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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Zwischen Gedenken und Gefahr

Gün­ter Morsch ist 68 Jahre alt, aber er sieht jünger aus. Er hat eine kräftige Statur, Voll­bart und trägt eine Horn­brille. Der His­torik­er hat die Gedenkstätte und Muse­um Sach­sen­hausen geleit­et. Nun ist er in Rente und kön­nte seinen Ruh­e­s­tand genießen, doch da ist noch etwas.

Gün­ter Morsch stand auf ein­er der Lis­ten des NSU, auf denen die Ter­ror­is­ten um Beate Zschäpe aufgeschrieben hat­ten, wer in ihr Ziel­raster passte, wen sie töten woll­ten oder zumin­d­est ins Auge gefasst hat­ten: Türken, sozial engagierte Men­schen – und eben Gün­ter Morsch.

Bis zur E‑Mail aus dem Reporterteam von CORRECTIV hat nie­mand mit ihm darüber gere­det, dass er ein möglich­es Opfer der Recht­ster­ror­is­ten war. Gün­ter Morsch wusste nichts. Nie­mand hat ihm Bescheid gesagt, mit ihm gere­det. Und das beschäftigt ihn.     

Angesichts der guten Zusam­me­nar­beit mit der Polizei in mein­er Zeit als Gedenkstät­ten­leit­er und Stiftungs­di­rek­tor war ich wirk­lich ent­täuscht“, sagt Morsch. Das tut weh. Die guten Kon­tak­te zu den Behör­den waren ein wichtiger Bestandteil sein­er Arbeit, sagt His­torik­er Morsch. Immer wieder war Recht­sex­trem­is­mus sein The­ma. Von 1993 bis 2018 leit­ete er die „Gedenkstätte und Muse­um Sach­sen­hausen“ in Bran­den­burg. Jährlich kom­men rund 700.000 Men­schen hier­her. Ab 1997 war Morsch als Direk­tor der Stiftung Bran­den­bur­gis­che Gedenkstät­ten (SBG) zusät­zlich für vier weit­ere Orte verantwortlich.

Ursprünglich kommt Morsch aus dem Saar­land, das hört man heute noch. Er kam sieben Jahre nach Kriegsende auf die Welt. „Wir sind in der Auseinan­der­set­zung mit der nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­gan­gen­heit groß gewor­den, das prägte meine Jugend stark“, sagt Morsch. In sein­er Gemeinde lebten damals rund 2.000 Leute, zu ver­steck­en gab es da nicht viel: „Anders als in ein­er Großs­tadt sind in einem über­schaubaren Dorf, in dem jed­er jeden ken­nt, die Anhänger und Träger der NS-Bewe­gung und des NS-Staates auch viele Jahre später noch namentlich bekan­nt.“ Es war selb­stver­ständlich, dass der Bürg­er­meis­ter früher bei der NSDAP war und die lokalen Eliten bei SA, SS und anderen Organ­i­sa­tio­nen, sagt Morsch. Die meis­ten hät­ten sich damit arrang­iert, eine Auseinan­der­set­zung damit sei immer eine Sache von Min­der­heit­en gewe­sen. „Von daher war man immer das, was man bis heute Nest­beschmutzer nen­nt.“ Der Stre­it um die NS-Ver­gan­gen­heit sei deshalb lei­der nicht immer nur mündlich, son­dern „vere­inzelt auch physisch“ aus­ge­tra­gen worden.

Später studierte er in Berlin, arbeit­ete an his­torischen Ausstel­lun­gen mit und war Ref­er­ent für Erwach­se­nen­bil­dung. Dann ver­brachte er fünf Jahre am Indus­triemu­se­um im nor­drhein-west­fälis­chen Ober­hausen. Als His­torik­er und Ausstel­lungs­mach­er, der sich viel mit dem Nation­al­sozial­is­mus beschäftigt hat­te, kam er schließlich zum früheren „Konzen­tra­tionslager bei der Reichshaupt­stadt“, wie Sach­sen­hausen zur NS-Zeit genan­nt wurde.

Morsch betont immer wieder, wie her­vor­ra­gend in seinen Augen seine Koop­er­a­tion als Gedenkstät­ten­leit­er nicht nur mit Poli­tik und Lan­deskrim­i­nalamt (LKA), son­dern auch mit dem Ver­fas­sungss­chutz lief. Und das, obwohl ger­ade das Lan­desamt in Bran­den­burg im Zusam­men­hang mit dem NSU beson­ders in der Kri­tik ste­ht, da es die Fes­t­nahme von Beate Zschäpe, Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt behin­dert haben soll. Als die Thüringer Polizei die drei 1998 per Haft­be­fehl suchte, ver­weigerten ihr die bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chützer Infor­ma­tio­nen zu einem V‑Mann aus dem NSU-Umfeld, der die Ermit­tler zum Aufen­thalt­sort des Trios hätte führen können.

Als Morsch von dem Ein­trag mit seinem Namen erfuhr, schrieb er einen Brief an den Innen­min­is­ter von Bran­den­burg, Michael Stüb­gen (CDU). Ein per­sön­lich­er Ref­er­ent antwortete inner­halb weniger Tage, kurz darauf auch jemand von der Polizei: Wir küm­mern uns, hieß es. Einige Wochen später wollen zwei Beamte vom Bun­deskrim­i­nalamt (BKA) aus Meck­en­heim in Nor­drhein-West­falen anreisen, um mit ihm in der Polizei­hochschule in Oranien­burg zu sprechen. Es sind einige Wochen des Wartens, des Nachdenkens.

Schon ein­mal war Morsch auf ein­er Fein­desliste, Anfang der Nuller­jahre bei „Alter­me­dia“: ein inter­na­tionales Neon­azi-Por­tal, das 2016 ver­boten wurde. „Wenn der Name ‚Morsch‘ fällt, geht das Mess­er in der Tasche auf“, hieß es dort über ihn. Auch über diesen Ein­trag wurde Morsch nie informiert, er ent­deck­te ihn selb­st. Weil er wusste, dass er für Recht­sex­treme eine exponierte Fig­ur war, suchte er früher sys­tem­a­tisch nach seinem Namen im Inter­net. Angst hat­te er nie, sagt er, auch beson­dere Sicher­heitsvorkehrun­gen traf er nicht: Kein Name auf dem Klin­gelschild, keine Num­mer im Tele­fon­buch – das war‘s.

Gün­ter Morsch hat viel erlebt in seinen mehr als 25 Jahren als Leit­er der Gedenkstätte im 1936 errichteten Sach­sen­hausen. SS-Chef Hein­rich Himm­ler nan­nte es ein „vol­lkom­men neues, jed­erzeit erweiterungs­fähiges, mod­ernes und neuzeitlich­es Konzen­tra­tionslager“. Mehr als 20.000 Men­schen kamen dort bis Kriegsende ums Leben. Von 1945 bis 1950 diente es dann als sow­jetis­ches Spezial­lager. Dort waren rund 60.000 Men­schen inhaftiert, vor allem „untere und mit­tlere NS-Funk­tionäre“. Cir­ca 12.000 von ihnen star­ben in den fünf Jahren, vor allem an Hunger und Krankheit­en, Anfang der 90er wur­den Mas­sen­gräber ent­deckt. An den Gräbern der Häftlinge kam es später zu Ver­anstal­tun­gen mit Hak­enkreuzen und Hit­ler­grüßen. Neon­azis ver­sucht­en, Lager und Opfer für nation­al­sozial­is­tis­che Pro­pa­gan­da zu instru­men­tal­isieren. Seit­ens der Opfer­ver­bände gab es kaum Wider­stand, erzählt Morsch. Im Gegen­teil, sie hät­ten die Toten­zahlen über­trieben, wis­senschaftliche Erken­nt­nisse über die Geschichte des Spezial­lagers bestrit­ten und manche Per­so­n­en aus dem Vor­stand von Ver­bän­den hät­ten sog­ar die Exis­tenz von Gaskam­mern in Zweifel gezo­gen. Er ver­mutet, dass es diese per­ma­nente Auseinan­der­set­zung um die Geschichte war, die ihn zur Zielscheibe von Recht­sex­tremen machte.

Wir haben vor allem in den 90er Jahren in der Stadt und in den Gedenkstät­ten Bran­den­burgs fast die gesamte Palette an recht­sex­tremen, ras­sis­tis­chen und anti­semi­tis­chen Aktiv­itäten erfahren müssen“, sagt er. Im Herb­st 1992 zün­de­ten zwei Neon­azis eine Baracke an, in der früher Juden inhaftiert waren. Prak­tisch genau zehn Jahre nach der Tat fand ein weit­er­er Bran­dan­schlag statt, dies­mal auf die KZ–Gedenkstätte im Below­er Wald, für die Morsch eben­falls ver­ant­wortlich war. Auf eine Erin­nerungsstele sprüht­en die Täter SS-Runen und ein Hak­enkreuz, daneben schrieben sie: „Juden haben kurze Beine.“ Auch andere Gedenk­tafeln in Bran­den­burg wur­den immer wieder beschädigt. Ins­ge­samt seien die Angriffe seit Ende der 90er Jahre aber deut­lich zurück­ge­gan­gen, sagt Morsch. Zwei Aspek­te seien damals entschei­dend gewe­sen und auch heute noch wichtig beim Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus: die Her­aus­bil­dung ein­er „Bürg­erge­sellschaft“, die sich deut­lich posi­tion­iert – und eine entsch­iedene Poli­tik des Staates.

Als Morsch in Oranien­burg anf­ing, war die Stadt ein Neon­azi-Hotspot. So ste­ht es im Bericht des Ver­fas­sungss­chutzes. Bürg­er­meis­ter hät­ten das Prob­lem anfangs nicht wahrhaben wollen. Das änderte sich irgend­wann: „Entschei­dend war, dass die Men­schen anerkan­nten, dass die Neon­azis zum Teil ihre eige­nen Kinder sind und dass es sich um ein struk­turelles Prob­lem han­delt, das man nicht ein­fach irgend­wohin abschieben kann.“ Auch Polizei und Jus­tiz seien entsch­ieden gegen Recht­sex­trem­is­mus vorge­gan­gen. Zum Ende sein­er Amt­szeit hin habe es dann keine nen­nenswerten Skan­dale mehr gegeben – mit Aus­nahme ein­er Besucher­gruppe, die 2018 auf Ein­ladung von AfD-Bun­destags­frak­tion­schefin Alice Wei­del in der Region war. Sie wur­den wegen Störun­gen der Gedenkstätte ver­wiesen, ein Mann zweifelte die Exis­tenz von Gaskam­mern an und wurde später zu ein­er Geld­strafe von 4.000 Euro wegen Volksver­het­zung und Störung der Toten­ruhe verurteilt.

Heute sei für ihn das Beun­ruhi­gend­ste, wenn der Staat von Recht­sex­tremen durch­set­zt werde. „Jed­er Vor­fall, der belegt, dass der Staat und die Gesellschaft auf dem recht­en Auge schwäch­er sehen oder blind sind, ist eine ern­sthafte Bedro­hung für die Demokratie“, sagt Morsch hin­sichtlich der aktuellen Entwick­lun­gen in der Bun­deswehr, der Polizei und der Jus­tiz. Recht­sex­trem­is­mus und Recht­ster­ror­is­mus wür­den unter­schätzt. „Es erbost mich immer wieder, wenn ich zu sehen glaube, dass es offen­sichtlich erst durch den Mord an einem bedeu­ten­den Poli­tik­er ein wirk­lich­es Umdenken in maßge­blichen Teilen unseres Staates und der Gesellschaft gegeben hat“, sagt Morsch. Er macht sich Sor­gen, ist aber auch Opti­mist: „Ich ver­traue den Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates und darauf, dass die In-
stru­mente, die wir zur Ver­fü­gung haben, wenn wir sie denn auch nutzen und auss­chöpfen, zu einem pos­i­tiv­en Ergeb­nis let­ztlich führen.“

Morsch befür­wortet eine Weit­er­bil­dungspflicht für Bedi­en­stete in öffentlichen Stellen, etwa Polizei, Jus­tiz, Bun­deswehr. Wer in den höheren Dienst der Polizei in Bran­den­burg will, beschäftigt sich in der Regel mit der Geschichte der Polizei im NS-Staat –  in Koop­er­a­tion mit der Gedenkstätte. Das Pro­jekt sei damals ein Pio­nier­pro­jekt gewe­sen, heute werde Ähn­lich­es in mehreren Bun­deslän­dern gemacht. „Solange unsere Gesellschaft mit Min­der­heit­en so umge­ht, wie sie es tut, so lange bleibt auch die Geschichte des Nation­al­sozial­is­mus aktuell“, sagt Morsch. Als Lehrbeauf­tragter zu NS-The­men an der Freien Uni­ver­sität in Berlin leis­tet er auch in der Rente noch immer seinen Beitrag dazu.

Wie angekündigt tre­f­fen sich im Herb­st zwei BKA-Beamte mit Morsch, um über seinen Namen auf der Fein­desliste zu sprechen. Zwei LKA-Beamte sind bei dem Gespräch in der Polizei­hochschule Oranien­burg eben­falls dabei.

Ich habe das Tre­f­fen als sehr nüt­zlich und auf­schlussre­ich emp­fun­den und bin nun doch einiger­maßen beruhigt“, sagt Morsch. Die Beamten hät­ten für ihn überzeu­gend dargelegt, dass die aus ver­schiede­nen Doku­menten beste­hende Samm­lung von Namen noch keine „Todesliste“ darstelle, wie das häu­fig berichtet wor­den sei. Die Beamten hiel­ten eine Weit­er­ver­wen­dung der vom NSU angelegten Daten­samm­lun­gen in der recht­sex­tremen Szene für höchst unwahrschein­lich. Morsch zufolge sagten die Behör­den­vertreter zudem, das Kreuz hin­ter seinem Namen habe keine Her­vorhe­bung bedeutet, „son­dern eher im Gegen­teil“. Schließlich habe der NSU sich entsch­ieden, in erster Lin­ie Migranten zu töten, daher sei die hand­schriftliche Notierung seines Namens, mut­maßlich durch Uwe Böhn­hardt, ohne Kon­se­quen­zen geblieben, ein Anschlag nicht ern­sthaft erwogen worden.

Über die Ver­gan­gen­heit Bescheid zu wis­sen, sei heute noch hil­fre­ich, sagt Morsch. Aber man dürfe sie auch nicht als Topfdeck­el nehmen, in den man die Gegen­wart hinein­presse. Morsch for­muliert es so: „Wer die Geschichte nur als ein Instru­ment von aktueller Poli­tik begreift und nicht nach his­torischen Ursachen und Zusam­men­hän­gen fragt, der kommt erst gar nicht darauf, bes­timmte Fra­gen an die Gegen­wart zu stellen.“

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Antifaschismus Law & Order

Verfahren gegen Akteur der Cottbuser rechten Szene geplatzt

Das für gestern ange­set­zte Ver­fahren gegen den Cot­tbuser Recht­en Hen­ry K. endete mit ein­er Ein­stel­lung ohne Aufla­gen. Hen­ry K. war beschuldigt im Jan­u­ar 2018 im Anschluss an einen recht­en Auf­marsch des Vere­ins „Zukun­ft Heimat“ in Cot­tbus die Geschäfts­führerin der Opfer­per­spek­tive bedro­ht und sex­is­tisch belei­digt zu haben, da er diese als poli­tis­che Geg­ner­in wahrnahm. (Pressemit­teilung Opfer­per­spek­tive, 22.01.2018 Ein­schüchterungsver­such gegen Berater_innen der Opfer­per­spek­tive in Cottbus)

Das Ver­fahren wurde vom Gericht eingestellt, da die Cot­tbuser Staat­san­waltschaft es ver­säumte der Vertei­di­gung des Beschuldigten inner­halb von drei Jahren die Ver­fahren­sak­ten frist­gerecht zuzustellen.

Erneut platzt ein Ver­fahren gegen einen Akteur der Cot­tbuser recht­en Szene wegen Ver­fahrens­fehlern der Staat­san­waltschaft Cot­tbus. Es ist nicht zu akzep­tieren, dass die zuständi­ge Strafver­fol­gungs­be­hörde nicht in der Lage ist, inner­halb der geset­zlichen Frist Aktenein­sicht zu gewähren und dadurch die Rechts­durch­set­zung ver­hin­dert.“ so Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive. “Trotz der jüng­sten Per­son­alauf­s­tock­un­gen in Staat­san­waltschaft und Gericht müssen wir in Cot­tbus weit­er­hin von einem struk­turellen Prob­lem bei der juris­tis­chen Strafver­fol­gung poli­tisch rechtsmo­tiviert­er Tat­en aus­ge­hen. Selb­st wenn die seit vie­len Jahren anhängi­gen Ver­fahren nun Stück für Stück abgear­beit­et wer­den soll­ten, führen die über­lan­gen Ver­fahrens­dauern let­ztlich zu Straf­frei­heit für rechte Täter und zum Ver­trauensver­lust der Betrof­fe­nen in die Funk­tions­fähigkeit des Rechtsstaats. Hier braucht es Lösun­gen, die jet­zt greifen und die so gestal­tet sind, dass in den Ver­fahren der Opfer­schutz angemessen berück­sichtigt wird. Die jahre­lang grassierende rechte Gewalt, vor allem zwis­chen den Jahren 2015 bis 2018, ist in der Stadt wed­er juris­tisch, noch gesellschaftlich aufgear­beit­et wor­den“, so Mar­tin Vese­ly, Berater für Betrof­fene rechter Gewalt der Opfer­per­spek­tive in Südbrandenburg.

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Flucht & Migration

Nein zur massenhaften Datenspeicherung!

Erk­lärtes Ziel des „Geset­zes zur Weit­er­en­twick­lung des Aus­län­derzen­tral­reg­is­ters“ ist es, die Datenbestände von Nicht­deutschen, ins­beson­dere Geflüchteten, erhe­blich auszuweit­en, zen­tral zu spe­ich­ern und qua­si auf Tas­ten­druck Tausenden von Behör­den zur Ver­fü­gung zu stellen. Die daten­schutzbe­zo­ge­nen Grun­drechte der Betrof­fe­nen wer­den dabei grob über­gan­gen. In der Sachver­ständi­ge­nan­hörung vor dem Innenauss­chuss des Deutschen Bun­destags haben Expert*innen erhe­bliche Daten­schutzbe­denken gel­tend gemacht. Auch PRO ASYL hat­te den Geset­zen­twurf zum Aus­län­derzen­tral­reg­is­ter (AZR) aus­führlich kritisiert.

Inzwis­chen hat die Bun­desregierung zwar einige Verbesserun­gen vorgenom­men, doch diese sind unzure­ichend. Den­noch hat der Geset­zen­twurf am 9. Juni den Bun­destag passiert. Nun ist es an den Län­dern, zu ver­hin­dern, dass hochsen­si­ble Dat­en – etwa über die sex­uelle Ori­en­tierung von Schutz­suchen­den oder die Flucht­geschicht­en der Betrof­fe­nen – ein­er Vielzahl von Aus­län­der­be­hör­den, Polizei­di­en­st­stellen, Sozialämtern, Aus­landsvertre­tun­gen, Auf­nah­meein­rich­tun­gen und weit­eren Behör­den zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Rund 16.500 Behör­den haben Zugriff auf das AZR.

Auch Doku­mente wie Asylbeschei­de und Gericht­sentschei­dun­gen in asyl- und aus­län­der­rechtlichen Ver­fahren sollen kün­ftig im AZR gespe­ichert wer­den. Nach Ansicht von PRO ASYL und den Flüchtlingsräten reicht es nicht aus, dabei bloß einige Pas­sagen zu schwärzen, wie die über­ar­beit­ete Fas­sung es vor­sieht. Nimmt man den grund- und euro­parechtlichen Schutz des Pri­vatlebens ernst, müssten – etwa bei Beschei­den des Bun­de­samts für Migra­tion und Flüchtlinge – sämtliche Absätze gestrichen wer­den, in denen per­sön­liche Angaben gemacht wer­den. Was nach allen notwendi­gen Schwärzun­gen übrig bleibt, dürfte entwed­er vol­lkom­men nut­z­los sein oder ohne­hin über­mit­telt wer­den. Der Ver­wal­tungsaufwand ste­ht also in keinem Ver­hält­nis zum Nutzen. Und mehr noch: Eine Ein­sicht in die (geschwärzten) Doku­mente ist für die Auf­gaben­er­fül­lung der Behör­den schlicht nicht erforder­lich – ihre Spe­icherung ver­fehlt damit eines der wichtig­sten rechtlichen Kri­te­rien für die Zuläs­sigkeit der Datenerhebung. 

Geset­zes­nov­el­le ver­stößt gegen Ver­fas­sungs- und Europarecht

Beson­ders prob­lema­tisch bleibt die Verknüp­fung von Per­so­n­eniden­tität­snum­mern aus dem Herkun­ft­s­land mit dem AZR-Daten­satz. „Damit geht eine erhe­bliche Miss­brauchs­ge­fahr ein­her“, warnt Andrea Kothen von PRO ASYL. Dies birgt „ins­beson­dere das Risiko, dass die Dat­en von Flüchtlin­gen ohne Ken­nt­nis der Betrof­fe­nen an den Ver­fol­ger­staat gelan­gen und die Per­son selb­st oder ihre im Herkun­ft­s­land leben­den Ange­höri­gen dadurch in Gefahr ger­at­en.“ Die Miss­brauchs­ge­fahr wiegt umso schw­er­er, als es im zen­tral­isierten Spe­ich­er- und Abrufver­fahren des AZR kaum wirk­same Kon­trollmech­a­nis­men gibt. Die Instal­la­tion eines „Daten­cock­pits“ nach dem Vor­bild ander­er Reg­is­ter hätte die Möglichkeit­en der Betrof­fe­nen, ein gewiss­es Maß an Kon­trolle über die eige­nen Dat­en zu behal­ten, gestärkt. Ein entsprechen­der Vorschlag der Grü­nen wurde im Geset­zge­bungsver­fahren jedoch nicht berücksichtigt.

Mit der immer weit­er ausufer­n­den Daten­sam­mel­wut in Bezug auf aus­ländis­che Men­schen wird der Daten­schutz kom­plett aus­ge­höhlt. Für Ausländer*innen gilt nur ein Daten­schutz zweit­er Klasse“, erk­lärt Seán McGin­ley, Geschäfts­führer des Flüchtlingsrats Baden-Würt­tem­berg. Tim­mo Scheren­berg, Geschäfts­führer des Hes­sis­chen Flüchtlingsrates, ergänzt: „Ger­ade hier in Hes­sen haben wir ja lei­der einige Erfahrun­gen damit sam­meln kön­nen, wie gespe­icherte Dat­en miss­bräuch­lich abgerufen wer­den kön­nen, wie beispiel­sweise der Skan­dal um den NSU 2.0 ein­drück­lich zeigt. Jet­zt soll ein Gesetz ver­ab­schiedet wer­den, mit dem sehr viel mehr und sehr viel sen­si­blere Dat­en einem sehr viel größeren Per­so­n­enkreis zugänglich gemacht wer­den sollen.“

In viel­er Hin­sicht ist die Geset­zes­nov­el­le nicht mit Ver­fas­sungs- und Euro­parecht zu vere­in­baren. Darauf hat ins­beson­dere das Net­zw­erk Daten­schutzex­per­tise hingewiesen. PRO ASYL und die Flüchtlingsräte fordern die Län­der daher auf, den Geset­zen­twurf im Bun­desrat abzulehnen. Der Daten­schutz muss auch für Geflüchtete gelten!

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(Anti-)Rassismus (Anti)militarismus Flucht & Migration

Zwei Jubiläen und kein Grund zum Feiern

Welt­flüchtlingstag und Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion: Zwei Jubiläen, aber nicht ein Grund zum Feiern

Am 20. Juni jährt sich der Welt­flüchtlingstag – der inter­na­tionale Gedenk­tag für die Schick­sale aller Asyl­suchen­den, Flüchtlinge, Bin­nen­ver­triebe­nen und staaten­losen Men­schen weltweit – zum zwanzig­sten Mal. Gle­ichzeit­ig feiert die Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum. Grund zum Feiern sieht der Flüchtlingsrat Bran­den­burg aber nicht.

Mehr als 80 Mil­lio­nen Men­schen sind aktuell, an diesem Tag, in diesem Moment auf der Flucht. Das sind so viele wie noch nie. Allein im ver­gan­genen Jahr ist die Zahl der Flüch­t­en­den laut UN-Flüchtling­shil­fe weltweit um fast 15 Prozent gestiegen. Doch statt sich entschlossen für einen besseren Schutz dieser Men­schen einzuset­zen, wer­den alle Anstren­gun­gen unter­nom­men, die eige­nen Gren­zen zu schützen und möglichst viele der Men­schen, die bei uns Zuflucht suchen und sich hier ein neues Leben auf­bauen wollen, wieder loszuw­er­den”, kom­men­tiert Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen. Die Grund­sätze der Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion, einst zurecht als ein völk­er­rechtlich­er Meilen­stein der Nachkriegs­geschichte gefeiert, sieht sie zunehmend aus­ge­höhlt – auch in Bran­den­burg: Immer weniger Geflüchtete erhal­ten einen Schutzs­ta­tus, Bleiberechtsmöglichkeit­en wer­den nicht aus­geschöpft, Ermessensspiel­räume ignori­ert und Abschiebun­gen um jeden Preis und nicht sel­ten unter Anwen­dung von Gewalt durchgesetzt.

Die forcierten Abschiebun­gen aus Bran­den­burg sieht der Flüchtlingsrat ger­ade vor dem Hin­ter­grund der Covid-19-Pan­demie, die im let­zten Jahr beina­he sämtliche Lebens­bere­iche lah­mgelegt hat, beson­ders kri­tisch: Während das Auswär­tige Amt auf­grund der weltweit­en Pan­demie seit über einem Jahr zurecht von Urlaub­sreisen ins Aus­land abrät, wur­den Abschiebun­gen mit Aus­nahme ein­er kurzen Atem­pause im Früh­jahr let­zten Jahres weit­er­hin rig­oros durchge­zo­gen. So beteiligte sich Bran­den­burg an mehr als 20 bun­desweit organ­isierten Sam­me­lab­schiebun­gen in rund 10 Län­der. Hauptziel­län­der der Sam­melchar­ter, an denen Bran­den­burg sich 2020 beteiligte, waren Georgien, Ser­bi­en, Tune­sien und Afghanistan. Hinzu kom­men diverse Abschiebun­gen von Einzelper­so­n­en, unter anderem in andere europäis­che Staat­en auf der Grund­lage der Dublin-Verordnung.

Um die kom­pro­miss­lose Härte zu verdeut­lichen, mit der aus Bran­den­burg abgeschoben wird, ver­weist der Flüchtlingsrat auf jüng­ste Abschiebun­gen nach Afghanistan und Nigeria.

Ende Mai wur­den in ein­er Char­ter­mas­chine ab Düs­sel­dorf auch vier Men­schen aus Bran­den­burg nach Nige­ria abgeschoben. Beson­ders erschreck­end ist dabei, wie lange die Per­so­n­en hier lebten, bevor sie jäh aus ihrem Leben­sum­feld geris­sen und aus Deutsch­land aus­ge­flo­gen wur­den: Zwei von ihnen lebten bere­its seit über 20 Jahren hier, ein­er neun und ein­er sieben Jahre. Drei von ihnen hat­ten deutsche Kinder. Obwohl Bran­den­burg seit vie­len Jahren ihre Heimat war, wur­den wed­er Bleiberechtsmöglichkeit­en noch Härte­fall­regelun­gen aus­geschöpft. Dem Flüchtlingsrat liegen außer­dem Infor­ma­tio­nen vor, dass min­destens eine der Per­so­n­en psy­chisch schw­er belastet war – selb­st dies wurde offen­bar nicht als Hin­derungs­grund gewertet.

Auch bei Ahmad A., der am 9. Feb­ru­ar nach Afghanistan abgeschobe­nen wurde, fuhr die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde in Bran­den­burg lieber eine harte Lin­ie, statt Spiel­räume auszuschöpfen: Er war aus­ge­bilde­ter San­itäter und hat­te sich um Arbeit und einen Aus­bil­dungsplatz bemüht. Er unter­lag jedoch einem Beschäf­ti­gungsver­bot, weil er in der Erstauf­nahme lebte. Die Entschei­dung fiel auch bei ihm auf Abschiebung. In Kab­ul angekom­men berichtete er von Gewal­tan­wen­dung während sein­er Abschiebung – und von sein­er auswe­glosen Sit­u­a­tion vor Ort: „Wir haben ein biss­chen Geld bekom­men, davon kon­nten wir ein Hotel für eine Woche mieten. Heute ist der let­zte Tag. Ab mor­gen weiß ich nicht, was ich machen soll, denn ich habe hier keine Fam­i­lie und kenne niemanden.”

Wed­er der Welt­flüchtlingstag noch der 70-jährige Geburt­stag der Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion geben uns in diesem Jahr Grund zum Feiern. Die Flüchtlingskon­ven­tion wollte auch eine Antwort auf das Schick­sal viel­er Jüdin­nen und Juden sein, die von den Nazis ver­fol­gt keine Staat­en fan­den, in denen sie Zuflucht find­en kon­nten. Umso schw­er­er wiegt es, wenn Deutsch­land – und Bran­den­burg – siebzig Jahre später Abschiebun­gen in den Fokus ihrer Flüchtlingspoli­tik rück­en, anstatt Auf­nahme, Asyl und Bleiberechte.

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(Anti-)Rassismus (Anti)militarismus Antifaschismus Bildung & Kultur Flucht & Migration

Frontex wegbassen!

FRONTEX WEGBASSEN!
Stoppt die Beteili­gung der Bun­de­spolizei an der tödlichen  EU-Abschottungspolitik!

Im Rah­men der bun­desweit­en Aktion­stage der See­brücke „Wir kla­gen an! —  Men­schen­rechte sind #Unver­han­del­bar“ machen wir Krach gegen Fron­tex  und die Bun­de­spolizei. Wir wollen gle­ichzeit­ig Spenden für  medi­zinis­che Ver­sorgung der Flüch­t­ende auf der Balkan-Route einsammeln.

Kommt zur Kundge­bung mit Konz­ert am Sam­stag, den 19. Juni ab 17 Uhr  zum Bass­in­platz in Pots­dam. Euch erwarten Rede­beiträge, Musik  handgemacht und aus der Dose und viel Aus­tausch darüber, was Pots­dam  mit dem Ster­ben im Mit­telmeer und an den EU-Gren­zen zu tun hat, und  was wir dage­gen machen kön­nen. Bringt eure Sparschweine mit, wir  sam­meln vor Ort Spenden!

An den europäis­chen Außen­gren­zen herrscht Chaos: Brände, Stürme,  Über­schwem­mungen und Polizeige­walt sind All­t­ag für die Men­schen in den  griechis­chen Lagern. Auch neun Monate nach dem Brand in Moria leben  zehn­tausende Men­schen unter unwürdi­gen und lebens­bedrohlichen  Bedin­gun­gen. Hun­derte Geflüchtete sind allein in diesem Jahr bere­its  im Mit­telmeer gestor­ben. Tausende wur­den ille­gal zurück­gewiesen,  sys­tem­a­tisch wird der Zugang zum Ter­ri­to­ri­um der EU und zum Recht auf  Asyl blockiert.

Pots­dam – Mit­ten­drin im Krieg gegen flüch­t­ende Menschen
Mit dem Bun­de­spolizeiprä­sid­i­um der Bun­de­spolizei in Pots­dam, in der  Hein­rich-Mann-Allee 103 und bald mit einem riesi­gen Neubau im  „Horst“weg (sic!), ist Pots­dam ein­er der Aus­gangspunk­te für die  organ­isierte Men­schen­ver­ach­tung an den Gren­zen Europas. Die  Bun­de­spolizei stellt mit 1.200 Polizist*innen den Großteil des  Fron­tex-Per­son­als von momen­tan 6.500 Per­so­n­en¹. Dabei soll Fron­tex  trotz aller Kri­tik weit­er­hin stark wach­sen. Auch reich­lich Aus­rüs­tung  und organ­isatorische Hil­fe für die Fron­tex-Ein­heit­en wer­den von  Schreibtischtäter*innen in der Pots­damer Hauptzen­trale der  Bun­de­spolizei abgewick­elt². Darüber­hin­aus gehören Abschiebun­gen zum  Tages­geschäft der Bundespolizei.

Fron­tex, Bun­de­spolizei und Bun­desregierung: An euren Hän­den klebt Blut!
Erst kür­zlich wur­den Unter­suchun­gen öffentlich³, dass min­destens 2.000  Tote auf ille­gale Push­backs durch EU-Ein­heit­en und Fron­tex  zurück­zuführen sind. Die europäis­chen Mis­sio­nen Fron­tex und IRINI  unter­stützen die soge­nan­nte libysche Küstenwache bei ihren  men­schen­rechtswidri­gen Push­backs, ver­weigern die Ret­tung aus Seenot  und lassen schutz­suchende Men­schen ertrinken. Men­schen­rechte wer­den  mis­sachtet und von europäis­chen und deutschen Politiker*innen als  Ver­hand­lungs­ge­gen­stand missbraucht.
Das nehmen wir nicht länger hin — wir kla­gen diese  Men­schen­rechtsver­let­zun­gen an!

Wir fordern von den Pots­damer Spitzenkandidat*innen Baer­bock und  Scholz klare Unter­stützung für:
•    Schließung der Fron­tex- und Abschiebe­abteilun­gen des  Bun­de­sprä­sid­i­ums der Bun­de­spolizei – Fron­tex raus aus dem Sicheren  Hafen Potsdams!
•    Die sofor­tige Evakuierung aller Lager an den EU-Außen­gren­zen und die  selb­st­bes­timmte Auf­nahme der Men­schen in auf­nah­me­bere­ite Län­der und  Kommunen
•    Das Ende deutsch­er Beteili­gung an allen Fron­tex– und EUNAVFOR MED-Einsätzen
•    Staatlich organ­isierte Seenotret­tung und ein Ende der  Krim­i­nal­isierung zivil­er Seenotrettung
•    Sichere und legale Fluchtwege und die Gewährleis­tung des  indi­vidu­ellen Rechts auf Asyl

Gemein­sam zeigen wir der aktuellen sowie der neuen Bun­desregierung,  dass Menschenrechte
#unver­han­del­bar sind. Komm am 19. Juni zum Bassi! Starte Aktio­nen  gegen Fron­tex , Bun­de­spolizei & Co und gehe der*n (zukün­fti­gen)  Kanzler*in auf die Nerven!

¹  https://www.deutschlandfunk.de/eu-grenzsicherung-und-menschenrechte-frontex-und-die.724.de.html?dram:article_id=491339
²  https://www.bundespolizei.de/Web/DE/03Unsere-Aufgaben/04Internationale-Aufgaben/Frontex.html?nn=6475536
³  https://www.theguardian.com/global-development/2021/may/05/revealed-2000-refugee-deaths-linked-to-eu-pushbacks

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Solidarität mit den Geflüchteten in Kunersdorf in MOL

Am Welt­flüchtlingstag sprechen die Auf­nah­melän­der über ihre Errun­gen­schaften, was sie für ihre neuen Bürger*innen getan haben. Unsere Gedanken und unsere Sol­i­dar­ität an diesem Tag gel­ten jedoch den Geflüchteten in Bran­den­burg, ins­beson­dere denen in Kuners­dorf, denen seit vie­len Jahren grundle­gende Men­schen­rechte voren­thal­ten wer­den, wie z.B. der Zugang zu Kom­mu­nika­tion. Es ist nicht möglich, dort, wo sie leben, einen Anruf zu emp­fan­gen oder zu täti­gen. Sie haben kein Inter­net­zu­gang! Um einen ein­fachen Anruf zu täti­gen, sind sie gezwun­gen, sich viele Kilo­me­ter zu bewegen.
Das ist nicht nur ein Erschw­er­nis eines sehr wichti­gen Kom­mu­nika­tion­di­en­stes, den jed­er Men­sch nutzt, son­dern eine Grun­drechtsver­let­zung! In einem demokratis­chen und soge­nan­nten Erste-Welt-Land wie Deutsch­land wird Men­schen auf­grund ihrer Herkun­ft der ein­fache Zugang zur Kom­mu­nika­tion ver­wehrt! Kuners­dorf ist nur ein Beispiel von vie­len anderen Flüchtlingslagern in Brandenburg.

Keine Möglichkeit­en der Integration
Abge­se­hen von den oben genan­nten Prob­le­men haben die Schutz­suchen­den noch andere schw­er­wiegende Prob­leme: kein Recht auf Arbeit, schwierige Gesund­heitssi­t­u­a­tion, viele Bewohner*innen von Sam­melun­terkün­ften sind in Mehrbettz­im­mer zusam­mengepfer­cht, sog­ar während der Coro­na-Pan­demie. Sie sind gezwun­gen, mehrere Jahre so zu leben, weil viele Aus­län­derämter sich weigern, ihre Ermessensspiel­räume zu nutzen, um ihnen einen legalen Aufen­thalt zu gewähren und ihnen so den Auszug aus den Lagern zu ermöglichen.
Bei unserem let­zten Besuch im Lager Kun­ser­dorf haben wir fest­gestellt, dass die meis­ten von ihnen an psy­chis­chen Prob­le­men lei­den. Die Unter­bringung von Men­schen in Sam­melun­terkün­ften ist in der jet­zi­gen Sit­u­a­tion der Camps ein Ver­stoß gegen die Grun­drechte und macht Men­schen psy­chisch und physisch krank. In sehr vie­len Fällen ver­stößt der von der Poli­tik verord­nete Zwang, in Sam­melun­terkün­ften zu leben, gegen den Infek­tion­ss­chutz während der Coronapandemie.
Deshalb fordern wir die SCHLIESSUNG der derzeit­i­gen Lager!

Wir fordern Woh­nun­gen für alle!
Wir fordern ein Umdenken bei der Woh­nun­ter­bringung und die Erar­beitung neuer Unter­bringungskonzepte unter Beteili­gung der Betrof­fe­nen und der bre­it­en Gesellschaft.
Jedoch um schnell­st­möglich die jet­zige Sit­u­a­tion in Kuners­dorf erträglich­er zu machen, fordern wir als Sofort­maß­nahme einen Inter­ne­tan­schluss für die Sam­melun­terkun­ft. Ohne­hin wird nach unseren Infor­ma­tio­nen ein Glas­faserk­a­belan­schluss in Kuners­dorf ver­legt. Dieser Anschluss muss auch in die Sam­melun­terkun­ft gelegt wer­den! Wir als selb­stor­gan­isiert­er Vere­in aus geflüchteten Men­schen ste­hen bere­it, mit den Bewohner*innen vor Ort ein Inter­net­café aufzubauen – wie wir es schon vielfach in anderen Sam­melun­terkün­ften in Bran­den­burg gemacht haben!

Gemein­sam kön­nen wir eine bessere Gesellschaft in Bran­den­burg aufbauen!

Refugees Eman­ci­pa­tion Team.
Unter­stützt von We’ll Come Unit­ed Berlin/Brandenburg, FEM e.V.

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Arbeit & Soziales Inklusion & Ableism Wohnen & Stadt

Solidarische Zukunft statt Kapitalismus“ geht weiter

Demo „Sol­i­darische Zukun­ft statt Kap­i­tal­is­mus”: Auswer­tung und weit­er machen

Wir sind eine Gruppe Link­er aus Pots­dam, die als „Patient:innen gegen die kap­i­tal­is­tis­che Lei­d­kul­tur” am 24. April in Pots­dam eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Sol­i­darische Zukun­ft statt Kap­i­tal­is­mus” durchge­führt haben.

Wir wollen im Fol­gen­den eine kleine Auswer­tung ver­suchen und rufen dazu auf, bei den Pla­nun­gen unser­er näch­sten Aktio­nen mitzu­machen. Wir wollen kein Zurück mehr in die ver­meintliche Nor­mal­ität, die auch schon vor Coro­na krank war! Wir wollen nicht, dass die linke Bewe­gung den beste­hen­den und anste­hen­den Krisen taten­los zuschaut. Also raus aus der Bub­ble und get active! Schreibt an patientinnen.potsdam [ät] gmail.com , wenn ihr in Pots­dam aktiv wer­den oder wenn ihr euch mit uns ver­net­zen wollt.

Mit unser­er Demon­stra­tion ver­fol­gten wir mehrere Anliegen. Ein­mal woll­ten wir den Protest gegen die Ungerechtigkeit­en der staatlichen Coro­na-Poli­tik, die forcierte Aus­beu­tung der Beschäftigten im Gesund­heitswe­sen, die Ver­nach­läs­si­gung des Schutzes von Angestell­ten und Arbeiter_innen bei gle­ichzeit­iger Unter­stützung großer Unternehmen, Ver­ar­mung prekär Beschäftigter etc. auf die Straße brin­gen. Wir woll­ten diesen Protest aber mit ein­er grundle­gen­den Analyse verbinden, die auf den Kap­i­tal­is­mus als Ursache und Grund­lage dieser Prob­leme hin­weist. Und wir woll­ten mit der Demo zumin­d­est in unser­er Region die Lethargie weit­er Teile der Linken auf­brechen, die sich in der Pan­demie ins Home­of­fice zurück­ge­zo­gen haben und zunehmend hil­f­los die Entwick­lun­gen ver­fol­gten und ver­fol­gen. In den fol­gen­den Zeilen wollen wir zurück­blick­en, was haben wir geschafft, wo sind wir gescheit­ert und was für Fra­gen ergeben sich nun. Damit wollen wir einen Beitrag dazu leis­ten, linke Kri­tik am Beste­hen­den neu zu organ­isieren. Aus unser­er Sicht ist dies drin­gend notwendig, denn die Pan­demie mag enden, der Kampf darum, wer deren Fol­gen zu tra­gen hat, wird sich jedoch in näch­ster Zeit noch ver­schär­fen. Wir möcht­en im Fol­gen­den unsere Erfahrun­gen weit­ergeben, in der Hoff­nung, dass sie von anderen aufge­grif­f­en werden.

Als erstes ist festzustellen: Wir haben es geschafft, wir sind am 24. April mit 500 Leuten durch Pots­dam gezo­gen. Das mag nicht groß und über­wälti­gend klin­gen. Angesichts zu diesem Zeit­punkt gel­tender rechtlich­er Regelun­gen, die die Demon­stra­tions­frei­heit umfassend ein­schränk­ten, ist dies jedoch ein Erfolg. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, der­ar­tige Ver­anstal­tun­gen mit einem größt­möglichen Schutz der Teilnehmer_innen durchzuführen und unseren Protest zurück auf die Straße zu bringen.

Tech­nisch war unsere Demon­stra­tion ein Exper­i­ment. Wir sind in drei Demon­stra­tionszü­gen hin­tere­inan­der gezo­gen, jed­er dieser Demon­stra­tionszüge begleit­et von einem Laut­sprech­er-Las­ten­fahrrad, von denen syn­chron die gle­ichen Rede­beiträge abge­spielt wur­den. Das hat im Großen und Ganzen gut geklappt (ok, zwis­chen­durch war auch mal kurz n Akku alle). Anstren­gend war nicht das Aufrechter­hal­ten dieser tech­nis­chen Infra­struk­tur, son­dern die Vertei­di­gung unseres Demokonzeptes gegen eine Polizei, die unter dem Deck­man­tel der Pan­demiebekämp­fung unser­er Demon­stra­tion den kraftvollen Charak­ter und die Außen­wirkung nehmen wollte, indem absprachewidrig ver­sucht wurde, die Demoblöcke möglichst weit voneinan­der zu tren­nen. Tat­säch­lich schlägt es auf die Laune, wenn man den Rest der Demo 500 m vor einem laufen sieht. Um das aufz­u­fan­gen braucht es mehr Kom­mu­nika­tion zwis­chen den Demoblöck­en und in den Blöck­en jew­eils Leute, die sich aktiv um die Stim­mung bemühen.

Wir hat­ten ein gutes Hygien­konzept, achteten auf Abstände, tru­gen Masken und viele Teilnehmer:innen haben sich vorher testen lassen. Wir hat­ten uns im Vorhinein gut über­legt, wie wir damit umge­hen sollen, wenn Leute zu unser­er Kundge­bung kom­men, die man auch schon auf Schwur­bler-Demos gese­hen hat oder die eso­ter­ische oder ver­schwörungs­the­o­retis­che Ideen propagieren. Unsere Idee war: Nazis fliegen raus, auch Leute, die mit Shoa-Ver­gle­ichen u.ä. hantieren. Leute, die schon­mal auf ein­er Schwur­bler-Demo waren – und ja, wir ken­nen Leute, die zu unserem sozialen Umfeld, unser­er Szene etc. gehörten oder gehören, die zu diesem Demos gegan­gen sind – kön­nen dabeibleiben, solange sie keine Schwurbe­lin­halte ver­bre­it­en. Allerd­ings hat unser Ange­bot ein­er naz­ifreien Coro­na-Demo in diese Rich­tung wohl nicht gefruchtet. Leute, die sich als Linke ver­ste­hen und die in den let­zten Monat­en der Mei­n­ung waren, mit durch­drehen­den Klein- und Bildungsbürger:innen, Esos und Recht­en zusam­men gegen staatliche Maß­nah­men demon­stri­eren zu müssen, haben wir auf unser­er Demo nicht registriert.

Inhaltlich und organ­isatorisch soll hier an erster Stelle eine Nieder­lage einge­s­tanden wer­den. Es ist uns nicht gelun­gen, die Vor­bere­itung der Demo zu einem Prozess zu machen, der unter den Bedin­gun­gen der Pan­demie eine Ver­net­zung, Zusam­me­nar­beit und Diskus­sion in weit­en Teilen der Pots­damer Linken bewirk­te, auch wenn dies angestrebt war. Tat­säch­lich war es ein über­schaubar­er Kreis von Leuten, der dieses Vorhaben gewup­pt hat. Dies scheint jedoch nicht an Desin­ter­esse gele­gen zu haben. Denn als klar war, dass die Demon­stra­tion stat­tfind­et, kon­nten wir uns vor Rede­beiträ­gen nicht ret­ten. Nahezu alle linken Organ­i­sa­tio­nen, Grup­pen und Ini­tia­tiv­en dieser Stadt woll­ten ihre The­men in Form von Rede­beiträ­gen darstellen. Teil­weise dro­hte die Demo fast den Charak­ter ein­er wan­dern­den Vor­lesungsrei­he anzunehmen. Diese Redebedürf­nis scheint Aus­druck davon zu sein, dass es ein Bedürf­nis nach Aus­tausch, Diskus­sion und inhaltlich­er Klärung gibt, dass in den näch­sten Monat­en unbe­d­ingt Raum und Zeit find­en sollte. Hier sehen wir eine Gren­ze des For­mats “Demon­stra­tion”, das zwar Anstoß oder Aus­druck für gesellschaftliche Prozesse sein kann, selb­st aber nur die Momen­tauf­nahme vorherrschen­der Stim­mung ist. Auch wenn die meis­ten Spek­tren der Pots­damer Linken auf unser­er Demo vertreten waren, so haben uns doch viele Gesichter gefehlt. Ob es die fehlende Kraft nach Monat­en der Pan­demie oder die Sorge vor Men­schenansamm­lun­gen war, die viele Men­schen, von denen wir wis­sen, dass sie lei­den und frus­tri­ert sind, von ein­er Teil­nahme abhielt, kön­nen wir nur mut­maßen. Eine wichtige Rolle dürfte spie­len, dass die sozialen Räume, in denen sich Leute zur Teil­nahme an Demon­stra­tio­nen und zu poli­tis­chen Aktiv­itäten verabre­den, z.B. Kneipen, Par­ties, Ver­anstal­tun­gen, ger­ade nicht existieren bzw. nicht existierten. Dig­i­tale Wer­be­for­mate fan­gen diesen Ver­lust nicht auf. Wir sehen hier wieder, wie sehr unsere Mobil­isierungs­fähigkeit von der Exis­tenz sozialer Zusam­men­hänge abhängt.

Dafür haben wir aber auch viele Leute gese­hen, die nicht zum üblichen Demop­ub­likum gehören. Wie wir sie weit­er erre­ichen, wie sie vielle­icht in zukün­ftige Aktiv­itäten einge­bun­den wer­den kön­nen, ist eine wichtige Frage.

Dass wir mit unser­er Demo einen Nerv getrof­fen haben, haben wir nicht nur auf der Demo und danach gese­hen, als uns von ver­schieden­er Seite mit­geteilt wurde, dass sich Leute über die Demo gefreut haben und sich dadurch ermutigt gefühlt haben. Wir wur­den auch zu Demon­stra­tio­nen in andere Städte ein­ge­laden, um dort promi­nent unsere Ini­tia­tive vorzustellen. Darüber haben wir uns natür­lich gefreut. Es ist aber auch ein Indiz dafür, dass es ger­ade nicht allzu viele Ini­tia­tiv­en gibt, die die prak­tis­che Auseinan­der­set­zung darum, wie es mit und nach COVID19 weit­erge­hen wird, aus ein­er emanzi­pa­torischen Per­spek­tive aufgenom­men haben.

Wir hof­fen einen Beitrag dazu geleis­tet zu haben, dass sich das ändert.

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Antifaschismus

Kein Marktplatz der AfD in Wriezen!

Am 16.Juni 2021 ver­sam­melten sich erst­ma­lig seit dem Beginn der regelmäßi­gen AfD-Kundge­bun­gen auf dem Wriezen­er Mark­platz 50 Gegendemonstrant_innen, um der AfD laut und gut gelaunt etwas ent­ge­gen zu setzen.

 

Anlass war die Anwe­sen­heit von Andreas Kalb­itz. Der ehe­ma­lige AfD-Poli­tik­er und gemein­sam mit Björn Höcke Mit­be­grün­der des extrem recht­en „Flügels“ sprach neben Matthias Schmidt, dem Ortsvor­sitzen­den der AfD Wriezen. Außer­dem am Mikro­fon war Hannes Gnauck, Kan­di­dat für den Bun­destag der völkischen „Jun­gen Alter­na­tive“ (JA) Brandenburg.Auch anwe­send war Flo­ri­an Jach­now, der aus Wriezen stam­mende JA Botschafter in Märkisch Oder­land, sowie der Besitzer des Gasthaus­es „Zur Jope“ aus Bad Freien­walde. Dieser wirbt auf Face­book damit, dass seine Kneipe „Nur für Deutsche“ sei und grat­uliert am 20.April zum Führerge­burt­stag. Neben den AfD-Vertretern ver­sam­melte sich eine Mis­chung aus recht­en Wähler_innen und erkennbaren Neon­azis aus dem Mark­t­platz, die immer wieder bedrohlich in Rich­tung der Gegen­proteste gestikulierten.

Der kurzfristig organ­isierte Gegen­protest ver­sam­melte Men­schen unter­schiedlichen Alters und ver­schieden­er Partei- und Vereinszugehörigkeiten.

 

Laut­stark, mit Trillerpfeifen, Musik und Sprechchören wurde die AfD begleit­et. Neben Men­schen aus dem gesamten Land­kreis schlossen sich viele Per­so­n­en aus Wriezen dem Protest an, denen die wöchentlichen Kundge­bun­gen der AfD schon länger ein Dorn im Auge ist.

Gemein­sam wurde Posi­tion bezo­gen und gezeigt, dass auch Wriezen ein Ort ist, wo Men­schen sich gegen Ras­sis­mus und Men­schen­ver­ach­tung engagieren.

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Sonstiges

Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien stoppen!

Gemein­same Pressemit­teilung von PRO ASYL, den Lan­des­flüchtlingsräten und Jugendliche ohne Gren­zen zur Innen­min­is­terkon­ferenz vom 16. bis 18. Juni 2021

PRO ASYL, die Lan­des­flüchtlingsräte und Jugendliche ohne Gren­zen fordern anlässlich der Innen­min­is­terkon­ferenz ein bun­desweites Abschiebungsmora­to­ri­um nach Afghanistan und Syrien. Des Weit­eren dür­fen die Innen­min­is­ter die Lage für anerkan­nte Flüchtlinge in Griechen­land nicht weit­er ignorieren.

Von Mittwoch bis Fre­itag tre­f­fen sich die Innenminister*innen ‑und sen­a­toren zu ihrer Kon­ferenz, dies­mal im baden-würt­tem­ber­gis­chen Rust.  PRO ASYL, die Lan­des­flüchtlingsräte und Jugendliche ohne Gren­zen war­nen davor, dass innen­poli­tis­che Erwä­gun­gen zur Migra­tion außen­poli­tis­che Tat­sachen über­lagern – konkret: Dass dem Ziel der Bun­desregierung – „weniger Flüchtlinge” – alles andere unter­ge­ord­net wird. 

So dro­ht etwa Afghanistan mit dem Abzug der NATO-Trup­pen erneut im Chaos zu versinken, hochrangige Sicher­heit­sex­perten war­nen vor bürg­erkriegsähn­lichen Zustän­den und einem Sturm der Tal­iban auf Kab­ul. Doch von Deutsch­land aus wer­den nichts­destotrotz weit­er­hin Men­schen nach Afghanistan abgeschoben. Während dieser Tage die west­lichen Trup­pen evakuiert und in Sicher­heit gebracht wer­den, starten gle­ichzeit­ig Abschiebe­flieger in das nach wie vor gefährlich­ste Land der Welt. 

 

Deutschland muss EuGH-Urteil zu subsidiärem Schutz schnellstens umsetzen

Das zeigt: Die derzeit­ige Poli­tik der Bun­desregierung und der Bun­deslän­der strotzt nur so vor Igno­ranz. Die ver­ant­wortlichen Entscheidungsträger*innen berück­sichti­gen wed­er die gut doku­men­tierten, drama­tis­chen Zustände vor Ort noch wis­senschaftlichen Stu­di­en zum The­ma Rück­kehrrisiken, etwa jene der Afghanistan-Exper­tin Friederike Stahlmann. Die Innenminister*innen ignori­eren selb­st Gericht­surteile. So hat beispiel­sweise der Ver­wal­tungs­gericht­shof in Baden-Würt­tem­berg fest­gestellt, dass abgelehn­ten Afgha­nen eine Rück­kehr ohne ein sta­biles famil­iäres oder soziales Net­zw­erk in Afghanistan nicht zuzu­muten ist. Beson­ders her­vorzuheben ist das Urteil des Europäis­chen Gericht­shofs (EuGH) vom 10. Juni. Darin hat dieser die Voraus­set­zun­gen, die zur Gewährung sub­sidiären Schutzes führen, im Ver­gle­ich zur Recht­sprax­is der Bun­desre­pub­lik maßge­blich erweit­ert. Das hat ins­beson­dere für Geflüchtete aus Afghanistan Kon­se­quen­zen – und kann Leben ret­ten. Deutsche Gerichte und Behör­den müssen nun sowohl die Gewährung eines Schutzs­ta­tus als auch die Prax­is der Abschiebun­gen entsprechend ändern und an die euro­parechtlichen Vor­gaben anpassen. Deutsch­land kann sich nach dem EuGH-Urteil nicht länger herausreden!

Syrien: Im zehnten Jahr des Bürgerkriegs ist das Land mitnichten sicher

UNHCR und die Gen­fer Flüchtlingskon­ven­tion feiern in diesem Jahr ihr 70-jähriges Beste­hen. Sie bilden das Fun­da­ment des mod­er­nen inter­na­tionalen Sys­tems zum Schutz von Flüchtlin­gen. Doch die Bun­desre­pub­lik höhlt dieses Fun­da­ment sukzes­sive aus. Das gilt auch mit Blick auf Syrien. Dass der Abschiebungsstopp für Syrien nach der let­zten Innen­min­is­terkon­ferenz aus­ge­laufen ist und aktiv an der Durch­set­zung von Abschiebun­gen gear­beit­et wird, ist ein men­schen­rechtlich­er Skan­dal und wider­spricht den Empfehlun­gen des UNHCR. Auch das Europäis­che Par­la­ment hat anlässlich des zehn­ten Jahrestags des Beginns des Auf­s­tands in Syrien »alle Mit­glied­staat­en daran [erin­nert], dass Syrien kein sicheres Land für die Rück­kehr ist«. Wie Medi­en­bericht­en zu ent­nehmen ist, arbeit­et das Bun­desin­nen­min­is­teri­um jedoch daran, Abschiebun­gen von Straftätern und »Gefährdern« zu ermöglichen – zum Beispiel in die kur­dis­chen Regio­nen im Nor­dosten Syriens. Damit eifert das Bun­desin­nen­min­is­teri­um Asyl-Hard­lin­ern wie Däne­mark nach.

Ein Jahr Corona-Pandemie: Situation vieler Geflüchteter weiterhin prekär

Seit über einem Jahr beschäftigt sich die deutsche Bun­des- und Län­der­poli­tik inten­siv mit dem Umgang mit der Covid-19 Pan­demie – die Sit­u­a­tion von Geflüchteten wurde und wird dabei aber zu wenig in den Blick genom­men. Obwohl sie auf­grund ihrer Wohn­si­t­u­a­tion ein hohes Infizierungsrisiko haben, sind vielerorts Imp­fun­gen in Sam­melun­terkün­ften erst spät ange­laufen. PRO ASYL, die Lan­des­flüchtlingsräte und Jugendliche ohne Gren­zen fordern einen unge­hin­derten Zugang zu Gesund­heitsver­sorgung für alle Geflüchteten und ille­gal­isierten Men­schen.  Bei vie­len Geflüchteten hän­gen Zukun­ft und Bleiberecht in Deutsch­land davon ab, ob sie durchgängig arbeit­en und ihren Leben­sun­ter­halt selb­st bestre­it­en kön­nen. Doch dies ist zahlre­ichen Betrof­fe­nen unter Pan­demiebe­din­gun­gen nicht möglich. Ein pan­demiebe­d­ingter Ver­lust der Arbeits­ oder Aus­bil­dungsstelle darf nicht zu aufen­thalt­srechtlichen Nachteilen führen.

Abschiebungen nach Griechenland stoppen, weitere Menschen aufnehmen

Darüber hin­aus müssen die Innenminister*innen sich drin­gend mit der Lage in Griechen­land beschäfti­gen. Sog­ar Men­schen, die dort einen Schutzs­ta­tus erhal­ten haben, ste­hen oft vor dem Nichts, viele von ihnen lan­den in der Obdachlosigkeit. Anerkan­nte Flüchtlinge kön­nen nicht ein­mal grundle­gende Bedürfnisse (»Bett, Brot und Seife«) befriedi­gen. Das haben auch deutsche (Ober)Verwaltungsgerichte fest­gestellt und ver­bi­eten deshalb Abschiebun­gen von Deutsch­land nach Griechen­land. Es reicht jedoch nicht, die Asylver­fahren von in Griechen­land Anerkan­nten ein­fach auf Eis zu leg­en, wie es derzeit in Deutsch­land geschieht. So müssen die Betrof­fe­nen in einem unerträglichen Schwe­bezu­s­tand ver­har­ren. Stattdessen soll­ten Abschiebun­gen nach Griechen­land gän­zlich eingestellt werden. 

Angesichts der Sit­u­a­tion von Schutz­suchen­den an den EU-Außen­gren­zen und des hohen Bedarfs des UNHCRs an Reset­tle­ment-Plätzen fordern PRO ASYL, Jugendliche ohne Gren­zen und die Flüchtlingsräte eine deut­liche Erhöhung und Vervielfachung der Län­der­auf­nah­me­pro­gramme, die Ermöglichung kom­mu­naler Auf­nah­men sowie deren kon­se­quente und schnell­st­mögliche Umsetzung.

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Antifaschismus Bildung & Kultur Wohnen & Stadt

Club.Kultur.Leben — Endlich wieder tanzen!

Wir – der Spar­ta­cus Pots­dam — laden zu dieser Demon­stra­tion ein, um auf die nach wie vor missliche Lage von Clubs und anderen kul­turellen Orten aufmerk­sam zu machen sowie Forderun­gen an Poli­tik und Ver­wal­tung zu for­mulieren, durch trans­par­ente, konkrete und umsichtige Regelun­gen eine zügige Wieder­eröff­nun­gen von Dance­floors, Musik- und The­ater­büh­nen zu ermöglichen.
In den let­zten 10 Jahren war es nie so ruhig um den Spar­ta­cus Club und das frei­Land Pots­dam wie in den ver­gan­genen 15 Monat­en. Die Pan­demie kappte von einem auf den anderen Tag Kun­st, Kul­tur, Lebenslust und Leichtigkeit. Wir alle ver­mis­sen laute Bässe auf dem Dance­floor, wir ver­mis­sen Konz­ert- und The­ater­erleb­nisse, wir ver­mis­sen das ungezwun­gene men­schliche Beisam­men­sein in unseren Soziokul­turzen­tren und DIY-Läden.
Fal­l­ende Inzi­den­zen führen zu vor­sichti­gen Öff­nun­gen. Das ist gut. Ein Licht­blick am Ende des Tun­nels. Doch bis Orte wie der Spar­ta­cus wieder Indoor Konz­erte und Par­tys ver­anstal­ten kön­nen, wird es noch eine ganze Weile dauern. Das liegt zum einen an der andauern­den Pan­demie, zum anderen aber auch an ein­er ver­fehlten Poli­tik, die es wed­er schafft, die Impf­s­trate­gie zügig und zuver­läs­sig umzuset­zen, noch konkrete und verbindliche Per­spek­tiv­en für den Kul­turbere­ich zu for­mulieren. Unser gemein­sames Ziel ist es mit angemessen­er Vor­sicht und Hygien­ekonzepten möglichst bald wieder in ein schillern­des Kul­tur­pot­pour­rie ein­tauchen zu können.
Wir fordern:
- ein Recht auf Kul­tur im Grundgesetz
- eine bre­it­ere Förderung zum Erhalt aller Kulturorte
- mehr Gehör für die Inter­essen­vertre­tun­gen der freien Szene
- den Erhalt beste­hen­der Kulturorte
- die Unter­stützung bei der Wieder­eröff­nung von Kul­tur­orten sowie bei der Durch­führung von Open-Air-Ver­anstal­tun­gen, z.B. durch Bürokratieab­bau, einen trans­par­enten Umgang mit Hygien­ekonzepten, durch Unter­stützung von Poli­tik und Ver­wal­tung für Outdoor-Events
- die Schaf­fung von mehr dauer­haften Ver­anstal­tungs­flächen im Freien
- eine offene Kom­mu­nika­tion und Ver­ant­wor­tungsüber­nahme durch Land und Kommunen
Mit diesen Anliegen wer­den am Sam­stag, d. 19.06. Men­schen bun­desweit unter dem Mot­to „Kul­turnot – wie kul­tur­rel­e­vant ist das Sys­tem?” auf die Straße gehen, u.a. in Leipzig, München, Erfurt, Ham­burg, Frank­furt Main und Mannheim.
Der Spar­ta­cus Pots­dam lädt alle, denen eine reflek­tierte Par­tykul­tur am Herzen liegt und die sich nach unbeschw­ertem Kul­tur­genuss sehnen, ein, sich an der Demo zu beteiligen.
Mit dabei:
Galax­au­ra (Spar­ta­cus, Galaxunity)
Jami­da (Spar­ta­cus, Valian Kollektiv)
Syn­drolin
Bran­den­burg Mur­der Boys (Ein­stürzende Altbauten)
Wann & Wo: 19.06.2021 um 14 Uhr am Lustgarten
Bringt Masken und genug zu trinken mit!
Achtet auf Abstände!
Inforiot