INFORIOT Spontanen Besuch ereilte Wittstock/Dosse an diesem vergangenem Sonnabend. Eine Gruppe von knapp 100 Antifaschist_innen veranstaltete eine Demonstration unter dem Motto „Antifa! Here we Are“ durch die historische Altstadt. Bei den aus Mecklenburg-Vorpommern angereisten Antifaschist_innen handelte es sich um die Teilnehmer_innen des Alternatives Jugendcamp (AJUCA), welches diese Woche in der Müritzregion campieren.
Mit lauten Sprechchören, Transparenten und Fahnen zogen die Demonstrant_innen vom Wittstocker Bahnhof eine Runde durch die Altstadt und beendeten ihren Aufzug auf den Marktplatz. Ursprünglich sollte die Demonstration aus dem Plattenbauviertel um die Käthe-Kollwitz-Straße durch die Innenstadt zum Bahnhof führen. Doch die Brandenburger Polizei machte den Campern einen Strich durch die Rechnung. Unter den fadenscheinigen Grund, dass die Polizei an dem Tag unterbesetzt sei, wurde eine deutlich kürzere Route verhandelt.
In einem Redebeitrag und Flyern wurde die anhaltende rassistische Mobilisierung und Bedrohungen gegen Geflüchtete und nicht-rechte Jugendliche thematisiert. Die Demonstrant_innen bekundeten in einem Redebeitrag u.a. ihre Solidarität über die Ländergrenzen hinweg mit den alternativen Jugendlichen in der Stadt und forderten mehr Alternativen gegen die rechten Hegemonialbestrebungen und mehr Willkommenskultur in ländlichen Gebieten. Nachdem die Demonstration auf dem Marktplatz aufgelöst wurde, besuchten die Demonstrant_innen das Sommerfest der Linken am Amtshof.
Im Anschluss fuhren die Demonstrant_innen weiter zur Burg Stargard (Mecklenburg) um ihre Solidarität mit den dort untergebrachten Geflüchteten zu bekunden. Einen Tag zuvor veranstaltete die NPD dort eine flüchtlingsfeindlichen Kundgebung. Die Kundgebung am Sonnabend musste allerdings durch anhaltende Neonaziprovokationen abgebrochen werden. Bei der Abfahrt wurden die Busse von Neonazis, die mit Flaschen, Steinen und Zaunlatten bewaffnet waren, attackiert.
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Monat: August 2015
Infoladen Neuron – das war‘s.
Beim Start des Projektes vor drei Jahren hatten wir uns viel vorgenommen, wir haben nicht alles erreicht und trotzdem eine ganze Menge auf die Beine gestellt. In einer Phase des allgemeinen Rechtstrends wollten wir mit unserem Infoladen eine Gegenbewegung einleiten und auf lokaler Ebene den alten humanistischen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität eine Frischzellenkur verpassen. Den Rechtstrend konnten wir nicht aufhalten und die allgemeine Totenruhe, trotz immer härterer Ämter-Schikanen, Massenüberwachung, Nazi-Gewalt und rassistischer Abschottungspolitik, bleibt bedrückend. In all diesen Bereichen haben wir versucht auf lokaler Ebene gegenzusteuern, aufzuklären und zu mobilisieren. Das schlaucht und trotzdem gab es immer wieder Momente, die uns viel Mut und Kraft gegeben haben.
Schon im Oktober 2012 waren knapp 200 Menschen gegen Nazistrukturen in Forst auf der Straße. Durch die Kampagne „Kein Heimspiel für Nazis“ hat die lokalen Naziszene ihren Treffpunkt „Firma 18“ in der Waldstraße verloren. Die NPD hatte mit ihren Kundgebungen in Forst nie einen leichten Stand. Die Kampagne „Wir sind Bert Neumann“ gegen Totalsanktionierung von HartzIV-EmpfängerInnen bekam 2013 bundesweite Aufmerksamkeit. Ende des gleichen Jahres bis Mitte 2014 wurden verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Flucht und Asyl auf die Beine gestellt. Gerne erinnern wir uns an die tolle Stimmung beim Refugees-Welcome-Hallenfußballturnier. Nach dem brutalen Überfall auf eines der beiden Forster Asylbewerberheim konnte mit einer Kundgebung im August 2014 ein wichtiges Zeichen der Solidarität gesetzt werden.
In der Zeit haben wir viele neue Bekanntschaften gemacht, feste Verbindungen aufgebaut und Freundschaften vertieft. Das Infoladen-Kollektiv als horizontale Struktur hat sich bewährt, als Ort hat der Infoladen uns allerdings nicht das gebracht, was wir uns erhofft hatten. Zur offenen Anlaufstelle für Jugendliche und Menschen aus dem Stadtteil ist er kaum geworden. Durch die versteckte Lage auf dem Park7-Gelände und den schwierigen Zugang hatten wir zu wenig „Laufkundschaft“. Die persönlichen Kontakte sind durch den Aufbau des Infoladens trotzdem gewachsen und letztendlich sind diese wichtiger als der Ort selbst geworden. Wir haben uns deshalb im Infoladen-Plenum darauf geeinigt unsere Energie, Zeit und Geld besser einzusetzen und unsere zukünftige Arbeit neu auszurichten.
In der Analyse der Situation sind wir zu den folgenden Schlüssen gekommen. Der alte Infoladen-Gedanke hat sich im Prinzip überlebt. die Art sich zu informieren hat sich in den vergangen Jahren radikal verändert. Wir glauben, dass es in Zukunft weniger darum gehen kann große Menge Infomaterial in analoger Form an vielen Orten zur Verfügung zu stellen. Fast alle Informationen sind heute über das Internet zu beziehen. Es ist wichtiger in der „realen Welt“ dezentral und durch unterschiedliche Aktionen Aufmerksamkeit zu erzeugen und dadurch für unsere Themen das Interesse zu wecken. Eigene Räume müssen so offen wie möglich sein und sich immer wieder verändern, um Abschottung und Erstarrung zu verhindern. Temporäre Interventionen, Aktionen und Kampagnen an unterschiedlichen Orten scheinen uns deswegen die besseren Mittel zu sein. Um dabei trotzdem den Faden nicht zu verlieren braucht es auf lokaler und regionaler Ebene Bewegungs-Archive, ein Mindestmaß an Infrastruktur und regelmäßige Publikationen mit hohem theoretischen und praktischen Gebrauchswert.
Wenn wir jetzt den Infoladen Neuron schließen, dann ist das kein Grund zur Trauer. Der Mut und die Lust uns gegen unmenschliche Verhältnisse aufzulehnen brennt weiterhin in uns und wir wissen, dass wir dieses Feuer mit vielen anderen Menschen teilen. Wir machen Platz für Neues. Nochmal danke an Alle, die gemeinsam mit uns aktiv waren und uns auf die eine oder andere Art unterstützt haben.
Die Internetseite werden wir zur Dokumentation weiter online lassen. Rückmeldungen und Anfragen können uns gerne noch eine Weile an die alte Mailadresse neuron[ät]riseup.net geschickt werden.
Am Samstag, den 25. Juli, veranstaltete die neonazistische Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ den bereits vierten Aufmarsch in der Oderstadt. Insgesamt 80 Neonazis und Rassist*innen versammelten sich diesmal am Karl-Ritter-Platz. Hier soll in diesem Jahr eine neue Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete eingerichtet werden. Unweit der rassistischen Kundgebung demonstrierten etwa 250 Antifaschist*innen gegen den Aufmarsch, welche von einem Großaufgebot der Brandenburger Polizei abgeschirmt wurde. (1)
Ankündigung von Übergriffen
Wurde bei der letzten Demonstration am 25. April wegen möglicher Blockadeversuche die Ankündigung auf ihrer Facebook-Seite noch sehr kurzfristig bekanntgegeben, mobilisierten die Frankfurter Rassist*innen um Peer Koss schon mehrere Wochen vorher zum nördlichen Rand der Innenstadt. Treffpunkt sollte zunächst um 12 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof sein, um dann gemeinsam mit anreisenden Neonazis, vermutlich als spontane Demonstration, durch das Zentrum laufen zu können. Dennoch schien auch diesmal das Risiko von Blockaden durch das lokale antifaschistische Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ zu groß. Obwohl laut eigener Aussage noch Flyer mit dem alten Treffpunkt verteilt wurden, rief man fünf Tage vorher dazu auf, direkt zum Kundgebungsort zu gehen. Auffallend bei
diesem Posting war, dass ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sich das Versammlungsrecht zu erkämpfen und sich notfalls zur Wehr zu setzen.2 Neben einigen ablehnenden Kommentaren fanden andere die Nachricht begrüßenswert. Der Facebook — Nutzer Christopher Lehnert kündigte an, mit seinen Leuten am Bahnhof einzutreffen und ergänzte mit dem Slogan „Sport frei“. Auch der Nutzer Dean Mason dankte für den Hinweis und kommentierte den unter Hooligans beliebten Spruch. Dabei war die Zielsetzung dieses Ausrufes eindeutig: Die Neonazis wollten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant*innen suchen. Ganz klar wurde die Aufforderung zur Gewalt hinter Sätzen, wie „zur Wehr setzen“ verklausuliert. Bestärkt wurde dies durch ein Posting am 22. Juli, in dem der § 32 des Strafgesetzbuchs wiedergegeben, um mögliche Übergriffe als Notwehrhandlungen darzustellen.3
Immer wieder die selben!
Zu bekannt gewordenen Übergriffen im Vorfeld der Kundgebung kam es nicht. Auch der Treffpunkt am Hauptbahnhof wurde nahezu nicht genutzt. Nur einzelne Neonazis, die mit der Bahn angereist waren, fanden sich auf dem Bahnhofsvorplatz ein, um dann wenig später von PKWs abgeholt zu werden. Der Gubener Alexander Bode (NPD) diente dafür als Kontaktperson und wies den wenigen ankommenden Teilnehmer*innen den Weg.
Am Kundgebungsort bot sich ein Bild, welches sich bei allen Veranstaltungen von „Frankfurt/Oder wehrt sich“ seit Januar zu wiederholen scheint. Neben Deutschlandfahnen und Transparenten, die von inhaltsleeren „Wir sagen Nein!“ bis hin zum zynischen „Freundlichen Frankfurt gegen Asylantenheime und Asylwahn“ die übliche Außendarstellung bot, gaben sich die Redner Björn Brusak (Europäische Aktion), Maik Eminger und Pascal Stolle (beide III. Weg) mit den immer gleichen Tiraden ihrem Hass gegenüber Geflüchteten, Antifaschist*innen, der BRD und „dem System“ hin.
Während Björn Brusak von „Verschwörungsfakten“ über das von der US-Ostküste gesteuerte Finanzsystem sprach, das die nicht souveräne Bundesrepublik kontrollieren würde, hetzten die beiden Kader der rechten Splitterpartei „Der III. Weg“ gegen Asylbewerber*innen und sprachen von „artfremden Rassen“, die niemals zu Deutschland gehören könnten. Wie bei den letzten Aufmärschen war die unter dem Parteienprivileg auftretende extrem rechte Gruppierung im Hintergrund in die Organisation des Tages eingebunden.
Nach nicht einmal einer Stunde beendeten die Neonazis bereits ihre Kundgebung. Die Teilnehmer*innenzahl war auch diesmal recht überschaubar und zeigte die seit Januar ersichtliche Metamorphose von einer rassistischen Demonstration mit 250 Wutbürger*innen4 hin zu einem Kern aus gefestigten Neonazis mit unter 100 Personen. Konnten beim letzten Aufmarsch am 25. April mit Unterstützung durch NPD und dem „III. Weg“ gerade einmal 55 Rassist*innen mobilisiert werden5, gelang es diesmal gerade, die Zahl der Teilnehmer*innen auf 80 zu steigern. Auffallend war am 25.7. das Fehlen von Aktivist*innen der „Kameradschaft Kommando Werwolf“ um den mehrfach verurteilten Sven Lemke – waren diese doch bislang auf allen Aufmärschen anwesend und sogar organisatorisch eingebunden. Die Mehrheit der anwesenden KundgebungsteilnehmerInnen waren dennoch auch Frankfurter*innen. Die hohe Zahl an einheimischen Neonazis mag verwundern, schaffte es die NPD in den vergangenen Jahren kaum mehr als ein Dutzend aus der Stadt zu ihren Versammlungen zu mobilisieren. Ihr fehlt seit Jahren eine lokale Verankerung. Der letzte Versuch scheiterte 2007.6 Die Nationaldemokrat*innen verzichteten daher komplett ihre Außenwahrnehmung und waren selbst personell kaum vertreten. Vielmehr erhärtet sich der Eindruck, dass die NPD auf dem Rückzug ist. „Der III. Weg“ als radikalere nationalistische Partei ist durch ihre Rhetorik deutlich erfolgreicher.
„Der III. Weg“ als Akteur im Hintergrund
Die neonazistische Kleinstpartei mit lediglich 200 Mitgliedern bundesweit scheint bei den Frankfurter Veranstaltungen immer mehr als entscheidende Organisation eine Rolle zu spielen. So gehören die beiden wichtigsten Kader des „III. Weg“ in Brandenburg, Maik Eminger und Pascal Stolle, zu den regelmäßigen Rednern auf den Demonstrationen der Frankfurter extremen Rechten. Spätestens seit dem letzten Aufmarsch im April tragen angereiste wie auch einheimische Neonazis immer häufiger Transparente und Fahnen der Partei. Neben dem ehemaligen NPD-Abgeordneten im Bad Belziger Stadtparlament, Pascal Stolle7, gehören dazu mittlerweile auch andere Aktivist*nnen der NPD, wie etwa vom Kreisverband Oderland. Die Gründe liegen zum einen bei der Selbstdarstellung als sogenannte extrem rechte Elite und zum anderen an der deutlich radikaleren Position zur Flüchtlingspolitik. So bezeichnen sie Brandanschläge auf geplante Unterkünfte für Geflüchtete u.a. als „vorzeitiges Weihnachtsgeschenk“ oder als „legitime Protestform“.8 Auch in ihrem Parteiprogramm spiegeln sich ihre völkisch-nationalistischen Ideen wider. Unter Punkt 10 fordern sie beispielsweise die Wiederherstellung eines großdeutschen Reiches.9
Nur selten tritt der „III. Weg“ öffentlich durch eigene Kundgebungen, wie zuletzt in Zossen und Damsdorf am 1. August, auf.10 Vielmehr verfolgt diese eine Strategie, die von nahezu allen Landesverbänden angewandt wird. Eher unauffällig agieren sie im Hintergrund bei vermeintlichen Bürger*innenprotesten gegen die Unterbringung von Geflüchteten. Hinter vielen „Nein zum Heim“-Seiten, die auf Facebook auftauchen, steckt zumeist selbst die Partei dahinter. So ist es wenig verwunderlich, dass nach Erscheinen einer neuen Anti-Asylseite mit einheitlichen Layout, oft bald eine ankündigte Kundgebung folgt, bei der dann „III. Weg“-Redner auftreten. Durch Einbindung örtlicher Neonazis wird das Bild einer ablehnenden örtlichen Bevölkerung nach außen getragen. Gleichzeitig binden sie diese in ihre Parteistrukturen ein. So unterstützen Frankfurter Neonazis, wie Peer und Franziska Koss, inzwischen regelmäßig Versammlungen in anderen Regionen, wie kürzlich in Zossen und Damsdorf.
Erlebnisfaktor Demonstration
Bei genauerer Beobachtung der Teilnehmenden fällt auf, dass auch viele junge Leute sich den Aufmärschen von „Frankfurt/Oder wehrt sich“ anschließen. Doch auch altbekannte Rechtsradikale, wie Mario Schreiber oder Stefan Heine, beteiligen sich an den Protesten. Dies scheint vor allem an den relativ regelmäßig stattfindenden Demonstrationen zu liegen. Damit haben Frankfurter Neonazis nach langer Zeit wieder regelmäßige Events in der Stadt, bei denen sie ihre menschenverachtende Ideologie auf die Straße tragen können. Das dadurch gestärkte Selbstvertrauen macht die Neonazis nicht nur mehr sichtbarer im Stadtbild, sondern erhöht damit ebenso die Wahrscheinlichkeit einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber Geflüchteten und politisch Missliebigen. Dass dieses Gewaltpotenzial sich nicht nur virtuell bemerkbar macht, zeigen die Angriffe auf die geplante Flüchtlingsunterkunft am Karl-Ritter-Platz,11 wie auch der Übergriff auf neun syrische Flüchtlinge im März diesen Jahres12 oder auch drei rechte Übergriffe, welche an einem Wochenende in der Stadt verübt wurden. Hierbei wurde eine Person mit Migrationshintergrund so schwer verletzt, dass sie notärztlich behandelt werden musste. 13Ebenso zeigte der führende Kopf von „Frankfurt/Oder wehrt sich“, Peer Koss, im Anschluss der Kundgebung, dass er es mit seinen Drohungen ernst meint: Auf dem von der Polizei begleitenden Rückweg versuchte er, Gegendemonstrant*innen anzugreifen. Auf der Facebook-Seite kündigte er wenig später bereits den fünften Aufmarsch in näherer Zukunft an und setzte zugleich seine Attacken gegen Antifaschist*innen fort, indem er mit der Veröffentlichung von Bildern und Adressen von linken Aktivist*innen drohte.14
Es ist also festzustellen, dass die Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ zu einer zunehmenden Bedrohung für Geflüchtete und deren Unterstützer*innen wird. Dabei werden sie in ihrer Rhetorik immer aggressiver. Durch die Unterstützung von „Der III. Weg“ professionalisieren sie ihr Auftreten. Vereinzelt kommt es im Gegenzug zur Unterstützung von anderen als Bürgerprotesten getarnten neonazistischen Aufmärschen, hinter denen die neonazistische Partei steckt. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass aus der losen Gruppierung in naher Zukunft ein Stadtverband des „III. Wegs“ wird. Denn inzwischen haben sie in der Stadt ihr Gesicht als Bürgerprotest komplett verloren und können nur noch als bekennende Neonazis agieren. Eine derart eskalierende Situation, wie zur Zeit im sächsischen Freital,15 scheint in Frankfurt (Oder) derzeit unwahrscheinlich zu sein. Dies ist auch ein Verdienst von Antifaschist*innen, die sich mit ihrem Protest sich den Rassist*innen in den Weg stellen. Doch ebenso müssen die Akteure der Frankfurter Neonaziszene benannt werden. Bereits bei früheren Aktionen gelang es durch die Offenlegung der rechten Strukturen, diese zu schwächen und Polizei und Behörden zum Handeln zu zwingen. Das führte mitunter zur Auflösung von Neonazi-Gruppierungen.16 Dieses Ziel sollte sich auch für „Frankfurt/Oder wehrt sich“ gesetzt werden.
Quellen:
1 Vgl. Presseservice Rathenow: Auseinandersetzungen nach rassistischer Kundgebung,
https://inforiot.de/frankfurt-oder-auseinandersetzungen-nach-rassisti…, eingesehen am
05.08. 2015.
2 Vgl. „Frankfurt/Oder wehrt sich“, Beitrag vom 20.07.2015, https://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110, eingesehen am 20.07.2015. (inzwischen gelöscht)
3 Vgl. „Frankfurt/Oder wehrt sich“, Beitrag vom 22.07.2015, https://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110, eingesehen am 23.07.2015. (inzwischen gelöscht)
4 Vgl. antifaschistische recherchegruppe: Aufstand der Ekelhaften, https://inforiot.de/der-aufstand-der-ekelhaften/, eingesehen am 05.08.2015.
5 Vgl. antifaschistische recherchegruppe: „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ mit dem „III. Weg“, https://inforiot.de/der-aufstand-der-ekelhaften/, eingesehen am 05.08.2015.
6 Vgl. antifaschistische recherchegruppe: NPD bleibt hinter Erwartungen zurück, https://recherchegruppe.wordpress.com/2007/10/01/npd-bleibt-hinter-erwartungen-zuruck/, 01.10.2007, eingesehen am 05.08.2015.
7 Vgl. Presseservice Rathenow: NPD Stadtrat wechselt zum „Dritten Weg“ / Neonazistische Kleinpartei will nach Brandenburg expandieren, https://presseservicern.wordpress.com/2015/03/04/bad-belzig-npd-stadtrat-wechselt-zum-dritten-weg-neonazistische-kleinpartei-will-nach-brandenburg-expandieren/, 04.03.2015, eingesehen am 05.08.2015.
8 Vgl. tagesschau.de: Einschätzung zu “Der III.Weg”. Radikal, gefährlich, geistige Brandstifter, https://www.tagesschau.de/inland/dritter-weg-101.html, 04.08.2015, eingesehen am 05.08.2015.
9 Vgl. „Der III. Weg“: Zehn-Punkte-Programm, http://www.der-dritte-weg.info/index.php/menue/63/Zehn_Punkte_Programm.html, eingesehen am 05.08.2015.
10 Vgl. Presseservice Rathenow: Proteste gegen Kundgebungstour des III. Weges, https://inforiot.de/zossendamsdorf-proteste-gegen-kundgebungstour-des-iii-weges/, 01.08.2015, eingesehen am 05.08.2015.
11 Vgl. Berliner Morgenpost: Tür an Asylbewerberheim beschädigt, http://www.morgenpost.de/berlin/polizeibericht/article142468137/Tuer-an-Asylbewerberheim-beschaedigt.html, 14.06.2015, eingesehen am 05.08.2015.
12 Vgl. Der Tagesspiegel: Neonazis greifen syrische Flüchtlinge an, http://www.tagesspiegel.de/berlin/attacke-in-frankfurt-oder-neonazis-greifen-syrische-fluechtlinge-an/11546836.html, 24.03.2015, eingesehen am 05.08.2015.
13 Vgl. Märkische Oderzeitung: Fremdenfeindliche Übergriffe in Frankfurt, http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1412417, 09.08.2015, eingesehen am 09.08.2015
14 Vgl. „Frankfurt/Oder wehrt sich“, Beitrag vom 27.07.2015, https://www.facebook.com/pages/Frankfurtoder-wehrt-sich/693079740809110, eingesehen am 27.07.2015. (inzwischen gelöscht)
15 Vgl. Zeit online: Rassismus als Happening, http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015–06/freital-fluechtlingsheim-proteste-stellungskrieg, 25.06.2015, eingesehen am 05.08.2015.
16 Vgl. antifaschistische recherchegruppe: ANOS am Ende, https://recherchegruppe.wordpress.com/2012/11/05/anos-am-ende/, 05.11.2012, eingesehen am 05.08.2015.
Am vergangenen Wochenende kam es in Frankfurt (Oder) zu drei rassistisch motivierten Vorfällen. Am Freitag Abend beleidigten zwei Männer einen jungen Mann und zeigten den Hitler-Gruß. Als dieser sie zur Rede stellte, verletzten sie ihn, sodass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Einige Stunden später attackierten drei Männer die Gäste eines interkulturellen Kulturfestes auf dem Brückenplatz, nachdem sie sie rassistisch und antisemitisch beleidigt und bedroht hatten. Am Samstag Abend skandierte eine Gruppe junger Menschen in der Heilbronner Straße “Sieg-Heil”-Rufe.
Der Utopia e.V. verurteilt die Vorfälle aufs Schärfste und spricht den Betroffenen seine Solidarität aus. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens als “anders” und “minderwertig” markiert und deswegen beleidigt oder angegriffen werden. Ebenso schockiert es uns, dass Menschen, die Courage zeigen, rassistischer Hetze widersprechen oder sich für Geflüchtete engagieren, Angriffen ausgesetzt sind.
Diese Vorfälle zeigen, dass Menschen mit rassistischen Einstellungen nicht zögern, diesen verbal und in Form von Übergriffen Ausdruck zu verleihen. In anderen Städten sind rassistisch motivierte Übergriffe an der Tagesordnung. Und auch in Frankfurt waren die Ereignisse am Wochenende nicht die ersten dieser Art: Ende März wurde eine Gruppe syrischer Geflüchteter von Neonazis durch die Stadt verfolgt und schließlich angegriffen und verletzt, und erst kürzlich gab es Flaschenwürfe gegen die noch nicht bewohnte Geflüchtetenunterkunft am Karl-Ritter-Platz. Dies sind nur zwei Beispiele — die Chronik ließe sich jedoch fortführen. Zudem gab es in diesem Jahr in Frankfurt bereits vier Demonstrationen bzw. Kundgebungen der neonazistischen Szene, die der Verankerung rassistischer Einstellungen im Stadtbild dienen und ein Klima der Ausgrenzung erzeugen (wollen).
Rassismus erfährt in der Gesellschaft wieder massiven Auftrieb und Akzeptanz. Eine hetzerische Stimmungsmache auf der Straße und die politisch forcierte Kriminalisierung von Geflüchteten verstärken sich gegenseitig. Dies mündet sowohl in rassistisch motivierten Übergriffen als auch in einer Gesetzgebung, die Asylsuchende systematisch diskriminiert und vielen von ihnen die Chance auf ein Leben in Sicherheit in Deutschland verwehrt.
Wir warnen vor einer weiteren Eskalation der momentanen Situation. Wir rufen zum verstärkten Engagement gegen Rassismus und für Geflüchtete auf. Rassismus darf nicht unwidersprochen bleiben! Er fängt lange vor rassistisch motivierten Morden an; wenn wir menschenverachtende Stimmung nicht als solche identifizieren, kann sie sich entfalten und radikalisieren. Antirassistische und interkulturelle Initiativen bedürfen der Unterstützung; Geflüchtete müssen verstärkte Solidarität erfahren — denn oft sind sie es, die nach der Fluchterfahrung hier unter Ausgrenzung, Hass und Angst um ihre körperliche Unversehrtheit leiden müssen. Ebenso tut der Protest gegen die rassistischen Zustände Not — sei es bei der anstehenden antirassistischen Demonstration am Weltfriedenstag am 1. September oder entschlossen im Alltag bei rassistischen Äußerungen oder Diskussionen. Ebenso müssen die Hintergründe von Flucht und Migration immer wieder beleuchtet werden: Die Krisen- und Wirtschaftspolitik des globalen Nordens verursacht zwangsläufig Unterdrückung, Krieg und Hunger in der Welt.
Frankfurt (Oder), den 12.8.2015 Utopia e.V.
Auf der gestrigen Veranstaltung “Res Publica” auf der “Brückenplatz” genannten Freifläche neben der Slubicer Straße kam es zu einem sehr unangenehmen Zwischenfall. Drei Männer überquerten den Platz und schlugen und traten gegen die dort stehenden Litfasssäulen. Daraufhin angesprochen bedrohten sie uns, insbesondere unsere polnischen, syrischen und afrikanischen Freunde, die mit uns auf dem Platz waren. Neben Sätzen, wie ihr “schwulen Multikulti-Juden” drohten sie einem syrischen Arzt, ihn zu finden und ihm dann den Kopf abzuschneiden.
Ich wählte daraufhin die Nummer “110” und es dauerte 5 Minuten, bis dort jemand den Hörer abnahm. Als ich zu sprechen begann, schlug mir einer der Neonazis das Handy aus der Hand und der Akkumulator fiel heraus, so dass das Gespräch unterbrochen wurde. Mit einem weiteren Schlag stieß er mich zu Boden. Auch auf den Anruf eines weiteren Freundes hin kam keine Polizei.
Glücklicherweise hatten die Anrufe immerhin erreicht, dass sich die drei verzogen, nicht ohne uns und den “Schmarotzern aus dem Süden” noch einmal mit dem Tod zu drohen und dass “dieser Platz nicht mehr lange stehe”.
Die fehlende Reaktion der Polizei gibt zu denken. Der “Brückenplatz” ist ein Ort der Integration und soll es auch bleiben. Das geht aber nur, wenn wir die Polizei auf unserer Seite wissen!
Michael Kurzwelly, Slubfurt e.V.
Friesack: Frierock-Festival begeistert
Mit einem vielseitigen alternativen Musikprogramm ist gestern Abend das 17. Frierock Festival angelaufen. Laut Angaben der Veranstalter_innen wurden ungefähr 500 Besucher_innen gezählt, darunter auch viele Asylsuchende und Flüchtlinge aus der Gemeinschaftsunterkunft im Ort. Gemeinsam wurde getanzt, gefeiert, gelacht.
Neben dem musikalischen Programm, dass an diesem Abend aus den Bands „Plattencrash“, „What“, „Blue Moon Struck“, „51 Grad“, „We are Crooks“ und „WHSKS“ bestand, gab es auch die Möglichkeiten Volleyball und Flunkyball zu spielen oder sich einfach in der improvisierten Wasserrutsche abzukühlen. Dazu gab es noch zahlreiche Imbiss‑, Getränke- und Merchandisestände. Zeltplätze sind ebenfalls noch vorhanden.
Das Frierock-Festival wird heute Abend mit den Headlinern „The Angelcry“, „Reizgas“, „B6BBO“ und „Distemper“ fortgesetzt. Beginn ist 16.00 Uhr
Fotos: hier
Zu einer kleinen Warm Up Party mit interkulturellen Austausch hatten heute die Organisator_innen des alternativen Musikfestivals „Frierock“ im havelländischen Friesack geladen. Zu dem gemütlichen Beisammensein kamen ungefähr 150 Menschen, darunter auch Asylsuchende und Flüchtlinge aus der Gemeinschaftsunterkunft im Ort. Gemeinsam wurde Essen zubereitet, gegrillt, gelacht und getanzt.
17. Frierock Festival
Wer wollte konnte sich auch im eigens hergerichteten „Frierock-Kino“ Impressionen aus den vergangenen Jahren ansehen. Denn das alternative Musikfestival findet mittlerweile seit 1997 statt. Seit 2014, mit der Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge, hat das Event auch einen integrativen Charakter. Integration soll hier nämlich nicht nur beabsichtigt sein, sondern vor allem auch fröhlich gelebt werden. Auch die Bands spiegeln den internationalen Anspruch des Festivals wieder. Mit Distemper aus Moskau ist beispielsweise auch eine russische Ska-Punk-Band am Start.
Erfolgreiche Crowdfounding Aktion für israelische Band
Mit „The Angelcry“ ist außerdem erstmals eine israelische Musikgruppe auf dem „Frierock“ vertreten. Das Besondere: die Folk-Band aus Tel Aviv wurde über eine so genannte Crowdfounding Kampagne finanziert. Das heißt, Anreise, Unterbringung und Gage von „The Angelcry“ wurde komplett durch einzelne Spenden Vieler finanziert.
Festivalbeginn am Freitag
Das 17. Frierock-Festival beginnt am Freitag, den 7. August 2015, ab 16.00 Uhr.
Fotos: hier
Sowohl in Zossen (Landkreis Teltow-Fläming), als auch in Kloster Lehnin Ortsteil Damsdorf (Landkreis Potsdam-Mittelmark) haben dutzende Menschen heute gegen Kundgebungen der neonazistischen Kleinstpartei „Der dritte Weg“ protestiert. Die Neonazis hatten die Orte offenbar absichtlich ausgewählt, da dort größere Flüchtlingsunterkünfte entstehen sollen. Bei so genannten „Einwohnerversammlungen“ war es sowohl in Zossen, als auch in Damsdorf zu Unmutsbekundungen von „besorgten“ Bürger_innen bezüglich der Unterbringung von Asylsuchenden gekommen. Andererseits gibt es in beiden Orten aber auch aktive zivilgesellschaftliche Initiativen, die um eine Willkommenskultur bemüht sind und sich, wie im Fall der heutigen Proteste gegen den „dritten Weg“, ebenfalls gegen neonazistische und rassistische Tendenzen in der Gesellschaft engagieren.
Zossen zeigte Gesicht
Der Auftakt zur Kundgebungstour des „dritten Weges“ fand in der ehemaligen Kreisstadt Zossen statt. Dort hatten sich ab 10.00 Uhr ungefähr 50 Neonazis unter dem Motto „Ausländerstopp – für Zukunft deutscher Familien“ auf dem Marktplatz versammelt. Die Teilnehmer_innen dieser Veranstaltung waren dazu aus dem gesamten Land Brandenburg, u.a. aus Potsdam, Frankfurt (Oder), Potsdam-Mittelmark, Havelland, Oberhavel, Barnim, Märkisch-Oderland und Oder Spree, sowie aus Sachsen und Bayern angereist. Auch einige Funktionäre und Sympathisant_innen der NPD, der „Europäischen Aktion“ und der RECHTEn sowie ein bekannter Holocaustleugner waren darunter. Hauptakteur war einmal mehr Maik Eminger vom „dritten Weg“, der auch eine Rede hielt. Weitere Redebeiträge kamen von Manuela Kokott (NPD), Björn Brusak (Europäische Aktion) sowie Manuel Schmidt und Karl Heinz Statzberger (beide vom „dritten Weg“). Letzt genannter, ein verurteilter Naziterrorist aus München, rief u.a. in seiner Rede dazu auf „jede Stadt und jedes Dorf zu Freital“ zu machen. In Freital (Sachsen) kommt es seit Wochen immer wieder zu ausländerfeindlichen Ausschreitungen durch Neonazis und Rassist_innen.
Daran hatte ein Großteil von Zossens Bürger_innen aber offensichtlich kein Interesse. Zu einer Protestversammlung gegen die Neonazikundgebung kamen jedenfalls ungefähr 200 Menschen. Zu dieser Veranstaltung, die ab 9.30 Uhr angemeldet war, hatte u.a. die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ aufgerufen. Solidarisch mit ihr zeigten sich aber auch Parteiverbände der LINKEn und der SPD. Gemeinsam wurde, u.a. durch Buh-Rufe, Pfiffe und Kirchengeläut, derart lautstark protestiert, dass die Beiträge der Neonaziredner_innen kaum noch zu hören waren.
Größere Zwischenfälle wurden nicht bekannt. Lediglich der Bad Belziger Neonazi Pascal S., der bei vorangegangenen Veranstaltungen öfters für den „dritten Weg“ sprach, viel an diesem Tag einmal mehr aus der Rolle. Vor Beginn der Neonazikundgebung soll er an der Bahnhaltestelle Zossen Gegendemonstrant_innen angegangen sein. Daraufhin sei die Polizei eingeschritten. Eine Anzeige soll erstellt worden sein. Außerdem soll S. sich später in die Gegendemonstration geschlichen haben und Teilnehmer_innen dieser Versammlung abfotografiert haben. Er wurde aber offenbar erkannt, musste seine Personalien abgeben und erhielt einen Platzverweis für alle Veranstaltungen, sowohl in Zossen als auch später in Damsdorf.
Fortsetzung in Damsdorf
Gegen 13.30 Uhr setzte sich die Kundgebungstour des „dritten Weges“ im Kloster Lehniner Ortsteil Damsdorf fort. Dort hatten sich die Neonazis vor einer Kindertagesstätte versammelt. Im Kern handelte es sich um dieselben Versammlungsteilnehmer_innen, wie in Zossen. Lediglich einige Einzelpersonen aus dem Havelland, Oberhavel, Barnim und Märkisch-Oderland fehlten, dafür stieß jedoch noch eine Gruppe Neonazis aus Brandenburg an der Havel dazu. Insgesamt waren 40 Neonazis aufmarschiert.
Ansonsten war der Ablauf ähnlich dem in Zossen. Als Redner traten neben Schmidt, Eminger, Kokott und Brusak zusätzlich noch Matthias Fischer und Tony Gentsch vom „dritten Weg“ sowie der Fotograf dieser Partei auf.
Zu Protesten hatte kurzfristig u.a. die Initiative „Willkommen in Damsdorf“ aufgerufen. Sie wurde unterstützt von einer zivilgesellschaftlichen Initiative aus Werder (Havel) und Antifas aus Bad Belzig. An dieser Gegenveranstaltung nahmen ungefähr 30 Menschen teil. Dennoch übertönte dieser recht überschaubare Protest, durch die mitgeführten Megafone, die Redebeiträge der Neonazis.
Neonazis buhlten um die Gunst der „besorgten“ Bürger_innen
Hintergrund der neonazistischen Aktionen sind u.a. die Planungen des Landes im Zossener Ortsteil Wünsdorf, neben Eisenhüttenstadt, eine zweite Erstaufnahmestelle für Asylsuchende einzurichten. Daraufhin kam es bei einer Einwohner_versammlung zu Unmutsbekundungen durch „besorgte“ Bürger_innen und eine Initiative „Wünsdorf wehrt sich“ organisierte sich. Im Mai 2015 wurde sogar ein Brandanschlag auf die geplante Einrichtung verübt.
In Damsdorf plante der Landkreis Potsdam-Mittelmark eine Gemeinschaftsunterkunft für 600 Asylsuchende in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne. Auch hier gab es bei der Einwohner_innenversammlungen Unmutsbekundungen aufgebrachter und „besorgter“ Bürger_innen. Zu dem zeigten der „dritte Weg“ und andere neonazistische Akteure bei der Veranstaltung Präsenz.
Heute hingegen blieb der „dritte Weg“ sowohl in Zossen, als auch in Damsdorf jedoch weitgehend unter sich.
Fotos: hier
Mit Kanonen gegen Spatzen
Am Montag, dem 01.06.2015, wurde uns eine Unterlassungsklage des Amtsgerichts Strausberg zugestellt. Klägerin ist die Stadt Strausberg in Vertretung der Bürgermeisterin. Es wird zum einen gefordert, die bundeswehrkritischen Transparente, sowie jegliche Schilder an Zäunen und Wänden zu entfernen.
Die Stadt Strausberg sieht ihre Interessen bezüglich der Bundeswehrpatenschaft durch Aussagen wie “300 Jahre Garnisonsstadt, 300 Jahre Krieg — Kein Grund zum Feiern” verletzt, und will uns unter Androhung von Strafgeldern zwingen, alle Transparente und Schilder abzuhängen.
Wir haben bereits in der Vergangenheit in vielen Schreiben und auch auf der Stadtverordnetenversammlung zu unserer politischen Position zur Bundeswehr Stellung bezogen und auf unser Recht auf freie Meinungsäußerung verwiesen. Wir sind der Ansicht, dass in unserer Gesellschaft Themen kritisiert werden dürfen und müssen. Dies soll durch die Klage verhindert werden. Es entsteht der Eindruck, jegliche öffentliche Kritik an der Bundeswehr soll unterdrückt werden.
Stefanie Hinze für’s AJP 1260 stellt fest: “Wir wehren uns dagegen, Kindern zu vermitteln, dass Kriegsgerät normale Mittel der Konfliktlösung sind und betonen damit, dass Klassenzimmer, Universitäten, Ausbildungsbetriebe, etc. keine Orte für militärische Institutionen und deren Nachwuchsakquise sein dürfen. Darauf beziehen sich u.a. auch die Aussagen der anderen Transparente”, so Hinze weiter.
Erst Ende April wies Brandenburgs Bildungsminister Baaske (SPD) darauf hin, dass eine sachliche Darstellung der Bundeswehr im Klassenzimmer stattfinden müsse und Lehrer aufgefordert seien, die Veranstaltungen zu moderieren. Das hört sich wie ein Weckruf an — der aber bundesweit in den Klassenzimmern real so nicht stattfindet.
“Ein praktisches Beispiel dafür, wie Militarisierung der Gesellschaft funktioniert, sahen wir am ‘Tag der Reservisten’ in Strausberg. Da wurden voll funktionstüchtige Kriegsgeräte (u.a. MIM-104 Patriot) nicht nur neben einem allseits beliebten Kinderspielplatz am See, sondern zu allem Überfluss auch noch neben einem jüdischen Gedenkfriedhof unkommentiert akzeptiert,” so Hinze.
Woche für Woche finden im gleichem Rahmen Referate statt. Dabei spielt der Standort Strausberg ‑konkret das Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr- bei der Koordinierung dieser Auftritte eine entscheidende Rolle.
“In Strausberg werden spezielle Angebote der Öffentlichkeitsarbeit koordiniert von nationalen und internationalen Seminaren bis zum Einsatz der Jugendoffiziere der Bundeswehr in Schulen. Hier muss die Politik nachbessern”, fügte Stefanie Hinze ergänzend hinzu.
Da wir zum jetzigen Zeitpunkt keine andere Wahl haben, werden wir uns anwaltlich vertreten lassen und versuchen, den Prozess den wir gezwungen sind zu gehen, so transparent wie möglich zu halten.