Tagtäglich sehen sich Menschen gezwungen vor Bürgerkriegen, Unterdrückungsregimen oder Hungerkatastrophen in sichere Länder zu fliehen. Sie wollen so systematischer Diskriminierung, wirtschaftlichem Ruin, Gewalt oder Tod in ihren Herkunftsländern entkommen. Diese Menschen brauchen unsere Solidarität!
Wir als Demokrat_innen müssen Geflüchtete willkommen heißen und einer Einteilung unserer Gesellschaft in ”Deutsche” und ”Nicht-Deutsche” entgegentreten. Dabei ist es wichtig, den Kontakt zu Geflüchteten zu suchen – sei es in der Schule, im Sportverein oder anderswo – und sich für deren gesellschaftliche Teilhabe einzusetzen.
Doch gerade in den vergangenen Monaten mehren sich Aufmärsche Tausender, die gegen Geflüchtete hetzen und eine rigidere Abschiebungspraxis fordern. Tief sitzende rassistische Vorurteile werden immer vehementer geäußert und bilden den Nährboden für verbale Anfeindungen und körperliche Gewalt gegen Flüchtlinge sowie zuletzt einen enormen Anstieg von Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte. Der Ruf nach einer Verschärfung des Asylrechts wurde in letzter Zeit immer lauter. Auf parlamentarischem Weg wird solchen Forderungen von Pegida und Co. entgegengekommen. Flucht ist aber kein Verbrechen! Der Zugang zu Schutz und Sicherheit ist ein zentrales Menschenrecht!
Asylfeindliche Stimmung in Beeskow
Nun versucht für Sonntag, den 6. September, die Gruppierung ‘Beeskow wehrt sich’ in der Kreisstadt Beeskow gegen vermeintlichen ‘Asylmissbrauch’ zu mobilisieren. Die Facebook-Gemeinschaft will als Ableger von ‘Frankfurt (Oder) wehrt sich’ Fuß in Beeskow fassen. Als wäre nicht schon der Name Hinweis genug auf die Verknüpfung zur Oderstadt, so handelt es sich beim Anmelder der Kundgebung um Peer Koss, der eine der Führungsfiguren der neonazistischen Frankfurter Gruppierung ist. Dort stießen die Flüchtlingsgegner_innen zum vierten Mal in diesem Jahr auf den entschlossenen Gegenprotest des breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses ‘Kein Ort für Nazis in Frankfurt Oder’. Nun soll anscheinend das ländliche Beeskow für deren Propaganda als Standort in der Region gewonnen werden. Wehret den Anfängen!
Wir solidarisieren uns mit Geflüchteten und anderen Betroffenen von rassistischer Hetze und Gewalt
In Beeskow kam es bereits zu verschiedenen Provokationen gegenüber Flüchtlingen. Erinnert sei an den Bombenalarm Anfang 2015, als ein Monitor als Bombenattrappe im Innenhof des Rathauses Beeskow mit der Aufschrift ‘Allah lebt’ die Beeskower_innen vermutlich in Angst vor islamistischen Terror versetzen sollte. Des Weiteren drang am Jahresanfang ein Mann mit einer Softair-Waffe in ein Mehrfamilienhaus ein und fragte nach der Wohnung von Geflüchteten. Auch von Belästigungen, Beschimpfungen und explodierenden Böllern in Balkonen von Flüchtlingsfamilien wurde berichtet.
Lautstarker Protest anstatt stummes Wegschauen!
Wir werden am 06.09. in der Kreisstadt unsere Solidarität mit Geflüchteten klar Ausdruck verleihen. Beeskow muss eine weltoffene Stadt bleiben und darf Rassismus keinen Platz geben. Der Aufwind, welchen rassistische Bewegungen bekommen, resultiert auch aus fehlenden sichtbaren Gegenprotesten. Wegschauen und Schweigen ist daher keine Strategie im Umgang mit rassistischer Mobilisierung!
Unsere zivilgesellschaftliche Initiative ‘Beeskow gegen Rassismus’ ist ein Zusammenschluss verschiedener Einzelpersonen aus dem Raum Beeskow. Wir stellen uns gegen Menschenverachtung und jegliche Art von Diskriminierung vom Menschen aufgrund ihrer Herkunft. Etliche positive Beispiele zivilgesellschaftlichen Protestes zeigen, wie Menschen erfolgreich ein Zeichen gegen Rassismus setzen können. Mit demokratischen und humanistischen Werten wollen wir menschenverachtenden Positionen und Hass gegenüber Geflüchteten eine klare Absage erteilen und für eine lebhafte antirassistische Kultur in Beeskow werben.
Mit diesem Aufruf möchten wir alle demokratischen Kräfte in Beeskow dazu einladen, sich auf vielfältige, entschlossene und friedliche Art und Weise am lautstarken Protest gegen die Veranstaltung der Rassist_innen und Nazis zu beteiligen. Dabei sind wir solidarisch mit allen, die unser Ziel teilen, sich den rassistischen Aktionen entgegenzustellen.
Kein Raum für Rassismus! Beeskow bleibt bunt!
Beeskow, den 23.08.2015
Wie auch bei den vorangegangenen Einwohner_innenversammlungen in der Walzwerksiedlung und in Hohenstücken führte auch heute wieder Brandenburgs Beigeordneter Wolfgang Erlebach mit allgemeinen Fakten zum Thema Asyl in die Versammlung ein, bevor er speziell auf die Situation in der Stadt zu sprechen kam. Demnach ist die Stadt Brandenburg an der Havel bis Ende 2015 verpflichtet momentan ungefähr 665 Menschen, die vor allem wegen andauernder Kriege und Verfolgung aus ihren Heimatländern flohen, eine Unterkunft bereitzustellen. Dafür stehen zurzeit nur die Gemeinschaftunterkunft für 288 Personen in Brandenburg-Nord, Wohnungen im Verbund für 81 Personen und eigener Wohnraum für 50 Personen zur Verfügung. Zu wenig angesichts der steigenden Zahl der Flüchtlinge.
Allerdings ist mit geplanten Unterkünften in der Walzwerksiedlung und in Hohenstücken weiterer Raum für die Unterbringung der geflüchteten Menschen längst im Bau.
Die jetzt in Kirchmöser sowie parallel dazu in an einem anderen Punkt in Hohenstücken geplanten Einrichtungen sind explizit als Notunterkünfte konzipiert. Das heißt sie dienen nur der temporären Aufnahme von Flüchtlingen, bevor die im Bau befindlichen Gemeinschaftsunterkünfte fertig sind.
Die Notunterkünfte in Kirchmöser sind deshalb wesentlich spartanischer eingerichtet, als die bestehenden und auch die künftigen Unterkünfte. Acht Menschen sollen hier in 50,00 m² großen Räumen untergebracht werden. Des Weiteren wird es eine Gemeinschaftsversorgung und die Betreuung durch eine_n Sozialarbeiter_in geben. Insgesamt sollen 75 Menschen in Kirchmöser untergebracht werden. Hauptsächlich werden Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Eritrea erwartet. Und die Notunterkunft soll vor allem als Wohnort für allein geflüchtete, erwachsene Männer sein. Familien sollen in einer separaten Unterkunft, in einem anderen Stadtteil untergebracht werden.
Fragerunde
Aufgrund der Tatsache, dass nur erwachsene Männer als Flüchtlinge erwartet werden, entfielen zunächst die bei derartigen Einwohner_innenversammlungen üblichen Fragen zu KITA-Plätzen und Schulintegration. Dafür beschäftigte einigen „besorgten“ Bürger_innen insbesondere die Tatsache, das nur männliche Asylsuchende kommen werden. Die Frage der Sicherheit war anschließend das hauptsächliche Thema der Runde.
Immer wieder meldeten sich einige Bürger_innen zu Wort, die ihr Sicherheitsgefühl verletzt sahen. Da diese Einwände aber auch regelmäßiger Bestandteil des Fragenkatalogs von Einwohner_innenversammlungen sind, war die Stadt durchaus vorbereitet, das Gefühl einer vermeintlichen Bedrohung ernst zu nehmen. Zwar hatte es die Versammlungsleitung versäumt eine_n Vertreter_in der Polizei zu laden, konnte dafür aber die langjährigen Erfahrungen des Leiters der Gemeinschaftsunterkunft in Nord weitergeben. Demnach seien ihm keine größeren Konflikte im Heim bekannt geworden. Im Gegenteil, die Menschen benehmen sich respektvoll untereinander. Gefahr drohe meistens eher von außerhalb zum Nachteil der dort Untergebrachten, so der ehemalige Brandenburger Polizeichef Norbert Langerwisch, in einer Wortmeldung dazu. Diesbezüglich bohrte dann noch einmal ein älterer Herr nach und erkundigte sich, ob nun ähnliche Szenarien wie in den beiden sächsischen Städten Freital und Heidenau drohten. Derartige Tendenzen hielt der momentane Heimleiter der Gemeinschaftsunterkunft in Brandenburg Nord jedoch zurzeit für eher unwahrscheinlich, warnte aber gleichzeitig vor neonazistischen Aktivist_innen aus dem Brandenburger Umland. Ohne das Thema aber noch weiter auszudehnen, ergriff er vielmehr die Chance, um für die Unterstützung der künftig im Übergangsheim lebenden Menschen zu werben. Wichtigster Punkt war dabei, die Vermittlung von Deutschkenntnissen durch ehrenamtliche Lehrer_innen. Viele erkundigten sich nun auch nach Möglichkeiten der Abgabe von Sachspenden oder Integration in Vereine.
Andererseits gab es aber auch weiterhin Wortmeldungen, welche die geplante Übergangsunterkunft kritisch sahen. Insbesondere im Hinblick der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung, da in Kirchmöser angeblich nicht mehr so viele Ärzte praktizieren. Dem widersprach jedoch eine anwesende Ärztin, die auch im Namen ihrer Kollegen sprach. 75 Menschen zusätzlich zu betreuen wäre für die Ärzte demnach kein Problem.
Neonazis im Auditorium
Aus dem lokalen neonazistischen Milieu waren übrigens ungefähr sechs bis sieben Sympathisant_innen erschienen, die sich unscheinbar kleideten und während der Veranstaltung im gesamten Saal verteilten. Zu nennenswerten Aktivitäten kam es aber nicht. Lediglich zwei Personen dieser Gruppe stellten jeweils eine Frage zum Thema Sicherheit, die ihnen auch beantwortet wurde. Ob sie sich damit zufrieden geben werden, wird sich allerdings erst in den nächsten Wochen zeigen.
Fotos: hier