Am 03.01.2016 wollen Rassist_innen der Gruppierung ‘Beeskow wehrt sich’ durch Beeskow marschieren. Als Startpunkt dient ihnen dabei der Bahnhof von Beeskow. Die Initiative “Beeskow gegen Rassismus” ruft alle Bürger_innen dazu auf ein gemeinsames Zeichen der Solidarität mit den Geflüchteten und gegen Rassismus zu setzen. Ab 14:30 Uhr findet in diesem Sinne eine Kundgebung auf dem Parkplatz Bahnhofstraße / Ringstraße statt.
“Wir stehen für ein Beeskow das Geflüchtete willkommen heißt und all jenen, die mit rassistischen Parolen und dumpfen Hass die Atmosphäre vergiften wollen, eine Absage erteilt!”,
so Christopher Voß, Sprecher der Initiative “Beeskow gegen Rassismus”. Auf der Kundgebung werden u.a. Redebeiträge von einem Vertreter der Initiative, des DGB, der DKP, eines Mitgliedes des Landtages sowie der evangelischen Kirchengemeinde Tauche zu hören sein. Für eine musikalische Untermalung ist auch gesorgt.
“Unser Schulterschluss im gemeinsamen Agieren gegen Rassismus und für eine offene Gesellschaft kann als Versprechen für die Zukunft verstanden werden. Wir werden weiter für eine humanistische Flüchtlingspolitik und gegen Rassismus streiten.”
Der Abgeordnete Gerd Wollenzien hat sich heute aus der Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung Rathenow zurückgezogen. Er kam damit einem Ausschlussverfahren der Fraktion zuvor. Teilnahme bei BraMM-Demo?
Wollenzien war zuvor vorgeworfen wurden, sich an einer Demonstration der von den extrem rechten REPUBLIKANERn initiierten und PEGIDA-nahen Vereinigung „Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“ (BraMM) beteiligt zu haben. Er soll dabei eine Flagge der ebenfalls extrem rechten „Identitären Bewegung“ geschwungen haben. Mehrere Personen wollen den Fahnenträger auf Fotos als Gerd Wollenzien identifiziert haben. Er selber bestreitet dies jedoch bisher. Tatsächlich war der Fahnenträger während der BraMM-Demo – übrigens entgegen dem Versammlungsgesetz –vermummt und für Außenstehende nur schwer identifizierbar.
Der Mann mit der „Identitären“-Fahne war allerdings in Begleitung von Wollenziens Sohn Norman unterwegs. Und dieser ist regional mittlerweile kein unbeschriebenes Blatt mehr. Norman W. wurde unlängst vom Polizeidienst in Berlin suspendiert, weil er auf der selben BraMM-Demo ein Schild mit der Aufschrift: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern“ getragen hatte. Zuvor war er wegen anderer rechtsradikaler Vorfälle in der Polizei aufgefallen. Darüber hinaus gehört Norman W. dem Kreisvorstand der havelländischen AfD an. Umstrittener Abgeordneter
Anders als sein Sohn Norman war Gerd Wollenzien bisher parteilos, trat aber seit Jahren auf einer Liste für die Partei DIE.LINKE an. Allerdings war er dort zuletzt auch nicht unumstritten. Am 27. April 2014 stimmte Gerd Wollenzien im Kreistag Havelland, in dem er damals ebenfalls für die Linkspartei saß, beispielsweise gegen den Bau einer Unterkunft für Asylsuchende in Rathenow. Wollenzien sowie ein NPD Kreisrat waren damals übrigens die einzigen Abgeordneten, welche die Unterbringung ablehnten. Seit dem 27. Oktober 2015 nahm Gerd Wollenzien zudem an mehreren flüchtlingsfeindlichen und rechtsoffenen Versammlungen des so genannten „Bürgerbündnisses Havelland“ teil. Er trug dabei mehrfach eine große schwarz-rot-goldene Deutschland-Fahne.
In den vergangenen Monaten lösten sich etliche große Antifazusammenhänge auf und es konnte viel darüber gelesen werden, dass sich die antifaschistische Bewegung in der Krise befindet. Nahezu ausnahmslos wird diese Diskussion nur in größeren Städten geführt, wobei allen klar sein muss, dass gerade außerhalb von Großstädten die Situation mit der in den Städten nur schwer vergleichbar ist und es für viele Dorfantifas, zu denen wir uns auch zählen, ein Schlag ins Gesicht war. Die Situation in den Großstädten aus Sicht der Dorfantifas
Für viele ist gerade Berlin oder auch Leipzig ein großes Vorbild, sobald es neonazistische Aktivitäten gibt, wird gehandelt. Neonaziaufmärsche werden blockiert. Diese Situation hat sich jedoch in den vergangenen Monaten deutlich geändert, Neonazis und Rassist_innen gehen in die Randbezirke von Berlin und haben dort immer leichtes Spiel, denn viele berliner Antifaschist_innen verlassen die eigene Wohlfühlzone, diese endet häufig am S‑Bahn-Ring, nur selten. Gleichzeitig beobachten wir, dass zahlreiche Antifaschist_innen aus dem Land Brandenburg nicht nur immer und immer wieder nach Berlin fahren sondern auch quer durch das Land Brandenburg um Proteste gegen Neonazis und Rassist_innen zu unterstützen. Dieses solidarische Verhalten muss sich auf die Menschen in Berlin übertragen, denn nur durch eine gelebte Solidarität kann verhindert werden, dass die Dörfer und Städte im Land Brandenburg nach und nach aufgegeben werden müssen.
Durch die starke antifaschistische Szene innerhalb des S‑Bahn-Rings und teilweise gefährliche Situation in zahlreichen Gemeinden und Städten im Land Brandenburg, ziehen immer mehr antifaschistische und linksgerichtete Personen nach Berlin. Sie tun dies nicht nur in der Hoffnung sicher zu sein, sondern auch um politisch weiter voran zu kommen, das Gegenteil ist häufig zu beobachten. Die Menschen versacken in den Szenelokalen, während in ihren Heimatstädten wöchentlich Neonazis und Rassist_innen auf die Straße gehen und Geflüchtete angegriffen werden. Gleichzeitig lähmt sich die Szene durch interne Richtungsstreitigkeiten. Zwar sind Diskussionen notwendig und müssen geführt werden, dies ist jedoch häufig ein Privileg von Großstädten. Wir wollen jedoch die Szenen in Berlin, Leipzig und anderen Städten jedoch nicht allgemein schlecht machen, denn es gibt immer wieder Gruppen, die regelmäßig die Homezone verlassen und ländliche Strukturen unterstützen.
Des Weiteren wurde vor kurzem eine neue Debatte mit dem Spruch „Die Zeit der Sitzblockaden ist vorbei“ aufgemacht. Diese Forderung kann sicherlich vereinzelt unterstützt werden, jedoch muss die Wahl der politischen Mittel auch immer an die Situation vor Ort angepasst werden. Es darf nicht vergessen werden, dass gerade Sitzblockaden in vielen ländlichen Regionen eine gute Möglichkeit sind, um effektiv gegen Neonaziaufmärsche aktiv zu werden. Sie bieten gute Anschlussmöglichkeiten für gemäßigte oder bürgerliche Antifaschist_innen, die in Klein- und Mittelstädten bei Protesten unverzichtbar sind. Die Situation in Brandenburg an der Havel und den umgebenden Gemeinden
Richten wir den Blick auf Brandenburg an der Havel, einer Stadt mit rund 71.000 Einwohner_innen, scheint die Situation nicht unbedingt schlecht. Es gibt zwar keine wirklichen alternativen, selbstverwalteten Häuser oder Räume, wie sie in anderen brandenburgischen Städten zu finden sind, trotzdem existiert seit den 1990er Jahren eine kontinuierliche antifaschistische Bewegung. Diese ist zwar nicht auf einem gleichbleibenden Niveau aktiv, trotzdem ist sie immer da. Gerade durch diese permanente Arbeit gelang es über die letzten Jahre hinweg die verschiedenen neonazistischen Strukturen immer wieder zurückzudrängen. Zu Beginn des Jahres 2015 waren Antifaschist_innen aus der Havelstadt mit vier aufeinanderfolgenden rassistischen Aufmärschen des lokalen PEGIDA-Ablegers BraMM (Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung) konfrontiert und hier zeigte sich ein stark eingeschränkter Handlungsspielraum. Es war eine bittere Erkenntnis, dass es keine entsprechende Reaktion auf bis zu 150 Rassist_innen die durch die Straßen marschierten gegeben hat.
Je weiter wir in die ländlichen Regionen fahren, umso schwieriger wird die Situation. Zum einen werden junge Menschen selten politisiert, da weder linke Strukturen noch etablierte Parteien vor Ort sind und zum anderen finden sich dort häufig Vorurteile gegenüber Geflüchteten und emanzipatorischer Politik. Gleichzeitig dienen kleine Dörfer häufig Neonazis als Rückzugsräume. Sich in kleinen Dörfern als links erkennen zu geben, geht häufig mit Problemen einher und eben darum müssen wir genau diese jungen Menschen unterstützen und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Eigene Akzente setzen
Wir sind der festen Überzeugung, dass es nicht sinnvoll ist, immer nur den rassistischen und neonazistischen Demonstrationen und Kundgebungen hinterher zu reisen und auf diese zu reagieren, wenn eine antifaschistische Intervention sowieso keine Aussicht auf Erfolg hat. Eine Begleitung dieser Kundgebungen und Demonstrationen aus Recherchezwecken ist jedoch weiterhin sinnvoll und notwendig.
Eine starke antifaschistische Bewegung muss eigene Akzente setzen, sie muss aktiv Politik betreiben und für interessierte Menschen einen Anlaufpunkt bilden. Um Menschen wieder in die Szene zu bekommen, beziehungsweise konsumorientierte Antifaschist_innen wieder aus ihrer Wohlfühlzone herauszuholen, sind politische Angebote unverzichtbar. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden nicht nur am Todestag von Sven Beuter eine antifaschistische Demonstration in der Havelstadt zu organisieren, sondern diese mit einer Kampagne zu umgeben. Dadurch wollen wir genau die Leute ansprechen, die sich engagieren wollen, die keine Lust mehr haben einfach nur auf der Couch zu sitzen und sich über die aktuellen Zustände zu echauffieren, sondern aktiv werden möchten. Wir sehen die Demonstrationen als ein klares Signal an alle Dorfantifas nicht aufzugeben und weiter aktiv für eine bessere Welt zu kämpfen. Wir hoffen, dass sich anderen Strukturen im Land dem anschließen und antifaschistische und linke Politik wieder etablieren. Ausblick
Strategiediskussionen sind notwendig um angemessen auf neue Entwicklungen reagieren zu können, doch sie dürfen nicht dazu führen, dass die Aktionsbereitschaft, gerade im Bezug auf Berliner Randgebiete und den brandenburgischen Outback, sinkt. Neue Strategien nutzen nichts, wenn sie nur partiell umgesetzt werden, da an anderen Orten einfach zu wenig Aktivist_innen vorhanden sind. Auch die Absage an alte, aber gerade auf dem Dorf wirksame, Aktionsformen wie Sitzblockaden, darf nicht absolut sein. Es gab und wird wahrscheinlich nie eine Aktionsform geben, die zu jeder Situation passt. Flexibilität und Solidarität sind probate Mittel, die genutzt werden müssen. Es kann auch nicht nur darum gehen ein Event zu organisieren, damit organisierte Gruppen aus größeren Städten anreisen. Wir brauchen auch Unterstützung bei Kundgebungen und Mahnwachen, denn manchmal sind diese Aktionsformen diejenigen, welche sich für die Gegebenheiten vor Ort am besten eignen.
Gerade im havelländischen Rathenow marschieren alle zwei Wochen 500 bis 600 Rassist_innen und Neonazis. Der bürgerliche Protest schafft es gerade mal 200 Menschen zu mobilisieren. Nun ist es in diesem Fall einfach unrealistisch, Blockaden als Aktionsform zu diskutieren. Dies liegt hauptsächlich an den örtlichen Begebenheiten. Gleichzeitig wäre es ein starkes Signal, wenn organisierte Gruppen gemeinsam mit Menschen vor Ort eine gemeinsame Demonstration organisieren oder die angemeldeten Kundgebungen unterstützen. Antifaschist_innen müssen dahin gehen, wo es den Neonazis und Rassist_innen wehtut und wo es auch gefährlich sein kann, denn Geflüchtete und Dorfantifas leben genau in diesen Städten und Regionen. Kommt in die Provinz und unterstützt die lokalen Antifaschist_innen!
Solidarität muss praktisch werden!
Am Donnerstag den 17.12. sollte in der Innenstadt, im “Alten Stadtwächter”, die Potsdamer Mitgliederversammlung der AfD stattfinden.
Als dies am Montag bekannt wurde, meldete umgehend ein Bündnis aus Linken Aktivist_innen eine Protestkundgebung an.
Trotz einiger Aufruhr hielt sowohl die Lokalität als auch die AfD zunächst an dem Treffen fest.
Erst kurz vor Beginn der Kundgebung wurde mitgeteilt, dass das Treffen nicht stattfinden wird.
Dennoch versammelten sich ca. 80 Gegendemonstrant_innen, die den Verlautbarungen der PNN misstrauten, vor dem “Stadtwächter”.
Doch alles blieb dunkel im Versammlungssaal. Die Versammlungsteilnehmer_innen lauschten noch ein Weilchen der musikalischen Untermalung der Kundgebung und gingen nach einer Stunde zufrieden ihrer Wege.
Die Absage der Rassistenbande mag vielleicht auch unter den Eindrücken vom Anfang der Woche zustande gekommen sein.
Wie berichtet hielt am Montag die NPD eine Kundgebung vor der Potsdamer Staatskanzlei ab, um gegen die darin stattfindende “Integrationskonferenz” zu wettern. Während eine handvoll Anhänger der Potsdamer Zivilgesellschaft in sicherem Abstand Imagepflege für die Stadt Potsdam betrieb, blockierten ca. 100 Antifaschist_innen die Zufahrt zum Kundgebungsort.
Hätte die integrationsbeseelte Staatskanzlei nicht ihre Tore für die NPD geöffnet, damit diese doch noch ihre Kundgebung abhalten kann, wäre jene wohl verhindert worden. Dank dem beherztem Eingreifen einiger Antifas nach der Kundegebung wurde dafür Sorge getragen, dass durch professionelles Entfernen der Scheiben des NPD Lautsprecherwagens dieser für die nächste Zeit wohl nicht für weitere Hasstiraden zur Verfügung steht.
Die Pressesprecherin des ak_antifa_potsdam, Alyssa Schmidt, sagt dazu:
“Diese Woche hat wieder einmal gezeigt, dass im Kampf gegen Neonazis und Rassisten auf die Zivilgesellschaft, geschweige denn auf den Staat kein Verlass ist. Dagegen aber ein gemeinsames, entschlossenes und schnelles Handeln der Linken sehr wohl etwas bewirken kannn.”
INFORIOT Zum Jahrestag der rassistischen „Abendspaziergänge“ eskalierte es in Oranienburg. Sowohl aus der Demonstration heraus, als auch nach der Demonstration gingen die AbendspaziergängengerInnen auf Gegendemonstrant_innen los.
Scheinbar neue Demonstrationsleitung
Mit knapp 200 Personen war der heutige achte „Abendspaziergang“ der schlechtbesuchteste Aufmarsch in Oranienburg. Anders als die Aufmärsche zuvor, änderten die OrganisatorInnen den Ablauf der asylfeindlichen Demonstration. Anstatt mit den Reden des vermeintlichen JN Mitglieds Martin Ulbrecht und des Anmelders Carlo-Eik Christopeit zu beginnen, wurde auf die Auftaktreden verzichtet. Stattdessen begrüßte die Zehdenickerin Nicol Schwarze die „AbendspaziergängerInnen“. Schon seit dem letzten Aufmarsch kursierte die Vermutung, dass die Demonstrationsleitung gewächselt hat. Schwarze scheint eine NPD-Sympathisantin zu sein. Auf ihrer Facebook-Seite teilt sie Beiträge der NPD Oberhavel und liked gleichzeitig Beiträge auf der Seite des Kreisverbandes. Schwarze trat in der Vergangenheit mehrfach als Rednerin auf den „Abendspaziergängen“ auf.
NPD mischt weiterhin mit
An der Demonstration nahmen, wie üblich, eine Vielzahl von NPD-Mitgliedern und ‑Verordneten teil. Direkt an dem Fronttransparent lief der Oranienburger Stadtverordnete Reimar Leibner. Der Oberhaveler NPD-Kreisvorsitzende Burkhard Sahner betreute die Technik auf der Abschlusskundgebung. Auch der Kremmener Stadtverordnete Björn Beuchel lief in der Demonstration mit, sowie u.a. weitere NPDler wie Robert Wolinski, Robert Wegner, Henry Prang, Marco Fichte und Maik Naumann. Wie schon die letzten Demonstration im November hatte die NPD ein Transparent mitgeführt zur aktuellen asylfeindlichen Kampagne „Asylbetrug stoppen“. „Identitäre Aktion“ auch in Oranienburg
Erstmals nahm auch die “Identitäre Aktion” an der Demonstration in Oranienburg teil. Eine kleinere Gruppe führte eine Fahne der Identitären mit sich. Auf der Abschlusskundgebung hielt eine Person der Identitären einen Redebeitrag ab. Die gleiche Person sprach bereits vergangenen Sonnabend in Strausberg. Die “Identitäre Aktion” hat in einem Podcast auf Youtube angekündigt, eine „Märkische Offensive“ für das Jahr 2016. In den Städten Luckenwalde, Neuruppin und Cottbus sollen Aktionen folgen.
Unfreiwilliger Spendenlauf
Zum zweiten Mal veranstaltete das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg einen Spendenlauf. Unfreiwillig sammelten die „AbendspziergängerInnen“ mit ihrem Aufmarsch Spenden an Willkommensinitiativen vor Ort. Anders als bei dem Aufmarsch im November, wurde die Aktion in der Öffentlichkeit breiter angekündigt. Bei dem letzten Spendenlauf wurden 900€ gesammelt. An diesem Mittwoch bastelte das Forum satirische Plakate, die die “AbendspaziergängerInnen” zum Laufen anfeuern sollten.
Aggressive Stimmung eskalierte
Vor Beginn der Demonstration zeigten zwei Personen, an dem Asia Imbiss gegenüber des Antreteplatz, den Hitlergruß. Nur einer davon wurde durch die Polizei zur Kenntnis genommen. Sie nahmen die Personalien des Mannes auf. Auf der Höhe der Volksbank in der Bernauer Straße kam es dann zu mehreren Schubsereien. Aus der Demonstration heraus gingen die „AbendspaziergängerInnen“ auf die Gegendemonstrant_innen los und versuchten ihnen Plakate zu entreißen. Auf den Rückweg zur Abschlusskundgebung gab es weitere Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. An mehreren Stellen, u.a. am Louise-Henrietten-Steg griff die Polizei ein und nahm Personalien der Angreifenden auf. Demonstrationsoffensive in Oberhavel
Indes erweitern die „Abendspaziergänge“ ihren Aktionsradius im Landkreis Oberhavel aus. Für den kommenden Freitag soll erstmals in Fürstenberg eine asylfeindliche Demonstration stattfinden, nachdem das neonazistische Netzwerk bereits nach Zehdenick und Velten expandiert hatte. Erst letzten Freitag fand die vierte Demonstration mit mehr als Hundert TeilnehmerInnen in Zehdenick statt. Für den 7. Januar ist ein weiterer Aufmarsch in Velten angekündigt. Laut der Facebook-Seite der NPD Oberhavel sollen außerdem Aufmärsche in Hennigsdorf und Kremmen folgen. Weitere Bilder: hier.
Im Folgenden geben wir unsere Einschätzung zu den vergangenen zwei Monaten in Cottbus wieder. Unser Text ist zuerst in der Blicklicht (Ausgabe Dezember 2015) erschienen. Er soll es ermöglichen einen groben Überblick zu bekommen wie es zur Zeit in Cottbus aussieht. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben wir dabei nicht.
Da es momentan nicht mehr jede Woche eine rechte Veranstaltung im Stadtgebiet gibt, scheint die Lage bis zum Jahreswechsel relativ entspannt zu bleiben. Wir haben allerdings Grund zur Annahme das mit dem neuen Jahr eine neue Welle rechter Mobilisierung auftreten wird. Organisationen wie die AfD oder Zukunft-Heimat werden weiterhin Südbrandenburg als Spielplatz für ihre Hetze missbrauchen wollen. Antifaschistischer Lagebericht – Oktober und November 2015 Cottbus am 09. Oktober 2015: 400 Leute versammeln sich auf dem Norma Parkplatz in Sachsendorf und zogen vor die Erstaufnahmeeinrichtung in der Poznaner Straße, wo ein Willkommensfest stattfand. Eine Situation, die die Erinnerungen an die Pogrome von 1992 wachrief. Unter diesen 400 waren organisierte und unorganisierte Neonazis sowie ein breiter Schnitt durch die Cottbuser Gesellschaft. Einige Personen brachten selbst ihre Kinder mit. In den folgenden Tagen wurde vor allem auf Facebook die Stimmung gegen Geflüchtete weiter angeheizt und die NPD meldete für den darauf folgenden Freitag ihre erste Demonstration in Sachsendorf an. Die Vereinnahmung des Protestes durch die neonazistische Partei spaltete die aufkeimende Bewegung. Etwa 400 Personen trafen sich am 16.10. um 18 Uhr bei NORMA, an ihre Spitze setzte sich der Reichsbürger Rico Handta aus Großräschen. Nur etwa die Hälfte von ihnen versuchte später um 19 Uhr noch an der NPD-Demonstration auf der Gelsenkirchener Allee teilzunehmen. Der Ausgangspunkt für die neue rassistische Mobilisierung in Cottbus war die Ankündigung „1000 Flüchtlinge in 72 Stunden“ Tatsächlich kamen in den nächsten Tage nicht einmal 100 Personen. Trotz des schnellen Aufbaus eines breiten Solidaritätsnetzwerks löste die Kriseninszenierung bei einem Teil der Cottbuser Bevölkerung sehr viel Unruhe und Angst aus. Seit Anfang Oktober wird nun auch hier öffentlich gegen Geflüchtete mobil gemacht. In nicht einmal zwei Monaten wurden in Cottbus und Umgebung 18 Versammlungen durchgeführt. Die rechten Parteien NPD und AfD versuchen aus der rassistischen Stimmung Kapital zu schlagen und auch ein „Reichsbürger“ versucht die Stimmung für das eigene Image zu instrumentalisieren. Um nicht den Überblick zu verlieren, haben wir im Folgenden eine Übersicht der Akteure in Cottbus erstellt. NPD Die NPD ist mit ihren jährlichen als Gedenken getarnten Aufmärschen zum 15. Februar in Cottbus gescheitert und sucht neue politische Entfaltungsmöglichkeiten. Die Partei konnte durch langjährige und konsequente antifaschistische Arbeit immer wieder als Neonazi-Organisation offengelegt werden. Sie hat inzwischen einen so schlechten Ruf, dass sie ihre Kampagnen „Nein-zum-Heim“ bzw. „Stadt XY wehrt sich“ als vermeintlich unabhängigen Bürgerprotest tarnen muss. Die NPD versucht gezielt über das Thema „Flüchtlinge“ eine breitere Masse anzusprechen. Sie möchte bürgerlich und durch das Auftreten ehemaliger JN-Kader jünger wirken. Für Cottbus hat der NPD-Kader Ronny Zasowk das Ziel ausgegeben, alle zwei Wochen einen Aufmarsch in Sachsendorf zu machen bis die Erstaufnahmeeinrichtung geschlossen wird. Das Equipment, die Ordner*Innen und Redner*Innen bei den bisherigen Demonstrationen wurden von auswärtigen NPD-Strukturen gestellt. Zasowk selbst stammt zwar aus Cottbus, doch ist er vor allem auf Bundesebene aktiv und nur noch sehr selten in Cottbus zu sehen. Die Organisator*innen und Redner kamen bis jetzt vor allem von Auswärts. So waren vor allem bekannte Gesichter und NPD-Kader wie Benjamin Mertsch, Markus Noack, Stefan Lux, Oliver Schierack und der verurteilte Neonazi und Totschläger Alexander Bode aus Guben anzutreffen. Die stumpfe rechtsradikale Rhetorik und Parolen wie „Wir wollen keine Asylantenschweine“ wirkten bei den beiden ersten Aufmärschen offenbar schon so abschreckend auf parteifremde Teilnehmer*innen, dass viele die Demonstration bereits vor der Abschlusskundgebung wieder verließen. Der Gebrauch von Reichsfahnen und das teilweise aggressive Auftreten taten ihr übriges. Reichsbürger Diejenigen, die sich mit ihren „Sorgen“ nicht der NPD anschließen wollten, blieben am 16.10. bei NORMA. Hier wurden sie allerdings mit dem Reichsbürger Rico Handta aus Großräschen konfrontiert. Dieser ist u.a. in die Organisation der selbsternannten „Montagsdemos“ in Großräschen involviert, wo sich wöchentlich ca. 100–150 Neonazis und Wutbürger zusammen finden. In einer einstündigen Kundgebung wird dort gegen die bestehende Asylpolitik und gegen den Antifaschismus gewettert. Handta hat, wie die NPD, das Ziel ausgegeben, sich alle zwei Wochen Freitags in Cottbus zu versammeln, doch verlegte er mit seinen Anhängern zum 06.11. auf den Altmarkt in die Innenstadt. Sowohl räumlich als auch inhaltlich hat er sich von dem ursprünglichen Protestanlass schnell gelöst. Ihm geht es vor allem um die Verbreitung der These, dass das Deutsche Reich fortbesteht. Seine Verschwörungstheorien vermischen sich immer wieder mit verkürzter Kapitalismuskritik und PEGIDA-Parolen sowie Anekdoten über seinen Umgang mit der Stadtverwaltung, wo er sich scheinbar abwechselnd auf Recht der BRD oder des Deutschen Reiches beruft Handta ist ein umtriebiger Aktivist in der Reichsbürger-Szene und hat schon in der Vergangenheit jede mögliche Bühne genutzt. Er selbst bezeichnet sich als „links“, doch hält ihn dies nicht davon ab, in Cottbus mit Neonazis zusammenzuarbeiten. Der Personenkreis der Demoorganisation ist nahezu deckungsgleich mit denjenigen, die bereits im Februar 2015 den Cottbuser PEGIDA-Ableger „Cogida“ organisiert haben. Eine einheitliche und kosequente politische Linie ist bei Handta nicht zu erkennen. Seine bisherigen Bündnispartner lassen allerdings den Schluss zu, dass er ein klassischer Vertreter der Querfront-Strategie ist. Preußen- und umgedrehten Deutschlandfahnen prägen das Bild der 14-tägigen Kundgebungen wobei die Mobilisierung vor allem über Facebook erfolgt. AfD Wenn es um Wähler*innenfang mit Rassismus geht, darf die AfD nicht fehlen. Auch sie kündigte zum ersten Mal am 26.10. einen „Bürgerdialog“ im Stadthaus an, um zum „Widerstand gegen das Asylchaos“ aufzurufen. Dazu wurde die Vorsitzende der AfD Sachsen Frauke Petry angeheuert. Mit einem Aufmarsch am 04. November unter dem Motto „Asylchaos stoppen“ versuchte die AfD den Anschluss an die „Proteste“ zu schaffen und wollte von der sich aufheizenden Stimmung in Cottbus profitieren. Der Aufmarsch fand unter der Federführung des AfD Vorsitzenden Alexander Gauland statt. An den Aktionen der AfD beteiligten sich 150 Menschen im Stadthaus und rund 500 beim Aufmarsch. Cottbus ist für die AfD von strategischem Interesse. So soll der Brückenschlag von Dresden nach Berlin gelingen und sich die sächsischen Verhältnisse auch in Brandenburg ausbreiten. Cottbus wurde als Ort für die „Herbstoffensive“ der AfD unter dem Motto „Heißer Herbst in Deutschland – Heißer Herbst in Cottbus“ ausgewählt. Nachdem die radikalen rechten Strömungen innerhalb der AfD die Hoheit erlangt haben, setzt diese vermehrt auf eine offen rassistiche und nationalistische Rhetorik. Wenn Gauland von „Umvolkung“ und „der Auflösung Deutschlands in einem Strom fremder Menschen“ spricht, ist das ein klares Zeichen, dass der bürgerliche Mantel abgelegt wurde. Am 25.11. gab es erneut einen Aufmarsch gegen gefüchtete Menschen. Unorganisierte Neonazis Seien es NPD, Reichis oder AfD: im Umfeld der Veranstaltungen dieser Kreise finden sich immer die gleichen Gesichter wieder. Altbekannte und „neue“ Neonazis, sei es aus dem Fußballumfeld oder vom verbotenen „Widerstand Südbrandenburg“ sind auf oder in der Nähe dieser Veranstaltung anzutreffen. Es liegt nahe, dass ihnen momentan eine politische Heimat fehlt und sie in den „Protesten“ durchaus Anschlusspunkte erkennen. Meist sind diese zurückhaltend und fallen beim ersten Blick nicht weiter auf, jedoch ist das versteckte Gewaltpotenzial bei genauerer Betrachtung klar zu erkennen. Oft sind Kleingruppen im Umfeld der Aufmärsche und vor allem im Anschluss in den Stadtteilen unterwegs auf der Suche nach „Zielen“. Diese können im politischen Gegner, Flüchtlingen oder „normalen“ Bürger gefunden werden. Seit dem Beginn der „Proteste“ Anfang Oktober kam es im Stadtgebiet wieder vermehrt zu rechten Übergriffen. Ereignisse Nach der Demonstration am 23.10. in Sachsendorf kam es zu mehreren rechten Übergriffen im gesamten Stadtgebiet.
– Auf dem Campus der BTU wurden Studierende angegriffen und z.T. schwer verletzt.
– Die Synagoge wurde zweimal angegriffen und beschädigt.
– Es sind im gesamten Stadtgebiet Aufkleber mit rechtsradikalen Inhalten zu sehen.
– Es finden sich besonders in der Nähe von Geflüchtetenunterkünften Schmierereien z.T. mit Hakenkreuzen o. Runen, gegen die Asylpolitik und gegen die Geflüchteten selbst.
– Es wurden mehrfach geflüchtete Menschen beschimpft, beleidigt, bedroht und angegriffen.
– Es kommt immer wieder zu kleineren Zusammenrottungen von betrunkenen und stark aggressiven Rechten.
– Auch im Fußballmilieu bilden sich neue rechte Ableger. Fazit Wenn Staatsversagen inszeniert wird und Geflüchtete in den Medien vor allem als Problem erscheinen, gibt dies der rechten Bewegung Auftrieb. Auf der einen Seite verkünden unterschiedliche Parteien lautstark, dass „geflüchtete Menschen willkommen sind“ und auf der anderen Seite haben sie erst vor kurzem der Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Hier wird die ideologische Aufteilung in „legitime“ und „illegitime“ Menschen zugespitzt. Aber auch die lokale Politik trägt ihren Teil bei, wenn der Cottbuser Bürgermeister davon spricht, dass „der Hahn zugedreht werden muss“ und der Präsident von Energie Cottbus einen Elternbrief gegen die vorübergehende Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen mitinitiiert. So bilden die Schreibtischtäter*innen aus Bundestag und Bundesrat, sowie lokale politische Größen den Nährboden für rassistische Hetze. Unter diesen Bedingungen fühlen sich Neonazis, Reichsbürger*innen und Rechtspopulist*innen als Vertreter*innen des „wahren“ Volkswillens und glauben, selbst die vermeintlich bedrohte Deutsche Souveränität verteidigen zu müssen. Nach der ersten Erregung hat sich das Protestpotenzial in Cottbus gerade etwas abgeschwächt, was sich im Zuge der Anschläge von Paris aber auch wieder ändern kann. Die Konkurrenz unterschiedlicher Parteien und Gruppierungen in Cottbus zersplittert die rechte Bewegung. Die Gemeinsamkeit ist der positive Bezug auf „das Volk“, doch ob damit das Staatsvolk, ein rassisch definiertes Volk oder ggf. die staatenlosen Deutschen gemeint ist, da gehen die Sichtweisen schon weit auseinander. Eine weitere Gemeinsamkeit ist „Merkel muss weg“, doch auch hier stehen die NPD und die AfD in direkter Konkurrenz zueinander und es bleibt unklar, ob lediglich bspw. Die Kanzleri ausgetauscht werden soll, oder aber ein Regime errichtet werden soll. Trotz der Differenzen der einzelnen Akteure sehen wir das Resultat auf der Straße. Zwar sind in Cottbus die pogromartigen Krawalle wie in Heidenau oder Freital ausgeblieben, jedoch mehrt sich die Zahl rechter Angriffe doch immens. Weiterhin kam es im Südbrandenburger Raum zu Brandanschlägen, welche einen rechten Hintergrund sehr nahe legen. Gegenproteste konnten in Cottbus ihre Wirksamkeit zeigen, indem sich verschiedene Gruppen frühzeitig mit den Geflüchteten solidarisierten. Organisationen und Parteien, welche sich für Geflüchtete stark machen, arbeiten trotz der Kritik an politischen Entscheidungen der Stadtspitze (Unterbringungskonzept) sowie auf Bundesebene (Asylrechtsverschärfung) zusammen. Das bedeutet Stärke und Schwäche zugleich, da rassistische Ansichten und Methoden in den staatlichen Institutionen hinter dem Mob, der sich auf den Straßen formiert, unbehelligt bleiben. Insgesamt gilt es, dem rassistischen Grundton dieser Tage aktiv entgegenzutreten und vor allem Alternativen anzubieten. Dort wo es weiterhin Massenabschiebungen, immer höhere Grenzzäune und verschärfte Gesetze gibt, wo der rassistische Mob angsteinflößend durch die Straßen zieht und Schlipsträger das ganze legitimieren, dort brauchen wir Solidarität. Für ein menschliches Miteinander bedarf es nicht viel, lediglich dem Verständnis und den Respekt gegenüber den Bedürfnissen unserer Mitmenschen. Rassimus ist KEINE Alternative. [Autonome Antifa Cottbus][November ’15]
Am Vormittag musste sich der Rathenower NPD Stadtrat Michel Müller vor dem Amtsgericht Rathenow wegen des Tatvorwurfes der Körperverletzung verantworten. Die ihm zur Last gelegte Straftat erfolgte, nach bisherigen Erkenntnissen, allerdings außerhalb seiner politischen Betätigung. Detailliert wird Müller vorgeworfen, am späten Abend des 7. Dezember 2014 in einem Restaurant in Rathenow, grundlos auf den Zeugen T. losgegangen zu sein und ihn dabei erheblich verletzt zu haben. Gewalttat nach Zechtour
Dies räumte der Angeklagte in einer von seinem Rechtsanwalt verlesenen Erklärung im Wesentlichen auch ein, eine genaue Erinnerung an die Tat stritt er allerdings, auf Grund eines angeblich hohen Alkoholpegels, aber ab. Daraufhin bat der Richter um eine detaillierte Angabe zum Alkoholkonsumam Tattag. Der Angeklagte Müller gab an, am Vormittag des 7. Dezember 2014 gemeinsam mit vier oder fünf weiteren Personen, an die genaue Anzahl könne er sich nicht erinnern, nach Berlin zu einem Fußballspiel des BFC Dynamo, gefahren zu sein. Auf dem Weg dorthin habe er bereits mit seinem Bekannten P. eine 1,5 Liter Flasche Wodka- Cola- Gemisch getrunken. Er gab an, für diese erste Mischung ungefähr 600ml Wodka verwendet zu haben. Auf die Frage, wo genau in Berlin dieses Spiel stattgefunden habe, sagte Müller, er könne sich nicht genau daran erinnern, er sei seinen Freunden nur hinterher gelaufen. Weiter gab Müller zu Protokoll, dass das Spiel bis ca. 15 Uhr ging. Auf dem Weg zur U- oder S- Bahn, da war er sich auch nicht mehr ganz sicher, haben er und sein Begleiter P. in einem Supermarkt eine weitere Flasche Wodka gekauft und diese auf dem Weg zum Spandauer Weihnachtsmarkt getrunken. In Spandau angekommen, liefen Müller und P. ihre „üblichen Stationen“ ab. Zuerst gönnten sie sich mehrere Becher Feuerzangenbowle, er schätzt 2- 3 Stück. Dann gingen sie in den nächsten Supermarkt, um sich eine weitere Flasche Wodka zu kaufen und diesen dann mit Glühwein zu mischen. Müller erzählte weiter, dass die Gruppe dann mit dem letzten Zug nach Rathenow gefahren sein. Zuvor habe man sich aber am Bahnhof vor der Abfahrt noch eine Flasche Wodka gekauft. In Rathenow angekommen, sollte die Zechtour dann in einem Restaurant am Schwedendamm weitergehen. Müller gab an, dass er nicht mehr wüsste, wie sie dort hingekommen sind. Jedoch sei er sich sicher, dass ihn jemand gefahren haben muss, da der Weg zu Fuß sehr weit sein. Müller wüsste aber nicht mehr ob sie mit einem Taxi gefahren sind. Daraufhin hakte der Richter ein und fragte, ob er sich wirklich sicher sei, dass er Gedächtnislücken habe. Müller bejahte dies. Er könne sich auch nicht mehr daran erinnern, ob er am Schwedendamm weiter getrunken hätte. Laut einer Zeugenaussage wurde Müller aber mit Bier in der Hand gesehen. Anschließend fuhr der Angeklagte mit seiner Einlassung fort. Müller erzählte, dass er seinen Freund B. mit dem später Geschädigten stehen sah. Beide sollen sich über eine gemeinsame Ex-Freundin unterhalten haben. Müller stellte sich dazu. Er gab an, dass eine angespannte Stimmung herrschte. Kurz nachdem Müller hinzukam, verließ B. die Runde. Der Angeklagte glaubt sich diesbezüglich zu erinnern, dass es nun eine „Rangelei“ mit dem Betroffenen T. gegeben hatte und er dann irgendwann auf ihm lag. Auch hier betonte Müller, das ihm das Geschehene angeblich wahnsinnig Leid täte, „eigentlich.“ Korrigierte sich dann aber in „nicht eigentlich, es tut mir leid.“ Weiterhin sagte er, dass es „ein Rumgefuchtel beiderseits gegeben haben soll, „aber nicht wie ein Boxkampf.“ „Das ich ihn an den Armen festgehalten habe, ich kann‘s nicht genau sagen […] klingt merkwürdig, aber ich weiß nur noch, dass mich mein Nachbar nach Hause gefahren hat“, so der Angeklagte weiter. Abschließend bekräftigte Müller, nach der Tat mit dem Betroffenen T., welchen er nach eigener Aussage zuvor nicht gekannt haben will, Kontakt aufgenommen zu haben. Der Angeklagte soll sich entschuldigt und Schadensersatz angeboten haben. Betroffener mit Gesichts- und Oberkörperverletzungen
Nach der Einlassung des Angeklagten kam auch der Betroffene als Zeuge zu Wort. T. gab an Müller bis zum Tatzeitpunkt nicht gekannt zu haben. Auch er berichtete zunächst von dem Gespräch mit B. und das der Angeklagte später dazu kam. Dann ging B. und die Situation eskalierte. Müller soll dann ohne ersichtlichen Grund zu geschlagen haben. Den ersten Schlag konnte der Betroffene T. aber abwehren. Der zweite soll ihn dann so ins Gesicht getroffen haben, dass er stürzte. Müller drehte sich dann um und soll wohl wieder die Absicht gehabt haben in das Restaurant zu gehen. Als dem Angeklagten aber gewahr wurde, dass sein Opfer wieder versuchte auf zustehen, stürzte er sich erneut auf den Betroffenen und schlug weiter auf ihn ein. Der Konflikt wurde erst durch das Eingreifen eines Bekannten von T. und einer Kellnerin aufgelöst. Der Betroffene gab an, durch die gewalttätigen Handlungen des Angeklagten erheblich verletzt worden zu sein. Er sagte aus, dass Müller ihm die Querfortsätze 2- 4 gebrochen, eine Rippenprellung erlitten sowie mehrere Verletzungen im Gesicht zugefügt habe.
Einige Wochen nach der Tat soll sich der Angeklagte allerdings bei dem Zeugen entschuldigt haben. Müller habe T. diesbezüglich zu Hause aufgesucht. Der Angeklagte hatte den Betroffenen in diesem Rahmen darauf hingewiesen, dass im Falle einer Verhandlung und einer Verurteilung zu Schadensersatz, kein Geld von ihm zu erwarten wäre, da er angeblich selbst nichts besitze. Sollten sie sich aber außergerichtlich einigen bot Müller T. an, die „Sache“ über seine Versicherung laufen zu lassen. Der Betroffene hatte für derartige Vorschläge jedoch kein Verständnis. „Der angebotene Versicherungsbetrug ist nachträglich eine Ohrfeige gewesen und hat die Entschuldigung zunichte gemacht“, so T. heute vor Gericht. Müller saß nun in der Klemme. Sein Rechtsanwalt versuchte daraufhin Widersprüche in T. Aussage herauszuarbeiten. Auf die Frage des Verteidigers, warum T. seinen Mandanten bei der ersten Gegenüberstellung nicht erkannt und identifiziert habe, gab dieser an, bei der Gegenüberstellung aus Angst vor Müller vor einer eindeutigen Benennung des Angeklagten Abstand genommen zu haben. Der Zeuge hatte sich nach der Tat im Internet über Michel Müller kundig gemacht und habe auf Grund dessen Strafregister, welches öffentlich ersichtlich sei, Furcht vor Müller bekommen.
Den Eindruck das Müller während der Tat stark alkoholisiert war hatte T. übrigens nicht. Der Zeuge verneinte, auf Nachfrage des Richters, und gab an, dass er lediglich den Eindruck hatte, dass der Angeklagte leicht angetrunken sei.
Anschließend folgte ein internes Rechtsgespräch zwischen Rechtsanwalt, Richter und Staatsanwalt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Ein weiterer Zeuge brachte keine neuen Erkenntnisse. Die ebenfalls als Zeugin vorgeladene Kellnerin war nicht erschienen.
Abschließend entschied der Richter, dass der Termin der Hauptverhandlung ausgesetzt wird und ein Sachverständigengutachten erstellt werden soll, um die Frage nach dem minimalen bzw. maximalen Alkoholisierungsgrad des Angeklagten zu treffen. Der neue Verhandlungstermin soll von Amtswegen bekannt gegeben werden und nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Angeklagter einschlägig vorbestraft
Der Angeklagte Müller ist bereits wegen mehrerer Gewaltdelikte und einem Gewaltverbrechen vorbestraft.
Am 29. Juli 1999 wurde er vom Amtsgericht Rathenow zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Diesem Urteil liegt eine Auseinandersetzung mit linken Jugendlichen am letzten Oktoberwochenende 1998 zu Grunde. Der Angeklagte Müller hatte dabei mit einem Motorradhelm auf den dadurch Geschädigten eingeschlagen.
Am 3. Dezember 2002 wurde Michel Müller erneut wegen Gewalttaten verurteilt. Das Landgericht Potsdam verhängte damals eine Gesamtjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, ohne Bewährung, gegen ihn. Müller hatte sich zum einen an einer Hetzjagd gegen pakistanische Asylsuchende beteiligt, die später von unbekannt gebliebenen Täter_innen zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Das Gericht erkannte hierin eine Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Tattag war der 01. Januar 2000. Zum anderen hatte sich Müller an einem Fall brutaler Selbstjustiz beteiligt. Dabei wurde einem mutmaßlichen Schutzgelderpresser aufgelauert und dieser in der folgenden Auseinandersetzung von Michel Müller und anderen Tätern am 24. Februar 2001 zusammengeschlagen. Das Gericht sah hierin eine Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Politischer Background des Angeklagten
Obwohl die heute verhandelte Straftat offenbar keinen politischen Hintergrund hatte, wurde durch die Verhandlung doch offensichtlich, in welchem Milieu sich der Angeklagte nach wie vor bewegt. Müllers Freunde P. und B. gehörten, genau wie er selber, der 2005 verbotenen Kameradschaft „Hauptvolk“ an. P. war, vor dem Verbot, sogar der letzte Domaininhaber der Internetpräsenz dieser Vereinigung. Des Weiteren ist der BFC Dynamo für neonazistische Zwischenfälle eines Teiles seiner Anhänger_innen berüchtigt. Im Havelland existiert zum Beispiel die lose neonazistische „Fan“-Gruppierung „BFC Hooligans Rathenow / Premnitz, zu der auch der Angeklagte gehören soll. Darüber hinaus ist Michel Müller mittlerweile auch landesweit für die NPD aktiv. So sitzt er als „Organisationsleiter“ im Brandenburger Landesvorstand der Partei, sowie darüber hinaus noch als Abgeordneter in der Rathenower Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag Havelland. Des Weiteren gilt er als einer der Drahtzieher der aggressiven „Anti-Asyl“-Proteste in der Region. An den flüchtlingsfeindlichen Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“ nahm er auch regelmäßig teil.
Am Nachmittag des 14.12.2015 fand eine Kundgebung der NPD vor dem Gelände der brandenburgischen Staatskanzlei in der Friedhofsgasse in Potsdam statt. Anlass hierfür gab eine Integrationskonferenz, die der Ministerpräsident einberufen hatte.
Während auf dem Gelände der Staatskanzlei sich das Land Brandenburg in crowd controlling übte und die heimische Wirtschaft mit neuen Arbeitskräften zu versorgen strebte, konnten vor dem Gelände die Volksdeutschen der NPD die Regierung an ihre oberste Verpflichtung erinnern: allein dem Wohle des Deutschen Volkes zu dienen. So weit, so normal in dieser Republik. Die im Vorfeld von der NPD angekündigte, niedrige zweistellige Anzahl von Teilnehmer_innen erschien am Kundgebungsort — wenn auch mit Verspätung. Die Verspätung resultierte aus einer Blockade der Einfahrt in die Friedhofsgasse durch linke Demonstrant_innen. Den etwa 150 Personen wurde durch die Polizei sogleich mit Räumung der Einfahrt und daher mit einer Eskalation der Situation gedroht. Nach mehrfacher Räumungsdrohung konnte die Blockade allerdings in eine legale Kundgebung überführt werden.
Diese ‘Beruhigung’ der Lage wurde von den Einsatzkräften erst akzeptiert, als sichergestellt war, dass die Volksgenossen der NPD doch noch ihren Platz vor der Staatskanzlei in Anspruch nehmen konnten. Dank dem großen Integrationswillen in der Staatskanzlei wurde der NPD-Bus samt deutschem Personal über das Gelände der Staatskanzlei geleitet. Die Durchführung der Kundgebung war somit sichergestellt und der Demokratie standen keine linken Störer mehr im Wege. Das der Integrationswille aber auch an seine Grenzen stoßen kann zeigte der Protest von Flüchtlingsinitiativen im Konferenzsaal. Mittels eines Transparents wurde versucht der Wut über die vollkommen verfehlte Politik des Landes Ausdruck zu verleihen. Die anwesenden Security Fachkräfte unterbanden dies allerdings in Windeseile.
Es ist klar, dass in Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent rutscht, alle demokratischen Kräfte zusammenhalten müssen. Und solange das Bundesverfassungsgericht nichts anderes anordnet, gelten auch die Deutschgenossen der NPD als ebensolche Elemente. Auch wenn sich Ministerpräsident Woidke empört zeigt – der Zugang der NPD über das Gelände der Staatskanzlei konnte Schlimmeres verhindern: Gewalt durch Linke und die undemokratische Einschränkung der Versammlungsfreiheit.
Gewalttätig wurde es dennoch. Nach Beendigung der Kundgebung wurde der Aktionsbus der NPD durch beherztes und radikales Eingreifen einiger Antifaschist_innen unbrauchbar gemacht und dürfte in nächster Zeit der Hetze nicht mehr zur Verfügung stehen.
Die Pressesprecherin des ak_antifa_potsdam Alyssa Schmidt sagt hierzu: „Ein willkommener Zwischenfall für all jene, die das Treiben der NPD lediglich als ‘braunen Spuk’ kennzeichnen und die Gefahr in der Regel links sehen. Während in München dutzende Morde des NSU zur Verhandlung stehen, mehr Asylunterkünfte denn je angegriffen werden, nationalistische und völkische Massenaufmärsche die ganze Republik überziehen, das Internet überflutet wird von rassistischen Vernichtungsphantasien gegenüber geflüchteten Menschen, ja, da sind in den Augen der bürgerlichen Öffentlichkeit die Neonazis der NPD nur ein spukendes ‘Gespenst’ und nicht mehr. Vielleicht weil sie genau wissen, dass die rechte Bedrohung nicht mehr in der NPD organisiert ist, sondern von der deutschen Mehrheitsgesellschaft ausgeht. Faschismus lässt sich aber nicht nur mit warmen Worten bekämpfen — dies ist ein Lehrsatz der Deutschen Geschichte.“
Seltsame Allianzen haben sich dem Anschein nach im Süden Brandenburgs gebildet. Gegen den “Austausch des Volkes” gehen dort “besorgte Bürger” gemeinsam mit der AfD auf die Straße. Mit dabei sind auch Neonazis aus dem Umfeld der verbotenen “Spreelichter”. “Zukunft Heimat” heißt die Initiative, die mobil macht gegen Flüchtlinge. Bei einer Demonstration vom “Zukunft Heimat” am 31. Oktober in der Spreewaldstadt Lübbenau kamen 900 Personen zusammen. Bei einer zweiten Aktion am 5. Dezember in Lübben waren es 500.
Ihren Ursprung hat “Zukunft Heimat” in einer Bürgerinitiative aus dem Dorf Zützen. Die Initiative „Pro Zützen“ hatte im Sommer die Unterbringungen von 100 Flüchtlingen in dem 350-Einwohner-Dorf kritisiert, aber nicht grundsätzlich abgelehnt. Zützen ist ein Ortsteil der Stadt Golßen im Dahme-Spreewald. Eine Demonstration fand am 30. Juni unter dem Motto “Demokratie wagen” statt. Nach eigenen Angaben versammelten sich über 100 Menschen auf dem Marktplatz in Golßen. Zu den Forderungen gehörte der Ruf nach ” mehr Bürgerbeteiligung” und die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen.
Aus “Pro Zützen” hat sich mittlerweile “Zukunft Heimat” entwickelt. Es handelt sich um einen Anfang August gegründeten, eingetragenen Verein. Vorsitzende sind Christoph Berndt, hauptberuflich an der Berliner Charité, und Anne Haberstroh, Friseurin in Golßen. Weitere Aktive wie Alexandra Hentsch und Lars Köhler kommen ebenfalls aus Golßen.
“Zukunft Heimat” ist wesentlich radikaler als “Pro Zützen”. “Gegen die Auflösung unseres Volkes” gelte es “Widerstand zu leisten”, heißt es in scharfem Ton auf der Homepage. Von den “Blockparteien” dürfe man dabei nichts erwarten. Auf der Facebookseite wird verkündet, dass man mit dem “Ungehorsam des deutschen Staatsvolkes” die “vaterlandslosen Gesellen in der Regierung und Medien” besiegen werden könne.
Offenkundig nicht zu den “Blockparteien” wird von “Zukunft Heimat” die AfD gezählt. Deren Landtagsabgeordneter Andreas Kalbitz durfte bei der Demonstration in Lübbenau in der ersten Reihe laufen und eine Rede halten. Der Burschenschaftler Kalbitz ist in seiner Partei am äußersten rechten Rand positioniert, wie verschiedeneBerichtebelegen. Als die AfD dann am 7. November zu einer Großdemonstration in Berlin aufrief, war auch “Zukunft Heimat” mit dabei. Für den kommenden Donnerstag (16.12.) ruft indes der AfD-Jugendfunktionär Jean-Pascal Hohm zu einer weiteren Demonstration auf. Das Motto des Aufmarsches in Zossen: “Für die Zukunft unserer Heimat”. Unterstützung bei der Facebook-Mobilisierung kommt wenig überraschend von “Zukunft Heimat” selbst. Das ist reichlich viel Parteinähe, für ein “Bürgerbündnis”, das offensichtlich eigentlich überparteilich wirken will.
Auch Neonazis aus dem Netzwerk der 2012 als “Widerstandbewegung Südbrandenburg” verbotenen “Spreelichter” waren bei den “Zukunft Heimat”-Demonstrationen dabei. Unmittelbar vor der Aktion in Lübben trugen Neonazis Protestplakate mit der Aufschrift „Schnauze voll“. Das berichteten die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN). Mitten in dieser Gruppe war, so die PNN, der ehemalige Spreelichter-Anführer Marcel Forstmeier. Während der Demo saß Forstmeier dann bei einem Bäcker, zusammen mit zwei weiteren Personen, eine dazu in einem Organisatoren-T-Shirt, heißt es bei der PNN. Andere Neonazis, die zum Umfeld der Spreelichter gezählt werden, waren im Aufzug, machten Fotos. Der Eindruck, der so entstehen kann: Die Neonazis sind in die Organisation womöglich eingebunden, versuchen dies aber zu tarnen.
Auch stilistisch und rhetorisch ähneln manche Äußerungen von “Zukunft Heimat” denen der früheren “Spreelichter”. Vor allem über soziale Medien wie Facebook, Twitter und YouTube wurde schnell damit begonnen, Inhalte gegen den „Volksaustausch“ zu verbreiten — nicht unähnlich zu den Warnungen der “Spreelichter”, die noch einen “Volkstod” befürchteten. Die stilistische Ähnlichkeit der schwülstigen Videos und die Aufmachung der Kampagnenseiten zu den alten Spreelichter-Projekten sind teils frappierend. Die Schriftart, mit der das Front-Transparent der Lübbenau-Demo beschrieben war, tauchte auch auf eine Internetwerbegrafik für die Demo auf — und wurde Jahre zuvor von den “Spreelichtern” selbst benutzt.
Die Vernetzung von “Zukunft Heimat” mit extrem rechten Personen und Gruppen wird am Twitterkanal des Vereins sichtbar. Auch Beiträge eines „DennisKoerner“ werden dort immer wieder geteilt. Bei ihm handelt es sich um eine Person, die seit 2009 in hoher Frequenz zum „Volkstod“, zum „Volksaustausch“ und zu netzpolitischen Themen postet. Es wäre keine sonderlich steile These, wenn man “DennisKoerner” zum Spreelichter-Umfeld zählen würde.
Nach ihrem Verbot veröffentlichten die “Spreelichter” einen Strategietext zu ihrer “Unsterblichen”-Kampagne, den man als Blaupause für das lesen kann, was nun möglicherweise im Spreewald umgesetzt werden soll: Als Neonazis im sozialen Nahraum mitmischen bei Antiflüchtlingsprotesten, sich dabei aber nicht erkennbar geben. Das Thema “Volkstod” beziehungsweise die “Überflüssigkeit eigenständiger Völker” müsse in die gesellschaftliche Debatte gebracht werden, hieß es damals. Volksnähe und Kontakt zu “ganz normalen” Menschen solle aufgebaut werden und dafür könne man aus dem Hintergrund agieren:
“Schon jetzt sind viele als UNSTERBLICHE unterwegs, die zuvor nie mit politischem Aktivismus in Berührung kamen. Es sind ganz normale Arbeiter, Studenten, junge Eltern sowie deren Freunde und Bekannte (…). Weil dieses Anliegen so viel wichtiger als jede Detailpolitik, weil es die Grundvoraussetzung für zukünftige Politik überhaupt ist, führen UNSTERBLICHE weder Wahlkampf- noch sonstige detailpolitische Veranstaltungen durch, tragen keine Szeneklamotten’ und geben sich keine Gruppennamen. Für die UNSTERBLICHEN ist klar: Politische Inhalte sind wichtig, viele Themen sind wichtig, Propaganda ist wichtig. Und all diesen Anliegen werden sie im passenden Rahmen gerecht – aber nicht als UNSTERBLICHE, sondern auf politischen Veranstaltungen oder mit Wort und Tat im Familien- und Freundeskreis. Die UNSTERBLICHEN machen friedlich auf den drohenden Volkstod aufmerksam – nicht weniger, aber auch nicht mehr.”
Die hier beschriebene Allianz von „besorgten Bürgern“, der AfD und Neonazis hat den Effekt, dass sie für ihre Demonstrationen relativ viele Menschen mobilisieren können und die Öffentlichkeitsarbeit professionell abgewickelt wird. Die „Spreelichter“ galten bis zu ihrem Verbot in der Naziszene als besonders radikal. Mit ihrer offenen antidemokratischen Haltung (“Die Demokraten bringen uns den Volkstod”) übertrafen sie sogar die NPD. Die Kampagnenkompetenz ist noch vorhanden — nun aber ist der Ton gemäßigter, entsprechend den vor Jahren angestellten strategischen Überlegungen.
Die bei den “Zukunft Heimat”-Aktionen Begriffe „Volksaustausch“ und “#grenzendicht” verweisen indes auch auf die Kampagnen der “Identitären Bewegung”. Diese völkisch-neurechte Organisation hat für 2016 eine Kampagne in Brandenburg angekündigt — Kontakte bestehen offenbar ohnehin. Der Twitter-User DennisKörner veröffentlicht Grafiken und Bilder unter dem Identitären-Slogan „Der große Austausch“, die ebenfalls den Grafiken von “Heimat Zukunft” ähneln. Auf der Demo in Lübben wurde außerdem für die Initiative “einprozent” geworben, aus dem neurechten Spektrum des “Institut für Staatspolitik” kommt. Bei ebendiesem Institut sorgte kürzlich mit Björn Höcke ein weiterer AfD-Rechtsaußen durch eine offen rassistische Rede für Aufmerksamkeit.
Wohin sich “Zukunft Heimat” entwickeln wird, scheint derzeit offen. Die offene Nähe zur AfD und die seltsamen Kreuzpunkte mit Neonazis und ein neurechts inspirierten Rhetorik könnte ein Modellprojekt für flüchtlingsfeindliche Mobilisierungen sein, deren Bedeutung über den Spreewald hinausgeht: Lokale Verankerung durch etablierte Persönlichkeiten aus der Gegend, ein parlamentarischer Arm durch die AfD, dazu Neonazis in nicht allzu großer Ferne.
Heute haben sich 47 flüchtlingspolitische Initiativen und Willkommensinitiativen, sowie Engagierte aus diversen Initiativen in Brandenburg mit einem Offenen Brief an die Landesregierung gewandt. Darin sprechen sie sich gegen die Vereinnahmung der Arbeit der Initiativen durch die Politik aus und fordern ein Ende der Praxis, staatliche Versorgungslücken systematisch durch ehrenamtliche Arbeit schließen zu lassen. „Wir fordern die Erfüllung der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben in Brandenburg, nämlich menschenwürdige Unterbringung sowie Versorgung und Beratung, die Geflüchtete nicht von uns ehrenamtlichen UnterstützerInnen abhängig macht,“ heißt es in dem Brief, der heute der Landesregierung und den Landtagsfraktionen zugesandt wurde.
In dem Zehn-Punkte-Papier kritisieren die Initiativen insbesondere die neuen Asylrechtsverschärfungen auf Bundesebene und fordern die Landesregierung auf, die bestehenden Handlungsspielräume bei der Umsetzung zu nutzen und sich klar gegen diesen Angriff auf das individuelle Grundrecht auf Asyl zu positionieren. Zentrale Forderungen der Initiativen sind außerdem:
Die angemessene Erkennung und Versorgung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge.
Diese ist nach geltender Rechtslage vorgeschrieben, wird von den zuständigen Behörden jedoch kaum umgesetzt. Weil entsprechende Strukturen hierfür fehlen, müssen die Initiativen diese Aufgaben des Staates ohne Vorbereitung, Unterstützung und fachliche Expertise, wie z.B. in der psychologischen Betreuung traumatisierter Flüchtlinge, häufig selbst übernehmen.
Die Gewährleistung unabhängiger, kompetenter und gut ausgestatteter Asylverfahrensberatung in Verantwortung des Landes.
Eine Zuständigkeit der Landkreise, wie sie der Entwurf zum Landesaufnahmegesetz vorsieht, bedroht die Unabhängigkeit der Beratung – zulasten der Geflüchteten und der Initiativen, die sie unterstützen.
Der Respekt vor Grundrechten, auch in Sammelunterkünften.
Immer wieder kommt es zur Missachtung von Grundrechten, wie z.B. durch Besuchsverbote in Gemeinschaftsunterkünften. Hinzu kommt die Unterbringung in abgelegenen, überfüllten Heimen, die von mangelnder Privatsphäre, Enge, Stress und Überwachung geprägt sind und in denen es kaum Zugang zu Gewaltschutzstrukturen gibt. Daher fordern die Initiativen, alle Menschen und vor allem auch besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in Wohnungen statt in Sammelunterkünften unterzubringen.
Mit dem Offenen Brief fordern die Initiativen von der Landesregierung, dem Bekenntnis zur Willkommenskultur endlich Taten folgen zu lassen und den Menschen zuzuhören, die Tag für Tag Geflüchtete in Brandenburg versorgen und begleiten.
Der Offene Brief wurde auf einem Vernetzungstreffen der Initiativen Ende November in Blossin initiiert. Eine Vorbereitungsgruppe aus Initiativen, der Aktion Schutzschild der Amadeu-Antonio-Stiftung und dem Flüchtlingsrat Brandenburg hatte das Treffen organisiert. (Siehe Presseerklärung des Flüchtlingsrats vom 30.11.15)
Der Flüchtlingsrat unterstützt in vollem Umfang die Forderungen der Initiativen. „Die ehrenamtlichen Initiativen gestalten die Willkommenskultur in Brandenburg, sehen sich aber immer wieder durch Verwaltungshandeln in ihrem Engagement blockiert und sollen zugleich die verfehlte staatliche Aufnahmepolitik unentgeltlich kompensieren. Das Land ist in der Verantwortung auch langfristig menschenwürdige Aufnahmepolitik zu betreiben. Es darf sich nicht länger auf die Verwaltung eines auch durch verfehlte Politik verursachten „Notstands“ zurückziehen,“ sagt Tobias Becker vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Offener Brief der Initiativen 14.12.15 Pressemitteilung