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Antifaschismus Law & Order

Auswertung der Polizeikontrollstelle vom Osterwochenende

Das Oster­woch­enende ist fast vor­bei und wir wollen es für euch auswerten. Wir schauen dabei nicht nur auf die Polizei, son­dern auch auf das Ord­nungsamt. In den let­zten Tagen hat das Pots­damer Ord­nungsamt ver­mehrt Angler*innen kon­trol­liert. Dies wurde von den Ord­nungskräften mit dem Ver­stoß gegen die Infek­tion­sor­d­nung begrün­det, obwohl die Angler*innen allein waren. Sie begrün­de­ten die Per­son­alien Auf­nahme und das abfo­tografieren der Papiere damit, dass das Angeln auf­grund der Verord­nung in Pots­dam ver­boten sei. Die betrof­fe­nen Angler*innen erhiel­ten Ver­war­nun­gen. Zeug*innen fragten daraufhin beim Ord­nungsamt nach, welch­es das Ver­bot bestätigte. Da wir als Polizeikon­troll­stelle darüber sehr ver­wun­dert waren, bat­en wir einen Stadtverord­neten bei dem Ober­bürg­er­meis­ter Mike Schu­bert nachzufra­gen. Dieser hat in der Tele­fonkon­ferenz am 11.04.2020 verneint, dass so ein Ver­bot existiere. Unsere Ansicht nach, ist es drin­gend notwendig alle Mitarbeiter*innen auf den gle­ichen Ken­nt­nis­stand zu brin­gen. Es kann nicht sein, dass die Ord­nungsamt Mitarbeiter*innen die Verord­nung der­art scham­los aus­nutzen, um Per­son­alien aufzunehmen.

Am Fre­itag kam es zu ein­er Kon­trolle durch das Ord­nungsamt Pots­dam auf dem Bass­in­platz. Dort waren 3 Mäd­chen (ca. 13–16 Jahre) mit Inlin­ern unter­wegs. Das Ord­nungsamt hat dort die Per­son­alien aufgenom­men und Ver­war­nun­gen aus­ge­sprochen. Das Prob­lem an dieser Kon­trolle war das Ver­hal­ten der Mitarbeiter*innen des Ord­nungsamtes. Die Mitarbeiter*innen haben sich zu keinem Zeit­punkt bei ihrer Ansprache an einen Abstand von 1,50m gehal­ten. Weit­er­hin mussten alle Per­so­n­en den gle­ichen Kugelschreiber benutzen. Das hat wenig mit Infek­tion­ss­chutz zu tun. Aus unser­er Sicht reicht es bei min­der­jähri­gen Per­so­n­en eine mündliche Ansprache ohne Per­son­alien Aufnahme.

Eine weit­ere Kon­trolle durch das Ord­nungsamt in Hen­nigs­dorf wirft Fra­gen auf. Eine Per­son war mit einem Baby unter­wegs und stand kurz auf einem Steg. Das Ord­nungsamt kam zu der Per­son und ver­warnte diese. Weit­er­hin sagten sie zu der Per­son, dass das Aufhal­ten nur max­i­mal 3–5 Minuten ges­tat­tet sei. Wie das Hen­nigs­dor­fer Ord­nungsamt zu dieser Recht­sausle­gung kommt, ist mehr als fraglich. In der Infek­tion­ss­chutzverord­nung gibt es keine Zei­tangaben. Deswe­gen wer­den wir in den näch­sten Tagen eine Email an die Stadt Hen­nigs­dorf for­mulieren und fra­gen, wie es zu dieser Rechts­grund­lage kommt. Wir wer­den euch die Antwort mitteilen!

Beim Betra­cht­en der Arbeit der Polizei, fällt ganz ein­deutig der Son­ntag auf. Hier kam es zu mehreren Über­grif­f­en von Seit­en der Polizei.

Bei ein­er Warteschlange vor einem Bäck­er, wurde eine Per­son ange­sprochen. Die Polizei kom­mu­nizierte, dass die Per­son Teil ein­er aufgelösten Ver­samm­lung sei und sie eine Ord­nungswidrigkeit bege­he. Weit­er­hin wies die Polizei darauf hin, dass dies bis zu 10.000€ kosten kann und die Per­son ja wohl nicht den schö­nen Nach­mit­tag im Gewahrsam ver­brin­gen möchte. Die Polizei forderte die Per­son auf das Schild run­terzunehmen, da es aus ihrer Sicht nicht ges­tat­tet sei ein Schild zu tra­gen und in der Warteschlange zuste­hen. Anschließend wur­den die Per­son­alien aufgenom­men. Da es sich bei der betrof­fe­nen Per­son um eine Trans*Frau han­delt, trägt diese einen Zusatzausweis mit sich. Dieser wurde zwar akzep­tiert, allerd­ings “scherzte” der Polizist beim Org­nialausweis “ob der Herr auf dem Ausweis denn auch da wäre”. Der Polizist fand das sehr lustig. Die betrof­fene Per­son nicht. Es kann nicht sein, dass Trans*personen solch diskri­m­inierende Kon­trollen erleben müssen.

Am Oster­son­ntag kam es zu einem über­zo­ge­nen Polizeiein­satz wegen ein­er Ord­nungswidrigkeit. Gegen 13 Uhr haben sich zwei Radfahrer*innen auf der Bran­den­burg­er Straße befun­den. Ein Polizei­wa­gen kam den Radfahrer*innen ent­ge­gen. Das Fen­ster wurde geöffnet und her­aus­gerufen, dass Fahrrad­fahren ver­boten sei. Per­son A hat den Ruf akustisch nicht ver­standen und Per­son B war sich dem Fahrver­bot am Son­ntag nicht bewusst, weshalb bei­de weit­er­fuhren. Die Polizei sprang daraufhin sofort aus ihrem Auto und ran­nte den Per­so­n­en hin­ter­her. Per­son A wurde am Arm gepackt und so zum Still­stand gebracht. Per­son B blieb daraufhin ste­hen. Da die Polizei den Bit­ten und Wün­schen des Näherkom­mens aus Infek­tion­s­grün­den zu unter­lassen, wichen die bei­den Per­so­n­en ein Stück zurück. Per­son A wurde gegen einen Bauza­un gedrängt und Per­son B gegen eine Hauswand. Bei­de wur­den von jew­eils 2 Polizist*innen umringt und weit­ere Beamt*innen kamen hinzu. Die Polizist*innen tru­gen zu keinem Zeit­punkt Atemschutzmasken.

Auf­grund der began­genen Ord­nungswidrigkeit wur­den die Per­so­n­en aufge­fordert ihre Per­son­alausweise her­auszugeben. Es wurde damit gedro­ht, sich son­st “den Ausweis zuholen”, wenn das nicht frei­willig passiere. Per­son B ver­suchte den Vor­fall mit dem Handy zu fil­men. Sie kam aber nicht dazu, da dies von den Beamt*innen sofort unter­sagt wurde. Sie forderten Per­son B auf, das Video zu löschen. Da sie dieser anscheind nicht traut­en, nahm ein Beamter das Handy aus der Hand und scrollt durch die Galerie, um zu schauen, ob tat­säch­lich keine Dateien vorhan­den sind. Zu diesem Zeit­punkt kamen zwei weit­ere Per­so­n­en, die die Sit­u­a­tion fil­men. Die Polizei forderte die weit­eren Per­so­n­en auf, dies zu unter­lassen. Sie stell­ten sich als Jornalist*innen der MAZ vor. Daraufhin mussten diese ihre Presseausweise zeigen.

Per­son A und B beka­men ein Über­weisungss­chein von 15€. Auf­grund von Schildern am Gepäck­träger wurde ihnen unter­stellt, teil ein­er Ver­samm­lung gewe­sen zu sein. Obwohl die Beamt*innen dafür keine Beweise hat­ten, wurde ein mündlich­er Platzver­weis für die gesammte Bran­den­burg­er Straße erteilt. Weit­er­hin wurde den bei­den Per­so­n­en gedro­ht, sollte man sie bei­de heute nochmal zusam­men antr­e­f­fen, wür­den sie Prob­leme bekom­men, auf­grund der Infektionsschutzverordnung.

Fassen wir diese Maß­nahme kurz zusam­men: Die Polizei kon­trol­lierte zwei Per­so­n­en wegen ein­er Ord­nungswidrigkeit. Die Polizei ver­hielt sich gegen jede Infek­ton­ss­chut­zord­nung, wurde auf­grund ein­er Ord­nungswidrigkeit kör­per­lich und ver­suchte Pressear­beit zu behindern.

Das Ver­hal­ten der Polizei bei der Warteschlange vor dem Bäck­er ist mehr als frag­würdig. So waren bei dem ganzen Ein­satz 120 Polizist*innen im Ein­satz, die bei Per­so­n­e­nansprachen, ohne Schutzaus­rüs­tung waren und somit bei nicht erkan­nter Covid-19 Erkrankung zu Überträger*innen wer­den. Unser­er Ansicht muss es eine Beschw­erdestelle geben, welche nicht bei der Polizei angegliedert ist.

Eure Polizeikon­troll­stelle

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Antifaschismus Flucht & Migration

Deutlich mehr als ein „Demo-Zehner“

Das Net­zw­erk für Weltof­fen­heit Bernau rief am 7. März auf dem Bahn­hofsvor­platz zu
bun­tem, friedlichem Protest sowie zu Spenden auf. Unter dem Mot­to „Stoppt die
Brand­s­tifter — Sol­i­dar­ität statt Hass, Het­ze und Gewalt“ ver­sam­melten sich etwa 250
Men­schen aller Gen­er­a­tio­nen, die kreativ zeigten, dass sie in keinem Land leben
möcht­en, das von Dem­a­gogen regiert oder mitregiert wird. Noch unter dem Ein­druck des
ras­sis­tis­chen Ter­ro­ran­schlags von Hanau macht­en sie deut­lich: Wir treten gegen Hass
und Het­ze, für eine sol­i­darische Gesellschaft ein, in der Men­schen­rechte nicht von
Zufäl­ligkeit­en wie dem Ort der Geburt abhängig sind.

Vor­ab ver­sprach das Net­zw­erk für Weltof­fen­heit: Als Gegengewicht gegen die
Auss­chließeri­tis der AfD sor­gen wir dafür, dass pro Teilnehmer/in an der Kundgebung
min­destens 10 Euro an Pro Asyl e.V., an Women in exile bzw. an Barn­im für alle
gespendet wer­den. Anfangs fragten einige Aktive im Net­zw­erks skep­tisch: Ist ein
„Demo-Zehn­er“ nicht doch zu viel und über­haupt real­isier­bar? Wenn 100 Men­schen zur
AfD-Kundge­bung kom­men, brauchen wir 1000 Euro Spenden… Opti­mistis­che Stim­men im
Net­zw­erk über­wogen dann: „Not­falls stock­en wir anschießend die Spenden auf.“

Auf­s­tock­en ist nun nicht nötig. An der AfD-Kundge­bung beteiligten sich 50 bis
max­i­mal 80 Teil­nehmer, über­wiegend ältere Män­ner. Spenden in Höhe von 800 Euro
hät­ten also gere­icht, um die Zusage einzulösen. Wie das Net­zw­erk jet­zt in Erfahrung
brachte, gin­gen mit dem Ver­merk „Spende BER0703“ bis Ende März ins­ge­samt 1810,00
Euro bei den drei Organ­i­sa­tio­nen ein, die sich für die Rechte geflüchteter Menschen
einsetzen.

Robert Liss­mann vom Bernauer Net­zw­erk fasst zusam­men: „Vor dem Aus­bruch der
Coro­na-Pan­demie war dies wohl für län­gere Zeit die let­zte Demon­stra­tion der
demokratis­chen Zivilge­sellschaft in Bernau. Wir bedanken uns sehr für den
engagierten und bun­ten Protest gegen die AfD-Kundge­bung sowie für die kleinen und
größeren Spenden. Wer ras­sis­tis­ches Gift aktiviert, dann bei rechtem Terror
Erstaunen und Erschreck­en heuchelt und keinen Zusam­men­hang sehen will, ver­sucht die
Men­schen für dumm zu verkaufen. Bleiben Sie gesund und aktiv, aufmerk­sam und
solidarisch“.

Fast 2.000,- wur­den nach dem Spende­naufruf bei der Demo in Bernau an Grup­pen und Organ­i­sa­tio­nen, die Geflüchtete sup­port­en, gespendet.
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Sonstiges

#LeaveNoOneBehind — die Politische Einkaufsschlange

INFORIOT Bun­desweit bericht­en Medi­en über hun­derte Meter lange Schlangen vor Lebens­mit­telgeschäften. In der Pots­damer Innen­stadt kam es am Oster­son­ntag zu ein­er ungewöhn­lichen Warteschlange, nach­dem eine angemeldete Men­schen­kette der See­brücke Pots­dam ver­boten wor­den war. Gegen Mit­tag standen mehr als 200 Men­schen an ein­er Bäck­erei auf der Bran­den­burg­er Straße an, um ihre Brötchen zu kaufen. Da aktuell auch beim Anste­hen und Warten ein Abstand von min­destens 2 Metern einzuhal­ten ist, ging die 700m lange Warteschlange ent­lang der gesamten Fußgänger­zone von der Friedrich-Ebert-Str. bis zum Bran­de­burg­er Tor.

Die Wartenden hat­ten Schilder oder Trans­par­ente dabei, um auf die katas­trophale Sit­u­a­tion an den Europäis­chen Außen­gren­zen und in den Elend­slagern auf den griechis­chen Inseln, wie das Lager Moria auf Les­bos, aufmerk­sam zu machen. Seenotret­tung, Sol­i­dar­ität und Men­schen­rechte wur­den gefordert. Außer­dem wur­den Gesänge und Parolen angestimmt.

Mit vor Ort waren mehrere par­la­men­tarische Abge­ord­nete, Anwält_innen und Journalist_innen, die den Bäckerkund_innen bera­tend und unter­stützend zur Seite standen.

Passant_innen reagierten über­wiegend pos­i­tiv auf die Aktion und sol­i­darisierten sich mit Klatschen, Ein­rei­hen oder Sprechchören.

Die ein­tr­e­f­fende Polizei wirk­te ins­ge­samt über­fordert und plan­los. Die Beamt_innen ver­sucht­en, die Warten­schlange als unangemeldete Ver­samm­lung zu deklar­i­eren und die Men­schen am Brötchenkauf zu hin­dern. Vere­inzelt wur­den Per­son­alien aufgenom­men. Zu beobacht­en war, dass die „Ord­nung­shüter“ im Namen von Coro­na wed­er Abstan­dregeln ein­hiel­ten, noch Mund­schutz trugen.

Die Einkauf­ss­chlange löste sich nach gut ein­er Stunde von selb­st auf, da ein ungestörtes Warten nicht möglich war.

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Flucht & Migration

Aktion Supermarkt-Shuttle „Busverbindung jetzt!“

Damit haben wir ver­sucht den Bus 571 von der Erstauf­nahme zur Stadt­mitte zu erset­zen. Er wurde vom Verkehrs­man­age­ment Elbe-Elster mit Beginn der Coro­na-Krise eingestellt.

Viele der über 400 Bewohner*innen der Sam­melun­terkun­ft reagieren mit Unver­ständ­nis auf die Maß­nahme des Verkehrs­man­age­ments Elbe-Elster. Eine Bewohner­in dazu: „Das Inter­es­sante ist: die anderen Busse fahren. Warum also nur wir? Warum wer­den wir so isoliert?“ Eine weit­ere Bewohner­in fügt hinzu: „Der Bus ist vor ca. einem Monat aus­ge­set­zt wor­den. Wir müssen jet­zt zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. 5 km mit Taschen ist weit. Zu Fuß ist das eine Stunde hin und eine zurück. Wir sind total abgeschnit­ten und sitzen hier fest, wir kön­nen uns über­haupt nicht frei bewe­gen.“ Die Iso­la­tion durch den man­gel­nden Bus wird durch die schlechte Inter­netverbindung noch ver­stärkt. Für die Men­schen in Quar­an­täne ist dies beson­ders einschneidend.

Geshut­telt wurde in pri­vat­en PKWs. Der Abstand von 1,5 Meter wurde einge­hal­ten, indem immer ein*e Fahrer*in jew­eils eine Per­son aus der Unterkun­ft trans­portierte, zudem wur­den Masken zur gegen­seit­i­gen Sicher­heit getra­gen. Trotz dieser Sicher­heits­maß­nah­men wur­den Men­schen aus der Unterkun­ft von anderen Einkaufend­en, die selb­st keinen Mund­schutz tru­gen, vehe­ment zum Hochziehen ihres Mund­schutzes aufge­fordert. Seit der Coro­na-Pan­demie wer­den sie ver­stärkt mit der­ar­ti­gen Kom­mentaren belei­digt. Ein Bewohner­in dazu: „Ich ver­ste­he das nicht. Wir sind doch die, die den Mund­schutz tra­gen. Warum wer­den wir nicht geschützt? Das ist doch Ras­sis­mus!“. Gle­ichzeit­ig gab es aber auch pos­i­tive Rück­mel­dun­gen und Spende­nange­bote der dort Anwe­senden Bürger*innen.

Durch unseren Shut­tle kon­nten ca. 40 Men­schen trans­portiert und ihnen damit große Einkäufe ermöglicht wer­den. „Seit Beginn der Krise, wurde das Essen reduziert. Viele Men­schen, vor allem die Fam­i­lien müssen selb­st kochen. Daher müssen wir drin­gend einkaufen kön­nen.“ Zudem haben viele Men­schen Angst und möcht­en nicht mehr in die Kan­tine gehen, weil der Sicher­heitsab­stand von 1,5 m kaum zu gewährleis­ten ist.

Die Heimbewohner*innen ste­hen seit Bekan­ntwer­den der Coro­na-Fälle im Lager ohne­hin unter großem Druck. „Wir haben Angst, viele schließen sich im Zim­mer ein. Alles ste­ht still, kein Fit­ness mehr, keine Deutsch-Klassen. Es hat sich vieles zum Schlecht­en verän­dert.“ Mit der Ein­stel­lung des Busses wird die Iso­la­tion der Men­schen in dieser Zeit drastisch gesteigert.

Der Leit­er der zen­tralen Aus­län­der­be­hörde Olaf Jansen gibt an, dass die Ein­stel­lung des Busses als Präven­tion gegen die Aus­bre­itung von Covid-19 angewiesen wurde. Inner­halb der Unterkun­ft selb­st wird allerd­ings wenig unter­nom­men, um die Gesund­heit der Bewohner*innen zu schützen. Desin­fek­tion­s­mit­tel ste­ht aktuell nur auf Nach­frage vere­inzelt zur Ver­fü­gung. Dazu kom­men die man­gel­haften Küchen- und San­itär-Ein­rich­tun­gen der Sam­melun­terkun­ft generell. „Ca. 100 Men­schen teilen sich ein Bad mit 5 Duschen und 5 Toi­let­ten. Vor allem mor­gens ist da viel los. Da machen wir uns natür­lich Sor­gen. Wir haben gefordert, dass öfters geputzt wird, bish­er ist nichts passiert.“ In der Unterkun­ft in Dober­lug-Kirch­hain sind bere­its vier Men­schen infiziert, eine Per­son ist im Kranken­haus, drei in einem Con­tain­er auf dem Gelände isoliert. Zudem ist aktuell die Quar­an­täne für Men­schen, die unter Coro­na-Ver­dacht ste­hen, im 5. Stock des Fam­i­lien­haus­es (siehe Bilder) unterge­bracht. Ins­ge­samt sind 15 Einzelper­so­n­en und 2 Fam­i­lien bish­er isoliert. Zum Betreten und Ver­lassen des Quar­an­tänebere­ich­es, muss das ganze Fam­i­lien­haus durch­quert wer­den. Das ist beson­ders unver­ständlich vor dem Hin­ter­grund, dass hier viele beson­ders gefährdete Men­schen leben, die unter Asth­ma, Hyper­ven­ti­la­tion, Bluthochdruck oder Dia­betes lei­den. Das Kli­ma ist dadurch sehr angespannt.

Statt für die Gesund­heit der Men­schen in den Unterkün­ften zu sor­gen, wird also auf die Iso­la­tion der ganzen Unterkun­ft geset­zt. Zulet­zt steigert sich dieses Vorge­hen bis zur Quar­an­täne ganz­er Unterkün­fte. So wur­den in der zen­tralen Erstauf­nahme in Sach­sen-Anhalt vom örtlichen Gesund­heit­samt rund 850 Bewohner*innen bis 21. April unter Quar­an­täne gestellt und dür­fen das Gelände nicht mehr ver­lassen. Aktuell sind dort bere­it 44 Men­schen mit Covid-19 infiziert. Seit ein­er Woche set­zen sich die Bewohner*innen gegen die Gesamtquar­an­täne mit einem Hunger­streik. Den­noch gibt es über eine dezen­trale Unter­bringung und kurzfristige Verbesserung von hygien­is­chen und medi­zinis­chen Bedin­gun­gen keine Ver­hand­lun­gen. Durch die Gesamtquar­an­täne wer­den fahrläs­sig Men­schen­leben aufs Spiel geset­zt. Laut Posi­tion­spa­pi­er des Flüchtlingsrates Berlin stellt eine Quar­an­täne nach dem Infek­tion­ss­chutzge­setz ohne Zus­tim­mung der Betrof­fe­nen oder richter­lichen Beschluss zudem eine frei­heit­sentziehende Maß­nahme dar und ver­stößt gegen das Grundge­setz. Bleibt zu hof­fen, dass in Dober­lug-Kirch­hain ein Rich­tungswech­sel stat­tfind­et und die Iso­la­tion der Men­schen in der Unterkun­ft been­det wird.

Wir fordern: „Busverbindung jet­zt! WLAN Zugang in jedem Zim­mer! Schluss mit der Iso­la­tion von Men­schen in der Erstauf­nahme! Lager abschaffen!“

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Wohnen & Stadt

Protest gegen Abrisse im Park Babelsberg

Eben­falls wird damit gedro­ht dass die Schlöss­er den Abriss der Strand­badan­la­gen nicht unversehrt über­ste­hen wür­den, sofern die Stiftung an ihren Plä­nen festhält.

Trotz bre­it­er Bürger_innenproteste der let­zten Wochen plant die SPSG weit­er­hin den Abriss der bish­eri­gen und eine Verkleinerung der kün­fti­gen Anla­gen was mas­sive Ein­schnitte für die Nutzer_innen des Seesport­club und des Strand­bades im Park Babels­berg mit sich brin­gen wird. Grund für die geplanten Bautätigkeit­en ist die Ver­legung eines Park­weges um ca. 50m näher an die Hav­el auf seinen “his­torischen” Ver­lauf. Vor­rau­sichtlich wer­den dadurch Kosten von ca. 6 Mil­lio­nen Euro entstehen.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://potsdam-stadtfueralle.de/tag/strandbad/

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Flucht & Migration

Gericht setzt Rechtsstaat außer Kraft

Das Ver­wal­tungs­gericht hat mit ein­er Eilentschei­dung vom 09.04.20 unsere geplante Men­schen­kette ver­boten. Da die weit­ge­hen­den Befug­nisse des Ord­nungsamts und der Polizei die polizeis­taatliche Willkür und das Drangsalieren von Men­schen fördern, verzicht­en wir auf eine zen­trale Aktion.

Wir ver­trauen darauf, dass viele Potsdamer*innen am kom­menden Son­ntag und in der darauf­fol­gen­den Woche mit vie­len kreativ­en und dezen­tralen Aktio­nen von ihrem Recht auf Mei­n­ungs­frei­heit Gebrauch machen. Die Lan­desregierung darf nicht in Ruhe gelassen wer­den! Sie muss ein Sofort­pro­gramm zur Auf­nahme der Men­schen in den EU-Elend­slager starten. Alle hiesi­gen Sam­melun­terkün­fte und beson­ders die Erstauf­nah­men für geflüchtete Men­schen müssen aufgelöst wer­den. Die Lan­desregierung ver­stößt gegen den Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satz, dass alle Men­schen das Recht auf Gesund­heit und Men­schen­würde haben!

Als SEE­BRÜCKE-Aktion ver­legen wir die Men­schen­kette in den virtuellen Raum: Alle sind dazu aufgerufen, die Osterspaziergänge zu nutzen, um Fotos von sich selb­st und eige­nen Protest-Schildern zu machen, so als ob man in ein­er Men­schen­kette stünde. Die Fotos wer­den aneinan­derg­erei­ht und ver­bun­den mit den schon fer­ti­gen Rede­beiträ­gen zu einem Video zusam­mengeschnit­ten, was schließlich eine lange, bunte Men­schen­kette abbildet. Beispiele wie solche Fotos auss­chauen kön­nen, zeigen wir bald­möglichst auf unser­er Web­seite: https://seebruecke.org/events/menschenkette-am-ostersonntag-leavenoonebehind/

Wir sind fas­sungs­los über die Zer­set­zung des Rechtsstaats durch die eige­nen Behör­den. Das Ver­wal­tungs­gericht hat sich – wie die Polizei – kein­er­lei Mühe gemacht, eine Abwä­gung zwis­chen Grun­drecht der Ver­samm­lungs­frei­heit und der Verord­nung zum Infek­tion­ss­chutz vorzunehmen. Noch nie wurde eine Ver­samm­lung der­art umfassend mit Vor­sichts­maß­nah­men geplant. Jede Einkauf­ss­chlange, jedes Meet­ing in der Arbeitswelt und jede Polizeistreife nehmen nicht annäh­ernd den Infek­tion­ss­chutz wahr, wie wir ihn durch viele Maß­nah­men gewährleis­tet hätten.

Der Staat ver­bi­etet die Ausübung von Grun­drecht­en mit ein­er Härte, die wir an ander­er Stelle erwarten: Die Igno­ranz gegenüber dem Elend an den EU-Gren­zen ist nicht nur lebens­ge­fährlich für die dort fest­ge­hal­te­nen Men­schen: Grundle­gende Men­schen­rechte zu mis­sacht­en ist krim­inell und müsste strafrechtlich ver­fol­gt wer­den! Eben­so ver­stößt der selbe Staat massen­haft gegen den indi­vidu­ellen Infek­tion­ss­chutz für die Men­schen, die gezwun­gener­maßen in Sam­melun­terkün­ften leben. Im Fall von Massen­quar­an­tä­nen wer­den hun­derte Men­schen ein­er Infek­tion­s­ge­fahr durch gegen­seit­iges Ansteck­en ungeschützt ausgeliefert.

Dass sich die Stadt Pots­dam nun entsch­ieden hat, teil­weise Hotels zu nutzen, um die unter Quar­an­täne geset­zte Sam­melun­terkun­ft in der Zep­pelin­straße 55 zu entzer­ren, geht auch auf unseren Protest zurück. Wir begrüßen das Vorge­hen und fordern die kon­se­quente Umverteilung der noch beste­hen­den Sam­melun­terkün­fte auf dezen­trale Unterkün­fte wie möblierte Woh­nun­gen und Hotels. Dabei muss die Selb­st­bes­tim­mung der Bewohner*innen und eine Kom­mu­nika­tion auf Augen­höhe höch­ste Pri­or­ität haben. Gle­ichzeit­ig müssen so viele Men­schen wie möglich aus den Erstauf­nah­men in Eisen­hüt­ten­stadt und Dober­lug-Kirch­hain in die Städte, in Woh­nun­gen und Hotels umverteilt wer­den. Pots­dam muss auch hier einen Schritt nach vorne machen.

Wir kön­nen und dür­fen nie­man­den zurück lassen! #LeaveNoOneBe­hind

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Flucht & Migration Law & Order

Eilantrag gegen Versammlungsverbot

Am 07. April sprach die polizeiliche Ver­samm­lungs­be­hörde für die in Pots­dam angemeldete Men­schen­kette „Lager evakuieren – Leben ret­ten! Leave No One Behind!“ ein Ver­samm­lungsver­bot mit Hin­weis auf die Bran­den­bur­gis­che Eindäm­mungsverord­nung aus. Dage­gen erfahren wir aus ver­schiede­nen Rich­tun­gen großen Zus­pruch. Zehn Organ­i­sa­tio­nen wie u.a. der Migranten­beirat der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, Flüchtlingsrat Bran­den­burg und women in exile e.V. unter­stützen den Aufruf zur Men­schen­kette (Gesamtliste siehe unten). Aus der Poli­tik auf der Stadt‑, Lan­des- und Bun­destagsebene erfahren wir eben­falls eine bre­ite Unterstützung.

Wir haben heute einen Eilantrag beim Ver­wal­tungs­gericht ein­gere­icht, um unser Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit einzuk­la­gen. Wir fordern für alle Men­schen – egal welch­er Herkun­ft – gle­icher­maßen vol­lum­fänglichen Infek­tion­ss­chutz. Fol­gerichtig wird unsere Men­schen­kette mit einem Sicher­heitsab­stand von 3 m, mit Mund­schutzpflicht und mit zeit­ver­set­zter Anreise ab 15 Uhr durchge­führt. Unsere Sicher­heits­maß­nah­men übertr­e­f­fen jede Einkauf­ss­chlange vor einem Baumarkt.

Das Ver­bot ein­er mit Vor­sichts­maß­nah­men geplanten Ver­samm­lung begrün­det mit der Infek­tion­s­ge­fahr ist zynisch und krim­i­nal­isiert unsere Forderun­gen nach Men­schen­rechte: Wir demon­stri­eren für eine sofor­tige Evakuierung der an den EU-Gren­zen fest­ge­hal­te­nen Men­schen. Zehn­tausende sind den lebens­ge­fährlichen Bedin­gun­gen aus­ge­set­zt. In den Elend­slagern gibt es keinen Infek­tion­ss­chutz! Eben­so sind die momen­tan in Deutsch­land stat­tfind­en­den Massen­quar­an­tä­nen von Sam­melun­terkün­ften unvere­in­bar mit dem indi­vidu­ellen Recht auf Gesund­heit. Sam­melun­terkün­fte müssen jet­zt umverteilt wer­den auf dezen­trale Unterkün­fte wie leere Hotels und möblierten Woh­nun­gen, um weit­ere massen­hafte Quar­an­tä­nen zu verhindern!

Stadtverord­nete von Bünd­nis 90/Die Grü­nen, SPD, Die Linke und Die Andere sprechen sich gegen die rig­orose Ein­schränkung der Ver­samm­lungs­frei­heit aus. Ver­schiedene Land­tags- und Bun­destagsab­ge­ord­nete wie MdL Marie Schäf­fer und Ricar­da Bud­ke (Bünd­nis 90/Die Grü­nen), MdL Isabelle Van­dré (Die Linke) und MdB Nor­bert Müller (Die Linke) haben sich bere­it erk­lärt, am kom­menden Oster­son­ntag als par­la­men­tarische Beobachter*innen zur Ver­fü­gung zu stehen.

Um die eventuellen Kosten des Rechtsstre­its zu tra­gen, rufen wir zu Spenden auf:

Men­sch Men­sch Men­sch e.V.
IBAN DE07430609671167120503
BIC GENODEM1GLS
Ver­wen­dungszweck: See­brücke Pots­dam Menschenkette

Unter­stützer-Organ­i­sa­tio­nen [Stand: 08.04.2020]
— Women in Exile
— Flüchtlingsrat Brandenburg
— Berlin-Bran­den­bur­gis­che Aus­lands­ge­sellschaft (BBAG)
— Pots­dam Konvoi
FEM – Forum des Empow­er­ments und Teil­habe für Migranten e.V.
— Migranten­beirat der Lan­deshaupt­stadt Potsdam
— Hochschul­gruppe Pangea Projekt
GEW Stud­is Brandenburg
DGB Hochschul­gruppe Potsdam
— Die Linke.SDS Potsdam

Ver­anstal­tungsin­for­ma­tion und Aufruf:
https://seebruecke.org/events/menschenkette-am-ostersonntag-leavenoonebehind/

Weit­ere Infos:
https://www.facebook.com/Seebr%C3%BCcke-Potsdam-1850435155011395/
https://twitter.com/seebrueckepd
https://seebruecke.org/lokalgruppen/seebruecke-potsdam/

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Flucht & Migration

Erstaufnahme Doberlug-Kirchhain: “Busverbindung jetzt!”

Am Don­ner­stag 9.4.2020 unter­stützen wir in Dober­lug-Kirch­hain die Men­schen in der Erstauf­nahme-Ein­rich­tung durch einen Super­markt-Shut­tle mit pri­vat­en PKWs. Wir fordern: „Busverbindung jet­zt! Schluss mit der Iso­la­tion von Men­schen in der Erstauf­nahme! Lager abschaffen!

Geshut­telt wird von der Erstauf­nahme zum 5 km ent­fer­n­ten Super­mark, um den Bewohner*innen den Einkauf zu ermöglichen. Der vorgeschriebene Abstand wird gewährleis­tet, indem immer ein*e Fahrer*in jew­eils eine Per­son aus der Unterkun­ft trans­portieren. Zudem wer­den wir Masken zur gegen­seit­i­gen Sicher­heit tragen.

Grund der Aktion ist die Ein­stel­lung der einzi­gen Busverbindung von der Erstauf­nahme Dober­lug-Kirch­heim in die fünf Kilo­me­ter ent­fer­nte Stadt. Die Heimbewohner*innen waren bere­its vor der Coro­na-Krise stark isoliert und unter Druck. Die Unterkun­ft ist abgelegten, Mobil­funknetz oder Inter­net fehlen, Abschiebun­gen bei Nacht und Nebel waren an der Tage­sor­d­nung. Mit der Ein­stel­lung des Bus­es, wird die Iso­la­tion der Men­schen in dieser Zeit drastisch gesteigert.

Eine Heim­be­wohner­in zur Sit­u­a­tion: „Viele Men­schen haben Angst in die Kan­tine zu gehen, weil es dort unmöglich ist, Abstand zu hal­ten. Die weni­gen Spender mit Desin­fek­tion­s­mit­tel sind lange leer und wer­den nicht erneuert. Daher ist es beson­ders wichtig, selb­st einzukaufen. Aber der Bus wurde eingestellt. Die schw­eren Taschen müssen wir jet­zt 5 km weit tra­gen. Wir fühlen uns völ­lig allein gelassen und isoliert.“

Die Ein­stel­lung wurde als Präven­tion gegen die Aus­bre­itung der Coro­na-Krise angewiesen. Der Leit­er der zen­tralen Aus­län­der­be­hörde Jansen teilte dem Neuen Deutsch­land mit, dass die Ein­stel­lung der Buslin­ie 571 bis Ende der Coro­na-Krise beste­hen bleibe. Alle anderen Lin­ien des Verkehrs­man­age­ment ElbeEl­ster fahren allerd­ings weit­er. Ein Grund für diese Son­der­maß­nahme wurde bish­er nicht angegeben.

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Infektionsschutz muss für alle gelten!

INFORIOT Nach­dem heute bekan­nt wurde, dass die Bewohner_innen ein­er Sam­melun­terkun­ft in Pots­dam mit Ver­weis auf Infek­tion­ss­chutz fest­ge­set­zt wer­den sollen, protestierten heute etwa 30 Men­schen gegen Massen­quar­an­täne und die Zustände in Geflüchteten­heimen. Während drin­nen eine Pressekon­ferenz abge­hal­ten wurde, ver­sam­melten sich Aktivist_innen vor dem Pots­damer Rathaus mit Schildern. Aus Grün­den des Infek­tion­ss­chutzes tru­gen sie Mund­schutz und hiel­ten jew­eils größeren Abstand zu einander.

Sie forderten sofor­tige dezen­trale Verteilung der Men­schen in Woh­nun­gen oder leer ste­hende Hotels. Offen­bar gibt es seit­ens der Stadt Pots­dam keinen Krisen­plan für solche Fälle. Dass in Sam­melun­terkün­ften viele Men­schen unter teils unzu­mut­baren Bedin­gun­gen auf engem Raum leben müssen, wird nicht nur in Zeit­en ein­er Pan­demie zurecht beständig durch linke und Men­schen­rechtsini­tia­tiv­en kri­tisiert. In der aktuellen Sit­u­a­tion ver­stärken sich soziale Ungle­ich­heit­en und struk­turelle Diskri­m­inierung. Zumin­d­est Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, hät­ten sofort dezen­tral unterge­bracht wer­den müssen. Stattdessen wer­den sie isoliert und vergessen.

Es kann nicht sein, dass da mehr als 100 Men­schen einkaserniert wer­den. Für sie sollte der gle­iche Infek­tion­ss­chutz gel­ten wie für alle Men­schen während der Coro­na-Pan­demie“, sagte Lisa Bauer, die dem Protes­taufruf ge­fol‍gt war.

Ob eine Eindäm­mungs-Verord­nung das Grun­drecht auf Ver­samm­lungs­frei­heit beschnei­den darf, ist noch nicht abschließend aus­ge­han­delt. In der ver­gan­genen Woche gab es in Pots­dam eine Aktion, in der Aktivist_innen gegen die Grun­drecht­sein­schränkung im Zuge der Coro­n­akrise protestierten. Begrüßenswert ist es alle­male, sich zu posi­tion­ieren, neue Aktions­for­men auszutesten, über den eige­nen Teller­rand hin­auszublick­en, kri­tisch zu bleiben und den Mund­schutz nicht zum Maulko­rb wer­den zu lassen.

Die näch­sten Tage in Pots­dam, die sich zum sicheren Hafen beken­nt, wer­den zeigen, ob sich in der Unterkun­ft in der Zep­pelin­straße ähn­lich schreck­liche Szenar­ien, wie in den ver­gan­genen Wochen in Suhl oder Hal­ber­stadt abspie­len wer­den. Dort wer­den und wur­den die Men­schen teils über Tage durch mas­sive Polizeige­walt drangsaliert und eingesperrt.

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Wir haben das Gefühl, man hat uns vergessen“

Es war wohl nur eine Frage der Zeit. Auch in Bran­den­burg wur­den vorige Woche erst­mals Geflüchtete pos­i­tiv auf Coro­na getestet. Die drei betrof­fe­nen Män­ner kom­men aus Syrien, Tschetsche­nien und dem Irak und wur­den nun in Quar­an­tänecon­tain­ern auf dem Gelände ihrer Unterkun­ft unterge­bracht. Es ist die Erstauf­nahme-Außen­stelle Dober­lug-Kirch­hain, die größte Unterkun­ft für Geflüchtete in Bran­den­burg. Über 400 Men­schen leben dort. Wer in die ehe­ma­lige Kaserne kom­men will, muss zunächst fünf Kilo­me­ter durch mil­itärisches Sper­rge­bi­et im Wald zurücklegen.

In dieser Unterkun­ft sind vor allem Men­schen unterge­bracht, die in ein anderes EU- oder Dublin-Sys­tem-Land abgeschoben wer­den sollen. Diese tägliche Angst vor Abschiebun­gen und die Schlaflosigkeit wegen nächtlich­er Polizeiein­sätze hat auch schon vor dem Aus­bruch des Virus die Unterkun­ft zu einem Ort der Unsicher­heit gemacht.

Die Coro­na-Krise ver­größert beste­hende soziale Ungle­ich­heit­en und struk­turelle Diskri­m­inierung tritt noch stärk­er zu Tage,“ sagt Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg sowie andere Flüchtlingsini­tia­tiv­en, darunter Women in Exile und See­brücke Pots­dam, hat­ten die Bran­den­burg­er Lan­desregierung bere­its in der Woche zuvor aufge­fordert, Geflüchtete bess­er vor ein­er Infek­tion zu schützen und zumin­d­est Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, dezen­tral unterzubrin­gen, ähn­lich wie es Schleswig-Hol­stein bere­its beschlossen hat. Neben den leer ste­hen­den Unterkün­ften, die ohne­hin für Geflüchtete vorge­se­hen sind, kön­nten dafür auch leer­ste­hende Hotels, Woh­nun­gen und Ferien­apart­ments genutzt werden.

Wege aus der Polar­isierungs­falle: Haben Intellek­tuelle ihr Deu­tungsmonopol ver­loren? Die großen Debat­ten wer­den heute nicht mehr aus der poli­tis­chen Mitte her­aus geführt. Kap­i­tal­is­mus oder Antikap­i­tal­is­mus, Migra­tion oder Abschot­tung, Faschis­mus oder Antifaschis­mus – Zwis­chen­töne sind…

Jeder hat eine Million Fragen“

Social dis­tanc­ing ist für uns unmöglich, da wir uns Küche und Badez­im­mer teilen,“ erzählt Bijan. Der 34-Jährige ist aus dem Iran geflo­hen. Er hat in Deutsch­land Asyl beantragt und lebt jet­zt in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft mit 100 Men­schen in Bran­den­burg. Die Coro­na-Krise hätte aber auch noch andere schlimme Kon­se­quen­zen: „Viele Men­schen hier haben ihre Arbeit ver­loren, Men­schen, die das Geld echt gebraucht haben. Und es ist viel schwieriger, die Behör­den zu erre­ichen. Alles dauert länger. Wirk­lich jed­er hat eine Mil­lion Fra­gen, doch die Kom­mu­nika­tion ist extrem eingeschränkt.“

Wir als Flüchtlingsrat sagen, dass zumin­d­est Men­schen, die Vor­erkrankun­gen oder chro­nis­che Krankheit­en haben eigentlich sofort ausziehen müssten,“ so Schwedler vom Flüchtlingsrat. Da diese Fälle jedoch gar nicht alle erfasst seien, wäre der erste Schritt, zunächst Risiko­grup­pen zu identifizieren.

Doch das Land Bran­den­burg möchte in den näch­sten Wochen gar keine Geflüchtete in andere Unterkün­fte verteilen – aus „Infek­tion­ss­chutz­grün­den“. Schwedler hält dage­gen: „Aus unser­er Sicht ist ein Infek­tion­ss­chutz bei ein­er Masse­nun­terkun­ft niemals möglich.“ Die Gefahr ist, dass, wenn sich einzelne infizieren, eine ganze Unterkun­ft unter Quar­an­täne geset­zt wer­den muss, wie es in anderen Bun­deslän­dern bere­its geschehen ist. „Das erwarten wir auch in Bran­den­burg,“ sagt Schwedler, „auch wenn das Land das ver­mei­den will. Aber wenn eine bes­timmte Anzahl an Infizierten erre­icht wird, ist es das Gesund­heit­samt, das die Entschei­dung trifft.“ Im thüringis­chen Suhl eskalierte die Sit­u­a­tion, nach­dem Mitte März eine ganze Unterkun­ft zwei Wochen lang unter Quar­an­täne geset­zt wor­den war. „Die Leute haben sich gewehrt, woraufhin die Polizei mit mas­siv­er Gewalt eingeschrit­ten ist,“ erzählt Schwedler.

Die Men­schen ste­hen unter unglaublichem Druck und Stress,“ fügt sie hinzu, „entwed­er, weil sie noch nicht wis­sen, wie ihr Asylver­fahren aus­ge­ht, oder weil sie darauf warten, abgeschoben zu wer­den oder hof­fen, dass es doch nicht passiert.“ Bei vie­len sei zusät­zlich die Angst um Fam­i­lien­ange­hörige groß. Viele lit­ten außer­dem unter post­trau­ma­tis­che Belastungsstörungen.

Ein Badezimmer für bis zu 35 Menschen

In der Erstauf­nahme teil­ten sich die Men­schen zu zweit oder dritt kleine Zim­mer. In diesen Räu­men sei nichts außer zwei oder drei Met­all­bet­ten, zwei oder drei Met­all­spinde und ein klein­er Met­alltisch. Die Badez­im­mer teil­ten sich bis zu 35 Leute. Unter solchen Bedin­gun­gen in ein­er Masse­nun­terkun­ft in Quar­an­täne zu sein, ist ein Pulverfass.

In Dober­lug-Kirch­hain gibt es laut Schwedler keinen Tele­fon-Emp­fang, nur ganz spo­radis­chen Inter­net-Emp­fang und nur wenige WLAN-Hotspots, um die sich dann alle Leute sam­meln müssen. Für Geflüchtete ist der Inter­net­zu­gang wichtig, um Kon­takt zu ihren Fam­i­lien zu haben, aber auch um an Bil­dung und Infor­ma­tion zu kommen.

Die Men­schen haben kaum eigene Kochmöglichkeit­en und teilen sich alle eine Kan­tine. „Wir wis­sen, dass da jeden Tag zum Essen jet­zt mit den zwei Metern Abstand, die einge­hal­ten wer­den sollen, eine zwei, drei Kilo­me­ter lange Schlange ste­ht,“ sagt Schwedler, „Ich frage mich, was die machen, wenn es reg­net, wenn man da eine Dreivier­tel Stunde draußen aufs Essen warten muss. Und in den Kan­ti­nen sel­ber sitzen die Men­schen dann wieder dicht an dicht.“

Ein großes Prob­lem in dieser Zeit sei auch Desin­for­ma­tion, berichtet Schwedler, es gebe kaum gesicherte Infor­ma­tio­nen für die Geflüchteten oder diese wür­den nicht weit­ergegeben. „Wir bekom­men so viele Anfra­gen: Was passiert jet­zt mit meinen Aufen­thaltspa­pieren? Wie ver­län­gere ich die, wenn ich nicht zur Aus­län­der­be­hörde gehen kann? Meine Leis­tun­gen sind gekürzt wor­den, ich bekomme nur noch reduzierte Leis­tun­gen meines Taschen­gelds, weil ich an mein­er Pass­beschaf­fung nicht mitwirke, aber das kann ich ger­ade eh nicht. Was kann ich damit machen?“

Kein allgemeiner Abschiebestopp

Abschiebun­gen fän­den momen­tan zwar de fac­to keine statt, so Schwedler, doch laut Aus­sage der Bun­de­spolizei soll sich das zeit­nah wieder ändern. Einen offiziellen Abschiebestopp in Herkun­ft­slän­der gibt es wed­er auf Lan­des- noch auf Bun­de­sebene. Und das, obwohl wegen der all­ge­meinen Ein­reisebeschränkun­gen Men­schen zurück­gewiesen oder im Tran­sit stran­den könnten.

Coro­na hat mein Leben sehr viel schw­er­er gemacht. Und es war davor schon schw­er,“ erzählt Tepeina, eine 35-jährige Kenyaner­in, die seit zwei Jahren in Deutsch­land ist und wie Bijan in ein­er Gemein­schaft­sun­terkun­ft in Bran­den­burg lebt. „Ich habe Angst,“ sagt Tepeina, „Wenn sich eine Per­son ansteckt, wer­den wir uns alle anstecken.“

Bijan hat in sein­er Unterkun­ft den Ein­druck, dass der Coro­na-Virus nicht die Haupt­sorge der Geflüchteten ist: „Ich habe nicht das Gefühl, dass viele Men­schen in meinem Heim Angst haben, sich mit Coro­na anzusteck­en. Men­schen, die hier leben, haben bere­its viel Schlim­meres erlebt.”

Tepeina engagiert sich als Frei­willige bei Refugee Eman­ci­pa­tion, ein­er Selb­stor­gan­i­sa­tion für Geflüchtete. „Dort helfen wir uns gegen­seit­ig,“ sagt sie. „Momen­tan haben wir Geflüchtete das Gefühl, man hat uns vergessen. Wir kriegen ein­fach keine Unter­stützung in dieser Zeit.“

Inforiot