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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gedenkkundgebung für Falko Lüdtke

Am 31. Mai vor 13 Jahren wurde Falko Lüdtke in der Spechthausen­er Straße von einem Recht­sex­tremen vor ein Auto gestoßen und starb.

Es han­delte sich dabei nicht um einen tragis­chen Unglücks­fall, son­dern um einen vorsät­zlich geführten Angriff mit tödlichem Aus­gang. Der Täter wurde zu ein­er mehrjähri­gen Haft­strafe verurteilt.

Falko kam mit dem, der ihn dann umbrin­gen sollte, mit dem O‑Bus aus dem Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel. Dort hat­te er diesen auf dessen zur Schau getra­gene Hak­enkreuztä­towierung ange­sprochen. Eine sich entspan­nende Diskus­sion set­zte sich im O‑Bus fort. Eine mögliche Sol­i­darisierung von anderen Pas­sagieren mit Falko will ich nachträglich nicht ein­fordern, vielle­icht war schlecht zu erken­nen, worum es ging, und die Angst, Opfer von Gewalt zu wer­den, spielte mit, als Men­schen wegsahen.

Aber es hätte gar nicht soweit kom­men müssen, wenn der Nazi es nicht als völ­lig nor­mal emp­fun­den hätte, allen ein Hak­enkreuz zu präsen­tieren. Dieses Gefühl hat­te ihm bis dahin seine Umge­bung gegeben, im Kietz und während sein­er ABM.

Wofür ste­ht ein Hak­enkreuz? Der Träger iden­ti­fiziert sich mit dem Nation­al­sozial­is­mus und der Wehrma­cht, has­st Juden und bil­ligt den Holo­caust. Gewalt­tätigkeit gehört zum Nazi-Sein, es ist Teil der poli­tis­chen Kul­tur. Zu den Fein­den eines Hak­enkreuzträgers gehören unter anderem von ihm als „Schmarotzer“ beze­ich­nete Punks und Obdachlose.

Nun sitzen die Fre­unde von Falko und Men­schen, denen das Schick­sal des jun­gen Punks ans Herz geht, an jedem Jahrestag nach­mit­tags an der Bushal­testelle „Spechthausen­er Straße“ und erin­nern sich.

Ja, es war von Falko leichtsin­nig, einen bekan­nten Schläger zu kri­tisieren. Hätte er die Schnau­ze gehal­ten, wäre er heute noch am Leben.

Schweigen macht vieles beque­mer. Wer Nazis nicht hin­nehmen will, bekommt Ärg­er mit denen, und wird nach­her noch als “selb­st schuld daran” abgestraft.

Na da machen wir, um Falko zu ehren, mal das Maul auf.

Seit 1990 wur­den in Bran­den­burg min­destens 27 Men­schen Opfer recht­sex­tremer Gewalt. Neun sind bis­lang davon offiziell anerkan­nt. Falko Lüdtke gehört nicht dazu. Dabei war schon im Urteil klargestellt wor­den, dass „ein der recht­en Szene Zuge­höriger gegen einen Ander­s­denk­enden Gewalt aus­geübt“ hat. Im Auf­trag der Lan­desregierung über­prüft derzeit das Pots­damer Moses Mendel­son Zen­trum alle strit­ti­gen Fälle nochmals.

Die fäl­lige staatliche Einord­nung des Tötungsver­brechens an Falko Lüdtke als recht­sex­trem wirft dann die Frage nach der Form eines öffentlichen Erin­nerns auf.

Innen­min­is­ter Diet­mar Woid­ke erk­lärt zur  „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle ‚Opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt’“ u. a.:

Sie wis­sen, dass Medi­en, Opfer­schutzein­rich­tun­gen sowie Opfer­hil­fsvere­ine in ein­er entsprechen­den bun­desweit­en Liste für unser Bun­des­land mit­tler­weile 32 der­art motivierte Tötungs­de­lik­te ausweisen. In keinem anderen Land ist die Dif­ferenz zur ‚offiziellen Sta­tis­tik’ so groß. Unter Umstän­den wer­den noch weit­ere Ver­dachts­fälle bekannt.

Wie soll man mit dieser Sit­u­a­tion umge­hen? Sollen wir auf die sein­erzeit einge­gren­zten Erfas­sungskri­te­rien ver­weisen? Sollen wir uns darauf zurückziehen, dass die betr­e­f­fend­en Ver­fahren von der Jus­tiz recht­skräftig abgeschlossen sind? Sollen wir also die Hände heben mit dem Hin­weis ‚Das war nun mal so, das ist Vergangenheit.’?

Ich denke, das ist aus­geschlossen. Lassen Sie mich noch ein­mal an das Leid, an die Trauer und die Fra­gen erin­nern, die nach und zu jedem einzel­nen dieser Ver­brechen gestellt wur­den. Wir sind es den Opfern, aber wir sind es auch ihren Ange­höri­gen schuldig, dass wir die Zweifel an dem ‚Warum’ dieser men­schen­ver­ach­t­en­den Tat­en so weit es irgend­wie geht ausräumen.

Aus ein­er Pressemit­teilung des Min­is­teri­um des Innern Bran­den­burg (MI): 11.03.2013 Woid­ke: Sind es Opfern und Ange­höri­gen schuldig, Zweifel am ‘Warum’ der Tat­en möglichst auszuräu­men | Nr. 019/2013

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Antifaschismus

Utopia e.V. von Neonazis bedroht

In der Nacht zum ver­gan­genen Son­ntag haben Unbekan­nte ein Hak­enkreuz in die Haustür eines Wohn­haus­es ger­itzt, in der sich auch der Sitz des Vere­ins Utopia befind­et. Der für seine antifaschis­tis­che und anti­ras­sis­tis­che Bildungs‑, Jugend- und Kul­tur­ar­beit bekan­nte Vere­in sieht dies als klare Botschaft von Neon­azis mit dem Ziel, die Mit­glieder des Vere­ins einzuschüchtern. Erst Ende Mai hat­ten Unbekan­nte die Haustür mit einem Hak­enkreuz beschädigt.

Bere­its am Abend zuvor hat­te eine Gruppe von etwa 6 jun­gen Män­nern, die sich in der ansäs­si­gen Kneipe “Die Bier­bar” aufge­hal­ten hat­ten, gegen besagte Haustür getreten und vor dem Wohn­haus Sprüche wie “Kom­mu­nis­ten­schweine” und “dreck­ige Bolschewi­ki” gerufen.

Ger­ade auf­grund dieser Vor­fälle zeigt sich deut­lich, wie wichtig weit­er­hin das Engage­ment gegen rechte Ide­olo­gien und Struk­turen in Frank­furt ist.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Zug der Erinnerung” macht Station in Frankfurt (Oder)

Bere­its zum zweit­en Mal wird der “Zug der Erin­nerung” am Frank­furter Bahn­hof hal­ten. Die mobile Ausstel­lung hat in diesem Jahr das nation­al­sozial­is­tis­che Ver­nich­tungslager Sobi­bor zum The­ma: es soll der Ermor­dung der Kinder aus dem Konzen­tra­tionslager West­er­bork in den Nieder­lan­den gedacht wer­den, da sich ihre Depor­ta­tion in diesem Jahr zum 70. Mal jährt; zudem wird an den im Ver­nich­tungslager Sobi­bor geleis­teten Wider­stand der Häftlinge erinnert.

Inter­essierte Besucher_innen kön­nen am 5. Juni von 08:00 bis 20:00 Uhr die Ausstel­lung besuchen. Größere Grup­pen melden sich bitte beim Amt für Jugend und Soziales Frank­furt (Oder) (Tel: 0335 5525130, Fax: 0335 552885130, heike.papendick@frankfurt-oder.de oder jugendundsoziales@frankfurt-oder.de) an. Eine päd­a­gogis­che Betreu­ung wird durch die RAA Frank­furt (Oder) realisiert.

An diesem Tag um 11:00 Uhr find­et die feier­liche Ero?ffnung der Ausstel­lung mit Reden von Peter Fritsch (Stadtverord­neten­vorste­her), Gunter Dem­nig (Ku?nstler — Ini­tia­tor des Pro­jek­ts Stolper­steine), einem_r Vertreter_in des Utopia e.V. sowie Ru?diger Minow (Zug der Erin­nerung e.V.) statt.

Zusät­zlich gestal­tet der Utopia e.V., unter­stützt durch den Quartiers­fonds des Pro­gramms „Soziale Stadt“ Frank­furt (Oder), rund um den Aufen­thalt des Zuges ein Begleit­pro­gramm: Zusam­men mit dem Kleinen Kino e.V. wird am Fre­itag, den 7. Juni, um 19:30 im Gräfin-Dön­hoff-Gebäude (Europa-Uni­ver­sität, Europaplatz 1) der Film “Sarahs Schlüs­sel” gezeigt. 

Am Son­ntag um 18:00 Uhr referiert Stephan Wirtz im Audi­max AM 03 (Europa-Uni­ver­sität; Logen­str. 2) zu Jüdis­chem Wider­stand gegen das NS-Regime und dem Wider­stand der Sin­ti und Roma. 

Zudem find­et am Mon­tag, den 10. Juni, um 17:00 Uhr ein geführter Gedenkspazier­gang zu den in Frank­furt ver­legten Stolper­steinen mit Ger­hard Hoff­mann (Bund der Antifaschistin­nen und Antifaschis­ten Frank­furt (Oder) e.V.) und Carsten Höft (His­torisch­er Vere­in zu Frank­furt (Oder) e. V.) statt. Tre­ff­punkt ist am Su?deingang der Lenne?-Passagen.

Am Dien­stag, den 11. Juni, wird zum Abschluss um 18:00 Uhr im Audi­max AM 03 (Europa-Uni­ver­sität; Logen­str. 2) der Film „Flucht aus Sobi­bor“ gezeigt. Falls die Umstände es ermöglichen, wird ein Über­leben­der des Auf­s­tands in Sobi­bor in Frank­furt (Oder) zu Gast sein und sich für ein Zeitzeu­genge­spräch zur Ver­fü­gung stellen. Der “Zug der Erin­nerung” ist ein vom gle­ich­nami­gen Vere­in 2007 ini­ti­iertes Pro­jekt, das die Geschichte der nation­al­sozial­is­tis­chen Depor­ta­tio­nen erzählt und mit Hil­fe von Biogra­phien an die Opfer erin­nert. Etwa 420.000 Men­schen kamen seit 2007 auf die Bahn­höfe und gedacht­en der Deportierten.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

ERNEUT RASSISTISCHE HETZE AUF DEM STADTHALLENVORPLATZ

Um die 25 Neon­azis aus Süd­bran­den­burg, darunter auch aus Guben nah­men daran teil. Zu den Red­nern gehörten unter anderem Pierre Dorn­brach (Bun­desvor­stand der JN) und Ron­ny Zasowk (Leit­er des Kreisver­ban­des Lausitz). Mit ras­sis­tis­chen Parolen gegenüber Geflüchteten und einen ange­blichen “Asylmißbrauch” ver­sucht­en die Neon­azis vor der Kulisse mehrerer Hun­dert Men­schen, welche gle­ichzeit­ig am sel­ben Ort die Jugendwei­he feierten, Aufmerk­samkeit zu erzielen.

Da die Polizei ihre Infor­ma­tio­nen bezüglich der Anmel­dung der Ver­anstal­tung gern für sich behält, war Protest gegen die Kundge­bung nur bed­ingt und in kleinem Rah­men möglich. Ver­mut­lich soll­ten die in der Stadthalle stat­tfind­en­den Feier­lichkeit­en zur Jugendwei­he nicht gestört wer­den. So war nur spon­tan­er antifaschis­tis­ch­er Protest möglich. Trotz­dem ver­sam­melte sich eine kleine Gruppe von Antifaschist_Innen und stell­ten sich mit Trans­par­enten und Fah­nen der Neon­azi-Kundge­bung entgegen.

FOTO-DOKUMENTATION UNTER: ANTIFAPHOTOARCHIVE

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Antifaschismus Gender & Sexualität

Offener Brief an die Veranstalter*innen des „Laut gegen Nazis – Campus Open Air“ für eine Absage der Band „Die Orsons“

Unter dem Label „Laut gegen Nazis“ sollen weit über 1000 Besucher*innen mit Bier und Bratwurst ein Zeichen gegen Neon­azis set­zen. Als Haup­tact wurde von den Veranstalter*innen die Band „Die Orsons“ gebucht. Spätestens mit dieser Entschei­dung wird das Open Air untrag­bar, denn in Ihrer Musik weist die Band sex­is­tis­che, anti­semi­tis­che und trans­pho­be Ten­den­zen auf und wird somit zu einem No-Go für eine Ver­anstal­tung gegen Diskriminierung.

In der jün­geren Ver­gan­gen­heit wurde die Band bere­its mehrfach für ihre Lied­texte kri­tisiert, und ihre Auftritte mit öffentlichen Protesten begeg­net.

In mehreren Liedern der Band wer­den expliz­it sex­is­tis­che und anti­semi­tis­che Aus­sagen getrof­fen. So heißt es in dem Lied „Bea­t­les Piraten“:

Ich steh da mit meinem Steifen und denk; „ah okay richtig geil!“ jet­zt wird es Zeit für K.O.-Tropfen im Wein“

In der Darstel­lung von Verge­wal­ti­gungsphan­tasien ver­harm­losen „Die Orsons“ offen sex­u­al­isierte Gewalt. Im sel­ben Lied bedi­enen sie sich anti­semistis­ch­er Ressen­ti­ments, die so in die Öffentlichkeit getra­gen werden:

Ich will, dass Frauen in meine Woh­nung laufen und locke sie wie jüdis­che Pädophile im Auto, „Hey, willst du nen Bon­bon kaufen?“

Im weit­eren Jar­gon der vier Musik­er lassen sich eben­so trans­pho­be Inhalte find­en. Dort zu nen­nen ist das Stück „Horst und Moni­ka“, in dem die The­men Trans­sex­u­al­ität und Trans­gen­der verkürzt dargestellt wer­den und sich gle­icher­maßen sex­is­tis­ch­er Stereo­type bedienen:

Horst fühlte sich nicht mehr wohl in sein’ Kör­p­er, er hat­te genug von sein’ Hoden­sack. (Taschen­bil­lard, immer das gle­iche). Also hat Horst gedacht schneid ich ihn ein­fach ab, trete aus, werde links dann nenn ich mich Moni­ka. (weg mit den Nazis her mit der Scheide)“

Solche men­schen­ver­ach­t­ende Inhalte lassen sich nicht mit ein­er Ver­anstal­tung, die den Namen „Laut gegen Nazis“ trägt, vere­in­baren. Denn sich gegen Neon­azis zu stellen, heißt auch sex­is­tis­che, anti­semi­tis­che und trans­pho­be Inhalte klar zu kri­tisieren und zu zeigen, das men­schen­ver­ach­t­ende Aus­sagen nicht zu dulden sind, auch und erst recht nicht, wenn sie im Rah­men ein­er Ver­anstal­tung, die sich gegen Neon­azis richtet, zur Schau gestellt werden.

Wir fordern deshalb die Absage des Auftritts von „Die Orsons“, sowie eine Stel­lung­nahme und eine inhaltliche Auseinan­der­set­zung der Veranstalter*innen des „Laut gegen Nazis – Cam­pus Open Air“ mit der Band.

Keine Bühne für Sex­is­mus, Trans­pho­bie und Antisemitismus!

26. Mai 2013 — Antifa Cottbus

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(Anti-)Rassismus

Unterbringungssituation von Flüchtlingen jetzt verbessern!

Heute erhal­ten Min­is­ter­präsi­dent Platzeck und Sozialmin­is­ter Baaske einen Offe­nen Brief von über 25 Organ­i­sa­tio­nen und Einzelper­so­n­en in der Flüchtlingsar­beit sowie Flüchtlings­selb­stor­gan­i­sa­tio­nen in Bran­den­burg. Sie fordern die Lan­desregierung auf, zu han­deln und die skan­dalöse Woh­nungssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen unverzüglich zu verbessern.
Der Offene Brief als PDF
Wir doku­men­tieren hier den offe­nen Brief: 

Offen­er Brief an die Lan­desregierung Bran­den­burg
Schluss mit leeren Worten und fol­gen­losen Beschlüssen:
Unter­bringungssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen jet­zt verbessern!

Seit Anfang April ist klar, dass die Lan­desregierung den Auf­trag des Bran­den­bur­gis­chen Land­tages, ein lange über­fäl­liges Unter­bringungskonzept für Flüchtlinge in Bran­den­burg zu erar­beit­en, nicht erfüllen wird. Bere­its im April 2011 fasste der Land­tag einen Beschluss mit der pro­gram­ma­tis­chen Über­schrift: „Eine men­schen­würdi­ge Unter­bringung von Flüchtlin­gen und Asyl­be­wer­berin­nen und Asyl­be­wer­bern im gesamten Land Bran­den­burg sich­er­stellen!“ Seit­dem ist nichts geschehen, im Gegen­teil: Die Sit­u­a­tion hat sich drama­tisch verschlechtert.

Die Unterkün­fte sind vol­lkom­men über­füllt und bis heute wur­den keine Konzepte entwick­elt, wie Flüchtlinge in Woh­nun­gen umziehen kön­nten. Die Kom­munen wer­den auf die Flüchtlings­aufnahme nicht angemessen vor­bere­it­et, damit wird ein Anstieg von Span­nun­gen und Ressen­ti­ments gegenüber Flüchtlin­gen in Kauf genom­men. Die Lan­desregierung be­schränkt sich auf Absicht­serk­lärun­gen, die finanzielle und poli­tis­che Ver­ant­wor­tung wird zwi­schen Land und Kom­munen hin- und hergeschoben – ein erfol­gre­ich­es Unterbringungskon­zept sieht anders aus.

Durch die Ver­längerung der Gel­tungs­dauer der Min­dest­be­din­gun­gen hat sich in vie­len Krei­sen die Lebenssi­t­u­a­tion von Flüchtlin­gen spür­bar ver­schlechtert. Konkret beschreiben dies Flücht­linge aus Stolpe-Süd in einem offe­nen Brief von März 2013:
„Wir leben mit fünf Per­so­n­en in einem Raum … Das ist sehr schw­er, weil alle unter­schiedliche Lebens­ge­wohn­heit­en haben. Wir gehen auf den Gän­gen auf und ab und die Kinder spie­len in den kalten Fluren. Es ist sehr laut, nie­mand kann Ruhe find­en. In den Küchen sind viele Herde kaputt, es ist über­all schmutzig und unhy­gien­isch. Einige von uns sind krank gewor­den und haben Infek­tio­nen bekom­men.“
Die Zahl der aus Krisen- und Kriegs­ge­bi­eten Flüch­t­en­den steigt und damit auch die Zahl be­sonders Schutzbedürftiger. Der deut­lich höhere Bedarf an Betreu­ung und Beratung kann mit dem gel­tenden Per­son­alschlüs­sel von 1 : 120 nicht annäh­ernd gedeckt wer­den. Auch die Vor­gabe von sechs Quadrat­metern pro Flüchtling wird seit 1993 auch heute noch unverän­dert über­nom­men. Auf Grund­lage der alten Verord­nung wer­den neue Flüchtling­sheime errichtet und damit langfristig Tat­sachen geschaf­fen, die eine verbesserte Unter­bringung behindern.

Die aktuellen Prob­leme haben ihre Ursache nicht in steigen­den Flüchtlingszahlen. Sie sind haus­gemacht! Jahre­lang wur­den Unter­bringungska­paz­itäten konzept­los abge­baut. Dass die Zahl der Asyl­suchen­den nicht so niedrig bleiben würde wie in den Jahren 2005 – 2009 war spätestens seit Beginn des Bürg­erkriegs in Syrien abse­hbar. Angemessen reagiert wurde dar­auf wed­er von den Kreisen noch von der Lan­desregierung – die Chance, die Weichen neu zu stellen, wurde bish­er von der Lan­desregierung nicht genutzt.

Ein erfol­gre­ich­es Unter­bringungskonzept muss die Land­kreise dabei unter­stützen, Flüchtlin­gen in Woh­nun­gen ein men­schen­würdi­ges und selb­st­bes­timmtes Leben zu ermöglichen. Die Wohnungs­standorte müssen entsprechende Kri­te­rien erfüllen. Dazu gehören auch Konzepte, wie Flüchtlinge beim Über­gang in Woh­nun­gen begleit­et wer­den. Nach dem Umzug muss sichergestellt wer­den, dass sie in der neuen Umge­bung gut ankom­men und aufgenom­men wer­den. Hier wer­den in einzel­nen Land­kreisen bere­its Erfahrun­gen in Pilot­pro­jek­ten ge­macht, die drin­gend aus­ge­baut wer­den müssen.

Ein Par­a­dig­men­wech­sel ist nötig, um die Fehler der Ver­gan­gen­heit zu beheben. Es kann da­bei nicht nur um Min­i­mal­stan­dards gehen, son­dern um ein Auf­nahme- und Teil­habekonzept für Flüchtlinge in Bran­den­burg. Es müsste klar sein: Ein solch­es Konzept muss die Landesre­gierung auch finanziell ausstat­ten. Doch während man Unmen­gen von Geld in Großbaupro­jekte wie den Schloss­wiederaufbau und einen leeren Flughafen investiert, wird das Schick­sal von Flüchtlin­gen, die jet­zt Verbesserun­gen brauchen, auf die lange Bank geschoben. Ange­sichts der ver­heeren­den Unter­bringungs­situation der Flüchtlinge in Bran­den­burg ist dies ein Skandal.

Es muss jet­zt gehan­delt wer­den! Wir fordern die Lan­desregierung auf:

  • In Auf­nahme und Inte­gra­tion von Flüchtlin­gen investieren: Die Lan­desregierung muss in eine men­schen­würdi­ge Auf­nahme und eine Chance auf die gesellschaftliche Inte­gration von Flüchtlin­gen auch finanziell investieren!
  • Soziale Ziele im Blick behal­ten: Finanzpoli­tis­che Über­legun­gen kön­nen nicht die Grund­lage eines erfol­gre­ichen Unter­bringungskonzeptes bilden. Es müssen umge­hend weit­ere fach­lich kom­pe­tente Akteure am Prozess beteiligt und Mod­elle berück­sichtigt wer­den, die Praxis­erfahrungen ein­brin­gen und Bedarfe der Betrof­fe­nen berücksichti­gen. Die Landes­regierung muss Fach­per­son­al beschäfti­gen, um die Unter­bringung in Woh­nun­gen lang­fristig zu begleiten. 
  • Flüchtlinge ein­beziehen: Eine Unter­bringung in Woh­nun­gen kann nicht an der Le­bens­realität von Flüchtlin­gen vor­bei beschlossen wer­den. Sie müssen an der Entwick­lung des Unter­bringungskonzepts beteiligt sein! Ihre indi­vidu­ellen Bedürfnisse müssen ernst ge­nommen wer­den und Ein­gang in die neue Regelung find­en. Es ist der Schlüs­sel für ein menschen­würdiges und let­ztlich auch erfol­gre­ich­es Unterbringungskonzept. 
  • Ressen­ti­ments aktiv begeg­nen: Die Lan­desregierung muss poli­tisch Ver­ant­wor­tung übernehmen und die Kom­munen auf die Unter­bringung von Flüchtlin­gen vor­bere­it­en. Die Ver­ant­wortlichen dür­fen nicht aus Angst vor ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en alle Ent­scheidungen in Hin­terz­im­mern tre­f­fen und es der NPD über­lassen, Bürgerversammlun­gen zu organi­sieren. Die Diskus­sion muss offen und öffentlich geführt werden.

Erstunterzeicher/innen:

1. Arbeits­gruppe Flucht und Migra­tion e.V, Kirchenkreis Oberes Havel­land
2. Beate Schädler, Neu­rup­pin
3. Beratungs­fach­di­enst für Migran­tInnen, Diakonis­ches Werk Pots­dam
4. Bir­git Glo­rius Mixed Pick­els Vel­ten
Ini­tia­tiv­gruppe gegen Ras­sis­mus
5. Car­i­tasver­band für das Erzbis­tum Berlin e.V., Über­re­gionale Flüchtlings­ber­atung
Region Bran­den­burg Ost
6. Chris­t­ian Haase, Sozialar­beit­er
Jugend­pro­jekt Alre­ju
7. Chris­tiane Wahl, Wohn­heim­leitung
Diakonie Pots­dam
8. Dieter Gadis­chke, Kreisju­gend­wart
Kirchenkreis Barn­im
9. Diöze­san­rat der Katho­liken im Erzbis­tum Berlin, Sachauss­chuss für Migra­tion und Inte­gra­tion
10. Dr. Christoph Pol­drack, stel­lvertr. Super­in­ten­dent, Evan­ge­lis­ch­er Kirchenkreis Oberes Havel­land
11. Eck­hard Häßler, Evan­ge­lis­che Jugendge­meinde Neu­rup­pin
12. Evan­ge­lis­ch­er Kirchenkreis Fürsten­walde-Straus­berg
13. Flüchtlings­ber­atung Barn­im
14. Flüchtlings­ber­atung Hen­nigs­dorf
15. Flüchtlingsrat Bran­den­burg
16. Hei­di Har­tig, Aktions­bünd­nis für Tol­er­anz, Pren­zlau
17. Hen­nigs­dor­fer Ratschlag
18. Ini­tia­tive Light Me Amadeu, Barn­im
19. Inte­gra­tions­beirat der Stadt Fürsten­walde
20. Joachim Rüf­fer, Kom­mit e.V.
21. Joachim Runge, Flüchtlings­ber­atung Diakonis­ches Werk Nieder­lausitz
22. Jugend­mi­gra­tions­di­enst Barn­im
23. Kse­nia Yakovl­e­va und Ire­na Pet­zoldo­va, Behand­lungsstelle für trau­ma­tisierte Flüchtlinge Fürsten­walde
24. Lutz Boede, Lan­desvor­stand VVN-BdA Bran­den­burg
25. Mar­garete Mis­sel­witz, Koor­di­na­torin der Koop­er­a­tion für Flüchtlinge in Bran­den­burg
26. Mathilde Kil­lisch, Wohn­heim­leitung Jugend­pro­jekt Alre­ju, Diakonis­ches Werk Oder­land Spree
27. Monique Tin­ney, Aus­län­der­seel­sorge Evan­ge­lis­ch­er Kirchenkreis Pots­dam
28. Nele Pol­drack, Pfar­rerin KG Vel­ten und Leege­bruch
29. NTI – Net­zw­erk für Tol­er­anz und Inte­gra­tion im Land­kreis Märkisch-Oder­land
30. Opfer­per­spek­tive e.V.
31. Pfar­rerin Beat­rix Spreng, Kirchenge­meinde Joachim­sthal, Barn­im
32. Pfar­rerin Chris­tiane Schulz und Stef­fen Jakut­tek für das Aktions­bünd­nis Neu­rup­pin bleibt bunt e.V.
33. Refugees Eman­ci­pa­tion e.V.
34. SprecherIn­nen­rat der Lan­desar­beits­ge­mein­schaft der kom­mu­nalen Aus­län­der- und Integrations­beauftragten Bran­den­burgs (LAGAIB)
35. Ste­fanie Schirn­er, Land­kreis Dahme Spree­wald
36. Über­re­gionale Flüchtlings­ber­atung
AWO Neu­rup­pin
37. Utopia e.V., Frankfurt/Oder
38. Vio­la Wein­ert, stel­lvertre­tende Vor­sitzende des Kreistages Ober­spree­wald-Lausitz
39. Women in Exile e.V.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Kundgebung gegen rassistische „Selbstjustiz“

INFORIOT — Am heuti­gen Dien­stag nah­men 40 Per­so­n­en an ein­er Kundge­bung gegen Ras­sis­mus in Krem­men (Ober­hav­el) teil. Zu der Kundge­bung auf dem Mark­t­platz hat­te das Bünd­nis „Fight Ras­cism Now“ aufgerufen. Es nah­men vor­wiegend aus Berlin angereiste Antifaschist_innen, und Flüchtlinge teil, die sich per Bus vom Flüchtlingscamp am Oranien­platz in Kreuzberg zur Kundge­bung aufgemacht hat­ten. Hin­ter­grund der Kundge­bung war ein ras­sis­tis­ch­er Über­griff auf drei pol­nis­che Ern­te­helfer des Spargel­hofs im Ort­steil Staffelde am Mon­tagabend vor ein­er Woche.

Von „Bürg­er­wehr“ …

Was war passiert? Am Abend des 13. Mai ereignete sich ein Ein­bruchsver­such durch Unbekan­nte in ein Ein­fam­i­lien­haus in der Neu­rup­pin­er Straße in Staffelde. Die Besitzerin rief die Polizei, die jedoch keine Täter_innen aus­find­ig machen kon­nte, wie die PNN berichtete. Die fehlen­den Fah­n­dungsergeb­nisse ver­an­lassten daraufhin einige Einwohner_innen sich zur „Bürg­er­wehr“ zusam­men­zuschließen. Die selb­ster­nan­nten „Hil­f­ssh­er­iffs“ macht­en als poten­zielle Täter drei pol­nis­che Ern­te­helfer aus, hiel­ten sie fest, jagten und schlu­gen sie, zer­rten sie ins Auto und fes­sel­ten sie mit Kabel­bindern an Europalet­ten auf dem Grund­stück. Ein­er der Betrof­fe­nen kon­nte fliehen und informierte einen Vorar­beit­er. Die bei­den anderen Betrof­fe­nen mussten anschließend ambu­lant im Kranken­haus Oranien­burg behan­delt wer­den. Den deutschen Täter_innen dro­ht nun ein Ver­fahren wegen gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung und Frei­heits­ber­aubung, heißt es in der MAZ.

…und „Selb­stjus­tiz“

Der Vor­fall erregte Aufmerk­samkeit über die Lokalme­di­en hin­aus. Selb­st die Polizei schloss eine ras­sis­tis­che Stig­ma­tisierung nicht aus. Einigkeit über den ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund des Vor­falls herrscht in Krem­men jedoch nicht. So bestrit­ten Lokalpoli­tik­er auf der Kundge­bung den Hin­ter­grund der Tat und liefer­ten sich Wort­ge­fechte mit den Organisator_innen. Sie reduzierten die Tat auf einen Vor­fall zwis­chen betrunk­e­nen Bauern und Arbeit­ern und beze­ich­neten die Tat als ein Missver­ständ­nis. Ein Bürg­er stellte sich neben die Kundge­bung mit einem Schild auf der er Mit­ge­fühl für die Arbeit­er aus­drück­te, jedoch gle­ichzeit­ig, dass er Ein­brech­er verachte.

Innen­min­is­ter Diet­mar Woid­ke entschuldigte sich einige Tage zuvor, wenn auch nicht bei den Betrof­fe­nen per­sön­lich, dass es Unschuldige traf und warnte vor „Selb­stjus­tiz“ als Vorstoß gegen den Rechtsstaat. Auch der Kremmen­er Bürg­er­meis­ter Klaus-Jür­gen Sasse und Detlef Reckin, Vor­sitzen­der des Stadtverord­neten­ver­samm­lung, entschuldigten sich für den Vor­fall und die Stig­ma­tisierung pol­nis­ch­er Mitbürger_innen in der Stadt.

Das Bünd­nis „Fight Ras­cism Now“ kri­tisiert die aktuelle Debat­te: „Mit Polizeis­ta­tis­tiken, die sug­gerieren, dass Ein­brüche in Berlin und Bran­den­burg generell auf das Kon­to “pol­nis­ch­er Ban­den” gehen wür­den, wird das ras­sis­tis­che Stereo­typ auch in der aktuellen Berichter­stat­tung repro­duziert“, hieß es.

Bürg­er­wehr“ in Brandenburg

Passend zur aktuellen Debat­te um ver­meintliche Gren­zkrim­i­nal­ität wur­den Forderun­gen in den Medi­en nach mehr Sicher­heits­gewährleis­tung durch die Polizei laut. Tat­säch­lich wird in diesen Zusam­men­hang das Konzept “Bürg­er­wehr” durch die Polizei indi­rekt unter­stützt. Durch Handzettel ruft die Bran­den­burg­er Polizei auf Verdächtiges zu melden. Laut Polizeiprä­sid­i­um Pots­dam existieren in Bran­den­burg 76 „soge­nan­nte Sicher­heitspart­ner­schaften“, an denen sich derzeit 480 Bürger_innen beteili­gen. In eini­gen Fällen agieren jedoch Bürg­er­wehren zumin­d­est ansatzweise autonom und ver­fü­gen über Anknüp­fungspunk­te ins organ­isierte extrem rechte Milieu. So hat die NPD in Schöne­iche ver­sucht, eine Bürg­er­wehr gegen soge­nan­nte “krim­inelle Aus­län­der” zu stellen.

Weit­ere Bilder: hier.

 

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Antirassistische Kundgebung in Kremmen

Ras­sis­tis­che Selb­stjus­tiz im bran­den­bur­gis­chen Krem­men: Bürg­er ver­schlep­pen und ver­let­zen polni­sche Erntearbeiter.

Fight Racism Now! organ­isiert eine anti­ras­sis­tis­che Kundge­bung am 21.5. in Krem­men und Busan­reise aus Berlin

Let­zten Mon­tag (13.05.2013) wur­den im brand­bur­gis­chen Krem­men drei pol­nis­che Ern­tear­beit­er von Ein­wohnern des Ortes ange­grif­f­en. Eine Gruppe von Män­nern machte sie fälschlicher­weise für einen am sel­ben Tag verübten Woh­nung­sein­bruch ver­ant­wortlich und eröffnete die Jagd. Die Arbeit­er wur­den gefes­selt, ver­schleppt und geschla­gen, so dass sie anschließend im Kranken­haus behan­delt wer­den mussten. Mittlerwei­le haben sich vom Bürg­er­meis­ter bis zum bran­den­bur­gis­chen Innen­min­is­ter alle entschuldigt. Allerd­ings nicht ohne um Ver­ständ­nis für den ras­sis­tis­chen Über­griff zu wer­ben: Die Zahl der Ein­ruchs­de­lik­te sei “sprung­haft” angestiegen, und schuld seien offen­bar Polen.

Dazu erk­lärt Kam­pag­nen-Sprech­er Felix Jourdan:

Die Offiziellen aus Krem­men und Bran­den­burg sor­gen sich um ihren guten Ruf, und sie wollen wei­ter Ern­tear­bei­t­erIn­nen zu Dump­inglöh­nen anheuern. Aber selb­st in ihren Entschuldigun­gen wieder­holen sie die ras­sis­tis­chen Vorurteile der Täter: dass bei Polen der Ver­dacht auf Straftat­en ja nahe­liege. Den Opfern die Schuld zuzuschieben, das ist typ­isch für Ras­sis­mus in Deutsch­land. Auch während der Pogrome vor zwanzig Jahren wur­den die Betrof­fe­nen für die Gewalt mit ver­ant­wortlich gemacht, die ihnen von Deutschen ange­tan wurde. Schonzeit gibt es nur, so lange man auf brandenburgi­schen Plan­ta­gen für die Dreck­sar­beit gebraucht wird. Deshalb organ­isieren wir eine anti­ras­sis­tis­che Kundge­bung in Krem­men. Wir kri­tisieren nicht nur den Ras­sis­mus von ein paar selbster­nannten Dorf­sh­er­iffs. Wir kri­tisieren eine Gesellschaft, die ganz flex­i­bel nach Herkun­ft und Ver­w­ert­barkeit diskriminiert.”

Die Kundge­bung in Krem­men begin­nt am 21.5. um 16 Uhr auf dem Mark­t­platz. Die Busan­reise aus Berlin ist kosten­los.

Den Aufruf zur Kundge­bung und aktuelle Infos hier: https://www.facebook.com/events/376854409088009/

Für den 25. Mai 2013 organ­isiert Fight Racism Now! eine Demon­stra­tion in Berlin zum dop­pel­ten Jahrestag der Abschaf­fung des Grun­drechts auf Asyl und des Mor­dan­schlags von Solin­gen. Aus mehreren Städten sind Bus- und Zugan­reisen organ­isiert. Start ist um 14 Uhr in der Wil­helm­straße Ecke Han­nah-Arendt-Straße. Die Demons­tration endet mit ein­er Abschlus­sundge­bung und einem Konz­ert auf dem Oranien­platz in Kreuzberg.

Alle In­fos unter www.fightracismnow.net

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Antifaschismus

1000 bei Protest gegen Neonazi-Konzert in Finowfurt

INFORIOT — Der 18. Mai war ein gelun­gener Tag für Antifaschist_innen im Barn­im. An drei Orten protestierten ins­ge­samt über 1000 Men­schen gegen neon­azis­tis­che Ver­anstal­tun­gen und nah­men so den Neon­azis die Bühne.

Etwa 70 Anwohner_innen stell­ten sich gegen eine Kundge­bung der NPD “gegen Asylmiss­brauch” in Bernau. In Wan­dlitz waren es 150 Men­schen, die ver­hin­derten, dass die NPD vor dem Flüchtlingswohn­heim Gehör fand. Gegen ein Neon­azikonz­ert in Finow­furt protestierten bis zu 1000 Men­schen. Die Anfahrtswege wur­den zum Teil block­iert. Das Recht­srock-Konz­ert wurde am Abend durch die Polizei aufgelöst.

Bernau — Kundge­bung­sort block­iert, laut­stark­er Protest

Kurzfristig hat­te die NPD für den Sam­stag­mor­gen drei Kundge­bun­gen im Kreis Barn­im angemeldet. Bei der ersten, am Ein­wohn­er­meldeamt in Bernau, wur­den die NPD-Aktivist_in­nen von 70 Men­schen laut­stark aus­ge­buht. Der Kundge­bung­sort der NPD war zudem durch Bernauer_innen blockiert.

Das Mot­to der Wan­derkundge­bun­gen war “Ein­mal Deutsch­land und zurück — Asylmiss­brauch stop­pen”, eine Kam­pagne, welche die NPD seit eini­gen Monat­en bun­desweit durch­führt. Im laut­en Protest gin­gen die Het­zre­den der NPD voll­ständig unter. Bernaus Bürg­er­meis­ter Hubert Hand­ke (CDU) beteiligte sich an den Protesten, zu denen das Bernauer Net­zw­erk für Tol­er­anz und Weltof­fen­heit aufgerufen hatte.

Wan­dlitz — Wohn­mo­bil auf Straße stehengeblieben

Die Tour der NPD ging weit­er nach Wan­dlitz. Auch dort stieß die neon­azis­tis­che Partei auf starken Gegen­protest. Während am Bahn­hof Wan­dl­itzsee etwa 90 Men­schen gegen die NPD demon­stri­eren, waren es am Flüchtlingswohn­heim sog­ar 150. Der Runde Tisch Wan­dlitz, der sich in den let­zten Wochen im Flüchtling­sheim engagierte, hat­te zu Protesten gegen die ras­sis­tis­chen Kundge­bun­gen aufgerufen.

Die Protestieren­den zeigten sich bunt und kreativ. Neben Gesän­gen mehrerer Chöre, Trillerpfeifen und Buh-Rufen, gab es auch Ver­suche, die Straße, auf der der NPD-Truck vom Bahn­hof in Rich­tung Flüchtlingswohn­heim fuhr, zu block­ieren. Eine Men­schen­block­ade wurde von der Polizei schnell aufgelöst. Ein zuvor ste­henge­bliebenes Wohn­mo­bil versper­rte der NPD jedoch für einige Zeit den Weg. Es dauerte einige Minuten und mehrfache Auf­forderun­gen durch die Polizei, bis der Besitzer das Fahrzeug zur Seite fuhr.

Finow­furt — Entschlossene Bünd­nis­demon­stra­tion verzögert Nazianreise

Die wohl wichtig­ste Nachricht des Tages: Zum ersten Mal seit sechs Jahren ist es gelun­gen, eine deut­lich­es Zeichen gegen die Recht­srock-Konz­erte auf dem Grund­stück von Neon­azi Klaus Mann in Finow­furt zu set­zen. Das Bünd­nis “Finow­furt Naz­ifrei” hat­te unter dem Mot­to “Den Nazis den Steck­er ziehen” zu ein­er Bünd­nis­demon­stra­tion aufgerufen. Um die 1000 Men­schen beteiligten sich daran, darunter Bürg­er­meis­ter Uwe Schoknecht und das lokale Bünd­nis “Bunte Schorfheide”.

Die Demon­stra­tion endete vor der Auto­bahn­brücke. Die B167, die auch durch Finow­furt führt, sowie die Auto­bahnz­u­fahrt wur­den dadurch versper­rt. Auf der Auto­bahn 11 kam es zu Verkehrs­be­hin­derun­gen — was die Anreise der Neon­azis beein­trächtigte. Die Polizei sper­rte bei­de Auto­bahnz­u­fahrten und leit­ete die anreisenden Neon­azis über Marien­werder zum Konz­ert­gelände. Viele Finowfurter_innen, andere Brandenburger_innen und Berliner_innen har­rten aus.

Polizei zieht den Stecker

650 Neon­azis sam­melten sich im Laufe des Nach­mit­tags auf dem Konz­ert­gelände. 13 Bands sowie eine Über­raschungs­band waren angekündigt. Über 20 Neon­aziver­anstal­tun­gen habe es in den let­zten sechs Jahren auf dem Gelände gegeben, berichtete das Berlin­er Apabiz im Vor­feld. Neon­azis hat­ten für je 30 Euro Karten erwor­ben um Szene­größen wie “Sleip­nir” und “Legion of Thor” zu sehen. Die Polizei kon­trol­lierte die anreisenden Neon­azis. Rei­hen­weise Autos aus Bran­den­burg, Sach­sen, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Thürin­gen, Hes­sen, aber auch aus der Schweiz warteten an den Kontrollpunkten.

Im Vor­feld hat­ten die Konzertorganisator_innen ihre Gäste darauf hingewiesen, Waf­fen, waf­fenähn­liche Gegen­stände und ver­fas­sungswidrige Sym­bole zu Hause zu lassen. Bei ver­gan­genen Ver­anstal­tun­gen waren diese Grund für Ver­anstal­tungsauflö­sun­gen durch die Polizei. Vor­sor­glich stand an diesem Nach­mit­tag ein Wasser­w­er­fer der Polizei am Gelände.

Klaus Mann, Vor­sitzen­der der Partei “Die Rechte” in Bran­den­burg, hat­te sein Gelände der Berliner­in Gesine Hen­nrich zur Ver­fü­gung gestellt. Hen­nrich, ehe­mals Mit­glied des inzwis­chen ver­bote­nen Berlin­er “Front­bann 24”, pflegt, eben­so wie Mann, gute Kon­tak­te in die neon­azis­tis­che Kam­er­ad­schafts- und Recht­srock­szene. Als Ordner_innen — Selb­st­beze­ich­nung: “Staffel” — fungierten daher auch Aktivist_innen aus dem Front­bann 24 um Uwe Dreisch aus Berlin.

Im Vor­feld hat­te die Gemeinde Schorfhei­de ver­an­lasst, dass das Konz­ert um 22 Uhr enden musste. Laut Bünd­nisangaben wurde das Konz­ert jedoch schon gegen 21:25 Uhr durch die Polizei aufgelöst. Mehrfach sei es zu “Hit­ler­grüßen” gekommen.

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Lehnin ist bunt statt braun“

 

Für Son­ntag den 12. Mai riefen die Partei DIE LINKE, die Linksjugend.SOLID und die Antifa West­bran­den­burg zu ein­er Demon­stra­tion in Lehnin auf. Grund hier­für war der Aufzug von rund 20 bis 30 teil­weise ver­mummter (Neo)nazis am Abend des 08. Mai, dem Tag der Befreiung.

(Neo)nazistischer Spon­tanauf­marsch am 8. Mai

Sie zogen gegen 23 Uhr von der Bahn­hof­sstraße kom­mend über den Mark­t­platz in die Emstaler Straße und dann zum Mark­grafen­platz. Dort been­de­ten sie ihren unangemelde­ten Aufzug. An der Spitze des Auf­marsches hiel­ten zwei Demonstrationsteilnehmer_innen ein Trans­par­ent mit der Auf­schrift „Licht und Schat­ten – Gedanken ein­er neuen Zeit“. Des Weit­eren führten sie Fack­eln bei sich, war­fen Böller und hin­ter­ließen zahlre­iche Fly­er mit unter­schiedlichen Auf­schriften, so u. a. „Gedanken ein­er neuen Zeit“ und „Die Demokrat­en beerdi­gen das deutsche Volk“. Auf dem Park­platz ein­er Bank und eines Super­mark­tes in der Emstaler Straße und auf dem Mark­grafen­platz (Bus­bahn­hof) schmierten sie zahlre­iche Graf­fi­tis mit dem Ver­weis auf ihre Inter­net­seite („lichtschatten.info“) und die (neo)nazistische Parole „Frei Sozial & Nation­al“. Nach dieser Blitza­k­tion, welche nur wenige Minuten dauerte, ver­schwan­den die Demonstrationsteilnehmer_innen unerkan­nt (1).

Obwohl zahlre­iche Lehnin­er Anwohner_innen die Polizei umge­hend informierten braucht­en sie nach Augenzeug_innen cir­ca zwei Stun­den bis zu ihrem ein­tr­e­f­fen und kon­nte lediglich die liegenge­bliebe­nen Fly­er und die Graf­fi­tis doku­men­tieren. Mit­tler­weile sind die Ermit­tlun­gen jedoch so weit fort­geschrit­ten, dass die Polizei davon aus­ge­ht, dass die Demonstrationsteilnehmer_innen aus Pots­dam, Töplitz und Werder (Hav­el) stam­men sollen, Fes­t­nah­men gab es bish­er jedoch keine (2).

Auf der Inter­net­präsenz der (Neo)nazis fan­den sich wenige Tage nach dem ille­galen Aufzug Bilder der Aktion und ein dazuge­höriger Text. In diesem ver­leug­nen sie die Ver­brechen ihrer geisti­gen Vorväter und diskred­i­tierten die Befreier vom Hitlerfaschismus. 

Die Auf­machung und der Inhalt der (neo)nazistischen Inter­net­präsenz sowie das Vorge­hen der (Neo)nazis lassen ein­deutig Par­al­le­len zum im Früh­jahr 2012 ver­bote­nen Net­zw­erk „Wider­stand Süd­bran­den­burg“, welch­es auch unter dem gängigeren Namen „Spreelichter“ bekan­nt ist, erken­nen. Dort hieß eine Parole „Die Demokrat­en brin­gen uns den Volk­stod“, bei „lichschatten.info“ lautet sie „ Die Demokrat­en beerdi­gen das deutsche Volk“. Des Weit­eren zeich­neten sich die „Spreelichter“ auch durch unangemeldete Aufmärsche in ver­schiede­nen Städten aus. Diese wur­den nachträglich durch Videoauf­nah­men und Fotos im Inter­net glo­ri­fiziert. Es muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass es in Zukun­ft weit­ere solche Demon­stra­tio­nen in Pots­dam-Mit­tel­mark, den angren­zen­den Land­kreisen und kre­is­freien Städten geben wird. Dass das Treiben der (Neo)nazis jedoch nicht unbeant­wortet bleibt zeigten zahlre­iche Lehniner_innen am Son­ntag den 12. Mai.

Antifaschis­tis­che Kundgebung …

Ins­ge­samt 60 bis 70 Per­so­n­en nah­men an ein­er Kundge­bung mit anschließen­der Demon­stra­tion in Lehnin teil. Als erstes hielt der Göhls­dor­fer Land­tagsab­ge­ord­nete Andreas Bernig einen Rede­beitrag, in dem er erk­lärte, dass „Lehnin nicht braun, son­dern bunt ist“ und man den Recht­en zeigen wolle, „dass wir ihnen nicht unsere Straßen und Plätze über­lassen.“ Des Weit­eren ver­wies er darauf, dass „der 8. Mai als Jahrestag des Endes des Zweit­en Weltkrieges eine Nieder­lage für die Recht­en sei, aber für alle Demokrat­en und friedliebenden

Men­schen ein Tag der Befreiung ist“. Anschließend fol­gte der Rede­beitrag der Antifa West­bran­den­burg. In diesem wurde eben­falls auf die Bedeu­tung des 08. Mai einge­gan­gen und auch auf die anderen (neo)nazistischen Ver­anstal­tun­gen an diesem Tag aufmerk­sam gemacht. So zum Beispiel in Berlin-Karl­shorst, Königs Wuster­hausen und Dem­min (Meck­len­burg-Vor­pom­mern). Des Weit­eren ver­wies der Red­ner auf den am 07. Novem­ber 1992 von drei (Neo)nazis ermorde­ten Rolf Schulze hin. Die bru­tale Tat spielte sich am nahe gele­gen Kolpin­see ab, einem bekan­nten (neo)nazistischen Tre­ff­punkt der 90er Jahre (3).

… und Demon­stra­tion am 12. Mai

Nach Beendi­gung des zweit­en Rede­beitrags set­zten sich die Kundgebungsteilnehmer_innen in Bewe­gung und zogen durch Lehnin. An der Spitze des Demon­stra­tionszuges wurde ein Trans­par­ent mit der Auf­schrift „Nie­mand ist Vergessen – Rolf Schulze am 07.11.92 von Neon­azis in Lehnin ermordet“ getra­gen und antifaschis­tis­che Parolen gerufen. Des Weit­eren verteil­ten Per­so­n­en am Rande des Aufzuges Fly­er an Passant_innen. Nach­dem die Demon­stra­tion wieder an ihrem Aus­gang­sort ange­langt war, wurde sie aufgelöst und die Teilnehmer_innen macht­en sich auf den Weg nach Hause. Einige Antifaschist_innen macht­en sich noch mit abwaschbar­er Sprühkrei­de daran, die noch nicht ent­fer­n­ten (neo)nazistischen Parolen sym­bol­isch zu ent­fer­nen. Hier­bei kam es noch zu einem Wort­ge­fecht mit lokalen Polizist_innen und dem Leit­er des Ord­nungsamtes. Diesem wurde klar gemacht, dass es nicht hin­nehm­bar ist, dass diese Parolen noch immer im Zen­trum von Lehnin vorzufind­en sind. Der Leit­er des Ord­nungsamtes ver­sprach daraufhin, sich gle­ich am Mon­tag darum zu küm­mern. Anschließend wur­den noch einige (neo)nazistische Fly­er einge­sam­melt, welche eben­falls noch an der Marschroute der (Neo)nazis zu find­en waren.

Zusam­men­fassend kann die Kundge­bung als auch die Demon­stra­tion als ein klar­er Erfolg gew­ertet wer­den, denn zu den Demonstrationsteilnehmer_innen gehörten mehrheitlichen Bürger_innen aus Lehnin und den umgeben­den Dör­fern. Auch die Aus­sage von Andreas Bernig MdL, dass „jede angemeldete Demon­stra­tion schon im Vor­feld die demokratis­che Öffentlichkeit auf den Plan gerufen und ein Aufzug dann stark eingeschränkt oder ver­hin­dert hätte“, macht deut­lich, dass (Neo)nazis in Lehnin kein leicht­es Spiel haben. 

Fotos:

 

http://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157633479497234/

http://www.flickr.com/photos/neysommerfeld/sets/72157633479708436/

Tex­tquellen:

(1) http://rbb-online.de/nachrichten/politik/2013_05/Nazis_erschrecken_Buerger_mit_Blitz_Demo_in_Lehnin.html , 09.05.2013

(2) http://www.pnn.de/pm/750381/, 11.05.2013

(3) http://pressearchivwestbrandenburg.wordpress.com/todesopfer/rolf-schulze/

 

Inforiot