Das rbb Fernsehen veranstaltet morgen eine Talk-Runde bei der unter anderem Marianne Spring-Räumschüssel von der AfD Cottbus und Christoph Berndt vom völkischen Verein Zukunft Heimat auf dem Podium stehen.
Wir von Cottbus Nazifrei! und der Förderverein Cottbuser Aufbruch e.V. haben Erklärungen abgegeben warum wir das gewählte Format und diese Gäste für einen Dialog zum Thema Migration und Integration in Cottbus für vollkommen verfehlt halten. [1]
Inzwischen haben weitere geladene Gäste wie Rainer Drogla (SPD) und Hans-Joachim Weißflog (Grüne) ihre Teilnahme abgesagt. [2] Gleichzeitig haben die AfD und das neofaschistische Kampagnennetzwerk „EinProzent“, sowie die Identitären damit begonnen zur vollständigen Kaperung dieser Veranstaltung zu mobilisieren. [3]
EinProzent schreibt über seinen deutschlandweiten E‑Mail-Verteiler: „Wir alle können Christoph Berndt im Studio unterstützen. Fassen Sie sich ein Herz und fahren Sie nach Cottbus!“ Die anderen Diskussionspartner werden als „Vertreter der Altparteien“ und als „Gegenspieler“ bezeichnet. Hier wird deutlich welch Geistes Kind das Netzwerke hinter dem vermeintlichen Heimatverein ist. Mit Hilfe von bundesweiten herangekarrten Unterstützer*innen soll hier in Cottbus „Das Volk“ simuliert werden. Es geht ihnen ausdrücklich nicht um einen Dialog.
Wir sind auf lokaler Ebene und so kurzfristig nicht in der Lage auf eine ähnliche Weise zu mobilisieren und wollen das in diesem Fall auch nicht! Durch die Absagen aus der Cottbuser Stadtgesellschaft und die Kaperung von rechts hat diese Sendung ihre Funktion als Seismograph der Stimmung in Cottbus vollständig verloren.
Der rbb beschädigt aus unserer Sicht mit der Durchführung dieser Veranstaltung den Begriff „Dialog“ und auch sich selbst massiv. Wie zweifeln daran, dass die Sicherheit der Gäste in den Räumen der Alten Chemiefabrik sichergestellt werden kann. Die rechte Mobilisierung stellt außerdem eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das linke Hausprojekt „Zelle79“ in der unmittelbaren Nachbarschaft dar.
Wir können und wollen unter diesen Umständen einen Aufruf zur Beteiligung am rbb-Talk nicht verantworten.
[1] https://www.facebook.com/cottbus.stellt.sich.quer/posts/2035584666485327?__xts__%5B0%5D=68.ARBcFHwFhiZ0tjCjH2CwtKRXjZzw0r-MTTPauv3amyAv8s8PzwY3uSUO5-AIFsi0wu7clQKH5I7LDYQqQSHZGJu5XcssKx7KS0da1LatRi0JbbJAsR5lVWrNHRNYWDa6neqQvmupSbKAJ-mwflyHXH-97_K2kY3jnLC_Ac4a5jWdmf_zQpyl3w&__tn__=K‑R
[2] https://www.lr-online.de/…/rbb-kassiert-weitere-absagen-fue…
[3] https://einprozent.de/…/donnerstag-zukunft-heimat-im‑r…/2372
Jahr: 2018
Seit 2017 führt der Verein „Zukunft Heimat“ monatlich Demonstrationen in #Cottbus durch. Als Aufhänger dafür werden Straftaten genutzt, die in das Freund-Feind-Schema Ausländer-gegen-Deutsche passen. Nach den bisher größten Demonstrationen im Februar organisierte das rbb Fernsehen am 1. März 2018 eine Fernsehdebatte, die von sich behauptete ein Dialog zu sein. Das dafür gewählte Format war eine Art Arena aus stehenden Zuschauern in deren Mitte sich sechs Teilnehmer*innen und die beiden Moderatoren gegenüberstanden.
Bei den Fragen und Antworten ging es nicht darum sich aufeinander zu beziehen oder einen Perspektivwechsel einzunehmen, sondern ähnlich wie bei einem Wahlduell die Sendezeit zu nutzen, um seine Position vorzutragen und als Sieger*in oder Verlierer*in aus der Debatte hervorzugehen. Obwohl es um #Migration in #Cottbus ging, hatte niemand einen Migrationshintergrund oder arbeitete auch nur im Integrationsbereich. Die Stimmung im Saal war aggressiv und vor allem die rechte Klientel im Publikum unterbrach Redner*innen immer wieder lautstark.
Die Kritik im Nachhinein wurde von den Verantwortlichen nicht berücksichtigt. An diesem Donnerstag soll genau diese Veranstaltung unter ähnlichen Rahmenbedingungen in der Alte Chemiefabrik wiederholt werden. Ausgestrahlt wird die Sendung mit etwas Verzögerung um 21:00 Uhr. Auf dem Podium stehen neben Holger Kelch (CDU), Martin Groholt (SPD) und Prof. Dr. Dierk Borstel erneut die beiden AfD-Mitglieder Marianne Spring-Räumschüssel und Christoph Berndt. Den Vertreter der Regierungspolitik wird damit allein die Position derjenigen entgegensetzt, die die seit Monaten mit einer rassistischen Kampagne versuchen die Stimmung in der Stadt aufzuheizen. Dazwischen steht ein vermeintlicher Rechtsextremismus-Experte aus Dortmund dem die Situation hier in Cottbus kaum vertraut sein dürfte.
In der Ankündigung der Veranstaltung hat der rbb die rechte Erzählung von der permanenten Auseinandersetzung von „Ausländern gegen Deutsche“, die Cottbus zu einem „Brennglas deutscher Migrationspolitik“ machen würden, sogar gleich ganz übernommen. [1]
Die Eingrenzung gesellschaftlicher Konflikte und Kriminalität auf die Frage nach der nationalen Zugehörigkeit bietet die ideale Grundlage für rassistische Stimmungsmache. Die Perspektive der tausenden Menschen, die nach Cottbus fliehen mussten oder die einen anderen Migrationshintergrund haben soll offenbar komplett ignoriert werden, obwohl viele von ihnen inzwischen gut Deutsch sprechen, gesellschaftlichen Funktionen übernehmen und sich tagtäglich mit rassistischen Anfeindungen auseinandersetzen müssen.
Vor allem die erneute Einladung von Christoph Berndt als Vertreter des Zukunft Heimat e.V. durch den rbb ist besonders kritikwürdig. Bei der Gesprächsrunde im März handelte es sich bei dem Verein um einen noch vergleichsweise jungen Akteur in #Cottbus, der eventuell von den Verantwortlichen noch nicht richtig eingeschätzt werden konnte. Inzwischen sind die Verstrickungen von Christoph Berndt und seinem Verein in die neofaschistische Szene aber weithin bekannt. Selbst der lange schweigende Verfassungsschutz Brandenburg hat bestätigt, dass Mitglieder der verbotenen Neonazi-Vereinigung „Spreelichter“ für den Verein arbeiten und die Medienarbeit übernehmen. Die Vorsitzende des Vereinsbüros in der Mühlenstraße 44 Melanie Kreissl war sogar persönlich an der Aktion der Identitären Bewegung bei der Besetzung des Stadthallendaches beteiligt. [2] Auf der letzten Kundgebung hat Christoph Berndt die Ermittlung gegen die rechte Terrorgruppe in #Chemnitz als Lüge bezeichnet. [3]
Das ausgerechnet mit diesen Leuten über Migration und Integration von Ausländern gesprochen werden soll ist schlicht absurd. Die #Identitären werben mit dem Slogan „Integration ist eine Lüge“, denn innerhalb ihres völkischen Weltbildes werden Menschen klar entlang rassistischer und nationalistischer Zuschreibungen unterschieden. Migration und Vermischung sind vermeintlich widernatürliche Vorgänge. Menschen mit dunkler Haut oder muslimischen Glaubens wird pauschal die Fähigkeit zur Integration abgesprochen. Natürlich gibt es im Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft auch Probleme und Konflikte. Aber Rassisten und Nationalisten haben dafür keine menschlichen Lösungen.
Ohne dieser Talk-Runde zu viel Bedeutung beizumessen stellt sie als Podium eines öffentlich-rechtlichen Senders doch ein Art Seismograph für die aktuelle gesellschaftliche Stimmung dar. Die #AfD und der Zukunft Heimat e.V. sind sich dem bewusst und versuchen deswegen auch gezielt ihre Anhänger*innen am Donnerstag in den Saal zu mobilisieren und die Stimmung vor Ort zu dominieren. Beispielsweise der Neonazi Friedbert Müller hat sein Kommen schon angekündigt. Dieser bezeichnet auch schon mal Mithelfer in Auschwitz als „Diener des Volkes“. [4] Diese Menschen wollen kein Recht und Ordnung, sondern die totale Eskalation um ihre Vernichtungsphantasien ungestraft ausleben zu können.
Das Zusammenleben und Integration in einer #Einwanderungsgesellschaft bedeutet, dass die Integrationsbereitschaft sowohl bei den Zugewanderten als auch bei den Einheimischen gefördert werden muss. Das Finden einer gemeinsamen Sprache, der Dialog auf Augenhöhe und das Machen von gemeinsamen positiven Erfahrungen halten wir für den richtigen Weg. Der rbb geht mit dieser Veranstaltung leider in die entgegengesetzte Richtung. Wir von Cottbus Nazifrei! werden uns deswegen daran nicht beteiligen – rufen aber trotzdem alle dazu auf den Zuschauerraum zu besetzen und die persönliche Kritik direkt an die Beteiligten und den rbb zu richten.
WANN: 11. Oktober 2018, 18:15 Uhr
WO: Alte Chemiefabrik Cottbus (Parzellenstraße 21)
Als echtes Dialogformat zwischen Einheimischen und Migranten empfehlen wir ansonsten das Sprechcafé Cottbus und die Initiative Start with a Friend.
[1] https://www.rbb-online.de/…/progr…/11_10_2018/925142378.html
[2] https://www.pnn.de/…/verfassungsschutz-aeusse…/22916578.html
[3] https://www.lr-online.de/…/zukunft-heimat-demonstriert-am‑3…
[4] https://www.facebook.com/…/rpp.175289609…/1745693848807745/…
In weiten Teilen der Stadt unüberhörbar, setzte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ am Montagabend ihre Versammlungsserie in Rathenow fort. Die lärmintensive Kleinkundgebung zog jedoch kaum mehr als die üblichen 22 Teilnehmenden an.
Rathenows letzte „Patrioten“
Trotz Stagnation sahen sich die Redenden – in ihrem Wahn – jedoch im Aufwind, sprachen mit großer Lautstärke von einem (veranstaltungsreichen) „heißen Herbst“ und glaubten weiterhin an eine „Wende“ im Land. Den realen Blick ins „Volk“, in die Gesellschaft, scheinen Rathenows letzte „Patrioten“ aber schon seit geraumer Zeit verloren zu haben. Denn ihre Perspektive nährt sich offenbar ausschließlich aus größeren extrem rechten Veranstaltungen, wie am 29. September in Köthen und am 3. Oktober in Berlin, an denen sich das „Bürgerbündnis“ auch selbst beteiligte. Bei diesen Aufmärschen demonstriert – auch wenn manche Parolen dies vermitteln sollen – allerdings nicht wirklich „das Volk“, also ein gesellschaftlich repräsentativer Teil der Gesellschaft. An diesen Versammlungen nehmen nahezu ausschließlich versprengte Teile der PEGIDA-Bewegung, extrem rechte Hooligans und Neonazis teil.
Laut tönender Antisemitismus
Dieser stärker werdende Einfluss auf das „Bürgerbündnis“, spiegelte sich dann auch in dem laut durch die Stadt tönenden Redebeitrag des Vereinsvorsitzenden Christian Kaiser wider. Stolz und mit selbstsicherer Stimme berichtete er u.a. wie sein Verein bei der extrem rechten WfD-Demonstration zum Einheitsfeiertag „für den Erhalt des Vaterlandes“ demonstriert habe, während „Frau Merkel“ in Israel war „um sich ihren nächsten Doktortitel von den Juden abzuholen“. An einer anderen Stelle seiner Rede brachte er zudem sein „Gefühl“ zum Ausdruck „dass wir in Wahrheit von den Zionisten in Israel gelenkt werden“.
Wahn setzt sich fort
Kaiser selber sieht sich hingegen offenbar als Antagonist, der auch gestern wieder seine Leute zum „Widerstand“ aufrief. „Jeder echte Deutsche kann ein Sandkorn im Getriebe des antideutschen Endkampfes um die Machterhaltung werden und auch sein“, so der Bürgerbündnis-Chef in seinem Wahn. Und: „Wenn wir siegreich hervorgehen, wird Deutschland wieder leben“, so der Kaiser weiter.
Am 22. Oktober will das „Bürgerbündnis“ seine Versammlungsreihe fortsetzen.
Fotos hier: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157700648132961
freiLand bleibt!
Liebe Freund*innen, Liebe Unterstützer*innen, Liebe Besucher*innen,
die Versammlung aller freiLand-Nutzer*innen kann euch mitteilen, das freiLand bleibt freiLand – etwas kleiner und auch nur vorerst.
Das freiLand stand kurz vor dem offiziellen Aus. Bis Donnerstag, den 27.09., war vollkommen unklar, ob der Pachtvertrag zwischen den Stadtwerken Potsdam und der freiLand-Betriebsgesellschaft CULTUS UG ab 01.10. fortgesetzt wird. Das gesamte freiLand-Projekt stand auf der Kippe.
Kein Pachtvertrag hätte für das freiLand bedeutet: kein gültiger Betreiberinnenvertrag, und damit keine Basis für die Förderung der Stadt. Weiterhin hätten alle im freiLand angesiedelten Projekte keine rechtliche Grundlage mehr für die von ihnen angemieteten Räumlichkeiten gehabt. Also eigentlich das Aus für einen der wenigen Orte alternativer Kultur und partizipativer Strukturen in dieser Stadt. Auch nachdem nun in letzter Sekunde ein neuer Pachtvertrag unterzeichnet wurde, befinden sich die Betriebsgesellschaft und die zahlreichen im freiLand ansässige Künstler*innen, Initiativen, Sportgruppen und Vereine und deren Veranstaltungen in einem nur vorübergehend gesichertem Status.
Moment mal, was ist denn jetzt los? Gab es nicht im Juni 2018 einen Stadtverordnetenbeschluss und einen klaren Auftrag an die Stadtwerke zur Verlängerung des bestehenden Vertrages? Hat nicht der scheidende Oberbürgermeisters zugesagt, das freiLand unbedingt weiterführen zu wollen? Ja, das gab es alles. Aber was demokratische Absichtsbekundungen in einer Stadt wert sind, deren kommunale Unternehmen per Satzung auf Gewinnmaximierung aus sind und einer eigenen Agenda folgen, wurde hier sehr deutlich.
Kurze Chronologie
2011 eröffnete das freiLand-Kulturzentrum unter der Betriebsgesellschaft CULTUS UG als Pächterin auf dem Gelände der Stadtwerke. Dieser Ort war damals eine der Antworten auf die vielen Proteste in der sogenannten Jugendkulturkrise, die durch etliche Schließungen und Abrisse jugend- und soziokultureller Orte in Potsdam ausgelöst wurde. Zunächst in Kooperation mit Stadtwerken und Landeshauptstadt wurde im freiLand von vielen Initiativen ein florierendes Universum soziokultureller Angebote geschaffen und so dem allgegenwärtigem Defizit ein kleines
Stück utopischer Überschuss entgegengesetzt.
Infolge der Unstimmigkeiten und Skandale bei den Stadtwerken ging die Zusammenarbeit schleichend zurück, die Stadtwerke stellten sich in der Zwischenzeit mehrmals neu auf. Die Probleme nahmen zu. Ab 2017 folgt dann der große Umschwung: Sanierungs-Hardliner Horst Müller-Zinsius will das freiLand in jedem Fall loswerden. Im April 2018 kommt diese Position auch schwarz auf weiß. Vorbei die Zeit des konstruktiven Gesprächs. Die Stadtwerke lassen das freiLand nun auf verwaltungstechnischem Wege „ausbluten“. (Bei einem Unternehmensapparat mit angestellten Sachbearbeiter*innen und Rechtsabteilung auf der einen und einer größtenteils ehrenamtlichen Betriebsstruktur auf der anderen Seite kein großes Problem). Auf Briefe und Emails wird nicht geantwortet, dafür aber mit Nutzungsunterlassungen gedroht, von getroffenen Absprachen plötzlich nichts mehr gewusst, immer neue vermeintliche Sachzwänge erfunden usw.
Der lange Arm eines städtischen Konzerns
Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, den bestehenden Vertrag zunächst nur um ein Jahr zu verlängern, sollte für etwas Zeit sorgen, um eine langfristige Lösungen zu finden. Aber statt dem Auftrag ihrer Gesellschafterin (die Landeshauptstadt Potsdam) zu folgen, hielt die Geschäftsführung der Stadtwerke das freiLand nun 4 Monate mit unzumutbaren und komplett neuen Forderungen hin, bis letztendlich der Pachtvertrag fast ausgelaufen war. So wurde durch die Zuständigkeitsverweigerung der Stadtwerke der rechtliche und offizielle Status des Kulturzentrums aufs Spiel gesetzt. Erst in letzter Sekunde konnte ein Kompromiss gefunden werden. Die Stadt Potsdam wird Kosten der Stadtwerke für die Geländeunterhaltung übernehmen, das freiLand-Gelände wird verkleinert und Bauanträge können nun durch die Betriebsgesellschaft gestellt werden.
Die freiLand-Betriebsgesellschaft CULTUS UG hat in den zurückliegenden Monaten in einem großen Kraftakt versucht dagegen zu arbeiten, Kompromisse zu finden, alle erdenklichen Gespräche zu suchen und Auflagen zu erfüllen. Alles mit den vorhandenen, sehr begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen. Nur diesem Einsatz ist es zu verdanken, dass es derzeit so scheint als wenn wenigstens die bestehenden Nutzungen im freiLand gehalten werden können. Wir Nutzer*innen möchten auch an dieser Stelle nochmals unseren herzlichen Dank für diese Arbeit ausdrücken. Respekt!
Und wie nun weiter?
Vielleicht haben wir uns zu sicher gewähnt in unserem Bemühen der Stadt ihren soziokulturellen Anspruch zu erfüllen. Aber als Nutzer*innenplenum werden wir uns sicherlich nicht so einfach von dem Projekt, für das wir die vergangenen Jahre hart gearbeitet haben, verabschieden. Wäre ja noch schöner! Wir denken, dass Orte wie das freiLand mit niedrigschwelligen Angeboten, partizipativer Struktur und alternativen Ansätzen unverzichtbar sind. Wir werden kämpfen für diesen Ansatz und wir werden damit nicht alleine sein. Egal ob Sportplätze, Proberäume, Ateliers, Werkstätten, Galerien oder Veranstaltungsräume – von bezahlbaren Wohnungen ganz zu schweigen – von allem ist’s zu wenig! Die Politik in der Stadt muss endlich umdenken und die städtischen Unternehmen sollten dabei mitmachen. Dort wo jeder Quadratzentimeter Fläche zu Höchstpreisen verkauft wird, muss sich niemand wundern wenn der Druck auf Kulturstandorte steigt und die sowieso schon zuwenigen Spiel- und Sportflächen schrumpfen.
Wir fordern eine langfristige Perspektive für das freiLand, die Sicherung aller bestehenden Nutzungen und eine konstruktive Diskussion mit der Nutzer*innen-Perspektive im Mittelpunkt.
Wir fordern die Sicherung aller noch vorhandenen Sport‑, Spiel- und Kulturstandorte durch Festschreibung in den Bebauungsplänen.
Wir fordern den Ausbau und Planung von neuen öffentlichen Standorten für Kultur jenseits des Kommerz in der Stadterweiterung.
Nein zum Ausverkauf der Stadt, Nein zum Einstampfen kultureller Projekte und Initiativen. Ja zu einer vielfältigen Stadt für Alle. Ja zu öffentlichen Räumen.
Bei Fragen zu diesem Statement, könnt Ihr uns unter plenum@freiland-potsdam.de erreichen.
Euer freiLand
urz vor der Stichwahl zum Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam haben sich mehrere Wohnprojektinitiativen direkt an die beiden verbliebenen KandidatInnen gewandt.
Tenor: Sie brauchen dringend Unterstützung, da vor allem die kommunalen Gesellschaften ProPotsdam und Stadtkontor mit allen Mitteln gegen solche Gemeinschaftsprojekte agieren und ihnen immer neue Hindernisse in den Weg legen.
Wir dokumentieren hier die wichtigsten Briefe und Presseerklärungen.
Konkret geht es um drei Objekte, um die sich konkrete Initiativen schon länger bemühen:
– Wollestraße 52 in Babelsberg, wo die MieterInnen das Haus vom Stadtkontor selbst kaufen wollen und nach jahrelanger Verzögerung ein neues Wertgutachten bekommen haben, was für sie unbezahlbar ist: Pressemitteilung Wollestraße
– Potsdamer Straße 108 in Bornim, was gerade von der ProPotsdam verkauft und ausgeschrieben wird – natürlich schon wieder nach Höchstgebot – und für was sich Wohngemeinschaftsinitiativen interessieren.
– Goethestrasse 35 – 37 in Babelsberg, was im Februar über die ProPotsdam zum Verkauf stand, wo sich ein große Gemeinschaftsinitiative beworben hat / Machbarschaften e.V. und wo es bis heute keine Infos gibt.
Zu all den Problemen hat das Beratungskollektiv des Mietshäusersyndikats eine eigene Presseinformation verfasst und sich an die OB – KandidatInnen und die Stadtverordneten gewandt:
PM zu Gemeinschaftsprojekten
Am Freitag, den 5. Oktober 2018 laden verschiedene Initiativen zu einem „Camp In“ vor das Rathaus Potsdam ein!
Ab 14.00 Uhr geht es mit Stühlen, Coach, Campingsachen und viel Wut über die Potsdamer Wohnungspolitik um bezahlbaren Wohnraum, Gemeinschaftsprojekte und vieles mehr:
Camp_in
An zwölf Terminen analysieren renommierte Fachleute die gegenwärtige autoritäre Formierung aus unterschiedlichen Perspektiven und mit einem besonderen Augenmerk auf pädagogische und popkulturelle Aspekte. Die Ringvorlesung wird organisiert vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien und von der Fachhochschule Clara Hoffbauer Potsdam und findet vom 10. Oktober 2018 bis 22. März 2019 statt. Der Eintritt ist frei.
Alle Informationen finden sich unter: http://www.ringvorlesungpotsdam.de
Die Veranstaltungen auf einem Blick:
10.10.2018 | Haus der Natur (Lindenstraße 34, 14467 Potsdam)
‚Rechtspopulismus‘, Rechtsextremismus, radikaler Nationalismus – ein aktueller Überblick
PD Dr. Gideon Botsch
24.10.2018 | Haus der Natur (Lindenstraße 34, 14467 Potsdam)
Autoritarismus und Rechtspopulismus
Prof. Dr. Lars Distelhorst
Begrüßung und Einleitung durch den Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs
07.11.2018 | Haus der Natur (Lindenstraße 34, 14467 Potsdam)
Erinnerungskultur unter Druck von rechts
Dr. Matthias Heyl
21.11.2018 | Haus der Natur (Lindenstraße 34, 14467 Potsdam)
Grauzonen und rechte Lebenswelten in der Rockmusik
Michael Weiss
05.12.2018 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 14467 Potsdam)
Autoritäre Dynamiken – rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018
PD Dr. Oliver Decker
19.12.2018 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 14467 Potsdam)
Pädagogische Strategien gegen Rechtsextremismus in der Jugendarbeit
Silke Baer
09.01.2019 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 14467 Potsdam)
Antisemitismus an der Schule – Herausforderungen und Handlungsempfehlungen
Marina Chernivsky
23.01.2019 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 14467 Potsdam)
Musik als popkulturelle Ausdrucksform extrem rechter Ideologie
Jan Raabe
06.02.2019 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 14467 Potsdam)
Rechtspopulismus und Rechtsextremismus als Herausforderungen für die Lehre
Prof. Dr. Heike Radvan
20.02.2019 | Friedenssaal im Großen Waisenhaus (Breite Str. 9A, 1446 Potsdam)
Mit Recht gegen Rassismus!? Antidiskriminierungsarbeit in der Praxis
Gudrun Greve und Ingmar Pech (Antidiskriminierungsberatung Brandenburg)
06.03.2019 | Haus der Natur (Lindenstraße 34, 14467 Potsdam)
Der Kampf um gesellschaftliche Ordnung und die Pädagogik — Rassismuskritische Erkundungen
Prof. Dr. Paul Mecheril
22.03.2019 | Waschhaus Potsdam (Schiffbauergasse 6, 14467 Potsdam)
Vom Gastarbeiter zum Gangsta-Rapper? HipHop, Migration und Empowerment
Murat Güngör und Hannes Loh
Die Ringvorlesung wird durch die Hoffbauer Stiftung, die Stiftung Großes Waisenhaus und durch die Stadt Potsdam unterstützt.
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
Mit der Besetzung der Gutenbergstr. 67 am Abend des 21.09.2018 gelang es uns als BesetzerInnen des Hauses kurz vor der Bürgermeisterwahl ein Thema auf die Tagesordnung zu bringen, dass in Potsdam gerne beiseitegeschoben wird.
Die am Tag darauf stattgefundene Demonstration mit um die Tausend TeilnehmerInnen hat eindrucksvoll gezeigt, dass es einen klaren Widerspruch zur Stadtpolitik gibt, der sich letztendlich am Wahlsonntag durch das gute Abschneiden Lutz Boedes als Oberbürgermeisterkandidat der Fraktion „Die Andere“ gezeigt hat.
Der jahrelange Ausverkauf öffentlichen Eigentums, ist genauso wenig akzeptabel, wie die unterschiedliche Behandlung kultureller Einrichtungen und das Rumtaktieren, wenn es um Prestigeprojekte, wie der Umgestaltung der Innenstadt und den Wiederaufbau der Garnisonkirchenkopie geht. Diesen Widerspruch auf der einen Seite seit Jahren abzutun und kleinzureden, und auf der anderen Seite Pleiteprojekte, wie den Wiederaufbau durch direkte und indirekte öffentliche Förderung möglich zu machen, zeigt sehr gut den Schwerpunkt der Stadtpolitik.
Inhaltlich treibt die Menschen eher die Sorge um, ob sie in einigen Jahren noch in Potsdam leben können, als eine Stadtsilhouette aus dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wiederherzustellen.
Wenn es um die Rekonstruktion geht, sitzt das Geld sehr locker… Das auf der anderen Seite in städtischen Betrieben z. T. keine Tariflöhne bezahlt werden, das unsere überteuerten Mieten bei der ProPotsdam und der Gewinn aus Stadteigenen Betrieben genutzt werden, um komische Träume eines Bürgermeisters und seinem Klientel zu finanzieren, macht uns mehr als wütend. Bei all diesen Projekten wird kommunales Eigentum privatisiert und z.T. mit Höchstrendite vermarktet. Wer, wie am Brauhausberg ein Grundstück für 27 Millionen Euro verkaufen will, legt fest welche soziale Gruppe dort wohnen wird. Das ist ein weiterer klarer Versuch der Vertreibung alteingesessener MieterInnen. Nebenbei weiß niemand, wer der „Investor“ ist und was er dort bauen will.
Der Höchstpreis wird in diesem Zusammenhang diskutiert, als müsse das Areal so vermarktet werden, um die Stadtwerke als Besitzer vor der drohenden Pleite zu schützen. Das angesichts dieser Argumentation ernsthaft darüber diskutiert wurde und wird, das Mercure Hotel für ca. 20 Millionen Euro zu kaufen und abzureißen, um eine Wiese anzulegen, zeigt den Wahnsinn und die Taktiererei der Stadtverwaltung und des Rathauses. Jedes Argument ist recht um die eigenen Ziele durchzusetzen.
Dass wir Hausbesetzen als Mittel der politischen Intervention nutzen, liegt auch daran, dass politische Strukturen so gestaltet werden, dass Einflussnahme fast nicht möglich ist. In den letzten Jahren hat es eine Reihe von Bürgerbeteiligungs- und Werkstattverfahren gegeben, bei denen offensichtlich war, dass das Ergebnis im Vorhinein schon feststand. Dabei werden gutbezahlte Verwaltungsprofis gegen BürgerInis und Proteste in Stellung gebracht, deren Mitglieder unbezahlt neben ihrer Arbeit und oft Familie Zeit aufbringen, um sich einzumischen. Im Ergebnis bleiben diese Verfahren allesamt nur Alibiveranstaltungen für die Linie der Stadtpolitik. Als Beispiel stand im Werkstattverfahren zum Rechenzentrum nie zur Debatte, das Haus nicht abzureißen, obwohl es die nahe liegendste Variante wäre, auch wollte aus Jakobs Umfeld nie jemand darüber diskutieren, ob der Bau des Garnisonkirchenturms angesichts des Widerstands gestoppt werden müsse. usw. usw
Unsere Mittel bleiben Demonstrationen, Besuche bei Prestigeveranstaltungen und Besetzungen. Unser Widerspruch würde sonst untergehen und wir haben nebenbei keine Lust uns in Laberforen und Alibigremien an einer Stadtpolitik abzuarbeiten, die wir komplett ablehnen. Wir wissen, dass diese Ablehnung der Stadtpolitik in der Bevölkerung präsent ist, verschiedene Bürgerbegehren haben das deutlich gezeigt. Wir gehören nicht zum reicheren Teil der Stadtgesellschaft und wenn wir es objektiv zu betrachten versuchen, entspricht der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums nicht unserem Interesse, denn es wird etwas privatisiert, um Mieten möglich zu machen, die wir uns nicht leisten werden können. Mit dem Gewinn soll u.A. eine Kirchenkopie wiederaufgebaut werden, die geschichtlich so eindeutig erzkonservativ, militaristisch und nationalsozialistisch geprägt ist, dass wir das als AntifaschistInnen nur ablehnen können.
Statt das städtische Eigentum zu verzocken und Fantasieprojekte durchzudrücken, sollte der städtische Wohnungsbestand genutzt werden, um die Mieten auf realistisches Niveau zu drücken. Statt Häuser und Grundstücke an immer dieselben Immobilienhaie zu verkaufen, müssen in Zukunft MieterInnen oder Genossenschaften bevorzugt werden. Anstatt den Brauhausberg und jede Einflussnahme an den nächsten Investoren abzugeben, sollte die Gewoba dazu verpflichtet werden dort ein lebendiges Viertel mit bezahlbaren Mieten zu errichten. Das Minsk können wir uns dort sehr gut als Stadtteilzentrum und Kindergarten vorstellen. Die Stadt muss den Bedürfnissen der sie bewohnenden Menschen nachkommen und öffentliche Räume zur Verfügung stellen, anstatt immer wieder leere Versprechungen zu machen, wie beispielsweise nach der Schließung der Skatehalle, den mehrmaligen Zugeständnissen für Proberäume, etc. und allen voran, der zuletzt im Rahmen der Wahl zum neuen Stadtoberhaupt plötzlich viel propagierten ‚Stadt für alle‘.
Wir sind nicht aus der Welt! Wir werden die evtl. anstehenden Prozesse wegen der Besetzung nutzen, um der Stadtpolitik weiter auf den Füßen rumzustehen. Auch das Besetzen sehen wir als adäquates Mittel um in den neoliberalen Ausverkauf zu intervenieren und Räume zu schaffen, in denen wir ergebnisoffen mit allen die es wollen Alternativen diskutieren und schaffen. Wir möchten zuletzt noch allen UnterstützerInnen Vorort und den so zahlreich erschienenen TeilnehmerInnen der Demo Danke sagen für ihr Engagement und ihre Solidarität.
GEGEN DEN WEITEREN AUSVERKAUF DER STADT!
SOFORTIGER STOPP DER PRIVATISIERUNG ÖFFENTLICHEN EIGENTUMS!
WIR WERDEN UNS NEHMEN WAS UNS ALLEN GEHÖRT!
ANTIKAPITALISTISCHE FREIRÄUME ERKÄMPFEN!
Am 20. September fand in Berlin das Wohnungspolitische Forum statt. Gegen die Interessen der Immobilienlobby, die man durchaus mit den Interessen der bundes-regierenden Parteien gleichsetzen kann, wurden hier Konzepte erarbeitet, mit denen die Spekulation eingedämmt und das Risiko des Wohnungsverlustes gemindert werden kann. Gerade für Potsdam wären solche Konzepte hilfreich. Hat sich hier der Effekt des „reichen Nordens“ und des „armen Südens“ für dessen Benennung seinerzeit Oberbürgermeister Platzeck schon viel Kritik einstecken mußte, unter seinem Nachfolger Jakobs doch politisch gewollt weiter verstärkt und beschleunigt.
Natürlich hängt vieles an der Gesetzeslage der Bundesrepublik und deren konsequenter Umsetzung. Daß Boden ein endliches Gut ist und damit nicht als unbegrenzte Ware zu behandeln, wurde höchstrichterlich bereits in den 60er Jahren in Westdeutschland erkannt und in den 90ern nochmal bestätigt. Es interessiert nur niemanden. (In der DDR war Boden konsequent billig, um Stadtplanungen nicht an dieser Komponente auszurichten.)
Wo Preise für Mieten steigen, gibt es höhere Dividende. Und wenn, wie politisch befördert, hohe Mieten zum Hauskauf führen, freut sich auch die Kreditwirtschaft. In den Jahren 2008/09 führte die geplatzte Immobilienblase weltweit zur Krise in der Bankenwirtschaft. Deutschlands Mietwirtschaft war recht gut dagegen gesichert. Die nächste Immobilienblase werden wir auch in Deutschland spüren.
Nicht alle wollen Spekulation und die Folgen als Naturgesetz akzeptieren und fordern Lösungen, die Wohnungswirtschaft aus dem System der Gewinnmaximierung herauszulösen. Was gar nicht so revolutionär ist, weil es das vor einigen Jahrzehnten in Westdeutschland noch gab. Wichtig wären heute umfassende Konzepte. Der erkennbare Wille, eine Lösung herbeizuführen, die den Wohnungsmarkt und Mieter entlastet.
Heute kann ein Mietrückstand durch überzogene Mietminderung oder Zahlungsverzug bereits ohne Mahnung zur Kündigung führen. Gefordert wurde am 20. September daher, daß man dem Mieter (wieder!) die Möglichkeit geben muß, dem Kündigungsgrund abzuhelfen, wenn ein Gericht das in einem Urteil so bestimmt. Ähnliches gilt bei Mietverzug. Sind bisher auch die Jobcenter mit einer Vorauszahlung eingesprungen, um einen Wohnungsverlust zu vermeiden, ist diese Art Unterstützung heute lange keine Garantie mehr, daß die Kündigung aufgehoben wird.
Andere üble Geschichten durch weitere Teilnehmer des alternativen Wohnungsforums waren schnell zur Hand. Als einzelner Mieter ist man oft nur noch den Profitinteressen im Wege, die eine regelmäßige Neuvermietung mit entsprechender „Mietanpassung“ ermöglicht. Die Ahndung von Kleinigkeiten und überzogene juristische Prozesse gegen die Mieter werden dann zur wirtschaftlichen Notwendigkeit, zermürben aber den einzelnen.
Die Forderungen für politische Besserungen wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen verfaßt, um sie dann vor dem Wohnungsgipfel der Bundesregierung am 21.09.18 als konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Natürlich sind weder SPD noch CDU soziale Parteien, die so etwas in ihr Programm übernehmen würden. Doch könnte der Druck der Straße etwas gegen die massive Lobbyarbeit der Immobilienwirtschaft ausrichten?
Auch die Kommunen können durchaus ihren Beitrag leisten, starke Fehlentwicklungen lokal zu verhindern. Hierzu gehört, daß städtischer Boden nur in Erbpacht vergeben wird, auf keinen Fall aber verkauft. Es sind nur in dem Fall überhaupt die Grundstücke der Kommunen abzugeben, wenn darauf Aufgaben erfüllt werden, zu welchen die Kommune sich selbst nicht in der Lage sieht. Hierzu gehören vor allem soziale Einrichtungen. Ein kommunaler Vermieter hat dämpfend und nicht treibend auf den Mietspiegel einzuwirken und auf keinen Fall Teile seines Bestandes zu verkaufen. Auch eine werterhaltende Sanierung, die nicht gleich Luxussanierung mit Luxuspreisen bedeutet, ist kommunalen Vermietern durchaus zuzumuten. Die Mieter in kommunalen Vermietern müssen ein verbindliches Mitbestimmungsrecht haben, gleichzeitig muß die Kommune als Eigentümer politisch Einfluß auf ihr Unternehmen ausüben. Die Kommune hat außerdem neue Grundstücke, soweit es die Spekulationspreise sinnvoll erscheinen lassen, wieder zu erwerben. Und wo schon Mietspiegel sein müssen, sollen Wohnungen aus dem Luxus-Segment keinen Einfluß darauf nehmen. Auf die Weise ließen sich schon die größten Preistreiber ausklammern.
In Potsdam läßt sich beobachten, wie es nicht zu sein hat. So günstig wie die städtischen Filetgrundstücke am Jungfernsee und anderswo abgegeben wurden, wird man sie nicht mehr in die öffentliche Hand bekommen. Statt dessen wird verkauft, was noch da ist, die Preisschraube für Mieter zieht weiter an, die Spaltung des Stadtgebietes in Arm und Reich geht erkennbar weiter. Auch in Potsdam befinden sich leider keine sozialen Parteien in der Regierungsverantwortung.
Was bleibt, sind Mieterinitiativen. Und Stiftungen, welche die Wohnungen aufkaufen, um sie gemeinsam mit den Mietern zu betreiben und der Profitwirtschaft zu entziehen. Auch deren Vertreter waren in Berlin anwesend. Und auch diese sind bereits in Potsdam aktiv. Wo es die Rathausspitze nicht mehr schafft, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten, haben sich längst Initiativen zusammengefunden, um genau das zu erstreiten.
Grundsätzlich wurden beim alternativen Wohnungsforum in Berlin auch die Wohnungsgenossenschaften hervorgehoben, deren Ziel satzungsgemäß in der sozialen Pflege und dem Ausbau ihres Bestandes liegt. Es ist natürlich schon bekannt, daß das Management mancher Genossenschaften das inzwischen anders sieht und dazu übergeht, „unwirtschaftliche“ Langzeitmieter zu verdrängen. Die satzungsgemäße Pflicht zur demokratischen Beteiligung der Mieterschaft in Wohnungsgenossenschaften kann bei entsprechender Solidarisierung der Genossenschaftsmitglieder jedoch vieles verändern – auch das Management selbst.
- Die große Stärke des alternativen Wohnungsforums offenbarte auch gleichzeitig seine Schwächen. Es war eine Leistung, bundesweite Akteure in ein Haus zu bekommen, von Erfolgen zu hören und Handlungsvorschläge zu erarbeiten. – Und es ist betrüblich, wenn schon Vertreter der Kreuzberger Initiative nicht von Potsdam wissen und entsprechend Vorschläge mit auf den Heimweg gaben, die allesamt schon längst verwirklicht sind. (Einbindung von Kunst, alternative Medien abseits der offiziellen Jubelpresse, intensive Vernetzung verschiedenster stadtpolitischer Akteure etc.) Nicht überall hat der öffentliche Druck den gleichen Erfolg. Und in Potsdam bedarf es noch sehr viel mehr Anstrengungen, um das zu erreichen, was gegen unbestreitbare Widerstände in Hamburg, München und Kreuzberg bereits geglückt ist. So zeigte der 20. September in Berlin, was in Potsdam eigentlich schon alles auf die Beine gestellt wurde. Und wie viel noch zu tun ist, um die berechtigten Belange der Bürger auf die Agenda der Rathauspolitik und der beiden Tageszeitungen zu heben. Daß der Oberbürgermeister Jakobs nun nicht mehr Teil der Altherrenriege zusammen mit Semmelhaack, dem GEWOBA-Chef, dem Stadtwerkechef, dem Luftschiffhafen-Chef und ähnlichen ist, die in Hinterzimmern Demokratie simulieren, stimmt optimistisch. Tatsächlich fand zuletzt nur noch die Gewoba dankbare Worte für den scheidenden Oberbürgermeister. Sie hat ihn auf die Titelseite ihrer Mieterzeitung gesetzt und sogar eigens für ihn den Jann-Jakobs-Preis erfunden und ihm verliehen. Es bleibt jedoch auch ohne ihn noch harte Arbeit, aus Potsdam eine Stadt zu machen, in der das Wohnen wieder Grundrecht ist und kein teurer Luxus-Artikel.