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Antifaschismus Verschwörungsideologie

Über die Aufmärsche gegen Corona-Maßnahmen in Frankfurt (O)

Über die Aufmärsche gegen Corona-Maßnahmen in Frankfurt (Oder)

Etwas mehr als ein Jahr lang schafften es die Frankfurt*innen, anders als in anderen Städten, nicht Seite an Seite mit Neon­azis gegen die „Poli­tik“, gegen die Regierun­gen Bran­den­burgs und des Bun­des und deren Anti-Coro­na-Maß­nah­men, auf die Straße zu gehen. Inzwis­chen hat sich das geän­dert. Ange­führt wer­den sie dabei von extrem recht­en Akteur*innen.

Als sich am 28. Novem­ber 2020 etwa 2.500 Men­schen auf ein­er Kundge­bung von „Quer­denken“ um deren Kopf Michael Ball­weg an der Oder ver­sam­melten, kamen viele von ihnen aus ganz Deutsch­land angereist.[1] Schon damals waren neben vie­len Per­so­n­en, die anson­sten eher der sog. „bürg­er­lichen Mitte“ zuzuord­nen waren, auch extrem rechte Akteur*innen mit von der Par­tie. So waren bekan­nte ältere Neon­azis wie Sven Lemke und der Berlin­er ex-NPDler Jens Irgang, aber auch Jün­gere wie Ben­jamin Krüger, Den­nis Kunert, Romano Gos­da und extrem Rechte aus anderen Bun­deslän­dern und Polen vor Ort. Der Frank­furter NPD-Funk­tionär Siegfried „Sig­gy“ Pauly lief gemein­sam mit Andreas Suchanow (AfD) und anderen ein­schlägig bekan­nten Rechten.[2] Trotz­dem schafften es NPD, AfD und weit­ere nicht, an den deutsch­landweit­en Erfolg der Quer­denken-Bewe­gung anzuknüpfen; vielmehr grif­f­en sie auf alt­bekan­nte The­men und Inhalte zurück, um bei Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen im Jahr 2021 Men­schen unter ihrem Schirm zu ver­sam­meln. Bis auf den zahlen­mäßig über­lege­nen Gegen­protest, entsprachen diese Demon­stra­tio­nen nicht den All­macht­sphan­tasien von Massenmobilisierungen.

Mit Einzug der vierten Coro­na-Welle, den Ein­schränkun­gen für Ungeimpfte und ein­er disku­tierten all­ge­meinen Impf­pflicht scheint erneut trock­enes Holz auf die noch ungelöschte Wut-Glut gelegt wor­den zu sein. Los ging es am 05.12.2021 mit ein­er AfD-Demon­stra­tion, dessen The­matik kurz­er­hand um „Kri­tik“ an der „Coro­na-Poli­tik“ ergänzt wurde – obwohl ursprünglich auss­chließlich gegen Migra­tion, in Bezug auf die Sit­u­a­tion an der pol­nisch-belarus­sis­chen Gren­ze, gehet­zt wer­den sollte. Erstaunlicher­weise kon­nte die AfD ihren Zulauf durch diese the­ma­tis­che Ergänzung in etwa ver­dreifachen. Bei der Demon­stra­tion nah­men ca. 100 Per­so­n­en teil. [3] Anfang Novem­ber fol­gten dem Aufruf der extrem recht­en Partei lediglich 30 Per­so­n­en. [4] Anwe­send bei den let­zten AfD-Ver­samm­lun­gen war viel Partei-Promi­nenz aus Bran­den­burg und den benach­barten Bun­deslän­dern. Darunter u.a. Lars Gün­ther, AfD-Land­tagsmit­glied mit Lei­den­schaft für Ver­schwörungside­olo­gien und mit umfan­gre­ichen Kon­tak­ten zur Neon­azi-Szene. [5] Eben­so anwe­send waren Daniel Frei­herr von Lüt­zow, stel­lvertre­tender Lan­desvor­sitzen­der der AfD in Bran­den­burg und Steuer­hin­terzieher, [6] sowie Bir­git Bessin, stel­lvertre­tende Frak­tionsvor­sitzende der AfD in Bran­den­burg und Organ­isatorin von Recht­srock-Konz­erten. [7] Alle drei kön­nen dem sog. völkischen „Flügel“ der AfD zugerech­net wer­den. [8]

Dem Auf­marsch Anfang Dezem­ber 2021 fol­gte eine weit­ere Demon­stra­tion der AfD Frank­furt (Oder) am 19. Dezem­ber gegen eine all­ge­meine Impflicht, gegen Migra­tion und für „Frei­heit“. [9] Diese sollte über die Stadt­brücke nach Polen führen, durfte auf Grund von Coro­na-Bes­tim­mungen allerd­ings nur bis zur Stadt­brücke und musste dort umkehren. Die AfD kon­nte erneut einige dutzend Per­so­n­en für ihre The­matik und Posi­tio­nen begeis­tern. Neben Lars Gün­ther aus MOL war dies­mal ein beson­der­er Gast ganz vorne mit dabei – Andreas Kalb­itz, ein Neon­azi im Par­la­ment, der mit seinen Aus­sagen und sein­er Ide­olo­gie mit­tler­weile deutsch­landweit so bekan­nt ist, dass wir an dieser Stelle nicht näher auf ihn einzuge­hen brauchen.

Dies­mal nah­men auch Frank­furter Neon­azis, wie Sven Lemke und Den­nis Kunert am Auf­marsch teil. Sven Lemke gilt als Kopf der Kam­er­ad­schaft Kom­man­do Wer­wolf und ist u.a. wegen schw­er­er Kör­per­ver­let­zung an einen pol­nis­chen Stu­den­ten im April 1997 vorbe­straft. Aktuell ste­ht er hin­ter dem Tre­sen der Südring Kneipe in der Leipziger Str. 115, 15236 Frank­furt (Oder), ein lokaler Tre­ff­punkt der Neonazi-Szene.
Den­nis Kunert gehört zu ein­er Gruppe junger Neon­azis aus Frank­furt (Oder), die seit 2015 regelmäßig auf extrem recht­en Demon­stra­tio­nen gewalt­bere­it auftritt und gemein­sam zu Neon­azi-Ver­anstal­tun­gen und Demon­stra­tio­nen in ganz Deutsch­land reiste. Zwis­chen­zeitlich nan­nten sie sich „Kam­er­ad­schaft Frank­furt (Oder)“ und „Junge Nation­al­is­ten Frank­furt (Oder)“. Als geschlossene Gruppe treten sie aktuell nicht auf.

Mit dem Zusam­men­wirken dieser Per­so­n­en, die ein Spek­trum von AfD über ältere Kam­er­ad­schaften bis hinzu jün­geren Recht­en abbilden, scheint in Frank­furt ein Brück­en­schlag passiert zu sein. Eine inhaltliche Tren­nung der unter­schiedlichen Akteure wird damit in Zukun­ft noch schwieriger werden.

Neben den bere­its genan­nten AfD-Aufmärschen formieren sich, wie über­all im Land, auch in Frank­furt (Oder) seit weni­gen Wochen soge­nan­nte „Mon­tagss­paziergänge“, die meis­tens um 18 Uhr vom Frank­furter Rathaus aus star­tend. Ange­fan­gen mit nur weni­gen Teil­nehmenden, die leicht mit ein­er Gruppe ein­er Stadtrund­führung ver­wech­selt wer­den kon­nte und ähn­lich unbe­holfen wirk­te, schlossen sich am 20. Dezem­ber 2021 ca. 400 bis 500 Per­so­n­en diesem „Spazier­gang“ an. [10] Der Clou an der Sache, dass „man ja nur spazieren gehe und zufäl­lig mehrere hun­dert andere Men­schen das auch an genau den gle­ichen Orten tun“, find­et durch absolute Nich­tak­tiv­ität der Ord­nungs­be­hör­den, allen voran der nur weni­gen Polizeikräfte, schein­bare Bestä­ti­gung. [11] Durch juris­tis­ches Laien­ver­ständ­nis und Kon­se­quen­zen­frei­heit im Ego gestärkt, laufen die Men­schen – deren Zahl Ende Jan­u­ar 2022 bei etwa 1200 Per­so­n­en lag – seit­dem nicht nur ohne Rück­sicht auf Hygien­ebes­tim­mungen. Sie laufen fern­er auch mit Per­so­n­en, die ein­deutig Neon­azis sind.

Regelmäßige Gäste dieser Mon­tagss­paziergänge sind neben Wilko Möller und Michael Lau­risch (bei­de AfD, let­zter­er ver­bre­it­et während dem „Spazier­gang“ Fake-News) auch Sven Lemke, Den­nis Kunert, Eric Hempel und Siegfried Pauly (NPD und Brud­er­schaft „Wolf­ss­char“); die NPD Frank­furt (Oder) bewirbt die Mon­tagss­paziergänge eben­falls und ist selb­st meis­tens vor Ort vertreten. [12]. Einzelne Demo-Teilnehmer*innen bilden sich ein, dass sie die „Autorität“ hät­ten, etwaige Ein­schlägige vom „Spazier­gang“ auszuschließen, sobald diese offen Wer­bung für ihre rechte Partei oder ihre extrem recht­en Ansicht­en machen. [13] Allerd­ings bleibt schon fraglich, ob das im Sinne der Ver­anstal­tenden wäre, die bis jet­zt noch nicht öffentlich bekan­nt sind. Weit­ere Verbindun­gen zu anderen recht­sex­tremen Struk­turen in der Region sind anzunehmen. So erin­nert ein Video auf dem youtube-Kanal „Spazier­gang Frank­furt Oder“ an die Webauftritte der neon­azis­tis­chen, ver­bote­nen Grup­pierung „Spreelichter“ aus Süd­bran­den­burg. [14]
Das Poten­tial dieser „Spaziergänge“ lässt sich der­weil in ähn­lichen Aktio­nen ander­norts able­sen: Auf ver­gle­ich­baren Demon­stra­tio­nen kommt es immer wieder zu gewalt­täti­gen Eskala­tio­nen, so beispiel­sweise in Cot­tbus, als am 18. Dezem­ber 2021 Journalist*innen und Polizist*innen von Hooli­gans, Neon­azis und anderen extremen Recht­en ange­grif­f­en wur­den. [15] Ob ähn­liche Szenen in Frank­furt (Oder) entste­hen, bleibt abzuwarten – bere­its jet­zt wur­den Journalist*innen nach Abschal­ten ihrer Kam­era von Teil­nehmenden der Frank­furter Mon­tagss­paziergänge bepö­belt und belei­digt. [16] Einige extrem rechte Teilnehmer*innen sind mehrfach vorbe­straft, auch wegen Gewaltdelikten.

Die bürg­er­lichen Anwe­senden soll­ten sich dieser Tat­sache bewusst wer­den. Ihnen sollte klar sein, dass sie keine Revolutionär*innen sind, die in Mauer­fall-Manier auf die Straße gehen und aus­blenden kön­nen, dass sie bere­its durch neon­azis­tis­che und recht­sradikale Kräfte unter­wan­dert wer­den. Sie laufen neben und mit Neon­azis und lassen sich vor den recht­sex­tremen Kar­ren spannen.
Sie kri­tisieren „die da oben“ in Berlin und Pots­dam, die weit weg sind, aber sind blind für die faschis­tis­chen Hetzer*innen der AfD, NPD und neon­azis­tis­ch­er Kam­er­ad­schaften, die direkt vor ihnen „spazieren“ gehen. Die Nor­mal­ität, für die sie vielle­icht meinen aufzuste­hen, wird es mit diesen Leuten nicht geben. Von eben diesen ist eher Gegen­sät­zlich­es zu erwarten: Zum Beispiel die bru­tale Unter­drück­ung jen­er Mei­n­ungs­frei­heit, die auf den „Spaziergän­gen“ so selb­stver­ständlich aus­geübt wird.

[1] Beitrag der Antifaschis­tis­chen Recherchegruppe Frank­furt (Oder): https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2021/03/02/kein-platz-fuer-neonazis-extrem-rechte-beteiligung-auf-frankfurter-querdenken-kundgebung-am-28-november-2020/ (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[2] Foto vom Press­eser­vice Rathenow:
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/50658271381/in/album-72157717086598877/ (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[3] Moz-Artikel vom 05.12.2021:
https://www.moz.de/lokales/frankfurt-oder/migration-in-brandenburg-100-anhaenger-der-afd-demonstrieren-in-frankfurt-_oder_-gegen-fluechtlinge-und-impfpflicht-61282237.html (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[4] RBB-Artikel vom 07.11.2021:
https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2021/11/frankfurt-oder-slubice-demo-flucht-gefluechtete-aufnahme-belarus-polen.html (zulet­zt aufgerufen am 21.12.2021)
[5] Beitrag der Antifa Recherche Ostbrandenburg:
https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2021/11/frankfurt-oder-slubice-demo-flucht-gefluechtete-aufnahme-belarus-polen.html (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[6] bz-Artikel vom 16.03.2021:
https://www.bz-berlin.de/tatort/menschen-vor-gericht/steuern-hinterzogen-afd-abgeordneter-von-luetzow-gesteht-vor-gericht (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[7] Beitrag von Kein Ack­er der AfD:
https://inforiot.de/birgit-bessin-unterschaetzte-rechte-projektmanagerin/ (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[8] Infori­ot-Artikel vom 25.11.2021
https://inforiot.de/birgit-bessin-unterschaetzte-rechte-projektmanagerin/
[9] Oder­welle-Artikel vom 19.12.2021:
https://oderwelle.de/afd-will-weiteren-protest-gegen-impfpflicht-und-beschraenkungen/ (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[10] Moz-Artikel vom 20.12.2021:
https://www.moz.de/lokales/frankfurt-oder/protest-gegen-corona-regeln-hunderte-bei-telegram-_spaziergang_-in-frankfurt-_oder_-_-polizei-prueft-strafanzeige-61614337.html (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[11] Oder­welle-Beitrag auf der Face­book Seite der Oder­welle v. 20.12.2021:
https://www.facebook.com/oderwelle/videos/proteste-in-frankfurt-oder/317566796892236 (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[12] Beitrag der Antifaschis­tis­chen Recherchegruppe Frank­furt (Oder):
https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2021/07/11/jugendtrainer-nazi-schlaeger-npd-kader-v-mann-oder-wolfsdompteur-die-verschiedenen-leben-des-siegfried-siggy-pauly/ (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[13] Oder­welle-Beitrag auf der Face­book Seite der Oder­welle v. 20.12.2021 a.a.O.
[14]Spaziergang Frank­furt Oder – Kanal Intro: https://www.youtube.com/watch?v=pWiSOLroHMk
[15] rbb-Beitrag vom 18.12.2021:
https://www.rbb24.de/panorama/thema/corona/beitraege/2021/12/brandenburg-berlin-corona-proteste-hennigsdorf-rathenow-cottbus.html (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)
[16] rbb-Beitrag vom 20.12.2021:
https://www.rbb-online.de/brandenburgaktuell/archiv/20211220_1930.html (zulet­zt abgerufen am 21.12.2021)

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Antifaschismus Verschwörungsideologie

#unteilbarsolidarisch – Frankfurt zeigt Haltung

Mon­tag, 31. Jan­u­ar, ab 16:30 Uhr
● 16:30 Uhr, Marienkirche: Die Kirchen laden ein zum Gedenken und Kerzen anzün­den für die Opfern der Coro­na-Pan­demie und bieten einen Raum für gemein­same Gespräche und Austausch.
● 17:30 Uhr, Brun­nen­platz, Treppe der Demokratie: Kundge­bung „Frank­furt zeigt Hal­tung“ mit Rede­beiträ­gen von Parteien, Vere­inen, Zivilgesellschaft
● ab 18:00 Uhr BLOK O: „Flucht und Pan­demie“ – Lein­wand­col­lage, Musik, Rede­beitrag zu Pan­demie und Flucht

ACHTUNG: Abstands- und Maskenpflicht (FFP2-/OP-Maske) sind bei allen
Ver­anstal­tun­gen zu beachten!

Uns alle beein­trächtigt die Coro­na-Pan­demie, die von uns seit über zwei Jahren erhe­bliche Ein­schränkun­gen im per­sön­lichen und beru­flichen Leben ver­langt. Auch uns belas­ten sich ständig verän­dernde Schutz­maß­nah­men und ‑regeln, auf die wir uns immer wieder neue­in­stellen müssen.
Aber: Die große Mehrheit der Men­schen han­delt ver­ant­wor­tungsvoll. In einem Akt
beispiel­los­er Sol­i­dar­ität nehmen die aller­meis­ten Frankfurter*innen und Słubicer*innen aufeinan­der Rück­sicht, um sich und andere zu schützen. Sie akzep­tieren Ein­schränkun­gen aus sol­i­darisch­er Ver­ant­wor­tung für ihre Fam­i­lien, ihre Fre­un­des- und Bekan­ntenkreise, für ihre Mit­men­schen in der Nach­barschaft und am Arbeit­splatz. Sie üben täglich Sol­i­dar­ität, zeigen Hal­tung und Rück­grat. Das ver­di­ent Dank und Respekt!
Seit Dezem­ber 2021 gibt es jedoch eine kleine Gruppe Frankfurter*innen, die sich zu ange­blich spon­ta­nen, unangemelde­ten Demon­stra­tio­nen („Spaziergän­gen“) gegen die
Coro­na-Maß­nah­men durch die Innen­stadt treffen.
Frank­furt zeigt Haltung!
Wir rufen alle Bürger*innen auf, sich weit­er­hin sol­i­darisch zu ver­hal­ten. Und wir appel­lieren an demokratisch gesin­nte Bürger*innen, die bish­er noch aus Unwis­senheit bei den „Spaziergän­gen“ mit­ge­laufen sind, sich klar von recht­sex­tremen und rechts­gesin­nten Men­schen in diesen Demon­stra­tionszü­gen zu dis­tanzieren. Unter dem Deck­man­tel der Kri­tik an den Schutz­maß­nah­men vor Coro­na ver­suchen ver­mehrt recht­sex­treme, anti­semi­tis­che, ver­schwörungside­ol­o­gis­che und demokratiefeindliche Kräfte, Mis­strauen zu säen und die Gesellschaft zu spal­ten. In Frank­furt (Oder) beteili­gen sich deut­lich sicht­bar Per­so­n­en aus der NPD und der Brud­er­schaft Wolf­ss­char an den unangemelde­ten Demon­stra­tio­nen und nutzen diese Aufzüge für ihre eigene recht­sex­treme Pro­pa­gan­da. Auch die AfD ruft regelmäßig zur
Teil­nahme auf und ver­bre­it­et dort ihren Hass und ihre Het­ze gegen Politiker*innen, Ärzt*innen, Pflegekräfte und zivilge­sellschaftliche Akteure.
Auch einen weit­eren Punkt betra­cht­en wir mit Sorge: Aus tak­tis­chen Grün­den wer­den die „Spaziergänge“ nicht angemeldet, um so Aufla­gen wie Maskenpflicht, Abstand und eine begren­zte Teil­nehmenden­zahl zu umge­hen. In ein­er Zeit, in der die Coro­na-Infek­tion­szahlen durch die hochansteck­ende Omikro­n­va­ri­ante täglich weit­er in die Höhe schnellen, hal­ten wir das für eine gefährliche und unsol­i­darische Aktion – gegenüber Beschäftigten in Kranken­häusern, Arzt­prax­en, Gesund­heit­sämtern und let­ztlich gegen die gesamte Gesellschaft. Auch deshalb wollen wir ein Zeichen der Sol­i­dar­ität setzen!
Hal­tung zeigen heißt aber nicht, dass wir Men­schen „ver­bi­eten“ wollen, ihren Unmut
gegenüber Entschei­dun­gen der Regierung zu äußern. Es geht auch nicht um eine kri­tik­lose Akzep­tanz der Coro­n­apoli­tik. Protest ist und bleibt ein wichtiges Mit­tel der Mei­n­ungsäußerung in Demokratien.

Deshalb rufen wir dazu auf, am 31. Jan­u­ar 2022 mit uns Hal­tung zu zeigen – für ein
sol­i­darisches Miteinan­der, in Gedenken an die Ver­stor­be­nen und gegen rechtsextreme
Pro­pa­gan­da, Hass und Hetze.
Frank­furt zeigt Hal­tung ist eine Ini­tia­tive aus der Frank­furter Zivilge­sellschaft, der z. B. Per­so­n­en aus Parteien, Vere­inen, Gew­erkschaften, Kirchen und Einzelper­so­n­en angehören.

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Sonstiges

Gegen rechtsoffene Querdenken-Spaziergänge in Strausberg

Seit Wochen tre­f­fen sich deutsch­landweit Men­schen zu soge­nan­nten „Spaziergän­gen“, um mit dieser Aktions­form gegen die Coro­na-Maß­nah­men, das Impfen und teil­weise auch gegen die Pan­demie an sich zu protestieren. Einige Teil­nehmende haben dabei tat­säch­lich berechtigte Kri­tik an einzel­nen Coro­na­maß­nah­men. Sie sind, wie die meis­ten von uns auch, nach 2 Jahren Pan­demie am Ende angekom­men und hal­ten die gesellschaftlichen Zustände nicht mehr aus. Doch anstatt sich um sol­i­darische Lösun­gen zu küm­mern (Nach­barschaft­shil­fen, Unter­stützung der Arbeit­skämpfe in den Kliniken, Forderung der Patent­freiga­be für Impf­stoffe), ver­weigern sie sich wis­senschaftlichen Erken­nt­nis­sen und gehen als ver­meintliche Freiheitskämpfer*innen auf die Straße. Dass bei ihren Aufmärschen auch aktive und gewalt­bere­ite Neon­azis mit- oder vorneweg laufen, scheint den meis­ten egal zu sein.

So beteiligten sich in Straus­berg von Anfang an bekan­nte Neon­azi-Kad­er rund um die Kam­er­ad­schaft AO Straus­berg sowie Mit­glieder der Nazi-Jugend­gruppe Divi­sion MOL. Dabei bepö­beln sie umste­hende Per­so­n­en, treten teil­weise ver­mummt auf und zeich­nen sich vor allem durch Gewalt­bere­itschaft aus – was ver­mut­lich auch das Haupt­mo­tiv zur Teil­nahme sein dürfte.

Erst kür­zlich, am 17. Jan­u­ar, wurde ein Pas­sant aus der Demo her­aus von zehn ver­mummten Neon­azis bedro­ht. Dieses Phänomen find­en wir nicht nur in Straus­berg. Die wenig­sten Spaziergänge dis­tanzieren sich klar von Neon­azis, in den meis­ten Fällen wer­den sie geduldet oder sog­ar mit offe­nen Armen willkom­men geheißen. Vielerorts sind Neon­azis sog­ar die Organisator*innen, so wer­den die Proteste in Witt­stock und Wit­ten­berge beispiel­sweise von der nation­al­sozial­is­tis­chen Partei „Der III. Weg“ ver­anstal­tet. Meist find­et die Organ­i­sa­tion in lokalen Telegram­grup­pen statt, so auch in Straus­berg. Hier wer­den immer wieder Dro­hun­gen gegen Ärzte aus­ge­sprochen, Aufrufe zum gemein­samen Einkaufen ohne Maske geteilt oder dazu aufge­fordert, Antifaschist*innen rauszuw­er­fen. Schein­bar fällt eine Abgren­zung nach links deut­lich leichter als gegenüber Neonazis.

So ist es für die Neon­azis ein leicht­es, sich an dem Spaziergän­gen zu beteili­gen und gewalt­bere­it aufzutreten. Kri­tik daran wird schnell unter dem Schlag­wort „Lügen­presse“ abgetan.

Wir fordern daher alle Teilnehmer*innen der Spaziergänge auf: Werft die Nazis von euren Ver­anstal­tun­gen! Wer Neon­azis Raum in seinen Ver­anstal­tun­gen ein­räumt, darf sich nicht wun­dern, mit ihnen in einen Topf gewor­fen zu werden.

Wir ste­hen gemein­sam für einen sol­i­darischen Umgang mit der Pan­demie, für Impfen als Selb­st- und Fremd­schutz und für gegen­seit­ige Unter­stützung in der Krise.

Darum kommt am 31. Jan­u­ar um 17:30 zum Mark­t­platz Straus­berg und protestiert mit uns gegen die Quer­denken-Spaziergänge und für einen sol­i­darischen Weg raus aus der Pandemie!

Gemein­samer Aufruf der VVN – BdA Kreisver­band Märkisch-Oder­land, der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oder­land und Die Linke – Strausberg

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Arbeit & Soziales

Für den Schutz von Arbeitnehmer:innen und Kindern!

Ab Mittwoch gilt in Pots­dam für ungeimpfte Per­so­n­en eine Aus­gangssperre zwis­chen 22.00 und 6.00 Uhr. Dem­nach dür­fen nicht geimpfte Per­so­n­en das Haus dann nur noch „in gewichti­gen Aus­nah­me­fällen“ ver­lassen, etwa zum Auf­suchen der Arbeitsstätte.

In dieser Regelung wird die ganze Absur­dität deut­lich, die seit zwei Jahren die staatlichen Maß­nah­men gegen die Coro­na-Pan­demie prägt. Diese Maß­nah­men haben offen­sichtlich nicht das Ziel, so schnell und so effek­tiv wie möglich die Pan­demie zu been­den, das Leben möglichst viel­er Men­schen zu schützen und dabei neg­a­tive soziale und psy­chis­che Fol­gen der Pan­demiebekämp­fung möglichst gut abzufed­ern. Stattdessen ste­ht im Mit­telpunkt der Pan­demiebekämp­fung der Grund­satz „The show must go on“. Die kap­i­tal­is­tis­che Ver­w­er­tung von Arbeit­skraft soll unge­hin­dert weit­erge­hen, Pro­duk­tion und Ver­trieb ungestört bleiben. Deswe­gen wird die Durch­seuchung von Kindern und Jugendlichen in Kauf genom­men – damit die Eltern weit­er arbeit­en gehen kön­nen. Deswe­gen müssen Men­schen auf dem Weg zur Arbeit und an ihren Arbeit­splätzen gegen die wichtig­sten Schutz­maß­nah­men ver­stoßen: Abstand hal­ten und regelmäßig lüften.

Was so an tat­säch­lich­er Pan­demiebekämp­fung nicht stat­tfind­et wird kom­pen­siert durch sym­bol­is­che aber repres­sive Gesten wie die Aus­gangssperre für Ungeimpfte. Als ob die ungeimpfte Per­son, die um 23:00 Uhr über den leeren Alten Markt geht, ihren Hund aus­führt oder um 5:00 Uhr durch die Ravens­berge jog­gt, ein Infek­tion­srisiko darstellen würde.

Gesteigert wir diese Absur­dität noch dadurch, dass infizierte Per­so­n­en im Gesund­heitswe­sen und in Bere­ichen der kri­tis­chen Infra­struk­tur schneller wieder aus der Quar­an­täne an die Arbeit gebracht wer­den. Dass die Möglichkeit zu kosten­losen PCR-Tests nicht aus­geweit­et, son­dern drastisch eingeschränkt wer­den soll, ist ein weit­er­er Beweis, dass für die Regierun­gen Koste­nar­gu­mente stärk­er wiegen als die Pan­demiebekämp­fung. Maß­nah­men, die nach­weis­bar etwas gegen die Pan­demie brin­gen und die deswe­gen von vie­len Men­schen bere­itwillig befol­gt wer­den, wie z.B. das regelmäßige Testen, um Infek­tions­ket­ten schnell unter­brechen zu kön­nen, wer­den aufgegeben oder eingeschränkt, weil sie den gewohn­ten Ablauf der Prof­iterzeu­gung stören kön­nten. Aber ein abendlich­er Spazier­gang ein­er ungeimpften Per­son am Havelufer zieht jet­zt ein Bußgeld nach sich.

Die Fol­gen dieser Poli­tik, die am Beispiel der Pots­damer Aus­gangssperre im Kleinen erkennbar wird, sind in den let­zten Tagen deut­lich gewor­den. Allein in Deutsch­land sind bish­er rund 116.000 Men­schen an der Pan­demie gestor­ben. Weltweit sind schätzungsweise 17 Mil­lio­nen Men­schen an Covid-19 gestor­ben¹. Viele von ihnen kön­nten noch leben, wenn 2019 weltweit schnell wirk­same und gerechte Maß­nah­men gegen die Pan­demie ergrif­f­en wor­den wären. Dies ist nicht passiert. Stattdessen wur­den Maß­nah­men ergrif­f­en, die zur Folge hat­ten, dass heute weltweit die Reichen wesentlich reich­er und die Armen viel ärmer sind¹. Unsin­nige Maß­nah­men, wie die Aus­gangssperre für Ungeimpfte in Pots­dam gehören zu dieser Art von Maßnahmen.

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Antifaschismus Verschwörungsideologie

Dossier zu Demo „Potsdam für eine freie Impfentscheidung”

Pots­dam gegen Impf­pflicht“ aka. „Pots­dam für eine freie Impfentscheidung“

(Quellen und Screen­shots siehe pdf)

Inhalt: Monothe­ma­tisch gegen die Impf­pflicht. Allerd­ings ist das Durch­set­zen der Maskenpflicht und Abstand­sregeln ein Dauer­bren­ner auf den Demon­stra­tio­nen, obwohl die Teil­nehmenden regelmäßig dazu aufge­fordert wer­den, hal­ten sie Abstände nicht ein und Maskenpflicht zu max­i­mal 50% dauer­haft und korrekt.

Demon­stra­tions-Auftreten: Legal­is­tisch, selb­st echte Kerzen (offenes Feuer!) wur­den unter­sagt. Es gab von Anfang an viele Ordner*innen (Warn­west­en). Selb­st bei der ersten Demon­stra­tion am 20.12.2021. Diese war, wenn über­haupt, lediglich online angemeldet, ohne Bestä­ti­gung der Polizei.

Das führte am 20.12.2021 zu län­ger­er Wartezeit auf das Ein­tr­e­f­fen der Polizei und entsprechende Verhandlungen.
(Partei-)Politische State­ments sind nicht gern gese­hen. Anfangs gab es nur ein Front­trans­par­ent und ein paar elek­tro­n­is­che Lichter­ket­ten. Mit­tler­weile wer­den auch (wenige) Papp­schilder getra­gen, es gibt kleine Trom­meln und Trillerpfeifen. Die Außen­wirkung wird durch größ­ten­teils schweigende, bzw. in Pri­vat­ge­spräche ver­tiefte Demon­stra­tionteil­nehmende bes­timmt sowie durch Mega­fon­durch­sagen zur Maskenpflicht. Seit­dem es Protest gegen die Demon­stra­tion gibt, gibt es auch Mega­fon­durch­sagen die sich davon dis­tanzieren, dass in der Demon­stra­tion Nazis mit­laufen würden.

Pub­likum: Im Wan­del. Zu Beginn deut­lich erhöhter Anteil an Frauen*, Kindern, Fam­i­lien. Nur wenige Männer*gruppen mit eher aggres­sivem Auftreten. Mit­tler­weile ver­mehrt PKW-Anreisen aus min­destens dem Pots­damer Umland und Westberliner
Bezirken (Span­dau, Klad­ow etc). Zunehmend mehr Männer*gruppen mit eher aggres­sivem Auftreten, größ­ten­teils eher eine Art „Wei­h­nachts­mark­t­stim­mung“. Bei der let­zten Demo am 10.01.2022 war auch die Neon­azi­grup­pierung „Freies Pots­dam“ anwe­send. Die Neon­azi Kle­in­st­partei war am 3.01.2022 mit dabei.

Kom­mu­nika­tion: Erfol­gt nach Außen haupt­säch­lich über einen Telegram-Chat. Die Inhalte wer­den teil­weise bei Twit­ter und Insta­gram oder in sehr geringem Aus­maß bei Face­book gespiegelt. Während der Demon­stra­tion gibt es ein Front­trans­par­ent mit dem Demon­stra­tions­mot­to und besagteb­Mega­fon­durch­sagen. Ab dem 13.01.2022 wird eine pro­fes­sionelle Soun­dan­lage in Aus­sicht gestellt.

Bis zum 3.Januar erfol­gten Teile der organ­isatorischen Diskus­sion nach Innen eben­falls im Telegram-Chat. Dieser wurde dann ab dem 06.01.2022 zu einem reinen Infor­ma­tion­skanal ohne Diskus­sion­s­möglichkeit, da es den Admins nicht möglich war, den Chat von antisemitischen,
ver­schwörungside­ol­o­gis­chen Nachricht­en, Links und Videos frei zu hal­ten. Die Schuld dazu wurde der Antifa und der Presse gegeben, diese wür­den entwed­er selb­st der­ar­tige Nachricht­en posten und dann einen Screen­shot als Beweis machen oder seien zumin­d­est schneller darin als die Admins beim Löschen. Auch habe es Anfra­gen und Nach­fra­gen bis in die Nacht hinein gegeben.

Koop­er­a­tio­nen: Keine bekan­nt. Im Gegen­teil, gren­zen sich die Demonstrationsverantwortlichen
sowohl von Neon­azis (III.Weg), als auch von unangemelde­ten „Spaziergän­gen“ ab. Sog­ar Wer­bung für let­ztere war im Telegram-Chat unter­sagt. Hier­bei wird beson­ders das Aus­bleiben von Repres­sion und der Schutz vor „der Antifa“ betont als Argu­mente für die Abgren­zung von anderen
Impfgegner*innen.

Als am 20.12.2021 die unangemeldete Demon­stra­tion auf dem Vor­platz des Riesen­rads endete wur­den die Teil­nehmenden vom Demon­stra­tionsan­melder Sven Haus­dorf per Mega­fon aufge­fordert sich auf die Mark­t­seite des Bass­in­platzes zum Demon­stra­tionsstart­punkt zu begeben. Dort mussten dann einige Durch­sagen erfol­gen, bis endlich alle Teil­nehmenden Masken tru­gen und die Demon­stra­tion starten konnte.

Ver­mis­chun­gen: Durch die öffentliche Abgren­zung von unangemelde­ten „Spaziergän­gen“ bildet die Demon­stra­tion eine Art Rück­zug­sort für Anti-Coro­na-Protest in Pots­dam. So ist schon mehrfach beobachtet wor­den, dass die unangemelde­ten Spaziergänge und die angemeldete Demonstration
sich per­son­ell ver­mis­chen. Dies geht ten­den­ziell von den selb­ster­nan­nten „Spaziergänger*innen“ aus, wird von der angemelde­ten Demon­stra­tion aber nicht zurück­gewiesen. Im Gegen­teil, als am 13.12.2021 sich bei­de Demon­stra­tionszüge ver­mis­cht­en, nah­men auch die Maskenträger*innen der angemelde­ten Demon­stra­tion ihre Masken ab und verblieben mehrheitlich bei der sehr ver­schwörungside­ol­o­gis­chen Kundge­bung am Film­mu­se­um. Im Nach­gang veröf­fentlichte Teilnehmer*innen und Ver­ant­wortliche der Demon­stra­tion „Pots­dam gegen Impflicht“ Videos vom
vere­in­ten Demon­stra­tionszug und freuten sich über die Menschenmassen.

Strate­gie: Mit ihrer Strate­gie das Coro­na-The­ma nur über die Impf­pflicht anzuge­hen, sind die Veranstalter*innen bis­lang ver­gle­ich­sweise erfol­gre­ich. Es ist eine zunehmende Pro­fes­sion­al­isierung im Auftreten zu beobacht­en. Es wird tech­nis­ches Equip­ment organ­isiert und es sollen zukün­ftig durch die Demon­stra­tion mehr Inhalte nach außen getra­gen wer­den. Hier sind zukün­ftig auch nach außen wahrnehm­bare Ent­gleisun­gen des Pub­likums zu erwarten. Dabei dient die monothe­ma­tis­che Herange­hensweise ein­er besseren, weniger abschreckenden
Außen­wirkung der Demo. Es geht nicht um eine inhaltliche Abgren­zung von Reich­skriegs­flaggen, Masken­ver­weigerung, Impfgeg­n­er­schaft, Anti-Wis­senschaftlichkeit, Ver­schwörungside­olo­gien (Qanon, Gates, Nanopar­tikel), son­dern auss­chließlich um die Außen­wahrnehmung durch Poli­tik, Presse und Öffentlichkeit. Es geht darum möglichst viele Men­schen über die The­matik der freien Impfentschei­dung zu aktivieren, aber möglichst ohne jeman­den vor den Kopf zu stoßen, wed­er diejeni­gen die oben genan­ntem Ver­schwörungs­denken anhän­gen, noch diejeni­gen die diese Ver­schwörungserzäh­lun­gen ablehnen. Eine starke Abgren­zung erfol­gt lediglich auf der legal­is­tis­chen Ebene, hier wird die Strate­gie der angemelde­ten Demon­stra­tion als einzig richtiger Weg dargestellt, mit ein­er starken Abgren­zung zu unangemelde­ten Demon­stra­tio­nen. Diese Idee (der monothe­ma­tis­chen und angemelde­ten Demon­stra­tion) hat der Anmelder Sven Haus­dorf, laut eige­nen Angaben von einem Youtu­ber namens „Agent 00 Biele­feld“, dieser ver­bre­it­et anson­sten ver­schwörungside­ol­o­gis­che Videos, die er vorge­blich „kri­tisch satirisch“ einord­net, eigentlich aber nur ein­er bre­it­eren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Da es auf inhaltlich­er Ebene keine poli­tis­che Abgren­zung von den diversen Ver­schwörungside­olo­gien erfol­gte, ist es unter anderem möglich, dass immer wieder aktive Neon­azis an dem Aufzug teil­nehmen (die Kle­in­st­partei „Der 3. Weg“ am 03. Jan­u­ar 2022 und Mit­glieder von „Freies Pots­dam“ am 10. Jan­u­ar 2022). Auch das Chat-Ver­hal­ten des Anmelders ist nicht aus­gerichtet auf inhaltliche Abgren­zung zu neon­azis­tis­chen, ver­schwörungs­the­o­retis­chen Posi­tio­nen, es geht ihm nur darum, diese nicht öffentlich zu artikulieren.

Mitorganisator*innen:
Gun­nar Gast: Gun­nar Gast ist nicht nur Mit­glied des Organ­i­sa­tion­steams, son­dern hier auch tonangebend. Er ist Anhänger divers­er Ver­schwörungs­the­o­rien, (ehe­ma­liger) Mitver­anstal­ter der „Mon­tags­mah­nwachen“ und fleißige Social-Media-Ameise. Er ist nicht nur großer Fan von Trump, son­dern gibt auch den Erk­lär­bär was Polizeitak­tiken bet­rifft. Er ist der Mei­n­ung, dass Coro­na nicht viel schlim­mer sei als eine Grippe bzw. sog­ar weniger schlimm. (s.o.)

Nima: Bis vor kurzem war auch noch ein gewiss­er „Nima“ im Chat aktiv. Dieser scheint eben­falls Anhänger divers­er Ver­schwörungside­olo­gien zu sein, u.a. des „Great Reset“.

Faz­it:
Das Konzept der Demon­stra­tion „Pots­dam gegen Impf­pflicht“ bzw. „Pots­dam für freien
Impfentscheid“ ist auf Wach­s­tum der Teilnehmer*innenzahlen aus­gerichtet. Deshalb erfol­gen die Demon­stra­tio­nen jeden Mon­tag zur gle­ichen Uhrzeit und zukün­ftig wohl mit der immer gle­ichen Route. Dieses Wach­s­tum sehen die Ver­ant­wortlichen gefährdet durch Dis­tanzierun­gen von The­men, die nichts mit dem direk­ten Demon­stra­tions­mot­to zu tun haben. Den Teil­nehmenden wird sog­ar ger­at­en nicht auf Fra­gen durch Journalist*innen einzuge­hen, da den Ver­ant­wortlichen klar ist, wer einen nicht gerin­gen Teil ihres Pub­likums und ihres Organ­i­sa­tion­steams stellt: Men­schen die Ver­schwörungs­glauben anhän­gen oder diese sog­ar aktiv ver­bre­it­en. Somit ist die Pots­damer Demon­stra­tion „Für freien Impfentscheid“ nichts als ein weit­eres U‑Boot, welch­es dur­chaus berechtigte Kri­tik an den Coro­na-Maß­nah­men aufn­immt um eine eigene Agen­da durchzusetzen.

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Antifaschismus Verschwörungsideologie

Corona-Proteste in Märkisch-Oderland — rechtsoffen und gefährlich

Seit Anfang Dezem­ber kommt es auch in Märkisch-Oder­land wieder ver­stärkt zu Protesten gegen die anhal­tenden Coro­na-Maß­nah­men. Dabei trifft sich an Mon­ta­gen, anmaßend angelehnt an die friedliche Rev­o­lu­tion 1989 in der DDR, bun­desweit eine het­ero­gene Mis­chung aus Imp­fun­willi­gen, Corona-Leugner*innen, AfD-Politiker*innen bis hin zu organ­isierten Neon­azis. Ange­facht wur­den diese erneuten Proteste rund um die Debat­ten zur Ein­führung ein­er Impflicht. Allein am ersten Jan­u­ar­woch­enende gin­gen mehrere zehntausend Men­schen bun­desweit auf die Straße. Dabei kam es auch zu gewaltvollen Auseinan­der­set­zun­gen mit der Polizei.

Die selb­ster­nan­nten “Mon­tagss­paziergänge” in unser­er Region find­en in größeren Dimen­sio­nen in Straus­berg, Wriezen, Alt­lands­berg, Bad Freien­walde, Neuen­hagen, Fred­er­s­dorf, Müncheberg, Buck­ow und Seelow statt. Dazu kom­men weit­ere kleinere Spaziergänge in anderen Gemein­den und Dör­fern. Zum Teil kom­men bis zu 300 Per­so­n­en zusam­men, ohne offizielle Anmel­dung bei der Ver­samm­lungs­be­hörde, ohne Beach­tung des Min­destab­stands und ohne Masken. Und das mit­ten in ein­er weltweit­en Pan­demie, die mit der neuen Omikron-Vari­ante nicht als Welle, son­dern beina­he als Mauer zu ras­an­ten Anstiegen der Infek­tion­szahlen führt. Anders als an anderen Orten und auch abwe­ichend von den “Hygien­e­protesten” aus dem Früh­jahr 2021 gibt kein­er­lei poli­tis­chen Aus­druck wie Transparente oder Schilder, selb­st Sprechchöre wer­den nicht angestimmt.

Das es sich aber um poli­tis­che und dur­chaus auch rechte Ver­anstal­tun­gen han­delt, zeigt ein Blick auf die Teil­nehmer*innen der Spaziergänge und den Ton in den entsprechen­den Telegram-Grup­pen. In Straus­berg laufen Mit­glieder der 2005 ver­bote­nen neon­azis­tis­chen Kam­er­ad­schaft ANSDAPO mit, darunter z.B. Falko Hes­sel­barth. Auch der bun­desweit ver­net­zte rechte Kampf­s­portler und Musik­er der Band “Exzess”, Tobias Vogt, war dabei, eben­so Mal­wig Stel­ter und weit­ere Mit­glieder der gewalt­bere­it­en rechte Jugend­gruppe Divi­sion MOL.

Auch jen­seits dieser Beteili­gung durch Neon­azis wird der extrem rechte Charak­ter der Spaziergänge schon deut­lich, wenn man Wort­fet­zen der Teil­nehmenden vor Beginn der “Spaziergänge” auf­schnappt. Beispiel­sweise eine Gruppe bei den Straus­berg Spaziergän­gen, die noch auf “Men­gele” warten soll (ver­mut­lich ein Spitz­name, der sich auf den berüchtigten SS-Arzt in Auschwitz-Birke­nau bezieht).

Anfang Dezem­ber grün­de­ten sich zeit­gle­ich bran­den­burg­weit “Brandenburg_steht_auf”-Telegramgruppen mit jew­eils regionalen Bezü­gen. In Märkisch-Oder­land koor­diniert eine Per­son zen­tral diese Gruppe und führt Buch über die Anwe­sen­heit­en auf den jew­eili­gen Spaziergän­gen. Es wird dazu aufgerufen, antifaschis­tisch Aktive in den Grup­pen an die Mod­er­a­tion zu melden und aus den Grup­pen zu ent­fer­nen. In der Straus­berg-Gruppe kam es zudem im Rah­men des Ange­bots eines Kinder­impf­tages  in der Tage­spflege “Im alten Lokschup­pen” am 15. Jan­u­ar 2022 zu Aufrufen, dort zu protestieren. Es wurde gedro­ht, den*die Impfärzt*in her­auszufind­en und diese per­sön­lich zu besuchen. Solche Dro­hun­gen gegen medi­zinis­ches Fach­per­son­al rei­hen sich ein in eine sich zus­pitzende gesellschaftliche Stim­mung, in der aus Dro­hun­gen auch Gewal­tan­wen­dung wird.

Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oder­land beobachtet diese Spaziergänge mit Sorge. “Die Weigerung, sich an  Hygien­eregeln zu hal­ten eben­so wie die Selb­stver­ständlichkeit, mit gewalt­bere­it­en Nazis auf die Straße zu gehen, besorgt uns”, so Tom Kurz von der Beratungsstelle. Er befürchtet eine mögliche gewaltätige Zus­pitzung der Proteste, wie es in Süd­bran­den­burg oder Sach­sen der Fall ist. “Zusät­zlich ist ein Tre­f­fen so viel­er Men­schen ohne Maske und Abstand igno­rant und ignori­ert die schnelle Aus­bre­itungsrate der Omikron-Variante.”

Angesichts dieser Entwick­lun­gen kommt uns die Ver­ant­wor­tung zu, den extrem recht­en Charak­ter der Aufzüge zu ent­lar­ven UND gle­ichzeit­ig eine sol­i­darische Kri­tik an den Maß­nah­men zu for­mulieren. Eine linke Stimme ist von Anbe­ginn der Pan­demie viel zu leise, ger­ade vor dem Hin­ter­grund der aktuellen massen­haften “Spaziergänge” wird sie dringlich­er denn je. Die weltweite Pan­demie ist real und hat viele Men­schen das Leben und die Gesund­heit gekostet. Viele weit­ere sind bei ein­er möglichen Infek­tion auf­grund von Vor­ererkrankun­gen von schw­eren Ver­läufen bedro­ht, viele Pfleger*innen und Ärzt*innen in den Kranken­häusern und auf den Inten­sivs­ta­tio­nen an ihren Gren­zen. Lasst uns mit diesen gemein­sam für eine gute medzinis­che Absicherung und bessere Arbeits­be­din­gun­gen kämpfen statt Eigen­in­ter­essen in den Vorder­grund zu stellen. Lasst uns zusam­men ste­hen mit dem Blick auf den Schutz der gesellschaftlich Schwäch­sten. Lasst uns gemein­sam linke, antikap­i­tal­is­tis­che Antworten auf die Coro­na-Krise find­en und uns nicht mit ver­meintlich ein­fachen Antworten aus dem Quer­denken-Spek­trum zufrieden geben. 
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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Behördliche Unmenschlichkeit zu Weihnachten

Kurz vor Wei­h­nacht­en, am 20. Dezem­ber, gab es in der Eber­swalder Flämingstraße im Bran­den­bur­gis­chen Vier­tel einen 4‑stündigen Großein­satz von Polizei und Aus­län­der­be­hörde. Ziel war die Abschiebung eines jun­gen Mannes und ein­er Fam­i­lie nach Rus­s­land. Alle Betrof­fe­nen waren vor der Bedro­hung durch die bru­tale Dik­tatur in der rus­sis­chen Teil­re­pub­lik Tschetsche­nien geflo­hen. Am Ende des Ein­satzes wurde ein junger 20jähriger abgeschoben, seine Mut­ter bleibt allein zurück. Die Abschiebung der Fam­i­lie musste zwar abge­brochen wer­den, aber die Betrof­fe­nen ste­hen unter Schock. Die Angst vor weit­eren Abschiebun­gen ist groß, auch unter den vie­len anderen geflüchteten Tschetsch­enen, die in Eber­swalde leben.

Wir haben mit eini­gen der Betrof­fe­nen gesprochen und möcht­en der offiziellen Darstel­lung die der betrof­fe­nen Fam­i­lien gegenüber­stellen“, erk­lärt Thomas Janosch­ka vom Barn­imer Bürger*innenasyl. „Der Ein­satz war organ­isiert, als gälte es bewaffnete Schw­erver­brech­er oder Ter­ror­is­ten festzunehmen. Die Betrof­fe­nen woll­ten aber nichts anderes, als hier in Sicher­heit leben. Abschiebun­gen sind unmen­schlich — wir fordern dage­gen ein Bleiberecht für alle!“

Wie uns Frau Kukie­va berichtete, kamen Polizis­ten mit Maschi­nengewehren bewaffnet in die Woh­nung ihrer Fam­i­lie und blieben dort für die Dauer des Ein­satzes. Aus Verzwei­flung wollte Frau Kukie­va ein Mess­er gegen sich selb­st ver­wen­den um sich zu ver­let­zen, aber die Polizei hat sich kurzzeit­ig selb­st bedro­ht gefühlt. Inzwis­chen hat die Polizei ein Ermit­tlungsver­fahren wegen “Nöti­gung” gegen sie ein­geleit­et. Glück­licher­weise war der 16-jährige Sohn der Fam­i­lie nicht zu Hause, ver­mut­lich wurde auch deshalb die Abschiebung der Fam­i­lie abgebrochen.

Die Fam­i­lie, die schon seit 9 Jahren in Deutsch­land lebt, hat­te nicht mit ein­er Abschiebung gerech­net. Laut Gesetz muss diese angekündigt wer­den, wenn die Betrof­fe­nen schon mehr als ein Jahr lang geduldet wer­den. Dabei wird den Betrof­fe­nen nicht der genaue Ter­min mit­geteilt, aber die Absicht in näch­ster Zeit abzuschieben. Weil die Aus­län­der­be­hörde die Abschiebung nicht wie vorgeschrieben angekündigt hat­te, hat die Anwältin der Fam­i­lie eine Einst­weilige Ver­fü­gung bei Gericht beantragt. Zunächst hat die Barn­imer Aus­län­der­be­hörde dem Gericht mündlich zuge­sagt, in den näch­sten vier Wochen keine Abschiebev­er­suche zu unternehmen. Außer­dem ist ein Antrag auf Bleiberecht wegen guter Inte­gra­tion für den 16jährigen Sohn anhängig.

Für den Vater der Fam­i­lie, Her­rn Tse­cho­ev, hat­te die Fam­i­lie der Aus­län­der­be­hörde ein mehr­seit­iges ärztlich­es Gutacht­en vorgelegt. Wegen ein­er Kreb­serkrankung ist er nicht reise­fähig. Eine Mitar­bei­t­erin der Aus­län­der­be­hörde soll bei Vor­lage des Attestes gesagt haben: „Selb­st wenn sie daliegen wie ein Tot­er, ist mir das egal und sie wer­den abgeschoben werden.“

Frau Kukie­va wird immer noch schlecht, wenn sie an die Anspan­nung dieses Polizeiein­satzes denkt. Auf die Frage: „Wie fühlt es sich an, so lange schon mit ein­er ‚Dul­dung‘ zu leben?“ sagt sie: „Wir sind immer im Stress. Wir haben immer Angst, dass eine Abschiebung kom­men kön­nte. Wir haben keine Chance, eine Arbeit zu find­en, weil die Dul­dung nur 3 Monate gilt. Wir kön­nen fast nie entspannen.“

Bei dem sel­ben Polizeiein­satz wurde ein 20-jähriger aus dem­sel­ben Haus tat­säch­lich nach Rus­s­land abgeschoben. Seine Mut­ter, Frau Osmae­va, arbeit­et als Erzieherin und hat seit Okto­ber eine Aufen­thalt­ser­laub­nis. Ihr Sohn hat­te im Som­mer die Schule abgeschlossen und hat­te ger­ade viele Bewer­bun­gen für einen Aus­bil­dungsplatz geschrieben. Außer­dem hat­te er für Anfang Jan­u­ar einen OP-Ter­min, den er nun nicht mehr wahrnehmen kann.
„Für mich ist das ein großer Schock.“, sagt Frau Osmae­va „Ich war seit 2013 mit meinem Sohn in Deutsch­land. Ich war immer allein­erziehend. Im Herb­st habe ich den Aufen­thalt­sti­tel bekom­men und nicht geah­nt, dass mein Sohn trotz­dem abgeschoben wer­den kann, weil er volljährig ist.“ Jet­zt sei er in Moskau und es sei unklar, ob er jemals wieder her kom­men könne. „In Rus­s­land hat er nur gelebt bis er 12 Jahre alt war. Er hat 8 Jahre in Deutsch­land gelebt — er ist hier viel bess­er inte­gri­ert als in Russland.“

Wir fordern die sofor­tige Erlaub­nis der Rück­kehr des abgeschobe­nen 20jährigen”, so Thomas Janosch­ka vom Barn­imer Bürger*innenasyl, “und wir wer­den uns weit­er­hin dafür ein­set­zen, dass es keine weit­eren Abschiebun­gen aus dem Barn­im gibt.”

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Verschwörungsideologie

Brandenburg – Auf- und Ausbau rechter Strukturen

 Der III.Weg versucht Coronaproteste für sich zu nutzen (Quelle: Presseservice Rathenow)
Der III.Weg ver­sucht Coro­n­aproteste für sich zu nutzen (Quelle: Press­eser­vice Rathenow)

Neben der lei­der im Ver­gle­ich zum Vor­jahr nur in geringem Maße zurück­ge­gan­genen und damit auf einem hohen Niveau verbleiben­den Zahl ras­sis­tis­ch­er, anti­semi­tis­ch­er und rechter Angriffe, waren im Jahr 2021 vor allem Mobil­isierun­gen gegen Men­schen, die migri­ert oder geflo­hen sind, sowie rund um das The­men­feld der Schutz­maß­nah­men gegen die Ver­bre­itung des COVID19-Virus Haupt­betä­ti­gungs­feld von recht­en und ras­sis­tis­chen Einzelper­so­n­en und Organisierungen.
Die Akteurs­land­schaft in Bewe­gung: AfD bleibt stark, Neon­azis bauen Struk­turen aus

Bei der diesjähri­gen Bun­destagswahl erzielte die AfD 18,3 Prozent, 1,1 Prozent weniger als bei den Bun­destagswahlen 2017. Damit schnitt sie in Bran­den­burg weit über dem Bun­des­durch­schnitt ab und ver­schlechterte sich weniger als auf Bun­de­sebene. Sie bleibt knapp hin­ter der CDU drittstärk­ste Partei. Ins­beson­dere in Süd- und Ost­bran­den­burg erzielte sie hohe Ergeb­nisse. In Süd­bran­den­burg stützt sie sich weit­er­hin auf das Milieu, das seit 2015 die ras­sis­tis­chen Proteste gegen die Auf­nahme und Unter­bringung von Asyl­suchen­den trug.

Nach­dem die AfD jahre­lang das rechte Spek­trum parteipoli­tisch zum größten Teil allein abdeck­te, begann sich 2021 die Sit­u­a­tion zu verän­dern. Das Milieu aktivis­tis­ch­er Neon­azis begann wieder ver­stärkt eigene Struk­turen aufzubauen beziehungsweise zu reaktivieren.

Die NPD, die in den let­zten Jahren in Bran­den­burg keine öffentlich wahrnehm­bare Rolle spielte, bemüht sich in Cot­tbus, Königs-Wuster­hausen und Frankfurt/Oder um den Auf­bau lokaler Struk­turen. In Frankfurt/Oder organ­isierte sie in diesem Zusam­men­hang im Früh­jahr eine Kam­pagne gegen einen wegen sex­uellen Miss­brauchs von Kindern verurteil­ten Mann, mit dem Ziel diesen aus der Stadt zu vertreiben. Es gelang ihr, in diesem Zusam­men­hang mehrere Ver­samm­lun­gen durchzuführen, die z.T. durch eine gewalt­bere­ite Teil­nehmer­schaft geprägt waren.

Im Gegen­satz zur NPD ver­fügte der III. Weg in den let­zten Jahren punk­tuell über kon­tinuier­lich aktive Struk­turen in Bran­den­burg. Diese baut er aktuell weit­er aus, wobei er sich u.a. auf ehe­ma­lige Mit­glieder von NPD und Kam­er­ad­schaften stützt. Seit diesem Jahr ver­fügt die Partei auch in der Prig­nitz über aktive Mit­glieder. Grund­lage ihrer poli­tis­chen Tätigkeit ist dabei weit­er­hin vor allem ein vig­i­lan­tis­tis­ch­er Ansatz, den sie in Bran­den­burg in kleinem Rah­men schon in den let­zten Jahren prak­tiziert hat­te. Durch Patrouil­lengänge ver­sucht die Partei sich lokal als Ord­nungs­fak­tor darzustellen und das staatliche Gewalt­monopol auszuhöhlen. Dabei set­zt sie vor allem auf ras­sis­tis­che Mobil­isierun­gen. So patrouil­lierten Aktive des III. Wegs in der nord­bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Kyritz, in der es zuvor einige Gewaltvor­fälle unter Beteili­gung tschetschenis­ch­er Jugendlich­er gab.

Auch die im Kreis Märkisch-Oder­land (MOL) aktive Divi­sion MOL steigerte in diesem Jahr ihre Aktiv­itäten. Dabei han­delt es sich um eine Gruppe jugendlich­er Neon­azis im Alter von 15 bis 20 Jahren, deren maßge­bliche Akteur:innen Kinder bekan­nter recht­sradikaler Aktive in der Region sind. Nach­dem sie erst­mals Anfang 2020 mit dem Verkleben von Stick­ern und recht­en Sprühereien auffie­len, nah­men sie in diesem Jahr an mehreren recht­en Aufmärschen in Berlin, Leipzig und Dres­den teil. Dabei fie­len sie auch mit gewalt­täti­gen Aktio­nen auf. Anfang 2021 zer­störten sie den Gedenko­rt für Phan Văn Toản, der 1997 in Fred­er­s­dorf bei Berlin ermordet wor­den war. Sie entwen­de­ten eines der Gedenk-Trans­par­ente und posierten in Hooli­gan-Manier mit dem umge­dreht­en Trans­par­ent. Im Dezem­ber 2021 grif­f­en Mit­glieder der „Divi­sion MOL“ auf ein­er Quer­denker-Demon­stra­tion in Berlin Journalist:innen an.
Vor­bere­itung auf den Tag X: Waf­fen­lager und Schießübungen

Über das Jahr verteilt gab es immer wieder Mel­dun­gen zu aufgedeck­ten Waf­fen­lagern in Bran­den­burg, so etwa in der Prig­nitz und in Märkisch Oder­land. Im August wurde vor dem Landgericht Neu­rup­pin ein Sol­dat aus Hen­nigs­dorf wegen ille­galen Waf­fenbe­sitzes verurteilt, der größere Men­gen an Waf­fen und Muni­tion gehort­et und sich mit anderen zu Schießübun­gen getrof­fen hat­te. Bei der Durch­suchung sein­er Woh­nung war auch eine Hitler­büste gefun­den wor­den. Er selb­st behauptete von sich, auf dem Boden des Grundge­set­zes zu ste­hen und lediglich his­torisch inter­essiert zu sein. Inwiefern die „Waf­fen­lei­den­schaft“ des Mannes einen poli­tis­chen Hin­ter­grund hat, wurde in dem Prozess jedoch nicht gek­lärt. Anfang Dezem­ber fand eine Großrazz­ia in Cot­tbus und Forst sowie bei Bautzen in Sach­sen in mehreren Woh­nun­gen von Mit­gliedern beziehungsweise aus dem Umfeld der neon­azis­tis­chen Vere­ini­gung „Brigade 8“ statt. Dabei fand man u.a. Waf­fen, Elek­troschock­er, einen Teleskop­schlag­stock und Dro­gen. Auch über Razz­ien und Prozesse hin­aus gibt es immer wieder Hin­weise von Anwohner:innen, dass in Bran­den­burgs Wäldern Men­schen mit Schuss­waf­fen und Spreng­mit­teln exper­i­men­tieren – in Einzelfällen bericht­en sie auch, dass es sich dabei um Neon­azis handelt.

Mobil­isierun­gen: Ras­sis­mus und Corona-Leugnung

Die ab Sep­tem­ber 2021 stärk­er wer­dende Diskus­sion über den Umgang mit dem Ver­such von Men­schen aus dem Nahen Osten und Afghanistan, über die Gren­ze zwis­chen Belarus und Polen in die EU einzureisen, wurde von ver­schiede­nen recht­en Akteur:innen in Bran­den­burg für Mobil­isierungsver­suche genutzt.

Die AfD ver­anstal­tete zu dem The­ma zwei Kundge­bun­gen in Frankfurt/Oder und äußerte sich wieder­holt medi­al dazu. Der III. Weg rief am drit­ten Okto­ber­woch­enende zu Patrouillen an der Gren­ze auf. Dabei ori­en­tierte er sich offen­sichtlich am Vor­bild rechter Milizen, die eini­gen Län­dern Osteu­ropas in Gren­znähe Jagd auf Migrant:innen machen. Die Aktion wurde polizeilich unter­bun­den. Dabei wur­den mehr als 50 Rechte aus Bran­den­burg, Sach­sen, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Berlin und Bay­ern fest­gestellt, die zum Teil mit Pfef­fer­spray, Schlagstöck­en und Stich­waf­fen bewaffnet waren.

Im Wider­stand gegen die Infek­tion­ss­chutz­maß­nah­men während der Coro­na-Pan­demie formierte sich auch in Bran­den­burg ein zum Teil gewalt­bere­ites (beziehungsweise gewalt­tätiges) Milieu. Mit der Zus­pitzung der pan­demis­chen Lage im Herb­st und der daraus resul­tieren­den Ver­schär­fun­gen der Maß­nah­men nah­men auch auch die Aktio­nen dieses Milieues stark zu. In vie­len Städten häuften sich ins­beson­dere gegen Jahre­sende die Demon­stra­tio­nen, soge­nan­nte „Spaziergänge“ und auch mar­tialisch anmu­tende Fack­elmärsche, wie etwa in Oranien­burg, Falkensee, Rathenow, Bernau und Pots­dam. Im Dezem­ber fan­den der­ar­tige Aufmärsche in vie­len bran­den­bur­gis­chen Städten wöchentlich statt.

Auch wenn die Szene het­ero­gen zusam­menge­set­zt ist – unter den Teil­nehmenden an den Protesten befind­en sich etwa auch auch „linke“ Esoteriker:innen – bes­tim­men Neon­azis und Reichsbürger:innen doch zunehmend den Charak­ter der Demonstrationen.

Die AfD war auch im zweit­en Pan­demie-Jahr ein­er der zen­tralen Akteure bei der Mobil­isierung gegen die Infek­tion­ss­chutz­maß­nah­men, um sich diese poli­tisch zu Nutzen zu machen und um die Demon­stri­eren­den zu wer­ben. Neben der Beteili­gung an zahlre­ichen Demon­stra­tio­nen, rief die AfD auch selb­st immer wieder zu Protesten gegen die Coro­na-Aufla­gen auf. Anfang Dezem­ber etwa zu ein­er mehrtägi­gen Mah­nwache gegen die Coro­na-Maß­nah­men vor dem Land­tag in Pots­dam. Im Früh­jahr hat­te die AfD in Bezug auf das geplante Infek­tion­ss­chutzge­setz Ver­gle­iche zur Machter­grei­fung Hitlers im Jahr 1933 gezo­gen und von der Errich­tung eines total­itären Staates gesprochen. Ein Bedro­hungsszenario, das sich in radikalen Coro­na-Leugn­er und soge­nan­nten Quer­denker-Grup­pen großer Beliebtheit erfreut und dort den Ein­druck erweckt, man befinde sich als Teil ein­er Wider­stands­be­we­gung bere­its in ein­er Art Bürg­erkrieg. Auf diese Weise wird in solchen Grup­pen dann auch Gewalt als Mit­tel gegen diese ver­meintliche Bedro­hung legit­imiert und zur Notwehr stilisiert.

Das The­ma Coro­na wird dabei mit klas­sisch recht­en The­men ver­mengt. Beson­ders deut­lich wurde das bei den von der AfD und der recht­en Grup­pierung „Zukun­ft Heimat“ ver­anstal­teten Aufmärschen in Cot­tbus, die von recht­en Hooli­gans ange­führt wur­den, u.a. mit einem Ban­ner, auf dem zu lesen war „Kon­trol­liert eure Gren­zen, nicht euer Volk“. Auch ander­norts mis­chen sich unter Aus­sagen zur Pan­demiepoli­tik immer wieder geflüchteten­feindliche Parolen. In Witt­stock (Ost­pring­niz-Rup­pin) gelang es dem III. Weg etwa 300 Teil­nehmende zu einem Fack­el­marsch gegen die Coro­na-Maß­nah­men zu mobilisieren.

Bei ein­er Demon­stra­tion in Treuen­bri­et­zen (Pots­dam-Mit­tel­mark) wurde der Recht­sex­trem­ist Maik Eminger gesichtet, ehe­ma­liges Mit­glied der Partei „Der III. Weg“ und Brud­er des verurteil­ten NSU-Unter­stützers André Eminger.

An mehreren Orten entlud sich der Wider­stand gegen die Infek­tion­ss­chutz­maß­nah­men dann auch gewalt­sam. So gab es neben mehreren Angrif­f­en auf Mitar­bei­t­ende im Einzel­han­del, die etwa auf die Maskenpflicht hingewiesen hat­ten, Ende Novem­ber einen But­ter­säure­an­schlag auf zwei Testzen­tren in Bran­den­burg an der Hav­el, bei dem glück­licher­weise nie­mand ver­let­zt wurde. Eben­falls Ende Novem­ber bedro­hte ein Mann in der Notauf­nahme eines Kranken­haus­es in Pots­dam einen Mitar­beit­er mit einem Mess­er, nach­dem er auf die Coronaregeln hingewiesen wurde.

Bei einem Anfang Dezem­ber verübten Ver­brechen ist die Rolle, die die Mobil­isierung gegen die Coro­na-Schutz­maß­nah­men für dessen Bege­hung spielte, noch genauer zu unter­suchen. In Königs Wuster­hausen erschoss ein Mann seine Frau und die gemein­samen drei Töchter. Durch die zuständi­ge Staat­san­waltschaft Cot­tbus wurde öffentlich bekan­nt gemacht, dass es einen Abschieds­brief gebe. In diesem werde als Motiv der Tat benan­nt, dass die Frau bei ihrem Arbeit­ge­ber einen gefälscht­en Impf­nach­weis vorgelegt habe, was aufge­flo­gen sei. Den gefälscht­en Impf­nach­weis hat­te der Mann besorgt. Aus diesem Grund hät­ten die Eltern eine Inhaftierung und den Entzug ihrer Kinder befürchtet. Diese im Abschieds­brief for­mulierte Begrün­dung lässt befürcht­en, dass die Tathand­lung von poli­tis­chen Ver­schwörungsmythen gelenkt war. Mit­tler­weile wurde auch bekan­nt, dass sich das Paar in regionalen Quer­denkerkreisen bewegt haben soll.

Bemerkenswert ist, dass der recht­en Mobil­isierung gegen die Coro­na-Schutz­maß­nah­men von Seit­en der Zivilge­sellschaft, die in den let­zten 20 Jahren die Proteste gegen Nazi­aufmärsche und ras­sis­tis­che Mobil­isierun­gen trug und den Hand­lungsspiel­raum recht­sradikaler Akteure in Bran­den­burg effek­tiv begren­zen kon­nte, nur vere­inzelt etwas ent­ge­genge­set­zt wird. Auch hier­durch ver­stärkt sich der fälschliche und fatale Ein­druck, man habe es mit ein­er wach­senden Massen­be­we­gung zu tun und nicht mit ein­er lauter wer­den­den und sich radikalisieren­den Min­der­heit. Es ist zu befürcht­en, dass sich daraus sub­stantielle poli­tis­che Machtver­schiebun­gen im Land ergeben können.
Gedenken an Opfer rechter Gewalt

Zu Beginn dieses Jahres fand zum ersten Mal ein öffentlich­es Gedenken für Phan Văn Toản statt, der am 31. Jan­u­ar 1997 am S‑Bahnhof Fred­er­s­dorf im Land­kreis Märkisch Oder­land von zwei Neon­azis zusam­mengeschla­gen wurde und drei Monate später im Alter von 42 Jahren an den Fol­gen des Anriffs ver­starb. Organ­isiert wurde die Mah­nwache von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oder­land und VVN-BdA Märkisch-Oder­land. Das Gedenken soll von nun an jährlich stat­tfind­en und die Organisator:innen set­zen sich dafür ein, dass am S‑Bahnhof Fred­er­s­dorf eine Gedenk­tafel dauer­haft an Phan Văn Toản erinnert.

Zum 25. Jahrestag des Angriffs auf Noël Mar­tin in Mahlow im Land­kreis Tel­tow-Fläming fand in Blanken­felde-Mahlow im Juni eine Aktionswoche gegen Ras­sis­mus statt, an der sich neben vie­len anderen Mitwirk­enden auch die Opfer­per­spek­tive beteiligte. Am 16. Juni 1996 hat­ten Neon­azis in Mahlow einen ras­sis­tis­chen Anschlag auf Noël Mar­tin und seine Kol­le­gen Arthur B. und Mikel R. verübt. Mar­tin über­lebte nur knapp und war seit­dem quer­schnitts­gelähmt. Er lebte mit mas­siv­en kör­per­lichen Ein­schränkun­gen – und ver­starb infolge dieser am 14. Juli 2020 im Alter von 60 Jahren.

In diesem Jahr jährte sich auch der Angriff auf den Punk Sven Beuter zum 25. Mal. Eine Gruppe Aktivist:innen, die schon die ver­gan­genen Gedenkver­anstal­tun­gen organ­isiert hat­te, grün­de­ten zu diesem Anlass die „Ini­tia­tive zum Gedenken an Sven Beuter“ und organ­isierten rund um den Jahrestag ver­schiedene Ver­anstal­tun­gen und eine Demon­stra­tion. Einige der geplanten Ver­anstal­tun­gen kon­nten auf­grund der Pan­demielage allerd­ings nicht stat­tfind­en. Der damals 23-jährige Sven Beuter wurde am 15. Feb­ru­ar 1996 in Bran­den­burg an der Hav­el von einem Neon­azi zusam­mengeschla­gen und erlag fünf Tage später seinen Verletzungen.

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