Kategorien
(Anti-)Rassismus

Landrat von Oberhavel: Wertgutscheine sind eine Beleidigung!

Der Lan­drat von Ober­hav­el, Karl-Heinz Schröter (SPD), hat Anzeige wegen „Belei­di­gung und Amt­san­maßung“ erstat­tet, nach­dem Besucher/-innen eines Stadt­festes in Oranien­burg an einem Grill­stand mit Gutscheinen bezahlen mussten. Mit dieser Aktion war die Prax­is des Land­kreis­es kri­tisiert wor­den, Flüchtlin­gen statt Bargeld Wertgutscheine auszugeben.

Mar­i­an­na Achma­towa von der Flüchtlingsini­tia­tive U.R.I (Unit­ed against Racism and Iso­la­tion) aus Hen­nigs­dorf erk­lärte dazu: „Die echt­en Gutscheine stellen eine tat­säch­liche Belei­di­gung der Men­schen dar, die ver­suchen in Deutsch­land von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch zu machen. Eigentlich soll­ten wir den Land­kreis anzeigen.“

Herr Schröter, sowie die Kreisver­wal­tung von Ober­hav­el sind erk­lärte Befür­worter des Gutschein­sys­tems und stellen sich damit gegen einen fortschrit­tlichen Trend in Bran­den­burg, wo bere­its über die Hälfte der Land­kreisen die Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz als Bargeld auszahlen. Auch die Lan­desregierung befür­wortet die Umstel­lung auf Bargeld, hat dafür aber keine Weisungsbefugnis.

Bei der Aktion am 26.06.2010 auf der vom „Forum gegen Ras­sis­mus und rechte Gewalt“ organ­isierten „Demokratiemeile“, mussten Besucher/-innen, die an besagtem Grill­stand essen woll­ten, zuvor „Gutscheine“ erwer­ben, die einen Teil der Unan­nehm­lichkeit­en echter Gutscheine mit sich bracht­en: Es gab kein Wech­sel­geld, die Auswahl aus dem Waren­sor­ti­ment war eingeschränkt und die Gutscheine mussten einzeln unter­schrieben, sowie ein Ausweis­doku­ment vorgezeigt werden.

Auf der Rück­seite der „Gutscheine“ war ein pro­voka­tiv­er Text aufge­druckt, der die Inten­tion des Gutschein­sys­tems deut­lich machen sollte, näm­lich die Besitzer/-innen auszu­gren­zen und zur baldigen Aus­reise zu bewe­gen. Dazu wur­den weit­er­führende Infor­ma­tion­s­ma­te­ri­alien verteilt.

Wir, die unterze­ich­nen­den Ini­tia­tiv­en, befür­worten die sehr pointierte Aufk­lärungsak­tion aus­drück­lich. Statt mit ein­er Anzeige darauf zu reagieren, sollte sich der Lan­drat lieber unsere Argu­mente anhören. Für unser zivilge­sellschaftlich­es Engage­ment stellt das Gutschein­sys­tem näm­lich ein erhe­blich­es Prob­lem dar.

Wie sollen wir uns denn glaub­würdig gegen Ras­sis­mus und für Demokratie in unserem Land­kreis engagieren, wenn die Kreisver­wal­tung durch ihren Umgang mit Flüchtlin­gen ein ent­ge­genge­set­ztes Sig­nal an die Bevölkerung sendet?

Forum gegen Ras­sis­mus und rechte Gewalt Oranien­burg
U.R.I. — Unit­ed against Racism and Iso­la­tion Hen­nigs­dorf
Linksju­gend Sol­id Ober­hav­el
Antifaschis­tis­chen Gruppe Oranienburg

Kategorien
Antifaschismus

Simmersdorf – Ein Ort, wo Nazis sich wohlfühlen können

Sim­mers­dorf — Am ver­gan­genen Son­ntag stellte Bran­den­burg Aktuell in sein­er Rubrik Land­schle­ich­er ein ganz beson­ders idyl­lis­ches Dorf im Land­kreis Spree-Neiße vor. Die cir­ca 300 Einwohner_innen feiern gern, freut sich die amtierende Bürg­er­meis­terin Doris Tamm, und ver­anstal­ten deshalb einen Wei­h­nachts­markt. Um tatkräftige Hil­fe braucht sich kein Men­sch Sor­gen machen. Es gibt die Frei­willige Feuer­wehr, den Dor­f­club für die Alten und den Jugend­klub für die jungge­bliebe­nen Nazis. Deshalb mag kein Men­sch in Sim­mers­dorf Aus­län­der. Es gibt zwar keine, aber nation­al denken viele trotz­dem. Im Land­kreis Döbern, zu dem Sim­mers­dorf gehört, wurde zweis­tel­lig nation­aldemokratisch gewählt.

Nazis gibt es selb­stver­ständlich nicht in Sim­mers­dorf. Die Bewohner_innen sind ein­fach nur tol­er­ant und wählen gern Protest. Mit den „etablierten Volksparteien“ wollen sie nix zu tun haben. Früher war’s die SED heute sind es die SPD, CDU, FDP, die Linke und so weit­er. Deshalb sitzt auch kein_e „Systempartei“-Bürokrat_in im Gemein­der­at – nur Aktive Sport sowie Heimat- und Naturfreunde.

Rico Tob­schall sitzt auch in der Volksvertre­tung des cir­ca 300-See­len-Dor­fes. Der glat­trasierte junge Mann, der gerne Thor Steinar Klam­ot­ten trägt und auf nordis­che Mytholo­gie ste­ht, führt außer­dem den Jugend­klub des Ortes. Von den 30 jun­gen Men­schen kom­men zwar nur noch wenig, aber diejeni­gen, die kom­men, sind äußerst aktiv.

Kristin Krüger ist aber trotz­dem gar nicht aufge­fall­en, daß Nazis und ihr Gedankengut in Sim­mers­dorf unkri­tisch wach­sen und gedei­hen darf. Die Frei­willige Feuer­wehr lebt von ihren Nazis. Der Jugend­club sowieso. Schließlich trägt sein Chef unhin­ter­fragt Nazik­lam­ot­ten spazieren. Cot­tbus, Sprem­berg und die anderen Zen­tren des Nationalen Wider­stands sind eben­falls nicht weit weg. Aber all das inter­essiert Krüger offen­bar nicht. Dann lieber schon die net­ten Dorfbewohner_innen zeigen.

Eine „rechte Szene“ gibt es in Sim­mers­dorf selb­stver­ständlich nicht. Die Blood & Hon­our Band Frontalkraft aus Cot­tbus probt(e) nur seit Jahren in ein­er ehe­ma­li­gen LPG Baracke am Dor­frand. Die ominösen “White Aryans Bran­den­burg” scheinen eben­falls eine beson­dere Beziehung zum Land­kreis Spree-Neiße zu haben. Im Okto­ber 2009 fan­den gle­ich zwei Ver­anstal­tun­gen von Nazis statt. Aber mit den Jugendlichen im Dorf hat das nix zu tun. Meint zumin­d­est die ehre­namtliche Bürg­er­meis­terin Doris Tamm.

Es gibt keine recht­sex­tremen Ten­den­zen im Ort. Es ist eine rechte Grup­pierung pri­vat untergekom­men. Für meine Leute im Jugend­klub im Gemein­dezen­trum lege ich dage­gen meine Hand ins Feuer. Das sind vernün­ftige Leute, die etwas im Kopf haben.”

Na wenn sich Frau Tamm bei ihrem Bür­gen für die Sim­mers­dor­fer Jugendlichen nicht mächtig ver­bren­nt. Aber die Nazis in ihrem Dorf sind ohne­hin nicht ihr größtes Prob­lem. Das Image der Stadt als Nar­ren­metro­pole und aus­ge­lassenes Feier­dorf inter­essiert sie mehr.

Der Ort darf durch so etwas nicht in Mitlei­den­schaft gezo­gen wer­den. So etwas kann man auch nicht beweisen. Ich kenne doch auch die ganze Sym­bo­l­ik nicht.”

Ihr Unwis­sen und ihre Igno­ranz gegenüber dem Prob­lem hätte durch Kristin Krüger und den rbb beseit­igt wer­den kön­nen und müssen. Dann hätte die Bürg­er­meis­terin schnell fest­gestellt, daß Rico Tob­schall, ihr Chef des so hochgelobten Jugend­klubs, eine maßge­bliche Rolle in den Nazistruk­turen im Ort spielt.

Außer­dem müßte Tamm spätestens nach dem Wirbel um ein von Polizeikräften aufgelöstes Nazikonz­ert im Ort und dem Besuch der Chefin des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes im ver­gan­genen Herb­st zu Sym­bol­en und Klam­ot­ten umfaßend informiert sein. Da Tob­schall aber immer noch im Jugend­klub ist, fröh­lich Thor Steinar Klam­ot­ten und andere ein­schlägige Naz­i­mode trägt, scheint Tamm ihr Ober­nazi egal zu sein.

Die Baracke am Dor­frand, in der Nazis immer wieder auch schon vor dem aufgelösten Nazikonz­ert und danach gefeiert haben, wurde im Früh­jahr diesen Jahres Ziel ein­er Brand­s­tiftung. Die Polizei sprach in diesem Zusam­men­hang von einem „Jugendtr­e­ff der recht­en Szene“.

Also, der Ort Sim­mers­dorf ist offen­sichtlich doch nicht so idyl­lisch und harm­los. Kristin Krüger hätte dies wis­sen müssen und hat es selb­st gese­hen. Nur ein wenig Recherche in den eige­nen Archiv­en und in der Lausitzer Rund­schau hätte dazu geführt den Ort etwas dif­feren­ziert­er und kri­tis­ch­er zu betra­cht­en. Diese Igno­ranz gegenüber den Struk­turen stärkt die Freie Nationalist_innen Szene.

Über­griffe übri­gens wird es in Sim­mers­dorf sel­ten geben. Schließlich gibt es keine alter­na­tive Gegenkul­tur oder Migrant_innen im Ort. Mil­i­tant aktiv sind die Nazis der Region deshalb vor allem in Cot­tbus. Um darauf aufmerk­sam zu machen fand am Sam­stag in Cot­tbus eine Antifa Demo gegen Nazige­walt statt. Krüger ignori­ert dies. Hin­ter­grund waren zunehmend gewalt­tätigere Über­griffe im Spree-Neiße Landkreis.

Der Beitrag von Kristin Krüger zeigt ein­drucksvoll, wozu Ver­schweigen und Igno­ranz führt. Nazis dür­fen sich unge­niert äußern. Das Dorf und sein Zusam­men­halt wird beispiel­gebend. Die „Glatzen“, Bomber­jack­en und die anderen Old­school-Nazi-Assec­oires fall­en gar nicht auf. Krüger hat so einen ver­harm­losenden und steuer­fi­nanzierten PR-Beitrag für ein Dorf abgeliefert, in dem Nazis unbe­hel­ligt, etabliert und vom Dorf geschützt schal­ten und wal­ten können.

Update

Der rbb hat das Video und den Text des “Land­schle­ich­ers” von sein­er Seite ent­fer­nt. Hier der Google-Cache. Wenn jemen­sch weiß, wie der Beitrag gerettet wer­den kann, dann bitte ergänzen und / oder verlinken.

Kategorien
(Anti-)Rassismus Law & Order

Protest gegen Abschiebung nach Vietnam

Schöne­feld — Am 29. Novem­ber 2010 wur­den 50 viet­name­sis­che Flüchtlinge durch die Flugge­sellschaft Aeroflot vom Flughafen Berlin-Schöne­feld über Moskau nach Hanoi (Viet­nam) abgeschoben. Die Flüchtlinge waren laut eines taz-Artikels [1] vor allem aus ökol­o­gis­chen und finanziellen Grün­den von Viet­nam nach Deutsch­land gekom­men. Rund die Hälfte von ihnen war seit Sep­tem­ber im Abschiebek­nast Grü­nau inhaftiert.

Die Ruhe gestört

Gegen die Sam­me­lab­schiebung protestierten rund 30 Men­schen aus ver­schiede­nen Spek­tren, sowohl außer­halb des Flughafens mit ein­er unangemelde­ten Kundge­bung, die durch eine Sam­ba-Gruppe unter­stützt wurde, als auch inner­halb des Flughafens durch das Zeigen von Trans­par­enten und Schildern, das Rufen von Parolen, sowie das Verteilen von Flug­blät­tern. Während die ver­hält­nis­mäßig stark vertretene Polizei die Kundge­bung ohne größere Prob­leme auf dem Gehweg gegenüber des Ein­ganges zum Ter­mi­nal A tolerierte, wurde Protest im Flughafenge­bäude unter­bun­den. Jedoch schafften es Aktivist*innen immer wieder, in der Haupthalle, sowie im Obergeschoss des Ter­mi­nals ihren Unmut über die Abschiebung kundzu­tun. Dies führte allerd­ings zu vere­inzel­ten Per­son­alien­fest­stel­lun­gen und Platzver­weisen für das Flughafenge­bäude. Die kon­trol­lierten Per­so­n­en kon­nten jedoch weit­er­hin an der Kundge­bung teilnehmen. 

Ver­spä­tung durch Protest?

Aktivist*innen sprachen gezielt Pas­sagiere an, welche mit der­sel­ben Mas­chine wie die Flüchtlinge fliegen wür­den. Einzelne Flug­gäste erk­lärten, soll­ten die Flüchtlinge tat­säch­lich an Bord sein, wür­den sie gegen die Abschiebung protestieren. Möglicher­weise war dies auch der Grund für die rund halb­stündi­ge Ver­spä­tung des Abschiebe­fluges mit der Flugnum­mer SU 112, welch­er gegen 10.20 Uhr von der Anzeigetafel ver­schwand.; der Start der Mas­chine war für 9:50 Uhr angesetzt.

Spon­tane Demonstration

Einige Zeit, nach­dem die Mas­chine ges­tartet war, macht­en sich die Abschiebungsgegner*innen in Form eines – eben­falls unangemelde­ten – Demon­stra­tionszuges auf den Weg zum S‑Bahnhof. Die Polizei hielt sich im Hin­ter­grund und ver­mied eine Eskala­tion der Lage, sodass ungestört bis zum Bahn­steig demon­stri­ert wer­den konnte.

Abschiebestopp – Aeroflot-Boykott!“

Später am Tag wurde der Aeroflot-Geschäftsstelle, die sich Unter den Lin­den befind­et, ein Besuch abges­tat­tet. Auch hier waren Sam­bis­tas anwe­send und zogen durch ihre Musik die Aufmerk­samkeit der Autofahrer*innen und Passant*innen auf sich, welche mit Trans­par­enten und Sprechchören über die Inten­tion der Demon­stri­eren­den informiert wer­den soll­ten. So trug ein Trans­par­ent beispiel­sweise die Auf­schrift „Täglich ster­ben min­destens 2 Men­schen auf der Flucht nach Europa“ und es wur­den Parolen gerufen wie „Um Europa keine Mauer – Bleiberecht für alle und auf Dauer!“ Außer­dem riefen die Aktivist*innen zum Boykott von Aeroflot auf, was bere­its im Vor­feld die Flüchtlingsräte Berlin und Bran­den­burg getan hat­ten. [2] Eine Mitar­bei­t­erin von Aeroflot antwortete auf die Frage, was sie davon halte, dass die Fir­ma, für die sie arbeite, Men­schen abschiebe, dazu wolle sie sich nicht äußern.

Nicht leise, aber ruhig

Während der spon­ta­nen Kundge­bung vor Aeroflot passierten lediglich mehrere Polizeistreifen die Kundge­bung, jedoch ohne einzuschre­it­en. Auch beim Ver­lassen des Ortes wur­den die Aktivist*innen in kein­er Weise von der Polizei daran gehin­dert, mit Trans­par­enten und Musik auf dem Gehweg zu laufen; die Teilnehmer*innen wur­den auch nicht „begleit­et“ oder angesprochen. 

Vom Protest zum Widerstand?!

Zwar ver­liefen die Aktio­nen ruhig und ohne größeren Ärg­er mit der Polizei; jedoch muss fest­ge­hal­ten wer­den, dass es sich dabei lediglich um Protest han­delte, welch­er die Abschiebung nicht ver­hin­derte, geschweige denn ein „Bleiberecht für alle“ durch­set­zte. Dies ist allerd­ings auf­grund der gesellschaftlichen Akzep­tanz von so genan­nten „Rück­führun­gen“ (sprich: Abschiebun­gen), sowie auf­grund des gerin­gen Aus­maßes an Men­schen, die Abschiebun­gen effek­tiv ver­hin­dern wollen, nicht ver­wun­der­lich. Dass sich dies am 6. Dezem­ber ändert, wenn die zweite Sam­me­lab­schiebung nach Viet­nam vol­l­zo­gen wer­den soll, wäre wün­schenswert, ist aber auf­grund der aktuellen Lage nicht wahrschein­lich. Trotz­dem muss die Per­spek­tive klar bleiben:

Für eine Welt ohne Gren­zen und Natio­nen!
Uneingeschränk­te Bewe­gungs­frei­heit für alle!

Fußnoten:

[1] „Rauswurf ins Ungewisse“ vom 11. Novem­ber 2010
[2] Pressemiteilung vom 26. Novem­ber 2010

Presse­berichteim Vorfeld:

Kategorien
Klima & Umwelt

RWE an der HNEE – NEE!!!

Am 29.11.2010 geschieht skan­dalös­es an der so genan­nten Hochschule für ‘’nach­haltige” Entwick­lung (HNE), denn im Rah­men der Mas­ter Class Course Con­fer­ence “Renew­able Ener­gies” wird einem der größten Atom­strom- und Kohlelob­by­is­ten Deutsch­lands eine Plat­tform für eine Green­wash­ing-Kam­pange geboten, ohne Raum für Kri­tik und Diskus­sio­nen zur Ver­fü­gung zu stellen, das heißt im Klar­text, die Lob­by­is­ten der Kohlein­dus­trie kön­nen in Ruhe unter dem Dach der Hochschule eine Wer­bev­er­anstal­tung hal­ten, ohne dass kri­tis­che Stim­men offiziell einen Platz im Pro­gramm haben.

Der Ref­er­ent Herr Gassner ist Leit­er der Abteilung Märk­te und Poli­tik bei der RWE Inno­gy GmbH und wird über “Erneuer­bare Energien — gemein­sam für Europa” sprechen. Um sich aber wirk­lich eine aus­ge­wo­gene und fundierte Mei­n­ung zu einem The­ma bilden zu kön­nen, muss solch eine Prob­lematik, ger­ade wenn sie so entschei­dend und wichtig für die zukün­ftige Energiegewin­nung ist, von ver­schiede­nen Blick­winkeln beleuchtet und bedacht wer­den kön­nen. Dies ist aber in dem engen Pro­gramm der HNEE nicht vorge­se­hen. Es wird schlicht kein zeitlich­er Raum dafür zur Ver­fü­gung gestellt.

So wird eine ein­seit­ige Sichtweise, die der gewin­nori­en­tierten Energiekonz­erne, welche schon eine monop­o­lis­tis­che Stel­lung auf dem Energiemarkt haben, dargestellt mit­tels des vor­lesungsüblichen Duk­tus des Frontalun­ter­richts ohne eine Ein­beziehung der Hör­er. Kri­tis­ches Mit­denken ist aus­drück­lich nicht erwünscht.Um den Skan­dal bess­er nachvol­lziehen zu kön­nen, hier ein paar Fak­ten über den Konz­ern RWE: 70% der von RWE pro­duzierten Energie stammt aus Braun- und Steinkohle­ver­bren­nung. Das ist die kli­maschädlich­ste Stromerzeu­gungsmeth­ode, bei der RWE jährlich etwa 170.000.000 Ton­nen CO² ausstößt. Somit ist allein RWE für 20% der gesamten CO²-Emis­sio­nen Deutsch­lands verantwortlich.

Außer­dem wer­den 20% der RWE-Energie mit­tels Atom­kraft hergestellt und das obwohl wed­er die End­lager­prob­lematik gek­lärt ist, sowie die so genan­nte ”Brück­en­tech­nolo­gie” den Aus­bau und die Entwick­lung der Erneuer­baren Zukun­ft­stech­nolo­gie behin­dert, welche sieben Mal mehr Arbeit­splätze bietet als die kli­maschädliche Atom­en­ergie. Denn die AKWs sind zu unflex­i­bel, um das schwank­ende Energieange­bot der Erneuer­baren zu ergänzen, d.h. schon heute müssen Wind­kraftan­la­gen abgeschal­tet wer­den, weil Atom­strom die Net­ze verstopft.Hinzu kommt, dass der Anteil an Erneuer­baren Energien bei RWE in Deutsch­land 2009 nur 1,1% seines Stroms betrug, während der Anteil der Erneuer­baren Energien beim Brut­tostromver­brauch bere­its bei 16% lag.

Bei diesen Infor­ma­tio­nen läuft einem ein kalter Schauer über den Rück­en und man fragt sich, was so ein Mitar­beit­er solch eines Konz­erns über Erneuer­bare Energien erzählen sollte. Wäre es nicht bess­er einen Fachmann/frau beispiel­sweise von den Elek­triz­itätswerken Schö­nau einzu­laden und zu diesem The­ma referieren zu lassen? Die Elek­triz­itätswerke Schö­nau erzeu­gen 90,9% ihres Stromes Mit­tels Erneuer­bar­er Energien, z.B. wer­den 73% aus Wasserkraft in Neuan­la­gen pro­duziert. Die restlichen 9,1% wer­den mit gas­be­trieben­er, hochef­fizien­ter Kraft-Wärme-Kop­plung hergestellt. Aber nein, die E‑Werke Schö­nau haben wed­er so viel Geld, noch so eine ein­flussre­iche Lob­by wie RWE, Vat­ten­fall etc. hin­ter sich.

Hier zeigt sich wieder, dass es nicht gut ist, wie es im Kap­i­tal­is­mus die Norm ist, dass Bil­dung zur Ware wird und Hochschulen zu Unternehmen, die nicht mehr das Hauptziel haben Wis­sen zu ver­mit­teln und zum Kri­tis­chen Denken an zu regen, son­dern Hochschulen sind dem kap­i­tal­is­tis­chen Mark­tzwän­gen unter­wor­fen, um ihre Lehre zu finanzieren, denn im Bil­dungssek­tor wer­den immer fröh­lich die Gelder gestrichen, ob die regieren­den Mar­i­onet­ten der Konz­erne nun rot-grün oder schwarz-gelb sind, spielt dabei nur eine neben­säch­liche Rolle.Um der ganzen Ver­anstal­tung an der HNE noch die Kro­ne auf zu set­zen, spricht zwei Stun­den vorher in der gle­ichen Ver­anstal­tung nur unter dem Titel „CCS — Inno­v­a­tive Lösun­gen zum Kli­maschutz aus Bran­den­burg“ Dr. Klaus Frey­tag, der Präsi­dent vom Lan­desamt für Berg­bau, Geolo­gie und Rohstoffe Bran­den­burg. Die CCS-Tech­nolo­gie wird von Energiekonz­er­nen wie E.ON, RWE und Vat­ten­fall als Recht­fer­ti­gung für den Bau neuer Kohlekraftwerke benutzt, kommt aber viel zu spät, denn bish­er wer­den nur Tes­tanla­gen gebaut und ob diese wirk­lich sich­er sind, ste­ht noch in den Sternen.

Hinzu kommt, dass die CCS-Tech­nolo­gie nicht nur gefährlich ist, denn an undicht­en Stellen, an welchen CO² hochkonzen­tri­ert aus­tritt, wür­den Men­schen­leben gefährdet sowie Boden und Grund­wass­er verseuchen wer­den. Diese Tech­nolo­gie ist außer­dem noch extrem kosten- und energiein­ten­siv, sowie immer noch in der Test­phase. Also, kann am sel­ben Tag ein zweit­er Lob­by­ist fröh­lich Green­wash­ing, in diesem Fall für eine unsichere, unökol­o­gis­che und inef­fiziente Tech­nolo­gie, betreiben. Was soll man dazu noch sagen?

Zum Glück regt sich Wider­stand gegen das Green­wash­ing und der Käu­flichkeit der HNEE, denn ini­tiert von der Grü­nen Jugend und in Koop­er­a­tion mit der LINKEN AKTIONSGRUPPE EW find­et eine Aufk­lärungsak­tion über die Machen­schaften RWEs statt, die zum Ziel hat die Teilnehmer_innen dieser, aus ökol­o­gis­ch­er Sicht frag­würdi­gen Ver­anstal­tung, über die genauen Hin­ter­gründe zu informieren. Dies geschieht mit­tels ein­er Fly­er­ak­tion. Auf den Fly­ern wird auch dazu aufgerufen Her­rn Gassner mit diesen Fak­ten zu kon­fron­tieren. Da die Teilnehmer_innen auch ein Pro­tokoll der Ver­anstal­tung anle­gen müssen, wer­den wir sie auf­fordern diese Fak­ten auch in das Pro­tokoll aufzunehmen. Außer­dem wer­den wir zum Zeit­punkt des Vor­trages mit einem Trans­par­ent, Atom­fässern und einigem mehr zuge­gen sein, um den Vor­trag nicht kri­tik­los über die Bühne gehen zu lassen und unserem Protest nach­drück­lich Aus­druck zu verleihen.

Unser Ziel ist es, den Wider­spruch deut­lich zu machen, der zwis­chen dem Namen der Hochschule (für Nach­haltige Entwick­lung) und diesem Green­wash­ing von RWE beste­ht. Solche Vorträge soll­ten an der HNEE keine Bühne bekom­men! Als wir den Hör­saal stürmten und die Ver­anstal­tung block­ierten, kam es zu ein­er Diskus­sion mit dem Präsi­den­ten der Hochschule, der uns Aktivis­ten dann zur kostelosen Teil­nahme ein­lud, die wir an nah­men. So ent­stand eine Möglichkeit an der Poli­tik der HNE sowie dem Konz­ern nochmals aus­drück­lich Raum zu ver­lei­hen, was wir auch inten­siv nutzten. Da an der Diskus­sion auch viele erst unbeteiligte Stu­den­ten mit­macht­en, war die Aktion ein voller Erfolg, denn man kann nun hof­fen, dass die Organ­isatoren der HNE es sich noch ein­mal gründlich über­legen, ob sie solche Lob­by­is­ten einladen…

Kategorien
Antifaschismus

Antifa-Protest gegen Nazigewalt

INFORIOT Am Sam­stag haben in der Cot­tbusser Innen­stadt etwa 250 Antifas gegen rechte Gewalt demon­stri­ert. Unter dem Mot­to “Es ist immer ein Angriff auf uns alle” wurde auf die mas­sive Nazige­walt in den ver­gan­genen Monat­en in Südost-Bran­den­burg hingewiesen.

Auf­fäl­lig ist, wie sehr alter­na­tive Tre­ff­punk­te in den Fokus der mil­i­tan­ten Recht­en gerückt sind. Erst am 11. Novem­ber zer­schmetterten Neon­azis die Scheiben des Cot­tbusser Alter­na­tivpro­jek­ts Zelle 79. Als Reak­tion auf diesen Angriff hat­te die Antifa Cot­tbus kurzfristig zu der Demon­stra­tion aufgerufen.

Zu nen­nen sind jedoch noch weit­ere ähn­liche Attack­en. In Sprem­berg wurde der Klub des Vere­ins Pirat­en gle­ich mehrfach, zulet­zt am 13. Novem­ber, attack­iert. Auch auf dem Gelände des Park 7 in Forst warf vor eini­gen Monat­en eine Gruppe ver­mummter Neon­azis die Scheiben ein. Hinzu kommt eine große Anzahl von Gewalt­tat­en gegen Per­so­n­en. (Beispiele sind in einem Bericht der Opfer­per­spek­tive gelistet.)

Vom Laut­sprecher­wa­gen der Demon­stra­tion aus wur­den Pas­san­tInnen immer wieder mit kurzen Ansagen auf die Eskala­tion rechter Gewalt aufmerk­sam gemacht. Die Demon­stran­tInnen riefen Parolen wie “Aler­ta Antifascista”.

Von einem Häuser­dach aus wurde die Demon­stra­tion von eini­gen AktivistIn­nen mit einem Feuer­w­erk und dem Schwenken ein­er Antifa-Fahne gegrüßt. Die Demon­stran­tInnen freute es sichtlich, die Polizei weniger — sie stürmte mit einem Dutzend Behelmten in das Haus.

In ver­schiede­nen Rede­beiträ­gen wurde neben der Gewalt auch der Struk­tu­rauf­bau der Neon­azis in Cot­tbus und Umge­bung the­ma­tisiert. Mit­tler­weile gibt es in Cot­tbus selb­st mit dem “Dev­ils Right Hand Store” und dem Thor-Steinar-Laden “Ose­berg” gle­ich zwei rechte Sze­negeschäfte. Kam­er­ad­schaften sind in der Region ver­ankert und die NPD sitzt mit zwei Man­dat­en im Cot­tbusser Stadtparlament.

Die Demon­stra­tion kon­nte erst mit etwa ein­er Stunde Ver­spä­tung starten. Grund: Am Haupt­bahn­hof war zum Zeit­punkt des eigentlichen Ver­samm­lungs­be­ginns eine größere Gruppe Antifas von der Polizei mit unbekan­nter Begrün­dung eingekesselt worden.

Nach unbestätigten Angaben von Beobach­terIn­nen sei es dort auch zu min­destens ein­er Fes­t­nahme gekom­men. Um die eigentliche Demon­stra­tion herum bewegten sich immer wieder kleinere Grup­pen Neon­azis. Es kam jedoch bis zum Demoende am späten Nach­mit­tag zu keinen Konfrontationen.

Kategorien
(Anti-)Rassismus Law & Order

Deportation Class bei Aeroflot

Am 29. Novem­ber und am 6. Dezem­ber wer­den jew­eils 50 Viet­namesin­nen  und Viet­name­sen mit ein­er Sam­me­lab­schiebung zwangsweise von Berlin Schöne­feld nach Hanoi gebracht. Die Flüchtlingsräte Berlin und Bran­den­burg verurteilen die Abschiebun­gen scharf und rufen zum Boykott  der durch­führen­den Flugge­sellschaft Aeroflot auf. 

Viet­nam ist ein Land, in dem Bewe­gungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit nach  wie vor stren­gen Kon­trollen unter­liegen und rechtsstaatliche Prinzip­i­en  nur eingeschränkt gel­ten. Viet­nam ist ein armes Land, das immer noch  unter den Fol­gen des Krieges lei­det, der in Europa und den USA längst  vergessen ist.

Etwa die Hälfte der Men­schen, die mit den bei­den Flü­gen nach Viet­nam  gebracht wer­den sollen, ist derzeit in Berlin und Bran­den­burg in  Abschiebe­haft. Unter den Abschiebe­häftlin­gen befind­et sich Herr A., der  in Berlin Frau und Kinder hat. Sein Anwalt bemüht sich, die Abschiebung  und Fam­i­lien-tren­nung noch zu ver­hin­dern. Bei Frau T. ist der Ver­such, die Abschiebung zu stop­pen, gescheit­ert. Sie reiste ein, um ihren Fre­und  zu heirat­en, der in Deutsch­land als anerkan­nter poli­tis­ch­er Flüchtling  lebt. Die Aus­län­der­be­hörde ließ dem Standesamt aber keine Zeit, ihre Doku­mente in Viet­nam über­prüfen zu lassen und ver­fügte die Abschiebung  und Inhaftierung.

In Abschiebe­haft befind­en sich auch Men­schen, die gerne aus­reisen  wollen, aber das Geld fürs Tick­et nicht auf­brin­gen kön­nen. Andere wären  nach Haft und Zer­mür­bung durch die Aus­län­der­be­hör­den bere­it,  auszureisen, aber die frei­willige Aus­reise wird ihnen ver­wehrt. Eine  Abschiebung bedeutet: Wiedere­in­reis­es­perre min­destens bis die Haft- und Abschiebekosten (in der Regel in vier­stel­liger Höhe) beglichen wor­den sind.

Mar­ti­na Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin: „Wir lehnen Abschiebun­gen als restrik­tives Ele­ment ein­er europäis­chen Abschot­tungs- und Migra­tionspoli­tik ab. Es ist skan­dalös, dass sich Flugge­sellschaften wie  die Aeroflot am schmutzi­gen Abschiebegeschäft beteili­gen. Wir fordern  die Piloten der bei­den Abschiebe­maschi­nen auf, sich nicht zum Gehil­fen  der Bun­de­spolizei machen zu lassen und keine Pas­sagiere gegen ihren  Willen zu befördern. Auch Mitreisende kön­nen die Abschiebun­gen  ver­hin­dern, indem sie sich weigern, sich hinzuset­zen und anzuschnallen.“

Die Flüchtlingsräte Berlin und Bran­den­burg rufen zum Boykott der  Aeroflot auf und starten eine Fax- und Email-Kam­pagne. (Vor­lage zum Down­load unter www.fluechtlingsrat-berlin.de)

Kategorien
(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Alarmierende Entwicklung in Südostbrandenburg

In den ver­gan­genen Monat­en ist die Zahl rechtsmo­tiviert­er Angriffe auf alter­na­tive und linke Jugendliche drama­tisch gestiegen. Zudem attack­ieren mil­i­tante Rechte alter­na­tive Jugend­pro­jek­te in Cot­tbus, Forst und Sprem­berg. Bere­its im April hat­te die Opfer­per­spek­tive auf die beden­klichen Entwick­lun­gen in Südost­bran­den­burg hingewiesen. Auf dem Sprem­berg­er Heimat­fest am zweit­en August­woch­enende dieses Jahres kam es zu ein­er Rei­he schw­er­er rechtsmo­tiviert­er Straftat­en. So wurde unter anderem ein Punk mit einem Base­ballschläger attack­iert und ver­let­zt. Direkt auf dem Fest­gelände schlu­gen ver­mummte Neon­azis mit Quarzhand­schuhen und Teleskop­schlagstöck­en zwei Jugendliche. Beobach­tun­gen zufolge zogen zudem rund 50 Neon­azis vom Heimat­fest zum nahegele­ge­nen alter­na­tiv­en Jugend­klub »Pirat­en«. Beim Ver­such, das Haus zu stür­men, wurde die Haustür beschädigt. Schon einige Tage vor dem Fest­geschehen war ein Punk von zwei Recht­en zusam­mengeschla­gen worden.

 

Gezielte Angriffe auf alter­na­tive Strukturen

 

Seit August ist es in Sprem­berg zu weit­eren recht­en Angrif­f­en gekom­men. Am 11. Sep­tem­ber 2010 schlu­gen Rechte einen Alter­na­tiv­en so heftig zusam­men, dass er im Kranken­haus behan­delt wer­den musste. Am 12. Novem­ber 2010 ran­dalierten Rechte erneut vor dem Jugend­klub »Pirat­en«. Zehn Tage später, am 22. Novem­ber 2010, trak­tierten in Großräschen vier Neon­azis mit Schlä­gen ein Vor­standsmit­glied des Trägervere­ins des Jugend­klubs. In Sprem­berg dro­ht die Gewalt­strate­gie der Neon­azis aufzuge­hen: Weil er die übri­gen Bewohner­In­nen seines Haus­es durch die Attack­en der Recht­en gefährdet sieht, hat der Ver­mi­eter den Mietver­trag mit den »Pirat­en« gekündigt. Der Klub ist dadurch in sein­er Exis­tenz bedroht.

In Forst ste­hen das unab­hängige Kul­tur- und Begeg­nungszen­trum »Park 7« und seine BesucherIn­nen im Fokus der lokalen recht­en Szene. Im Juli ran­dalierten 15 bis 20 Ver­mummte vor dem Klub­haus und war­fen Fen­ster­scheiben ein. Alles deutet darauf hin, dass die Angreifend­en dem recht­en Spek­trum ange­hörten. Mitte Okto­ber fand mor­gens ein junger Link­er aus Forst, der in Leipzig gegen einen Neon­azi­auf­marsch protestieren wollte, sein Auto mit eingeschla­gen­er Frontscheibe vor – bek­lebt mit rechtem Propagandamaterial.

In Cot­tbus war­fen Mitte Novem­ber drei ver­mummte Per­so­n­en im Haus­pro­jekt »Zelle 79« die Scheiben ein. Durch die Stein­würfe entsand erhe­blich­er Sach­schaden. Einen Tag später wurde der sow­jetis­che Ehren­fried­hof in Cot­tbus geschän­det. Seit den Som­mer­monat­en bis in den Herb­st hinein kam es in Cot­tbus immer wieder zu teil­weise mas­siv­en Belei­di­gun­gen und Ein­schüchterun­gen alter­na­tiv­er Jugendlich­er und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund. Ins­beson­dere im Puschk­in­park wur­den mehrfach Jugendliche ange­grif­f­en. Es ist davon auszuge­hen, dass nicht alle Kör­per­ver­let­zun­gen von den zum Teil sehr jun­gen Opfern angezeigt wurden.

Eine Eskala­tion rechter Gewalt ist zu befürchten

In Südost­bran­den­burg existieren aktive Neon­azistruk­turen. Vor allem die soge­nan­nte Volk­stod-Kam­pagne der Kam­er­ad­schaftsstruk­tur »Spreelichter« ent­fal­tet seit Anfang 2009 aus­ge­hend ins­beson­dere von Lübben und Lübbe­nau eine bedrohliche Wirkung. Mit­tels pathetisch insze­nierte Aktio­nen und über das Inter­net ver­bre­it­eter Texte und Videos wird ver­sucht, die Demokratie zu diskred­i­tieren und verächtlich zu machen. Spruch­bän­der, die an Häusern und Auto­bahn­brück­en aus­gerollte wer­den, Sprühereien und verklei­dete Auftritte bei Fes­ten und Ver­anstal­tun­gen sind zu einem Marken­ze­ichen der »Spreelichter« in ganz Südost­bran­den­burg gewor­den. Inzwis­chen entste­hen auch in anderen Städten, z. B. in Sprem­berg, Inter­net­seit­en nach dem Vor­bild des Neon­az­izusam­men­hangs. Aktiv ist auch die NPD. Das ganze Jahr über war sie an fast jedem Woch­enende mit Infos­tän­den in Süd­bran­den­burg­er Gemein­den präsent. Seit August wird der rechte Lifestyle zudem von einem neuen Ladengeschäft in der Cot­tbuser Bahn­hof­s­traße bedi­ent. Im »Ose­berg« sind Klei­dungsstücke der Marke »Thor Steinar« zu bekom­men. Die Bek­lei­dungs­marke bedi­ent sich völkisch­er Sym­bo­l­ik mit NS-Bezug und ist unter Neon­azis sehr beliebt.

Die Angriffe auf alter­na­tive Tre­ff­punk­te in Südost­bran­den­burg müssen in einem über­re­gionalen Zusam­men­hang betra­chtet wer­den. Auf­fäl­lig ist, dass sich direk­te Angriffe von Neon­azis in Ost­deutsch­land häufen. Zu nen­nen sind etwa die Bran­dan­schläge auf Wohn­pro­jek­te in Dres­den, ein Angriff auf ein alter­na­tives Zen­trum in Salzwedel (Sach­sen-Anhalt), mehrere Angriffe auf das Jugend­wohn­pro­jekt »Mit­ten­drin« in Neu­rup­pin (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) sowie der Bran­dan­schlag auf einen linken Buch­laden in Berlin-Kreuzberg. Belege für ein Erstarken der recht­en Szene – nicht nur in Südost­bran­den­burg. Die Opfer­per­spek­tive befürchtet angesichts der zahlre­ichen Vor­fälle in jüng­ster Zeit, dass eine weit­ere Eskala­tion rechter Gewalt in dieser Region nicht auszuschließen ist.

siehe auch Cot­tbus: Anhal­tende Gewalt gegen alter­na­tive Jugendliche

Chronolo­gie von Angrif­f­en in Südost­bran­den­burg, die auf Recherchen der Opfer­per­spek­tive beruht.

Nr. Datum Ort Geschehen
1 15.2.10 Cot­tbus Ein junger Mann wurde am späten Abend aus ein­er größeren Gruppe her­aus ange­grif­f­en. Die Täter schlu­gen mit Flaschen auf ihn ein und trat­en ihn, bis er zu Boden ging. Dort liegend wurde er weit­er geschla­gen, getreten und mit Flaschen beworfen.
2 16.2.10 Cot­tbus Zwei deutsche Staats­bürg­er wurde Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung, die sich »gegen links« richtete. Es wur­den zwei Tatverdächtige ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
3 16.2.10 Cot­tbis Beim Ver­lassen sein­er Woh­nung traf ein junger Mann auf eine Gruppe Neon­azis, die ihn mit den Worten »Jet­zt kriegen wir Dich!« begrüßten. Der Jugendliche ran­nte weg. Die ihn ver­fol­gen­den Neon­azis kon­nten ihn jedoch nicht einholen.
4 20.2.10 Cot­tbus Eine 17-Jährige wurde im Stadtzen­trum von zwei jun­gen Män­nern im Alter von 18 und 20 Jahren geschla­gen und getreten. Dabei wurde die linksori­en­tierte junge Frau am Knie ver­let­zt. Die Täter sind der Polizei als recht­sori­en­tiert bekannt.
5 23.3.10 Cot­tbus In der Puschk­in­prom­e­nade wurde ein Schüler kurz nach 9 Uhr von ein­er Gruppe Rechter als Zecke beschimpft. Die Angreifer, die szene­typ­is­che Klei­dung tru­gen, schlu­gen mehrfach auf den 19-Jähri­gen ein. Ein Auffind­en der Täter gelang der her­beigerufe­nen Polizei nicht.
6 26.3.10 Döbern Nach Dro­hun­gen im Inter­net schlu­gen zwei Rechte einen 19-Jähri­gen mit der Faust ins Gesicht und ver­set­zten ihm einen Kopf­s­toß. Später skandierte unter anderem der Haupt­täter vor der Woh­nung des Ver­let­zten Parolen. Am Fol­ge­tag ran­dalierte der Rechte mit einem Begleit­er vor der Woh­nungstür des Jugendlichen und belei­digten dessen Mutter.
7 8.4.10 Cot­tbus Am Puschk­in­park wurde ein 20-jähriger Alter­na­tiv­er von zwei Recht­en geschla­gen. Am Boden liegend traf ihn unter anderem ein Tritt mit einem Springer­stiefel im Gesicht.
8 8.4.10 Cot­tbus Ein 17-Jähriger wurde aus ein­er Gruppe von etwa zehn Recht­en als »Scheiß Zecke« belei­digt, vom Fahrrad gezo­gen und mit einem Teleskop­schlag­stock zusam­mengeschla­gen. Das Opfer erlitt unter anderem einen Trom­melfel­lan­riss und musste ambu­lant im Kranken­haus behan­delt werden.
9 4.5.10 Drebkau Ein Staats­bürg­er viet­name­sis­ch­er Herkun­ft wurde aus ras­sis­tis­chen Motiv­en Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung. Es wurde ein Tatverdächtiger ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
10 3.6.10 Drebkau Ein Deutsch­er viet­name­sis­ch­er Herkun­ft wurde aus ras­sis­tis­chen Motiv­en Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung. Es wurde ein Tatverdächtiger ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
11 4.6.10 Cot­tbus Vier im Puschk­in­park Punkmusik hörende Jugendliche wur­den von etwa 15 Recht­en ange­sprochen und provoziert. Kurz danach eskalierte die Sit­u­a­tion. Zwei der alter­na­tiv­en Jugendlichen wur­den mehrfach geschlagen.
12 7.7.10 Cot­tbus Vor dem Cot­tbuser Bahn­hof wurde ein Stu­dent aus Sim­bab­we ras­sis­tisch belei­digt und bedroht.
13 15.7.10 Forst In den frühen Mor­gen­stun­den betrat­en 15 bis 20 ver­mummte Per­so­n­en das Gelände des alter­na­tiv­en Jugendtr­e­ffs »Park7« und war­fen mit Pflaster­steinen die Fen­ster­scheiben des Haupt­ge­bäudes ein.
14 19.7.10 Cot­tbus Beim Fil­men von soge­nan­nten Stolper­steinen zur Erin­nerung an von Nation­al­sozial­is­ten deportierte Cot­tbuser wurde ein rbb-Kam­era­mann angerem­pelt. Anschließend spuck­te der unbekan­nte Angreifer in Rich­tung des Gedenksteins.
15 31.7.10 Sprem­berg In der Nacht zum Son­ntag wurde ein Punk, der auf dem Fahrrad unter­wegs war, von zwei Recht­en ange­hal­ten. Sie ver­stell­ten ihm den Weg, stießen ihn zu Boden und schlu­gen auf ihn ein.
16 7.8.10 Sprem­berg Während des Heimat­festes griff eine Gruppe rechter Jugendlich­er wieder­holt das Haus an, in dem sich der alter­na­tive Jugendtr­e­ff der »Pirat­en e.V.« befind­et. Sie bedro­ht­en den Ver­mi­eter und beschädigten die Eingangstür.
17 8.8.10 Sprem­berg Ein Jugendlich­er wurde gegen 21.30 Uhr von drei dunkel gek­lei­de­ten unbekan­nten Per­so­n­en mit einem Teleskop­schlag­stock geschlagen.
18 8.8.10 Sprem­berg Ein als gewalt­tätig bekan­nter Neon­azi näherte sich mit dem Ruf »Hey, die Zeck­en« zwei jun­gen Besuch­ern des Heimat­festes. Als sie auf­grund der bedrohlichen Sit­u­a­tion flo­hen, wur­den sie verfolgt.
19 8.8.10 Sprem­berg Auf dem Heimat­fest bedro­hte eine Gruppe rechter Jugendlich­er linksalter­na­tive Fes­t­be­such­er. Die Angreifer ver­fol­gten die Jugendlichen und prügelte auf zwei von ihnen ein. Ein­er der Betrof­fe­nen wurde durch Schläge mit Quarzsand­hand­schuhen leicht ver­let­zt, ein ander­er erlitt durch einen Schlag mit einem Totschläger ein Schädelhirntrauma.
20 8.8.10 Sprem­berg Am Rande des Heimat­festes schlug eine Gruppe Rechter einen Punk mit einem Base­ballschläger. Der Betrof­fene musste sich im Kranken­haus behan­deln lassen.
21 9.9.10 Cot­tbus Zwei schwarz gek­lei­dete Män­ner fol­gten nachts einem Mann aus Burk­i­na Faso und bedro­ht­en ihn unter anderem mit den Worten »Hier regiert der Nation­al­sozial­is­mus« ein. Sie zeigten den soge­nan­nten Hit­ler­gruß. Als der Betrof­fene die Polizei ver­ständigte, hiel­ten die Angreifer ihn von hin­ten fest und nötigten ihn, das Gespräch zu beenden.
22 11.9.10 Sprem­berg Ein Alter­na­tiv­er wurde von Recht­en so heftig geschla­gen, dass er ins Kranken­haus ein­geliefert wer­den musste.
23 14.9.10 Cot­tbus In Sach­sendorf wurde eine 29-jährige Kameruner­in ras­sis­tisch belei­digt. Der 22-jähriger Täter wurde von der Polizei gefasst.
24 15.10.10 Forst Am Auto eines gegen Rechts engagierten Mannes wurde die Frontscheibe einge­wor­fen und das Fahrzeug mit recht­en Aufk­le­bern beklebt.
25 11.11.10 Cot­tbus Drei Per­so­n­en, mut­maßlich Rechte, war­fen im Alter­na­tivtr­e­ff­punkt »Zelle 79« zwei Fen­ster­scheiben ein und flüchteten.
26 12.11.10 Cot­tbus Am sow­jetis­chen Ehren­fried­hof wur­den 26 Grab­steine umgestoßen und auf ein­er Stele mit Farbe das Wort »Juden« aufgetragen.
27 12.11.10 Sprem­berg Sachbeschädi­gun­gen an den Räu­men des alter­na­tiv­en Jugend­klubs »Pirat­en«. Es wur­den Mar­mor­plat­ten zer­schla­gen, Eimer umherge­wor­fen und eine Markise durch Böller beschädigt. Laut Zeu­gen fie­len Worte, die deut­lich auf eine rechte Moti­va­tion der Tat hinweisen.
28 22.11.10 Großräschen Ein Vor­standsmit­glied des Sprem­berg­er Klubs »Pirat­en« wurde von vier Neon­azis zusammengeschlagen.
Kategorien
Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Eine Nacht, die vieles in der Stadt verändert hat

Am 6. Dezem­ber 2010 jährt sich zum zwanzig­sten Mal der Todestag von Amadeu Anto­nio Kiowa. Eine Zeitung, die als Beilage der Märkischen Oderzeitung im Barn­im erscheint, erin­nert an die Ereignisse vor 20 Jahren und wirft Fra­gen nach dem Gedenken an Opfer rechter Gewalt auf.

Down­load hier (PDF-Datei, 800 KB).

In der Nacht vom 24. auf den 25. Novem­ber 1990 wurde der Angolan­er von recht­en Jugendlichen, die »Neger aufk­latschen« woll­ten, zu Tode geprügelt. Der 28-Jährige starb zwölf Tage später an den Fol­gen des Angriffs.

Kaum ein anderes Ereig­nis hat Eber­swalde in den let­zten Jahrzehn­ten so geprägt. In der damals erst wenige Wochen alten wiedervere­in­ten Bun­desre­pub­lik war Amadeu Anto­nio eines der ersten Todes­opfer rechter Gewalt, über das öffentlich gesprochen wurde.

Kategorien
Antifaschismus

Es ist immer ein Angriff auf uns alle!

Antifa-Demo
Am: Sam­stag, 27. Novem­ber 2010
Ort: Cot­tbus
Straße der Jugend 16, am Jugend­kul­turzen­trum Glad­house
Start: 14 Uhr

Mobil­isierungs-Jin­gle

Das Jahr 2010 ist in Cot­tbus durch rechte Gewalt und mas­sive Nazipräsenz gekennze­ich­net. Die Liste der Gewalt­tat­en ist lang. Seit der NPD-Demon­stra­tion am 15. Feb­ru­ar 2010 kam es ver­stärkt zu recht­en Aktiv­itäten. Regelmäßig wer­den links-alter­na­tive Men­schen in Süd­bran­den­burg bedro­ht, belei­digt und zusammengeschlagen.

Auch struk­turell ver­suchen die Nazis zu punk­ten und pro­bieren den “Recht­en Lifestyle” in Cot­tbus zu etablieren. Neben dem recht­en Plat­ten- und Klam­ot­ten-Laden “The Dev­ils Right Hand Store” gibt es seit Sep­tem­ber mit dem Naziladen “Ose­berg” einen “Thor Steinar”-Vertrieb in der Innen­stadt. Des Weit­eren sitzt eine der aktivsten Kreisver­bände des Lan­des Bran­den­burg, die “NPD Lausitz”, im Cot­tbuser Stadt­par­la­ment und bietet geisti­gen Nährbo­den für mil­i­tante Neonazis.

Als wäre es selb­stver­ständlich ver­anstal­tet die NPD und soge­nan­nte “Freie Kräfte” in unser­er Region Kundge­bun­gen, Konz­erte, Kam­er­ad­schaftsabende und Aufmärsche. Angriffe, wie auf die Räum­lichkeit­en des alter­na­tiv­en Klubs “Pirat­en e.V.” in Sprem­berg und das Jugend- und  Kul­turzen­trum “Park7” in Forst, gehören eben­falls zu ihrer Strate­gie der “Nation­al befre­ite Zone”.

Gle­ich­es geschah auch in Cot­tbus als am 11. Novem­ber das linke Wohn- und Kul­tur­pro­jekt “Zelle 79” ange­grif­f­en wurde. Dabei wur­den zwei Scheiben mit zer­broch­enen Gehweg­plat­ten einge­wor­fen. Im Zusam­men­hang mit drei Bran­dan­schlä­gen in Dres­den und Berlin im Okto­ber, bei denen wie durch ein Wun­der keine Men­schen getötet wur­den, bilden diese Vor­fälle einen ost­deutschen Trend. Dieser forderte am 24.10. diesen Jahres sein erstes Todes­opfer in Leipzig, wo ein junger Irak­er von einem beken­nen­den Neon­azi niedergestochen wurde.

Wir wer­den wed­er die Het­ze der NPD im Par­la­ment schweigend tolerieren, noch lassen wir uns durch Nazis ein­schüchtern. Es ist an der Zeit laut und kon­se­quent gegen alte und neue Faschis­tenIn­nen vorzuge­hen und unseren Unmut laut auf die Straße zu tragen.

Deshalb rufen wir alle dazu auf, nicht länger schweigend zuzuschauen und sich an der antifaschis­tis­chen Demo Cot­tbus zu beteiligen.

Nazis aktiv und entschlossen entgegentreten!

Antifa Cot­tbus

Kategorien
Antifaschismus Gender & Sexualität

Nichts geschnallt?

 

Es fol­gt ein Beitrag von den Herausgeber_innen des Sam­mel­ban­des “ ‘Was ein rechter Mann ist…’ Männlichkeit­en im Recht­sex­trem­is­mus”. Das Buch ist kür­zlich im Karl Dietz Ver­lag Berlin erschienen. Es kann kosten­los als PDF-Datei herun­terge­laden wer­den. Bezugsin­fos für die Print­aus­gabe hier.

Fam­i­lie, Sex­u­al­ität und Geschlecht sind zen­trale Ele­mente des Recht­sex­trem­is­mus. Sie prä­gen seine öffentliche Insze­nierung und stellen zugle­ich Felder dar, in denen sich männliche Dom­i­nanz kon­sti­tu­iert. Trotz­dem wer­den Männlichkeit beziehungsweise Inter­essen von Män­nern im Recht­sex­trem­is­mus nur sel­ten als solche benan­nt. Der Ver­such, männliche Herrschaft infrage stel­lende Pro­gramme wie Gen­der Main­stream­ing, als kün­stlich oder dik­ta­torisch zu verunglimpfen, geriert sich der­weil als des Volkes boden­ständi­ge Stimme: eine Welt, in der man sich noch treu sein kann, in der Mann noch Mann sein darf.

Grund­sät­zlich­es vor­weg: Die Kat­e­gorie Gen­der, deren Ver­wen­dung in der Bun­desre­pub­lik im Zuge der Etablierung von Frauen- und Geschlechter­forschung Ein­gang in den bun­desre­pub­likanis­chen Diskurs gefun­den hat, wird vom Recht­sex­tremen (bewusst) nicht ver­standen . Mehr noch: Die Behaup­tung, dass aus der (ver­meintlichen) Biolo­gie ein­er Per­son nicht sogle­ich ihre sozialen Eigen­schaften resul­tieren, wird von völkischen Ide­olo­gen in aller Härte abgestrit­ten, bringt sie doch das Grundgerüst biol­o­gisch ori­en­tierten Denkens ins Wanken, auf das sich Recht­sex­treme seit eh und je berufen. Denn inner­halb der recht­sex­tremen Geschlechterkon­struk­tion funk­tion­ieren Geschlecht, „Rasse“ und Sex­u­al­ität als ein­deutige soziale Platzan­weis­er, die Lebenswege unverän­der­lich festschreiben sollen. Nicht, dass sich hier nicht Anschlussfähigkeit­en in die soge­nan­nte „Mitte der Gesellschaft“ fän­den, nur hat diese durch Frauen­be­we­gung und weit­ere soziale Bewe­gun­gen eine spez­i­fis­che soziale Durch­läs­sigkeit erre­icht, die Recht­sex­treme nur verächtlich als die Schaf­fung „iden­tität­skas­tri­ert­er Gegen­wart­skrüp­pel“ beschimpfen (Aufruf auf antikap.de).

Aus dieser Kas­tra­tionsangst her­aus wer­den Pro­gramme wie Gen­der Main­stream­ing als „Gen­dert­er­ror“ verunglimpft und zum Wider­stand gegen die als „Umerziehung“ emp­fun­dene Gle­ich­stel­lungspoli­tik aufgerufen. Hier­bei bilden Fem­i­nis­mus, Homo­sex­u­al­ität und Ein­wan­derung bzw. das, was Recht­sex­treme darunter ver­ste­hen wollen, ein abzuwehren­des Kon­glom­er­at aus allem, was dem völkischen Welt­bild als „per­vers“ bis kün­stlich auf­s­toßen muss, über jegliche Wider­sprüche hinweg.

Im Kern geht es den Recht­sex­tremen einzig und allein um das Fes­tk­lam­mern an bish­er als solide und sich­er betra­chteten Iden­titäten. So basiert das hier­ar­chis­che Gefüge neona­tion­al­sozial­is­tis­chen Denkens auf gewalt­tätig vertrete­nen Auss­chlüssen, in denen ein mythis­ch­er „früher­er Zus­tand“ her­bei gerufen und roman­tisiert wird. Dieser, so die Argu­men­ta­tion, fußte auf klaren (Geschlechts-) Iden­titäten, in denen sich Mann und Frau ent­lang ihrer ange­blichen biol­o­gis­chen Ver­an­la­gung am Besten im Dienst am Volke ent­fal­ten kon­nten. Aus dieser Per­spek­tive muss jede Unternehmung, Iden­titäten zu plu­ral­isieren oder gar aufzulösen, als ver­brecherisch gegeißelt wer­den. Migrant_innen, emanzip­ierte Frauen, Homo­sex­uelle oder alter­na­tive Jugendliche verkör­pern hier­bei das „Andere“, das der „natür­lichen“ Ord­nung widerspräche.

So ruft die recht­sex­treme Inter­net­seite „spreelichter.info“ (Unter­ti­tel: „Infos­ys­tem der Wider­stands­be­we­gung in Süd­bran­den­burg“) in ihrem Beitrag über die befre­un­dete recht­sex­treme Ini­tia­tive „Raus aus den Köpfen — Gen­dert­er­ror abschaf­fen“ zum Kampf gegen die „‘Gender’-Ideologie“ auf. Über die franzö­sis­che Fem­i­nistin Simone de Beau­voir heißt es dort: „Dabei ist das ‘Lebens­mod­ell’, das Beau­voir ent­warf und heute aus uns den neuen ‘Gen­der-Men­schen’ for­men soll, nichts weit­er als eine auf sich selb­st zugeschnit­tene The­o­rie, mit der sie ihre eigene Mis­ere zur bewussten Entschei­dung stil­isierte.“ De Beau­voirs Aufruf, „der Sklaverei der Mut­ter­schaft“ zu ent­fliehen, wird hier verkürzt als die Grund­formel des Fem­i­nis­mus beschworen und zugle­ich als „Mis­ere“ ausgegeben.

Daran anschließend unternehmen die Redak­teure des aufwendig gestal­teten recht­sex­tremen Blogs mal eben einen fix­en Ritt, der von John Mon­ey, einem Sex­u­alther­a­peuten der 1960er Jahre, bis zum Gen­der Main­stream­ing führt. Zwis­chen­drin gehen mehrere Jahrzehnte Frauen- und Geschlechter­forschung samt all ihrer Brüche, Wider­sprüche und inhaltlichen Neuori­en­tierun­gen ver­lustig. Der Sinn dieser gewoll­ten Verkürzung ist sim­pel: Empörung erzeu­gen, Wider­willen schüren. Dem recht­en Pop­ulis­mus war der Fem­i­nis­mus schon immer ein Dorn im Auge, Vor­würfe über­zo­gen­er Sex­u­al­isierung nach „1968“ bis hin zu Pädophilie nicht weit: “Zur Sprache kom­men unter anderem der Psy­chologe und Sex­ologe John Mon­ey, der ein­er der ersten Ver­fechter der The­o­rie war, was der Unter­schied zwis­chen Gle­ich­berech­ti­gung zu Gle­ich­macherei ist, wie sich die Gen­der­main­stream­ing-Poli­tik auf unseren All­t­ag auswirkt, wie aus Bruce Bren­da und aus Bren­da David wurde, was es mit der sys­tem­a­tis­chen Sex­u­al­isierung des Volkes auf sich hat und wie Gen­der­main­stream­ing pädophiles Ver­hal­ten fördert.“ (Aus der Ankündi­gung des selb­st­pro­duzierten Radiofea­tures „Gen­der­main­stream­ing“)

Den braunen Ide­olo­gen zufolge, sei das Ziel von Gen­der Main­stream­ing ein gigan­tis­ches „Umerziehung­spro­gramm“, in dessen Folge Frauen nicht mehr Frauen und Män­ner nicht mehr Män­ner seien dürften. Eine Riesen­lücke stark­er männlich­er Vor­bilder sei die Folge, Geburten­rat­en gin­gen zurück, famil­iäre Bindun­gen wür­den allzu früh durch die Beruf­stätigkeit der Müt­ter und staatliche Erziehung­sein­rich­tun­gen zer­stört – die Kinder zu „Gen­der-Men­schen“ umer­zo­gen. Im Bekla­gen dieses Bedro­hungsszenar­ios ste­hen die Recht­sex­tremen nicht allein, was schon ein Blick in die Lin­klis­ten der Beiträge ver­rät: Unter anderem wird auf einen Artikel des recht­skon­ser­v­a­tiv­en Jour­nal­is­ten Volk­er Zas­trow in der „Frank­furter All­ge­meinen Zeitung“ zu „poli­tis­ch­er Geschlecht­sumwand­lung“ vom Juni 2006 Bezug genommen.

Aus den Quellen und Prax­en aktiv­er Recht­sex­tremer ist jedoch bekan­nt, wozu man sich hin­ter der pro­pa­gan­dis­tis­chen Het­ze nur sel­ten beken­nt: Starre Iden­titäten in klas­sis­chen Mustern sollen erhal­ten wer­den. Emanzi­pa­tion in jeglich­er Hin­sicht bleibt ein Has­s­be­griff für sich. Insofern ent­pup­pt sich der Diskurs um bzw. gegen Gen­der Main­stream­ing als antifem­i­nis­tis­che Strate­gie zur Resou­veränisierung tra­di­tioneller, hege­mo­ni­aler Männlichkeit. Hin­ter der Agi­ta­tion gegen alles, was Gen­der im Namen trägt, steckt das Beschwören tra­di­tioneller Iden­titäten: Da ist der sol­datis­che und helden­hafte Mann auf der einen und die an Heim und Herd für­sor­gende Mut­ter viel­er Kinder auf der anderen Seite. Archais­ch­er geht’s nicht.

 

Inforiot