Die Covid-19 Pandemie hat uns nicht den ersten Jahrestag des Verschwindens unserer Schwester Rita am 7. April und später die Bestätigung ihres Mordes, vergessen lassen. Rita wurde, während sie in dem Lager in Hohenleipisch leben musste, ermordet, was uns in einen großen Schock versetzte. Hier noch weitere Infos über Rita: https://www.women-in-exile.net/…/
Unsere Kampagne “Kein Lager für Frauen und Kinder, alle Lager abschaffen” ist weiterhin brand aktuell. Daher fordern wir gemeinsam mit einem Bündnis, das aus mehreren Gruppen, die zusammen mit Flüchtlingen aus Berlin-Brandenburg arbeiten, besteht, die sofortige Schließung
aller Lager, insbesondere das überfüllte Erstaufnahmelager in Doberlug-Kirchhain. Wir fordern die Betroffenen in den leer stehenden Hotels, airbnb, Ferienwohnungen und anderen freien Räumlichkeiten unter
zu bringen: https://www.women-in-exile.net…/
Auch die Lage im Lager in Henningsdorf, im Norden Berlins spitzt sich weiter zu. Die dort lebenden Flüchtlinge sind bereits mehr als zwei Wochen unter erzwungener Quarantäne: https://www.women-in-exile.net/…
Während dieser Zeit ist uns bewusst geworden, wie wichtig die Zusammenarbeit mit unserem großen Netzwerk ist, um unsere politischen Standpunkte an die Öffentlichkeit zu bringen. Aus diesen Gründen sind wir weiterhin auf Ihre und Eure finanzielle Unterstützung angewiesen und danken Euch, dass ihr an uns und unsere Arbeit glaubt.
Wir wünschen Ihnen und Euch allen, dass Ihr gesund bleibt oder werdet !
Lasst uns füreinander da sein!
„Diesen Abstand können die Bewohner*innen der Erstaufnahme nicht einhalten!“
20 Personen sind zu der Demonstration gekommen, zu der die Initiative „Busverbindung 571 jetzt!“ eingeladen hatte – mehr waren auch nicht erlaubt. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Aktiven der lokalen Initiative „DK_Vereint“, Bewohner*innen der Erstaufnahme-Einrichtung und Aktiven des Brandenburg-weiten Netzwerks „Welcome United“.
Aufgrund der Pandemie und der entsprechenden Auflagen des Gesundheitsamtes muss penibel auf Abstand und Hygiene geachtet werden. Die Teilnehmenden müssen sich je allein auf am Boden markierten, 2×2m großen Quadraten positionieren und nicht durcheinander laufen. Alle, auch die Redner*innen, tragen Masken, das Mikro wird mit einer Serviette abgedeckt. Passant*innen, Schaulustige und Interessierte müssen hinter Absperrungen bleiben und Abstand halten. An den Flatterbändern steht: „Diesen Abstand können die Bewohner*innen der Erstaufnahme nicht einhalten!“ Mehrere Redner*innen greifen auf, dass die peniblen Regeln für eine Demo in Corona-Zeiten in absurdem Gegensatz zu den Bedingungen in der Einrichtung stehen, in der pro 50 Personen eine Küche zur Verfügung steht, Zimmer mit Fremden geteilt werden müssen und Flure und Treppenhäuser von hunderten Menschen genutzt werden.
Etwa die Hälfte der Teilnehmenden sind Bewohner der Erstaufnahme, drei von ihnen ergreifen das Mikrofon. „Corona ist für alle gleich, der Virus trifft uns alle. Warum wird mit uns anders umgegangen? Warum muss ich seit 8 Monaten im Wald leben? Warum fahren alle anderen Busse und unser Bus nicht? Warum wird bei uns dreimal am Tag Fieber gemessen – und bei den Deutschen nicht?“, fragt einer von ihnen die Anwesenden. „Wenn wir mehr als 4 Stunden außerhalb des Camps waren, müssen wir für 2 Wochen in Quarantäne.“ Der folgende Redner erklärt weiter: „Wenn eine Person im Camp das Virus bekommt, werden sich mindestens 10 Personen angesteckt haben. Wir versuchen uns zu schützen, aber es ist unter den Bedingungen im Camp nicht möglich.“ Die Einstellung der Buslinie werten alle drei als rassistische Ungleichbehandlung. „Warum werden wir anders behandelt? Weil wir dunklere Haare haben?“
Am Rand stehen einige deutsche Männer, die rassistische Sprüche machen. Einer der Camp-Bewohner spricht sie vom Mikro aus an: „Gehören Sie auch zu denen, die glauben, Flüchtlinge würden Corona übertragen?“
Ein französisch sprechender Mann, der zum Schluss das Mikro ergreift, endet mit den Worten: „Ich möchte Danke sagen, dass ihr alle hier wart und dass ich Teil dieser Bewegung sein darf. Ich hoffe wir schaffen es gemeinsam, das Virus zu bekämpfen, und Corona wird zu Ende sein – für alle Menschen.“
Hintergrund
„Wir können mit unserem Anliegen nicht warten, bis Demonstrieren wieder einfacher ist, denn diese Ungleichbehandlung geschieht jetzt!“, erklärt eine der Aktiven und meint damit die Einstellung der Buslinie für die Dauer der Corona Einschränkungen, die von der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburg (ZABH) und der Verkehrsgesellschaft Elbe-Elster beschlossen wurde. „Warum dürfen alle anderen selbständig (mit Abstandsregeln) einkaufen gehen, warum fahren alle anderen Buslinien nach Ferienfahrplan?“, fragt sie. „Warum wird den Geflüchteten nicht genau wie allen anderen zugetraut, unnötige Stadtgänge zu vermeiden und sich an die Regeln zu halten, wenn sie in die Stadt gehen?“
Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen fordert die Initiative daher die sofortige Umverteilung der Massenunterkünfte in Brandenburg. Nur so könne wirksamer Infektionsschutz gewährleistet werden. „Die Bewohner*innen durch die Einstellung des Busses zu isolieren ist der falsche Weg, um die Corona Ausbreitung zu vermeiden. Für die Geflüchteten sollten dieselben Bedingungen gelten wie für alle Menschen: Kontakte in der Wohnung vermeiden können, aber auch selbstbestimmt Einkaufen gehen können.“
Eine Woche zuvor war eine Kundgebung zum gleichen Thema durch das Gesundheitsamt verboten worden, aufgrund der Befürchtung „regen Reiseverkehrs“, weil der Anmelder aus Berlin sei.
Nachdem die Buslinie im März eingestellt worden war, hatten zunächst zwei ehrenamtliche PKW-Shuttle-Aktionen stattgefunden, mit denen Menschenaus der Erstaufnahme unter Beachtung aller Infektionsschutzregeln zum Supermarkt gefahren wurden. Bei der zweiten dieser Aktionen wurden die PKWs durch die Polizei im Auftrag des Gesundheitsamtes gestoppt. Den Fahrer*innen wird nun vorgeworfen, „keinen triftigen Grund“ gehabt zu haben, dort unterwegs zu sein. Während die Versorgung Hilfebedürftiger allgemein als „triftiger Grund“ angesehen wird, scheinen hier die von der Versorgung abgeschnittenen Geflüchteten nicht als hilfebedürftig genug angesehen zu werden.
Sofortiges Landesaufnahmeprogramm zur Evakuierung der EU-Elendslager!
Sofortige dezentrale Wohnungsunterbringung statt „Durchseuchung“ in Massenquarantänen!
Anlässlich der heutigen Landtags-Sondersitzung zum Thema Corona protestieren wir gegen die Ignoranz und Verantwortungslosigkeit der Brandenburgischen Landesregierung gegenüber der existenziellen Not der Menschen, die entweder einer hohen Infektionsgefahr in engen Sammelunterkünften in Brandenburg ausgesetzt sind oder unter katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern an den EU-Grenzen auch auf Geheiß Deutschlands festgehalten werden.
20 Teilnehmer*innen – allesamt mit Abstand und Mundschutz – schlossen sich der Seebrücke-Versammlung vor dem Landtagsgebäude auf dem Alten Markt, an, während 20 weitere Personen als Zuschauer*innen – ebenfalls mit Mundschutz und angemessenem Abstand – die Versammlung beobachteten.
Es ist beschämend, dass die Regierungsfraktionen auf die Offenen Briefe und Protestaktionen der brandenburgischen Flüchtlingsinitiativen¹ wie des Flüchtlingsrats Brandenburg und women in exile e.V. bisher öffentlich keinerlei Reaktion gezeigt haben. Die Seebrücke Potsdam hat die Anliegen vielfach unterstützt, sowohl auf der Straße als auch online.
Wir fordern ein sofortiges Landesaufnahmeprogramm, bevor es zu spät ist!
Die Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die zusätzliche Aufnahme von geflüchtete Menschen im Rahmen eines Landesaufnahmeprogramms festgeschrieben. Kommunen wie Potsdam haben deutlich signalisiert, dass sie ebenfalls bereit sind, über den regulären Schlüssel hinaus, flüchtende Menschen aufzunehmen. Wann, wenn nicht jetzt, wäre die Umsetzung eines Landesaufnahmeprogramms dringender denn je? In Griechenland stehen mittlerweile Massenunterkünfte und große Lager mit insgesamt über tausenden von Menschen komplett unter Quarantäne – die Menschen werden der sogenannten Durchseuchnung freigegeben. Deutschland ist mitverantwortlich für die Gesundheitsgefährdung, die diesen Menschen widerfährt! Deutschlands Blockade hält die Menschen in den Lagern von Griechenland fest.
Wir fordern einen sofortige Schließung der Sammelunterkünfte und Erstaufnahmelager und eine dezentrale Wohnungsunterbringung! Die Zeit der Sammelunterkünfte und Zwangsbehausungen ist für immer vorbei!
Immer mehr Sammelunterkünfte mit hunderten Menschen werden in Brandenburg unter Quarantäne gesetzt. Allein in Potsdam sind es drei Sammelunterkünfte. In Hennigsdorf wurde vor Kurzem eine Unterkunft mit mehreren Hundert Bewohner*innen unter Quarantäne gesetzt. Im Erstaufnahmelager Doberlug-Kirchhain wurden Teile der Unterkunft abgeriegelt und der Busverkehr zur Unterkunft komplett eingestellt.
Die Landesregierung in Brandenburg zeigt damit: Infektionsschutz ist für geflüchtete Menschen nicht relevant. Die Menschen werden in der Regel von der Landesregierung gezwungen auf engem Raum und in Mehrbettzimmern unterzukommen, wo es nicht möglich ist, Abstand zu halten. Die Katastrophe der Massenquarantänen kommt nicht überraschend. Frühzeitig wurde u.a. von Flüchtlingsinitiativen davor gewarnt. Auch jetzt noch wird bloß zugesehen, wie die nächsten Massenunterkünfte unter Quarantäne gesetzt werden.
Wir sind entsetzt: Eine Landesregierung, die sich sozialdemokratisch, nachhaltig und christlich schimpft, schaut zu, wie hier das Menschenrecht auf Gesundheit außer Kraft gesetzt wird – obwohl es Alternativen gibt, wie mit der Situation umgegangen werden kann.
Neben der Bewältigung der aktuellen Situation fordern wir einen endgültigen Ausstieg aus dem Konzept der Sammel- und Massenunterkünfte. Die Landesregierung muss jetzt anfangen, einen Maßnahmenplan der sofort zu startenden dezentralen Wohnungsunterbringung sowohl für die Erstaufnahme als auch für die kommunale Unterbringung aufzustellen und umzusetzen.
Der Landesverband Brandenburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA, ruft zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2020 zu einem dezentralen Gedenken und Erinnern auf. Durch die COVID-19- Pandemie können in diesem Jahr keine Befreiungsfeierlichkeiten und keine zentralen Veranstaltungen stattfinden. Die Ordnungsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen im Kontext von COVID-19 schränken damit nicht nur das gesellschaftliche Leben ein, sondern auch die antifaschistische und erinnerungspolitische Arbeit an diesem für uns so wichtigen Jahrestag.
Trotzdem wollen wir, mit großer Rücksicht um die Gesundheit unserer Mitglieder*innen und antifaschistischen Freunde, den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus würdig und ehrenvoll im Sinne der Befreier*innen, der Roten Armee, sowie der Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus gestalten.
Im ganzen Land Brandenburg befinden sich eine Vielzahl an Erinnerungsstätten zur Befreiung oder an die Opfer und Verfolgten des Faschismus. Diese lokalen, kleinen und dezentralen Gedenkstätten, wie Denkmäler, Friedhöfe, Ehrenhaine, Gedenksteine, Gräber oder Gedenktafeln, wollen wir mit eurer Unterstützung in den Fokus des antifaschistischen Gedenkens setzen.
Wir rufen daher alle Brandenburger*innen auf, in der Zeit um den 8. Mai 2020, dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, individuell und unter Einhaltung der notwendigen medizinischen Bestimmungen und Sicherheitsvorkehrungen, an den verschiedenen Erinnerungsstätten im Land Brandenburg Blumen und Kränze niederzulegen und dies per Fotos zu dokumentieren. Wir wollen, dass durch die Vielzahl von Blumen an den zahlreichen Erinnerungsstätten im Land Brandenburg der Appell des „Nie wieder Krieg und Faschismus“ trotz des Fehlens von klassischen Gedenkveranstaltungen mehr als deutlich wird.
Sendet uns die Fotos mit kurzen Hinweisen oder Berichten aus den verschiedenen Orten zwecks Veröffentlichung an die untenstehende E‑Mail‑, Post‑, Facebook- oder Twitter-Adresse. Zudem verweisen wir auf unser digitales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai ab 16 Uhr per Livestream (www.freiland-potsdam.de).
Wie sollte der Utopia e.V. — ein ehrenamtlicher, von jungen Menschen getragener, kleiner Verein — anlässlich der 75-jährigen Befreiung von der Vorherrschaft der Nationalsozialist*innen in Frankfurt (Oder) diese Pressemitteilung beginnen? Als erstes mit einem kurzen „Danke! Спасибо! Thank You! Merci!“ an die Alliierten und Widerständigen, die vor 75 Jahren am 23. April zur Befreiung Frankfurts und des heutigen Słubices beigetragen haben. Denn die Niederlage des deutschen Faschismus war unsere Befreiung!
Ein „Danke“ jedoch wird nicht genügen, um Geschehenes zu verstehen, damit es sich nicht wiederholt! Auch die Fragen: „Was, wie und warum war der Nationalsozialismus, der Vernichtungskrieg oder der Holocaust?“ können wir nicht alleine beantworten, aber wir können Impulse setzen!
Denn auch 75 Jahre nachdem die Vorherrschaft deutscher Faschist*innen und ihrer Kollaborateure endete, sind ihr Gedankengut und ihre Strukturen keineswegs verschwunden:
Seit 2016 verdoppelte sich die Anzahl der mit Schusswaffen ausgerüsteten Rechtsextremen [2]. Der NSU, eine Gruppe die offiziell 10 Menschen ermordete und 43 Mordanschläge verübte [3], enttarnte sich teilweise selbst. Ob auf der Insel Utøya oder in Städten wie Christchurch, Hanau und Halle — die Anschläge von extrem Rechten häufen sich. Im Jahr 2019 wurden in der Bundesrepublik 120 Angriffe auf Asylunterkünfte verübt und 1.620 Angriffe auf Geflüchtete registriert [4]. Jüngst wurde im Landkreis Oder-Spree ein Waffenlager mit nationalsozialistischen Devotionalien ausgehoben [5]. Unsere Stadt, Frankfurt (Oder), entwickelte sich zu einem Knotenpunkt der internationalen, neonazistischen Terrororganisation „Combat 18“ [6]. In Libbenichen zeigten erst letzten Monat während einer „Reichs-Party“ Jugendliche den Hitlergruß [7]. Ein „NR-Zonen“-Graffito diente als Platzhalter für Hakenkreuze und verblieb mehrere Monate am Kaufland im Zentrum[8]. Mittlerweile werden (gar) von parlamentarischen Kräften die Leistungen von deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen honoriert und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ [9] gefordert.
Genauso wie die Ideen, Symbole, und Struktur des Nationalsozialismus nicht einfach 1945 endeten, tauchten die Nationalsozialist*innen nicht erst 1933 auf. Bereits am 26. Mai 1929 begann die SA durch Frankfurt zu marschieren [10] und schon 1927 war in einer Kneipe zu hören:
„Die nationalsozialistische Bewegung ist entschlossen alles daran zu setzen, um das deutsche Volk von Juden- und Marxistenherrschaft zu befreien. Die Nationalsozialisten werden die Besten unter ihre Fahne sammeln und einen erbitterten Kampf gegen die inneren Feinde der Nation führen“. [11]
Auch heute sind in Frankfurter Kneipen solche Aussagen nicht ausgeschlossen.
Im Sommer 1932 wurde dann der Terror der Nazis in Frankfurt immer zügelloser. Am Abend des1. Juli kam es zu einem Überfall auf Antifaschist*innen. Am 4. Juli, in der heutigen Rathenaustraße, schossen Nazis über 100 Mal auf Arbeiter*innenwohnungen. Und am 5. Juli durften sie dann ungehindert durch unsere Stadt marschieren. Die 17
Vollzugspolizist*innen, die vor der faschistischen Gefahr und dieser Demonstration warnten, wurden daraufhin festgenommen [12].
So spricht auch die dramatische Entwicklung der Wahlergebnisse Bände. Lag die NSDAP bei der Reichstagswahl 1928 in Frankfurt erst bei 330 Stimmen, erhielt sie bei der Kommunalwahl 1929 bereits 2.400 Stimmen und wenige Jahre später, bei der Machtübernahme Hitlers im März 1933, eine absolute Mehrheit. Diese Machtübernahme führte in ihrer Konsequenz zu unzähligen furchtbaren Schicksalen, auch in Frankfurt (Oder).
So zum Beispiel auch für Marie und Adolf Köhn, deren Stolpersteine in der Großen Oderstraße 46 liegen. Adolf Köhn wurde von Faschist*innen während der Reichsprogromnacht verhaftet, einen Monat lang im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert und vier Jahre später, wahrscheinlich mit seiner Frau, ins Warschauer Ghetto deportiert. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
In der Großen Scharrnstraße 32 liegen zwei weitere Stolpersteine — die von Marie und Bruno Friedländer. Ihre Kinder schafften es auf einen Kindertransport und bekamen Asyl in Schottland und Australien. Marie und Bruno erhielten keine Zuflucht und wurden am 02. April 1942 in das Warschauer Ghetto deportiert, wo sie am 05. April ankamen. Das weitere Schicksal der Familie ist auch hier nicht bekannt.
Bis zum letzten Tag des Nazi-Regimes ließ die Gewalt und Brutalität nicht nach. Selbst der Niederlage ins Auge sehend, wurde Frankfurt (Oder) am 26. Januar 1945, einen Tag vor der Befreiung von Auschwitz, noch zu einer Festung erklärt. Am Tag des 30. Januars in Swiecko (im damaligen Schwetig) mussten 1.600 Gefangene des Frankfurter Gestapo-Arbeitserziehungslagers zum sogenannten „Todesmarsch“ antreten. 70 nicht marschfähige Menschen wurden direkt in Krankenbaracken verbrannt und ermordet. In der Nacht auf den 31. Januar erschossen in Słonsk (im damaligen Sonnenburg) Angehörige der SS und Gestapo 800 Inhaftierte des dortigen Zuchthauses [13]. Selbst in der Niederlage waren die Nationalsozialist*innen nicht davon abzubringen ihr Morden einzustellen.
So schwor im Februar 1945 Joseph Goebbels Frankfurt ein letztes Mal auf die Ideologie von “Blut und Boden“ ein, nachdem er am 31.Oktober 1929 erstmals in der Stadt davon gesprochen hatte. Frankfurt, das ein Zentrum für den Einsatz und die Verwaltung von Zwangsarbeiter*innen, Deportierten und Inhaftierten war, war gar Hauptstadt des Gaus Mark Brandenburg. Unzählige Waggons mit Menschen wurden ohne nennenswerten Widerstand deportiert. Unzählige Tonnen Kriegsmaterial fuhren ungehindert durch unsere Stadt.
Der Krieg endete für Frankfurt (Oder) am 23. April 1945, als belarussische Einheiten der Roten Armee „die fast menschenleere, keinen Widerstand leistende, überall brennende Stadt“ [14] befreiten, bis dann in der Nacht am 8. auf den 9. Mai die Wehrmacht gänzlich kapitulierte und die Hegemonie des Faschismus gebrochen war.
Auch wenn ein Großteil der Deutschen diesen Tag als Niederlage empfand — vielleicht sogar heute noch so empfindet: Der Sieg der Alliierten bedeutete das Ende der nationalsozialistischen Vorherrschaft, des Krieges in Europa und des Holocaustes und ist für uns ein Grund zum fröhlichen Tanz. Deshalb sagen wir immer wieder freundschaftlich: „Спасибо! Thank You! Merci! Danke!“.
Als Kultur- und Bildungsträger der offenen Kinder- und Jugendhilfe sagen wir auch ernst: „Nie wieder!“
Und um diesen Ernst zu begreifen; um den Impuls des Erinnerns und Gedenkens nicht bei dieser Mitteilung zu belassen, organisiert der Utopia e.V. im letzten Drittel diesen Jahres eine Gedenkstättenfahrt für Jugendliche und junge Erwachsene zu den ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern von Auschwitz, mit demokratisch-partizipatorischer Vor- und Nachbereitung:
„Denn die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass [wir] weder glaube[n], sie begründen zu müssen noch zu sollen. […] Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug“ [15].
Und so fordern wir auch andere Akteur*innen oder bisher nicht-Aktive dazu auf, sich am Engagement gegen faschistoide Bewegungen und Ideen in Frankfurt (Oder) zu beteiligen und zu organisieren – die Gründe sind bekannt und wir werden über weitere Termine berichten.
Eure Freund*innen und Assoziierten des Utopia e.V.
Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Potsdam-Babelsberg am 24.April kann in diesem Jahr aufgrund der Covid-19-Pandemie und ihrer daraus resultierenden Beschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen nicht in adäquater und würdiger Weise gedacht und erinnert werden. Im Voraus geplante Veranstaltungen der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes zur Befreiung von Babelsberg, wie zum Beispiel eine Radtour zu authentischen Orten, mussten wir schweren Bedauerns einstellen. Weil jedoch dieses Jubiläum nicht nur wichtig im Kontext der allgemeinen politischen Lage zu sehen ist – in einer Zeit, wo Rassismus, Nationalismus und Populismus wieder salonfähig sind – sondern auch im Kontext der lokalen Geschichte in einem Stadtteil, der als Industriestandort stark durch die Arbeiter*innenbewegung geprägt wurde und die letztendlich einen großen Anteil daran hatte, dass Babelsberg ohne wesentliche Kämpfe und Opfer befreit werden konnte, möchten wir diese Sonderwebseite der Öffentlichkeit präsentieren.
Unter der Webadresse https://1945.rotes-nowawes.de wollen wir mittels einer digitalen Rundtour auf historisch interessante Orte in Babelsberg aufmerksam machen. Zu den aktuellen Fotos gibt es je eine Kurzbeschreibung. Des Weiteren wollen wir der Öffentlichkeit verschiedene Dokumente und Materialien bereitstellen, die im Zusammenhang mit der Befreiung von Babelsberg, aber auch dem Neuanfang in dieser Stadt stehen. Wir sind uns bewusst, dass die ausgewählten Quellen und die Literatur, hier vor allem die Erinnerungsberichte, eine gewisse politische Färbung aus der Zeit der DDR beinhalten und deswegen immer im zeitgeschichtlichen Kontext gelesen werden müssen.
Nichts desto trotz sind vor allem die historischen Dokumente nicht zu verfälschen und stehen in ihrer Echtheit. Zudem dokumentieren sie die Zeitgeschichte jenes Momentes, der für viele Unsicherheit und Ungewissheit brachte, aber an einem Industriestandort wie Babelsberg – dem ehemaligen Roten Nowawes – mit seiner großen Arbeiter*innenschaft und den tausenden Zwangsarbeiter*innen, auch Befreiung und Erlösung.
2020 jährt sich die bedingungslose Kapitulation Hitler-Deutschlands zum 75. Mal. Wären die Umstände heute nicht so, wie sie gerade sind, würden wir draußen mit unseren Genoss_innen die Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück feiern. Doch auch wenn die zentralen Gedenkveranstaltungen nicht wie geplant stattfinden können, gibt es immer noch kreative Möglichkeiten im öffentlichen Raum zu gedenken. Anlässlich des #75Befreiung haben wir in Prenzlau und in Berlin an Frauen* erinnert, deren Biografien zum Teil mit dem KZ Ravensbrück verwoben ist. Sie wurden verfolgt, weil sie Jüdinnen waren, weil sie Kommunistinnen und Antifaschistinnen waren und auch, weil sie lesbisch waren.
Wir gedenken
Margarete Rosenberg
Elli Smula
Olga Benario-Prestes
Henny Schermann
Hilde Radusch
Trotz Kontaktsperre soll Gedenken weiterhin möglich sein! Anlässlich der Befreiung des KZ Ravensbrück hat die Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V. einen Podcast auf die Beine gestellt und außerdem Plakate erstellt, die auf ihrer Webseite runtergeladen und auf den Straßen angebracht werden können. Danke für diesen wichtigen Anstoß! Auch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte hat ihr Gedenken online verlagert. In den weiteren Wochen werden weitere Aktionen on- sowie offline folgen. Stay tuned!
Margarete Rosenberg und Elli Smula
Margarete Rosenberg (geb. Quednau) und Elli Smula wurden beide im Sommer 1940 bei den Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) dienstverpflichtet. Im September 1940 erstattete ein_e Kolleg_in oder Vorgesetzte_r bei der Gestapo Anzeige gegen die beiden, woraufhin diese eine eingehende Untersuchung und schließlich ‚Schutzhaft‘ anordnete. Auf dem erhalten gebliebenen Schutzhaftbefehl von Margarete Rosenberg ist „staatsabträgliches Verhalten“ als Begründung vermerkt, die Schutzhaft-Karteikarte besagt, sie habe „die Arbeit vernachlässigt“. Ihnen wurde angelastet, „regen Verkehr mit Kameradinnen ihres Betriebes in lesbischer Hinsicht unterhalten“ zu haben, „wodurch der Betrieb des Straßenbahnhofs Treptow stark gefährdet“ würde. Am 30. November 1940 wurden beide in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Dort wurden sie zunächst als ‚asoziale‘, dann aber als politische Häftlinge registriert. Als Ergänzung taucht zudem der Vermerk „lesbisch“ auf. Margarete Rosenberg überlebte die Haftzeit von mehr als vier Jahren mit schweren gesundheitlichen Schäden und starb 1985. Elli Smula kam 1943 in Ravensbrück um.
Olga Benario wird am 12. Februar 1908 als Tochter einer jüdischen Familie in München geboren. Bereits in den Münchener Polizeiakten wird sie als „kommunistische Agitatorin“ geführt. Mit 17 Jahren zieht sie nach Berlin-Neukölln und ist im Kommunistischen Jugendverband (KJVD) aktiv. In Berlin-Neukölln wird sie bald zum Star der lokalen Kommunistischen Jugend und demonstriert ihre Zivilcourage in einem Coup, der in den Berliner Zeitungen Schlagzeilen macht: Am 11. April 1928 führt sie den bewaffneten Überfall des Gerichtssaals im Moabiter Gefängnis an und schafft es, den wegen Hochverrats angeklagten Otto Braun zu befreien. Mit falschen Pässen erreichen Braun und Benario ein paar Tage später Moskau.
Ihre Beziehung bricht 1931 ab, weil Benario Brauns Eifersuchtsanfälle kleinbürgerlich findet. 1935 reist sie auf Anordnung der Kommunistischen Internationale von Moskau aus mit dem brasilianischen Revolutionär Luís Carlos Prestes nach Rio de Janeiro. Der von Prestes und der Kommunistischen Partei 1935 in Brasilien initiierte revolutionäre Aufstand scheitert. Olga und Luís Carlos Prestes werden 1936 verhaftet. Trotz internationaler Proteste wird Olga Benario hochschwanger im September 1936 von den brasilianischen Behörden an die Gestapo ausgeliefert. Im Frauengefängnis Barnimstraße kommt ihre Tochter Anita Leocádia am 27. November 1936 zur Welt. Anfang 1938 wird Olga Benario von ihrer Tochter getrennt, kommt in das Frauenkonzentrationslager Lichtenburg und muss drei Jahre im KZ Ravensbrück verbringen bevor sie 1942 im Todestrakt der „Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg durch Kohlenmonoxid ermordet wird. Die Skulptur der Tragenden von Will Lammert auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück hat Olga Benario zum Vorbild.
Henny Schermann wurde 1912 geboren und lebte in Frankfurt am Main. Ihre Eltern besaßen einen Schuhladen, den sie aufgrund antisemitischer Boykotte aufgeben mussten. Ab 1935 arbeitete Schermann als Verkäuferin und hatte einen Sohn, Walter Schermann. Am 13. Januar 1940 wird sie unter nicht geklärten Umständen verhaftet und im März 1940 in das KZ Ravensbrück eingeliefert. Ein möglicher Anlass ihrer Verhaftung könnte eine Razzia in einem lesbischen Lokal gewesen sein. Dies ergibt sich aus einer Notiz des KZ-Arztes Friedrich Mennecke: „Jenny Sara Schermann, 19.02.12. Ffm, ledig, Verkäuferin in Ffm. Triebhafte Lesbierin, verkehrte nur in solchen Lokalen. Vermied den Namen ‚Sara’. Staatenlose Jüdin.“ Am 10. Oktober 1940 wurde Henny Schermann vom Konzentrationslager Ravensbrück in das Gerichtsgefängnis Prenzlau überführt. Den Angaben auf der Karteikarte zufolge wurde sie durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. Main vom 14. Juni 1940 wegen „Vergehen gegen §§ 3 und 4 des Gesetzes vom 17.8.38“ zu einer Haftstrafe von zehn Tagen verurteilt. Dieses Gesetz beinhaltete, dass jüdische Menschen ab dem 01. Januar 1939 ihren Vornamen den Zwangsnamen „Sara“ bzw. „Israel“ hinzufügen mussten. Ende Oktober 1940 wurde sie wieder in das KZ Ravensbrück zurückgebracht und von dort am 30. Mai 1942 in die Euthanasie- und Tötungsanstalt Bernburg transportiert und ermordet.
Hilde Radusch (geb. 6.11.1903 in Altdamm, gestorben am 2.8.1994 in Berlin) verlässt im Alter von 18 Jahren ihr konservatives Elternhaus in Weimar und zieht alleine nach Berlin, um sich dort im Kommunistischen Jugendverband, später in der KPD, speziell im Roten Frauen- und Mädchenbund, zu engagieren. Mit nur 26 Jahren wird sie für die nächsten drei Jahre Stadtverordnete für die Berliner KPD. Nach den Wahlen 1932, die große Stimmengewinne der Nazis mit sich bringen, beteiligt sich Hilde Radusch zunächst noch am Aufbau einer illegalen Postleitung, was jedoch durch ihre Verhaftung am 6.4.1933 unterbunden wird. Aus der “Schutzhaft” im Frauengefängnis in der Barnimstrasse wird sie entlassen, noch bevor die Überstellung politischer Gefangener in ein KZ der Regelfall wurde. 1939 verliebt sie sich in Eddy, eine Nachbarin in der Oranienburger Straße, die für die nächsten 21 Jahre ihre Lebensgefährtin wird. Hilde Radusch kümmert sich um die Beschaffung der stark rationierten Lebensmittel und organisiert Unterschlupf für aus dem Gefängnis entlassene Frauen. Fortan taucht sie mit Eddy in Prieros (Königs Wusterhausen) unter und verbringt dort die letzten Kriegstage in einer Holzhütte. Nach Kriegsende arbeitet Hilde Radusch für das Bezirksamt in der Abteilung “Opfer des Faschismus”.
In der großen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Doberlug-Kirchhain gibt es erste bestätigte Coronafälle, in Potsdam stehen nach mehreren Infektionen alle 116 Bewohner*innen einer Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne und auch Oberhavel meldet eine positiv getestete Person in einer Gemeinschaftsunterkunft sowie mehr als 200 Bewohner*innen in Quarantäne, die heute getestet werden sollen.
Die ersten Corona-Fälle in Brandenburger Sammelunterkünften für Geflüchtete zeigen: Es muss jetzt gehandelt werden! Für einen wirksamen Infektionsschutz ist die Massenunterbringung völlig ungeeignet und setzt die Bewohner*innen einem hohen Risiko aus. Zahlreiche Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke und andere Risikogruppen leben weiterhin in den Massenunterkünften. Um die drohende Quarantäne kompletter Heime zu vermeiden und die Geflüchteten vor einer Coronainfektion bestmöglich zu schützen, fordern wir:
Erstaufnahme-Einrichtungen leer ziehen!
Gemeinschaftsunterkünfte entzerren und Menschen dezentral unterbringen!
Risikogruppen sofort raus aus den Sammelunterkünften!
Wohnungen statt Lager!
Brandenburg hat Platz: Es muss jetzt ein Richtungswechsel stattfinden!
Zahlreiche Flüchtlingsorganisationen kritisieren seit vielen Jahren die Unterbringung in Sammelunterkünften und fordern ein Recht auf ein selbstbestimmtes Wohnen in Wohnungen und Wohnverbünden. Die Unterbringung in alternativen Wohnorten ist machbar. Corona macht noch einmal deutlich: Es ist endlich an der Zeit, dass die Landesregierung Konzepte für eine Unterbringung in Wohnungen erarbeitet und nicht weiterhin auf Massenunterbringung setzt.
Um die Bewohner*innen der Sammellager kurzfristig zu schützen, können aber auch Kapazitäten im Tourismussektor pragmatisch genutzt werden. So könnten Szenarien, wie in anderen Bundesländern bereits aufgetreten, vermieden werden: 244 positiv getestete in Ellwangen, Quarantäne für jeweils hunderte von Menschen in Unterkünften in Halberstadt (Hungerstreik), Suhl und Bremen. Diese Beispiele zeigen, was passieren kann, wenn Menschen auf engstem Raum zusammen leben müssen.
Die Position des Sozialministeriums, Vollquarantänen ganzer Unterkünfte wenn möglich vermeiden zu wollen (Rundschreiben 02/2020 des MSGIV), ist zwar begrüßenswert — bleibt aber ein leeres Versprechen, wenn weiterhin viele Menschen gezwungen sind auf engem Raum miteinander zu leben und löst auch das langfristige Problem der Massenunterbringung nicht.
Während die Stadt Potsdam bereits Geflüchteten und Obdachlosen in der Coronakrise Betten in Pensionszimmern zur Verfügung stellte und auch aus der Unterkunft in der Zeppelinstraße nach Bekanntwerden der Infektionen umgehend umverteilt wurde, sodass alle auf das Virus negativ getesteten Personen sich seit letzter Woche in einem Hotel oder Wohnungen befinden, leben zahlreiche Geflüchtete in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den anderen Sammelunterkünften des Landes weiterhin auf engstem Raum zusammen und sind damit permanent einer Gefährdung ausgesetzt (Märkische Allgemeine, 9.4.2020, „Bewohner in Asylheim in Quarantäne“; PNN, 10.4.2020).
Situation in der Außenstelle der Erstaufnahme Doberlug-Kirchhain spitzt sich zu
In der Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain mit 474 Bewohner*innen wurden bisher mindestens drei Personen positiv auf Corona getestet und sind in einem Container unter Quarantäne gestellt. Bewohner*innen berichten, dass sich 15 weitere Menschen in Quarantäne im fünften Stock des Familiengebäudes befinden. Eine individuelle Quarantäne sei dort jedoch nicht möglich: So teilen sich negativ Getestete, die auf das Ende ihrer Quarantäne warten, mit Personen, die noch ihr Testergebnis abwarten, Bad und Küche. Doch statt durch dezentrale Umverteilung in kleinere Unterkünfte mehr Platz für Quarantäneanforderungen zu schaffen, setzt die zentrale Ausländerbehörde auf Abschottung: So wurden mit Unterstützung der Bundeswehr Zelte auf dem Gelände aufgebaut (Lausitzer Rundschau 9.4.2020), die einzige Busverbindung in den 5 km entfernten Ort wurde eingestellt.
Bewohner*innen rechnen damit, dass es immer mehr Quarantäne- sowie Coronafälle geben wird. „Wichtig ist uns: Wir brauchen Transparenz über die Zahlen der positiv und negativ Getesteten. Und auch darüber, wo sie alle untergebracht werden sollen“, sagt eine Bewohnerin. Eine andere erklärt: „Wir sind hier an einem Ort mit vielen Begrenzungen untergebracht. Bäder, Küchen und Toiletten sind besonders morgens überfüllt. Die Situation wird sich während der Ramadan-Zeit ab dem 24. April noch verschlimmern.“ Für jeweils 50 Personen steht nur eine Küche zur Selbstversorgung zur Verfügung. 70% der Bewohner*innen sind Muslime, die während des anstehenden Fastenmonats täglich auf ein bestimmtes Zeitfenster zum Essen und dessen Zubereitung angewiesen sind. Probleme, den benötigten Abstand einzuhalten, sind unter diesen Bedingungen vorprogrammiert. Auch bei der Internetnutzung ist die notwendige Distanz schwierig einzuhalten, denn WLAN ist, wenn überhaupt, nur in bestimmten Bereichen verfügbar.
Kontakt:
Flüchtlingsrat Brandenburg: +0331 71 64 99; info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
We’ll Come United Berlin/Brandenburg: 0163 1601783; community@welcome-united.org
Für Fragen zur aktuellen Situation geflüchteter Menschen mit einer Behinderung in Sammelunterkünften: Handicap International: +030 28043926; k.dietze@hi.org
Doberlug-Kirchhain Vereint, Diana Steinborn: 0173 4802479; dk.vereint@gmail.com; Initiative für Begegnung und Flüchtlingshilfe in Doberlug-Kirchain
Gemeinsame Pressemitteilung von Flüchtlingsrat Brandenburg, We‘ll Come United Berlin Brandenburg, Handicap International e.V, International Women* Space, Women in Exile & Friends, Refugees Emancipation, KommMit e.V., Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V., Refugee Assembly Brandenburg, Wir packen’s an e.V. – Nothilfe für Geflüchtet, Jugendliche ohne Grenzen Brandenburg, Refugee Law Clinic Berlin, Barnim für alle, Seebrücke Potsdam, Flüchtlingsberatungsstelle des ev. Kirchenkreises Oberes Havelland, ESTAruppin e.V, Geflüchteten Netzwerk Cottbus, Migrantenbeirat der Landeshauptstadt Potsdam, Vorstand des Aktionsbündnis Brandenburg, Bürger*innenasyl Barnim, SV Babelsberg 03, Brigade Konrad Wolf, Doberlug-Kirchhain VerEin, Alternatives Jugendprojekt 1260 e.V., S, Strausberg, Netzwerk neue Nachbarn Werder, Theater X, Aktionsbündnis „Offenes MOL“ Märkisch Oderland, Space2groW, colaborative Reichenow e.V., Kultur in der Alten Schäferei e.V. Reichenow, Haus des Wandels e.V. Steinhöfel-Heinersdorf, Demokratisches Jugendforum e.V., Dr. med. Nora Wawerek, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Lunow, Dipl.Med. Almut Berg, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, Lunow, Dr. Verbena Bothe
Liebe Überlebende, liebe Angehörige, liebe Freund_innen und Genoss_innen!
Dieses Jahr können wir uns nicht zu einer gemeinsamen Gedenkfeier auf dem ehemaligen Lagergelände treffen. Das macht uns traurig. Doch wir möchten euch aufrufen und einladen, an diesem Tag trotzdem ein Zeichen zu setzen:
Wir haben einen Podcast (Radiosendung) für euch erstellt, den ihr ab dem 18. April von unserer Website herunterladen oder in einigen freien Radios hören könnt – mit Reden zur Befreiungsfeier, Musik, Gedichten, Zitaten von Überlebenden und einem Überblick zur Geschichte und Nachgeschichte des Lagers. Hört euch die Sendung an und sagt sie anderen weiter! Ihr findet sie hier: http://gedenkort-kz-uckermark.de/info/aktuelles.htm#
Wir haben Plakate gestaltet und hoffen, dass sie weite Verbreitung finden – und an vielen Orten zu einem kurzen Innehalten, zum Nachdenken und zum Handeln anregen. Druckt sie aus, hängt sie auf und schickt sie über eure Social Media-Kanäle: http://gedenkort-kz-uckermark.de/assets/downloads/2020_75Jahrestag_Plakate.pdf
Malt eigene Transpis und hängt sie an Balkone und Fenster! Wir freuen uns über Fotos von allen Gedenkzeichen für unsere Website! Und schickt uns gerne auch welche, falls ihr am 18. April vielleicht doch zum Gedenkstein auf dem ehemaligen Lagergelände geht. Lasst uns auch in diesem Jahr zusammen gedenken. An vielen Orten, mit unterschiedlichen Zeichen, und doch mit dem gleichen Ziel. Antifaschismus braucht starke Bündnisse. Eure Initiative für einen Gedenkort ehem. KZ Uckermark
Am 19. April gedenken wir gemeinsam mit der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. der Opfer des Frauen-KZ Ravensbrück (siehe auch Online-Angebot der Mahn- und Gedenkstätte unter: https://www.ravensbrueck-sbg.de/).
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Unfortunately, we did not yet have time to translate this information into other languages. However, we try to provide an English translation as soon as possible. Thank you for your patience!
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Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.
Lausitzerstr. 10
Aufgang B
D‑10999 Berlin
E‑Mail: info@gedenkort-kz-uckermark.de
Web: www.gedenkort-kz-uckermark.de
Vom 17. bis zum 19. April waren Veranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück geplant, die im Zuge der Corona-Maßnahmen nun abgesagt wurden. Dabei sollte nicht nur das Gedenken an lesbische NS-Opfer thematisiert werden, sondern auch erneut die umstrittene „Gedenkkugel” niedergelegt werden.
„Das offizielle Gedenken an lesbische Frauen ist längst überfällig!“, sagt Irmes Schwager, die sich in der Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich engagiert. Die Initiative legt den Fokus auf das Gedenken und Erinnern an lesbische Frauen*, die von den Nationalsozialisten inhaftiert und ermordet wurden. In Kooperation mit der französischen Gruppe Mémoires en chantier wollten sie zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück gemeinsam in einem Raum die beiden Ausstellungen „Die Gedenkkugel: Chronik einer Sichtbarkeit – Die Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit und die Bedeutung des Gedenkens“ und „Constellations brisées“ präsentieren. Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus wurde die Veranstaltung in der Mahn- und Gedenkstätte abgesagt.
Kampf um die Anerkennung lesbischen Gedenkens
Lebenswege nachzeichnen und sichtbar machen: Diesen Ansatz verfolgen die Aktivist*innen von Mémoires en chantier mit ihrem Projekt „Constellations brisées“. Die Multimediaausstellung soll mithilfe digitaler Karten Aufschluss über den Widerstand, die Liebe und Freundschaften unsichtbar gewordener, lesbischer Frauen aus ganz Europa geben. Anhand der Biografien der nach Ravensbrück deportierten KZ-Insassinnen Marguerite Chabiron, Suzanne Leclézio und Yvonne Zeigel, die französische Widerstandskämpfer*innen waren, sowie der beiden deutschen Lesben Elsa Conrad und Henny Schermann wollte die Gruppe ihre Arbeit in der Mahn- und Gedenkstätte vorstellen. Doch auch wenn die Ausstellungseröffnung bis auf Weiteres verschoben wurde, sind die Porträts von Chabiron, Conrad und Schermann bereits online zugänglich. Unabhängig davon, betont Suzette Robichon, eine Aktivistin der Gruppe: „Es bleibt für uns unglaublich wichtig, nach Ravensbrück zu kommen“.
Um eine offizielle Anerkennung lesbischen Gedenkens kämpft die Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich. 2015 legte die Initiative zum ersten Mal eine Gedenkkugel für die lesbischen Opfer des NS-Regimes auf dem Gelände des ehemaligen KZ Ravensbrück nieder. Diese wurde aber von der Leitung wieder entfernt, weil der Vorgang nicht offiziell genehmigt war. „Es wurde versucht, etwas zum Schweigen zu bringen, was spricht!“, erinnert sich Irmes Schwager.
Über die Art und Weise, wie lesbischer NS-Opfer gedacht werden soll, wird schon seit den 80er-Jahren gestritten. Denn nach dem Strafrecht des NS-Staats wurden allein Männer aufgrund homosexueller Handlungen kriminalisiert und dafür ins KZ gebracht. Eine vergleichbare strafrechtliche Verfolgung lesbischer Frauen gab es zumindest in Deutschland nicht. Doch wie aus der leider immer noch sehr lückenhaften Forschung zum Thema hervorgeht, galten Lesben als „entartet“ oder „verrückt“. Sie wurden aus anderen Gründen denunziert, verfolgt und ermordet. Auch standen in den Lagern lesbische Handlungen unter Strafe.
Dennoch stellt sich die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bislang quer, der Kugel einen festen Platz zu geben. Auch der LSVD Brandenburg zog 2018 seinen Antrag auf Unterstützung zurück. Am Jahrestag der Befreiung sollte deswegen die Kugel erneut in Ravensbrück niedergelegt werden. Die Absage bedeutet leider einen weiteren Rückschlag für die Frauen* der Initiative. Doch auch wenn unklar ist, was die Zukunft bringen wird und ob die Kugel jemals einen festen Platz in der Gedenkstätte bekommt: die Aktivist*innen werden unermüdlich für die Anerkennung und Sichtbarmachung lesbischen Gedenkens kämpfen.