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Antifaschismus Law & Order Wohnen & Stadt

Wir kämpfen weiter

Mit unser­er heuti­gen Beset­zungsak­tion möcht­en wir auf einige Häuser aufmerk­sam machen, die entwed­er ihrem Ver­fall preis­gegeben wer­den oder die wieder ein­mal nicht nach Konzept son­dern nach Höch­st­ge­bot verkauft werden. 

Pri­vate Investor*innen wie Sem­mel­haack, Kirsch, Jauch, Joop und Plat­tner dominieren seit Jahren das Geschäft auf dem Pots­damer Immo­bilien­markt und sind somit Haup­tak­teure der Gen­tri­fizierung, der Verän­derung des Stadt­bildes. Sie rauben so den inner­städtis­chen Bere­ichen ihre Diver­sität. Sie bauen sich die Stadt nach ihren Vorstel­lun­gen, in welchen für die meis­ten Men­schen kein Platz mehr vorge­se­hen ist, da ihnen der „bezahlbare“ Wohn­raum weggenom­men wird. Sys­tem­a­tisch kaufen diese Investor*innen seit mehr als zwanzig Jahren den Woh­nungs­be­stand an Alt­baut­en aus dem öffentlichen und damit allen gehören­den Eigen­tum auf, sanieren diesen teuer worauf dieser Wohn­raum dann zu Preisen weit­er ver­mi­etet wird, den sich die meis­ten Men­schen, auch die welche bere­its vor der Pri­vatisierung dort lebten, nicht mehr leis­ten kön­nen oder leis­ten wollen.

In Berlin wird auf­grund dieser auch dort stat­tfind­en­den exis­tenzbedro­hen­den Entwick­lun­gen für viele „nor­male“ Men­schen bere­its disku­tiert, ob nicht eines der größten Immo­bil­lienun­ternehmen der Stadt, die Deutsche Wohnen¹, enteignet wer­den müßte. Während an das gle­iche Unternehmen von der Stadt Pots­dam die neue Wohn­sied­lung in Kramp­nitz für um die 10000 Men­schen zur geschäft­strächti­gen Entwick­lung vergeben wurde. Auch für dieses neue Wohn­quarti­er gibt es keine Mieto­ber­gren­ze, die Deutsche Wohnen möchte sich (Achtung Kon­junk­tiv!) an 8,50€ Kalt­mi­ete lediglich ori­en­tieren. Pots­dams Finanzdez­er­nent Exn­er (SPD)erläuterte damals im MAZ-Inter­view²: „Wir haben Ziel­größen miteinan­der vere­in­bart. Die Deutsche Wohnen hat selb­st ein Inter­esse, diese Mieten – durch­schnit­tlich 8,50€ net­to kalt pro Quadrat­meter — zu erreichen.“

Die Deutsche Wohnen besitzt derzeit rund 111.500 Woh­nun­gen und ver­fol­gt mit diesem riesi­gen Immo­bilienbe­stand gewin­nori­en­tierte kap­i­tal­is­tis­che Geschäft­spoli­tik. Das Einzige was die Parteipolitiker*innen derzeit mit der DW und den anderen Immo­bil­lien-Geschäft betreiben­den Investor*innen besprechen und vere­in­baren sind die kleinen und großen Vorteile, die bei solchen Entschei­dun­gen für bei­de Vertragspartner*innen her­aus sprin­gen. Doch es geht uns hier momen­tan weniger um die DW son­dern um die Pro Pots­dam, deren Geschäfts­ge­baren für den Pots­damer Immo­bil­lien­markt seit Jahren viel prob­lema­tis­ch­er ist. Eigentlich soll dieses städtis­che Immo­bil­lien-Unternehmen durch die Stadtverord­neten kon­trol­liert wer­den, jedoch stellt sich immer wieder her­aus, dass die gewählten Volksvertreter*innen von den Machen­schaften der Pro Pots­dam kaum oder keine Ken­nt­nis haben und offen­sichtlich auch kein Inter­esse haben dies gemäß ihrem selb­st pos­tulierten Wähler*innen-Auftrag zu ändern. Denn obwohl vor langer Zeit durch die StVV ein Vor­rang bei der Veräußerung von städtis­chem Immo­bilienbe­sitz nach Konzept und nicht immer nach Höch­st­ge­bot beschlossen wurde, ist dieser Beschluss in der Prax­is das Papi­er nicht wert auf dem er ste­ht. Allein in den ver­gan­genen 12 Monat­en haben sich mehrere Gemein­schaften um den Erwerb von städtis­chen Immo­bilien mittels
gemein­schaftlichem Wohnkonzept bewor­ben. Bei keinem der drei Begehren (Pro­jekt Goethes­traße, Pro­jekt Pots­damer Straße in Born­im) ist daraus etwas gewor­den. Zugle­ich aber kann Jauch ein Dreivier­tel der Sporn­straße (fünf Miet­shäuser in einem Paket) aus städtis­chem Besitz erwer­ben, diese ent­mi­eten und gewinnbrin­gend gentrifizieren.

Es gab und gibt zahlre­iche Pro­jek­te in Pots­dam, die auf der Suche nach Häusern sind um dort vom Gewinnstreben durch Miete abseits liegende Frei- und Wohn­räume zu schaf­fen, welche die Stadt und die Men­schen drin­gend brauchen. Men­schen die bere­its viel Engage­ment in die Suche nach Häusern gesteckt haben. Men­schen die bere­it sind mit ihrer eige­nen Hände Arbeit Häuser wieder bewohn­bar zu machen, zu Kosten die eben nicht explodierende Miet­steigerun­gen nach sich ziehen um bezahlbaren Wohn­raum zu schaf­fen. Eine gesellschaftliche Aktiv­ität und Ein­flussnahme, die eigentlich zu den Auf­gaben der Politiker*innen zählen sollte. Stets wer­den von diesen große Reden
geschwun­gen und ver­sprochen, Objek­te eben nicht mehr nach Höch­st­ge­bot, son­dern nach Konzept zu vergeben. Doch fol­gen diesen Lip­pen­beken­nt­nis­sen keine Tat­en. Unsere Wahl der Objek­te zu dieser direk­ten poli­tis­chen Aktion soll auch auf die zulet­zt gescheit­erten Ver­suche und damit das Scheit­ern der Stadt­poli­tik in den Fokus rücken.

Pots­dam hat eine hohe Leben­squal­ität, solange du dir finanziell die stetig steigen­den Mieten leis­ten kannst. Auf die Frage was dem Men­schen wichtig ist um die Stadt als lebenswert zu empfind­en schei­den sich die Geis­ter anhand der Zuge­hörigkeit zu sozialen Grup­pen. Die Bour­geoisen sind ver­rückt nach rosa Plas­te­fas­sade zum anglotzen und stetig schööön bläken, während den darunter liegen­den sozialen Schicht­en das gemein­schaftliche / öffentliche Eigen­tum ent­zo­gen wird, so geschehen beim Kampf um die Fach­hochschule vor zwei Jahren. Es waren tausende Bewohner*innen der Stadt die ihren Protest dage­gen auf Unter­schriften­lis­ten zum Aus­druck bracht­en, von denen viele auch aktiv an den ver­schiede­nen Protes­tak­tio­nen teil­nah­men. Genutzt hat es nichts. Die beste­hen­den bürg­er­lichen Macht­po­si­tio­nen wur­den und wer­den durchge­set­zt, auch gegen eine sich wehrende Stadt­ge­sellschaft. Poli­tis­che und basis­demokratis­che Par­tizipa­tion sind hier partout aus­geschlossen. Die Gräben zwis­chen lokaler Parteipoli­tik und der Ablehnung der Mitbes­tim­mung durch bre­ite Teile der Stadt­ge­sellschaft wur­den hier ein­mal mehr als deut­lich und das, bis hin zum Gebaren, von zumin­d­est Teilen der Linken Partei im Pots­damer Stadt­par­la­ment. Die Ent­mündi­gung von großen Teilen der Stadt­bevölkerung erin­nert dabei lei­der an DDR Zeit­en. Auch hier wur­den die Abrisse trotz und wider ein­er sich regen­den Stadt­ge­sellschaft durchge­zo­gen. War es damals jedoch fast unmöglich seinen Unmut zum Aus­druck zu brin­gen ist es uns heute erlaubt. Und wir wer­den dafür noch gehätschelt mit Aus­sagen wie: ‘Euer Engage­ment stärkt unsere Demokratie’. Eine wirk­liche Ein­flussnahme ist insti­tu­tionell, heute wie damals, jedoch
aus­geschlossen. Gesellschaftliche Mehrheit­en eben­so wie gute Konzepte wer­den strikt abgelehnt. Allein der poli­tis­che Mach­tanspruch wird durchge­set­zt. Das ist keine demokratis­che Stadt­poli­tik, obwohl aus der Geschichte gel­ernt hätte wer­den kön­nen um solche Fehler nicht zu wieder­holen, wurde und wird nicht in den Dia­log getreten und Vorschläge aus der engagierten Stadt­ge­sellschaft nicht in Erwä­gung gezo­gen. Und der­lei Ansätze gab es viele : Stadt­mitte für alle, Proteste gegen die Gar­nisonkirche, FH Beset­zung, Mieten­stopp Demos, Bürg­er­begehren etc. Stattdessen wer­den die Engagierten krim­i­nal­isiert, sei es durch über­zo­gene Polizeipräsenz bei den verschiedenen
Protes­tak­tio­nen oder durch Prozesse gegen die FH-Besetzer*innen. Demon­stri­erende wer­den von der Polizei tätig ange­grif­f­en und später vor Gericht gez­er­rt. Es ste­hen unbe­waffnete, ungeschützte Men­schen hochgerüsteten Polizist*innen in voller Kampf­mon­tur gegenüber. Diese sollen mit dem neuen Polizeige­setz nun noch mit weit­eren Recht­en und Waf­fen aus­ges­tat­tet wer­den. Es braucht wahrhaftig keine AfD um den Polizeis­taat weit­er auszubauen.

Den­noch machen wir weit­er, denn Beset­zun­gen sind und waren ein pro­bates Mit­tel um sich Räume zu erkämpfen und auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Denn eine Mitbes­tim­mung und Par­tizipa­tion der Stadt­ge­sellschaft bei wesentlichen Fra­gen der Stadt­gestal­tung und Wohn­rau­men­twick­lung sind bis heute Utopie. Wenn jedoch so etwas wie eine erfol­gre­iche Ein­flussnahme auf derzeit bren­nende Fra­gen der Stadt­gestal­tung geschieht, wie jet­zt etwa beim Erhalt des Min­sk, ist es mehr als per­fide, dass es erst dem Gön­ner­tum eines Mil­liardärs bedarf, um das umkämpfte Gebäude zu erhal­ten. Die Macht­losigkeit des Kampfes der Mit­tel­losen wird kon­terkari­ert dadurch, dass sich der Mil­liardär mit­tels sein­er unendlichen mon­etären Mit­tel ein weit­eres Denkmal in die Stadt set­zen kann. Und das als Folge bre­it­en gesellschaftlichen Engage­ments und Protestes, dessen Teil dieser nie war. Und nun sollen wir wieder klatschen und dankbar sein. Unsere Absicht­en sind jedoch ganz andere: Erhalt und Nutzung des Gesellschaftlichen Eigen­tums durch die Stadt­ge­sellschaft und nicht Pri­vatisierung und Zurschaustel­lung des per­sön­lichen Reich­tums. Wobei wir wieder bei Anglotzen und schön sagen sind, wenn es um die zukün­ftige Besich­ti­gung der Plat­tner DDR Kun­stschätze geht. Die Wider­sprüche wie auch die Absur­dität der kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft treten hier unverkennbar zutage und rufen nach ihrer Auflö­sung. Die linke Szene in dieser Stadt sorgt für ein vielfältiges soziokul­turelles Miteinan­der und diverses
Leben in der Stadt. Längst nicht Allen reichen Spaziergänge in der Park­land­schaft und ein monatlich­er Besuch des Bar­beri­ni um wieder nur zu glotzen und schööön zu sagen.

In vie­len Städten Europas gibt es Entwick­lun­gen, welche Haus­pro­jek­te und alter­na­tive Kul­tur­ob­jek­te bedro­hen. Der Druck auf dem Immo­bilien­markt scheint in Pots­dam so krass wie nir­gends in Deutsch­land. Rückt ab von eurem kap­i­tal­is­tis­chen Denken zur geschäft­strächti­gen Ver­w­er­tung jeglichen Wohn­raums, sowie der weit­eren Übereig­nung des städtis­chen und damit der Stadt­ge­sellschaft gehören­den Wohneigen­tums. Eure Auf­gabe ist es, dieses im und zum Wohle der Stadt­bevölkerung zu ver­wal­ten und es nicht immer wieder den Investor*innen zu übereignen. Die oben genan­nten Pots­damer Investor*innen sind doch Fürsten von heute, deren Reich­tum an Immo­bilienbe­sitz und ihrem Agieren als Gen­tri­fizier­er para­dox­er­weise auf der seit über 25 Jahren andauern­den Übereig­nung des ehe­mals öffentlichen uns allen gehören­den Eigen­tums basiert.

Wir wollen hier wieder leben kön­nen, ohne den steten Druck auf Miete und Wohnung!
Potsdamer*innen, kämpft für euren Willen und eure Rechte, sol­i­darisiert euch!
Kein Geschäft mit der Miete, wohnen ist Existenzrecht!
Für kul­turelle Freiräume und eine sol­i­darische Gesellschaft!
Stopp der Bour­geoisie und ihrem kap­i­tal­is­tis­chen Verwertungsdenken!

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Antifaschismus Law & Order

Der AfD die Suppe versalzen”

Am 17.05.2019 fand in Pots­dam die Fahrrad-Demo “Crit­i­cal Der­by Mass — den Nazis die Suppe ver­salzen!” statt. Die Route führte 150 bereifte Antifaschist*innen zu ver­schiede­nen Lokalen der Stadt, in denen sich die Pots­damer AfD und ihre Jugen­dor­gan­i­sa­tion JA zu Stammtis­chen und Vor­tragsver­anstal­tun­gen tre­f­fen. Im Rah­men dieser Ver­anstal­tun­gen stim­men die AfD und JA-Mit­glieder nicht nur intern ihren nation­al­is­tis­chen, ras­sis­tis­chen und immer wieder wahn­haften poli­tis­chen Kurs ab, son­dern ver­suchen weit­ere Bürger*innen hier­für zu gewin­nen. In mehreren Rede­beiträ­gen wur­den die Verbindun­gen der jew­eilen Gas­tronomen zu dem AfD- und JA-Kreisver­band aufgezeigt.

Im Café Hei­der hat­te sich mer­hfach unter dem Deck­man­tel der Bürg­erini­tia­tive “genugGezahlt” die AfD eingemietet um über die GEZ-Gebühren und die “Sys­temme­di­en” samt ihrer “Lügen­presse” zu lamentieren. 

Im Augustin­er (Mit­tel­straße) trifft sich regelmäßig der Kreisver­band der AfD zu Stammtis­chen und bespricht dabei so aufreißerische The­men wie: “Islam was sie wirk­lich wis­sen soll­ten”. Außer­dem fan­den dort, ver­mut­lich aus Man­gel an eige­nen Räum­lichkeit­en die groß genug sind, die Wahlen der Direk­tkanidadten für die Land­tagswahl statt. Dieser Raum ist also als struk­turell sehr wertvoll für die Arbeits­fähigkeit der Pots­damer AfD anzuse­hen. An der Bottega118 gab es den näch­sten Halt der Fahrrad­de­mo, diese liegt in der Berlin­er Straße. Der Besitzer ist über Social-Media gut an die AfD angeschlossen und so ver­wun­dert es nicht, dass sich Gauland dort bei seinen poli­tis­chen Inter­views wohlfühlt. Nach einem Zwis­chen­stopp am Sta­dion des Vere­ins Babels­berg 03 ging es dann weit­er zum Steakhaus Mirabel (Bre­itscheid Straße) hier trifft sich regelmäßig die JA. Die Jung-Rassist*innen lauschen dort u.a. anti­wis­senschaftlichen Gute-Nacht-Geschicht­en über den Kli­mawan­del, dessen Exis­tenz sie selb­stver­ständlich leug­nen. Dass sie demokratisch nur solange sind, wie das Punk­te bringt, zeigen auch Vorträge von Erik Lehn­ert vom “Insti­tut für Staat­spoli­tik”, des recht­sradikalen Think-Tanks um Götz Kubitschek.

Danach ging die Crit­i­cal­Mass weit­er in die Ste­in­straße, wo ein Rollerder­by-Scrim­mage der Pruss­ian Fat Cats den Auf­takt für den sportlichen Teil des “Ball ist Bunt”-Stadionfestes machte. 

Die Ini­tia­tive “Kein Raum der AfD” war in Berlin bish­er sehr erfol­gre­ich. Daran wollen wir anknüpfen! Wir wer­den uns dafür stark machen, dass Pots­dam weit­er­hin ein ungemütlich­es Pflaster für die Rassist*innen und Sexist*innen der AfD bleibt. Die Pots­damer AfD und ihre Jugen­dor­gan­i­sa­tion JA zeigen mit ihrer völ­lig inhalt­slosen und
sen­sa­tions lüster­nen Klage über unsere ange­blichen Gewal­taufrufe ein­mal mehr, dass sie poli­tisch außer völkischen Wah­nideen nicht viel auf dem Kas­ten haben. Dazu sagt Cedric Cham­bers von der EAP: “Die AfD fühlt sich in Pots­dam zu Recht beobachtet und ver­achtet, wir wer­den auch weit­er­hin zu ver­hin­dern wis­sen, dass sich diese Anzug-Rassist*innen in Pots­dam festsetzen!”

Nach Abschluss der Fahrrad-Demo kam es überdies zu vier Scheinbe­set­zun­gen, sowie ein­er Kurzzeitbe­set­zung in der Char­lot­ten­straße 12, um auf die skan­dalösen Zustände des Pots­damer Woh­nungs­mark­tes aufmerk­sam zu machen und ein Zeichen dafür zu set­zen, dass bezahlbar­er Wohn­raum in der Stadt Man­gel­ware ist. Die Räu­mung des Haus­es “Zwöl­fi”
ver­lief ohne Festnahmen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order Parlamentarismus

Appell an Ministerpräsident Dietmar Woidke

Derzeit liegen min­destens 10 Geset­zge­bungsen­twürfe des Bun­des im Bere­ich des Asyl- und Aufen­thalt­srechts vor, die par­al­lel und in extrem großer Eile ver­han­delt und ver­ab­schiedet wer­den sollen. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg ist in großer Sorge, dass sich die Kul­tur im rechtlichen und admin­is­tra­tiv­en Umgang mit Schutz, Bleiberecht und Inte­gra­tion suchen­den Men­schen sowohl für die Betrof­fe­nen wie auch für die Ein­wan­derungs­ge­sellschaft nach­haltig ver­schlechtern wird.

Der Bun­desrat wird sich am 17. Mai mit min­destens zwei inte­gra­tionspoli­tisch beson­ders destruk­tiv­en der besagten Geset­zen­twürfe befassen: dem Haft­gründe eskalieren­den und Betrof­fene qua­si aufen­thalt­srecht­s­los stel­len­den „Geord­nete Rück­kehr Gesetz“ und dem einen gesicherten Aufen­thalt für Geduldete sys­tem­a­tisch unterlaufenden
„Beschäf­ti­gungs- und Ausbildungsduldungsgesetz“.

Der Flüchtlingsrat hat am 14. Mai eine aus­führliche Stel­lung­nahme vorgelegt undmah­nt die Lan­desregierung, poli­tisch alles in ihrer Macht Ste­hende dafür zu tun, die men­schen­rechtswidri­gen und migra­tionspoli­tisch unsin­ni­gen Restrik­tio­nen zu stop­pen. Anlässlich der Innen­min­is­terkon­ferenz im Juni 2019 wurde das Schreiben auch an
Innen­min­is­ter Karl-Heinz Schröter gerichtet.

Mit sein­er Stel­lung­nahme möchte der Flüchtlingsrat die abse­hbaren Kon­se­quen­zen für die Betrof­fe­nen sowie die destruk­tiv­en Wech­sel­wirkun­gen der Geset­ze­s­pläne auch für die Bran­den­burg­er Flüchtlings- und Inte­gra­tionspoli­tik deut­lich machen. In der Iden­ti­fizierung der Prob­lem­la­gen und in der Bew­er­tung der abse­hbaren Fol­gen der o.g.
Geset­zen­twürfe stimmt der Flüchtlingsrat voll­ständig mit dem Forum Men­schen­rechte übere­in und bezieht sich dabei auf dessen Papi­er „Sank­tio­nen und Haft“ vom 30. April 2019.

Der Flüchtlingsrat sieht zahlre­iche gute Gründe für die Bran­den­burg­er Lan­desregierung, dem Bun­des­ge­set­zge­ber bei seinem offen­baren Ziel, die Lebensla­gen und die Inte­gra­tions­be­din­gun­gen von Geflüchteten in den Län­dern nach­haltig zu ver­schlechtern, in den Arm zu fallen.

*Pressekon­takt: Ivana Domazet, Tel. 0176 314 83 547*

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Antifaschismus jüdisches Leben & Antisemitismus

Fachstelle Antisemitismus gegründet

Zum 1. Mai 2019 wurde am Moses Mendelssohn Zen­trum für europäisch-jüdis­che Stu­di­en (MMZ) in Pots­dam die Fach­stelle Anti­semitismus gegrün­det. Mit dem Auf­bau und der Leitung der Fach­stelle wurde Peter Schüler aus Pots­dam beauftragt.Schüler ist Diplom­physik­er und Recht­san­walt und seit den frühen 1990er Jahren für Bünd­nis 90/Die Grü­nen lan­des- und kom­mu­nalpoli­tisch aktiv. Er gehörte zu den Ini­tia­toren des Pro­jek­tes ein­er neuen Syn­a­goge für die Stadt Pots­dam und engagiert sich u.a. als Anwalt für eth­no-kul­turelle und religiöse Minderheiten.

Die Fach­stelle Anti­semitismus wird in enger Zusam­me­nar­beit mit der Emil Julius Gum­bel Forschungsstelle Anti­semitismus und Recht­sex­trem­is­mus (EJGF) den Blick auf die Betrof­fe­nen­per­spek­tive richt­en und ihre Diskri­m­inierungser­fahrun­gen sicht­bar machen, sowie Rat­suchende aus der Zivilge­sellschaft, Poli­tik und Ver­wal­tung fach­lich beraten.

Zudem wird die Fach­stelle ein umfassendes Mon­i­tor­ing von anti­semi­tis­chen Vor­fällen nach den Qual­ität­skri­te­rien der vom MMZ wis­senschaftlich begleit­eten Recherche und Infor­ma­tion­sstelle Anti­semitismus – bun­desweite Koor­di­na­tion (RIASBK) vornehmen.

Anti­semitismus ist auch in Bran­den­burg ein gesellschaftlich­es Quer­schnittsprob­lem“, sagte Prof. Julius H. Schoeps, Direk­tor des MMZ. „Es geht uns darum, Erfahrun­gen von Betrof­fe­nen in allen For­men und Facetten sicht­bar zu machen – und die Aus­bre­itung von Anti­semitismus zu verhindern.“

Die Fach­stelle der Forderung des Anti­semitismus­beauf­tagten der Bun­desregierung, Dr. Felix Klein, nach einem bun­de­sein­heitlichen Sys­tem zur Mel­dung anti­semi­tis­ch­er Vor­fälle unter­halb der Straf­barkeits­gren­ze in Bran­den­burg umset­zen. Sie wird eng mit dem Beratungsnet­zw­erk Tol­er­antes Bran­den­burg und der Fach­stelle Islam zusam­me­nar­beit­en. Prof. Schoeps sieht darin einen Beitrag der Wis­senschaft, gesellschaft­spoli­tisch Ver­ant­wor­tung zu übernehmen. „Die Fach­stelle Anti­semitismus am MMZ einzuricht­en, entspricht unserem zivilge­sellschaftlichen Mandat.“

Die Fach­stelle strebt eine enge Koop­er­a­tion mit den Jüdis­chen Gemein­den und Ein­rich­tun­gen an. Außer­dem beab­sichtigt sie die Koop­er­a­tion und Ver­net­zung aller Akteure im Phänomen­bere­ich Anti­semitismus, den Aus­bau eines umfassenden Meldenet­zw­erkes von jüdis­chen und nicht-jüdis­chen Organ­i­sa­tio­nen und die Begleitung und Anre­gung inter­re­ligiös­er Prozesse im Land Brandenburg.

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Arbeit & Soziales Gender & Sexualität Law & Order

Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt!”

+++ Deut­lich­es Zeichen für Selb­st­bes­tim­mung und gegen Unterdrückung +++
-+++ Umbe­nen­nung in Clara Zetkin-Platz +++
+++ Gemein­samkeit­en her­vorheben, Ver­net­zung stärken +++

Am Nach­mit­tag des 08. März dem inter­na­tionalen Frauen*kampftag fol­gten unge­fähr 80 bis 100 Men­schen dem Aufruf eines bre­it­en Bünd­niss­es zu ein­er Kundge­bung im Cot­tbuser Innen­stadt­bere­ich. Ana­log zu einem bun­desweit­en Aktion­stag sol­i­darisierten sich die Teil­nehmenden mit dem Frauen*streik. Dazu Lotte Dobrint vom Cot­tbuser Bünd­nis: „Der Frauen*streik ist ein wichtiger, wenn auch sym­bol­is­ch­er Akt, um auf die Ungle­ich­be­hand­lung von Frauen* aufmerk­sam zu machen. Wir wollen zeigen, wie viel Arbeit von Frauen* geleis­tet wird und wie wenig Anerken­nung dafür gegeben wird.“ 

Der Platz am Stadt­brun­nen wurde sym­bol­isch in Clara-Zetkin-Platz umbe­nan­nt. „Wir sehen Clara Zetkin als starke Frau und eng mit der Tra­di­tion des Frauen*kampftags ver­bun­den, sodass wir diese Umbe­nen­nung für eine kreative und passende Aktion hal­ten, um zu zeigen, dass die Kämpfe von vor über 100 Jahren an Aktu­al­ität nichts ver­loren haben.“, so Lotte Dobrint weiter. 

In den dargestell­ten Rede­beiträ­gen ist die Sit­u­a­tion der Frau* aus der Per­spek­tive von jun­gen Frauen* und auch von migrantis­chen Frauen* in den Fokus gerückt wor­den, aber auch der Zusam­men­hang zwis­chen Kap­i­tal­is­mus und Patri­ar­chat wurde dargestellt und die Notwendigkeit von Frauen*räumen betont. Dazu Lotte Dobrint abschließend: „Die Kundge­bung zeigte ein­mal mehr, wie vielschichtig unsere The­men sind und wie notwendig unser Zusam­men­schluss als Frauen* ist. Wir kön­nen nur gemein­sam voran kom­men und die Kundge­bung war eine super Möglichkeit für uns, uns auszu­tauschen, Gemein­samkeit­en zu beto­nen und unsere Ver­net­zung zu intensivieren.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Gender & Sexualität Law & Order

Gleich, gleich aber unterschiedlich. — Sind wir Feministinnen?”

Zu unser­er Demon­stra­tion am 08.03.2019 laden wir sie nach Pots­dam ein. Der Tre­ff­punkt ist um 12 Uhr am Hbf Pots­dam, Aus­gang Babels­berg­er­str. – von dort laufen wir über den Alten Markt bis zum Bran­den­burg­er Tor

Wir von Women in Exile haben entsch­ieden uns heute am 8. März 2019 anlässlich des Inter­na­tionalen Frauen*Kampf-Tag, Mil­lio­nen von Frauen* anzuschließen und zusam­men zu streiken und zu feiern — alle auf die gle­iche Weise, gle­ich aber doch unter­schiedlich. Das gesamte Pro­gramm ent­nehmen Sie unseren Flyer

Es gibt viele Gründe für all die ver­schiede­nen Aktio­nen, die heute auf der ganzen Welt real­isiert wer­den – ein­er der wesentlich­sten ist, dass Frauen­rechte Men­schen­rechte sind.

Die meis­ten von uns kämpfen schon ihr Leben lang auf­grund unser­er patri­ar­chalen kul­turellen und religiösen Hin­ter­gründe. Wir arbeit­eten dop­pelt so hart wie unsere männlichen Geschwis­ter doch unsere Bemühun­gen wur­den immer noch nicht als gut genug ange­se­hen. Gle­ichzeit­ig mussten wir Dinge wie FGM, sex­uelle Beläs­ti­gung und bergriffe, sowie Gewalt von unseren Fam­i­lien oder Ehemän­nern aushal­ten. Wir kämpften ver­schiedene soziale und poli­tis­che Kämpfe um unsere Würde als Frauen aufrecht zu erhalten.Wir waren nicht froh oder zufrieden über das wenige was wir hat­ten, deshalb haben wir uns entsch­ieden für unsere Rechte zu kämpfen.

Diese Kämpfe und Anstren­gun­gen in unseren Herkun­ft­slän­dern hat­ten Fol­gen, die uns dazu bracht­en das Land zu ver­lassen und eine gefährliche Reise anzutreten. Als Frauen* und Flüchtlinge sind wir in ein­er beson­ders sen­si­blen Sit­u­a­tion wenn wir migri­eren. Oft wer­den wir Opfer von Han­del, Pros­ti­tu­tion, sex­ueller Gewalt und hier in Deutsch­land sind wir dop­pelt Opfer von Diskri­m­inierung: als Asyl­suchende wer­den wir durch ras­sis­tis­che Asyl-Geset­ze aus­ge­gren­zt und eben­so als Frauen* diskriminiert.

Eliz­a­beth Ngari von Women in Exile macht macht es ganz deut­lich: “Diese uns betr­e­f­fend­en Asylge­set­ze ver­schär­fen sich täglich – von der Wiedere­in­führung der Res­i­den­zpflicht, Gutscheinen, etc. zu neuen Masse­nun­terkün­ften wie den Anker-Zen­tren und neuen repres­siv­en Polizei-Geset­zen, bis hin zu dem aktuellen soge­nan­nten “Geord­nete-Rück­kehr-Gesetz” einem Entwurf, erneut von See­hofer, der unter anderem schnelle Abschiebun­gen und die Krim­i­nal­isierung von Unterstützer*innen und der Zivilge­sellschaft vor­sieht. Wir fra­gen uns, was wird Herr See­hofer und diese Regierung dem­nächst noch alles für uns kochen?”

Heute streiken wir und leg­en all unsere unter­schiedlichen Arbeit­en nieder, um glob­al an die his­torischen, kul­turellen und poli­tis­chen Errun­gen­schaften von Frauen* zu erin­nern und die Arbeit von Frauen* in allen Bere­ichen des Lebens sicht­bar zumachen — inner­halb und außer­halb des Haus­es, in urba­nen und ländlichen Regio­nen, bezahlt oder unbezahlt, unab­hängig von unseren Haut­far­ben und unseren Herkün­ften. Unser Ziel ist es einen Fem­i­nis­mus aufzubauen, der inklu­siv und inter­sek­tion­al ist. Einen Fem­i­nis­mus, der allen Frauen* zuhört und ras­sis­tis­che, sex­is­tis­che und diskri­m­inierende Struk­turen been­det. Wir wer­den nicht aufhören Gren­zen aufzubrechen, indem wir ein Bewusst­sein für Kolo­nial­is­mus schaf­fen und dafür, dass es nicht ignori­ert wer­den darf, dass wir ein Recht auf Frieden, soziale Inklu­sion und geteil­ten Wohl­stand haben.

Wir sind Frauen*, die in dieser Gesellschaft leben und damit ein Teil des Kampfes für eine gerechte und inklu­sive Gesellschaft.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Rechte Gewalt ist Normalität in Brandenburg

Für das Jahr 2018 hat die Beratungsstelle Opfer­per­spek­tive 174 rechte Gewalt­tat­en im Land Bran­den­burg verze­ich­net. Damit verbleibt die Zahl der Angriffe weit­er­hin auf einem besorgnis­er­re­gend hohen Niveau. 2017 zählte die Opfer­per­spek­tive 171 rechtsmo­tivierte Über­griffe. Bere­its 2015 warnte die Beratungsstelle vor ein­er möglichen Nor­mal­isierung rechter Gewalt.

Judith Porath, Geschäfts­führerin des Vere­ins Opfer­per­spek­tive, stellt fest: „Schauen wir auf die ver­gan­genen vier Jahre, stellen wir fest, dass eine Nor­mal­isierung einge­treten ist. Die Anzahl rechter Gewalt­tat­en ist auf einem kon­stant hohen Niveau.“

Die Nor­mal­isierung rechter Gewalt in Bran­den­burg basiert vor allem auf der Vielzahl ras­sis­tisch motiviert­er Angriffe. In 86 Prozent aller recht­en Gewalt­tat­en (150) war Ras­sis­mus das Motiv. Dies ist erneut ein leichter Anstieg gegenüber dem Vor­jahr und ein weit­er­er Höchst­wert seit Beginn des Mon­i­tor­ings im Jahr 2001.

Wie in den Jahren zuvor bilden Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te den her­aus­ra­gen­den Schw­er­punkt rechter Gewalt­tat­en in Bran­den­burg. Die Opfer­per­spek­tive zählte 83 ein­fache Kör­per­ver­let­zun­gen (2017: 79) und 64 gefährliche Kör­per­ver­let­zun­gen (2017: 69). Weit­er­hin han­delt es sich bei den meis­ten kör­per­lichen Über­grif­f­en um spon­tane Tat­en im öffentlichen Raum.

Betrof­fene rechter Gewalt sind in Bran­den­burg über­wiegend männlich (ca. 80 Prozent) und im jun­gen Erwach­se­nenal­ter. Im Jahr 2018 waren 19 Prozent der Betrof­fe­nen Frauen (50 von 262). Die meis­ten der ange­grif­f­e­nen Frauen (44 von 50) wur­den aus ras­sis­tis­chen Motiv­en ange­grif­f­en. Bei der­ar­ti­gen Angrif­f­en ist die Tat­mo­ti­va­tion oft mit starken Ele­menten sex­is­tis­ch­er Abw­er­tung ver­schränkt. Dies belastet die Betrof­fe­nen zusätzlich.

Die Stadt Cot­tbus sticht wie in den Vor­jahren lan­desweit mit der höch­sten Zahl an recht­en Gewalt­de­lik­ten her­vor. Durch die Beratungsstelle wur­den in Cot­tbus 35 rechte Angriffe reg­istri­ert, die über­wiegende Mehrheit hier­von (29) waren ras­sis­tisch motiviert und betrafen vor allem Geflüchtete, die in der Stadt ihren Wohn­sitz haben. In der aktuellen seit 2015 anhal­tenden Sit­u­a­tion ist die Uck­er­mark kon­stant ein­er der Land­kreise mit der höch­sten Anzahl rechter Gewalt­straftat­en im Land Bran­den­burg. Von diesem hohen Niveau aus­ge­hend musste im Jahr 2018 ein weit­er­er Anstieg der Angriffe von 13 auf 27 fest­gestellt werden.

Im Hin­ter­grund­pa­pi­er zur Jahressta­tis­tik 2018 find­en sich aus­führlichen Analy­sen sowie die grafis­che Aufar­beitung der Sta­tis­tik. Die Grafiken sind unter Nen­nung der Quelle (Peer Neumann/ Opfer­per­spek­tive) frei verwendbar:

Zum Anschauen oder Herun­ter­laden hier klicken:
Hin­ter­grund­pa­pi­er der Opfer­per­spek­tive zur Jahressta­tis­tik 2018

Info­grafik Jahressta­tis­tik 2018

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Antifaschismus Gender & Sexualität Law & Order

Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still!

Am 8. März find­et in Cot­tbus eine Kundge­bung zum inter­na­tionalen Frauenkampf­tag statt. Als Teil ein­er The­men­woche für Selb­st­bes­tim­mung und gegen Unter­drück­ung der Frauen rufen ver­schiedene Organ­i­sa­tion auf, sich um 15.00 Uhr auf dem Heron­platz zu ver­sam­meln. Gemein­sam soll ein Zeichen für die Emanzi­pa­tion der Frau geset­zt werden.

Seit mehr als 100 Jahren find­et am 8. März der inter­na­tionale Frauenkampf­tag statt. Ursprünglich ins Leben gerufen, um das Frauen­wahlrecht durchzuset­zen, ist das Datum heute fes­ter Bestandteil viel­er poli­tis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen. Auch dieses Jahr find­en bun­desweit Kundge­bun­gen, Demos und Streiks statt — alle­samt in der Tra­di­tion der
gle­ichen Forderun­gen: Aufzubegehren gegen jede Unter­drück­ung, ver­bale wie kör­per­liche Gewalt aber auch gegen Ungle­ich­be­hand­lung — Einzutreten für die Rechte von Frauen*, für ihre Anerken­nung und Selbstbestimmung.

Bere­its im let­zten Jahr fand in Cot­tbus eine Demon­stra­tion unter dem Mot­to “Frauen gemein­sam gegen Ras­sis­mus und Ungerechtigkeit” in Cot­tbus statt. Daran soll angeknüpft und der Diskurs weit­er in die Stadt­ge­sellschaft getra­gen wer­den. Ziel ist es, vere­inzelte Kämpfe von Frauen zu verbinden, sich sol­i­darisch zu zeigen und bestehende
Missstände anzuk­la­gen. Aus diesem Grund gibt es in diesem Jahr eine ganze The­men­woche, die sich mit unter­schiedlichen Aspek­ten des Frauen­be­freiungskampfes auseinan­der set­zt. Inspi­ra­tion dafür fan­den die Organisator*innen im bun­desweit­en Frauen­streik­bünd­nis. Ermöglicht wurde die The­men­woche, indem sich ver­schiedene Men­schen und Organ­i­sa­tio­nen zusam­men geset­zt haben, ihre Vorstel­lun­gen und Ideen aus­ge­tauscht und gemein­sam über­legt haben, wie diese umge­set­zt wer­den können.

Um auf ver­gan­gene und aktuelle Kämpfe Bezug zu nehmen, find­en außer der Kundge­bung weit­ere Ver­anstal­tun­gen statt. Sowohl Frauenselb­stor­gan­i­sa­tio­nen, Jugend­grup­pen als auch Kul­turschaf­fende und poli­tis­che Organ­i­sa­tio­nen haben sich zusam­mengeschlossen. Sie gestal­ten zusam­men mit ein­ge­lade­nen Ref­er­entin­nen durch Vorträge und
Diskus­sion­srun­den einen Überblick zu aktuellen Diskursen. Neben der inhaltlichen Auseinan­der­set­zung wird auch Raum für Ver­net­zung und Selb­stor­gan­i­sa­tion geschaf­fen. “Wir wollen durch ver­schiedene Ange­bote die Möglichkeit geben, sich mit Fem­i­nis­mus und Gle­ich­berech­ti­gung auseinan­der zu set­zten,” erk­lärt Lotte Dobrint vom Bünd­nis, “dabei war uns wichtig ein möglichst bre­ites The­men­feld zu bedi­enen, welch­es ver­schiedene Men­schen anspricht.”

Weit­ere Infor­ma­tio­nen sind auf Face­book zu finden:
https://www.facebook.com/events/322379268626058/ oder unter frauenkollektiv_cottbus@riseup.net

Anbei eine Über­sicht der geplanten Veranstaltungen:

Dien­stag 05.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Frauenkampf heißt Klassenkampf”
Qua­si Mono
Erich-Wein­ert-Str. 2
03046 Cottbus

Fre­itag 08.03.19 — 15 Uhr

Kundge­bung “Wenn wir die Arbeit nieder­legen, ste­ht die Welt still”
Heron­platz / Stadtbrunnen
03046 Cottbus

Sam­stag 09.03.19 — 20 Uhr

Female Front­ed Hard­core Show
Muggefug
Papitzer Straße 4
03046 Cottbus

Mittwoch 06.03.19 — 17 Uhr

Frauen­café im Sandowkahn
Sandowkahn
Elis­a­beth-Wolf-Str. 40A
03042 Cottbus

Fre­itag 08.03.19 — 22 Uhr

Female Fri­day Party
Chekov
Strom­str. 14
03046 Cottbus

Mon­tag 11.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Tox­is­che Männlichkeit in Brandenburg”
Zelle79
Parzel­len­straße 79
03046 Cottbus

Mittwoch 06.03.19 — 19 Uhr

Vor­trag “Nie mehr Pocahontas…”
Sandowkahn
Elis­a­beth-Wolf-Str. 40A
03042 Cottbus

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken Law & Order

Gedenkveranstaltung zum Todesmarsch aus dem KZ Lieberose

Ein­ladung zur Gedenkver­anstal­tung anlässlich des Todes­marsches aus dem KZ Lieberose/Jamlitz

Hier­mit laden wir Sie her­zlich zur Gedenkver­anstal­tung anlässlich des Todes­marsches aus dem KZ Lieberose/Jamlitz am Sam­stag, den 09.02.2019, um 11 Uhr auf den Fried­hof in Drewitz ein.

Lieberose war nicht auschließlich Stan­dort eines Außen­lagers des KZ Sach­sen­hausen, son­dern in den let­zten Jahren der nation­al­sozial­is­tis­chen Herrschaft wurde daraus das größte Konzen­tra­tionslager im Gebi­et des Deutschen Reichs, das in die Ver­nich­tung der europäis­chen Juden einge­bun­den war.

Der Todes­marsch aus Lieberose in das Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen, führte zwis­chen dem 07.02.1945 und dem 09.02.1945 durch Drewitz und Pots­dam. Ursäch­lich für den Trans­port der Häftlinge waren die ras­sis­tis­chen Über­legun­gen zur
Ver­nich­tung dieser Men­schen trotz der all­ge­meinen Kriegslage und die Befürch­tun­gen der Nation­al­sozial­is­ten, dass die Über­leben­den über die Ver­brechen der Täter*innen Auskun­ft geben könnten.

Die Todesmärsche sind Ver­brechen, die nun wirk­lich direkt im Sicht­feld der restlichen Bevölkerung statt fan­den. Unüberse­hbar waren die zahlre­ichen Todesmärsche der lei­den­den Häftlinge, die sich durch Dör­fer, aber auch durch Städte wie Pots­dam quäl­ten, mal­trätiert von ihren Peinigern, aber auch geduldet von der Bevölkerung.

Die deutsche Geschichte und Ver­ant­wor­tung wird derzeit lei­der immer wieder ver­harm­lost und rel­a­tiviert. Ger­dade deshalb ist es immer­noch wichtig den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus und nun im speziellen, denen des Todes­marsches, zu gedenken.

Deswe­gen freuen wir uns, Sie am 09.02.2019 um 11 Uhr auf dem Fried­hof Drewitz begrüßen zu dürfen.

VVN-BdA Pots­dam, Die Andere, Vere­in zur Förderung anti­mil­i­taris­tis­ch­er Tra­di­tio­nen in der Stadt Pots­dam e.V. und Die Linke Kreisver­band Potsdam

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken Law & Order

Gemeinsames Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27.01.2019 fand das alljährliche Gedenken an die Opfer des Nation­al­sozial­is­mus am Platz der Ein­heit und am Ehren­fried­hof der sow­jetis­chen Armee in Pots­dam statt. Rund 200 Per­so­n­en fan­den sich zusam­men, um gemein­sam den Opfern zu gedenken und gle­ichzeit­ig zu mah­nen. Wie es im Rede­beitrag der Grup­pierung BlauWeißBunt*Nulldrei e.V aus Babels­berg hieß:

„Wir müssen zum einen zurück­zuschauen, um die Gräuel der Nazis nicht zu vergessen. Zum anderen jedoch vor diesem Hin­ter­grund die Gegen­wart und die Zukun­ft ein­er kri­tis­chen Prü­fung zu unterziehen.“.

Es wur­den Biografien der Holo­caust-Über­leben­den Jean Améry, Willy Fro­hwein und Ruth Klüger vor­ge­tra­gen. Alle drei Schick­sale ermah­nen uns, das Geschehene weit­er zutra­gen und Geschichte nicht zu vergessen. So sagte Melyssa Diedrich von der EAP zu Beginn der Ver­anstal­tung: „Wir wollen ver­suchen die Willkür, den Ter­ror und die Uner­bit­tlichkeit Nazideutsch­lands, vor allem aber das Leben und Über­leben der Men­schen, ihren Umgang mit dem Erlebten nachzuzeichnen“.

Im fol­gen­den find­et ihr die Kurzbi­ografien von Jean Améry, Willy Fro­hwein und Ruth Klüger sowie den Rede­beitrag von BlauWeißBunt*Nulldrei.
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Er wurde am 31. Okto­ber 1912 als Sohn jüdis­ch­er Eltern in Wien geboren. Er absolvierte in den 1930er Jahren eine Buch­händler­lehre und arbeit­ete anschließend als Buch­händ­lerge­hil­fe in Leopold­stadt. 1937 heiratet er und floh mit sein­er Frau gemein­sam vor den Nazis 1938 nach Bel­gien. Dort arbeit­ete er als Möbel­trans­porteur und Lehrer.
Nach dem Über­fall durch die deutsche Wehrma­cht wurde er als „feindlich­er Aus­län­der“ festgenom­men und im süd­franzö­sis­chen Lager Gurs interniert. Seit dem war er getren­nt von sein­er Frau, welche 1944 ver­starb. Aus dem Lager kon­nte er 1941 nach Bel­gien fliehen, wo er sich dem Wider­stand gegen die Nazis ein­er öster­re­ichisch-deutschen Wider­stands­gruppe anschloss.
1943 wurde er beim Flug­blatt verteilen von der Gestapo festgenom­men und später von der SS gefoltert, so wurde er aus­gepeitscht und an einem Pfahl aufge­hängt, wodurch ihm die Schul­terge­lenke aus­gerenkt wurden.
Schließlich wurde er am 15. Jan­u­ar 1944 nach Auschwitz deportiert, dort musste er ab 1944 als Schreiber arbeit­en. Nach der Auflö­sung des KZ Auschwitz wegen der bevorste­hen­den Befreiung durch die Rote Armee, wurde er zunächst nach Mit­tel­bau-Dora in Thürin­gen und dann nach Bergen-Belsen in Nieder­sach­sen gebracht. Am 15. April 1945 wurde dieses KZ schließlich von der Britis­chen Armee befre­it und er kehrte nach Brüs­sel zurück.
In der Zeit nach 1945 bis zu seinem Lebensende ver­suchte er das Erlebte per­sön­lich, aber darüber­hin­aus auch gesellschaftlich zu reflek­tieren, einzuord­nen und zu ver­ar­beit­en. Er schrieb ver­schiedene Romane und kom­men­tierte immer wieder gesellschaft­s­the­o­retis­che Diskussionen.
Geprägt durch seine eigene Geschichte, seine Iden­tität und Zuschrei­bung als Jude, als der er sich ver­stand und doch nicht ver­stand, for­mulierte er in „Jen­seits von Schuld und Sühne“:
„Ist es so, daß ich der Auschwitzhäftling, dem es wahrhaftig nicht an Gele­gen­heit gefehlt hat, zu erken­nen was er ist, was er sein muß – ist es denkbar, daß ich immer noch kein Jude sein wollte […] ? Wenn heute Unbe­ha­gen in mir auf­steigt, sobald ein Jude mich mit legit­imer Selb­stver­ständlichkeit ein­bezieht in seine Gemein­schaft, dann ist es nicht darum, weil ich kein Jude sein will: nur weil ich es nicht sein kann. Und doch sein muß. Und mich diesem Müssen nicht bloß unter­w­erfe, son­dern es aus­drück­lich anfordere als einen Teil mein­er Per­son. Zwang und Unmöglichkeit Jude zu sein, das ist es, was mir undeut­liche Pein schafft“
Auch über die Zeit der Lager hin­aus ver­störte ihn der wieder­aufk­om­mende Anti­semitismus ger­ade auch in der deutschen Linken. Er schrieb: „Das klas­sis­che Phänomen des Anti­semitismus nimmt aktuelle Gestalt an. Die alte beste­ht weit­er, das nenn ich Koex­is­tenz. […] Anti-Israelis­mus, Anti-Zion­is­mus in rein­stem Vernehmen mit dem Anti­semitismus von dazu­mal. [..] Doch neu ist in der Tat die Ansied­lung des als Anti-Israelis­mus sich gerieren­der Anti­semitismus aus der Linken. Einst war das der Sozial­is­mus der dum­men Ker­le. Heute ste­ht er im Begriff, ein inte­gri­eren­der Bestandteil des Sozial­is­mus schlechthin zu wer­den, und so macht jed­er Sozial­ist sich sel­ber freien Wil­lens zum dum­men Kerl.“
Auch äußerte er sich im Auf­satz „Jar­gon der Dialek­tik“ zu Prob­le­men der Wis­senschaft­s­the­o­rie und darüber hin­aus zu bekan­nten Vertretern der Kri­tis­chen The­o­rie in Deutsch­land : „Dort geht es hoch her mit der Reflek­tiertheit und neg­a­tiv­er Pos­i­tiv­ität, mit Verd­inglichung, unglück­lichem Bewusst­sein und Fun­gi­bil­ität“. Falsche, aus Über­he­blichkeit gewählte, For­mulierun­gen und Ver­suche ein­fach­ste Dinge geschwollen, tief­gründig und vieldeutig auszu­drück­en, lehnte er klar ab. „Jedoch ist sowohl in der franzö­sis­chen als auch der deutschen gehobe­nen Pub­lizis­tik, die über­flüs­sige bis mißbräuch­liche Anwen­dung des Wortes „dialek­tisch“, der ver­gle­ich­sweise harm­lose Aspekt des Prob­lems. Wir haben es da mit einem pseudowis­senschaftlichen Schlüs­sel­wort zu tun, das, wenn es auch nir­gends ein Tor auf­schließt, so doch geeignet erscheint, noch dem anspruch­slos­es­ten Zeitungsar­tikel ein Air höher­er Intel­li­genz zu geben.“
Eine sein­er per­sön­lich­sten Schriften erschien 1976 kurz vor seinem Tod.
In „Hand an sich leg­en“ set­zte er sich mit Suizid und, wie nach seinem Selb­st­tö­tungsver­such 1974 klar war, mit seinem eige­nen Suizid auseinan­der. Er forderte auf, den Selb­st­mörder „nicht als Helden [zu feiern]“ aber „seine ver­schmähte und geschmähte Hand­lung gel­ten [zu] lassen“. Denn „Was gilt, ist die Option des Sub­jek­ts. […] Wir soll­ten ihnen Respekt vor ihrem Tun und Lassen, soll­ten ihnen Anteil­nahme nicht ver­sagen, zumalen ja wir sel­ber keine glänzende Fig­ur machen.“
Er starb durch Selb­st­mord am 17. Okto­ber 1978 in Salzburg.

Unvergessen – Jean Améry

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Die nun vorgestellte Per­son wurde 1923 in Span­dau geboren. Sein Vater heiratete eine katholis­che Frau und gab dafür seinen jüdis­chen Glauben auf. Der Sohn wurde katholisch getauft, besuchte eine katholis­che Schule und wurde Mit­glied bei den katholis­chen Pfadfindern.
Als 1935 die ras­sis­tis­chen „Nürn­berg­er Geset­ze“ in Kraft trat­en, galt er plöt­zlich als soge­nan­nter „Hal­b­jude“. Durch die immer stärkere Stig­ma­tisierung von Jüdin­nen und Juden im NS-Staat ver­lor er seine Schul­fre­unde und ‑fre­undin­nen und nach der Reich­s­pogrom­nacht im Jahr 1938 auch seine Lehrstelle als Wäsch­er und Plätter.
Im Jahr 1942 wurde er zwangsverpflichtet in der Berlin­er Werkzeug­maschi­nen­fab­rik „Sasse“ Muni­tion zu polieren. Er sabotierte die Pro­duk­tion. Nach mehrma­liger Vor­ladung und Abmah­nung entschloss er sich zur Flucht in die Schweiz.
Aber der Fluchtver­such miss­lang. Er wurde „wegen Passverge­hen und Arbeitsver­trags­bruch“ inhaftiert und für vier Wochen in das Arbeit­slager in Berlin-Wuhlhei­de deportiert. Im April 1943 erfol­gte der Abtrans­port in das Konzen­tra­tionslager Auschwitz. Mit viel Glück über­lebte er. Im Jan­u­ar 1945 wurde das KZ wegen der her­an­rück­enden Roten Armee geräumt. Er über­lebte die Todesmärsche zum KZ Mit­tel­bau-Dora und später zum KZ Bergen-Belsen begeben. Hier wurde er von britis­chen Sol­dat­en befreit.
Nach dem Ende des Zweit­en Weltkrieges zog er nach Pots­dam und wurde Haup­tkom­mis­sar im Mord­dez­er­nat. Er lernte seine Frau Wal­traud ken­nen und bekam zwei Kinder mit ihr. Er wurde Mit­glied der SED, half beim Auf­bau der Volkssol­i­dar­ität mit, arbeit­ete in der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes und wurde Mit­glied im Kreiskomi­tee der antifaschis­tis­chen Wider­stand­skämpfer. Herz- und magenkrank, wurde er mit 29 Rentner.
Im Jahr 1965 las er in der Zeitung, dass der KZ-Arzt Horst Fis­ch­er ver­haftet wor­den war. Horst Fis­ch­er hat­te ihn zweimal für den Trans­port in die Gaskam­mer aus­gewählt, weil er nicht mehr zum Arbeit­en taugte. Er meldete sich als Zeuge und trat somit im Prozess als Haupt­be­las­tungszeuge auf.
Seit dieser Zeit suchte er das Gespräch mit Jugendlichen und erzählte ihnen von seinen Erleb­nis­sen. Er war wegen sein­er ger­adlin­i­gen direk­ten Art sehr überzeu­gend. Nach einem Zeitzeu­genge­spräch in der Realschule im nieder­säch­sis­chen Lengede set­zten sich die Schüler*innen dafür ein, dass ihre Schule nach ihm benan­nt wird.
2008 ver­suchte die CDU-Frak­tion in Pots­dam, am Stan­dort der ehe­ma­li­gen Syn­a­goge eine neue Gedenk­tafel anbrin­gen zu lassen. Deren Inschrift sollte die Ver­wüs­tung des Gebäudes in der Reich­s­pogrom­nacht 1938 und den Abriss des Gebäudes 1957 in der DDR erwäh­nen. Daraufhin ver­fasste er einen empörten Brief, der am 11.06.2008 im Haup­tauss­chuss von einem Mit­glied der VVN-BdA ver­lesen wurde. Er erk­lärte, dass die DDR das Gebäude abreißen ließ, weil sich trotz inten­siv­er Bemühun­gen nie­mand fand, der die Jüdis­che Gemeinde in Pots­dam neu grün­den wollte. So kam man übere­in, das Grund­stück für den Woh­nungs­bau freizugeben. Die Stadt Pots­dam sagte zu, eine neue Syn­a­goge zu bauen, wenn es in Pots­dam wieder eine Ini­tia­tive zur Grün­dung ein­er Jüdis­chen Gemeinde gibt. Vor diesem Hin­ter­grund ist es nicht gerecht­fer­tigt, die Reich­s­pogrom­nacht und den Abriss 1957 in einem Atemzug zu nen­nen. Die CDU zog ihren Antrag nach Auf­forderung der dama­li­gen Ober­bürg­er­meis­ters zurück.
Er starb am 12. Dezem­ber 2009 in Babels­berg und wurde auf dem Fried­hof in Drewitz beigesetzt.
Seit 2012 trägt der Platz am Babels­berg­er Fin­d­ling seinen Namen. Sei­ther fan­den dort mehrma­lig die städtis­chen Gedenkver­anstal­tung zum Holo­caustge­denk­tag statt.

Unvergessen – Willi Frohwein

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Die nun vorgestellte Per­son wurde in Wien geboren. Sie ist Jüdin. Ihr Vater war Frauen- und Kinder­arzt. Als sie sechs Jahre alt war, wurde Öster­re­ich in das nation­al­sozial­is­tis­che Deutsche Reich unter Hitler eingegliedert. Es begin­nt eine Zeit der ständi­gen Angst. Alle Juden und Jüdin­nen wer­den aus dem öffentlichen Leben aus­ge­gren­zt. Auch ihre Fam­i­lie zieht sich zurück, ver­steckt sich, wird fast unsichtbar.
Ihr Brud­er ist noch in Prag, er kann nun nicht mehr zurück­kom­men. Der Vater muss irgend­wann nach Frankre­ich fliehen. Er wird seine Fam­i­lie nie nach­holen können.
Die Jahre der Iso­la­tion ver­bringt sie lesend: Klas­sik, Roman­tik, Lyrik…
Sie ist elf, als sie und ihre Mut­ter abge­holt wer­den und nach There­sien­stadt gebracht wer­den. 1,5 Jahre später wer­den sie nach Auschwitz-Birke­nau gebracht.
Sie ist zu jung, um zu arbeit­en. Bei der Selek­tion wird sie zum Ster­ben aus­ge­mustert. Eine Frau meinte zu ihr, sie soll sich nochmal anstellen und drei Jahre älter machen. So über­lebte sie – für den Moment.
Hunger, Schmerz und Angst wer­den ihre ständi­gen Begleit­er. An einem Ort, wo ihr Kör­p­er zer­stört wird, ist ihr die Lyrik eine geistige Stütze. „Die schiller­schen Bal­laden wur­den meine Appellgedichte, mit denen kon­nte ich stun­den­lang in der Sonne ste­hen und nicht umfall­en, weil es immer eine näch­ste Zeile zum Auf­sagen gab, und wenn einem eine Zeile nicht ein­fiel, so kon­nte man darüber nach­grü­beln, bevor man an die eigene Schwäche dachte.“
Sie schreibt auch Gedichte, ihr „Gegengewicht zum Chaos“ im täglichen Wahnsinn des Konzen­tra­tionslagers. „Wer nur erlebt, reim- und gedanken­los, ist in Gefahr den Ver­stand zu verlieren.“

DER KAMIN (von Ruth Klüger)

Täglich hin­ter den Baracken
Seh ich Rauch und Feuer stehn.
Jude, beuge deinen Nacken,
Kein­er hier kann
dem entgehn.
Siehst du in dem Rauche nicht
Ein verz­er­rtes Angesicht?
Ruft es nicht voll Spott und Hohn:
Fünf Mil­lio­nen berg‘ ich schon!
Auschwitz liegt in mein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Täglich hin­term Stacheldraht
Steigt die Sonne pur­purn auf,
Doch ihr Licht wirkt öd und fad,
Bricht die andre Flamme auf.
Denn das warme Lebenslicht
Gilt in Auschwitz längst schon nicht.
Blick zur roten Flamme hin:
Einzig wahr ist der Kamin.
Auschwitz liegt in sein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Manch­er lebte einst voll Grauen
Vor der dro­hen­den Gefahr.
Heut‘ kann er gelassen schauen,
Bietet ruh’g sein Leben dar.
Jed­er ist zer­mürbt von Leiden,
Keine Schön­heit, keine Freuden,
Leben, Sonne, sie sind hin,
Und es lodert der Kamin.
Auschwitz liegt in sein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Hört ihr Ächzen nicht und Stöhnen,
Wie von einem, der verschied?
Und dazwischen
bit­tres Höhnen,
Des Kamines schau­rig Lied:
Kein­er ist mir noch entronnen,
Keinen, keine werd ich schonen.
Und die mich gebaut als Grab
Schling ich selb­st zulet­zt hinab.
Auschwitz liegt in mein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

Schließlich wurde sie ins Frauen-KZ Chris­tianstadt zur Her­stel­lung von Muni­tion und Sprengstoff ver­schleppt. Auf einem der Todesmärsche kann sie endlich fliehen.
Danach begin­nt eine glück­lichere Zeit. „Der erste Som­mer nach dem Krieg, der erste Som­mer in der Frei­heit in Straub­ing in Bay­ern. Es hat nach­her nichts gegeben, was mich so gerührt hat, was so schön war. Ich habe Fahrrad­fahren und Schwim­men gel­ernt. Ich habe ange­fan­gen zu men­stru­ieren, bin erwach­sen­er gewor­den. Ich war nie im Leben vorher oder nach­her so angst­frei und ohne das Gefühl, dass in irgen­dein­er Weise Druck auf mich aus­geübt wird.“
Sie begin­nt in Regens­burg zu studieren. Dann emi­gri­erte sie mit ihrer Mut­ter in die USA und studierte dort Ger­man­is­tik und Bib­lio­thek­swis­senschaften. Als sie beim Kell­nern nach der Num­mer auf ihrem Arm gefragt wurde, antwortete sie, dass das die Tele­fon­num­mer von ihrem Fre­und sei.
Sie pro­movierte und lehrte in Prince­ton und Göt­tin­gen. Sie schrieb Büch­er und veröf­fentlichte Gedichte, bekam Preise und Auszeichnungen.
Auf die Frage nach dem warum antwortet sie „Wenn eine Tier­art fast aus­gestor­ben ist, weil sie so inten­siv gejagt wor­den ist, wer­den die übrig gebliebe­nen Exem­plare beson­ders gepflegt.“
Sie ist irgend­wie davongekom­men. Aber sie schreibt „ich wäre ein ander­er Men­sch gewor­den, ganz sich­er, wenn es Hitler nicht gegeben hätte. Dann wäre die ganze Welt anders gewe­sen“, denn „was unter­wegs ver­loren geht, bist immer du selbst.“
Deutsch­land ste­ht sie ambiva­lent gegenüber, denn „Man weiß halt nicht, was einem dort passieren kann.“

Sie ist heute 87 Jahre alt.

Unvergessen – Ruth Klüger

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Rede­beitrag BlauWeißBunt

Am 27. Jan­u­ar 1945 wurde das Konzen­tra­tionslager Auschwitz durch die Rote Armee befre­it. Heute ist dieses Datum der inter­na­tionale Gedenk­tag an die Entrech­tung, Ver­fol­gung, Aus­beu­tung und Ermor­dung von Mil­lio­nen von Men­schen durch die Nationalsozialist*innen, ihre Kollaborateur*innen und Zuschauer*innen. Dieser Tag bietet unter anderem Anlass innezuhal­ten, der Opfer zu gedenken, den Über­leben­den, von denen es lei­der immer weniger gibt, eine Bühne zu geben und die Erin­nerung wachzuhalten.
Im ver­gan­genen Jahr sprach Ani­ta Lasker-Wall­fisch zur Gedenkstunde im Bun­destag. Sie ist Cel­listin, 93 Jahre alt und eine der let­zten Über­leben­den des Mäd­chenorch­esters von Auschwitz sowie des KZ Bergen-Belsen. Nach der Befreiung ging sie nach Großbri­tan­nien, machte weit­er­hin Musik und grün­dete eine Fam­i­lie. 1994, nach dem Tod ihres Mannes, besuchte sie im Alter von 69 Jahren das erste Mal wieder Deutsch­land und kommt seit­dem regelmäßig zu Vortragsreisen.
In ihrer Rede erk­lärte sie, dass der Holo­caust der am besten doku­men­tierte Genozid der Men­schheits­geschichte ist. Zeug­nisse von Täter*innen und Opfern sind die trau­ri­gen Beweise für dieses akribisch geplante, durchge­führte und von einem Großteil der deutschen Bevölkerung gebil­ligte Ver­brechen. Und trotz­dem gibt es Men­schen, die ver­suchen Auschwitz zu ver­leug­nen. Ich erin­nere an die Äußerun­gen eines Her­rn Gauland, der meinte, dass der Holo­caust und die Ver­brechen des Nation­al­sozial­is­mus „nur ein Vogelschiss in 1000 Jahren deutsch­er Geschichte“ seien. Solcher­lei ist nicht nur für Ani­ta Lasker-Wall­fisch unerk­lär­lich und ekel­er­re­gend. Gegen Ende ihrer Rede sagte sie noch fol­gen­des: „Es gibt keine Erk­lärun­gen oder Entschuldigun­gen für das, was damals passiert ist. Das einzige was bleibt ist Hoff­nung, die Hoff­nung, dass irgend­wann der Ver­stand siegt.“
Mit diesem Faz­it zeigt sie ganz prak­tisch, wozu uns der heutige Gedenk­tag noch Anlass geben sollte. Zum einen zurück­zuschauen und die Gräuel der Nazis nicht zu vergessen. Zum anderen jedoch vor diesem Hin­ter­grund die Gegen­wart und die Zukun­ft ein­er kri­tis­chen Prü­fung zu unterziehen.
Geschichte wird gemacht, jeden Tag. Eine Moti­va­tion meines antifaschis­tis­chen Han­delns ist es, mich nicht vor mir selb­st oder der näch­sten Gen­er­a­tion ver­steck­en zu müssen, wenn gefragt wird: Was hast du gemacht, als Neon­azis ver­meintliche Aus­län­der durch die Straßen jagten? Was hast du gemacht, als Tausende Men­schen im Mit­telmeer ertrunk­en sind? Was hast du gemacht, als die AfD an die Macht gekom­men ist?
Dann will ich selb­st­be­wusst sagen kön­nen: Ich habe mich dage­gen gestellt. Ich habe den Mund aufgemacht und ich habe sol­i­darisch gehan­delt mit den­jeni­gen, die aus­ge­beutet, ver­fol­gt und ermordet wur­den. Ich habe dafür gekämpft, dass die Hoff­nung darauf, dass let­z­tendlich der Ver­stand siegt, wahr wird.
Das dieses Bestreben unbe­d­ingt notwendig ist, zeigen aktuelle Entwick­lun­gen in Poli­tik und Gesellschaft: Der NSU-Prozess endete ent­täuschend, ist fast schon wieder aus dem gesellschaftlichen Kurzzeitgedächt­nis ver­schwun­den. Rechte Net­zw­erke reichen tief in die staatlichen Struk­turen, wie Ver­wal­tung und Polizei hinein. Die AfD beset­zt ihre Lan­deswahlliste mit stram­men Neon­azis und wird dafür in aktuellen Wahlum­fra­gen mit 20 bis 23 Prozent belohnt. Zugle­ich wer­den Men­schen, die sich für Men­schen­rechte, Frei­heit und Sol­i­dar­ität ein­set­zen kriminalisiert.
Unsere Auf­gaben und Ver­ant­wor­tun­gen begin­nen an genau diesem Punkt, denn jede von uns gestal­tet aktiv diese Gesellschaft. Jeden Tag. Denn der wichtig­ste Schritt auf dem Weg eine Bar­barei, wie den Nation­al­sozial­is­mus, zu ver­hin­dern ist die Tat­sache, dass wir hier heute alle gemein­sam ste­hen. Die Allianzen, die hier entste­hen sind die Grund­lage und der Rück­halt für die poli­tis­chen Auseinan­der­set­zun­gen, die jede*r von uns in den ganz alltäglichen Sit­u­a­tio­nen zu führen hat. Denn wen es zu erre­ichen gilt sind nicht wir, die wir uns hier gemein­sam den Worten von Ani­ta Lasker-Wall­fisch erin­nern, dass Aufgeben keine Option ist – und nie sein kann. Sich diese Mah­nung vor Augen zu führen ist in Zeit­en des steigen­den neolib­eralen Ver­w­er­tungs­drucks und der zunehmenden staatlichen Repres­sion eine große Her­aus­forderung, den­noch nicht unmöglich. Antifaschis­tis­ch­er Aktivis­mus ist unsere Ver­ant­wor­tung und unsere Auf­gabe ist es im Heute die Ereignisse der Ver­gan­gen­heit und die Poten­ziale von Mor­gen zusam­men zu führen.

Inforiot