Rund um den 25.11. – dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen – fanden auch im Raum Cottbus verschiedene Aktionen statt. So trafen sich am Sonntag Frauen im QuasiMono zu einem gemeinsamen Workshop unter dem Titel „Raus aus der Stille – Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“. Es wurde inhaltlich über verschiedene Formen von Gewalt diskutiert und die Machtfunktion, die Gewalt häufig als Ziel hat, thematisiert. Der Standpunkt, dass Gewalt keine objektiv beschreibbare Variable ist, sondern viel mehr die individuelle Empfindung einer Grenzüberschreitung, wurde diskutiert und vertreten.
Im Anschluss konnten die individuellen Erfahrungen der anwesenden Frauen durch kreatives Schreiben aufgearbeitet und mit stärkenden Sätzen veröffentlicht werden. So sagte die Teilnehmerin Anne Kalinske: „Die Erkenntnis, dass auch ich in vielen Situationen stark und kämpferisch handele, hat mir viel Kraft gegeben.“ Jennifer Weber vom Organisationskreis Frauenkollektiv ergänzte: „Frauen zu bestärken und einander zu empowern – das ist für uns das zentrale Element an diesem Tag. Wir wollen das Spiel Gewalt zu verschweigen nicht mitspielen und haben daher gezielt das Motto ‚Raus aus der Stille‘ gewählt, um zu zeigen, sobald wir Gewalt thematisieren und uns untereinander verbinden, kann ihr diese Wirkmächtigkeit genommen werden.“. Und gerade diese Thematisierung von Gewalt und die Solidarität der Frauen stand bei den Teilnehmerinnen im Vordergrund und so wurden die Ergebnisse und Heldinnen-Sätze der Frauen verschriftlicht und in die Öffentlichkeit getragen. Sätze wie „Ich bin stark, weil ich für mich gekämpft habe und gesagt habe: ‚Ich will das nicht‘.“ oder auch „Ich bin eine Heldin, weil ich mir meine Würde zurück geholt habe.“ wurden gemeinschaftlich auf große Plakatpappen geschrieben und somit sichtbar gemacht. „Wir betrachten den Workshop als sehr gelungen und bekamen von einigen Teilnehmerinnen, die Rückmeldung, Denkprozesse noch einmal von einer neuen Perspektive angestoßen zu haben und gestärkt aus unserer Veranstaltung raus zu gehen.“ sagte Jennifer Weber vom Frauenkollektiv abschließend.
Jahr: 2018
Anm. d. R.: Es wird ebenfalls eine Gegendemo unter dem Motto “Es gibt kein ruhiges Hinterland!” geben. Treffpunkt ist 16:30 Uhr am Berliner Tor.
Am Montag, 3.12. von 17:00 bis 20:00 wollen Nazis unter dem Motto “Asylpolitik, Migrationspakt, Systemterror stoppen” durch Templin laufen. Der Anmelder der Demo kommt vom 3. Weg aus Angermünde. Es ist unklar wie groß das Mobilisierungspotenzial ist.
Es ist eine Gegenkundgebung ab 17 Uhr auf dem Templiner Marktplatz angemeldet, organisiert durch das bunte Bündnis Templin. Die Gegenkundgebung ist angelehnt an die Aktionsform in Wunsiedel: Es handelt sich um einen unfreiwilligen Spendenlauf, es werden im Vorfeld Spenden gesammelt, die für jeden Meter der Demoroute der Nazis an soziale Projekte gespendet werden, die den Demoteilnehmern nicht gefallen werden, dieses Mal sind es der Geflüchtetenverein “NeuTempliner e.V.” und die freiwillige Feuerwehr. Blockadeversuche sind von dieser Seite aus nicht geplant. Stattdessen gibt es Musik auf dem Marktplatz.
Die Gegenkundgebung befindet sich auf dem Marktplatz und damit auf der Route der Nazidemo, die von der Sprint-Tankstelle in der Strahl-Goder-Straße, einmal quer durch die Stadt am Marktplatz vorbei bis zur Aral-Tankstelle in der Lychener Straße angemeldet ist.
Wir freuen uns über kreativen, selbstorganisierten Protest auf der Demoroute.
In Brandenburg gibt es bundesweit die meisten Angriffe von Neonazis. In Cottbus sprechen Bürgerinitiativen schon von einer allgegenwärtigen Bedrohung und einem feindseligen Klima. Wie leben Geflüchtete, Linke, Punks und liberale Fußballfans in dieser Stadt?
Zum Nachhören: hier.
Am Montagabend setzte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ ihre regelmäßige Kundgebungsreihe auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Die Veranstaltung wurde im Internet unter dem Motto: „Wir für unser Volk“ beworben und sollte sich gegen den von den Vereinten Nationen angestrebten „Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“, umgangssprachlich: „Migrationspakt“ richten. An der Veranstaltung nahmen im Kern 15 Personen aus Rathenow, Premnitz und Berlin teil.
Nach der üblichen Einleitungsprozedur, dem Abspielen der umstrittenen, inoffiziellen Landeshymne „Märkische Heide“, hielt Vereinsvorsitzender Christian Kaiser den ersten Redebeitrag. Dessen Kern beinhaltete allerdings fast nur die Verlesung von Antworten auf eine offizielle Anfrage des Bürgerbündnisses an die Stadtverwaltung Rathenow. Entsprechend ihrer üblichen Meinungskundgaben fragte die flüchtlingsfeindliche Vereinigung vor allem zu Themen wie „Zuwanderung“ und „Asylpolitik“. Insbesondere interessierte die Rassisten, wie viele Menschen „nichtdeutscher Herkunft“ im Stadtgebiet gemeldet seien.
Des Weiteren erkundigte sich das Bürgerbündnis über angeblich „zunehmende Kriminalität“, „Drogenprobleme“ oder aber auch wie die Bedingungen seien, um zur Wahl der Stadtverordneten im Jahr 2019 zu gelassen zu werden. Dabei betonte Kaiser einmal mehr seine Absichten bei der Kommunalwahl anzutreten, um im Stadtparlament aktiv zu werden.
Anschließend setzte eine verbittert und von Hass zerfressen wirkende, ältere Rednerin aus Berlin die Verlesung der Antworten der Rathenower Stadtverwaltung auf die Anfragen des Bürgerbündnisses fort und kommentierte diese in der für sie üblichen, geringschätzenden Art und Weise.
Auch die anderen drei Redner taten sich schwer das Niveau der Veranstaltung zu heben. Einer hatte Probleme einen inhaltlich zusammenfassenden Beitrag über den Besuch der Bundeskanzlerin in Chemnitz (Sachsen) vorzutragen. Ein Anderer sprach von seinen Eindrücken beim Fackelmarsch in Magdeburg sowie der Volksverdummung durch Migration, Chemtrails, Alkohol und Pornos. Und ein weiterer Redner sinnierte über wirre Träume sowie den Sturz der Regierung.
So blieb der „Migrationspakt“ nur der Aufhänger, um die wahnhaften öffentlichen Auftritte des Bürgerbündnisses fortzusetzen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem 32 seitigen Dokument bzw. den darin formulierten Zielen fand nicht statt. Die allgemein gehaltenen, polemischen Statements erweckten den Eindruck, dass sich die Redenden nur oberflächlich mit dem Pakt beschäftigt hatten.
Fotos zur Kundgebung: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157703717882034
Gestern, am 14. November wurde das geplante neue Polizeigesetz für Brandenburg erstmalig im Potsdamer Landtag beraten. Nach dem Willen der Koalition könnte das Gesetz schon im ersten Quartal 2019 beschlossen werden.
Auch die Gegner*innen des neuen Polizeigesetzes haben ihre Arbeit am Mittwoch fortgesetzt. Die Organisator*innen der Großdemonstration am vergangenen Samstag in Potsdam, an der sich 2.300 Personen beteiligt haben, hatten zu weiteren Aktionen in dieser Woche aufgerufen.
Während der Diskussion im Landtag ließen Aktivist*innen ein Transparent mit der Aufschrift „Neues Polizeigesetz stoppen!“ von der Empore. Die Landtagspräsidentin reagierte mit einem Ordnungsruf.
In Cottbus hatte das Bündnis gegen das neue Polizeigesetz in Brandenburg zu einer Kundgebung um 17 Uhr aufgerufen. Die Veranstalter*innen geben die Teilnehmerzahl mit 50 an. Auf der Kundgebung sprachen unter anderem Gegner des Berliner Polizeigesetzes, Fußballfans, eine Vertreterin des Frauencafé Cottbus und ein Mitglied der Internationalen Jugend.
Saskia Thiele, Sprecherin des Bündnisses in Cottbus, bewertete die Aktion positiv: „Hier ist ein wirklicher Querschnitt unserer Stadt zusammengekommen. Wir haben heute als Schüler*innen, Studierende, Fußballfans, linke Aktivist*innen, Industriearbeiter*innen, Lehrer und Renter*innen gemeinsam lautstark gegen dieses undemokratische Gesetz protestiert. So ein breiter Protest ist gut, denn genauso groß ist die Zahl der potentiellen Betroffenen solch eines Gesetzes. Gerade jetzt müssen wir im Bezug auf den weiteren Gesetzgebungsprozess unseren Widerstand entschlossen fortsetzen.“
Inforiot’s Geburtstags-Rückblick
Diesen Samstag, den 17.11., findet endlich Inforiot’s Geburtstags-Zeckentreff statt. Um 20:00 geht es im Spartacus los. Euch erwarten eine Lesung, Konzerte, im Anschluss Party und natürlich alles, was sonst noch zu einer guten Geburtstagsfeier dazugehört.
Als Einstimmung werden diese Woche Redaktionsmitglieder erzählen, wie sie eigentlich zu Inforiot gekommen sind und was das Projekt für sie bedeutet.
Den Anfang macht Summer.
„Ich komme aus einer Kleinstadt im Speckgürtel von Berlin. Geboren bin ich in einem ganz anderen Land. Wie es zu der Zeit nicht ganz unüblich war, ist der Nachbarsjunge irgendwann ein Nazi geworden. Er fing an meine Familie, die einen eindeutig ausländisch klingenden Namen hat, zu terrorisieren, indem er nächtliche Saufgelage bei sich veranstaltete. So eine Plattenbau-Wand ist dünn. Und so kam es, dass ich regelmäßig unter „Sieg Heil“ und „Ausländer Raus“-Rufen sowie dem Trällern von Landser-Songs mitten in der Nacht geweckt wurde. Die Polizei kam hin und wieder an, nachdem meine Eltern dort ganz entnervt anriefen. Aber sobald die Polente weg war, ging der Psycho-Terror von vorne los. Irgendwann reichte es mir und ich beschloss, selbst dagegen vor zu gehen. Während ich vorgab Hausaufgaben zu machen, suchte ich nach Kontakt zu Gleichgesinnten im Internet, denn meine Mitschüler_innen haben sich einen Dreck für Politik interessiert. Ich stieß dabei auf die Seite „antifa.de“. Die schrieb ich dann an. In ihrer Antwort verwiesen sie mich an die Opferperspektive, die lokale Antifa-Gruppe und eben an Inforiot. Das war der Tag, an dem Inforiot meine Verbindung zu einem gewaltigen Micro-Kosmos wurde, in dem ich mich nicht mehr alleine gefühlt habe. Noch bevor ich die Leute aus der lokale Antifa-Gruppe kennenlernen konnte, machten diese Abitur und verpissten sich nach Berlin. Aber Inforiot blieb und wurde zu meinem täglichen Begleiter. Fünf Jahre nach diesem Erlebnis wurde ich dann gefragt, ob ich Teil der Redaktion werden möchte. Mittlerweile bin ich nun fast sieben Jahre dabei und hoffe all denen, die sich in den Kleinstädten und Dörfern auch so ohnmächtig und allein fühlen, wie ich es einst war, Mut und Hoffnung zu geben.“
Heute erzählt Jess seine Geschichte.
„Als Jugendlicher, in einer kleinen Stadt in Brandenburg, ohne Smartphones, gutes Internet oder einen Raum, in dem man sich hätte treffen können, war es manchmal gar nicht so einfach aufzuwachsen und sich politisch außerhalb von Parteien einzubringen. Die Bedrohung durch Neonazis war regelmäßig gegeben und es war auch keine Seltenheit, dass 20 Neonazis vor der Schule warteten, um links aussehende Jugendliche abzufangen und einzuschüchtern. Oft stand man damit allein da oder hatte das Gefühl, nichts machen zu können, da es an eigenen Erfahrungen mangelte und der Austausch mit älteren Generationen von linken Menschen nicht möglich war.
Da fühlt man sich als linker Jugendlicher schnell sehr allein. Mit dem Fachabitur, welches ich in der nächst größeren Stadt machte, lernte ich zum ersten Mal ein Hausprojekt kennen und weitere Menschen, die den Wunsch nach Räumen ohne Neonazis mit mir teilten. Dort hörte ich auch das erste Mal von Inforiot.
Mit dem Umzug in eine größere Stadt in Brandenburg, ergab sich auch die Möglichkeit, sich mit vielen verschiedenen Themen zu beschäftigen. Zentral dabei war immer die Prävention der extremen Rechten, woraus natürlich auch politische Arbeit resultierte, für die IR nicht wegzudenken war. Einerseits war es sehr bestärkend zu sehen, dass so viel in Brandenburg passiert und nicht nur in Berlin. Wie viele linke Häuser es gibt, wie viele Gruppen, Veranstaltungen oder Bildungswochenenden. Das zu sehen gab auf jeden Fall Kraft.
Nach Jahren der politischen Arbeit in Brandenburg blieb IR immer ein fester und wichtiger Bestandteil für mich und somit war es eine große Freude, dann auch gefragt zu werden und selbst dieses, für mich so wichtige, Projekt unterstützen zu können.“
Kalle:
„Nachdem mir Inforiot von einem guten Freund nahe gelegt wurde, fing ich innerhalb kurzer Zeit an, dort genauso oft nach Neuigkeiten zu suchen wie auf linksunten.indymedia. Für mich, als jugendlichen Antifa, war Inforiot nicht nur ein Anschluss an die “Szene”, die es in der eigenen Stadt nicht gab. Inforiot war auch eine Art riesiger virtueller Bibliothek. Ich habe damals auch oder vor allem tagelang ungeduldig auf den nächsten Rechercheartikel gewartet. Egal ob aus Nord‑, Süd, Ost- oder Westbrandenburg, ich habe alles verschlungen.
Ich finde, dass Inforiot eine extrem wichtige Struktur, auch in social media dominierten Zeiten, ist. Obwohl jüngere Menschen mittlerweile oft gar nicht mehr auf Webseiten gehen, weil Facebook alles bis in den Feed liefert, sind und bleiben Projekte wie Inforiot strukturell wichtig.“
Zum Abschluss erzählt Rachel ihre Geschichte zu Inforiot:
„Als ich nach Brandenburg gezogen bin (Ja, bei IR gibt es Leute aus dem kapitalistischen Westen!), war Inforiot meine erste Adresse, um zu schauen, was in meiner neuen (Provinz-)Heimatstadt so geht. Die Übersicht über Gruppen und Projekte war ein guter Einstieg.
Um so cooler, dass ich jetzt Teil des Redaktionskollektives sein kann! Gerade wenn mensch noch nicht so eingebunden ist, sei es, weil mensch neu in der Region oder frisch politisiert ist, ist eine landesweite Plattform enorm hilfreich, um sich zu orientieren.“
Feiert morgen, 17.11.2018, mit uns zusammen im Spartacus den Inforiot-Geburtstag. Wir freuen uns!
Brandenburgs Regierung um Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will das Polizeigesetz verschärfen. Dagegen regt sich Widerstand. Am 14.11. findet dazu eine Kundgebung in Cottbus statt – genau an dem Tag, an dem die erste Lesung im Potsdamer Landtag stattfinden wird.
Deshalb ruft an diesem Mittwoch das Bündnis #noPolGBbg – ein breiter Zusammenschluss von politischen Initiativen, Geflüchteten, Studierenden und weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren – zu einer Kundgebung am Platz am Stadtbrunnen (Heronplatz) in Cottbus auf.
Dazu erklärt Saskia Thiele vom Sprecher*innenrat des Bündnis folgendes: „Das Polizeigesetz soll verschärft werden, um besser gegen Terrorgefahren gerüstet zu sein – aber nicht nur. Von den Gesetzen und ihren Auswirkungen sind letztendlich alle betroffen. Die Verschärfung kann auf den ersten, oberflächlichen Blick für ein größeres Sicherheitsgefühl sorgen. Beim zweiten, genauen Blick wird deutlich, dass die Gesetze einen Einschnitt in die persönliche Freiheit bringen. Der aktuelle Entwurf beschreibt etwa vorbeugende Ingewahrsamnahme, Telekommunikationsüberwachung, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote. Mit diesen Maßnahmen werden Repressionen gegenüber allen Menschen vereinfacht. Dagegen setzen wir uns entschieden zur Wehr.“
Bereits am vergangenen Samstag nahmen rund 2000 Menschen an der Großdemonstration gegen das neue Polizeigesetz in Potsdam Teil. Nun muss der Protest in alle Regionen Brandenburgs getragen werden, um den flächendeckenden Widerstand zu zeigen. „Vor allem in Cottbus, wo seit Jahresbeginn die Polizeikontrollen massiv ausgebaut worden sind, ist spürbar, was verstärkte Repression macht.“ ergänzt Saskia Thiele. „Es geht nicht, darum das Miteinander zu stärken, sondern einzig darum, Macht zu demonstrieren und die Bevölkerung kontrollierbar zu machen. Wir protestieren solange bis das Gesetz vom Tisch ist, auch am Mittwoch in Cottbus.“, sagt Saskia Thiele abschließend.
Weitere Infos: www.nopolgbbg.de Kontakt:kontakt@nopolgbbg.de
Am vergangenen Samstag protestierten über 2.300 Menschen gegen das neue Polizeigesetz in Brandenburg, darunter Datenschützer*innen, Gewerkschaften, Vereine, Politiker*innen und Fußballfans. Lautstark und vielfältig zeigten wir der Landesregierung: Wer das Polizeigesetz verschärfen und Grundrechte einschränken will, muss mit Protest aus allen gesellschaftlichen Schichten rechnen. An der Demonstration beteiligten sich Menschen aus ganz Brandenburg. Sie war einer der größten, die das Land Brandenburg in den letzten Jahren gesehen hat. Wir fordern die rot-rote Landesregierung auf, den Plan der Verschärfungen auf Eis zu legen.
In der kommenden Woche, in der das Gesetz in den Landtag eingebracht wird, ruft das Bündnis zu dezentralen Aktionen gegen das Polizeigesetz auf. In Cottbus wird am Mittwoch, den 14. November, um 17 Uhr eine Protestkundgebung am Heronplatz veranstaltet. Die Online-Petition „Neues Polizeigesetz in Brandenburg stoppen – Grundrechte schützen!“ hat mittlerweile deutlich über 5.000 Unterzeichner*innen.
Bei der Demonstration kamen in Redebeiträgen verschiedene Organisationen zu Wort, unter anderem:
„Wenn das neue Gesetz kommt, werden Geflüchtete nicht mehr nur ständig kontrolliert, sie geraten auch noch schneller in Präventivgewahrsam, weil die Polizei sich immer weniger dafür rechtfertigen muss“, kritisierte Jibran Khalil von Jugend ohne Grenzen.
„Im Umgang mit Fussballfans können wir schon seit Jahren beobachten, wie die Polizei sich militarisiert und immer öfter auch ganze Fangruppen überwacht. Mit dem neuen Gesetz darf die Polizei nicht nur mehr, sie darf auch temporär früher agieren und soll dabei weniger kontrolliert werden. Umso wichtiger ist es, dass wir auch auf die Polizei schauen“, mahnte Christian R., ein aktiver Fußballfan aus der Nordkurve Babelsberg.
„Die im neuen Gesetz erwähnten Meldeauflagen im Bereich des Versammlungsgesetzes sind ein Angriff auf unser Demonstrationsrecht. Warum Politiker*innen der SPD und der Linken solch schwerwiegende Grundrechtseinschränkungen verantworten wollen, ist mir schleierhaft“, so Demonstrationsanmelder Konstantin Gräfe.
Die Polizei verhielt sich während der ganzen Demonstration zurückhaltend. Im Gegensatz dazu kam es im Vorfeld und im Nachgang der Demonstration zu inakzeptablen Übergriffen seitens der Polizei auf friedliche Demonstrationsteilnehmer*innen sowie Menschen, die sich in der Nähe zur Demonstration aufhielten. Insbesondere waren Potsdamer Hausprojekte und deren Umfeld in der Zeppelinstraße 25, 26 und 29 betroffen. Vor und nach der Demonstration filmte die Polizei ohne einen erkennbaren Anlass in die Häuser und in die Innenhöfe hinein. Im Nachgang der Demonstration wurden insgesamt acht Menschen im Umfeld der Hausprojekte festgesetzt, ihre Personalien kontrolliert, durchsucht und trotz geäußertem Widerspruch erkennungsdienstlich behandelt. In zwei Fällen kam es unerwartet zu brutalen Festnahmen, bei den Menschen zu Boden geworfen wurden. Gegen alle kontrollierten Personen stellte die Polizei Strafanzeigen. Kurz nach der Demonstration versuchten einige Polizist*innen in die Zeppelinstraße 25 einzudringen. Noch drei Stunden nach Ende der Demonstration wurden die Hausprojekte überwacht.
Als Grund für die Maßnahmen galt wohl die völlig gewaltfreie Performance der drei Hausprojekte während der Demonstration, die aus 2 min aufsteigenden bunten und ungefährlichem Rauch, Heraushängens von Transparenten und einem Redebeitrag gegen das Polizeigesetz bestand. Die Maßnahmen sind bezeichnend für die Kriminalisierungsstrategie der Polizei. Es bestand zu keiner Zeit eine gefährliche Situation, weder für die Demo-Teilnehmer*innen noch für die Polizei. Die Häuser samt den Baugerüsten sind im Eigentum der Hausprojekte. Dagegen waren die Maßnahmen der Polizei selbst mutmaßlich grundrechtsverletzend: Das Abfilmen von Privatwohnungen ist ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre, das Eindringen in Häuser ist ebenso ein schwerwiegender Eingriff, der nicht mit Lappalien wie einer kurzweiligen und kontrollierten Rauchperformance zu begründen ist. Dass die einzelnen Polizisten eingeforderte Grundrechte ignorieren, zeigte das Verhalten des filmenden Beamten, der mit den ironischen Worten „Ich kann euch nicht hören“ auf die Bitte reagiert hat, das Filmen des Hinterhofs der Zeppelinstraße 25 aufgrund der mangelnden Rechtsgrundlage zu unterlassen. Selbiger Polizist war an der stundenlangen Überwachung des Hausprojektes beteiligt. Dass ihm das sichtlich Spaß machte, zeigte er mit einem auffälligen Schwingen seines Schlagstocks gegenüber Passant*innen und Bewohner*innen der Hausprojekte.
Die polizeilichen Maßnahmen am Rand der Demonstration haben gezeigt, dass die Ermittlungsbehörden schnell jegliches Maß verlieren können. Umso wichtiger ist es, die geplante Ausweitung der polizeilichen Befugnisse zu stoppen!
Am Freitag den 9. November jähren sich die Novemberpogrome der Nazis zum 80. Mal. Um diesem historischen Ereignis angemessen zu gedenken wurde ein Bündnis verschiedener Gruppen und Einzelpersonen gegründet. Aber nicht nur das Gedenken an Vergangenes ist das Ziel des Bündnisses, sondern auch zu verdeutlichen, dass diese Vergangenheit bis heute nachwirkt, auf unser alltägliches Leben Auswirkungen hat und keinesfalls einfach abgeschlossen ist. Auch in Potsdam kam es z.B. zu Verhaftungen von Jüdinnen und Juden, die Synagoge wurde verwüstet und ebenso der jüdische Friedhof. Die Opfer waren Potsdamer*innen und die Täter*innen ebenso. Diesen Fakt wollten wir den Büchern und Akten entreißen und auf der Straße sichtbar machen. Nicht nur für die über 50 Personen die alljährlich an der Gedenkfeier am Mahnmal für die Opfer des Faschismus teilnehmen, sondern für alle Potsdamer*innen. Deshalb planten wir, nach historischer Recherche in Archiven und Bibliotheken, Plakate aufzuhängen um Orte zu kennzeichnen die exemplarisch einen Einblick in die Vergangenheit ermöglichen. Es sollten „Orte der Täter*innen“ und „Orte der Opfer“ gekennzeichnet werden.
Nun stellen sich die Potsdamer Stadtwerke quer. Ihre Laternen seien nicht dafür da zusätzliche Plakate oder Schilder anzubringen. Schreiben sie und lassen regelmäßig Wahlplakate von der SPD bis zur AfD zu. Dieses geschichtsvergessene Verhalten finden wir skandalös!
Dazu sagt Melyssa Diedrich von der EAP: „Es scheint in diesem stadteigenen Unternehmen weder Anstand noch auch nur ein Fünkchen historischen Sachverstand zu geben. Im nächsten Jahr werden wir die Potsdamer Stadtwerke verstärkt in den Fokus nehmen. Und zwar nicht nur als ‚Ort der Täter*innen‘ sondern als einer der Profiteure der systematischen Ausbeutung von Menschen durch die Nazis“.
NEIN zum PAG
Auch in Brandenburg soll ein neues Polizeiaufgabengesetz (PAG) durch den Landtag gebracht werden. Dabei geht es, wie in anderen Bundesländern auch, um eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes und eine Erweiterung der Befugnisse. Das neue Gesetz ermöglicht es, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, in Präventivgewahrsam zu nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Die Polizei soll damit ohne richterlichen Beschluss digitale Razzien durchführen können, wie z.B. Smartphones hacken dürfen, um Messenger wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch in deren sozialen Umfeld. Zudem soll die Videoüberwachung des öffentlichen Raums noch stärker ausgeweitet werden.
Der gesellschaftliche Kontext
Diese Gesetzesverschärfungen sind vor dem Hintergrund einer generellen autoritären Entwicklung in Politik und Gesellschaft zu sehen, die sich icht zuletzt in verschärfter Repression gegen alle äußert, die gegen die bestehenden Verhältnisse rebellieren. Dies zeigte sich etwa in dem brutalen Vorgehen der Polizei, mit dem während des G20-Gipfels in Hamburg versucht wurde, jede Äußerung von Widerstand auf den Straßen zu verhindern. Nach dem Gipfel bemüht sich der Staat darum, mit öffentlichen Fahndungsaufrufen, die die Springerpresse bereitwillig verbreitete, dem Verbot einer oppositionellen Internetplattform (linksunten.indymedia.org), exemplarischen Strafen und Hausdurchsuchungen, die bis heute anhalten, diejenigen einzuschüchtern, die sich nach grundsätzlicher Veränderung sehnen.
Das neue Polizeigesetz soll solch einer staatlichen Repression erweiterte Möglichkeiten verschaffen. Davon sind wir alle betroffen. Letzlich richtet sich die Repression gegen alle, die nicht in das Bild des „angepassten Bürgers“ passen, die eine andere Vorstellung vom Leben haben oder den Freiheitsbegriff anders belegen. Egal ob Aktivist*innen, Migrant*innen, Wohnungslose, Fußballfans, Grafitti-Zeichner*innen, usw. – alle sind bedroht. Und mit der faktischen Abkehr von der Unschuldsvermutung soll es der Polizei und den Repressionsbehörden ermöglicht werden immer und überall einzugreifen.
Uns kann es nicht allein darum gehen, das aktuell geplante Polizeigesetz zu verhindern. Wir wollen nicht den liberalen Rechtsstaat gegen autoritäre Entwicklungen verteidigen, die er aufgrund seiner eigenen Widersprüche hervorbringt. Auch unter liberalen Bedingungen gehört es zu den selbstverständlichen Aufgaben der Polizei, Leute aus ihren Wohnungen zu werfen, wenn sie die Miete nicht bezahlen können, die Besitzlosen daran zu hindern, sich aus den prall gefüllten Warenhäusern die Dinge zu nehmen, die sie zum Leben brauchen oder haben wollen und Menschen ins Elend abzuschieben, wenn sie den Aufenthaltsbestimmungen der Obrigkeit nicht entsprechen. Letztendlich besteht die Aufgabe der Polizei einfach darin, die bestehenden Eigentumsverhältnisse und Hierarchien aufrecht zu erhalten. Selbst die liberalste Polizei wird ungemütlich, wenn Menschen die kapitalistischen Verhältnisse oder Aspekte derselben bewusst in Frage stellen. Immer wieder gut daran zu erkennen, mit welcher Vehemenz besetzte Häuser geräumt werden. Die Verteidigung des heiligen Eigentums ist auch für diese sich gern sozial- und mieter*innenfreundlichgebende Landesregierung oberste Pflicht. Das zeigt: Wir brauchen keinen sozialeren Staat oder liberaleren Kapitalismus!
Wir halten dennoch an der Hypothese fest, dass eine Gesellschaft ohne Zwang und Ausbeutung möglich und wünschenswert ist. Kämpfen wir dafür, die Wahrheit dieser Hypothese praktisch zu beweisen! Nehmen wir die Proteste gegen das neue Polizeigesetz zum Anlass, uns zum Kampf gegen das System zu organisieren, das dieses Gesetz hervorgebracht hat und braucht, um seine verheerende Entwicklung auch in Zukunft fortsetzen zu können!
Darum kommt in den antikapitalistischen Block auf der Demo gegen das neue Polizeigesetz am 10.11.2018 in Potsdam.
Für weitere Infos über die Demo und das Polizeigesetz: nopolgbbg.de
Mit diesem Aufruf wollen wir allen ermöglichen, sich an der Demo zu beteiligen, denen es um mehr geht, als um die Verhinderung des neuen Polizeigesetzes. Wir sehen in einer gemeinsamen Demo aber auch einen guten Anlass, dass alle Menschen einmal die Grenzen ihrer jeweiligen Milieus überwinden und sich zu einem gemeinsamen Widerstand gegen diesen staatlichen Angriff zusammenfinden, den eine Gruppe von Betroffenen allein sicher nicht wird abwehren können.