Am 15. Februar 1945 kehrte der Krieg, der von deutschem Boden ausging, nach Cottbus zurück — die Stadt wurde durch die Alliierten bombardiert. Seit 2010 versuchen Nazis diesen Tag für ihre Zwecke zu missbrauchen. Nachdem sie in der Vergangenheit mit ihren Aufmärschen an unseren Menschenblockaden scheiterten, werden sie, wie im letzten Jahr, auch in diesem Jahr nur eine Kundgebung abhalten. Viel ist dabei nicht von ihnen zu erwarten.
Das ist natürlich trotzdem kein Grund, dies unwidersprochen geschehen zu lassen! Deswegen rufen wir zu einer Gegenkundgebung in Hör- und Sichtweite der Neonazis auf. Nie wieder darf in Deutschland rassistische, nationalistische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Ideologie unwidersprochen verbreitet werden.
Cottbus war 1945 nie ein ziviles Ziel, sondern leistete durch in der Stadt ansässige Industrien einen aktiven Beitrag zum Krieg. So wurden hier in Cottbus unter anderem tausende Panzerkettenfahrzeuge und Flugzeuge, auch Bomber, produziert. Der Bahnhof spielte mit dem Näherkommen der Roten Armee für die Truppenbewegungen der Wehrmacht eine strategisch wichtige Rolle. Auch in diesem Jahr wird in Cottbus der Toten dieses Krieges gemäß christlicher Tradition gedacht. Nicht zulassen wollen wir jedoch die Verdrehung der Opfer- und Täterrollen des Zweiten Weltkrieges, wie sie jährlich von Neonazis propagiert wird.
Das politische Klima wird aktuell wieder rauer und kälter. Wir müssen uns mit dem Wiedererstarken von rassistischen, nationalistischen und wertkonservativen Elementen auseinandersetzen und ihnen stets widersprechen. Wohin solche Ideologie führen kann, lehrt uns die Geschichte und daher ist es unser Auftrag den Anfängen zu wehren. Wir wollen stattdessen Werte etablieren, die es Menschen unabhängig von (sozialer) Herkunft, Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung ermöglicht, frei zu leben. Deswegen wollen wir jetzt schon einmal auf den 22. April — den Tag der Befreiung von Cottbus — hinweisen. Denn die Geschichte lehrt uns auch, dass wir dem Faschismus nicht ohnmächtig gegenüber stehen. Mit dem Ende der Nazidiktatur in Deutschland wurde uns die Chance für eine friedliche Zukunft gegeben. Es liegt nun an uns diese zu nutzen!
Deshalb rufen wir alle Menschen dazu auf am 15.Februar um 17.30 Uhr vor das Knappschaftsgebäude, Nähe Bahnhof, in Cottbus zu kommen. Weitere Informationen findet ihr hier auf Facebook und unter www.cottbus-nazifrei.info
Haltet euch auf dem Laufenden, damit es gemeinsam wieder heißt: Cottbus Nazifrei!
Kategorie: Geschichte & Gedenken
Insgesamt 25 Personen nahmen an der Podiumsdiskussion am vergangen Donnerstag teil. Auf der Bühne war ein Vertreter der Kampagne “Emil Wendland — Niemand ist Vergessen” aus Neuruppin, Judith Porath von der Opferperspektive und ein Vertreter der Antifa Jugend Brandenburg. Die Diskussion wurde von der Journalistin Heike Kleffner moderiert. Leider haben zu Beginn der Woche die Gedenkinitiativen aus Bad Belzig und Eberswalde aus persönlichen Gründen abgesagt, sodass die Runde relativ klein war, aber gleichzeitig mehr Raum für eine intensive Diskussion geschaffen hat.
Thematisch ging es hauptsächlich um den Umgang mit dem Gedenken und wie dieses in den alltäglichen politischen Kampf eingebettet wird. Alle drei Vertreter_innen machten deutlich, dass es nie darum geht, die Todesopfer rechter Gewalt zu Märtyrer_innen zu erheben, sondern darum die Ursachen und die Begleitumstände zu benennen. Sowohl in Neuruppin als auch in Brandenburg an der Havel gehören die Todesopfer rechter Gewalt sozialen Gruppen an, die zum einen häufig Opfer rechter Gewalt werden, Wohnungslose und Punks, und gleichzeitig wenig Beachtung innerhalb der Gesellschaft finden. Diese wurde auch gerade erst wieder im Zusammenhang mit der Umbenennungsdebatte in der Havelstadt deutlich. Nach circa einer Stunde erhielten die Zuhöhrer_innen die Möglichkeit Fragen zu stellen. Im sich anschließenden Abschlussstatement, machten alle drei Vertreter_innen deutlich, dass gerade jetzt Zivilcourage und die Solidarisierung mit Opfern rechter Gewalt extrem wichtig sind, damit Morde und brutale Übergriffe unterbunden werden können.
Am kommenden Donnerstag, den 04. Februar findet die letzte Abendverstaltung der Kampagne statt. Bei dieser wird auf das Verhalten bei politischen Veranstaltungen eingegangen. Es werden unter anderem folgende Fragen/Themenkomplexe angesprochen:
Was nehme ich auf eine Demo mit und was nicht?
Wie verhalte ich mich auf einer Demo?
Was mache ich, wenn ich oder ein_e Freund_in festgenommen werde/wird?
04. Februar – 19 Uhr – Haus der Offiziere (Magdeburger Straße 15, Brandenburg/Havel)
9. November 1938. Überall in Deutschland werden jüdische Einrichtungen angegriffen. Schaufenster werden eingeschlagen, Menschen verprügelt und umgebracht. An vielen Orten wie hier in Potsdam brennen damals die Synagogen. Die Reichspogromnacht war nur der Auftakt für ein noch viel größeres Verbrechen: den zweiten Weltkrieg und die geplante Vernichtung von Millionen von Menschen in ganz Europa. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
9. November 2015. 77 Jahre danach. Überall in Deutschland gedenken Menschen der Ereignisse von damals, viele wollen aus der Geschichte gelernt haben, wollen eine Welt in der Auschwitz oder ähnliches nicht wieder geschehen könne. Doch nicht alle haben verstanden, nicht alle gelernt, nicht alle suchten die Auseinandersetzung. Wenn heute wieder tausende Menschen gegen Geflüchtete demonstrieren, Heime angreifen, Menschen durch die Städte hetzen, ist klar, dass der Hass und der Rassismus nicht weg sind. Mit dem Abschwächen der rechten Bewegungen Ende der 90er Jahre und dem Rückzug von einigen von ihnen in den Untergrund erschien das Problem eine Zeit lang marginalisiert. Aufmärsche wurden reihenweise gestoppt, eine faschistische Hegemonie konnte dank entschiedener Interventionen durch Bildung, linke Subkultur oder militante Angriffe in vielen Dörfern und Städten gebrochen werden.
Doch scheinbar plötzlich sind sie wieder da. Sie sind viele. Der ganz normale Bürger ist vorn mit dabei. Es gibt kaum Möglichkeiten der Auseinandersetzung. Die Argumente sind irrational. Ängste, Gefühle oder abstruseste Theorien sind in den Augen derer gerade wahr genug um Geflüchtete anzupöbeln oder anzugreifen. Parolen die nichts erklären, eine Kritik durch Angepasste an Allem und am Problem vorbei.
Die Gesellschaft steckt in einer Krise. Die Reproduktionsmöglichkeiten der kapitalistischen Ökonomie stocken. Nur ein Zeichen davon ist die noch die noch nie dagewesene Staatsverschuldung, ein Anderes, menschlicheres die Fluchtbewegung von Millionen aus der ausgebeuteten und verarmten südlichen Hemisphäre in den reichen Norden. In weiten Teilen der Welt fehlt zunehmend die Grundlage menschenwürdigen Lebens. Noch nie waren die Warensammlung und die Produktivkräfte so groß; und noch nie war die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ungerechter. Niemals war klarer, dass der Kapitalismus keine angemessene Gesellschaftsform für eine solidarische, selbstbestimmte gerechte Zukunft sein kann, nie war klarer, dass Naturbeherrschung und technische Rationalität nicht Reichtum und Nahrung für alle bedeuten werden. Ganz im Gegenteil.
Das System hat sich mit seiner Logik tief in das menschliche Bewusstsein eingebrannt. Es gibt kein Außen, keine Wirtschaft ohne Tausch. Das Verhältnis zwischen den Menschen und das von Mensch und Natur ist von Ausbeutung und dem Streben nach Mehrwert geprägt. Eine radikale Kritik daran scheint verstellt. Verstellt auch durch die Komplexität der Zusammenhänge. Da liegt die Flucht in einfache Erklärungen nahe. Doch nicht nur die dumpfen
Herrenmenschen mit ihrer deutschen Überlegenheitsphantasie verfallen darin, vor allem die sozialen Verwerfungen auf wahlweise Ausländer, Kommunisten oder Juden zur projizieren. Auch linke Kritik darf sich nicht an der Regierung, an den scheiß; Nazis oder den Banken erschöpfen, sie muss das gesellschaftliche Verhältnis ins Visier nehmen, analysieren, in Frage stellen und in der Konsequenz umwälzen.
November 1918. In Europa tobt der Erste Weltkrieg. Um Territorium und Einflusssphären der imperialen Länder zu vergrößern verrotten Millionen in den Schützengräben in Ost- und Westeuropa. Das erste Mal seit Menschengedenken töten sich Menschen nach industrieller Logik gegenseitig, die Befehlshaber sprechen dabei von “Materialschlachten”, weil Unmengen von Kriegs- und in ihren Augen Menschenmaterial an den Fronten verheizt werden.
Doch am 9. November 1918 ist Schluss damit. Überall im Deutschen Reich, dem maßgebenden Aggressor dieses Krieges revoltieren wie schon 1917 in Russland in allen großen Städten die Arbeiter_innen und Soldaten gegen Krieg, Hunger und Kapitalismus. Sie machen Revolution, viele wollen sich nicht länger ausbeuten und ermorden lassen und lehnen es auch ab die Menschen auf der anderen Seite der Front sinnlos abzuschlachten. In Deutschland wird der Kaiser gestürzt der Krieg beendet und schließlich die Revolution blutig niedergeschlagen.
97 Jahre später ist heute die Erinnerung nur noch blass. Eine radikale Linke ist marginalisiert in Deutschland, eine Arbeiter_innenbewegung, die diesen Namenverdient ist nicht in Sicht, jede Revolte wurde integriert, jeder Aufschrei ist doch wieder verstummt. Doch der Gedanke nach Veränderung ist noch nicht erloschen und wir durch die gesellschaftlichen Verhältnisse täglich neu reproduziert.
Jahr ein Jahr aus wird uns die Alternativlosigkeit herrschender Politik versichert. Nur wer arbeitet und sich ausbeuten lässt hat Anrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, nur die Ansiedlung und Subventionierung großer Unternehmen steigert den Konsum und verbessert die Lebensbedingungen, nur die Deregulierung der Märkte verheißen Wohlstand und Reichtum, nur der kapitalistische Staat und seine Institutionen entscheiden was richtig ist und was falsch, Wahlen dienen lediglich zur Legitimierung nicht zur Mitbestimmung. Doch nichts von alledem ist wahr. Die Welt und mit ihr die Menschheit steht am Abgrund. Die Natur wird in einem unvergleichlichen Ausmaß verödet, ausgebeutet und vergiftet, Tierarten ausgerottet, obwohl es anders möglich wäre, zerstört der Mensch seine eigene Reproduktionsgrundlage.
Es ist höchste Zeit dem ein Ende zu bereiten. Die Logik des Kapitals hat abgewirtschaftet. Lasst uns gemeinsam verstehen und hinterfragen, lassen wir uns nichts mehr gefallen, lernen wir wieder zu kämpfen! Kapitalismus ist ein
soziales Verhältnis und hat eine blutige und grausame Geschichte. Dies müssen wir uns klar machen! Denn es heißt, diese Geschichte hat ein Anfang und ein Ende!
Kurzfristig müssen wir unsere Apathie Überwinden, den Faschisten und i“ch bin ja kein Nazi-aber”-Idiot_innen das Leben schwer machen und rassistische Hetze unmöglich machen.
Langfristig bleibt die Aussicht: Befreite Gesellschaft oder Barbarei!
Am Morgen des 07. November nahmen circa 25 Personen an einer Gedenkkundgebung für den von Neonazis ermordeten Rolf Schulze in Lehnin teil. Das Gedenken findet seit dem Jahr 2012 regelmäßig auf dem Markgrafenplatz im Ortszentrum statt, denn der Ort, an dem der wohnungslose 52-jährige im Jahr 1992 ermordet wurde, befindet sich am Kolpinsee. Dieser liegt inmitten eines Waldes in der Nähe Lehnins. Vermutlich aus diesem Grund, identifizieren sich viele Lehniner_innen nicht mit dem Mord. Des Weiteren fehlt eine intensive Auseinandersetzung im Rahmen der Lokalpolitik.
Insgesamt wurden drei Redebeiträge verlesen. Der erste stammte von der „Linken Jugend Fläming“, in diesem wurden Gedenktage und ihre Bedeutung im historischen Kontext thematisiert. Im Anschluss wurde der Redebeitrag der Opferperspektive verlesen. Diese engagiert sich nicht nur im Bereich der Opferberatung sondern unterstützt zahlreiche Initiativen im Land Brandenburg die sich dem Gedenken an die Todesopfer rechter Gewalt widmen. Der Beitrag zeigte die Kontinuität der Diskriminierung von wohnungslosen Menschen seit 1993 bis heute auf. Schon während der Nazidiktatur wurden systematisch sogenannte „Asoziale“ verfolgt, eingesperrt und ermordet. Trotzdem wurde an sie keine Entschädigungen gezahlt. Die Diskriminierung setzt sich dann weiter fort, denn Polizeibedienstete, Ordnungsamtsmitarbeiter_innen und private Sicherheitsbedienstete verdrängen wohnungslose Menschen zunehmend aus Fußgängerzonen, Bahnhöfen und anderen öffentlichen Räumen. Zum Schluss ging der Redebeitrag noch auf den aktuellen Versuch von Neonazis ein, wohnungslose Menschen zu instrumentalisieren um gegen Geflüchtete zu hetzen. So kursieren unter anderem Sprüche wie „Ich helfe lieber einem deutschen Wohnungslosen als einem Asylanten“ im Netz. Gleichzeitig stellen wohnungslose Menschen eine nicht unbedeutende Gruppe unter den Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik dar. Bei dem letzten Redebeitrag handelte es sich um den Aufruf der antifaschistischen Kampagne „fighting for 20 years“ von der Antifa Jugend Brandenburg, welcher unter http://fightingfor20years.blogsport.de/aufruf/ nachgelesen werden kann.
Wir werden auch in Zukunft wieder nach Lehnin kommen um an Rolf Schulze und die anderen Todesopfern zu erinnern, denn wenn wir vergessen, wohin Rassismus, Neonazismus und Kapitalismus führen, verliert unser Kampf für eine gerechte Welt seine Grundlage!
Am 07. November jährt sich der brutale Mord an Rolf Schulze. Er wurde im Jahr 1992 von drei Neonazis auf dem Bahnhof Schönefeld aufgegriffen und zum Kolpinsee in der Nähe des Dorfes Lehnin gebracht. Dort quälten die drei jungen Männer den wohnungslosen 52-jährigen stundenlang: sie traten und schlugen ihn, hielten seinen Kopf unter Wasser und zündeten ihn schlussendlich an. Anschließend ließen sie Rolf Schulze am Strand des Sees liegen und fuhren nach Hause. Am darauffolgenden Tag wurde die Leiche gefunden. Die Neonazis prahlten mit ihrer Tat, sodass es schnell gelang sie festzunehmen und ihnen den Prozess zu machen. Alle drei verbüßten daraufhin lange Gefängnisstrafen.
Das Opfer geriet danach nahezu in Vergessenheit. Der Name Rolf Schulze tauchte zwar immer wieder in den Statistiken zu /Todesopfern rechter Gewalt/ auf, eine Gedenkveranstaltung oder die weitere Aufarbeitung des Mordes geschah bis zum Jahr 2012 jedoch nicht. Zum 20. Todestag organisierte das /Antifaschistische Netzwerk: Brandenburg-Premnitz-Rathenow/ Infoveranstaltungen und, gemeinsam mit der Partei Die LINKE, eine Kundgebung. Seither finden jährlich Veranstaltungen statt um den Mord nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
In diesem Jahr will die Antifa Jugend Brandenburg gemeinsam mit der Linksjugend [’solid], der AG Antifa und der Partei Die LINKE daran anknüpfen. Gerade die Entwicklung der GIDA-Bewegungen, die nahezu täglich stattfindenden Brandanschläge auf geplante Geflüchtetenunterkünfte und die Bedrohungen gegenüber Geflüchteten und deren Unterstützer_innen zeigen deutlich, dass sich das politische Klima wandelt. Gewalttätige Übergriffe sind fast wieder an der Tagesordnung und wir sehen die realistische Gefahr, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis nicht nur geplante sondern auch bewohnte Unterkünfte brennen und wieder Menschen sterben. Der Tod von Rolf Schulze zeigt deutlich, wohin rassistische und klassistische Hetze führt. Gegen diese gilt es am 07. November auf die Straße zu gehen.
November – 10 Uhr – Markgrafenplatz/Lehnin
Antifa Jugend Brandenburg | AG Anitfa [BRB] | linksjugend [’solid] BRB
Opferperspektive — Die rechte und rassistische Gewalt in Brandenburg steigt in diesem Jahr alarmierend. Mit 88 rechten Angriffen, die der Verein Opferperspektive bis Ende Juli registrierte, ist bereits nach 7 Monaten das Angriffsniveau des Vorjahres erreicht (2014 gesamt: 92 Fälle). Von einer hohen Dunkelziffer und von Nachmeldungen ist auszugehen. Das häufigste Tatmotiv ist Rassismus mit 50 Angriffen, weitere 23 Angriffe richten sich gegen politisch Aktive. Nach Kenntnis der Beratungsstelle sind von den Angriffen mindestens 250 Personen direkt oder indirekt betroffen.
Die Schwelle zur Gewalt ist wahrnehmbar gesunken und der überwiegende Teil der Angriffe sind gefährliche Körperverletzungen (37 Fälle) und einfache Körperverletzung (24 Fälle). Darüber hinaus sind Fälle von Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Brandstiftungen an geplanten Flüchtlingsunterkünften von der Opferperspektive registriert worden.
„Dieses Angriffsniveau vor allem gegenüber geflüchteten Menschen und einen so hohen Anteil an Körperverletzungen haben wir seit langem nicht erlebt. Die Lage ist alarmierend. Anders als im Vorjahr lassen sich keine regionalen Schwerpunkte mehr ausmachen, denn die rassistischen Angriffe werden flächendeckend in Brandenburg verübt,“ fasst die Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive Judith Porath die momentane Situation zusammen.
Angriffe sind Alltag
Die rassistische Stimmung in Brandenburg ist insgesamt stark gestiegen. Beleidigungen, Beschimpfungen und Angriffe erfolgen überall: im Supermarkt, im Wohnumfeld, auf der Straße, am Bahnhof und in der Umgebung von Gemeinschaftsunterkünften. Teilweise werden die Taten von organisierten Neonazis begangen, auffallend ist aber der steigende Anteil an Täter_innen, die sich selbst nicht diesen Strukturen zuordnen.
„Wir erfahren aus Beratungsgesprächen immer wieder, dass Menschen aus Angst vor weiteren Attacken nur noch für die wichtigsten Erledigungen das Haus verlassen. Rassistische Gelegenheitstäter_innen fühlen sich offenkundig durch die allgemeine Mobilisierung gegen Flüchtlinge bestärkt ihre Menschenverachtung und ihren Hass spontan in Gewalt umzusetzen,“ erläutert Judith Porath die bedrohliche Lage für Flüchtlinge.
In Hennigsdorf greift ein Mann Anfang August zwei Asylsuchende mit einer abgeschlagenen Bierflasche an und verletzt sie schwer, einer der Angegriffenen erleidet eine tiefe Schnittwunde nahe der Halsschlagader. Bei den rassistischen Angriffen ist versuchter Totschlag jedoch nur die Spitze des Eisberges:
In Frankfurt/Oder wird eine Gruppe syrischer Flüchtlinge zwei Stunden durch die Stadt gejagt und zusammengeschlagen, Flüchtlinge in Wriezen werden aus einem Auto heraus mit Flaschen beworfen, in Cottbus rammt ein Mann einer schwangeren Frau aus Tschetschenien mehrmals einen Einkaufswagen gegen den Bauch, vor einer Gemeinschaftsunterkunft in Potsdam attackieren Männer aus der benachbarten Autowerkstatt einen somalischen Flüchtling mit Werkzeugen. Neonazis schikanieren in Hennigsdorf den Betreiber eines Imbiss und greifen ihn und sein Personal so häufig an, bis sich keiner mehr für ihn zu arbeiten traut. An einer Bushaltestelle in Cottbus erhält ein Student aus Kamerun mehrere Faustschläge ins Gesicht – das ist nur eine Auswahl der Angriffe der letzten Monaten.
Rassistische Hetze nicht weiter fördern
Der alarmierende Anstieg rassistischer Gewalt in Brandenburg ist nach Einschätzung der Opferperspektive auf die massive Mobilisierung gegen Flüchtlinge in Politik, Medien und in den sozialen Netzwerken zurückzuführen. Lokale Initiativen, oft verwoben mit rechten Organisationen, hetzen gegen Flüchtlinge und organisieren Kundgebungen vor Gemeinschaftsunterkünften. In der Presse bestimmen seit Monaten Szenarien von Notstand die Berichterstattung über Flucht und Asyl und heizen das rassistische Klima an. Politiker_innen und Behörden gießen Öl ins Feuer, indem sie über Flüchtlinge nur als Massenphänomen sprechen und den Eindruck vermitteln, zu viele Menschen suchten in Deutschland Schutz vor Krieg, Verfolgung und Hunger.
„Zeigen Politiker_innen auch noch Verständnis für die ‘diffusen Ängste und Sorgen’ von Rassist_innen und fordern mehr Maßnahmen zur Abschreckung von Flüchtlingen, erinnert uns das an die verheerende ‘Das Boot ist voll’-Rhetorik der 1990er Jahre“, bemerkt Judith Porath von der Opferperspektive.
„Es ist für uns unerträglich, wenn Rassist_innen und Neonazis vor Flüchtlingsunterkünften aufmarschieren und Bewohner_innen einschüchtern und bedrohen können.Es ist unerträglich, wenn Politiker_innen Flüchtlinge verunglimpfen und ihnen massenhaften Asylmissbrauch unterstellen und damit Sozialneid schüren, denn die rassistischen Täter_innen fühlen sich dadurch in ihren Vorurteilen bestärkt“, so Judith Porath weiter.
Vor dem Hintergrund des dramatischen Anstiegs der rassistischen Gewalttaten in Brandenburg fordert der Verein Opferperspektive die Landesregierung auf, alle Maßnahmen zu ergreifen der rassistischen Stimmung entgegenzuwirken und klare solidarische Signale für die Aufnahme von geflüchteten Menschen in Brandenburg zu setzen. Dazu gehört es unabdingbar, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, ihnen das Ankommen durch begleitende Programme zu ermöglichen und vor allem für ihren Schutz vor Gewalt und Bedrohungen zu sorgen.
Opferperspektive und Amadeu Antonio Stiftung begrüßen unabhängige Untersuchung “Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Brandenburg (1990–2008)“des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ)
Berlin, 29.06.2015: Die Ergebnisse des Forschungsprojekts des MMZ haben offen gelegt, dass das Ausmaß tödlicher rechter Gewalt in Brandenburg bisher von staatlichen Stellen falsch beurteilt wurde. In nahezu allen untersuchten Fällen konnte ein rechtsextremes oder rassistisches Motiv nicht ausgeschlossen werden. Dies zeigt, wie wichtig die Forderung des Vereins Opferperspektive und der Amadeu Antonio Stiftung nach einer erneuten, unabhängigen Überprüfung der umstrittenen Tötungsdelikte stets war und für andere Bundesländer noch immer ist.
“Für viele Hinterbliebene war die unabhängige Überprüfung ein bedeutender Schritt. Endlich wurde versucht, die offene Frage nach dem Warum zu klären. Die erneute Konfrontation mit dem Tod eines Angehörigen ist gleichzeitig auch eine enorme Belastung, da alte Narben wieder aufbrechen”, erklärt Judith Porath, Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive.
Die Ergebnisse des MMZ verdeutlichen, dass bei nachweislich rechten Tätern den politischen Motiven durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht überhaupt nicht oder nicht ausreichend nachgegangen wurde. Die
Folge war eine sukzessive Entpolitisierung der Taten von Instanz zu Instanz. In der Rückschau sind daher nicht mehr in allen Fällen die politischen Tathintergründe zu klären. Vielmehr zeigt sich, wie wichtig eine Nebenklage und eine breite kritische Medienberichterstattung für die Thematisierung politischer Hintergründe der Tat sind. “Hinterbliebene von Todesopfern müssen anwaltlich gut vertreten werden. Zudem brauchen wir eine breite kritische Öffentlichkeit, damit derartige Fälle auch im Hinblick auf politische Tatmotive eingehend beleuchtet werden”, fordert Porath.
Das MMZ hat alle 24 strittigen Todesfälle angelehnt an das polizeiliche Erfassungssystem “Politisch motivierte Kriminalität” (PMK) bewertet. Das System weißt jedoch deutliche Mängel auf. “Taten, in denen ein
sozialdarwinistisches oder rassistisches Motiv mindestens eine tatbegleitende bis tateskalierende Rolle spielen, werden bisher nicht in der PMK-Statistik erfasst und damit von staatlicher Seite völlig entpolitisiert. Hier braucht es eine Möglichkeit, auch solche Fälle abzubilden, um die tödlichen Folgen von rassistischer und rechter Gewalt in Deutschland nicht länger zu verharmlosen”, so Anna Brausam von der
Amadeu Antonio Stiftung. Diese Fälle wurden auch vom MMZ nicht als eindeutig rechte Gewalt gewertet.
“Wir hoffen, dass auch andere Bundesländer dem Brandenburgischen Vorbild einer unabhängigen Überprüfung folgen werden. Dabei sollte auch das Konzept des MMZ aufgegriffen werden, einen Expertenarbeitskreis in
beratender Funktion einzusetzen. In Brandenburg hat sich gezeigt, dass es sehr konstruktiv war, strittige Fälle noch einmal aus den unterschiedlichen Blickwinkeln staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen zu diskutieren”, so Anna Brausam.
Zum Hintergrund:
Opferperspektive und Amadeu Antonio Stiftung beklagen seit Jahren die große Differenz zwischen der Zählung von Todesopfern rechter Gewalt durch staatliche Behörden und durch unabhängige Organisationen und Journalisten. Vertreterinnen beider Organisationen waren in beratender Funktion Mitglied im Expertenarbeitskreis für das Forschungsprojekt “Todesopfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt in Brandenburg (1990–2008)” des Moses Mendelssohn Zentrums. Die vom LKA bislang genannte Zahl von neun Todesopfern rechter Gewalt in Brandenburg verdoppelt sich gemäß den Ergebnissen des MMZ-Forschungsprojekts auf 18.
Für Rückfragen:
Opferperspektive e.V.: Judith Porath (0151 591 000 82) und Joschka Fröschner (0151 507 248 51)
Amadeu Antonio Stiftung: Anna Brausam 0176 (239 481 54)
Am 24. April 1945 wurde die Stadt Finsterwalde durch die Truppen der Roten Armee befreit.
Ihr Ziel war die Beendigung des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkrieges, welcher Europa und die ganze Welt für Jahre in den Abgrund rissen. Terror, Verfolgung und Mord waren an der Tagesrodnung gegen all diejenigen die nicht in ihr sogenanntes arisches Herrenmenschenbild passten. Durch Hitlers und der nationalsozialistischen Weltmachtsphantasien verwickelten sie Europa und Teile der Welt in einen Flächenbrand aus Zerstörung und Unmenschlichkeit.
Dank einer Vielzahl von entschlossenen Verbänden antifaschistischer Partisanen, der roten Armee und den Alliierten der Anti-Hitler Koalition konnte dieses mit der Kapitulation des deutschen Reiches am 08./09.Mai 1945 ein Ende finden.
Unsere Stadt wurde jedoch schon am 24.April 1945 befreit. Deshalb wollen wir gemeinsam mit euch am 25. April 2015, zum 70. Jahrestag an die Befreiung von Finsterwalde erinnern und feiern.
*Heraus zum 25.April 2015 — 15 Uhr — Wasserturm — Finsterwalde*
Befreiung Feiern — Faschismus Bekämpfen
Remembering means Fighting!
Rassismus und Faschismus entgegentreten — damals wie heute
Nahezu genau 70 Jahre nach der Befreiung Frankfurts vom Nationalsozialismus durch die Rote Armee wollen Neonazis und Rassist*innen erneut ihre Hetze gegen Geflüchtete verbreiten. Die Gruppe “Frankfurt/ Oder wehrt sich” organisiert bereits zum dritten Mal eine rassistische Aktion in der Stadt.
Am 23.4.1945 zog die Rote Armee in die Stadt ein und beendete die deutsche Barbarei, für die sich bis zum bitteren Ende Millionen Deutsche eingesetzt hatten. Für uns als Antifaschist*innen ist dieses Datum ein Grund zum Feiern — aber auch zum Kämpfen: 70 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft sehen wir uns weiter mit Rassismus, Unterdrückung und Menschenverachtung konfrontiert. Lasst uns den Neonazis am 25.4.2015 in Frankfurt (Oder) also zeigen, was wir von ihnen halten! Die rassistischen Zustände in Frankfurt (Oder) müssen benannt und bekämpft werden!
Seit August vergangenen Jahres gibt es in Frankfurt (Oder) eine organisierte rassistische Mobilisierung. Anstoß gab eine rassistisch aufgeladene Debatte um vermeintliche Drogenkriminalität im Lenné-Park. Lokalmedien griffen Gerüchte über dealende Schwarze Personen ungeprüft auf und berichteten ausgiebig. Dramatisierungen und „Flüchtlingsproblematik“-Rhetorik sorgten für weitere Panik. In dieser Dynamik entlud sich der Alltagsrassismus der Frankfurter*innen auf Facebook-Seiten wie „Blaulichtreport Frankfurt (Oder)“, „Bürgerwehr Frankfurt (Oder)“ oder “Frankfurt/Oder wehrt sich”. Für die im Aufschwung befindliche AfD ein gefundenes Fressen. So erhielt sie bei den letzten Landtagswahlen knapp 20% der Frankfurter Stimmen.
Eine erste Demonstration am 17. Januar mit knapp 250 Teilnehmenden war der Höhepunkt der organisierten rassistischen Mobilisierung in Frankfurt (Oder). Zwar versperrten Blockaden dem Aufmarsch den Weg in die Innenstadt und zwangen sie dazu, eine andere Route zu nehmen, doch können die Frankfurter Neonazis das Ganze als Zwischenerfolg verbuchen, war es doch die erste erfolgreiche neonazistische Demo in Frankfurt (Oder) seit 2007. Angezogen hat der Aufmarsch Neonazi-Kader, Hooligans, Rocker oder NPD’ler — darunter circa 70 Frankfurter*innen. Erschreckend war die Anzahl der vielen jungen Menschen, die sich wie selbstverständlich voller Hass und Menschenverachtung in die Menge einfügten und beseelt von der Sehnsucht nach einer „Volksgemeinschaft“ bei den „Wir sind das Volk“-Rufen mit einstimmten.
Am 14. Februar folgte dann eine weitere Kundgebung des rassistischen Mobs, zwar mit geringerer Beteiligung und begleitet von einem breiten Protest und einer antirassistischen Demonstration des Bündnisses “Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)”, aber doch wurde Menschenverachtung auch an diesem Tag eine Bühne geboten.
Und auch wenn es ihnen durch eigenes Unvermögen, ihren offen zur Schau getragenen Neonazismus und mangelnde politische Erfahrung bisher nicht gelungen ist, das vorhandene rassistische Potenzial gänzlich auszuschöpfen und über einen Kreis aus befreundeten Neonazis hinauszukommen, bedeutet dies keineswegs Entwarnung: die Rassist*innen stellen sowohl im Alltag als auch am 25.4. selbst eine Bedrohung für Andersdenkende dar. Als Beispiel sei an dieser Stelle auf einen rassistischen Übergriff auf eine Gruppe syrischer Geflüchteter am 21.3.2015 verwiesen; polizeibekannte Neonazis beleidigten und verfolgten sie zunächst gezielt, um sie dann mit Tritten und Schlägen zu verletzen.
Zudem ist davon auszugehen, dass die Gruppierung um “Frankfurt/Oder wehrt sich” Unterstützung von der Neonazi-Bewegung “Der III. Weg” erhält. Dessen zentrale Figur in der Region und in Brandenburg, Maik Eminger, war bereits auf beiden vorangegangenen Neonazi-Demonstrationen als Redner in der Oderstadt anwesend.
Remembering means Fighting!
Kommt nach Frankfurt und achtet auf Neuigkeiten!
Alerta Antifascista!
Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.
Der 1951 gegründete „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ hat circa 250 Mitglieder. Diese sind durchschnittlich über 80 Jahre alt. Nur einige wenige Mitglieder sind mittleren Alters, so waren beispielsweise am Workshopwochenende in Kirchmöser (s. u.) auch mindestens eine Familie mit Kind vor Ort. Inhaltlich geht es den Ludendorffern um die Vermeidung der Rassedurchmischung und den damit einhergehenden Tod des deutschen Volkes. Hierbei liegt ihnen besonders die Erziehung der Kinder in ihrem Sinne am Herzen, was ihnen wiederholt Einträge in den Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg brachte. Ihre Weltanschauung wird in dem Vorwort zu ihrem Buch „Die Judenmacht, ihr Wesen und Ende“ deutlich:
„Seit im dritten Reiche der Abwehrkampf der Deutschen Rasse gegen das jüdische Volk in strengen Gesetzen seine Gewähr gefunden, sehen wir daher mit Schrecken, daß es Millionen Deutsche gibt, die sich auch heute noch der trügerischen Hoffnung hingeben, der Jude sei nun überhaupt nicht mehr eine Weltgefahr. Indessen wühlt der Schlaue noch heute durch seine geheimen Kampfscharen im Volke und wühlt erst recht in all den Völkern, in denen er noch herrscht, gegen unser kraftvoll wiederauferstandenes Deutsches Reich.“i.
Grundlage für die Ausrichtung des Bundes für Gotterkenntnis sind die Werke von Mathilde Ludendorff. Es handelt sich um insgesamt zwölf Bücher mit Titel wie „Selbstschöpfung“ oder „Der Mensch und das große Wagnis der Schöpfung“.
Zur internen Schulung und zum Austausch finden regelmäßig Treffen der Mitglieder statt. In ihrem Objekt in Kirchmöser gibt es jeweils eine Frühlings- und eine Herbsttagung sowie eine Weihnachtsfeier.
Der Hof Märkische Heide
Im Jahr 1999 erwarb der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ in Kirchmöser einen sanierungsbedürftigen Hof. Ziel war es ein Feriendomizil für die Mitglieder zu schaffen. Die Arbeiten in der Gränertstraße 15 zogen sich bis 2002 hin, ab dann war das Haus für Tagungen geöffnet. Diese dienten jedoch nur zur internen Schulung der Mitglieder, öffentlichkeitswirksame Auftritte blieben aus. Die Renovierungsarbeiten gingen weiter, sodass mittlerweile alle Gebäudetrakte nutzbar sind. Es wurde ein großer Saal, eine Mensa und zahlreiche Gästezimmer geschaffen. Aufgrund des Mangels an einem Pendant zum Hof Märkische Heide, finden mittlerweile zahlreiche Feiern von Ortsansässigen (Hochzeiten, Geburtstage etc.) auf dem Gelände der Ludendorffer statt.
Wolfgang Peetz verwaltet mit der Seminar- und Ferienhof GmbH den Hof Märkische Heide für den „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“. Er selbst ist, nach eigener Aussage, nicht Mitglied im Bund. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er die durch den Bund verbreiteten Ansichten teilt oder zu mindestens toleriert. Durch einige Aussagen seinerseits, kann er wohl eher dem Spektrum der Reichsbürger zugeordnet werden, denn er sieht Deutschland noch als besetzt an. Des Weiteren scheint sein Weltbild durch rassistische und nationalistische Ansichten bestimmt zu sein. Peetz hat in Kirchmöser Dorf gute Kontakte und pflegt diese auch regelmäßig.
Tagungsprogramm
Für das Wochenende vom 14. bis 15. März luden die Ludendorffer mittels Flyer zu einem Workshopwochenende ein. Die Mobilisierung der eigenen Mitglieder erfolgte über interne Kanäle. Mit den Flyern, welche sowohl in Geschäften als auch in Briefkästen lagen, wurde das Ziel verfolgt, sich den Bewohner_innen aus Kirchmöser und Brandenburg an der Havel zu öffnen und sie zu den Veranstaltungen der Ludendorffern zu locken.
Das Tagungsprogramm fällt teilweise schwer zu analysieren, denn, sofern man nicht in den kruden Theorien der Ludendorffer versiert ist, haben Titel wie „Der Marxismus – die konsequenteste Ideologie des mechanistischen Zeitalters“ und „Wahn – überall Wahn“ wenige Aussagekraft. Die Referentin für den zweitgenannten Vortrag war Gisa Pahl. Die studierte Rechtsanwältin vertrat unter anderem zahlreiche Neonazis und neonazistische Organisationen vor Gericht: beispielsweise Udo Voigtii, Ralf Wohllebeniii und den Nationalen Widerstand Dortmundiv. Der Inhalt ihres Vortrags ist nicht bekannt.
Anders verhält es sich mit „Guthmannshausen – Gedenkstätte zur Erinnerung an die zivilen Opfer des zweiten Weltkrieges“. Guthmannshausen liegt im Landkreis Sömmerda im Bundesland Thüringen. Der Freistaat verkaufte im Jahr 2011 das ehemalige Rittergut Guthmannshausen an den Verein Gedächtnisstätte e.V. Dieser ist ideologisch und personell mit dem 2008 verbotenen Organisation Collegium Humanum nahezu identisch und kann folglich als rechtsextrem eingestuft werden. Er wurde 1992 durch die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel gegründetv. Inhaltlich geht es Gedächtnisstätte e. V. darum eine Gedänkstätte für die „vergessenen Opfer“ des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Zu diesen zählen ausschließlich Deutsche, die durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und Gefangenenlager umgekommen sindvi. Hier wird versucht aus Täter_innen Opfer zu machen und die deutschen Kriegsverbrechen dadurch zu relativieren. Dies geschieht ganz in der Tradition der Gründerin des Vereins, welche den Holocaus leugnet. In einem Einladungsschreiben vom aktuellen Vorsitzenden Klaus-Wolfram Schiedewitz, der im Übrigen auch an diesem Wochenende in Kirchmöser referierte, wird deutlich, welcher Ideologie sich die Vereinsmitglieder verschrieben haben:
„Dazu gehört die Aufarbeitung der geschichtlichen Wahrheit ebenso wie die Erneuerung und Wiederbelebung unserer ureigenen Wertvorstellungen, zu denen vieles in unserer heutigen materialisierten, egalisierenden Umwelt nicht passen will. Dies merken wir immer mehr, auch durch die unverantwortliche Überfremdung Europas. Unsere Väter und Großväter sind dafür nicht in den Kampf gezogen und haben ihr Leben hingegeben. Die großen Opfer der Generationen des 20. Jahrhunderts dürfen nicht umsonst gewesen sein. […] Der 8. Mai 1945 war ein Tag des Elends, der Qual, der Trauer und des Massenmordes. Deutschland hatte 6 Jahre lang im gewaltigsten Krieg aller Zeiten um die Existenz gekämpft. Die Tapferkeit und Opferbereitschaft der Soldaten, die Charakterstärke und Unerschütterlichkeit der Frauen und Männer im Bombenhagel des alliierten Lufterrors, die Tränen der Mütter, der Waisen, wer die Erinnerung daran zuschanden macht, lähmt unseren Willen zur Selbstbehauptung, daran sollten wir immer denken.“vii.
Ähnlich kritisch verhält es sich mit dem Vortrag am Sonntag, der Titel lautet „Agnes Miegel – mehr als die „Mutter Ostpreußens“. Agnes Miegel (1879–1964) ist ein deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin. Sie gehörte zu denjenigen 88 Schriftsteller_innen die das sogenannte „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Adolf Hitler unterschrieben habenviii. Für ihr Engagement erhielt 1939 das Ehrenzeichen der Hitlerjugend und schlussendlich trat sie dann 1940 in die NSDAP einix. Die Ursache für ihren späten Eintritt begründet sie wie folgt:
“Der Nationalsozialismus trat erst in mein Leben, als er andere schon lange erfüllte. Das ist eine Schuld – und ich habe es gebüßt durch die vielen inneren, nicht nur inneren Kämpfe, durch die ich dann in gedrängter Zeit gehen musste: […] Durch ein Hinauszögern und ein Grauen dafür, mit mir Ungleichen als Gelegenheitsjäger zu scheinen, stehe ich ausserhalb der Partei, der ich nur durch den RDS [Reichsverband des deutschen Schrifttums] und die Volkswohlfahrt angehöre. Vielleicht ist dies, was ich als eine Art Busse für mein spätes Aufwachen ansehe, das Richtige für mich, vielleicht wirkt mein Einstehn dann überzeugender auch auf Andere. – Denn ich bin Nationalsozialist.“x.
Nach dem Ende des Dritten Reiches schrieb Agnes Miegel zu ihrem Engagement im Nationalsozialismus: „Dies habe ich mit meinem Gott alleine abzumachen und mit niemand sonst.“xi. Eine Distanzierung oder gar Reue sieht anders aus.
Durch die kurze Analyse der beiden Vorträge konnte deutlich gemacht werden, dass sich an diesem Märzwochenende Menschen im Hof Märkische Heide getroffen haben, die ein deutschnationales, rassistisches und geschichtsrevisionistisches Weltbild haben.
Neben Agnes Miegel ging es am Sonntag noch um PEGIDA. Es handelte sich um eine Lesung, in der Karl-Heinz Requard Teile einer Textzusammenstellung von Dr. Gundolf Fuchs mit dem Titel „Die Pegida. Aufschwung, Hemmnisse und Gefahren sowie Weiterentwicklung“ vortrug. Requard war während der Umstellung auf die neue deutsche Rechtschreibung im Fokus der Presse, denn er engagierte sich massiv für den Erhalt der alten Sprachregelungenxii. Er wurde für Juni 2013 auch als Referent für die Gedächtnisstätte Guthmannshausen angekündigtxiii. Der Autor des Textes, Dr. Gundolf Fuchs, war zeitweise im Vorstand des Bundes für Gotterkenntnis. Er publizierte unter anderem in der Hauszeitschrift von Collegium Humanum (2008 verboten) und in der neonazistischen Zeitschrift „Recht und Wahrheit“xiv. Gemeinsam mit seiner Frau Elke schrieben sie auch Texte für die Zeitschrift der Ludenorffer „Mensch und Maß“, darin heißt es unter anderem, dass der „hitlerische Antisemitismus“ durch „jüdische Glaubensmächte“ finanziert worden sei um dadurch den „reinen Gedanken der Volkserhaltung“ zu beschädigenxv.
Zur internen Veranstaltungen kamen circa 10 bis 15 Mitglieder. Zur öffentlichen „Sonntagsrunde“ waren noch einige Ludendorffer anwesend. Hinzu kamen neun Damen älteren Alters aus dem Dorf. Ob sie lediglich Aufgrund des billigen Kaffees und Kuchens kamen oder ein wirkliches Interesse am Thema hatten, kann nicht sicher beurteilt werden. Insgesamt waren 19 Personen vor Ort.
Gegenprotest
Der Bürgerverein Pro Kirchmöser und die evangelische Kirche luden zu einem Flohmarkt mit anschließendem Fachvortrag zum Thema PEGIDA ein. Als Referenten gelang es den Organisator_innen Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam zu gewinnen. Nach einem kurzen Inputvortrag zum Bund für Gotterkenntnis wandte er sich dem komplexen Themenbereich von PEGIDA zu. Anhand zahlreicher Bilder illustrierte er deutlich, dass der lokale Ableger von PEGIDA, die BraMM, Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung, eine von Neonazis dominierte Veranstaltung ist. Zwar sind die Organisator_innen dieser nicht zwingend dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen, aber die Teilnehmer_innen der Spaziergänge sind mehrheitlich Neonazis. Danach wandte sich Wilking PEGIDA in Dresden zu und analysierte kurz die dortigen Teilnehmer_innen. Im Anschluss diskutierten die rund 20 Zuhörer_innen gemeinsam mit Wilking intensiv über verschiedene Aspekte von PEGIDA. Nach circa zwei Stunden war die Veranstaltung dann beendet.
Richtigstellung
Ursprünglich hatten wir geschrieben, dass Wolfgang Peetz in der Veranstaltung am Samstag vor Ort war und durch Zwischenrufe auffiel. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Verwechselung. Peetz schaute nur kurz in die Kirche hinein und ging dann ohne Kommentar. Für diesen Fehler möchten wir uns in aller Form entschuldigen.
Bund für Gotterkenntnis – Ein Teil von Kirchmöser/Brandenburg an der Havel?
Wie durch zahlreiche Gespräche und Statements am Samstag deutlich wurde, wird der Hof regelmäßig für Familie- und Firmenfeiern von Kirchmöseraner_innen gebucht. Ursache hierfür sei der Mangel an Alternativen.
Des Weiteren wird der Hof Märkische Heide auf der Internetpräsenz der Stadtmarketing- und Tourismusgesellschaft Brandenburg an der Havel mindestens seit dem Jahr 2011 beworbenxvi. Dies ist besonders kritisch zu sehen, da der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ regelmäßig im Brandenburger Verfassungsschutzbericht auftaucht und dort eindeutig als rassistisch und antisemitisch charakterisiert wirdxvii. Des Weiteren gab es erst im Jahr 2011 einen Skandal wegen der Unterbringung von Kanut_innen aus Griechenland, Tunesien, Argentinien und der Schweiz im Hofxviii. Auch auf anderen Internetpräsenzen wird der Hof als Übernachtungsmöglichkeit beworbenxix. Kurios ist jedoch, dass Laut einem Artikel der MAZ vom 11. August 2011 die Bewerbung des Hofes von der Stadtmarketing- und Tourismusseite gelöscht wurdexx.
Die Bürgerschaft in Kirchmöser sollte in der Zukunft intensiv diskutieren, ob es weiterhin sinnvoll ist durch Familienfeiern den „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V“ beziehungsweise die GmbH mit dem Verwalter Wolfgang Peetz finanziell zu unterstützen oder ob es nicht möglich ist einen alternativen Veranstaltungsraum zu schaffen.
ii http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/pahl-gisa
iii Robert Bongen, Nils Casjens, Sebastian Heidelberger: „Neue Hinweise auf NSU-Kontakte nach Hamburg“. Panorama 3 Nr. 34 vom 3. September 2013
iv Verfassungsschutzbericht Hamburg 2012, 179ff.; Verfassungsschutzbericht 2010, 182ff.
v https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2014/08/01/geschichtsrevisionischtes-denkmal-in-guthmannshausen/
vi http://www.verein-gedaechtnisstaette.de/fileadmin/user_upload/Gedaechtnisstaette.pdf, Seite 8.
vii Einladungsschreiben zum ersten Vortragswochenende (17.–18.09.2011) von Gedächtnisstätte e. V. an seine Spender_innen, Mitglieder und Freund_innen; laut Datum verfasst am 24.08.2011.
viii Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1995, 2007, 409.
ix Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1995, 2007, 409.
x http://www.muenster.de/stadt/strassennamen/agnes-miegel-strasse.html
xi Junge Welt, 19. März 2009, 3.
xii http://deutschesprachwelt.de/sprachwahrer/lobreden.shtml#Requard
xiii Blick nach Rechts, 25.02.2013.
xiv Blick nach Rechts, 25.02.2013.
xv Taz, 05.04.2010.
xvi http://www.tagesspiegel.de/berlin/paddeln-im-braunen-sumpf/4477502.html;http://stg-brandenburg.de/Suche_nach_Ausstattung/show/1464.html
xvii http://www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/lbm1.c.342274.de
xviii http://www.tagesspiegel.de/berlin/paddeln-im-braunen-sumpf/4477502.html
xix http://www.musik-foto-service.de/seite13.html;http://www.zur-reise.de/index.php?option=com_content&view=article&id=644&Itemid=840
xx http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/MAER/20110811/ludendorffer-geloescht-rechtsextrem/201108113008847.html