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Rechte Gewalt in Brandenburg auf unverändert hohem Stand

Der Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V. zählt für das Jahr 2016 in Bran­den­burg 221 rechte Angriffe. Dies ist ein erneuter Anstieg im Ver­gle­ich zum Jahr 2015 (203). Gegenüber 2014 haben sich die Angriff­szahlen mehr als ver­dop­pelt (98).
Die Mehrheit der Tat­en waren ras­sis­tisch motivierte Angriffe. Sowohl ihre absolute Zahl als auch ihr prozen­tualer Anteil an den recht­en Gewalt­tat­en nah­men erneut erhe­blich zu – von 142 Angrif­f­en im Jahr 2015 auf 175 im Jahr 2016, bzw. von 68 auf 79 Prozent.
Neben den 175 ras­sis­tis­chen Angrif­f­en, wur­den 24 Tat­en aus Hass gegen poli­tis­che Geg­ner­In­nen verübt, 14 richteten sich gegen nicht-rechte Per­so­n­en, je 1 war sozial­dar­win­is­tisch bzw. anti­semi­tisch motiviert. Zwei Mal wur­den Men­schen auf­grund ihrer sex­uellen Ori­en­tierung angrif­f­en und vier Gewalt­tat­en richteten sich gegen Jour­nal­istIn­nen, die über rechte Aktiv­itäten berichteten. Bei der über­wiegen­den Mehrheit der Tat­en han­delte es sich um Kör­per­ver­let­zun­gen, davon 85 ein­fache (2015: 61) und 101 gefährliche (2015: 76). Es wur­den 13 Nöti­gun­gen und Bedro­hun­gen (2015: 30), 6 Sachbeschädi­gun­gen (2015: 19) und 9 Brand­s­tiftun­gen (2015: 10) Brand­s­tiftun­gen gezählt. Von den Angrif­f­en waren 335 Men­schen direkt betrof­fen und min­destens 196 indi­rekt (z.B. Ange­hörige und Zeug­In­nen). Weit­er­hin geht die Opfer­per­spek­tive von einem hohen Dunkelfeld aus, vor allem bei Angrif­f­en gegen Geflüchtete.
Die Sit­u­a­tion bleibt lan­desweit besorgnis­er­re­gend. Zwar ist punk­tuell ein Rück­gang rechter Gewalt­tat­en festzustellen (in Pots­dam, Ober­hav­el und Dahme-Spree­wald). In den meis­ten Land­kreisen ist jedoch ein weit­er­er Anstieg bzw. gle­ich­bleibend hohe Angriff­szahlen zu verze­ich­nen. Beson­ders bedrohlich ist die Sit­u­a­tion in Frankfurt/Oder und Cot­tbus. Hier ist eine über­pro­por­tionale Zunahme rechter Gewalt zu verze­ich­nen. In Cot­tbus zeu­gen 41 rechte Angriffe im Jahr 2016 davon, dass eine mil­i­tante rechte Szene ver­sucht, den öffentlichen Raum der Stadt zu dominieren.
Ins­beson­dere der hohe Anteil ras­sis­tis­ch­er Gewalt­tat­en lässt sich auf einen enthemmten Vertrei­bungswillen bei den TäterIn­nen zurück­führen. Judith Porath, Geschäfts­führerin der Opfer­per­spek­tive erk­lärt dazu: „Die vie­len ras­sis­tis­chen Angriffe sprechen dafür, dass es den TäterIn­nen darum geht, Migran­tInnen und Geflüchtete um jeden Preis zu vertreiben – sowohl aus ihrer Nach­barschaft als auch aus dem Land. Bedrohlich viele Men­schen in Bran­den­burg haben keine Hem­mungen, ihren ras­sis­tis­chen Ansicht­en im All­t­ag gewalt­tätig Aus­druck zu ver­lei­hen. Dabei schreck­en sie auch nicht davor zurück, Frauen, Kinder oder Jugendliche anzugreifen.“
Die Opfer­per­spek­tive ruft Zivilge­sellschaft, Kom­mu­nalver­wal­tun­gen und Lan­desregierung auf, alles dafür zu tun, die rechte Gewaltwelle zu been­den. Dazu ist es notwendig ras­sis­tis­ch­er Het­ze entsch­ieden ent­ge­gen­zutreten, Diskri­m­inierun­gen abzubauen und ein gewalt­freies Zusam­men­leben aller Men­schen in Bran­den­burg zu fördern.
Im Anhang find­en Sie das Hin­ter­grund­pa­pi­er der Opfer­per­spek­tive zur Veröf­fentlichung der Angriff­szahlen mit aus­führlichen Analy­sen, sowie eine grafis­che Auf­schlüs­selung der Zahlen zur freien Ver­wen­dung. Bei Nutzung der Grafik bit­ten wir um Nen­nung der Quelle (Peer Neu­mann / Opferperspektive).
Für Rück­fra­gen am 9.3.2017 ab 12 Uhr ste­hen Ihnen zur Verfügung:

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Blauer Dunst in Frankfurter Kneipen

Die AfD ist eine rechts-nation­al­is­tis­che Partei, die durch ihre asyl- und migra­tions­feindlichen Posi­tio­nen den Boden für ein ras­sis­tis­ches Kli­ma in Deutsch­land und auch in Frank­furt (Oder) bere­it­et. Sie ist gegen die EU, gegen offene Gren­zen und für die Bevorzu­gung Besserver­di­enen­der auf Kosten jen­er, die sie als „sozial Schwache“ degradiert. Ihre Vorstel­lun­gen von Geschlechter­rollen und Fam­i­lie sind kon­ser­v­a­tiv bis völkisch.

Wie wir fest­stell­ten, kon­nte die AfD seit dem let­zten Jahr unter anderem in fol­gen­den Lokalitäten einen Ort find­en, an dem sie ihre recht­en Posi­tio­nen ungestört unter die Leuten brin­gen konnte:

Am 6. April 2016 fand ein Vor­trag zum The­ma „Quo vadis, Deutsch­land? Wie wird unsere Zukun­ft ausse­hen?“ in „Die kleine Pen­sion und Café Oase“ statt.1 Das Etab­lisse­ment befind­et sich im Sand­grund 9–10; die Inhab­er sind Axel und Ker­stin Voigt.

Das „Auto­haus Ser­vice Cen­ter Daske“ in der Wild­bahn 6 15236 Frank­furt (Oder) im Ort­steil Mark­endorf fungierte eben­falls als Tre­ff­punkt für den Stadtver­band der AfD in Frank­furt (Oder).
Quelle: http://www.auto-daske.com/

Ihr islam­feindlich­es Gesicht zeigte die AfD am 30. Juni 2016, als im „Auto­haus Ser­vice Cen­ter Daske“ in Mark­endorf eine weit­ere öffentliche Ver­anstal­tung unter dem Titel „Warum der Islam nicht zu Deutsch­land gehört“ stat­tfand.2 Am gle­ichen Ort lud, die mit Putins Rus­s­land sym­pa­thisierende AfD,3 am 9. Novem­ber 2016 zu einem Vor­trag zum The­ma „Frieden in Europa – nicht ohne Rus­s­land“.4 Inhab­erin ist Krysty­na Daske, Geschäfts­führer ist Hen­drik Gunke. Dass erstere der AfD nahe ste­ht, ver­wun­dert nicht, stimmt sie doch auf ihrem Face­bookpro­fil schon Ende 2015 in die Has­sti­raden gegen Geflüchtete ein.5

Das Ban­ner der Face­bookver­anstal­tung zeigt via Fotomon­tage eine kopf­tuch­tra­gende Angela Merkel vor ein­er bren­nen­den Deutsch­land­fahne und hal­luziniert so eine Islamisierung Deutsch­lands her­bei.
Quelle: https://www.facebook.com/events/1091335940889530/
Krysty­na Daske teilt Vorurteile auf ihrem Face­bookpro­fil.
Quelle: https://www.facebook.com/profile.php?id=100008967609748

Darüber hin­aus ermöglichte der Frank­furter SPD-Lokalpoli­tik­er Tilo Win­kler und immer­hin Frak­tionsvor­sitzen­der der SPD in der hiesi­gen Stadtverord­neten­ver­samm­lung durch die Bere­it­stel­lung sein­er Imbiss­bude „Wupis Tränke am Wald­haus Rosen­garten“ min­destens zwei Mal im Juli 2016 der AfD in geschützter Atmo­sphäre bei Bratwurst und Bier zusam­men­zukom­men.6 Sowohl der Betreiber als auch die Gäste hat­ten offen­bar auch keine Berührungsäng­ste mit Per­so­n­en, die sich zumin­d­est durch ihre Klei­dung der Marke „Thor Steinar“7 als neon­azis­tisch zu erken­nen gaben.8 Der Sozial- und Bil­dungs­dez­er­nent der Stadt Frank­furt (Oder) und gle­ichzeit­iger Vor­sitzen­der des SPD Unter­bezirks Frank­furt (Oder) und lokaler Hoff­nungsträger der SPD, Jens-Mar­cel Ull­rich, fühlt sich bemüßigt, die Sit­u­a­tion zu ver­harm­losen und auf die wirtschaftliche Lage seines Parteikol­le­gen abzuheben.9 Win­kler selb­st wird in einem Artikel der Märkischen Oderzeitung mit den Worten: „Das war keine Wahlkampfver­anstal­tung und die AfD ist auch nicht ver­boten. Trotz­dem bin ich da naiv herange­gan­gen“10. Abschließend ver­sichert er „Noch ein­mal passiere ihm dies nicht“11. Die antifaschis­tis­che recherchegruppe frank­furt (oder) hat­te ihn und den SPD-Unter­bezirk Frank­furt (Oder) bere­its im Okto­ber 2016 zum ersten Mal bezüglich der The­matik im Stel­lung­nahme gebeten. Lei­der war von kein­er Stelle eine Posi­tion­ierung zu erhal­ten. Zumin­d­est scheint die Irrfahrt des Her­rn Win­kler nun beendet.

Das „Wupis Tränke“ in der Fürsten­walder Post­straße 129, 15234 Frank­furt (Oder), betrieben vom Frak­tionsvor­sitzen­den der SPD in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung Frank­furt (Oder) gab der frank­furter AfD gle­ich zweimal Obdach.
Quelle: http://www.wupis.de/
An einem Gast mit „Thor Steinar“-Shirt wird seit­ens der AfD kein Anstoß genom­men.
Quelle: https://www.facebook.com/afdffo/

Auch im Frank­furter Kleist Forum fand 2016 eine Ver­anstal­tung der AfD statt. Am 11. Mai ver­anstal­tete sie einen „Bürg­er­dia­log“, bei dem die Land­tagsab­ge­ord­neten Alexan­der Gauland, Franz Wiese und Thomas Jung zu Gast waren.12

Eben­so 2017 fan­den bere­its drei soge­nan­nte „Stammtis­che“ der frank­furter AfD statt. Der Gas­tronom Nico Druss stellte seine Räum­lichkeit­en, die „Bewirtung 1900“, am 25. Jan­u­ar und am 8. Feb­ru­ar sowie am 22. Feb­ru­ar 2017 der Partei zur Ver­fü­gung.13 Für den 8. März ist bere­its der näch­ste „Stammtisch“ geplant.14

Die „Bewirtung 1900“ von Inhab­er Nico Druss in Alt­beresinchen, Leipziger Platz 1, 15236 Frank­furt (Oder).
Quelle: http://bewirtung1900.restaurantsworld.de/

Ins­beson­dere in Vor­bere­itung auf die Bun­destagswahlen im Sep­tem­ber 2017 – bei der Alexan­der Gauland als Direk­tkan­di­dat im Bezirk Frank­furt (Oder) / LOS antreten wird – ist zu erwarten, dass die AfD ver­mehrt öffentliche Ver­anstal­tun­gen durch­führen wird. Auch wenn es der Partei in der Ver­gan­gen­heit leicht fiel, Lokalitäten in Frank­furt anzu­mi­eten oder bere­it­gestellt zu bekom­men, muss dies nicht so bleiben! Nehmen Sie Ihre Ver­ant­wor­tung, die Sie als Akteur in Ihrer Stadt haben, wahr – tra­gen Sie nicht dazu bei, dass die AfD ihre rechts-nation­al­is­tis­chen Posi­tio­nen weit­er salon­fähig machen kann! Wir appel­lieren an die Frank­furter Gastronom_innen, der AfD nicht die Möglichkeit zu geben, sich weit­er in der Stadt zu etablieren. Durch die Bere­it­stel­lung Ihrer Räum­lichkeit­en tra­gen Sie zur Nor­mal­isierung der Partei bei, die Men­schen­feindlichkeit propagiert und praktiziert.

Quellen

1 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „Quo vadis, Deutsch­land? Wie wird unsere Zukun­ft ausse­hen?“, http://www.afd-ffo.de/event/quo-vadis-deutschland-wie-wird-unsere-zukunft-aussehen/, https://www.facebook.com/events/504114123106405

und Beitrag vom 08.04.2016 um 18:09, https://www.facebook.com/afdffo/posts/804030949730592 .

2 Vgl. Ute Spallek: „Stammtisch in Frank­furt (Oder) OT Mark­endorf“, 04.07.2016, http://www.afd-ffo.de/stammtisch-in-frankfurt-oder-ot-markendorf und AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „Warum der Islam nicht zu Deutsch­land gehört“, https://www.facebook.com/events/1091335940889530/ .

3 Vgl. zur Posi­tion der AfD zum Umgang mit Rus­s­land beispiel­sweise „Alter­na­tive für Deutsch­land“: „Gauland: Dro­hun­gen und Sank­tio­nen gegen Rus­s­land schaden nur uns sel­ber“, 06.01.2017, http://www.alternativefuer.de/gauland-drohungen-und-sanktionen-gegen-russland-schaden-nur-uns-selber/ oder „Pazder­s­ki: Dia­log statt Mil­itär­manöver“, 10.01.2017, http://www.alternativefuer.de/pazderski-dialog-statt-militaermanoever/ .

4 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „Bürg­er­stammtisch – Frieden in Europa – nicht ohne Rus­s­land“, https://www.facebook.com/events/1692492197733903/ .

5 Vgl. Krysty­na Daske, Beitrag von Krysty­na Daske vom 07.11.2015 um 13:20, https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1478613705780869&id=100008967609748 .

6 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „Feier der AfD-Mit­glieder bei Wupis Tränke im Wald­haus Rosen­garten“, 05.07.2016, http://www.afd-ffo.de/feier-der-afd-mitglieder-bei-wupis-traenke-im-waldhaus-rosengarten/ und „Junge Alter­na­tive Bran­den­burg in Frank­furt (Oder)“, 27.07.2016, http://www.afd-ffo.de/die-leiter-der-jungen-alternative-brandenburg-kamen-nach-frankfurt‑o/ .

7 All­ge­mein zur neon­azis­tis­chen Bek­lei­dungs­marke „Thor Steinar“ vgl. Recherchegruppe „Inves­ti­gate Thor Steinar“:„Investigate Thor Steinar – Die kri­tis­che Auseinan­der­set­zung mit ein­er umstrit­te­nen Marke (zweite erweit­erte Auflage)“, 2008 und http://investigatethorsteinar.blogsport.de/ und „Thor Steinar“, http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/thor-steinar .

8 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder), Beitrag von 05.07.2016 um 20:38 Uhr, https://www.facebook.com/afdffo/photos/a.656520021148353.1073741828.656516367815385/847572125376474/?type=3&theater .

9 Vgl. Thomas Gutke: „Jens-Mar­cel Ull­rich und dann lange nichts“. Märkische Oderzeitung vom 01.03.2017, http://www.moz.de/heimat/artikel-ansicht/dg/0/1/1555895/ .

10 Ebd.

11 Ebd.

12 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „Erfol­gre­ich­er Bürg­er­dia­log in Frank­furt (Oder)“, 15.05.2016, http://www.afd-ffo.de/erfolgreicher-buergerdialog-in-frankfurt-oder/ .

13 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „1. AfD-Stammtisch Frank­furt (Oder)“, https://www.facebook.com/events/947280165408324/ und „AfD-Stammtisch“, https://www.facebook.com/events/656449107890483/ .

14 Vgl. AfD-Stadtver­band Frank­furt (Oder): „AfD-Stammtisch Frank­furt (Oder)“, https://www.facebook.com/events/1847365158860835/.

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Hennigsdorf: they tried to deport her again!

On the 7th of Sep­tem­ber, around 4 o’clock in the morn­ing, in a Heim in Hen­nigs­dorf, a refugee woman was again com­pelled out of her room, vio­lent­ly pushed in to a police car and tak­en to the air­port in one more forced depor­ta­tion attempt. They didn’t suc­ceed because the pilot refused to take in a woman in such a dis­tress. They came as they do: in many, vio­lent­ly push­ing, humil­i­at­ing, hand­cuff­ing as if the woman was a dan­ger­ous criminal.
We, from the IWS, went to Hen­nigs­dorf, to see her, after once again she resist­ed her depor­ta­tion and what fol­lowed was a hor­ror dis­play of more vio­lence against her and also against us, her friends.
We arrived in the Heim around 12h. She was ner­vous, weak, scared. Her arms were red and swollen. Her night­gown, clothes she was wear­ing when she was arrest­ed, was full of blood, her back had red marks left by the police. We agreed she should see a doc­tor, go to the hos­pi­tal. We then called the Ambu­lance. They came, but they didn’t seem inter­est­ed in help­ing her. They were more wor­ried about a mobile phone we used to film her, not them. One of the male nurs­es came to us and asked us to delete our footage, which we did immed­i­tate­ly in order to calm them down and give our friend the atten­tion she need­ed. It was too late though. They decid­ed to cre­ate a scence out of the short and mean­ing­less dis­cus­sion about the film­ing and opt­ed for call­ing the police. Mean­while the unfriend­ly faces of the Heim’s admin­is­tra­tion sur­round­ed us. We didn’t know what was ter­ri­fy­ing them the most: the fact that in our group there was not one ger­man look­ing per­son and we were speak­ing in eng­lish, the fact that we could be from the press because one of us showed a press card or the obvi­ous fact that none of us was the ger­man white pro­to­type of a human being. Maybe all of these togeth­er. In a few min­utes four police cars arrived. To do what? Keine Ahnung, no idea. There was absolute­ly no need for cre­at­ing such a fuss. There was the need to help a woman to go to the hos­pi­tal. That was their main duty. That is why they were called.
The police asked us a few ques­tions and left. We tried a last com­mu­ni­ca­tion with the male nurs­es by ask­ing them the address of the hos­pi­tal they were final­ly tak­ing our friend, but they refused to tell us. No prob­lem, we knew Hen­nigs­dorf doesn’t have many hos­pi­tals and went to the one they took her to.
So we ask our­selves: until when refugees will be treat­ed like crim­i­nals, sus­pects? What leads peo­ple to dis­re­gard the needs of oth­er human beings in such a way? Tak­ing even their rights to be helped. Male nurs­es called the police against us because we were stand­ing for our friend and we should learn that to do so is also con­sid­ered a crime because refugees are not sup­posed to have friends. Why is the soci­ety in gen­er­al so qui­et about the abuse com­mit­ted against peo­ple who came to Ger­many to seek for pro­tec­tion? The only answer we can find is Racism. It is because Racism still plays the biggest role and as Racism is an irra­tional feel­ing, the result can­not be oth­er than violence.
Below you find Facts and Fiction.
Fiction:
https://iwspace.files.wordpress.com/2016/09/focus.jpg
Facts:
Full tran­scrip­tion of the tes­ti­mo­ni­al below the video.

Tran­scrip­tion: When I get up in the morn­ing, I was still sleep­ing, when I was in my bed and then I went to hear peo­ple they knock on my door and when I went and open the door I saw these peo­ple from the Aus­län­der­be­hörde Police, this woman, she was there, its not Donov, its the police, its this woman that first time was there and these two police they were there and this fat man, that it is in Oranien­burg, the one that has a very big stom­ach, he use to wear only shirt every time, the man too was there and then they come, I open the door and they told me I have to go now, they want to come and enter and pack my things.
I was out­side and then they entered and then they are pack­ing my things. They car­ry two box­es that were here and then they take this bag. I was only wear­ing this dress, this one and I didn’t have this one, I didn’t have this one and I didn’t have shoes I was have just socks, those socks they did it in the air­port, they removed it there and then they put me this one.
And after that they car­ry me, I was out­side here, they hand­cuffed my hands. They hand­cuffed my hands, they were going to pull me, they hand­cuffed my hands and they hand­cuffed my legs and they tide me from this place(showing the waist) with these things that the use to tie peo­ple, every­thing was tied, my hand. The chain. I was in chain, you under­stand? Chained.
The thing they tie you, you can not do some­thing you cant move some­thing, with your legs, you cant move you cant do some­thing. Then after they car­ried me and put me in their car, then I was there I was only pray­ing, I was there I was always pray­ing, I was there I was always pray­ing. We reached the air­port now. When we reach the air­port they car­ry me, they are the ones who car­ry me.
Because I was in chain, they tie my legs, they car­ry me. They go back in the same room that they bring me first time and that they put me there. The same per­son that time that they said that they are going to bring me back here. The same per­son too was there today, they are the one that were mak­ing me today to do this thing.
I was there, I was pray­ing and they want­ed me to do some­thing and I was only pray­ing. They hand­cuffed me and they were doing bad things to me, they were beat­ing me, he was beat­ing me and the oth­er one, very fat, he climbed and sits with me, on my legs here and I say do you want to break my legs?! Do you want to break my legs? Anoth­er woman was there and she was hold­ing my hand like this, she was press­ing me. And anoth­er man was here, he was press­ing my hand.
And anoth­er man said: Oh, don’t break her hand – in their lan­guage I don’t under­stand – don’t break her hand, and he said: No, I am not break­ing her hand. And after now, I do this thing, I was only there because I shouldn’t hold some­thing i should not remove any­thing. And after now they talked and fin­ished their talk then after I sit there they go and bring me shoe, they bring the shoe and I told them I am not going to put that shoe, that shoe is not for me, I am not going to put. They are the one that put shoe on my leg, I remove, I remove!
I was mak­ing like this every­thing, go aside, then they tried to put just one side, then they car­ry me now right way at the plane.
They take me, they put me in the car, the car went with them there and we reach there, they remove me out­side, there are 5 of them. 6 peo­ple they car­ry me up. When they car­ry me up I jumped like this and then I fall down, I fall down. When I fall down they come again and they car­ry me again and they go now inside the plane.
They put me in the plane that there is nobody, where I was sup­pose to sit there, was nobody there. There was nobody, nobody was sit­ting on that place.
When I was there and entered this thing, two police peo­ple was here, and then anoth­er per­son was here and anoth­er per­son was here and they chained the way that you see me and they tied my mouth with some­thing that I should not talk, but I was only pray­ing, I was only pray­ing, I was only shout­ing and crying.
And there is this one man and one woman then she come and she told them: You can­not car­ry this girl like this, she is talk­ing and she is cry­ing, you can­not take her like this to Africa, you wouldn’t go. Then after that, they car­ried me down back, those police peo­ple, they car­ried me back and they go now and put me in the carand the car bring me to that place and they remove me again and go in the room, this pri­vate room I went the first time.
Where I went the first time they show me where that I sit, I sit only in that place then after they were telling me now every­thing is over, every­thing is over, you are going now home. Are you stay­ing in the Heim? Yes, I am stay­ing in the Heim, You have been in the Heim for how many years? I told them that I have been in the Heim for almost 5 years.
Then the oth­er one wastelling me, they start­ed to remove these things from me, they are the ones who remove those chains in me, they start­ed to remove those chains and then they say I will not trav­el again.Then they car­ry me and start­ed to remove the chains in me, they start­ed to beg me, I was not say­ing I was only cry­ing, I was only cry­ing, I was only cry­ing, I was only cry­ing, I was only cry­ing all the time.
And after that they do this things, they remove.
And the oth­er man was say­in­glet them take me to the hos­pi­tal for this on my hand. After the oth­er was say­ing: No. After the oth­er one say: No, its not too bad let them bring med­i­cine. And they put it there and after they make my hand like this, and say every­thing is fine, you are going now at home, I didn’t talk to them. And then after now they do this thing, they didn’t told me they do this thing. Then after now they bring back med­i­cine and they give me these paper there are some papers I didn’t take but they put them in my bag, I didn’t know they put them in my bag.
And they say I should sign some­thing here I said No, I am not sign­ing any­thing from this place. I wont sign any­thing. And they told me then, go and get your bag from that place where things are sup­pose to go. And then I told them: No, I am not going some­where, go and bring my bag there, my bag was not there, how can you told me now I should go and take my bag there, you peo­ple go and bring my bag and come and bring me here. I am not going there. They say this is the tick­et, you just go and show the per­son and the per­son will give your bag to you. I say No, I am not going there. I am not going there. My bag is there, my bag is in the air­port I leave there and then I come. The bag which I only bring is only this bag then with this dress inside, this is the dress that I put with me to trav­el and to go to Cameron with it. And after now I say I will not take my bag, they are there.
I didn’t know where to go to air­port, I didn’t know what to do, then when I want to go I saw one woman, I think she was a ger­man or what woman and then I beg her that please I have prob­lem this morn­ing and I don’t have tick­ets, please can you help me with your tick­ets because I am going some­where. What the woman do is she gave me 2 tick­ets, the 2 tick­ets they were here, she gives me 2 tick­ets, the tick­ets were here…yes, there. I hold her hand and I say thank you so much, this 2 tick­et that brought me here, I come and reach here.I walk only with my legs i was com­ing just like this and I reach here. Thats all that passed my sister.
J:So they left you at the airport?
D:Yes they left me there.
J:And what is this with your dress can we see, how did you get all this blood?
What hap­pened to you at the back?
D:They knock me on my back. They hurt me from my back.
I think that blood come out, I don’t know. The blood come too from the hand so much.
J:Did they give you any doc­u­ments to come here, Ausweis?
D:Thats the thing that they give to me.
The oth­er one, I didn’t take the oth­er one.I opened my bag and saw this one.I am sor­ry for this I saw this one.
They want­ed me to sign and I said I am not sign­ing anything.
J:This hand looks a lit­tle bit swollen.
D:Yes because my hands are very hurt because they pressed me a lot, they pressed me a lot.some peo­ple were even climb­ing in my hand, so my hands should broke so I could not do any­thing. Some of them climb on my foot so I could any­thing but god helped me.
This one I was just oth­er and give me that one I was sup­pose to go there today
Its only this one that they give to me too.
If I should not go today they should kill me, this is their plan today, I will not hide you.
If I did not go today they should kill me.
Because why they bring me into air­port in that house? They want to kill me in that place
and then the guy speaking….
Today they want to kill me, they want to kill.
Even today this one was not good too.
Where they put me in the room in the air­port wait­ing that the flight will car­ry me and go away.
What they were doing to me, was tying me , some would climb on my foot, some here, some here, press­ing me. They don’t want me to talk, they don’t want me to see some­thing, they take this thing from the hos­pi­tal and tied my mouth , tied my mouth they dont want me to talk. They put med­i­cine in my mouth and then I pru­uu!! 3 times I threw. And then the oth­er man said: Be very care­ful, I will give you med­i­cine to sleep. I said I am not going to take any med­i­cine. But you peo­ple should leave me to pray. You peo­ple does not want me to pray for what? You peo­ple should leave me alone.They say we don’t lis­ten to God here and we don’t want to know any­thing about this thing. My sis­ter, nkt! you do not know. They are very dev­il. They planed me today, they planed me today. That if I don’t go today they should kill me. Thats how they planed me today that if didn’t go they would kill me.
But their plan didn’t work, didn’t work, didn’t work. My dress­es are in the air­port, two box­es of dress­es, they are there. They told me to get my dress­es from that place that they pack and I said: No, I am not going there. They said: the tick­et is there…

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Lieber ein Ende mit Knall, als Knallköppe ohne Ende“

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Für Sam­stag den 20. August mobil­isieren Neon­azis zu einem Auf­marsch nach Pots­dam. Nach­dem wir in den let­zten Monat­en von Chris­t­ian Müllers Groß­machts­demon­stra­tio­nen ver­schont blieben, ist nun „Eric Graziano Grün­wald“ ange­treten um Pots­dam, vor der ange­blichen Islamisierung des Preußen­lan­des, zu ret­ten. Bish­er war dafür C. Müller zuständig, aber nach einem öffentlich gewor­de­nen Tele­fonat, in dem dieser neben­bei kokst und außer­dem die Presse über seinen gewalt­täti­gen Über­griff auf seine Frau berichtete, ist nun auch dem ver­wirrtesten Neon­azi klar, dass er nicht als Iden­ti­fika­tions­fig­ur taugt.
Am 20. August ist nun ein „Patri­o­tentag“ in Pots­dam auf dem Luisen­platz angemeldet. Dieser muss als erneuter Ver­such gew­ertet wer­den, sich lokal in Pots­dam und auch region­al in Bran­den­burg neu zu ver­ankern. Denn nicht nur „Pogi­da“ ist seit Beginn des Jahres geschrumpft, son­dern bran­den­burg­weit alle „Gidas“ und „Bürg­er­be­we­gun­gen“ oder wie sie sich auch nen­nen. Hier in Pots­dam, aber auch in Rathenow lässt sich das auch auf antifaschis­tis­chen Protest zurück­führen. Es ist unser Wider­stand, der es den Rassist_innen in Pots­dam unmöglich gemacht hat auch nur einen einzi­gen entspan­nten Auf­marsch durchzuführen. Und es ist unser Wider­stand, der ver­hin­derte, dass Pogi­da zu einem Anknüp­fungspunkt für „besorgte Bürger_innen“ aus Pots­dam wer­den kon­nte. Stattdessen wurde Pogi­da in einem Wan­derkessel, geschützt von einem mas­siv­en, äußerst gewalt­bere­it­en Polizeimob, ein paar Meter auf den Straßen begleitet.
Nun haben wir aber über­haupt keinen Bock! Wed­er auf Pogi­da 2.0 noch auf die pseudomil­itärische Beset­zung unser­er Vier­tel durch eine enthemmte Polizei. Wir wer­den uns diesen bei­den Scheißhaufen ent­ge­gen­stellen, denn aktuell kann der eine nicht ohne den andern.
Der dig­i­tale Plan von Ex-Pogi­da ist es sich um 14.00 Uhr auf dem Luisen­platz zu tre­f­fen und dann eine Runde durch die Pots­damer Innen­stadt zu drehen. Und das obwohl Antifaschist_innen in den let­zten Jahren schon mehrfach aufgezeigten, dass der Luisen­platz kein Ort ist, an dem sich Neon­azis von DVU oder NPD allzu wohl fühlen dürften, vor allem die An- und Abreise wurde oft zu einem kri­tis­chen Punkt. Von den bish­eri­gen Ver­suchen der Pogi­da-Anhänger_in­nen brauchen wir ja nicht aus­giebig zu bericht­en, da wir alle die großar­ti­gen Bilder im Kopf haben oder von youtube kennen.
Dabei wollen sie vom Luisen­platz über die Schopen­hauer­str. – Bre­ite Str. – Zep­pelin­straße und zurück zum Aus­gang­sort eine Minirunde drehen.Vorsorglich haben die Pogi­da-Nach­fol­ger ihre Pro­pa­gan­daak­tion bis 20.00 Uhr angemeldet. Par­al­lel dazu find­et die soge­nan­nte „Schlösser­nacht“ statt, deren Hauptein­gang in den let­zten Jahren am Luisen­platz lag. Es kann also davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass eine Menge mehr oder weniger fein gek­lei­de­ter Men­schen mehr oder weniger unkon­trol­lier­bar durch die Innen­stadt spazieren werden.
Dieses Chaos gilt es zu ver­größern. Seid kreativ, seid entschlossen in eurem Wider­stand. Lasst uns entschlossen vorge­hen gegen Pogi­da-Nach­fol­ger und die polizeiliche Beset­zung unser­er Viertel.
Wir haben keinen Bock Test­feld und Spiel­ball in Vor­bere­itung auf die bevorste­hende, staat­stra­gende OSZE-Scheiße am 1. Sep­tem­ber zu sein.
Alerta!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

We are the Antifa Potsdam needs – but not the one it deserves

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Eine Pots­damer Stadt­poli­tik, die sich über­fordert sieht im huma­nen Umgang mit Refugees. Regelmäßige Aufmärsche von Neon­azis Seite an Seite mit „besorgten Bürger_innen“ im Land Bran­den­burg. Immer wiederkehrende Pogi­da-Aufmärsche inklu­sive mas­siv­en Polizeiüber­grif­f­en auf Antirassist_innen. Regelmäßige ver­bale oder kör­per­liche Angriffe auf Geflüchtete und Bran­dan­schläge auf die Unterkün­fte. Exor­bi­tante Wahler­folge für die Neon­azis in Nadel­streifen von der AfD und der Ver­such eben dieser, in Pots­dam Fuß zu fassen.
All diese Punk­te und noch viel viel mehr haben uns verdeut­licht, dass Pots­dam auch weit­er­hin eine offen­sive Antifa­gruppe braucht.
Wir wollen gemein­sam nicht nur aktiv auf die Straße gehen, um all den schlecht­en Ismen dieser Welt und dieser Stadt den Kampf anzusagen, son­dern wir wollen darüber hin­aus ver­suchen, das große Ganze zu ver­ste­hen und zu beeinflussen.
Hier­mit sagen wir nicht nur den Neon­azis des neu gegrün­de­ten Pots­damer Flügels der NPD und den alt­bekan­nten autonomen Nation­al­is­ten den Kampf an, auch bei den Neon­azis von Pogi­da und AfD wollen und wer­den wir nicht Halt machen. Der städtis­che Umgang mit Geflüchteten ist genau­so in unserem Fokus wie der Umbau Pots­dams zu einem preußis­chen Hochglanz-Äquiv­a­lent der Potemkinis­chen Dörfer.
Mit ein­er Utopie von einem besseren Leben für alle über­all im Hin­terkopf wer­den wir das schlechte Leben, das viele Men­schen in Pots­dam, in Deutsch­land, in und vor den Gren­zen Europas sowie weltweit führen, kri­tisieren und nach unseren Möglichkeit­en aktiv dage­gen vorgehen.
Wir sind die Antifa die Pots­dam braucht – aber nicht die es verdient
Wir sind die Emanzi­pa­torisch Antifa Potsdam.

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Klima & Umwelt Law & Order

Gedanken zu Ende Gelände 2016

Plöt­zlich Bewegung
Mittwochmit­tag, ein son­niger Maitag, Ankun­ft auf dem Kli­macamp in Proschim. Es ist nicht das erste, dass ich in dieser Gegend erlebe und die ersten (pos­i­tiv­en) Ein­drücke sind auch nicht viel anders als bei anderen linken Camps der let­zten Jahre. Hier ein Plenum, in das ich mich ein­klinke, kaum dass ich meine Sachen abgestellt habe; dort viele liebe, lang nicht gese­hene Fre­unde aus anderen Teilen Deutsch­lands, die ich später rund um die Esse­naus­gabe tre­ffe. Der Abend klingt aus mit ein­er kohlekri­tis­chen The­at­er­auf­führung der Berlin­er Com­pag­nie und einem Konz­ert vom Geigerzäh­ler. Es ist ein schön­er Tag, der so aber auch in anderen Jahren an anderen Orten stat­tfind­en könnte.
Am Don­ner­stag verän­dert sich etwas Entschei­den­des und ich, beschäftigt mit meinen Auf­gaben auf dem Camp, bemerke es lange nicht. Dann kommt der Don­ner­stagabend, die Arbeit ist getan, ich streife durch das zen­trale Are­al und kann die beina­he schon elek­trische Span­nung förm­lich knis­tern hören, die hier zwis­chen den Men­schen über­springt. Es ist nur die bloße Zahl der Anwe­senden, die sich über den Tag enorm gewach­sen ist, es ist eine andere Qual­ität, ein andere Form von Zusam­men­sein. In Erwartung des gemein­samen massen­haften Auf­bruchs am näch­sten Tag teilen prak­tisch Alle eine nervöse, aufgekratzte Anspan­nung miteinan­der, ganz egal ob man in der Dunkel­heit noch Strohsäcke stopft und Over­alls besprüht, die in weni­gen Stun­den in der Grube zum Ein­satz kom­men wer­den, oder ob man um Tis­che und auf der Wiese sich in Grup­pen ver­sam­melt. Dazu kommt das eher leise, manch­mal laute, fortwährende Gewirr und Gemurmel der vie­len Stim­men, die Vielfalt der Sprachen. Es sind viele Men­schen aus Großbri­tan­nien und Frankre­ich, Bel­gien und den Nieder­lan­den aber auch aus Spanien, Däne­mark, Schwe­den, Polen, der Tschechei und der Ukraine, aus der Türkei und selb­st Südafri­ka gekom­men. Am Rand eines kleinen, bedro­ht­en Dorfs in der Nieder­lausitz, dessen Exis­tenz den Aller­meis­ten vor kurzem noch völ­lig unbekan­nt gewe­sen sein dürfte, teilt uns alle die Erfahrung, von etwas ergrif­f­en zu sein, was uns unbe­d­ingt ange­ht, für das wir kämpfen wollen und das uns an diesem Abend über alle Sprach- und Erfahrungs­gren­zen hin­weg in ein­er fieber­haften Span­nung miteinan­der verbindet. Es ist, zeitlich beina­he per­fekt passend, genau diese Erfahrung, die auch in der Erzäh­lung vom Pfin­gst­wun­der auf­scheint: „Und als der Pfin­gst­tag gekom­men war, waren sie alle an einem Ort beieinan­der. Und es geschah plöt­zlich ein Brausen vom Him­mel wie von einem gewalti­gen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zun­gen, zerteilt wie von Feuer; und er set­zte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wur­den alle erfüllt von dem Heili­gen Geist und fin­gen an zu predi­gen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszus­prechen […] Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusam­men und wurde bestürzt; denn ein jed­er hörte sie in sein­er eige­nen Sprache reden. Sie entset­zten sich aber, ver­wun­derten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jed­er seine eigene Mut­ter­sprache? […] Sie entset­zten sich aber alle und wur­den rat­los und sprachen ein­er zu dem andern: Was will das wer­den?“ (Apg 2, 1–13)
Es ist diese Erfahrung von Gemein­samkeit und Kollek­tiv­ität, die wohl dem entspricht, was für die Arbeit­er­be­we­gung des 19. Jahrhun­derts die Fab­rik, der Streik, die Nach­barschaft war und was im neolib­eralen Sta­di­um des Kap­i­tal­is­mus mit der Atom­isierung der Men­schen immer mehr ver­schwindet. Das macht solche Erfahrun­gen umso wertvoller, zu gle­ich aber auch begren­zt. Denn wenn die Erfahrung kämpferisch­er Kollek­tiv­ität haupt­säch­lich bei solchen Anlässen und nicht mehr in der eige­nen All­t­agswirk­lichkeit gemacht wird, dro­ht linke Poli­tik entwed­er zum Bewe­gungs-hop­ping oder zur Frus­tra­tions­maschiene mit solchen Aktio­nen als bloßem Akku-aufladen zu werden.
Begren­zt ist die Bewe­gung auch noch in eine andere Rich­tung. Selb­st wohlwol­lend geschätzt sind 80% der Anwe­senden angereist, jung, weiß, gebildet und leben in ein­er Stadt. Das ist eine Gren­ze und ein Prob­lem das wir haben, sollte aber nicht in Selb­stver­dammung und Star­ren auf ein imag­iniertes rev­o­lu­tionäres Sub­jekt führen. Jede Bewe­gung ist nur ein Auss­chnitt der Gesamt­ge­sellschaft und organ­isiert daher bes­timmte soziale Grup­pen. Die klas­sis­che Arbeit­er­be­we­gung hat nie „die“ Arbeit­er organ­isiert, son­dern war im Kern immer eine Bewe­gung der qual­i­fizierten Arbeit­er­schaft, die die Kämpfe der Ungel­ern­ten, der Lan­dar­beit­er, der vagabundieren­den Arbeit­er, der Heimar­bei­t­erIn­nen u.v.a.m, falls sie sie über­haupt wahrgenom­men hat, nur punk­tuell in die eigene Bewe­gung inte­gri­eren kon­nte. Vielle­icht wäre manche Nieder­lage ver­mei­d­bar gewe­sen, wenn es ihr gelun­gen wäre – an ihrer Rolle als wichtigem Sub­jekt von Emanzi­pa­tion ändert das nichts. Bezo­gen auf Ende Gelände ist daher nicht nur die Frage inter­es­sant, wer nicht kommt, son­dern warum ger­ade die Grup­pen kom­men, die da sind. Was ist ihr gesellschaftlich­er Ort, welche Erfahrun­gen brin­gen sie mit, wie ist ihr Ver­hält­nis zu den Wider­sprüchen unser­er Zeit, welche Bedeu­tung haben sie in der gesellschaftlichen Pro­duk­tion des Reichtums?
Auf­brüche
Das Über­raschend­ste am Fre­itag war dann die Abwe­sen­heit von Über­raschun­gen. Die Kohle­grube war von Vat­ten­fall still­gelegt und den Massen über­lassen wur­den, damit sie sich darin tot­laufen. Außer Sym­bol­bildern, die in ihrer beein­druck­enden Sci­ence-Fic­tion-Ästhetik von den Bildern des let­zten Jahres kaum zu unter­schei­den sind, war hier nichts zu holen. Der wirk­liche Kon­flikt wurde Sam­stag und Son­ntag an den Schienen und im Kraftwerk ausgetragen.
Es ist Sam­stagvor­mit­tag. Auf einem abgemäht­en Feld hin­ter dem Camp sam­melt sich ein­er der Fin­ger, um sich auf den Weg Rich­tung Schiene zu machen. Die große Menge ste­ht auf dem weit­en Feld unter blauen Him­mel zusam­men, ein­heitlich in weiße Over­alls gek­lei­det, geschlossen, entschlossen. Man zieht in eine Schlacht und ist bere­it dafür, ist zur richti­gen Zeit am richti­gen Ort um den Kämpfen um Befreiung ein neues, gemein­sames Kapi­tel hinzuzufü­gen. Die Stim­mung ist entsprechend gut, wenn auch nicht frei von Anspan­nung, von entschlossen­er Aufgekratztheit. Auch wenn es weniger Leute sind als 2007, erin­nert mich die ganze Auf­bruch­stim­mung sehr an die G8 Proteste in Heili­gen­damm, manch ein­eR dürfte so alt sein wie ich damals.
Meine Gedanken gehen aber bald noch weit­er zurück, zu den kahlen Hügeln über Franken­hausen, wo sich im Mai 1525 Bauern, Handw­erk­erge­sellen und weit­ere Grup­pen zu ein­er anderen Schlacht sam­meln, die eine entschei­dende Wen­dung im Bauernkrieg markieren wird. Wie weit herge­holt das ist, wird mir schon im Moment klar, wo ich das denke. Die Kämpfe damals dreht­en sich um den Zugang zu Natur­res­sourcen wie Wälder und Wiesen, um Aus­beu­tungs­for­men wie die Leibeigen­schaft, um kom­mu­nale Selb­stver­wal­tung, nicht zulet­zt um religiöse Autonomie. Sie standen am Anfang des Kap­i­tal­is­mus, der sich anschick­te, tradierte Ver­hält­nisse umzuwälzen. Und ende­ten in einem unvorstell­baren Blut­bad, als die Her­ren in Minuten Tausende morde­ten und die Hügel blutrot färbten. Fünfhun­dert Jahre späte kämpfen andere Men­schen in anderen Ver­hält­nis­sen. Wir sind mit­tler­weile in einem späten Sta­di­um des Kap­i­tal­is­mus angekom­men, in einem Jahrhun­dert, in dem es entschei­dend darum gehen wird, ob die kap­i­tal­is­tisch organ­isierte Men­schheit die biol­o­gis­chen Grund­la­gen ihres Über­lebens schw­er schädi­gen oder gar ver­nicht­en wird. Hier wo wir kämpfen richt­en die Herrschen­den vor­erst keine Blut­bäder mehr an, auch wenn manche die hier auf­brechen in den näch­sten Stun­den Ver­let­zun­gen und Mis­shand­lun­gen erfahren wer­den. Und den­noch, weil sich die Geschichte weit­erge­dreht hat, nicht weil sie ste­henge­blieben ist, weil sich auf den Gräbern der geschla­ge­nen Auf­ständis­chen der Kap­i­tal­is­mus ent­fal­ten kon­nte, die Wider­sprüche kap­i­tal­is­tis­ch­er Herrschaft sich anders stellen als vor fünfhun­dert Jahren, und weil trotz­dem und deswe­gen wieder Men­schen voll Zuver­sicht auf­brechen, für etwas was bei aller Vagheit und Het­ero­gen­ität Befreiung heißen kann und muss zu kämpfen, deshalb lässt sich das tief ergreifende Gefühl, dass hier etwas ein­gelöst wird, was vor Franken­hausen geschla­gen wurde, trotz allem Ratio­nal­isieren nicht abwehren. „Die Ver­gan­gen­heit führt einen heim­lichen Index mit, durch den sie auf die Erlö­sung ver­wiesen wird. Streift denn nicht uns sel­ber ein Hauch der Luft, die um die Früheren gewe­sen ist? ist nicht in Stim­men, denen wir unser Ohr schenken, ein Echo von nun ver­s­tummten? haben die Frauen, die wir umwer­ben, nicht Schwest­ern, die sie nicht mehr gekan­nt haben? Ist dem so, dann beste­ht eine geheime Verabre­dung zwis­chen den gewe­se­nen Geschlechtern und unserem. Dann sind wir auf der Erde erwartet wor­den.“ (Wal­ter Ben­jamin, 2. Geschicht­sphilosophis­che These)
Ich denke auch an das Ver­hält­nis von Bewe­gung und Anführern, dass damals ein gefährlich­es war und es heute noch ist. Und das ger­ade ‚weil heute die Anführer*innen schw­er auszu­machen sind, weil es so viel Raum für Spon­tan­ität und Mitbes­tim­mung gibt, dass schnell überse­hen wer­den kann, dass das alles in einem Rah­men stat­tfind­et, den wenige bes­timmt haben. Weil es eine Hand­lungsan­weisung gibt, die „Aktion­skon­sens“ heißt, obwohl ihn eine Min­der­heit aus­disku­tiert hat und ihn viele eher vom Hören­sagen ken­nen. Beze­ich­nend die Frage in der Ver­samm­lung Fre­itagabend, ob denn Schot­tern Teil des Aktion­skon­sens sei. Es gibt zwis­chen den Anwe­senden nicht­mal den Ansatz ein­er Diskus­sion über den poli­tis­chen Sinn und Unsinn der Aktions­form, son­dern von der Bühne die lap­i­dare Mit­teilung: „Wir“ (?) haben schw­eren Herzens entsch­ieden – nein. Wir (ein anderes wir) witzeln: Hof­fentlich kommt die Jus­tiz nicht auf die Idee, die Strafver­fahren gegen unsere Bewe­gung Strafkon­sens zu nen­nen. Denn son­st wür­den unsere Leute kooperieren – schließlich haben sie ja eingewilligt.
Der trock­ene Spott und Frust der Nacht zuvor ist schnell vergessen, als am näch­sten Tag der Zug über das Feld zieht und aus meinem Blick­feld ver­schwindet. Soviel eigen­er Mut, eigene Entschlossen­heit, eigene Kreativ­ität und eigene Begeis­terung liegt in der Luft, dass men­sch die Frage, ob die sich befreien­den Men­schen hier wirk­lich das Maß aller Dinge sind, schnell mit einem Ja beant­worten möchte. Vielle­icht zu schnell.
Licht und Schatten
Es ist Sam­stagabend und es sieht nicht gut aus. Eine Per­son sitzt für wenig­stens einen Monat in U‑Haft und falls Staat­san­waltschaft und Gericht ihre Lin­ie durch­hal­ten, kön­nten es erhe­blich mehr wer­den. Darunter auch enge Fre­unde von mir, die mor­gen ihren Haft­prü­fung­ster­min haben sollen. Meine Ner­ven liegen blank. Wir sitzen etwas abseits auf der Wiese und ver­suchen zusät­zliche Anwälte zu erre­ichen, was an einem Sam­stagabend schwierig ist. Unsere Anspan­nung ist groß. Hin­ter uns im Zirkuszelt strö­men die von den Gleis­block­aden zurück­gekehrten Men­schen zusam­men. Die Stim­mung dort ist aus­ge­lassen. Abgeschnit­ten vom Braunkohle­nach­schub musste das Kraftwerk Schwarze Pumpe bis kurz vor die Abschal­tung gedrosselt wer­den, Protestierende haben das Kraftwerks­gelände geen­tert und noch ist unsere Aktion nicht vor­bei. Wir sind eine Macht und kon­nten der tagtäglichen Ver­nich­tung unser­er Lebens­grund­la­gen zumin­d­est eine Irri­ta­tion bere­it­en, die zu den größten Erfol­gen der zeit­genös­sis­chen europäis­chen Umwelt­be­we­gung zählt. Jubel dringt immer wieder an unser Ohr. So ange­bracht er ist, so sehr ste­ht er im Kon­trast zu unseren Sor­gen und der beschisse­nen Sit­u­a­tion der Leute, die die Nacht auf den Cot­tbuser Polizeire­vieren ver­brin­gen müssen. Über den Feldern der Lausitz zeigt sich ein prächtiger Son­nenun­ter­gang, eine Fle­d­er­maus kreist über unseren Köpfen, ein Maikäfer fliegt durchs Bild. Es ist diese Gle­ichzeit­igkeit, die sich schw­er aushal­ten lässt.
Manche sind nach diesen Tagen emo­tion­al schw­er angeschla­gen von dem, was sie in der Kon­fronta­tion mit der Herrschaft erfahren mussten. Es bleibt zu hof­fen, dass die Men­schen um sie herum für sie sor­gen wer­den. Andere steck­en die Zumu­tun­gen mit ein­er Gewandtheit weg, die mich tief beein­druckt und mit freudi­ger Über­raschung zurück­lässt. Aus ihnen spricht die Kraft und Würde, die das gemein­same Auf- und Wider­ste­hen den Men­schen ver­lei­ht. Die Erin­nerung an zwei Frauen hat sich mir nach­drück­lich einge­bran­nt. Die eine ließ sich berat­en, welche Gefahren ein Strafver­fahren für ihr Visum für Deutsch­land bedeuten würde. Schließlich lachte sie und meinte nur „Na, dann muss mich eben ein­er von meinen deutschen Fre­un­den heirat­en.“. Und meinte das genau so. Die zweite ruft am Son­ntag an. Sie liegt im Kranken­haus, ihr Arm ist ver­let­zt, ihre Leute sollen sie abholen. Nein, Sor­gen brauchen sie sich nicht zu machen. Ihre Stimme ist ruhig, gefasst und entspan­nt, fast schon etwas schläfrig. Ihr ist vielle­icht Furcht­bares passiert, aber wer sie jet­zt hört weiß: Es ist über­standen. Keine Macht der Welt kann ihr dieses es-über­standen-haben jet­zt mehr nehmen. Auch nicht die Lausitzer Rund­schau, auf deren näch­ster Num­mer eine Über­schrift von gewalt­täti­gen Braunkohlegeg­n­ern prangen wird, ohne das ihr ein einziger Ver­let­zter in den Rei­hen unser­er Geg­n­er bekan­nt ist.
Was bleibt?
Der Son­ntagabend endet in ver­bre­it­eter Euphorie und Aus­ge­lassen­heit. Meine nun doch in die Frei­heit ent­lasse­nen Fre­unde wiederzutr­e­f­fen, während hin­ter uns im all­ge­meinen Freuden­taumel getrom­melt und getanzt wird, erin­nert mich sehr an das Ende der „Rück­kehr der Jedi-Rit­ter“, obwohl das Imperi­um nicht geschla­gen ist und auch seine Macht, einen ganzen Plan­eten zu ver­nicht­en, nicht einge­büßt hat. Eine sehr viel kleinere Gruppe Ein­heimis­ch­er und Angereis­ter feiert Pfin­gst­mon­tag bei ein­er Andacht in Proschim weit­er. Hier kommt noch ein­mal zur Sprache, was mir die let­zten Tage immer wieder auffiel: Die gemein­same Kraft, das zusam­men Ergrif­f­en­sein im Kampf für etwas, was hier sehr schön als ein „Leben Aller Men­schen in Fülle und Würde“ umschrieben wird. Eine Min­der­heit ver­ste­ht es als Teil und Aus­druck ihres christlichen Glaubens, die Gemein­samkeit unser­er Erfahrung reicht aber weit über diese Gruppe hinaus.
Wer sich in diesem Teil der Lausitz aufmerk­sam umsieht, wird auf den Feldern die für den Braunkohle­tage­bau benötigten Entwässerungs­brun­nen ent­deck­en. Wirft man einen Stein in die rot-weißen Röhren hinein, braucht er drei, vier, fünf oder noch mehr Sekun­den, bis er tief, tief unter den eige­nen Füßen platschend ins Wass­er fällt. Ein solch­es unter der Ober­fläche ver­bor­genes Poten­tial ist dieses Pfin­g­sten in unser­er gemein­samen Erfahrung aufgeleuchtet. Wir sind weit davon ent­fer­nt, die Ver­hält­nisse zu rev­o­lu­tion­ieren und viele Fra­gen, wie die nach dem Ver­hält­nis zu Kap­i­tal und Staat, sind für die Bewe­gung offen geblieben. Und den­noch, in unserem gemein­samen Schritt scheint die Ahnung auf, dass nichts bleibt wie es ist, dass sich alles ändern kann, muss und wird.
Keine Atem­pause – Geschichte wird gemacht – es geht voran!
Schreibt den Gefangenen!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Abwärtstrend: AfD-Kundgebungen im Brandenburgischen Neuruppin kommen die Teilnehmer abhanden

Unter dem Titel „Kundge­bung gegen das Poli­tikver­sagen“ ver­anstal­tete der AfD- Kreisver­band Ost­prig­nitz-Rup­pin am 23. Mai ihre bere­its vierte Ver­anstal­tung dieser Art auf dem Neu­rup­pin­er Schulplatz. Als Red­ner waren neben dem Vor­sitzen­den des Kreisver­bands Ost­prig­nitz-Rup­pin, Michael Nehls, der Vor­sitzende der AfD-Frak­tion im Bran­den­bur­gis­chen Land­tag und Bun­desvor­stand, Alexan­der Gauland, sowie sein Frak­tions-Vize, Andreas Kalb­itz, vertreten.
Demge­genüber mobil­isierte das Bünd­nis „Für Tol­er­anz und Demokratie“ unter dem Mot­to „Unsere Alter­na­tive zu Gauland: Neu­rup­pin bleibt bunt!“ die eben­falls vierte Demon­stra­tion gegen die Kundge­bung der AfD. Dem Bünd­nis gelang es über 100 Ein­wohn­er Neu­rup­pins zum Protest gegen die Kundge­bung der AfD zu mobil­isieren, die ihrer­seits lediglich 90 Per­so­n­en anziehen konnte.
Die Ver­anstal­tung
Als Haup­tred­ner wieder­holte Alexan­der Gauland seine bere­its Mitte April in einem Inter­view der Frank­furter All­ge­meinen Son­ntagszeitung aufgestell­ten These, dass die „islamis­che Reli­gion (…) nicht mit dem Grundge­setz vere­in­bar“ sei. Die fortschre­i­t­ende Islamisierung der Bun­desre­pub­lik sei jedoch mit­tler­weile daran zu erken­nen, dass beispiel­sweise in eini­gen Schulen kein Schweine­fleisch mehr auf dem Speise­plan ste­he. Besorgt gab er zu bedenken, dass auf­grund diesen Trends bald auch christliche Feiertage wie Ostern und Wei­h­nacht­en abgeschafft wer­den könnten.
Bere­its zum wieder­holten Male nahm auch Gaulands Vize der Land­tags­frak­tion, Andreas Kalb­itz, teil. Offen­siv­er als Gauland, wet­terte Kalb­itz hin­sichtlich der Flüchtlingspoli­tik der Bun­desregierung gegen den “hirn­losen Willkom­mens-Fetis­chis­mus”. Unter den Gegen­demon­stran­ten machte er offen­bar „Hor­den rot­lack­iert­er Links­faschis­ten“ aus. Michael Nehls vom Kreisver­band Ost­prig­nitz-Rup­pin lancierte Gerüchte darüber, dass mus­lim­is­che Flüchtlinge in aktuellen Asylver­fahren ange­blich gegenüber christlichen bevorzugt behan­delt wür­den. Außer­dem kam er auf den Fall des in Bad Godes­berg getöteten Niklas P. zu sprechen, den Medi­en­bericht­en zufolge Mitte Mai bere­its etwa 50 Recht­sex­treme eben­da zum Anlass ein­er Demon­stra­tion gegen „Aus­län­derkrim­i­nal­ität“ nah­men. In Anlehnung daran beze­ich­nete Nehls Tatverdächtige als „Gesocks“. Im Gegen­satz zur Selb­st­wahrnehmung einiger AfD-Funk­tionäre – zumeist aus den West­län­dern – als Vertreter eines wirtschaft­slib­eralen Kurs­es, machte Nehls Anlei­hen am völkischen Antikap­i­tal­is­mus – „Feinde“ seien die „Weltkonz­erne“.
Der Hin­ter­grund
Kalb­itz, der zuvor der recht­en Klein­partei “Die Repub­likan­er” ange­hörte, ist nach Infor­ma­tio­nen des rbb eben­falls Mit­glied in dem von Alt­nazis gegrün­de­ten Vere­in „Kul­tur- und Zeit­geschichte, Archiv der Zeit“ e. V., dessen erk­lärtes Ziel die „Sicherung eines wahren deutschen Geschichts­bildes“ sei, „ins­beson­dere [bezüglich der] Zeit vor 1945“. Der Vere­in ste­ht außer­dem in Verbindung mit der eben­falls von ehe­ma­li­gen NSDAP- und SS-Mit­gliedern gegrün­de­ten „Gesellschaft für freie Pub­lizis­tik“, der nach Angaben des Ver­fas­sungss­chutzes größten recht­sex­tremen „Kul­turvere­ini­gung“ der Bundesrepublik.
Neben Dauer­gast Kalb­itz, deutet auch die Zusam­menset­zung der Teil­nehmer darauf hin, dass die AfD zumin­d­est in Teilen Bran­den­burg auf einen klaren Recht­saußenkurs set­zt. Auf Pressean­fra­gen, wie die AfD Ost­prig­nitz-Rup­pin dazu ste­he, dass ihre Kundge­bun­gen auch von Mit­gliedern der recht­sex­tremen NPD besucht wür­den, reagierte der Kreisver­band bere­its Ende März. Mit Hin­weis auf das Diskri­m­inierungsver­bot im Artikel 3 des Grundge­set­zes erk­lärte er, dass Mit­glieder und Funk­tionäre der NPD aus­drück­lich nicht von der Teil­nahme aus­geschlossen wür­den. Dies sei nicht nur die einzige ver­fas­sungskon­forme Ver­fahrensweise, son­dern ger­ade der Beleg dafür, dass der AfD gegenüber erhobene Vor­würfe des Recht­sex­trem­is­mus halt­los seien.
Dies scheint sich auch in der Entwick­lung der Teil­nehmerzahlen auszu­drück­en. Diese waren seit Beginn des Jahres 2016 bere­its rück­läu­fig. Zulet­zt zog jedoch der Auftritt des thüringis­chen Lan­deschefs der AfD und Vertreter des recht­en Partei­flügels, Björn Höcke, im April erneut etwa 150 Zuschauer an. Dass nun mit dem promi­nen­ten Bun­desvor­stand Gauland lediglich 90 Teil­nehmer mobil­isiert wur­den, kön­nte als Hin­weis darauf inter­pretiert wer­den, dass selb­st dessen Kurs weit­en Teilen der Sym­pa­thisan­ten des KV Ost­prig­nitz-Rup­pin nicht rig­oros genug ist. Beobachter des JFDA kon­nten dementsprechend im Umfeld der aktuellen Ver­anstal­tung lediglich einige Per­so­n­en aus dem Spek­trum der recht­sex­tremen „Freien Kräfte Neu­rup­pin“, sowie den Organ­isator des “Bürg­er­bünd­nis Havel­land”, Chris­t­ian Kaiser aus Rathenow (Foto links), ausmachen.
Angesichts dieser Entwick­lung war der Vor­sitzende des Kreisver­bands Ost­prig­nitz-Rup­pin, Michael Nehls, ver­mut­lich erle­ichtert die Som­mer­pause verkün­den zu kön­nen: Erst im Herb­st dieses Jahres wird die AfD wieder nach Neu­rup­pin kommen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Kaffeekränzchen mit Pogida

Am Mittwochabend haben rund 30 Pogi­da-Anhänger in Pots­dam demon­stri­ert – zum mit­tler­weile 11. Mal seit Beginn des Jahres. Ihnen haben sich mit drei Kundge­bun­gen mehrere hun­dert Men­schen entgegenstellt.
Am heuti­gen Mittwoch lud Pogi­da nach mehrwöchiger Pause zu ihrem 11. „Abendspazier­gang gegen die Islamisierung des Abend­lan­des“ ein. Am Pots­damer Haupt­bahn­hof sam­melten sich gegen 18.30 Uhr unge­fähr 20 Pogi­da-Demon­stran­ten mit Deutsch­land und Rus­s­land­fah­nen. Weitaus weniger als die 150 Teilnehmer_innen, die der Anmelder und Ver­samm­lungsleit­er Hol­ger Schmidt erwartete.
Da noch nicht so viele Teil­nehmer eingetrof­fen waren, wurde auf Vorschlag von dem Pegi­da Anwalt Jens Lorek erst­mal eine Runde Kaf­fee bestellt, in der Hoff­nung durch die Verzögerung, die Rede von Eric Graziani Grün­wald vor größerem Pub­likum zu beginnen.
Während die Anzahl der Pogi­da-Demon­stran­ten sehr über­schaubar blieb, gab es über 300 Gegen­demon­stran­ten. Das Tol­er­anzbünd­nis „Pots­dam beken­nt Farbe“ unter dem Vor­sitz von Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs (SPD) rief zu einem friedlichen Protest auf und betonte, dass Pots­dam eine offene und tol­er­ante Stadt sei. Rich­tung Pogi­da gewandt sagte Jakobs „Wir sind zehn­mal mehr als die paar Hanseln“. Neben den Gegen­demon­stran­ten und den gezählten 19 Pogi­da-Teil­nehmer_in­nen gesell­ten sich noch 600 Polizis­ten aus Berlin und Bran­den­burg dazu.
Trotz der weni­gen Teilnehmer_innen begann Graziani seine Rede über Merkel und den Ein­fluss der „Roth­schilds- und die Sor­usc­sclan-Fam­i­lien“. Schon auf der 7. Mai Demon­stra­tion „Merkel muss weg“ hielt er eine Rede zu dem The­ma. Zudem behauptete er linke Parteien seien „viel gefährlich­er als der Nation­al­sozial­is­mus während des Drit­ten Reiches“.
Mit einiger Verzögerung ging der „Abendspazier­gang“ mit mit­tler­weile rund 30 Per­so­n­en Rich­tung Zen­trum Ost los. Dabei kam es zu einem Zwis­chen­fall, indem ein Pogi­da-Red­ner eine Demon­stran­tin laut PNN mit „zieh doch eine Bur­ka an oder geh nach Afri­ka“ beschimpfte. Die Polizei schirmte Gegen­demon­stran­ten anson­sten weitest­ge­hend ab. An ein­er Baustelle musste sie dabei mehr als 70 Gegen­demon­stran­ten zurück­drän­gen. Polizeis­prech­er Heiko Schmidt zieht jedoch ein entspan­ntes Faz­it: es sei größ­ten­teils ruhig geblieben. Bei einem Tumult auf dem abges­per­rten Gelände kam es zu Rangeleien. Die Demon­stran­ten klet­terten unberechtigt über Zäune und war­fen offen­bar mit herum­liegen­den Bauteilen.
Auf der Abschlusskundge­bung am Haupt­bahn­hof gab es einen Rede­beitrag von dem bekan­nten Neon­azi Alexan­der Kurth aus Leipzig. Als ehe­ma­liger NPD-Kad­er gehört er zu den führen­den Neon­azis in Leipzig und Umge­bung und saß wegen divers­er Gewalt­de­lik­te im Gefäng­nis. Auf der Kundge­bung forderte er dazu auf, die Poli­tik­erin Clau­dia Roth in die Türkei abzuschieben. Slo­gans wie „Wer Deutsch­land nicht liebt, soll Deutsch­land ver­lassen“ und „Wir sind das Volk“ heizten dabei die Stim­mung auf. Zum Abschluss lobte Ord­ner Lorek noch die 30 Teilnehmer_innen mit Sätzen wie „Ihr seid die Elite“ und „artikulierte Sätze sind nur von hier gekom­men, nicht von der Gegen­seite“. Bevor sich die Demon­stra­tion auflöste, wurde „Deutsch­land Deutsch­land über alles“ anges­timmt und bot damit der Sam­ba-Musik der Gegen­demon­stra­tion nur wenig akustis­che Konkur­renz. Bei der Abreise wur­den die Pogi­da-Demon­stran­ten im Haupt­bahn­hof mit „Nazis raus“ begleitet.
Pogi­da geht erst seit Mitte Jan­u­ar diesen Jahres auf die Straße. Trotz­dem nahm die Teil­nehmer_in­nen-Anzahl stetig ab – bei der let­zten Kundge­bung am 7. April fan­den sich immer­hin noch 60 Teilnehmer_innen ein. Ein Zeichen dafür, dass Pogi­da keinen Raum in Pots­dam findet.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Richtungswechsel im Brandenburger Innenministerium

Innen­min­is­ter Schröter hat für zwei Fam­i­lien aus Forst und Pots­dam trotz hun­dert­er Unter­schriften, Briefe und Stel­lung­nah­men die Ersuchen der Härte­fal­lkom­mis­sion abgelehnt. Bei­de Fam­i­lien – Roma aus Ser­bi­en – sind bestens inte­gri­ert und in der hiesi­gen Gesellschaft verankert.
Mitschü­lerIn­nen, LehrerIn­nen, Nach­barIn­nen, Kirchen­mit­glieder und Bürg­erIn­nen aus Forst und Pots­dam haben sich geäußert und eingemis­cht. Alle appel­lieren, den Fam­i­lien ein dauer­haftes Bleiberecht zu gewähren. Es sind die Stim­men aus der Zivilge­sellschaft – oft von der Lan­desregierung für ihre engagierte Arbeit mit Geflüchteten gelobt – die hier über­gan­gen und offen­bar nicht gehört wer­den, wenn es um das Aufen­thalt­srecht geht.
Stattdessen liegt der Entschei­dung des Innen­min­is­ters ganz offen­sichtlich zugrunde, dass bei­de Fam­i­lien eine in seinen Augen zu kurze Aufen­thalt­szeit hät­ten und aus Ser­bi­en kom­men und damit aus einem so genan­nten sicheren Herkun­ft­s­land. Damit führt der Innen­min­is­ter die Arbeit der Härte­fal­lkom­mis­sion ad absur­dum. Migra­tions- und ord­nungspoli­tis­che Erwä­gun­gen, die aktuellen bun­des­ge­set­zlichen Asyl­rechtsver­schär­fun­gen zugrunde liegen, dürften die Arbeit der Härte­fal­lkom­mis­sion nicht berühren. Die bun­desrechtlichen Ver­schär­fun­gen im Hin­blick auf die sicheren Herkun­ft­slän­der zie­len pauschal auf schnellere Abschiebun­gen ganz­er Grup­pen, während es Auf­gabe der Härte­fal­lkom­mis­sion ist, den Einzelfall unab­hängig von Herkun­ft und Aufen­thalts­dauer zu betra­cht­en und zu erörtern.
Mit seinen Entschei­dun­gen, im Fall von Men­schen aus sicheren Herkun­ftsstaat­en gegen die Kom­mis­sion zu stim­men, kon­terkari­ert der Innen­min­is­ter die Arbeit der Härte­fal­lkom­mis­sion und stellt sie somit grund­sät­zlich in Frage. Men­schen aus sicheren Herkun­ftsstaat­en kön­nen in der Regel gar keine lange Aufen­thalt­szeit in Deutsch­land haben. Umso beachtlich­er ist es, wenn sie in dieser ver­gle­ich­bar kurzen Zeit eine starke Ver­ankerung in der örtlichen Gesellschaft erre­ichen. Insofern kann auch bei ihnen in ein­er kurzen Zeit ein beson­der­er Härte­fall vor­liegen, der für eine Aufen­thalts­gewährung rel­e­vant wäre.
Es geht bei den Über­legun­gen der Härte­fal­lkom­mis­sion wed­er um den Herkun­ftsstaat noch um Aufen­thalt­szeit­en, son­dern um das per­sön­liche Schick­sal der Men­schen. Wird dies bei Men­schen aus sicheren Herkun­ftsstaat­en nicht beachtet, wird ihnen grund­sät­zlich die Einzelfall­prü­fung im Härte­fal­lver­fahren ver­wehrt. Das wider­spricht dem auf dem human­itären Einzelfall basieren­den Ansatz der Härtefallkommission.
Trotz rel­a­tiv kurz­er Aufen­thalts­dauer von zwei bzw. drei Jahren haben es die Fam­i­lien Novakovi? und Brki? in außergewöhn­lich­er Weise geschafft, aktive Mit­glieder der örtlichen Gesellschaft zu wer­den. Sie sind beruf­stätig, ehre­namtlich aktiv, dol­metschen und unter­stützen andere Geflüchtete. Sie sind Mit­glieder im Sportvere­in und interkul­turellen Ini­tia­tiv­en, die Kinder der Fam­i­lie Novakovi? sind in der Schule längst inte­gri­ert und gehen erst­mals gern und mit einem Gefühl der Sicher­heit zur Schule. Bei­de Fam­i­lien haben zahlre­iche Unter­stützerIn­nen, Fre­undIn­nen und Nach­barIn­nen gewon­nen, die sie unter­stützen und nun gegen die Entschei­dung des Min­is­ters protestieren.
Vor diesem Hin­ter­grund ist es absurd, dass kurz nach Ende der “Dekade der Romain­klu­sion”, in der sich die Europäis­che Union mit ver­schiede­nen Pro­gram­men um die Inklu­sion von Roma bemüht hat, Kinder, die sich hier bestens in Schulleben und Kita inte­gri­ert haben, in die Per­spek­tivlosigkeit abgeschoben wer­den sollen – mit der Folge, eine Schule nicht mehr besuchen zu können.
Mit sein­er Gut­sher­re­nart wis­cht der Innen­min­is­ter die Inte­gra­tions­be­mühun­gen zahlre­ich­er Men­schen ein­fach zur Seite und stellt sich für die vie­len höflichen, aber auch fas­sungslosen Briefe von Ehre­namtlichen, LehrerIn­nen, Arbeit­ge­berIn­nen, Fre­undIn­nen und Nach­barIn­nen taub. Ein­er­seits posi­tion­iert er sich gegen rechte Über­griffe, ander­er­seits tor­pediert er die Arbeit eben jen­er Men­schen, die sich im Land Bran­den­burg gegen Rechts und für die Auf­nahme von Flüchtlin­gen engagieren und häu­fig das Boll­w­erk gegen rechte Het­ze vor Ort bilden. So kann keine Inte­gra­tion geflüchteter Men­schen gelin­gen, so wird ein grund­falsches Sig­nal in die Gesellschaft gesendet.
Wir fordern die Lan­desregierung und den Innen­min­is­ter auf, den Fam­i­lien Novakovi? und Brki? ein dauer­haftes Bleiberecht zu gewähren und sie nicht aus dem Kreis ihrer neuen Fre­undIn­nen und Nach­barIn­nen zu reißen.
Die Kinder dür­fen nicht aus der Schule bzw. Kita und ihrem gewohn­ten Umfeld genom­men und dahin abgeschoben wer­den, wo sie wieder Diskri­m­inierung und Anfein­dun­gen aus­ge­set­zt wären.
Wir fordern eine vor­be­halt­lose Prü­fung des human­itären Einzelfalls in der Härte­fal­lkom­mis­sion, unab­hängig von Herkun­ftsstaat und ord­nungspoli­tis­chen Überlegungen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Rechte Allianz im Havelland: Das “Bürgerbündnis Deutschland”

Seit dem Herb­st 2015 macht sich die Kle­in­stadt Rathenow im Havel­land einen Namen als „Klein-Dres­den“. Das liegt nicht etwa an den vie­len malerischen Brück­en. Nein, seit Okto­ber 2015 demon­stri­ert hier im Pegi­da-Stil eine Mis­chung aus „besorgten Bürg­ern“ und Neon­azis regelmäßig. Wöchentlich bis zu 600 von ihnen – angesichts der rund 24.000 Ein­wohn­er Rathenows eine beachtliche Zahl. Die Organ­isatoren des „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ weisen eine Nähe zu Recht­sex­trem­is­ten von sich – eine absurde Behaup­tung, nicht zulet­zt auf­grund ihrer Kon­tak­te zu den mut­maßlichen Ter­ror­is­ten um den NPD-Mann Maik Schnei­der aus Nauen.

Von Oliv­er Saal

Das "Bürgerbündnis Deutschland" mobilisiert bürgerliche Flüchtlingsfeinde und Neonazis gleichermaßen. Wie sind seine Organisatoren einzuschätzen?

Das “Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land” mobil­isiert bürg­er­liche Flüchtlings­feinde und Neon­azis gle­icher­maßen. Wie sind seine Organ­isatoren einzuschätzen?

Wer organisiert das „Bürgerbündnis Havelland“?

Seit Mitte Okto­ber 2015 kur­sierte auf Face­book ein Fly­er, der mit „Bürg­er­bünd­nis Havel­land gegen Asylmiss­brauch“ unter­schrieben war. Ana­log zu „Pegi­da“ wurde darin zu ein­er Kundge­bung auf dem zen­tral gele­ge­nen Märkischen Platz in Rathenow aufgerufen, die sich gegen die „Islamisierung des Abend­lan­des“ wen­den und die „kon­se­quente Abschiebung“ abgelehn­ter Asyl­be­wer­ber fordern wollte. Die Organ­isatoren hat­ten mit ihrem Aufruf schein­bar einen Nerv getrof­fen: Es kamen tat­säch­lich 500 Men­schen zusam­men. In Rathenow gab es somit auf einen Schlag die zahlen­mäßig größte flüchtlings­feindliche Kundge­bung im Land Bran­den­burg. Kein Wun­der, dass sich die Organ­isatoren von dieser Res­o­nanz bestärkt fühlten und for­t­an im Zwei-Wochen-Rhyth­mus Kundge­bun­gen anmeldeten.


Nico Tews und Chris­t­ian Kaiser vom “Bürg­er­bünd­nis Havel­land”. Foto: Press­eser­vice Rathenow

Gegenüber der Öffentlichkeit dis­tanzierten sich die bei­den Organ­isatoren, Nico Tews und Chris­t­ian Kaiser, von jeglich­er recht­sex­tremer Mitwirkung an ihren Demos. Sie behaupteten gegenüber der Märkischen All­ge­meinen Zeitung allen Ern­stes, „die Aus­sage, wir wür­den von der NPD Unter­stützung bekom­men, ist falsch. Wir erhal­ten von dieser Partei keine finanzielle Unter­stützung, Mit­glieder der NPD sind bei uns keine Ord­ner und sie gehören nicht zu den Mitwirk­enden.“ Und über­haupt: „Wir hal­ten uns fern von Rechtsextremisten.“

So deut­lich diese Dis­tanzierung klingt, so falsch ist sie auch und so zweifels­frei lässt sie sich wider­legen. Ganz abge­se­hen davon, dass inhaltlich zwis­chen die NPD und die Ver­anstal­tun­gen des Bünd­niss­es kein Blatt Papi­er passt: Chris­t­ian Kaiser, ein­er der bei­den Organ­isatoren, hat bei Face­book Seit­en der recht­sex­tremen NPD und NPD-naher „Nein zum Heim“-Seiten gelikt und pflegt in dem sozialen Net­zw­erk Fre­und­schaften mit Neon­azis, die SS-Runen und Hak­enkreuze auf ihren Pro­fil­bildern zeigen. Das bele­gen Screen­shots von seinem Pro­fil, die das “Anti­Ra Redak­tion­skomit­tee” (Link zur Broschüre im pdf.-Format) zusam­menge­tra­gen hat. Zahlre­iche Bilder von Foto­jour­nal­is­ten bele­gen außer­dem die Teil­nahme von region­al bekan­nten Neon­azis an den Kundge­bun­gen – nicht zulet­zt auch als Ord­ner. Der von Tews und Kaiser ini­ti­ierte Zusam­men­schluss „Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land“ stellt ein Bünd­nis zwis­chen flüchtlings­feindlichen Grup­pen, offen Recht­sex­tremen und NPD-Vor­fel­dor­gan­i­sa­tio­nen dar. Und: Der mut­maßliche Brand­s­tifter und NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der aus Nauen unter­stützte die Ver­anstal­tun­gen nach­weis­lich und mit dem Wis­sen der Organ­isatoren. Gegen ihn und vier Mit­stre­it­er wird zurzeit wegen des Ver­dacht­es auf Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung ermit­telt – er sitzt in Haft.

Das „Bürgerbündnis Deutschland“ als Netzwerk rechtsextremer Flüchtlingsfeinde

Schon vor dem ersten Auf­marsch des „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ waren die bei­den Organ­isatoren Tews und Kaiser bestrebt, sich mit weit­eren flüchtlings­feindlichen Organ­i­sa­tio­nen zu ver­net­zen. An einem Auf­marsch der ver­gle­ich­baren „Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“ am 26. Okto­ber 2016 in Sten­dal nah­men die bei­den als Ord­ner teil und riefen über die Laut­sprecher­an­lage zur Teil­nahme an ihrer Rathenow­er Ver­samm­lung auf. An dem Auf­marsch beteiligten sich außer­dem der Vor­sitzende des NPD Kreisver­ban­des Alt­mark, Sebas­t­ian Klein, Sten­daler Sympathisant_innen von „Die Rechte“, „Autonome Nation­al­is­ten“ aus Sten­dal und Anhänger_innen der „Iden­titären Bewegung“.

Bei den Rathenow­er Kundge­bun­gen im Herb­st und Win­ter 2015/2016 wur­den immer wieder ein­schlägig bekan­nte Neon­azis als Ord­ner einge­set­zt. Bei der Kundge­bung am 10. Novem­ber 2015, nur eine Woche nach dem ein­gangs erwäh­n­ten Inter­view mit der MAZ, wurde wieder auf bekan­nte und zum Teil wegen Gewalt- und Pro­pa­gan­dade­lik­ten vorbe­strafte Neon­azis zurück­ge­grif­f­en. Auch der Rathenow­er Neon­azi Thomas L. kam als Ord­ner zum Ein­satz. Von ihm existieren Auf­nah­men in Parteik­luft der NPD und er nahm in den ver­gan­genen Jahren an zahlre­ichen Nazi­aufmärschen der Region teil. Von seinen poli­tis­chen Überzeu­gun­gen wie auch seinem musikalis­chen Tal­ent kann sich jed­er, der es aushält, überzeu­gen: L. fir­miert als Lie­der­ma­ch­er unter dem Pseu­do­nym „TO!tonicus“ in den sozialen Net­zw­erken. Auf sein­er Face­book-Fan­seite teilt er auch Artikel, die den Holo­caust als jüdis­che Erfind­ung darstellen. Sein biederes Liedgut über Volk und Heimat durfte der Teu­tone eben­falls auf ein­er Ver­anstal­tung von Kaiser und Tews zum Besten geben: Am 6. März 2016, auf ein­er Kundge­bung des eben­falls von Kaiser und Tews ini­ti­ierten „Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land“ in Rathenow.


Screen­shot: youtube.com

Am 24. Novem­ber 2015 warb Organ­isator und Dauerred­ner Chris­t­ian Kaiser auf ein­er Rathenow­er Kundge­bung für das neurechte Ver­net­zung­spro­jekt „Ein­prozent“. Die neurecht­en Agi­ta­toren um Götz Kubitschek und Jür­gen Elsäss­er ent­blö­den sich nicht, für ihr Pro­jekt als „eine Art Green­peace für Deutsche“ zu wer­ben: Die „Flüchtlingsin­va­sion“ sei eine Katas­tro­phe für Deutsch­land. Es würde jedoch genü­gen, wenn nur ein Prozent der Bevölkerung des Lan­des poli­tisch für das Pro­jekt aktiv wür­den, um einen grundle­gen­den Poli­tik­wan­del einzuleit­en. Auf den Kundge­bun­gen des „Bürg­er­bünd­nis“ fand sich häu­fig ein Trans­par­ent mit dem Auf­druck „einprozent.de“ – genau wie auf dem T‑Shirt, das Kaiser auf seinem Face­book-Pro­fil­fo­to trägt.

Ganz im Sinne der Idee der „Ein­prozenti­gen“ ini­ti­ierte Nico Tews Anfang Dezem­ber die Grün­dung des „Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land“. Es han­delt sich dabei um einen Zusam­men­schluss, mit­tels dem Tews sein „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ mit anderen flüchtlings­feindlichen Grup­pen aus Bran­den­burg und Sach­sen-Anhalt ver­net­zt. Der über­wiegende Teil dieser „Bürg­er­be­we­gun­gen“ und „-bünd­nisse“ lässt sich ein­deutig dem recht­sex­tremen Milieu zuord­nen. Der Rathenow­er Strip­pen­zieher Nico Tews ist laut denic.de-Abfrage Inhab­er der Inter­net-Domain des neuen Bündnisses.

Die weit­eren Beteiligten:

  • Bürg­er­be­we­gung Alt­mark“: Ein Organisator_innenkreis aus dem Land­kreis Sten­dal um Mar­tin K., der zuerst bei MAGIDA in Magde­burg aktiv gewe­sen ist.
  • Abendspazier­gang Oranien­burg“: Ein Pro­jekt des NPD-Kreisver­ban­des Ober­hav­el und sein­er Kam­pagne „Nein zum Heim in Oranienburg“
  • PEGIDA Havel­land“: Die Gruppe führt eigene Ver­samm­lun­gen in Schön­walde-Glien durch, die sich eben­falls gegen eine in Pla­nung befind­liche Flüchtling­sun­terkun­ft richten.
  • Asyl­hütte in Ket­zin? Kannste knick­en 2.0): Die führen­den Köpfe dieser Gruppe gehören zu der Neon­azi­gruppe „Freie Kräfte Neuruppin“
  • Gen­thin wach auf (Bürg­er­be­we­gung Gen­thin): Die Gruppe ist eng an die Neon­azi-Klein­partei „Der III.Weg“ gekoppelt
  • Werder wach auf“: Bish­er nur im Inter­net aktiv, keine Erken­nt­nisse über ihre Initiatoren
  • Burg gegen Asylmiss­brauch“: Hier ziehen Aktive der Neon­azi-Klein­partei „Die Rechte“ die Fäden

Eine Doku­men­ta­tion der von den jew­eili­gen Einzel­grup­pen durchge­führten Aktio­nen und ihrer Verbindun­gen ins offen recht­sex­treme Lager find­et sich bei dem antifaschis­tis­chen News­portal für Bran­den­burg Infori­ot.

Eine Demon­stra­tion am 17. Jan­u­ar 2016 im sach­sen-anhal­tinis­chen Gen­thin unter­stre­icht den recht­sex­tremen Charak­ter des „Bürg­er­bünd­niss­es“: Aufgerufen hat­te dazu die „Bürg­er­be­we­gung Gen­thin“, die im Inter­net unter dem Label „Gen­thin wach auf“ fir­miert. Die Gruppe ist Teil des „Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land“ und eng mit der offen neon­azis­tis­chen Partei „Der III. Weg“ ver­woben. Die Ver­anstal­tun­gen wur­den von Schildern, Fah­nen, Trans­par­enten und Jack­en dominiert, die alle mit dem Logo von „Der III. Weg“ verse­hen waren. Natür­lich beteiligte sich auch Nico Tews an dem Nazi­auf­marsch – wurde er doch von ein­er Gruppe aus seinem Bünd­nis organisiert.


Tews vom Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land, der Barde Thomas L. alias „TO!tonicus“ mit Matthias F. von „Der III.Weg“, v.r.n.l. Foto: Press­eser­vice Rathenow

Verbindungen zwischen den Nauenern und dem Bürgerbündnis Deutschland

An der Mobil­isierung zu den Kundge­bun­gen des „Bürg­er­bünd­nis“ beteiligten sich auch die Neon­azis des lokalen NPD-Ablegers aus Nauen. So hat­te der NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der im Vor­feld der Kundge­bung vom 4. Novem­ber 2015 auf Face­book verkün­det, „wieder die Rathenow­er unter­stützen“ zu wollen. Er gilt als Schlüs­selfig­ur der recht­sex­tremen Szene im Havel­land: Für die NPD sitzt er in der Nauen­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung und im Kreistag, er gilt als ein­er der führen­den Köpfe der „Freien Kräfte Neu­rup­pin / Osthavel­land“. In der Ver­gan­gen­heit war der gel­ernte Erzieher nicht bloß für die Freie Kam­er­ad­schaftsszene und Parteinazis aktiv, son­dern auch im Umfeld des „Kampf­bund Deutsch­er Sozial­is­ten“ (KDS) und des mit­tler­weile ver­bote­nen Vere­ins „Heimat­treue Deutsche Jugend“ (HDJ).
Schnei­der sitzt derzeit in Unter­suchung­shaft, weil er als Rädels­führer ein­er Gruppe gilt, die in der zweit­en Jahreshälfte 2015 mehrere Anschläge verübt hat, darunter ein Bran­dan­schlag auf das Auto eines pol­nis­chen Bürg­ers, ein weit­er­er auf eine Turn­halle, die als Flüchtling­sun­terkun­ft genutzt wer­den sollte sowie mehrere Angriffe auf DIE LINKE-Parteibüros. Gegen ihn, vier mut­maßliche Mit­täter und Gle­ich­gesin­nte wird derzeit wegen der Bil­dung ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung ermit­telt.
Schnei­der tat auf sein­er — bis heute öffentlich ein­se­hbaren – pri­vat­en Face­book-Präsenz am 2. Novem­ber 2015 hin­sichtlich der Demos in Rathenow die Hoff­nung kund, „dass es dieses Mal mehr Bürg­er wer­den die gegen dieses asoziale Sys­tem demon­stri­eren“. Um seinen Teil zu einem Erfolg beizu­tra­gen, habe er mit Unter­stützern „hun­dert von Briefkästen in Nauen mit Info­ma­te­r­i­al“ bestückt (Fehler im Orig­i­nal“). In diesem Zusam­men­hang inter­es­sant: Nico Tews vom „Bürg­er­bünd­nis“ hat­te in einem Inter­view mit der MAZ die Verteilung der Fly­er an Unter­stützer zur Chef­sache erk­lärt und gesagt, er habe „die Kon­tak­t­dat­en aller Per­so­n­en, die Fly­er beka­men“. Den Foto­be­weis für Verteilak­tion und Demoteil­nahme liefert Schnei­der aber auch selb­st (siehe unten): Die mit dem Beitrag auf Face­book geposteten Bilder zeigen erstens Briefkästen, die mit den Fly­ern des Bürg­er­bünd­nis bestückt wur­den sowie zweit­ens Schnei­der mit seinen „Kam­er­aden“ in Rathenow bei der Kundge­bung des „Bürg­er­bünd­nis“ in der Vor­woche – sie hal­ten ein gelbes Trans­par­ent mit der Auf­schrift „Wir sagen Nein zum Asy­lanten­heim. Wir sind das Volk“. Schnei­ders Teil­nahme lässt sich auch durch weit­ere Bilder des Press­eser­vice Rathenow bele­gen. Del­e­ga­tio­nen der NPD Nauen, darunter Schnei­der, nah­men regelmäßig mit Fah­nen und Trans­par­enten an den Kundge­bun­gen Teil.


Dieser und die fol­gen­den Screen­shots: facebook.com

Auch am 26. Novem­ber postete Schnei­der ein Foto von sich und anderen Kundge­bung­steil­nehmern in Rathenow und kom­men­tierte: „Ein Teil der Nauen­er Bande war am Dien­stag wieder in Rathenow…“.

Quo vadis, „Bürgerbündnis“?

Auch im neuen Jahr fan­den regelmäßig Aufmärsche des Bünd­niss­es in Rathenow statt. Das Inter­esse an den Ver­anstal­tun­gen von Tews und Kaiser nahm jedoch spür­bar ab: Bei den let­zten bei­den Kundge­bun­gen mit anschließen­der Demon­stra­tion am 4. und 12. April nah­men nur noch 50 bzw. 90 Per­so­n­en teil. Auch eine von den Ver­anstal­tern für den 5. März 2016 großspurig als neues „Ham­bach­er Fest“ mit „800 plus X“ Teil­nehmern angekündigte Demon­stra­tio­nen floppte – es kamen 400–500 Teil­nehmern. Während­dessen machte sich das Bürg­er­bünd­nis Deutsch­land mit der auf Face­book geteil­ten Ein­schätzung, der IS sei in Rathenow angekom­men und würde Teil­nehmer sein­er Aufmärsche bedro­hen, zum Gespött des Inter­nets. Dem Selb­st­be­wusst­sein der Bürg­er­bünd­nis-Führer scheint das keinen Abbruch zu tun: Chris­t­ian Kaiser verkün­dete, er werde bei der näch­sten Ober­bürg­er­meis­ter­wahl in Rathenow kan­di­dieren.

Ein zweiter Teil zu diesem Text wird sich mit den lokalen Aktivist_innen beschäftigen, die sich den Neonazis und Flüchtingsfeind_innen mit demokratischer Kultur vor Ort in den Weg stellen.

Inforiot