ sagte sie. Für Rich­terin Ahle sind Angeklagten oder Betrof­fe­nen, die zur Vertei­di­gung ihrer Recht­spo­si­tion die Mit­tel der Straf­prozes­sor­d­nung anwen­den, wie das Recht Beweisanträge zu stellen, lästig. Das ver­hin­dert ein schnelles aburteilen. Abhil­fe schaffte Rich­terin Ahle nicht, das sei nicht möglich, die Zahlstelle des Gericht­es habe schon zu. Sie forderte somit die Betrof­fene dazu auf, mit ein­er ungülti­gen Fahrkarte die Rück­reise anzutreten!
Als sie den Fort­set­zung­ster­min fes­tlegte, zeigte sie sich sehr gereizt und erk­lärte, beim näch­sten Ter­min fer­tig wer­den zu wollen. Worauf die Betrof­fene erk­lärte, das es möglicher­weise auch so sein werde, sie aber nicht auf ihre prozes­sualen Rechte verzicht­en werde, sie werde sich das Unter-druck-set­zen durch Rich­terin Ahle auch nicht gefall­en lassen.
Fort­set­zung am 16. Oktober!

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Antifaschismus

Werder: Konzert gegen Rassismus

KdR_werderRas­sis­mus und Diskri­m­inierung sind keine Grund­lage für eine offene und sol­i­darische Gesellschaft. Deshalb set­zen wir in Werder am 30.10.2017 mit dem Konz­ert gegen Ras­sis­mus ein Zeichen gegen recht­es und intol­er­antes Gedankengut.
Eine Vielfalt von Bands und Musik­grup­pen aus der Region zeigen, dass Gemein­schaft in der Vielfalt nicht nur möglich, son­dern lebenswert ist. Dabei wer­den sie unter­stützt von der evan­ge­lis­chen Heilig-Geist-Kirchenge­meinde Werder und der Freien Wal­dorf­schule Werder. Unter anderem mit dabei: Lux­u­ria, Blues Groseros und The Hoo sowie der Kinder­chor der Carl von Ossi­et­zky Ober­schule und die Cajon­gruppe der Wal­dorf­schule. Als Gäste wer­den darüber hin­aus Aktive der
Anti­ras­sis­musar­beit und migrantisch-dias­porische Akteure aus Bran­den­burg erwartet. Auch ein kuli­nar­isches Begleit­pro­gramm wird geboten.
Das Konz­ert gegen Ras­sis­mus und Diskri­m­inierung find­et statt am 30. Okto­ber 2017 von 15.00 bis 22.00 Uhr vor der Heilig-Geist-Kirche Werder. Ein­lass ist ab 14.00 Uhr. Der Ein­tritt ist frei, um eine Spende für die Unkosten wird gebeten. Bei Regen find­et das Konz­ert in der Kirche statt.
Wir freuen uns auf dein/Ihr Kommen!

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Antifaschismus

Support your local scene, don’t move to Berlin”

number-two-mit-bildern-kopieAm 27.10.17 wollen wir, das Bünd­nis Cot­tbus Naz­ifrei, zusam­men mit euch tanzend durch die Cot­tbuser Stadt ziehen. Bere­its in den let­zten Jahren etablierte sich die Nacht&Tanz&Demo als fet­ziger Anlauf­punkt für eine weltof­fene, ebenswerte Stadt. Ver­schiedene Ini­tia­tiv­en, Vere­ine und alter­na­tive Struk­turen engagieren sich bere­its seit vie­len Jahren in Cot­tbus. So hat sich die Ini­tia­tive “Flu­mi­co” als anti­ras­sis­tis­che Struk­tur, die sich für Geflüchtete in und um Cot­tbus ein­set­zt, etabliert. Auch das Chekov als link­er und sub­kul­tureller Tre­ff­punkt sind fes­ter Bestandteil der alter­na­tiv­en Szene in Cot­tbus. Das selb­stver­wal­tete Haus­pro­jekt Zelle79 sichert seit mehr als 15 Jahren soziokul­turelle Jugen­dar­beit. Und auch wir das Bünd­nis Cot­tbus Naz­ifrei haben es geschafft, einen inner­städtis­chen Diskurs rund um die Bom­bardierung von Cot­tbus in einen geschichtlichen Zusam­men­hang einzuord­nen und den geschicht­sre­vi­sion­is­tis­chen Ideen einiger Ver­wirrter eine klare Abfuhr zu erteilen.
Oben genan­nte Struk­turen kön­nen nur durch ehre­namtlich­es Engage­ment erhal­ten bleiben. Ein Prob­lem dieser Ini­tia­tiv­en ist der Wegzug erfahren­er Aktivist*innen und das Wegge­hen junger Men­schen nach dem Schu­la­b­schluss. Lei­der egnagieren sich immer weniger Men­schen aus dem Umfeld der Student*innen, da zunehmend von Berlin nach Cot­tbus gepen­delt wird. “Sup­port your local scene” meint, dass es auch in der Prov­inz jede Menge Zusam­men­schlüsse gibt, welche gern Unter­stützung erfahren. Es gibt viel zu erleben, zu tun und zu genießen, wenn wir es wollen und uns die Oasen der Stadt erhal­ten und nicht die Flucht ergreifen.
Cot­tbus rechte Hochburg in der süd­bran­den­bur­gis­chen Provinz?
Völkische und nation­al­is­tis­che Ten­den­zen weit­en sich aus. Cot­tbus ist regelmäßig Schau­platz von neurecht­en Zusam­men­hän­gen. Denn obwohl die NPD in Cot­tbus an Bedeu­tung ver­loren hat, gibt es andere rechte Bewe­gun­gen, die in den Straßen Angst und Ter­ror ver­bre­it­en. Sei es durch Het­zre­den auf Demon­stra­tio­nen der AfD, mit mar­tialis­chen Aufmärschen oder mit direk­ter Gewalt. Aber die Bedro­hung kommt nicht nur von Seit­en offen­sichtlich­er Faschist*innen, auch Kon­ser­v­a­tive bedro­hen den All­t­ag aller Men­schen, die nicht in ihr arisches Welt­bild passen. Aus diesem Grund bedeutet Antifaschis­mus hier nicht nur hip­per Lifestyle, son­dern gehört zur Über­lebensstrate­gie, sich der Gesamtscheiße zu wider­set­zen. Deshalb hil­ft nur, sich zusam­men­zuschließen und gemein­sam die faschis­tis­chen Bestre­bun­gen zu bekämpfen. Lei­der bietet die Großs­tadt für viele Aktivist*innen die Ver­lock­ung, nicht per­ma­nent auf der Hut vor Nazis sein zu müssen. Sie schafft Rück­zugsraum und ermöglicht es, ger­ade jun­gen Leuten, die in diesem Mileu groß gewor­den sind, zu sehen, dass es auch anders geht.
Sup­port your local scene
Umso wichtiger, dass ger­ade in den kleinen Städten und Dörfern,jenseits der großen Zen­tren, Net­zw­erke entste­hen und beste­henende gestärkt wer­den. Das antifaschis­tis­che Jugend­camp “JWD” im Som­mer 2017 in Cot­tbus war ein Beginn, wie solche Net­zw­erke ausse­hen kön­nen, was erre­icht wer­den kann, wenn sich Men­schen zusam­men­schließen. Unsere Ideen sind die alter­na­tive zum stillen und stum­men Fol­gen! Anstatt Führer*innen und soge­nan­nten “Mächti­gen” hin­ter­her zu laufen, schaf­fen wir unsere eige­nen Ideen und brin­gen diese voran. Es liegt an uns, unsere Welt und unser Umfeld zu ändern. Das begin­nt beim Zusam­men­leben zu Hause, den Umgang mit Men­schen, dem Willkom­men heißen von ver­meindlich “Frem­den”, ein Nein zu akzep­tieren und auf die Bedürfnisse ander­er Rück­sicht zu nehmen. Organ­isiert euch zusam­men mit Freund*innen und gestal­tet euer Leben und euer Umfeld selb­st! Bringt euch in beste­hende Pro­jek­te ein und schafft Neue! Kommt am 27.10.17 um 18:30 Uhr auf den Cam­pus der BTU Cot­tbus und tanzt mit uns für diese Ideen durch die Nacht!
Weit­ere Infos unter www.cottbus-nazifrei.info
SUPPORT YOUR LOCAL SCENE, DON’T MOVE TO BERLIN!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Tätlicher Angriff auf der Veranstaltung der AfD auf dem Altmarkt

Pressemit­teilung
Von: ++Cot­tbus schaut hin++
Cot­tbus, 22.09.2017
Am Abend des 19.09.2017 fand eine Kundge­bung mit promi­nen­ten AfD Vertretern auf dem Oberkirch­platz in Cot­tbus statt. Cir­ca 300 Per­so­n­en ver­sam­melten sich, um den Reden von
Alexan­der Gauland, Andreas Kalb­itz und Mar­i­anne Spring-Räum­schüs­sel Aufmerk­samkeit zu schenken. Während dessen kommt es zu einem Angriff, auf eine junge, sich nicht beteili­gende Frau,die die Aus­sagen von Her­rn Gauland in Frage stellt.
Um die 300 Per­so­n­en nehmen an der Ver­anstal­tung teil, bei der es zu einem tätlichen Angriff aus der Zuschauer­menge der Kundge­bung auf eine außen­ste­hende Gruppe von Fre­un­den, die im indis­chen Restau­rant „Shi­va“ essen, kommt. Während Herr Alexan­der Gauland seine Rede hält, tauschen sich die Gäste des Restau­rants über die poli­tis­chen Inhalte der AfD aus, stellen diese in Frage und eine Frau macht sich für Flüchtlinge stark. In eini­gen Metern Ent­fer­nung tritt aus ein­er Gruppe auf ein­mal ein junger Mann her­aus, der aggres­siv auf die Essenden zu läuft. Er nimmt sich einen Stuhl von der Ter­rasse des Restau­rants und bedro­ht die junge Frau damit. Daraufhin löst sich
ein weit­er­er Mann aus der Gruppe, hält den Täter zurück und zer­rt in wieder in die Menge der Zuschauer. Das Opfer sagt in einem Inter­view mit der Bürg­erini­tia­tive „Cot­tbus schaut hin“:
„Dieser aggres­sive Blick hat mir solche Angst gemacht. Ich habe mich so schut­z­los gefühlt, da die Polizei nicht in mein­er Nähe war.“ Die ange­grif­f­ene Frau wen­det sich danach an die Polizei, die ihr riet eine Anzeige gegen den Täter zu machen, wofür sie sich dann auch entschied.
Die Red­ner und die Red­ner­in der AfD bericht­en von der momen­ta­nen Entwick­lung Deutsch­lands, der Flüchtlingskrise, von unge­woll­ter mul­ti­kul­tureller Gesellschaft, Frau Merkel, Islamisierung und von der Angst, dass ihnen ihr Land weggenom­men wird. Herr Gauland sagte: „Das problematische
an dieser Entwick­lung ist nicht nur die Sache selb­st, son­dern wir fan­gen an uns daran zu gewöh­nen. Das ist das, was uns die bezahlten Psy­cholo­gen im Fernse­hen sagen und Herr Schäu­ble und Frau Merkel auch sagen. Ihr müsst euch daran gewöh­nen. Ihr müsst euch an den Ter­ror gewöh­nen!“ Mit diesem Satz zeigt die AfD nur ein­mal mehr, das sie ganz in recht­spop­ulis­tis­ch­er Manier agi­tieren, Angst und Hass schüren, Tat­sachen ver­drehen und sich trotz­dem als Sprachrohr des deutschen Volkes verstehen.
Doch während der Ver­anstal­tung kommt es zu dem beschriebe­nen tätlichen Angriff eines Zuschauers gegenüber ein­er jun­gen Frau, die sich in ein­er Unter­hal­tung mit Fre­un­den am Rande in einem Restau­rant für Flüchtlinge stark macht. Das Ver­hal­ten solch eines AfD-Sym­pa­thisan­ten wirft eher Fra­gen eines ras­sis­tis­chen Ter­rors in Cot­tbus auf. Recht­en Ter­ror gegenüber Geflüchteten und im Cot­tbuser Stadt­bild, welch­es über­all geprägt ist durch ras­sis­tis­che Parolen, Hak­enkreuze und
Has­sti­raden. Rechter Ter­ror den die Ini­tia­tive „Cot­tbus schaut hin“ schon seit län­gerem in ihrer Chronik verze­ich­net und darüber berichtet. Nicht etwa zufäl­lig ist es, das sich der Täter aus ein­er Gruppe junger Män­ner löst, die die Cot­tbuser Neon­azi-Marke „Black Legion“ tra­gen. Es zeigt welch­es Pub­likum die Alter­na­tive für Deutsch­land anspricht und mit wem sie sym­pa­thisieren. Das Pub­likum der Ver­anstal­tung der AfD in Unter­stützung der Bürg­erini­tia­tive „Zukun­ft Heimat“ ist
weitest­ge­hend älteres männlich­es Pub­likum neb­st  stadt­bekan­nten Neon­azis der Kampf­s­port­szene, recht­en Hooli­gans und pöbel­nde und ein­stim­menden Sym­pa­thisan­ten der Alter­na­tive für Deutschland.
„Cot­tbus schaut hin“ ist eine Gruppe von Men­schen, welche sich für ein gewalt­freies und tol­er­antes Cot­tbus ein­set­zen. Wir haben es uns als Ini­tia­tive zur Auf­gabe gemacht, frem­den­feindliche und
rechts motivierte Gewalt­tat­en in und um Cot­tbus zu d oku­men­tieren und die poli­tis­chen Entschei­dungsträger zum Han­deln zu bewe­gen. Die Atmo­sphäre in der Stadt hat sich für einige Per­so­n­en­grup­pen in ein Kli­ma des Unwohl­seins gewan­delt. Die Bürg­er der Stadt müssen für das The­ma sen­si­bil­isiert werden.
Ansprech­part­ner:
Ini­tia­tive „Cot­tbus schaut hin“
Web­site:  www.cottbus-schaut-hin.jimdo.de
Face­book:   www.facebook.com/Cottbus-schaut-hin-1334683443238188/
Mailadresse: cottbus-schaut-hin@t‑online.de
Telefonnr.01590 / 5661163
Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen:
https://runtervondermatte.noblogs.org/black-legion-the-iron-youth-division
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Aktion zum Wahlkampf der AFD

Neulich sollte es in unser­er Stadt eine Wahlkampf-Ver­anstal­tung der AFD geben. Aus diesem Anlass haben wir in der Umge­bung des vorge­se­henen Ortes Infor­ma­tion­s­ma­te­r­i­al verteilt. (Es muss vielle­icht gesagt wer­den, dass wir das nicht alle Tage machen.) Die ganze Aktion war nicht mit viel Aufwand ver­bun­den, weil es dankenswert­er­weise unter www.aufstehen-gegen-rassismus.de vor­bere­it­etes Mate­r­i­al gibt. Eine Stunde vor dem geplanten Beginn, sind wir in der Umge­bung die Läden abgeklap­pert – in Nul­lkom­manix waren 40 Plakate verteilt, viele davon kon­nten wir selb­st sofort aufhän­gen, einige weit­ere fol­gten schon bald nach­dem zum Beispiel Angestellte mit den BesitzerIn­nen der Läden gesprochen hatten.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es bei den Plakat­en gut ist, ein biss­chen Auswahl zu haben (z.B. Plakat „Stoppt die AfD“, oder Plakat „Nie wieder“, oder Plakat „Nein zur Het­ze gegen Mus­lime“, oder Plakat „Ras­sis­mus ist keine Alter­na­tive“.
Als Ergänzung haben Fly­er (Down­load z.B. hier: „Warum die AfD KEINE Alter­na­tive ist“ Außen­seite // Innen­seite) super funk­tion­iert … unsere hun­dert Stück waren schnell gedruckt und eben­so schnell weg und ver­grif­f­en. Eigentlich woll­ten wir sie den Pas­san­tInnen zum Tausch gegen die Fly­er der AFD anbi­eten … aber die AFD hat­te offen­bar ver­pen­nt und ist nicht gekommen.
Gefreut haben wir uns über die fast auss­chließlich pos­i­tive Res­o­nanz – ins­beson­dere auch in den Geschäften! … dies wird ver­mut­lich nicht unser let­zter Aus­flug gegen die Nazi-Umtriebe in der Gegend gewe­sen sein.
Eine Begeg­nung hätte etwas bren­zlig wer­den kön­nen … da sind wir wohl an einen AFD-Anhänger ger­at­en. Deshalb zu guter Let­zt noch ein Tipp: Macht euch, machen Sie sich schlau, wie es um die Nazis und andere Rechte in Ihrer Gegend ste­ht und gehen Sie im Zweifel nicht allein.

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Sonstiges

Warum steigen die Mieten?

Mal wieder haben wir uns ver­sam­melt, um hier in Pots­dam gegen steigende Mieten auf die Straße zu gehen. Während die Real­löhne in den let­zten 30 Jahren in Deutsch­land für große Teile der Bevölkerung gesunken sind, Lohn­er­höhun­gen kaum die Infla­tion aus­geglichen haben, sind die Mieten im Ver­gle­ich mas­siv angestiegen. Eine durch­schnit­tliche 3‑Raum-Woh­nung ist in Pots­dam kaum noch unter 800 Euro War­m­mi­ete zu beziehen. Nach oben sind die Preise offen, ger­ade für Wohneigen­tum soll­ten Men­schen schon mit einem Sack voll gold­en­er Löf­fel im Mund geboren wer­den, um sich diese leis­ten zu können.
Doch warum ist das so? Der Ober­bürg­er­meis­ter von Pots­dam hat schon vor Jahren verkün­det, dass der Markt die Anzahl der neuge­baut­en Woh­nun­gen reg­ulieren würde. Seine Kon­se­quenz war, die Hände in den Schoß zu leg­en und nichts zu tun. Wer will sich schon mit der unsicht­baren Hand anlegen?
Doch warum gibt seit Jahren diese mas­sive Teuerung? In allen Län­dern dieser Welt beste­ht die Ten­denz, vom Land in die Stadt zu ziehen. Die Men­schen, die nur ihre Arbeit­skraft zu verkaufen haben, müssen, um Arbeit zu find­en in die Städte ziehen. Das ist hier in Pots­dam wie über­all. Arbeit in Bran­den­burg gibt es nach der Dein­dus­tral­isierung in den 90er Jahren vor allem im Speck­gür­tel von Berlin. In der Uck­er­mark mag es zwar ruhig und beschaulich zuge­hen, aber eine Lebens­grund­lage bieten diese soge­nan­nten struk­turschwachen Regio­nen nur für Wenige.
Der Platz für Neubaut­en nimmt also ab. Doch dies allein ist nicht der Grund für steigende Mieten. Der Grund dafür ist glob­aler und durch den Ver­w­er­tungszwang des Kap­i­tals bestimmt.
Wir befind­en uns in ein­er Zeit der glob­alen Über­akku­mu­la­tion von Kap­i­tal. Die Pro­duk­tiv­ität hat weltweit einen Stand erre­icht, indem sich viele Unternehmungen schlichtweg nicht mehr lohnen. Es macht ökonomisch keinen Sinn mehr noch eine Aut­o­fab­rik, Pro­duk­tion­san­la­gen für Zahn­bürsten oder ähn­lich­es zu bauen, die zahlungs­fähige Nach­frage wird durch die beste­hen­den bere­its gedeckt. Seit etlichen Jahren herrscht Über­pro­duk­tion, die Welt erstickt ger­adezu in Waren wie Tex­tilien, Autos oder Elek­trogeräten aller Art, das Wach­s­tum der kap­i­tal­is­tis­chen Wirtschaft gerät immer mehr an seine Gren­zen. Im Rah­men des beste­hen­den Neolib­er­al­is­mus wurde ver­sucht, diese Sit­u­a­tion auf ver­schiedene Arten zu beseit­i­gen. Waren wur­den zwar massen­haft und bil­lig auf den Markt gewor­fen, aber ihre Leben­szeit wurde begren­zt, so sind die Men­schen gezwun­gen regelmäßig Neue zu kon­sum­ieren. Dann ver­schulde­ten sich die Staat­en nahezu ins Astronomis­che um nicht die Gewinne der Unternehmen zu schmälern und trotz­dem weit­er anlaufende Aus­gaben zu leis­ten. Weit­er wur­den durch die Pri­vatisierung ehe­mals staatlich­er Sek­toren neue Anlage­spähren für das Kap­i­tal geschaf­fen. Als dies nicht genügte, set­zte eine staatliche Dereg­ulierung der Finanzmärk­te ein, nicht weil die Banker so gierig waren, son­dern weil das Sys­tem in eine Krise gekom­men war und neue Ver­w­er­tungsmöglichkeit­en brauchte. Erst­mal eine ‚win win‘ Sit­u­a­tion. Das Kap­i­tal kon­nte sich durch Zin­sen ver­w­erten und die Pro­duk­tion von Immo­bilien und Kon­sumgütern wurde angeschoben. Alle beka­men und bekom­men weit­er­hin Kon­sumkred­ite nahezu hin­ter­herge­wor­fen. Nur zer­brachen diese Kred­itver­hält­nisse vor allem daran, dass die Rück­zahlung durch sink­ende Real­löhne nicht erfol­gen kon­nten. Dies und ein all­ge­mein­er Nach­fragerück­gang ken­nen wir heute als glob­ale Krise von 2007.
So ähn­lich ist auch der Zusam­men­hang hier bei uns. Immo­bilien sind für Fonds und Kap­i­tal­gebende ein­fach noch lohnende Anlage­pro­jek­te. Kap­i­tal muss sich bei Gefahr des Unter­gangs ver­w­erten, ihm ist es egal ob in Form von Pro­duk­tion oder als Immo­bilien- und Grundbe­sitzkap­i­tal. Nur, dass die Men­schen nicht beliebig hohe Mieten zahlen kön­nen. Dies führt dann, wie in Pots­dam, zum sozialen Auss­chluss ganz­er Bevölkerungsgruppen.
Ähn­lichen Sachzwän­gen unter­liegt die Stadt. Die Pro Pots­dam ist kein Wohlfahrt­spro­jekt und mal abge­se­hen von ein paar Pres­tige­pro­jek­ten wie der Hei­desied­lung oder der Behlert­straße, die ihr nur durch mas­siv­en öffentlichen Druck abgerun­gen wer­den kon­nte, zählt auch für sie nur: mehr Geld mit der Ver­mi­etung von Woh­nun­gen zu erwirtschaften, teil­weise zur eige­nen Refi­nanzierung, teil­weise um Haushalt­slöch­er der Stadt zu stopfen.
Wenn wir heute fordern, dass Wohn­raum keine Ware sein darf, so muss sich dieser Forderung die nach ein­er grund­sät­zlichen Abschaf­fung der Waren­form anschließen. Nur ein Aus­bruch aus den Mark­tver­hält­nis­sen ermöglicht ein men­schen­würdi­ges Leben für alle nach ihren Bedürfnis­sen. In Pots­dam gibt es jedoch im Ver­gle­ich zu anderen Städten noch eine andere Beson­der­heit, die über den Drang Kap­i­tal zu ver­w­erten hin­aus­ge­ht. Dies ist die Neugestal­tung der Pots­damer Innen­stadt nach soge­nan­ntem his­torischen Vor­bild. His­torisches Vor­bild ist dabei alles aus der Preußen­zeit und alles, was vor dem 2. Weltkrieg gebaut wurde. Dies wird über­wiegend mit dem zusam­men­hän­gen­den Ensem­ble und der Schön­heit der innen­städtis­chen Gebäude begrün­det. Obwohl Schön­heit ja bekan­ntlich sub­jek­tiv ist, maßen sich die Preußen­fans von ‚Mitteschön‘ und die Jauchs, Joops und Plat­tners sowie ihre Unterstützer_innen der mit­tler­weile gescheit­erten Rathauskoali­tion, aber auch die AfD an, objek­tiv festzustellen, dass FH, Mer­cure und Rechen­zen­trum architek­tonis­ch­er Müll sind, während Bar­beri­ni, Stadtschloss und Gar­nisonkirche eine Wohltat für das luxu­s­gewöh­nte Auge darstellen. Kön­nte Men­sch doch eigentlich meinen, was inter­essiert mich das Gewäsch einiger Narzist_innen und Freund_innen des preußis­chen Despo­tismus, dessen architek­tonis­ch­er Aus­druck nun­mal die wiedererbaute Pots­damer Innen­stadt ist?
Lei­der sehr viel. Denn die Brüche in der Gestal­tung der Stadt zeu­gen auf der einen Seite von der Geschichte Pots­dams. Viele der Preußen­tem­pel sind durch Kriegshand­lun­gen mas­siv zer­stört wor­den, durch die Bom­bardierung der west­lichen Alli­ierten, aber auch durch das Geschützfeuer der sow­jetis­chen Armee nach­dem die Stadt nicht kapit­ulierte. Somit erin­nerte auch die Neugestal­tung der Stadt an ihre dun­kle Geschichte und die began­genen Ver­brechen auch der Potsdamer_innen. Denn auch Pots­dam war eine Stadt der Täter_innen. Hier tagten Teile des Volks­gericht­shofes, auch hier wur­den Men­schen ver­schleppt und in die Ver­nich­tungslager deportiert, Sol­dat­en, Waf­fen und anderes Mate­r­i­al an die Front gebracht. Auch ger­ade vom kon­ser­v­a­tiv­en Pots­dam und auch von den soge­nan­nten Wider­ständlern des 20 Juli wurde der Angriff­skrieg auf ganz Europa geplant und durchge­führt. Das Vorkriegspots­dam wieder aufzubauen ist auch eine Art Geschichte zu ver­fälschen. Die Kains­male der Täter_innenstadt Pots­dam wer­den ein­fach über­baut, so als wäre nichts gewesen.
Doch das ist nur die eine Seite der Preußen­medaille. Auf der anderen prangt die Frage: Wem gehört die Stadt?
Alle Neubaupro­jek­te, die bish­er am Alten Markt errichtet wur­den, sind kom­merzial­isiert. Nur wer genü­gend Kohle hat, kann sich dort eine Woh­nung leis­ten, eines der Geschäfte besuchen. Sozial­woh­nun­gen wird es ‑wenn über­haupt- nur auf Zeit geben. Ein vor­mals öffentlich­er Raum für alle ist zu einem Raum der Priv­i­legierten verkom­men. So läuft das schon seit Jahren, Pots­dam ver­scher­belt seine Grund­stücke an pri­vate Inve­storen, die ver­suchen dann so gewinnbrin­gend wie möglich zu investieren, ob nun mit exk­lu­siv­en Eigen­tumswoh­nun­gen, über­teuerten Miet­woh­nun­gen, Museen oder son­sti­gen Geschäften. Das einzige “öffentliche” Gebäude am Alten Markt ist der an Kitschigkeit nicht mehr zu über­bi­etende Land­tag. In diesem thro­nen wie schon zu Zeit­en der Kaiser die Erwählten über Pots­dam, offen­bar unwis­send, dass es kein unver­schämteres und anmaßen­deres Sym­bol par­la­men­tarisch­er Über­he­blichkeit gibt, als aus der Kopie eines Stadtschloss her­aus zu regieren.
Während wahre Demokrat_innen, wie Max Dor­tu schon vor mehr als 150 Jahren ver­sucht­en, diesem monar­chis­tis­chem Gemäuer mit Pflaster­steinen beizukom­men, war sich keine der Bran­den­burg­er Parteien zu dumm dazu, dieses Sym­bol abso­lutis­tis­ch­er Herrschaft 2014 wieder in Betrieb zu nehmen. Die gesellschaftlichen Kämpfe in Pots­dam wer­den weit­er gehen. Der Kampf um bezahlbare Mieten kann dabei nur ein Anfang sein. Soziale Gerechtigkeit inner­halb des Kap­i­talsver­hält­niss­es bleibt ein Oxy­moron, ein Wider­spruch in sich. Eine Stadt für alle kann es daher let­ztlich nur in ein­er Gesellschaft ohne Kap­i­tal­is­mus geben. Bis es soweit ist, müssen wir dem Sys­tem so viel wie möglich Freiräume abnöti­gen und dies gelingt vor allem mit Druck von der Straße. Auch wenn die lokale Presse und Poli­tik der Mei­n­ung sind, sie kön­nen fes­tle­gen, welche For­men des Wider­standes angemessen und legit­im erscheinen, behal­ten wir uns vor, das selb­st zu entschei­den. Zwangsräu­mungen gehören ver­hin­dert! Leer­ste­hen­der Wohn­raum oder öffentliche Gebäude gehören beset­zt! Kein Men­sch braucht die Gar­nisonkirche! Die Fra­gen, wem diese Stadt gehört, wird somit auch zukün­ftig eine Klassen­frage sein und wir wer­den sie klar zu beant­worten wis­sen: UNS ALLEN gehört die Stadt!

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