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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Erklärung der Landesverbände des VVN-BdA

Erklärung der Landesverbände Berlin und Brandenburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) zur aktuellen Corona-Krise

Mit Bedauern nehmen die VVN-BdA Bran­den­burg und die Berlin­er VVN-BdA zur Ken­nt­nis, dass in der aktuellen Sit­u­a­tion die Feiern anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der in Bran­den­burg gele­ge­nen Konzen­tra­tions- und Zwangsar­beit­slager abge­sagt wer­den müssen. Wir kön­nen diese Entschei­dung nachvol­lziehen, gilt es doch das Leben der weni­gen noch leben­den Zeitzeu­gen und ihrer oft betagten Ange­höri­gen zu schützen und eine Weit­er­ver­bre­itung des Virus auf Großver­anstal­tun­gen zu verhindern.

Daneben stellen wir mit Bestürzung und großer Besorg­nis fest:

- dass wir erleben müssen, dass der weltweite Abbau sozialer Sicherungsmech­a­nis­men in den let­zten 30 Jahren und die damit ein­herge­hende Zer­störung des Gesund­heitswe­sens zu ein­er Wiederkehr eugenis­chen Denkens und Han­delns führt, indem darüber disku­tiert wird, das ältere Men­schen zu Gun­sten ein­er funk­tion­ieren­den Wirtschaft zu ster­ben hät­ten und das auch nach ökonomis­chen Kri­te­rien darüber entsch­ieden wird bzw. entsch­ieden wer­den soll, welche Men­schen drin­gend benötigte medi­zinis­che Behand­lung erhal­ten und welche nicht ver­sorgt wer­den können;
— dass die Bekämp­fung der Coro­na-Krise in ganz Europa zum Abbau demokratis­ch­er Grun­drechte und Etablierung autoritär­er Herrschafts­for­men genutzt wird;
— dass in der Krise Machtkämpfe zwis­chen ver­schiede­nen Staat­en aus­ge­tra­gen wer­den, die die Hil­fe für die von der Krankheit bedro­ht­en Men­schen beein­trächti­gen, v.a für die beson­ders bedro­ht­en und unter katas­trophalen Bedin­gun­gen leben­den Men­schen in den Flüchtlingslagern auf den griechis­chen Inseln.

Wir fordern deshalb:

- die gesund­heitlichen Gefahren, die von COVID-19 aus­ge­hen, dür­fen nicht als Vor­wand benutzt wer­den, demokratis­che Rechte dauer­haft abzubauen. Demokratie und Men­schen­rechte sind nicht Ursache der steigen­den Infizierten­zahlen, son­dern die jahrzehn­te­lange, bru­tale Spar­poli­tik zu Las­ten der Kranken und der Beschäftigten im Gesund­heitswe­sen. Die jet­zt ein­geleit­eten Ein­schränkun­gen demokratis­ch­er Rechte sind nach der Krise umge­hend aufzuheben.
— die Ret­tung der in den Flüchtlingslagern in Griechen­land veg­etieren­den Men­schen. Die Lager müssen umge­hend aufgelöst und die Men­schen sich­er in anderen EU-Staat­en aufgenom­men werden;
— die umge­hende Ein­stel­lung sämtlich­er Rüs­tung­spro­duk­tion in Deutsch­land und die schnelle und umfassende Kon­ver­sion zur Pro­duk­tion drin­gend benötigter Güter der medi­zinis­chen Versorgung.

Wir rufen deshalb dazu auf:

- sich auch unter den Bedin­gun­gen der Bekämp­fung des Coro­n­avirus für eine demokratis­che, freie und humane Gesellschaft einzusetzen;
— demokratis­che Rechte zu vertei­di­gen und den Wieder­auf­bau eines funk­tion­ieren­den Gesund­heitssys­tems, das für die Pati­entIn­nen und nicht für Prof­ite existiert, zu erkämpfen.

Und wir rufen alle Brandenburger_innen und Berliner_innen auf, in der Zeit zwis­chen dem 22. und dem 30. April, den Jahresta­gen der Befreiung von Ravens­brück und Sach­sen­hausen, indi­vidu­ell und unter Ein­hal­tung der notwendi­gen Sicher­heits­maß­nah­men gegen eine Weit­er­ver­bre­itung des Virus, an den Gedenksteinen für die Todesmärsche im Früh­jahr 1945 und an Gedenkstellen für KZ-Außen­lager und Zwangsar­beit­slager Blu­men niederzulegen.

Der Lan­desvor­stand der VVN-BdA Brandenburg,
Bran­den­burg, den 29. März 2020
Der Lan­desvor­stand der Berlin­er VVN-BdA,
Berlin, den 29. März 2020

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(Anti)militarismus Antifaschismus Bildung & Kultur Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Antifaschistische Gedenktour in Finsterwalde


Am 25.04.2020, ein Tag nach­dem Fin­ster­walde vor 75 Jahren vom Hitler­faschis­mus befre­it wurde, wollen wir den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus und den antifaschis­tis­chen Wider­stand­skämpfern gedenken. Erst­ma­lig wollen wir in diesem Jahr eine kleine „Gedenk­tour“ durch­führen. Diese startet um 10:00 Uhr am ehe­ma­li­gen VVN Denkmal am Spring­brun­nen in Fin­ster­walde. Weit­er geht es zum Geschwis­ter Scholl Denkmal, zum Sow­jet­fried­hof und zum Denkmal für die deportierten KZ-Häftlinge auf dem Fried­hof Fin­ster­walde. Danach wollen wir gemein­sam nach Tröb­itz zum jüdis­chen Fried­hof fahren, wo wir dem „Ver­lore­nen Zug“ gedenken wollen. In dem Zug befan­den sich KZ-Häftlinge aus Bergen-Belsen, welche in Viehwag­gons getrieben mehrere Tage durch Deutsch­land fuhren, bis der Zug wegen ein­er gesprengten Brücke bei Tröb­itz ste­hen bleiben musste, zwei Tage später wurde der Zug durch die Rote Armee Befre­it. Zum Schluss wollen wir zum ehe­ma­li­gen KZ Schlieben-Berga fahren, um den ehe­ma­li­gen Häftlin­gen zu gedenken, die dort für die Wehrma­cht Panz­er­fäuste pro­duzieren mussten.

Wer Inter­esse hat, an dieser Tour teilzunehmen, meldet sich bitte bei uns unter paf@riseup.net oder im Info­laden „Black-Mask“.

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Ausstellung „Jüdisches Leben im ländlichen Raum 1933–1945“

Zwei Jahre lang hat ein Pro­jek­t­team des Vere­ins Belziger Forum e. V. die Biografien jüdis­ch­er Bürg­er/-innen und Insti­tu­tio­nen in Bad Belzig sowie der Umge­bung recher­chiert. Das über­raschende Ergeb­nis waren teils bish­er unbekan­nte Fotos und Doku­mente sowie nicht gehörte Berichte aus der Zeit der Ver­fol­gung jüdis­ch­er Mit­bürg­er/-innen.

In der ersten kurzen Ausstel­lungsphase im August/September 2018 in Bad Belzig besucht­en fast 1 500 Men­schen die Ausstel­lung. Sie beste­ht aus 18 Stelltafeln und schildert die Schick­sale von jüdis­chen Mit­bürg­er/-innen wie zum Beispiel Dagob­ert Born­heim, dem Recht­san­walt Her­bert Loewy sowie den Fam­i­lien Sachs, Müller und Rip­pert mit dem später berühmten Sänger Iwan Rebroff. Aus Niemegk kommt Dr. Lion hinzu und aus Görzke Fam­i­lie Wolff. Die Ausstel­lung beschreibt aber auch jüdis­che Insti­tu­tio­nen wie die Belziger Lun­gen­heil­stät­te/Samuel-Ble­ichroed­er-Stiftung, heute Rehak­linik, das soge­nan­nte Kauf­mannheim am Weitz­grun­der Weg, in dem jüdis­che Frei­willige auf die Aus­reise nach Palästi­na vor­bere­it­et wur­den, jüdis­che Fried­höfe in Beelitz, Treuen­bri­et­zen und Ziesar oder die jüdis­che Syn­a­gogenge­meinde in Beelitz, die auch für Belzig zuständig war.

Mit der Ausstel­lung soll nicht nur eine Lücke in der his­torischen Region­al­forschung geschlossen, son­dern auch darauf hingewiesen wer­den, dass heute in Europa erneut recht­sna­tionale Strö­mungen auftreten, die die men­schliche Vielfalt ein­schränken und mit ver­balen & Äußerun­gen ein Kli­ma der Feind­seligkeit schaf­fen. Um solche Ten­den­zen zu erken­nen, ist es wichtig, sich daran zu erin­nern, was 1933 bis 1945 auch in den ländlichen Regio­nen Bran­den­burgs geschah, um jedem Auftreten von Anti­semitismus, Gewalt, Verunglimp­fung und Recht­sex­trem­is­mus zu begegnen.

Die Ausstel­lung kann vom 26. Feb­ru­ar bis zum 14. April 2020, mon­tags bis fre­itags von 8 bis 18 Uhr, im Land­tag besucht wer­den. An geset­zlichen Feierta­gen bleibt die Ausstel­lung geschlossen.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Pressemitteilung der EAP zum Gedenken am 27. Januar

Am 27.01.2019 fand das alljährliche Gedenken an die Opfer des
Nation­al­sozial­is­mus am Platz der Ein­heit und am Ehren­fried­hof der sow­jetis­chen Armee in Pots­dam statt. Zum Gedenken fan­den sich rund 300 Per­so­n­en ein.

Nach begrüßen­den Worten ver­las die Gruppe fem­i­nis­tisch antifaschis­tis­che Ver­anstal­terin­nen (fea­va) ihren Rede­beitrag in welchem sie Fol­gen­des klarstell­ten: “Darum beste­hen wir behar­rlich auf fol­gende begrif­fliche Unter­schei­dung: BEFREIT wur­den die Lager, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung allerd­ings, musste von den Alli­ierten BESIEGT wer­den. Dies
zu wis­sen, ist wichtig für die Betra­ch­tung der soge­nan­nten Gedenkkultur”

Die Emanzi­pa­torische Antifa Pots­dam (EAP) stellte unter anderem die Biografie von Marek Edel­mann, einem pol­nis­chen Wider­stand­skämpfe, vor. Als Kom­man­dant spielte er eine wichtige Rolle während des Warschauer Auf­s­tandes 1943. Marek Edel­mann lebte für den Wider­stand und er mah­nte ein­dringlich vor dem Vergessen: „Für junge Men­schen ist es heute sehr schw­er zu begreifen wie das alles gewe­sen ist. Wenn die Erin­nerung nicht
bleibt, dann kann sich alles wieder­holen. Und je mehr man sich erin­nert und weiß, desto größer die Chance, dass es sich nicht wieder­holt. Der Men­sch ist schlecht.“

Die Pruss­ian Fat Cats — Roller Der­by Pots­dam ver­wiesen in ihrem
Rede­beitrag auf die enorme Bedeu­tung der Frauen im antifaschis­tis­chen Wider­stand. Exem­plar­isch wurde die Geschichte von Franziska Mann, geborene Lola Horowitz dargelegt. Sie griff am 13.Oktober 1943, kurz vor der geplanten Ver­ga­sung, einem SS-Scher­gen an, entriss ihm den Revolver und schoss damit auf mehrere Nazis. Sie traf einen davon tödlich. Auch andere Frauen grif­f­en gle­ichzeit­ig weit­ere SS-Män­ner an, welche fluchtar­tig abhaut­en. Kurze Zeit später wurde die Gruppe um Franziska
Mann erschossen.

Nach ein­er Schweigeminute wur­den am Denkmal für die Opfer des
Faschis­mus Kerzen angezün­det, Kränze und Blu­men niedergelegt. Danach ging es gemein­sam zum Sol­daten­fried­hof auf dem Bass­in­platz. Hier wurde der Lebenslauf von Olga Benario-Prestes vorgestellt. Sie kämpfte jahre­lang gegen die Nation­al­sozial­is­ten und wurde 1942 im KZ Bern­burg vergast.
Anschließend wurde vom Ortsver­ban­des Pots­dam des VVN-BdA auf das Schick­sal der Fam­i­lie Feist in Pots­dam aufmerk­sam gemacht und mah­nende Worte aus­ge­sprochen, dass wir niemals unsere Men­schlichkeit ver­lieren dürfen.

Zum heuti­gen Gedenken sagte Melyssa Diedrich von der EAP abschließend “Ger­ade in Zeit wo es in Deutsch­land wieder mehr anti­semi­tis­che Angriffe gibt müssen wir dafür Sorge tra­gen, dass die Geschichte nicht vergessen wird. Und wie wir in unserem Aufruf schon sagten kön­nen wir nur mit ein­er niemals endende Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hung und Wirkungsweise des Nation­al­sozial­is­mus wird es möglich sein, die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen zu bewerten”.

mit fre­undlichen Grüßen
Melyssa Diedrich für die EAP

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Shoah“ – Filmgespräch und Diskussion

Filmge­spräch und Diskus­sion mit Dr. Juliane Wet­zel (Zen­trum für Anti­semitismus­forschung TU Berlin) 

Der 27. Jan­u­ar, Inter­na­tionaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holo­caust, wurde 2005 von den Vere­in­ten Natio­nen einge­führt, um dem Holo­caust und der Befreiung des Konzen­tra­tionslagers Auschwitz-Birke­nau am 27. Jan­u­ar 1945 zu gedenken. Weltweit soll am 27. Jan­u­ar ein Screen­ing des Films „Shoah“ von Claude Lanz­mann stattfinden.
Wir nehmen diesen Tag zum Anlass, Auszüge aus dem Meis­ter­w­erk der Erin­nerungskul­tur zu zeigen und mit der His­torik­erin Juliane Wet­zel über den Film sowie die deutsche Erin­nerung an den Nation­al­sozial­is­mus zu reden. Eine inten­sive Auseinan­der­set­zung und Aufar­beitung set­zte zunächst zöger­lich ein. Wie war der jew­eilige Umgang damit im geteil­ten Deutsch­land? Wie ist die Erin­nerungskul­tur heute? Welche Rolle spielt die Ver­gan­gen­heit in der Gegen­wart? Darüber möcht­en wir mit unserem Gast und Ihnen ins Gespräch kom­men. Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Die Ver­anstal­tung find­et in Koop­er­a­tion mit dem Anger­mün­der Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltof­fene Stadt statt.

Ver­anstal­tung­sort:
Ratssaal im Rathaus Angermünde
Markt 24
16278 Angermünde

Ver­anstal­tungs­da­tum:
Mon­tag, 27.01.2020
18.00 Uhr

Ein­tritt & Anmeldung:
Der Ein­tritt ist frei. Um eine Anmel­dung  wird zu Pla­nungszweck­en gebeten.

Kon­takt:
Hein­rich-Böll-Stiftung Bran­den­burg e.V.
Tel.: 0331 20057816
Team Mit:Menschen
mitmenschen@boell-brandenburg.de
www.boell-brandenburg.de

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Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27.01.1945 wurde das Massen­ver­nich­tungslager Auschwitz-Birke­nau von der Roten Armee befreit.

75 Jahre nach der Befreiung wollen wir mit euch gemein­sam an die Geschehnisse erin­nern und den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus gedenken. Zeit­en, in denen die deutsche Geschichte ver­harm­lost, rel­a­tiviert oder geleugnet wird und es immer wieder zu anti­semi­tis­chen Angrif­f­en kommt, kön­nen wir nicht kom­men­tar­los hinnehmen.Nur durch eine niemals endende Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hung und Wirkungsweise des Nation­al­sozial­is­mus wird es möglich sein, die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen zu bew­erten. Anti­semitismus, Nation­al­is­mus und Faschis­mus sind nicht ver­schwun­den – wir müssen die Erschei­n­ungs­for­men und deren Aus­prä­gun­gen erken­nen und bekämpfen.

Darum kommt am 27.01.2019 um 19.00 Uhr zum Denkmal für die Opfer des Faschis­mus auf dem Platz der Ein­heit in Potsdam.

Erin­nern – Gedenken – Handeln!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Bildung & Kultur jüdisches Leben & Antisemitismus Sonstiges

…wie wir uns Antidiskriminierungsarbeit im Land wünschen”

Liebe Freund*innen, liebe Unterstützer*innen, liebe Aktive,

in diesem Jahr hät­ten wir wieder ein Jubiläum zu feiern. Unsere 2009 ein­gerichtete Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg beste­ht nun 10 Jahre. Doch, wie auch zum 20-jähri­gen Beste­hen der Opfer­per­spek­tive im let­zten Jahr, fällt es schw­er, die Notwendigkeit unser­er Arbeit als freudi­gen Anlass zu sehen.

Die Ereignisse in diesem Jahr – der Mord an Wal­ter Lübcke, die zahlre­ichen Ver­strick­un­gen von Neon­azis in die Sicher­heits­be­hör­den und die Morde an Jana L. und Kevin S. nach dem gescheit­erten Angriff auf die Syn­a­goge in Halle, sind erschreck­end. Angesichts der recht­en Gewalt, der alltäglichen Diskri­m­inierung und Het­ze, von denen uns Rat­suchende und Kooperationspartner*innen immer wieder bericht­en und die wir selb­st erleben, ist diese Eskala­tion jedoch wenig überraschend.

Auch wenn es nichts zu feiern gibt, nutzen wir das 10-jährige Beste­hen als Gele­gen­heit zurück­zuschauen, auf die Pro­jek­te, Ver­anstal­tun­gen und Kam­pag­nen, die wir alleine oder mit anderen ini­ti­iert haben, um dieser Alltäglichkeit ent­ge­gen­zuwirken. Aber auch, um nach vorne zu schauen, wie wir uns eine Antidiskri­m­inierungsar­beit im Land Bran­den­burg in Zukun­ft wünschen.

Eine freudi­ge Nachricht gibt es zum Schluss dann aber doch noch: Nach­dem wir im Okto­ber erfuhren, dass wir im kom­menden Jahr keine Finanzierung für ein Antidiskri­m­inierung­spro­jekt durch das Bun­de­spro­gramm Demokratie Leben! erhal­ten wer­den, riefen wir zu Spenden für unsere Arbeit auf, um ab 2020 zumin­d­est das lan­desweite Antidiskri­m­inierung­spro­jekt im gle­ichen Umfang umset­zen zu kön­nen. Dafür beka­men wir viel Zus­pruch und Unter­stützung. Nun erhiel­ten wir, uner­wartet und zeit­gle­ich zum Druck dieses Rund­briefes, die Auf­forderung, einen Antrag bei Demokratie Leben! zu stellen und gehen nun davon aus, eine Förderung im kom­menden Jahr zu erhalten.

Wir möcht­en uns bei allen bedanken, die sich auf unter­schiedlichen Wegen dafür stark gemacht haben, dass wir nachträglich als Mod­ell­pro­jekt aus­gewählt wur­den. Das ist ein großer Erfolg für uns, denn so kön­nen wir unsere Arbeit im Fach­bere­ich Antidiskri­m­inierungsar­beit mit gle­ich­er per­son­eller Stärke fort­set­zen und weit­er aus­bauen. Die gesam­melten Spenden wer­den als Eigenan­teil in die lan­desweite Beratung fließen.

Mit unserem aktuellen Rund­brief möcht­en wir euch Ein­blicke in unsere Arbeit geben und uns her­zlich für eure Unter­stützung bedanken!

Ihr kön­nt die gesamte Aus­gabe und ältere Aus­gaben hier abrufen: https://www.opferperspektive.de/schattenberichte

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(Anti-)Rassismus jüdisches Leben & Antisemitismus

Vom Lautsprecher zum Leiseträger

Schwedt (ipr) Ein frühere Admin­is­tra­tor der flüchtlings­feindlichen Face­book-Gruppe “Uck­er­mark gegen Über­frem­dung und Asylmiss­brauch” ist am Dien­stag vor der Strafrich­terin beim Amts­gericht Schwedt mit einem blauen Auge davongekom­men. Ein Ver­fahren wegen Volksver­het­zung in Tatein­heit mit öffentlichem Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen wurde vor­läu­fig eingestellt. Er muss in den näch­sten drei Monat­en 80 Stun­den gemein­nützige Arbeit­et leisten.

Vorge­wor­fen wurde dem heute 25-jähri­gen Max M. auf einem frem­den Face­book-Pro­fil eine Nazi-Darstel­lung gelikt und dadurch mit seinen Face­book-Fre­un­den geteilt zu haben. Unklar in der Ver­hand­lung blieb, ob er mit dem Pro­fil­in­hab­er befre­un­det war oder ob ein­er sein­er Face­book-Fre­unde das Bild eben­falls gelikt hat­te und er so das straf­bare Bild ent­deckt haben könnte.

Die Fotomon­tage – heute noch prob­lem­los im Netz zu find­en — zeigt einen NSDAP-Parteiauf­marsch mit vie­len Hak­enkreuz-Stan­darten und Adolf Hitler im Wei­h­nachts­mannkostüm. Darauf ist der Text zu lesen: “HO-HO-HOLOCAUST”.

Max M. bestätigte vor Gericht, dass er das Bild kenne, dass er das aber nicht bewusst gelikt habe. Es muss zufäl­lig beim Scrollen passiert sein. Außer­dem habe er bis zu sein­er Vernehmung nicht gewusst, dass Liken auch Teilen bedeute. Der ermit­tel­nde Polizeibeamte bestätigte im Zeu­gen­stand, dass alle, die er in diesem Kom­plex anhörte, darüber ver­wun­dert waren.

Der ehe­ma­lige Bäck­er­lehrling erläuterte, dass er sich nach seinen Haft­strafen, die zu drei Jahren auf Bewährung aus­ge­set­zt wor­den waren, von der recht­en Szene ver­ab­schiedet habe. Er habe alle Bewährungsaufla­gen erfüllt. Er sei sog­ar aus Anger­münde wegge­zo­gen. Er küm­mere sich um seine 2‑jährige Tochter. Er mache eine neue Aus­bil­dung und sei im drit­ten Lehrjahr.

Dass mit dem Scrollen wollte die Rich­terin nicht so recht glauben, schlug let­z­tendlich aber doch vor, das Ver­fahren einzustellen. Die Staat­san­wältin stimmte zu.

Hak­enkreuz auf dem Oberschenkel

Die Vorstrafen von Max M. entsprangen eher unpoli­tis­chen Motiv­en. Anfang Feb­ru­ar 2015 war er in Anger­münde ver­prügelt wor­den. Zwei Per­so­n­en sollen dabei beobachtet wor­den sein, wie sie Max M. erst nieder­schlu­gen und sich dann mit einem Auto davon­macht­en. Als Ret­tungssan­itäter und Polizei zu Hil­fe eilen woll­ten, soll es zu gewalt­täti­gen Reak­tio­nen des Mannes gekom­men sein. Im Kranken­haus ent­deck­te man noch einen Schla­gring in der Hosen­tasche und eine Hak­enkreuztä­towierung auf dem Ober­schenkel. Verurteilt wurde er dann wegen uner­laubten Waf­fenbe­sitzes, Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte, Belei­di­gung und Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen.

Nur vier Tage nach dem Über­fall musste er sich in Schwedt vor dem Jugen­drichter ver­ant­worten. Im Juli 2014 wollte Max M. seine ehe­ma­lige Fre­undin heim­suchen. Das fand die gar nicht gut und rief die Polizei. Im Ergeb­nis brachte ihm das ein Jahr Jugend­haft auf Bewährung wegen Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte und Belei­di­gung. Dazwis­chen gab es noch eine Verurteilung wegen Unfall­flucht. Das ergab dann ein Jahr und zwei Monate Haft, die auf drei Jahre zur Bewährung aus­ge­set­zt wurden.

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Wo die Kritik aufhört — Israelbezogener Antisemitismus

Anti­semitismus wurde in Deutsch­land lange vor allem im Zusam­men­hang mit der NS-Ver­gan­gen­heit disku­tiert. Wie hart­näck­ig sich anti­semi­tis­che Ein­stel­lun­gen aber weit­er­hin hal­ten, wurde dabei oft nicht erkan­nt. Nun bricht sich der Hass gegen Juden und Jüdin­nen wieder offen Bahn. Beson­ders das Inter­net und die sozialen Medi­en schaf­fen einen neuen Res­o­nanzraum für alte Vorurteile.

Zen­tral ist dabei die Rolle des Nahostkon­flik­ts. Er bietet die Plat­tform für eine ver­meintliche Israelkri­tik, die häu­fig die Gren­ze zu anti­semi­tis­chen Äußerun­gen überschreitet.

Mit der His­torik­erin Juliane Wet­zel sprechen wir darüber, wo eine legit­ime kri­tis­che Sicht auf israelis­che Poli­tik aufhört und wo israel­be­zo­gen­er Anti­semitismus anfängt. Wir fra­gen nach, wie wir in Diskus­sio­nen zwis­chen Kri­tik und Anti­semitismus unter­schei­den kön­nen. Und wir disku­tieren einen Umgang mit israel­be­zo­gen­em Antisemitismus.

Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Die Ver­anstal­tung find­et in Koop­er­a­tion mit dem Anger­mün­der Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltof­fene Stadt statt.

Ver­anstal­tung­sort:
Ratssaal im Rathaus Angermünde
Markt 24
16278 Angermünde

Ver­anstal­tungs­da­tum:
Dien­stag, 26.11.2019
18.00 Uhr

Ein­tritt & Anmeldung:
Der Ein­tritt ist frei. Um eine Anmel­dung  wird zu Pla­nungszweck­en gebeten.

Kon­takt:
Hein­rich-Böll-Stiftung Bran­den­burg e.V.
Tel.: 0331 20057816
Team Mit:Menschen
mitmenschen@boell-brandenburg.de
www.boell-brandenburg.de

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Platzhalter für Hakenkreuze

Linke Slo­gans für rechte Het­ze – „Ham­mer und Schw­ert“ ist ein Nazi-Symbol

Sich häufende Sym­bole mit „Ham­mer und Schw­ert“ zeu­gen von ein­er neon­azis­tis­chen Sek­te in Frank­furt (Oder)

Graf­fi­ti mit dem Schriftzug „NR-Zone“ sowie Stick­er und Plakate mit Ham­mer und Schw­ert sind seit Anfang 2019 häu­figer in Frank­furt zu find­en. Weil der Mehrheit der Frankfurter*innen diese Sym­bo­l­ik unbekan­nt sein dürfte, beste­ht die Gefahr, dass sie nicht als das wahrgenom­men wer­den, was sie sind: Zeichen ein­er sich radikalisieren­den, neon­azis­tis­chen Gesin­nung, sowie
Revier­markierun­gen ein­er Jugend­gruppe, gegen die noch wenig unter­nom­men wurde.

Ob das wohl „Nich­tRauch­er-Zone“ meint, liebe Polizei?

Das Zeichen von ver­schränk­tem Ham­mer und Schw­ert gehört zu den weni­gen nazis­tis­chen Sym­bol­en, die in Deutsch­land nicht ver­boten sind. Dementsprechend „dient es häu­fig als Platzhal­ter für das Hak­enkreuz“ [1]. Pop­ulär macht­en das Sym­bol in den 1920er Jahren die Brüder Gre­gor und Otto Strass­er und der sog. Nation­al­rev­o­lu­tionäre Flügel der NSDAP. Wom­it auch die Bedeu­tung des Kürzels „NR“ gek­lärt wäre: Die Nationale Rev­o­lu­tion, die die Strass­er-Brüder pro­moteten, sollte Arbeit­er (Ham­mer) und Sol­dat­en (Schw­ert) in einem nationalen Kampf gegen das (Groß-)Kapital vere­inen. Ihr größter Feind, na klar: der jüdis­che Unternehmer, der die Völk­er dieser Welt unter­drückt und aus­beutet. In diesem Sinne sind auch die Stick­er zu ver­ste­hen, auf denen linke Slo­gans („Gegen Krieg, Aus­beu­tung und Unter­drück­ung“) gekapert werden.

Eben­falls aus jen­er Zeit stammt die Beze­ich­nung „Nation­al­bolschewis­ten“ für nation­al­is­tis­che Grup­pierun­gen, die sich antikap­i­tal­is­tisch geben und in ihrer Rhetorik und im Stil Anlei­he an der linken bzw. kom­mu­nis­tis­chen Bewe­gung nehmen. Es gab zudem ehe­ma­lige Kommunist*innen, die sich von der glob­alen Arbeit­erk­lasse, dem Inter­na­tion­al­is­mus und der Sol­i­dar­ität der Völk­er ver­ab­schiede­ten, um von nun an auf die völkische Art die herrschen­den Ver­hält­nisse umstürzen zu wollen – unter der Maß­gabe von Anti­semitismus, Ras­sis­mus und dem Hass auf alles „Kranke“ und „Schwache“.

Stil­blüten ein­er Querfront-Strategie

Unter dem Label „Quer­front“ wer­den heutzu­tage Ver­suche disku­tiert, solche ide­ol­o­gis­chen Exper­i­mente wieder aufleben zu lassen. Ein Face­book-Video der Gruppe „H&S crew ffo“ zeigt Plakate ein­er „ANTIKAP AKTION“ mit dem von Antifa-Ini­tia­tiv­en inspiri­erten Slo­gan „Aler­ta Strasserista“. Wie schon vor eini­gen Jahren die sog. „Autonomen Nation­al­is­ten“ wird der pop­uläre sub­kul­turelle linksradikale Style durch sog. „Antikap­i­tal­is­tis­che Kollek­tive“ teil­weise imi­tiert [2] und mit nation­al­sozial­is­tis­ch­er Ide­olo­gie überzogen.

Gute NSDAP vs. böse NSDAP? – Die Logik der Nationalrevolutionäre

In Frank­furt (Oder) bezieht sich also inzwis­chen eine Grup­pierung mit ihrem Strass­er-Kult öffentlich auf einen Nation­al­sozial­is­ten der ersten Stunde. Abseits der Face­book-Gruppe weisen zahlre­iche Schmier­ereien im Stadt­ge­bi­et auf die zunehmende Aktiv­ität der kru­den Neon­azis hin. Beson­ders auf­fäl­lig sind die Vielzahl der Graf­fi­ti in Hansa Nord und im Botanis­chen Garten. Es scheint sich um eine Hand­voll junger Erwach­sen­er zu han­deln, die sich derzeit mith­il­fe der hier skizzierten Ide­olo­gie radikalisieren und die Errich­tung ein­er „nation­al­rev­o­lu­tionäre Zone“ ver­fol­gen. Zu fra­gen ist, inwieweit die damit ver­bun­dene Gewaltver­her­rlichung bere­its zu real­er Gewalt geführt hat: Am 11. Okto­ber schlu­gen gle­ich mehrere Per­so­n­en in der Bergstraße in Hansa Nord einen Mann bru­tal zusam­men. Während die MOZ in ihren Bericht­en die Gruppe lediglich als „ran­dalierende Jugendliche“[3] beze­ich­net und ein eventuelles poli­tis­ches Motiv keine Erwäh­nung find­et, gilt es zu klären, ob hin­ter dieser und ander­er Tat­en eventuell auch ein men­schen­ver­ach­t­en­des recht­sex­tremes Welt­bild steckt. Bere­its im März 2019 zeigte sich die Frank­furter Polizei auf dem recht­en Auge blind, als sie „nation­al­rev­o­lu­tionäre“ Schmier­ereien an der Wal­dorf­schule in Süd sowie am Ober­stufen­zen­trum als Kava­liers­de­lik­te abtat: „‚Bei keinem der Ein­sätze war ein poli­tis­ches Motiv zu erken­nen‘, so Polizeikom­mis­sar Hille.“[4]

[1] https://dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/nationalsozialismus/hammer-und-schwert-38.html
zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[2] Vgl. https://www.belltower.news/sind-das-antifas-nein-das-ist-das-rechtsextreme-antikapitalistische-kollektiv-44138/ zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[3] Vgl. etwa https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1761327/
zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[4] https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1716974/ zulet­zt einge­se­hen 10.11.19

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