Kurz nachdem in Bayern, Baden-Württemberg und in NRW die schärfsten deutschen Polizeigesetze seit Nazi-Zeiten verabschiedet wurden, will nun auch Brandenburg weitreichende Maßnahmen ergreifen und die Bürger*innenrechte einschränken.
Der Feind stand immer links
Die Verschärfung der Polizeigesetze steht in alter bundesrepublikanischer Tradition. Notstandsgesetze, Berufsverbote, Terrorismusparagrafen, Abtreibungsverbote, Schleierfahndung, Telefonüberwachung sind hier nur einige Schlagworte. In den 50er und 60er Jahren diente die politische Repression vor allem dem Kampf gegen Kommunist*innen. In den 70er und 80er Jahren traf es dann die Student*innenbewegung. Die Hausbesetzer*innenbewegung wurde kriminalisiert und Aktivist*innen der Umweltbewegung verkloppt und schikaniert. In den 90er bzw. 2000er Jahren wurden dann immer wieder antifaschistische Gruppen mit Vorwürfen und Anklagen konfrontiert, kriminelle oder terroristische Vereinigungen gegründet zu haben.
Alles hat ein Ende nur die Gesetzesverschärfung hat keins
Nachdem schon im Jahr 2006 der Brandenburger Polizei deutlich ausgeweitete Befugnisse zur Überwachung zugestanden wurden, wird sich dieser Zustand mit dem aktuell diskutierten Polizeigesetz noch einmal zuspitzen. Um verschlüsselte Kommunikation besser kontrollieren zu können, soll es nun möglich sein, in die Wohnungen verdächtigter Personen einzudringen. Sogar “präventive” Abhörmaßnahmen sind geplant und bei „Gefahr im Verzug“ können diese ohne richterlichen Beschluss erfolgen. Als „drohende Gefahr“ kann prinzipiell alles unerwünschte Verhalten betitelt werden, es braucht keinen konkreten Gesetzesverstoß mehr, um in den Fokus der Repressionsbehörden zu geraten. „Zur Abwehr einer Gefahr“ darf der Aufenthalt an „bestimmten Orten“ oder der „Kontakt mit bestimmten Personen“ verboten werden. Die Auslegung dieser Gesetze obliegt jenen Behörden, die in Potsdam bereits linke Hausprojekte und bspw. eine Verfassungsschutz-kritische Veranstaltung bespitzeln ließen. Der Wahnsinn führt soweit, dass sogar für Besuchende einer Weihnachtsfeier Einträge angelegt wurden. Der VS rauscht nach wie vor an jeder vom bürgerlichen Rechtsstaat propagierten Norm vorbei. Oder wie es der immer noch amtierenden VS-Chef Hans Georg Maaßen formuliert: “Bei uns kann man das machen, was man schon immer machen wollte, nur ist es legal.“
Konterrevolution ohne Revolution
Aber woher weht der Wind? Warum erleben wir zur Zeit weltweit eine furchtbare Rolle rückwärts in der Geschichte? Weltweit, von Trump über Bolsonaro in Brasilien, Salvini in Italien, Duterte in Indonesien und von den Australier*innen mit ihren ausgelagerten Elendslagern für Refugees ganz zu schweigen. China will bis 2020 ein System sozialer Kreditpunkte anlegen.
Die weltweite Aufrüstung gegen die jeweils eigene Bevölkerung macht nur da Sinn, wo es eine Bedrohung gibt, eine angenommene oder eine reale. Aber von wem geht diese Bedrohung aus? Wer könnte all diese Staaten ins Chaos stürzen, wenn sie nicht von starken Männern* mit viel Gewalt zusammengehalten würden? Die Ursache der Bedrohung liegt in dem derzeit herrschenden Wirtschaftssystem. Es erweist sich in zunehmenden Maße als dysfunktional. Orientiert am Profit der jeweiligen Unternehmung rauschte es schon immer an den elementarsten Bedürfnissen der Menschheit vorbei und vernichtet stattdessen Natur und Gesellschaft. Hinzu kommen die seit Jahren fallenden Profitraten welche nur durch staatliche Interventionen wie Deregulierungsmaßnahmen und Sozialisierung der Verluste gestützt werden. Alle Finanzblasen, alle Immobilien- und Kreditblasen sind in der Vergangenheit an irgendeinem Punkt geplatzt. Sie werden es weiterhin tun. Die letzte schwere Wirschaftskrise von 2007 konnte nur durch die massive Verstaatlichung der Verluste der Banken (also die Bankenrettung durch Steuergelder) und milliardenschwere Konjunkturprogramme aufgefangen werden. Weltweit kam das Wirtschaftswachstum zum erliegen, bis heute ist keine Erholung in Sicht. Im Gegenteil: neue Wirtschaftskrisen drohen. Und diese werden nicht mehr mittels Verstaatlichung der Verluste auffangbar sein. Was bisher eher im Hintergrund tobte (zumindest für Westeuropäer*innen), sind Verteilungskämpfe. Kämpfe um Wohlstand, um Nahrungsmittel um Zugang zu Wasser, darum, wer wem billige Elektrogeräte produziert und wer den Schrott am Ende ausweiden muss. In aller Öffentlichkeit wird das Massensterben an der europäischen Seegrenze legitimiert, während die mittelafrikanische Wüste durch die Auslagerung der europäischen Außengrenzen bereits als größeres Massengrab gilt als das Mittelmeer. Es wird noch jeder faschistoide Massenmörder unterstützt, Hauptsache er tritt mit uns zusammen nach unten.
Revolution Chemnitz und Konsorten
Die AfD hat für solche Probleme der Reichtumsverteilung eine klare Antwort: Kartoffeldeutsche zuerst, auf allen Ebenen mit allen Mitteln. Mit dieser Position treibt sie andere Parteien vor sich her, vor allem solche, die sich nicht klar und eindeutig von jedweder Spielart des Rassismus distanzieren. Kurz gesagt: alle großen „Volksparteien“. Die konservative Adelung der zunehmend faschistoid auftretenden AfD erfolgt durch die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“. Die Normalisierung der menschenverachtenden Positionen der AfD, ebnen den Weg zu einer autoritären Gesellschaft. Das Ziel der Einschüchterungsversuche ist dabei die ganze Zeit offensichtlich. Das kann in Medien, bei den Wählenden, am Stammtisch, beim Familiengeburtstag nur übersehen, wer garnicht erst hinschauen will. Beim Aufstieg der Neuen Rechten ist Widerspruch unerwünscht. Antifaschistischer Widerstand soll weitgehend unterbunden werden. Gegenbewegungen werden von vorn herein kriminalisiert, eingeschüchtert oder unterbunden, indem entsprechende “Exempel” statuiert werden.
Keine Freunde – Keine Helfer!
Polizist*innen schauen zu, wenn neben ihnen Hitlergrüße gezeigt werden, wenn in Chemnitz der braune Mob Menschen jagt, die als nicht-deutsch gelesen werden oder wenn in Dortmund Neonazis die antisemitische Parole “Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!” skandieren. Diese Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Die im deutschen Staatsapparat angestellten Naziversteher*innen sind an diesen Tagen weitgehend damit beschäftigt, zivilgesellschaftlichen Widerstand präventiv zu ersticken.
Ein*e Antifa muss tun was ein*e Antifa tun muss
Es ist dringend notwendig dem Nationalismus den Kampf anzusagen. Unsere Zeit, die rechte Hegemonie aufzuhalten, wird knapper. Autoritäre Regime wie Ungarn, Polen, Türkei, Indonesien, Brasilien, China oder Russland sind keine anachronistischen Auslaufmodelle. Die Ursachen für Repression und Überwachung müssen in den Widersprüchen und Krisenerscheinungen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gesucht werden.
Wir glauben nicht an eine „gute Polizei“ oder an einen progressiven, die Verfassung schützenden Verfassungsschutz. Unser Ziel kann nicht sein, den Staatsapparat menschenfreundlicher anzupinseln. Gerade in Zeiten, in denen jedes selbstorganisierte, progressive oder abweichende Handeln der Tendenz nach als verdächtig gilt, muss es darum gehen, das Ganze zu ändern. Das Polizeigesetz verhindern, im Mittelmeer Rettungsaktionen durchführen, gegen die Normalisierung der AfD ankämpfen, all das sind kleine Schritte. Aber das ändert nichts daran, dass sie gegangen werden müssen. Von uns! Gemeinsam!
Deshalb rufen wir euch dazu auf, am 10. November 2018 zur Großdemonstration gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz nach Potsdam zu kommen.
Alerta! Fight control!
EAP — Emanzipatorische Antifa Potsdam
Eine ausführlichere Fassung findet ihr unter www-e-a‑p.org
Jahr: 2018
17.11.18 | 20 Uhr | Spartacus (Friedrich-Engels-Straße 22, 14473 Potsdam)
Inforiot — das unabhängige Portal für alternative News und Termine in Brandenburg — wird 18 Jahre alt. Endlich volljährig! Endlich Vollbart! Endlich Vollrausch! Für diesen besonderen Anlass wollen wir all die Zecken von Schwedt bis Spremberg, von Frankfurt(Oder) bis Wittenberge, von Eberswalde bis KW, von Neuruppin bis Strausberg zum großen Geburtstags-Zeckentreff vereinen. Mit ordentlich Punk und Oi, HipHop bis Alltimes, Punker*innenkneipe, Lesung und vielem mehr wollen wir mit euch auf weitere 18 Jahre anstoßen!
Lesung:
„Brandenburg muss brennen, damit wir grillen können“ mit Florian Ludwig
Live:
Oironie (Uckermark/Berlin, Punk)
Oiphory (Neuruppin, Punk)
PC TOYS (Strausberg, Hiphop)
Djanes:
Candy Gurls (Potsdam, Hot Jamz)
No Cap No Style (Berlin, fem HipHop/Trap)
Es „brandenburgt“
„Brandenburg muss brennen, damit wir grillen können“ ist wohl einer der witzigsten Buchtitel, der derzeit in gut sortierten Buchländen zu finden ist. Der Roman ist geschrieben von Florian Ludwig, der als Linker im Brandenburger Städtchen Rathenow aufgewachsen ist. Wortgewandt schreibt er über die Zeit Ende der Achtziger und den Beginn der Neunziger Jahre. Eine Zeit, die eigentlich alles andere als witzig war. Inforiot wollte mehr darüber wissen und sprach mit Florian über sein neues Buch.
Inforiot: „Nachts sind alle Glatzen blau“ ist einer dieser Sätze in deinem Buch: er trägt Humor in sich, aber auch die bittere Realität der Neunziger Jahre. Du schreibst über die Zeit nach dem Ende der DDR, als Jugendlicher mit vielen Möglichkeiten und einem Haufen Scheiße an der Backe. Wie war es denn damals mit den Nazis in deiner Stadt?
Florian: Vielleicht würde ich eher fragen, wie es für uns damals war. Einige der damaligen Protagonisten brachten ja subkulturelle Formen aus DDR-Zeiten mit rüber in die sogenannte Wendezeit, ob nun als Punks, Grufties oder Autonome.
Im Zeitraum zwischen der Grenzöffnung 1989 und der offiziellen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 explodierte die Naziskinbombe, jeder Dödel konnte sich auf den Wochenmärkten zwischen Stralsund und Suhl eine grüne Bomberjacke und Springerstiefel kaufen. So auch in Rathenow. Kevin, Maurice, Ronny und Mario (klischeebeladene Beispielnamen) hatten den Gleichschritt ja schon aus DDR-Zeiten drauf.
Das Problem war, dass sich in Rathenow eine rechte, extrem enthemmte Gewaltszene entwickelte. Für uns als linksalternative Subkultur stellte sich die Frage, bis zu welchem Niveau gehen wir da mit. Die Ostbullen, als regulierender Faktor, spielten keine Rolle mehr. Aus Selbstschutz wurden zum Beispiel Häuser besetzt, da einige Leute selbst in ihren Wohnungen nicht mehr sicher waren. Das Positive an diesen Besetzungen war, dass die Leute sich untereinander besser kennenlernten, gemeinsam neue Aktionsformen ausprobieren konnten. Aus diesen Strukturen entwickelten sich Projekte, die in einigen Städten in Brandenburg noch heute existieren.
Schade, dass damals soviel Energie und Kreativität für antifaschistische Arbeit aufgebracht werden musste. Aber es war eben notwendig, ja ohne zu dramatisieren, existenziell notwendig.
Inforiot: Im Buch geht es um Berndte, um Oimel und andere junge Punks, auf der Suche nach Freiräumen, die sie im Fußball, im Alkohol, auf Partys oder besetzten Häusern finden. Sie wollen provozieren und wollen sich ausprobieren. Welche Bedeutung hatte und hat in deinen Augen linke Subkultur in einer Kleinstadt?
Florian: Zum einen hat sie die selbe Funktion wie in Großstädten auch. Sie steht für Protest gegen die Sauereien in dieser Gesellschaft und kann Orientierung und Basis sein für junge Leute, die Fragen haben, auf der Suche nach Orientierung, Freundschaft und auch Spaß sind.
Das Problem in Kleinstädten beziehungsweise im ländlichen Raum ist, dass alle alle kennen, sowohl Freund als auch Feind. Da quatscht der Bürgermeister die Politaktivistin in der Kaufhalle mit Vornamen an, der Dorfbulle erkennt deine letzte gesprühte Parole am Geruch und die Nachbarn tratschen schon über deine Entgleisungen beim letzten Punkkonzert, obwohl du noch nicht mal zu Hause angekommen bist.
Inforiot: Wie ist es heute in Rathenow? Das Bürgerbündnis Havelland, mit seinen rassistischen Versammlungen, hast du dir ja schon angeschaut. Der Gegenprotest ist eher verhalten. Gibt es denn noch Punks in der Stadt?
Florian: Na gut, der Protest gegen diese Dödeltruppe ist ja nicht von Punks abhängig. Soweit ich das verfolge, gab und gibt es diesen Protest, manchmal leise, manchmal laut, oft auch intelligent.
Punk in Rathenow, ja den gibt es! Selbst aus meiner Generation sind da noch Leute in Bands aktiv. Andere organisieren Veranstaltungen zu Punk in der DDR oder lassen sich auch mal von mir was vorlesen.
Inforiot: „Gehen oder bleiben?“ – die Frage, stellen sich wohl die meisten mit 18 Jahren. Du lebst schon seit vielen Jahren in Berlin. Hast du jemals drüber nachgedacht wieder nach Brandenburg zu ziehen?
Florian: Holt die Lüneburger Heide nach Brandenburg und ick komm zurück!
Vor ein paar Jahren hatte ich mal so was wie Landsehnsucht. Aber nach mehr als 20 Jahren bin ich hier verwurzelt, habe erlebt, wie die Stadt sich verändert. So mancher Urberliner spendierte mir inzwischen eine Bockwurst und es gibt immer noch Ecken in der Stadt, da „brandenburgt“ es ganz schön…
Inforiot: Und zu guter Letzt: Inforiot wird nun auch volljährig. Sollen wir gehen oder bleiben?
Florian: Bleiben, auf jeden Fall!
Brandenburg ohne Inforiot, das wäre wie Polizeiruf 110 ohne Wachtmeister Horst Krause, wie ein gut sortierter Infoladen ohne die SUPERillu, wie Potsdam ohne Frauenkirche und Zwinger – oder so…
Vor 18 Jahren wurde Inforiot als ein linkes Portal für Politik und Subkultur in Brandenburg ins Leben gerufen. Viele, die mit uns aufgewachsen sind, waren Punks oder sind es heute noch. Am 17. November feiern wir daher ein wenig Retro mit einem Punkkonzert. Und Florian wird aus „Brandenburg muss brennen, damit wir grillen können“ lesen.
17. November | ab 20 Uhr | Freiland Potsdam
Potsdam — Die jüngsten Ereignisse in Chemnitz und Köthen zeigen es deutlich: Die seit 2015 ungebrochene Konjunktur rassistischer Stimmung und Organisierung stellt lokale Akteur*innen vor neue Herausforderungen. Was kann dem lautstarken Wüten gegen die angebliche Überfremdung und dem Streben nach einer autoritären Veränderung der Gesellschaft entgegengesetzt werden? Gemeinsam wollen wir darüber ins Gespräch kommen und in einen praxisorientierten Austausch über Handlungsansätze und Gegenstrategien auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene gehen. Wir laden politisch Aktive, Politiker*innen, Mitarbeiter*innen in kommunalen Verwaltungen und Sozialarbeiter*innen herzlich zu dieser Tagung ein.
Angelehnt an die Broschüre „Tipps und Tricks für Antifas“ hat die fabb (F_Antifa Brandenburg) ein eigenes Heft mit „Tipps und Tricks für F_Antifas“ erstellt.
Was kannst du machen, wenn du in deiner Kleinstadt-Antifa die einzige Frau* bist? Ist es ausschließend, wenn ihr ein Frauen*-Plenum einfordert? Und was zur Hölle soll eine Emo-Runde sein und was hat diese mit politischer Arbeit zu tun? Auf all diese Fragen will die Broschüre Antworten geben. Dafür wurden unterschiedlichste Instrumente zusammengetragen, die FLTI*s (FrauenLesbenTransInter) in ihrer politischen Praxis unterstützen können, und diese um Erfahrungen aus Brandenburger Strukturen ergänzt.
Die Herausforderungen, denen FLTI*s in ländlichen Regionen begegnen, sind oft anders als die in der (Groß-)Stadt. Sexismus wird als unwichtiges Problem betrachtet, die Auswahl an feministischen Verbündeten ist gering und Abgrenzungen schwierig. Trotzdem oder gerade deswegen ist es wichtig, eine feministische Praxis einzufordern und die Arbeit von FLTI*s in ländlichen Gegenden sichtbar zu machen.
Die Broschüre will Mut machen und empowern. Dabei sind alles Tipps und Tricks nur als Anregungen gedacht, ein Scheitern bei neuen Methoden und Ideen gehört (leider) oft dazu.
Für eine feministische Praxis!
Die Broschüre findet ihr zum Download unter: http://fabb.blogsport.eu/2018/10/10/broschuere-tipps-tricks-fuer-f_antifas/
»Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen« wollte der überzeugte Pazifist Konrad Reisner und initiierte u.a. gemeinsam mit Willy Brandt eine zunächst ausweglos erscheinende Kampagne: Reisner setzte alles daran, für Carl von Ossietzky die Verleihung des Friedensnobelpreises zu erwirken, um so den inhaftierten Journalisten und Herausgeber der Zeitschrift »Die Weltbühne« aus dem KZ Papenburg-Esterwegen zu befreien. Eine berührende Geschichte und eines von vielen mutigen Zeugnissen des Widerstands gegen das NS-Regime, das in diesem literarischen Kammermusikabend zu hören sein wird.
Das Programm ist jenen mutigen Querdenkern und Künstlern gewidmet, die sich bis zuletzt hartnäckig gegen den faschistischen Terror behaupteten. Zu Gehör kommen unter anderem Paul Celans »Todesfuge« sowie Gedichte französischer Häftlinge des KZ Buchenwald. Bertolt Brechts satirischem »Lied vom Anstreicher Hitler« steht Oskar Maria Grafs mutiger Aufruf »Verbrennt mich!« gegenüber, Kurt Tucholskys bitterböser »Ode an Das Dritte Reich« die ironisch-melancholischen Exil-Gedichte der jüdischen Schriftstellerin Mascha Kaléko.
Musikalisch umrahmt wird die Lesung durch große, teils jedoch lange Zeit vergessene Werke für Bläserquintett. Sie stammen allesamt von Komponisten, die zu Opfern der nationalsozialistischen Diktatur und des Holocausts wurden, deren »Wille, Kunst zu schaffen aber stets ebenso stark gewesen ist wie unser Wille zu überleben.« So fasste es Pavel Haas zusammen, der hochbegabte tschechisch-jüdische Komponist und Schüler Leoš Janá?eks, interniert im KZ Theresienstadt, später in Auschwitz ermordet. Neben Haas‘ Bläserquintett opus 10 erklingt die »Kleine Kammermusik« des als »entarteten Künstler« diffamierten Komponisten Paul Hindemith sowie »Sechs Bagatellen« von György Ligeti, der die Hälfte seiner Familie in deutschen Konzentrationslagern verlor.
Diese ausdrucksstarke Collage aus Musik und Literatur wird dargeboten vom Bläserquintett OPUS 45 und dem Schauspieler Roman Knižka. OPUS 45 pflegt seit seiner Gründung 2008 ein breitgefächertes Repertoire an Kammermusikliteratur, wobei sich das Ensemble ebenso gerne unterhaltsamen Werken wie unbekannten oder neuen Kompositionen widmet. Seit Jahren begleitet der Film- und Fernsehschauspieler Roman Knižka die Musiker in Wort und Gestaltung. Ebenso wie seine szenischen Auftritte zeichnet sich seine Rezitation durch Expressivität und musikantische Vitalität aus.
Programm:
Paul Hindemith: Kleine Kammermusik (op. 24/2)
Pavel Haas: Bläserquintett (op. 10)
György Ligeti: Sechs Bagatellen (1953)
sowie Texte von: Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Paul Celan, Oskar Maria Graf, Primo Levi, Mascha Kaléko u.v.m
Dauer des Konzertes: ca. 80 Minuten (ohne Pause)
Künstler:
Rezitation: Roman Knižka (www.roman-knizka.de)
Bläserquintett Ensemble Opus 45 (www.opus45.de 1): Franziska Ritter (Querflöte), Elke Uta Frenzel (Oboe), Sophie Seemann (Klarinette), Benjamin Liebhäuser (Horn), Florian Liebhäuser (Fagott)
Spaziergänge fürs Vaterland
Im Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit gibt sich die NPD als Kümmerer. Mit einer Art Bürgerwehr streifen Aktivisten durch die Stadt. Die Aktionen sorgen für Befremden.
Wenn es in Cottbus dunkel wird, dann ziehen sie los: junge Männer, manche in roten oder schwarzen T‑Shirts mit dem Buchstaben S auf dem Rücken – dem Logo der NPD-Aktion Schafft Schutzzonen. Verwackelte Fotos dieser Nachtwanderungen landen auf der Facebook-Seite der Partei, die damit wirbt, sie wolle in der brandenburgischen Stadt „nach dem Rechten sehen“.
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Gestern Abend sendete der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) eine öffentliche Diskussion unter dem Titel „Cottbus unerhört“. Sie sollte eine Gelegenheit für „Beteiligte der Unruhen“ bieten, eine Bilanz der Entwicklung in der Stadt zu ziehen.
Im Vorfeld hatten mehrere angefragte Gesprächspartner, darunter Bündnis 90/Die Grünen, die Cottbuser SPD sowie der Cottbuser Aufbruch, eine Teilnahme abgelehnt. Sie waren, nachdem bereits am 1. März eine ähnliche rbb-Diskussion ausgestrahlt worden war, zu der Ansicht gelangt, dass dieses Forum nicht für eine konstruktive Debatte geeignet ist. Außerdem befürchteten sie, dass dem Sprecher des rechten Vereins Zukunft Heimat, Christoph Berndt, einmal mehr ein Podium geboten werden würde. Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Thomas Wisch, hatte in einem Brief an den rbb eindringlich gewarnt, die Sendung dürfe nicht zum „Verstärker für Hassprediger“ werden.
Die beiden rbb-Moderatoren, Andreas Rausch und Christian Matthée, und ihre Gäste, der Chef der Potsdamer Staatskanzlei Martin Gorholt (SPD), der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) und der Dortmunder Politikprofessor Dierk Borstel, waren zwar bestrebt, dies zu verhindern. Sie bemühten sich redlich und teilweise auch geschickt, die Beiträge von Christoph Berndt einzuordnen und zu widerlegen. Dass Zukunft Heimat, die AfD und andere Rechte, die für die Sendung geworben hatten, den Abend dennoch als Erfolg verbuchen können, liegt daran, dass sie der Diskussion insgesamt ihre Agenda aufdrücken konnten.
Der erste Grund dafür war, dass Flucht und Migration durchgängig als Problem und Defizit präsentiert wurden. Die Moderatoren beschrieben die Gewalttaten zwischen Flüchtlingen und Deutschen und die darauf folgenden Demonstrationen im vergangenen Winter etwa mit dem Begriff „Flüchtlingssituation“. Sobald Redner, so zum Beispiel ein BTU-Professor, auf positive Aspekte der Zuwanderung zu sprechen kamen, fragten die Moderatoren danach, warum es denn mit der Sprache und Integration derartige Probleme gebe? Ein syrischer Flüchtling sollte erklären, warum es seinen Landsleuten so schwer falle sich zu integrieren, worauf dieser zunächst sachlich einging, dann aber den richtigen Hinweis gab: Man sollte ruhig auch einmal über Erfolge sprechen.
Zweitens konnte der Rechtspopulist Berndt, trotz der Einwände, das eingängige Narrativ der Rechten von einer „unkontrollierten Masseneinwanderung“ als Quell allen Übels ausbreiten. Wenn niemand widerspricht, wenn von einer „Politik der offenen Grenzen“ gesprochen wird, bleibt dies als scheinbares Faktum stehen. Wenn falschen Einwanderungszahlen nicht die Fakten gegenüber gestellt werden, können Lügen die Wirkung gültiger Argumente entfalten.
Das dritte ist, dass die bildmächtige Sprache der Rechten in den demokratischen Diskurs Eingang findet und die Weltwahrnehmung des Publikums mitprägt. Diskussionsteilnehmer übernahmen (versehentlich) rechte Kampfbegriffe wie „Masseneinwanderung“, andere freuten sich über Gespräche, in denen es keine „political correctness“ gebe. Besonders irritierend war der Begriff des „Kollateralschadens“, der von einem Moderator bereits in der Sendung am 1. März eingeführt worden war und der nun abermals bemüht wurde, um den Umstand zusammenzufassen, dass auch Studierende zu Opfern des Rassismus werden, den Zukunft Heimat gegen Flüchtlinge entfesselt.
Mit diesem letzten Punkt stellt sich auch die Frage nach den Standards öffentlicher Gesprächskultur. Zu einer emotionalen Diskussion hatten die Journalisten die Anwesenden eingangs ermutigt, und sie gleichzeitig ermahnt, auf Beleidigungen und rassistische Reden zu verzichten – durchaus mit Erfolg: Grobe Herabwürdigungen und offener Rassismus blieben aus. Das ist gut, aber reicht es? Ist es, um ein Beispiel zu nennen, ethisch vertretbar, wenn Politiker in Fernsehsendungen Abschiebungen nach Afghanistan als Erfolge präsentieren und Teile des Publikums daraufhin johlend „Zugaben“ verlangen?
Zusammenfassend: Erstens wurde im rbb zu wenig darüber nachgedacht, was eine gewinnbringende Fragestellung sein könnte. In der Diskussion tauchte etwa die Frage auf, wie eine überzeugende, demokratische Vision für die Zukunft der Region aussehen könnte. Das könnte spannend sein. Und, zweitens, der rbb muss grundlegend darüber nachdenken, wer mit wem worüber sprechen sollte. Dabei geht es nicht nur darum, ob es sinnvoll ist, Rechtspopulisten in solche Gesprächsrunden einzuladen. Denn dass zwei Männer mit vier Männern in einer öffentlich-rechtlichen TV-Talkshow sprechen, ist im Jahr 2018 schon mehr als bemerkenswert. Und das ist leider noch nicht alles. In der Stunde, die die Sendung dauerte, redeten 57:18 Minuten lang 16 Männer über Fragen der Gesellschaft, bis auf zwei wurden sie mit Namen und Funktion vorgestellt. Drei Frauen kamen insgesamt zu Wort, von denen zwei nur zu ihren Gefühlen befragt wurden.
Auch nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess im Juli dieses Jahres gibt es mehr Fragen als Antworten zum NSU-Komplex. Das Netzwerk des NSU, die Rolle und das Wissen staatlicher Behörden und die Auswirkungen der Taten und der rassistisch geführten Ermittlungen für die Geschädigten und Angehörigen der Ermordeten waren kaum Gegenstand. Dass dem so ist, liegt zu großen Teilen in der Verantwortung der Bundesanwaltschaft. Als oberste Strafverfolgungsbehörde hatte sie im NSU-Prozess eine äußerst wichtige Rolle inne. Sie vertrat zum einen die Bundesrepublik Deutschland als Geschädigte des NSU, zum anderen die Anklage und leitete die Ermittlungen.
Die Autorinnen Isabella Greif und Fiona Schmidt diskutieren am Beispiel der Ermittlungen zum NSU-Komplex und dem Oktoberfestattentat, welche strukturellen Defizite den staatsanwaltschaftlichen Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt prägen und welche Kontinuitäten sich daraus ergeben.
Die Veranstaltung findet am 18.10 ab 19:00 im Bürgerbildungszentrum Amadeu Antonio, Beratungszimmer statt.
Kommt zur Seebrücken-Demo am 20. Oktober um 14 Uhr vor dem Staatstheater am Schillerplatz!
Während Cottbus sich weiterhin durch den bestehenden Zuweisungsstopp von Geflüchteten von der Welt abschottet, sind dieses Jahr bereits über 1500 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt im Mittelmeer gestorben. Gleichzeitig werden die Menschen, die auf Hilfsschiffen versuchen zu retten, angeklagt und ihnen wird die Weiterfahrt oder das Ankommen in sicheren Häfen untersagt. Doch Migration ist und war schon immer Teil unserer Gesellschaft!
Die SEEBRÜCKE ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Auch in Cottbus solidarisieren wir uns mit allen Menschen auf der Flucht. Wir fordern, dass Retter*innen auf Hilfsschiffen nicht weiter mit dem Gefängnis rechnen müssen, dass sichere Fluchtrouten für Geflüchtete geschaffen werden und dass es in Europa, in Deutschland und auch in Cottbus sichere Orte zum Ankommen und zum Bleiben gibt. Unser Protest richtet sich dabei auch gegen die abschottende Asylpolitik der EU und der Bundesregierung, die den Tod von so viele Menschen in Kauf nimmt. Wir wollen Cottbus als eine offene und solidarische Stadt für Alle!
Seebrücke, schafft sichere Häfen! Auch in Cottbus!
Bitte bringt orange Kleidung mit. In anderen Städten sind z.B. auch Warn- und Rettungswesten ein gemeinsames Erkennungszeichen. Vom Zeigen von National- und Parteiflaggen bitten wir abzusehen. Bis dann!