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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Auf keinen Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“

Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordert, den klaren Worten des Min­is­ter­präsi­den­ten entsprechende Tat­en fol­gen zu lassen.(Pressemitteilung vom 13.08.2018)
 
In der ver­gan­genen Woche hat­te sich Min­is­ter­präsi­den­ten Diet­mar Woid­ke im Mor­gen­magazin des ZDF kri­tisch darüber geäußert, dass selb­st Geflüchtete, die sich in ein­er Aus­bil­dung befind­en, nicht sich­er vor Abschiebung wären. „Auf keinen Fall abschieben, wenn jemand eine feste Arbeitsstelle hat“, forderte Woid­ke im Inter­view. Denn das sei nicht nur für die Betrof­fe­nen selb­st, son­dern auch für die Betriebe frus­tri­erend (1). Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg begrüßt die klare Posi­tion­ierung des Min­is­ter­präsi­den­ten zur Schaf­fung von Lebensper­spek­tiv­en für Geflüchtete, die sich in Arbeit und Aus­bil­dung befind­en und fordert ihn auf, seinen poli­tis­chen Hand­lungsspiel­raum entsprechend zu nutzen.
Die Prax­is in Bran­den­burg weicht ekla­tant von Woid­kes Forderung ab. „Einige Aus­län­der­be­hör­den ver­hin­dern durch restrik­tive Prax­is, das Geflüchtete eine qual­i­fizierten Beruf­saus­bil­dung aufnehmen kön­nen, selb­st bei Vor­lage eines unterze­ich­neten Aus­bil­dungsver­trags. Anderen wird die Beschäf­ti­gungser­laub­nis sog­ar nach Jahren der Beschäf­ti­gung bzw. nach Beginn der Aus­bil­dung ent­zo­gen.“, so Kirstin Neu­mann vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. So auch Amir Tun­je, er stellte Anfang Juli 2017 einen Antrag auf eine Aus­bil­dungs­dul­dung, legte der Aus­län­der­be­hörde Barn­im alle erforder­lichen Doku­mente samt Aus­bil­dungsver­trag zum Maschi­nen- und Anla­gen­führer bei ein­er Eber­swalder Met­all­bau­fir­ma vor. Kurz darauf erhielt er nicht etwa die Erlaub­nis, son­dern die Auf­forderung nach Kenia auszureisen — die Aus­län­der­be­hörde hat­te bere­its einen Flug gebucht. Über ein Jahr hat es gedauert bis die Behörde nach Durch­laufen ver­schieden­er Gerichtsin­stanzen und endgültiger Entschei­dung des OVG nachgeben und dem Aus­bil­dungs­be­ginn zum 01.08.18 zus­tim­men musste. Es ist dem Betrieb zu ver­danken, dass er trotz der behördlichen Hin­dernisse und Verzögerun­gen an der Aus­bil­dung für Her­rn Tun­je fest­ge­hal­ten hat.
 
Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg fordert die bran­den­bur­gis­che Lan­desregierung auf, Aus­län­der­be­hör­den anzuweisen ihre Ermessensspiel­räume zu nutzen. Bei der Erteilung von Arbeit­ser­laub­nis­sen und der Umset­zung von Bleiberecht­sregelun­gen wie der Aus­bil­dungs­dul­dung liegt es häu­fig im Ermessen der Aus­län­der­be­hör­den, diese zu ermöglichen. Momen­tan nutzen sie ihre Spiel­räume für das Bleiberecht und die Inte­gra­tion in Bran­den­burg nur sel­ten zugun­sten der Betrof­fe­nen. In Bezug auf die Aus­bil­dungs­dul­dung sollte der geset­zliche Anspruch durch eine Über­ar­beitung des Erlass­es vom 27.10.2017 (2) ermöglicht wer­den: Der Beset­zung ein­er Arbeits- oder Aus­bil­dungsstelle muss stets Vor­rang vor aufen­thalts­been­den­den Maß­nah­men gewährt wer­den. Auch berufsvor­bere­i­t­ende Maß­nah­men und Studi­um soll­ten vor Abschiebung schützen. „Es ist unbe­d­ingt erforder­lich, dass alle Geflüchtete in Arbeit oder Aus­bil­dung eine Aufen­thalt­ser­laub­nis und somit eine langfristige Per­spek­tive erhal­ten, wenn Woid­ke seine Stel­lung­nahme wirk­lich ernst meint.“, so Neu­mann weiter.
(1)https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/moma-vor-ort-woidke-100.html
(2)http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/erlnr_10_2017
Pressekon­takt: Kirstin Neu­mann 0160 56 33 193
 
Flüchtlingsrat Brandenburg
R.-Breitscheid-Str. 164
14482 Potsdam
Tel.: 0331–716499
Fax: 0331–887 15 460
E‑Mail:info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
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Hohe Zahl rechter Angriffe im ersten Halbjahr

97 Angriffe zählte die Opfer­per­spek­tive im ersten Hal­b­jahr 2018 im Land Bran­den­burg. Mit­tler­weile (Stand 1. August 2018) sind es über 100 Angriffe, die in diesem Jahr reg­istri­ert wur­den. Zum Ver­gle­ich: im ersten Hal­b­jahr 2017 wur­den 98 Fälle gezählt, im ganzen Jahr 171. Die weit über­wiegende Zahl der Fälle (80) war ras­sis­tisch motiviert, her­aus­ra­gen­der regionaler Schw­er­punkt Cot­tbus (22 Fälle). Angriffe waren zumeist Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te (ein­fache KV: 46, gefährliche KV: 33). Die Opfer­per­spek­tive fordert den Schutz der Betrof­fe­nen ern­stzunehmen und aktiv zu verfolgen.
Fast täglich reg­istri­eren die Berater_innen für Betrof­fene rechter Gewalt des Vere­ins Opfer­per­spek­tive neue Fälle. Da ist die Mut­ter, die mit ihrer Tochter im Super­markt Per­sisch spricht und deswe­gen ver­bal ras­sis­tisch ange­gan­gen wird und, als sie sich dies ver­bit­tet, geschla­gen wird. Da wer­den Moscheebesucher_innen mit Steinen bewor­fen. Da ist die schwan­gere Frau, die mit ihrem Fre­und von ver­mummten Recht­en ange­grif­f­en wird, weil Neon­azis glauben, dass sie rechte Aufk­le­ber abgekratzt hätten.
Es muss fest­gestellt wer­den, dass es in den let­zten Monat­en keinen Rück­gang rechter Gewalt­tat­en gegeben hat. Das Niveau ras­sis­tis­ch­er Gewalt bleibt sta­bil hoch, obwohl viele Gründe, die in den let­zten drei Jahren für den Anstieg rechter Gewalt­tat­en herange­zo­gen wur­den, derzeit nicht gegeben sind. Wed­er gibt es in diesem Jahr Land­tags- oder Bun­destagswahlen, noch kom­men derzeit in hoher Zahl Geflüchtete in Bran­den­burg an. Auch gibt es außer­halb des Cot­tbusser Großraums derzeit keine starken poli­tis­chen Aktiv­itäten rechter Grup­pen im öffentlichen Raum. Ras­sis­tis­che Gewalt ist in den let­zten drei Jahren für einen Teil der Bran­den­burg­er Bevölkerung offen­bar zu ein­er nor­malen und akzep­tierten Hand­lungsweise im Umgang mit Migrant_innen geworden.
Dabei stellen in Fällen ras­sis­tis­ch­er Gewalt die reg­istri­erten physis­chen Angriffe nur die Spitze des Erlebens der Betrof­fe­nen dar. Neben den physis­chen Angrif­f­en sind viele von ihnen täglich mit ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung kon­fron­tiert, wer­den nicht in Sport­stu­dios gelassen, in Läden nicht bedi­ent oder auf der Straße beschimpft. Das Erleben dieser alltäglichen Feind­seligkeit in Verbindung mit der ständi­gen Angst vor Gewalt belastet die Betrof­fe­nen psy­chisch stark. Für einen syrischen Asyl­be­wer­ber waren diese anhal­tenden Anfein­dun­gen und zwei tätliche Angriffe auf ihn in kurz­er Zeit Aus­lös­er einen Suizid­ver­such zu unternehmen.
Hannes Püschel, Berater der Opfer­per­spek­tive, berichtet: „Wir haben es derzeit mit vie­len Betrof­fe­nen, die schw­er­wiegende psy­chis­che Fol­gen davonge­tra­gen haben zu tun. Nach unser­er Beobach­tung sind staatliche Stellen, von der Polizei über die Jus­tiz bis hin zu Aus­län­der- und Sozial­be­hör­den immer wieder mit der aktuellen von mas­siv­er rechter Gewalt geprägten Sit­u­a­tion über­fordert und stellen kaum eine Hil­fe für die Betrof­fe­nen dar. Wir müssen erken­nen, dass seit drei Jahren anhal­tende Hoch­phase rechter Gewalt kein vorüberge­hen­des kurzfristiges Phänomen ist. Dementsprechend muss auf diese Lage seit­ens des Lan­des, der Kom­munen und der Zivilge­sellschaft reagiert wer­den und der Schutz der Betrof­fene höch­ste Pri­or­ität bekommen.“

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order Sonstiges

Viel heiße Luft bei warmen Temperaturen

Es sollte die große Abrech­nung mit Bran­den­burgs Sozialmin­is­terin Diana Golze (Linke) wer­den. Offen wurde bere­its in der Ver­anstal­tungsankündi­gung im Inter­net ihr Rück­tritt vom Min­is­ter­amt gefordert. Doch in den Rede­beiträ­gen von Chris­t­ian Kaiser und Elke Met­zn­er, die heute die Haup­tre­den­den bei der Kundge­bung des extrem recht­en Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land waren, blieben die Anfein­dun­gen gegen Golze und andere Poli­tik­er – im Ver­gle­ich zum üblichen Niveau der Ver­anstal­tungsrei­he – eher unspek­takulär und mar­gin­al. Stattdessen strotzten die Reden vor allem wieder von Anfein­dun­gen u.a. gegen Geflüchtete, „Arbeit­sun­willige“ und ins­beson­dere gegen den „linksver­sifften Mul­ti­kul­tistaat­sap­pa­rat der BRD“, der aus Sicht von Ver­anstal­tung­steil­nehmenden keine Poli­tik in ihrem Sinne mache. Entsprechend läge der Fehler schon längst nicht mehr im Sys­tem – das „Sys­tem“ sei „der Fehler“, so Kaiser in seinem Redebeitrag.
Für fehler­haft hielt der Vor­sitzende des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ e.V. offen­bar auch den Straftatbe­stand der „Volksver­het­zung“ und sol­i­darisierte sich erneut mit der verurteil­ten Holo­caustleugner­in Ursu­la Haver­beck. Zudem begrüßte er die „Schutzzonen“-Propaganda der NPD und äußerte sich pos­i­tiv gegenüber so genan­nten „Bürg­er­be­wehren“.
Ein ander­er Ver­anstal­tung­steil­nehmer sah hinge­gen vor allem anwe­sende Presse als Feind­bild und ver­suchte auf einen Fotografen loszuge­hen. Ein Secu­ri­ty-Mann ver­hin­derte schließlich Tätlichkeiten.
Trotz geringer Teil­nehmenden­zahl und poli­tis­ch­er Bedeu­tungslosigkeit geht von eini­gen Ver­anstal­tungs­gästen also nach wie vor eine hohe Aggres­siv­ität aus, die möglicher­weise aus ein­er Mix­tur aus einem falschen Rechtev­er­ständ­nis und Rechthaberei her­aus resultiert.
Zu dem scheinen die Ver­anstal­tenden auch nur bed­ingt Inter­esse zu haben, ihre Gäste im Zaum zu hal­ten. Red­ner, wie Wolf­gang Hoppe, scheinen jeden­falls an kein­er Deeskala­tion inter­essiert zu sein. Er dro­hte ein­mal mehr vom Podi­um aus, gegen einen namentlich genan­nten Pres­sev­ertreter vorzugehen.
Beina­he harm­los wirk­te dage­gen der let­zte Red­ner Ralf Maasch, der angesichts hoher Tem­per­a­turen kurz und knapp alle Zuhören­den auf­forderte für „arme Tiere“ ein biss­chen Wass­er her­auszustellen. Für Geflüchtete hat er allerd­ings kein Mit­ge­fühl, wenn die Botschaft auf seinem T‑Shirt richtig gedeutet wird. Darauf wer­den sie indi­rekt als krim­inelle Sub­jek­te ent­men­schlicht, für die „Poli­tik­er“ haften würden.
Ins­ge­samt nah­men 20 Per­so­n­en an der abendlichen Ver­samm­lung des „Bürg­er­bünd­niss­es“ teil.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Parlamentarismus

Unterschriftenaktion der rechten Kleinstpartei “Der 3. Weg” in Templin gestört

Am 20.07.2018 ver­suchte eine Gruppe von 6 Anhängern der recht­sradikalen Partei “Der 3. Weg” auf dem Mark­t­platz in Tem­plin mit einem Boller­wa­gen Unter­schriften zu sam­meln und wurde daran durch spon­ta­nen Protest erfol­gre­ich gehindert.
Die Gruppe um Matthias Fis­ch­er und Patrick Krüger ver­suchte auf dem Tem­plin­er Mark­t­platz Unter­schriften für ihre  Wahlzu­las­sung zur Europawahl zu erhal­ten. Die Polizei, die kurzzeit­ig anwe­send war, ver­wies die Gruppe, von denen mehrere Per­so­n­en ein­schlägig recht­sex­treme und zum Teil ver­fas­sungs­feindliche Tat­toos zur Schau stell­ten, nicht des Platzes. Auch wurde auf Nach­frage im Ord­nungsamt der 3. Weg als nor­male Partei ver­han­delt und kein Spiel­raum gese­hen, diesen “Info­s­tand” zu unterbinden. So kon­nte die Gruppe sich also weit­er­hin mit ein­heitlichen TShirts, die sie als “Nation­al. Rev­o­lu­tionär. Sozial­is­tisch.” auswiesen, Tat­tooschriftzü­gen, wie “Wolf’s hook – White Broth­er­hood” auf Patrick Krügers Hals und “Aryan hope” auf Mat­tias Fis­ch­ers Kopf und mit ihrer ras­sis­tis­chen Pro­pa­gan­da auf dem Mark­t­platz aufhalten.
Daraufhin formierte sich spon­tan ein Protest für Bewe­gungs­frei­heit von eben­falls 6 Pas­san­tinnen, die die Neo-Nazis mit Diskus­sio­nen, Gesang und einem impro­visierten Trans­par­ent abschirmten, bis diese nach etwa ein­er Stunde auf­gaben und ein­pack­ten – ohne gesam­melte Unterschriften.

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Solide arisch leben”

Die Anas­ta­sia-Bewe­gung
Dieser Artikel erschien zuerst im AIB 119 | 2.2018
Auch wenn er lange auf sich warten ließ, der Som­mer ist da! Mit ihm auch eine Rei­he von eso­ter­ischen Ter­mi­nen, die es sich lohnt zu ver­passen, deren Hin­ter­gründe jedoch aufhorchen lassen. Wenn auf einem Fes­ti­val neben Öko-Work­shops „arisches Wis­sen weit­ergegeben“ wird und zu der deutschen Nation­al­hymne krude Stro­phen gedichtet wer­den, die von Blendung, frem­den Mächt­en und Erwachen han­deln, kann es sein, dass man sich auf einem Anas­ta­sia-Fes­ti­val befind­et. Mit entsprechen­dem Pro­gramm warb die Anas­ta­sia-Bewe­gung im let­zten Jahr für das Fes­ti­val inThürin­gen, an dem nach eige­nen Angaben rund 550 Per­so­n­en teil­nah­men. Anfang Sep­tem­ber 2018 soll ein weit­eres Fes­ti­val mit dem Namen „Wiederge­burt“ stat­tfind­en. Zudem organ­isieren Anhän­gerIn­nen der Szene bun­desweit Tre­f­fen, Vorträge und Siedlerstammtische.
 
Die Anas­ta­sia-Buchrei­he als Quelle der Bewegung
Die Anas­ta­sia-Bewe­gung beruht auf der Buchrei­he „Die klin­gen­den Zed­ern Rus­s­lands” von Wladimir Megre. Auf ein­er Geschäft­sreise in die rus­sis­che Taiga traf der 1950 in Rus­s­land geborene Megre 1994 ange­blich eine Frau namens Anas­ta­sia, die ein­sam in der Wild­nis lebt. Über seine Begeg­nung mit ihr berichtet Megre in ins­ge­samt 10 Bän­den, die in den Jahren 1996 bis 2010 auf rus­sisch erschienen sind und mit­tler­weile auch auf deutsch vor­liegen. Laut infoS­ek­ta, der schweiz­erischen Fach­stelle für Sek­ten­fra­gen, ist die Anas­ta­sia-Strö­mung eine „eso­ter­ische Bewe­gung mit ein­er stark nation­al­is­tis­chen, ver­schwörungs­the­o­retis­chen und recht­seso­ter­ischen Ausrichtung“.
Die Grun­didee ist sim­pel: Jede Fam­i­lie (beste­hend aus Mann, Frau und Kindern) soll einen Hek­tar Land, den soge­nan­nten Fam­i­lien­land­sitz, bewirtschaften und darauf ihr Haus bauen. Wenn alle Men­schen diese Idee ver­fol­gen wür­den, wären ange­blich die Prob­leme dieser Welt gelöst und die Erde ein Paradies. Doch zwis­chen diesen fan­tastisch anmu­ten­den Ele­menten find­en sich auch immer wieder anti­semi­tis­che, ras­sis­tis­che und sex­is­tis­che Aus­sagen. Megre zeich­net eine stark vere­in­fachte Welt, in der böse Mächte und die Tech­nokratisierung schuld an allem Übel sind.
Im ersten Band der Anas­ta­sia-Rei­he „Tochter der Taiga” wird aus­führlich von der Begeg­nung Megres mit Anas­ta­sia berichtet. Neben Aus­führun­gen über ihre Wun­derkräfte, die Bedeu­tung eines eige­nen Gartens und von selb­st­ge­zo­gen­em Gemüse, find­en sich auch zahlre­iche Andeu­tun­gen über dun­kle Mächte, gepaart mit einem aus­geprägten Sex­is­mus: „Zum Beispiel ist es mir unbe­grei­flich, wie die dun­klen Kräfte es schaf­fen, die Frauen der­maßen zu ver­dum­men, dass sie ahnungs­los die Män­ner mit ihren Reizen anziehen und ihnen somit die richtige Wahl unmöglich machen, die Wahl der Seele.”[1] Während dem Mann die schöpferische  Rolle zugeschrieben wird, geste­ht Megre der Frau nur die pas­sive Rolle der Muse zu.
In den weit­eren Bän­den geht es um die Bedeu­tung von Bäu­men und Steinen, um Päd­a­gogik, „die Schöp­fung“ und das Wesen der Men­schen. Im drit­ten Band „Raum der Liebe“ wird das Konzept der Schetinin-Schule vorgestellt. Inspiri­ert von der Anas­ta­sia-Lek­türe, entwick­elte der Lehrer Michail Petrow­itsch Schetinin das Konzept, indem davon aus­ge­gan­gen wird, dass Kinder all­wis­send sind und nur noch den Zugang zu ihrem Wis­sen find­en müssen. Dann sei die son­st 11-jährige Schu­laus­bil­dung auch in nur einem Jahr schaff­bar. Zusät­zlich zu dem Druck, den dieses Grund­ver­ständ­nis auf jedes einzelne Kind ausübt, kommt ein stark­er Mil­i­taris­mus und Nation­al­is­mus in der Aus­bil­dung. Im europäis­chen Kon­text wurde das Prinzip der Lais-‚Schulen‘ (in Wirk­lichkeit han­delt es sich um Lern­grup­pen, da es keine Schul-Zulas­sung gibt) entwick­elt, dass der Schetinin-Schule ähnelt, aber auch einige Unter­schiede aufweist. Der Begriff ‚Lais‘ soll aus dem Gotis­chen stam­men und über­set­zt „ich weiß“ heißen.[2]
Vor allem im sech­sten Band „Das Wis­sen der Ahnen” find­en sich ver­mehrt anti­semi­tis­che und ras­sis­tis­che Aus­sagen. So seien ange­blich alle Jüd*innen von einem dun­klen Ober­priester „pro­gram­miert“ wor­den und seit­dem wil­len­lose „Robot­er“. Dies sei die Erk­lärung für all das Leid, dass den Jüd*innen in den let­zten Jahrtausenden wieder­fahren ist: „Da das schon mehr als ein Jahrtausend geschieht, kann man den Schluss ziehen, dass das jüdis­che Volk vor den Men­schen Schulden hat. Aber worin beste­ht die Schuld? Die His­torik­er, die alten wie die neuen, sprechen davon, dass sie Ver­schwörun­gen gegen die Macht anzettel­ten. Sie ver­sucht­en alle zu betrü­gen, vom jun­gen bis zum alten. […] Das bestätigt die Tat­sache, dass viele Juden wohlhabend sind und sog­ar auf die Regierung Ein­fluss nehmen kön­nen.“[3]
Die Anhän­gerIn­nen von Megre nutzen die Büch­er als Infor­ma­tion­squelle und befol­gen die dort gegebe­nen Anweisun­gen zum Auf­bau von Fam­i­lien­land­sitzen. Wie ernst die Bewe­gung zu nehmen ist, zeigt auch die Unter­stützung durch die rus­sis­che Regierung: Mehrere Lokalregierun­gen haben kosten­los Land für die Grün­dung von Fam­i­lien­land­sitzen zur Ver­fü­gung gestellt.
 
Die Anas­ta­sia-Bewe­gung

In der Fam­i­lien­land­sitz-Bewe­gung tre­f­fen sich Ökos, „Weltverbesser­er“, Ver­schwörungs­the­o­retik­erIn­nen und Ras­sistIn­nen. Das verdeut­licht nicht zulet­zt ein Beispiel aus Brandenburg.
„Solide arisch leben. […] fest ver­wurzelt – wie die deutsche Eiche. Deswe­gen, Män­ner: Baut ein Heim, legt einen Garten an, zeugt einen Sohn und pflanzt eine Eiche.“ — O‑Töne aus einem Video von Frank Willy Lud­wig aus dem Juni 2017[4]. Lud­wig ist Anas­ta­sia-Anhänger, lebt auf seinem Fam­i­lien­land­sitz in Liepe (Bran­den­burg)[5] und ist Betreiber der Inter­net­seite „Urahnenerbe Ger­ma­nia“. Dort verknüpft Lud­wig den Appell, „Fam­i­lien­land­sitze“ nach Anas­ta­sia aufzubauen mit Ras­sei­de­olo­gien und anti­semi­tis­chen Verschwörungstheorien.
Frank Willy Ludwig
Frank Willy Lud­wig; Quelle: Urah­nerbe Ger­ma­nia, 10.05.2018
 
Er stellt die Schuld Deutsch­lands am Holo­caust in Frage, die die „vor­läu­fi­gen Sieger […] uns rein­drück­en“, spricht von ein­er „Dämonkratie“, in der wir leben, einem „Weltju­den­tum“ und erset­zt die let­zte Silbe von Wörtern wie Rev­o­lu­tion und Zivil­i­sa­tion mit „-zion“.[6]
Kle­ingärt­ner wer­den laut Megre die Welt ret­ten, und so erzählt auch Lud­wig von sich als Gärt­ner und Weltretter.
Ähn­lich krude und real­itäts­fern beschäftigt sich Thomas Patock, der 2016 wegen Holo­caustleug­nung und Volksver­het­zung verurteilt wurde[7], mit den Anas­ta­sia-Roma­nen[8]. In reich­side­ol­o­gis­ch­er Manier möchte Patock, selb­ster­nan­nter König von Weden­land, „den Auf­bau von Fam­i­lien­land­sitzsied­lun­gen inner­halb des Deutschen Reich­es sowie allen weit­eren Kön­i­gre­ichen im Staaten­bund der Kön­i­gre­iche Weden­land [fördern]“[9]. Auf sein­er Web­seite heiltheke.de verkauft er Pro­duk­te, die aus Holz, Öl oder den Nüssen der Zed­ern bestehen.
Neben den oben genan­nten Akteuren spie­len Grup­pen, die bere­its Land für ihre Fam­i­lien­land­sitz-Sied­lung gekauft haben und sie nun auf­bauen, eine große Rolle. Ein­er­seits sind sie Vorzeigeob­jek­te in Reporta­gen und Fernsehsendun­gen, ander­er­seits dienen bere­its gegrün­dete Sied­lun­gen als Szen­e­tr­e­ff­punk­te. Mit­tler­weile existieren in Deutsch­land 12 Fam­i­lien­land­sitze, weit­ere sind in Planung.
Ein Beispiel ist das Gold­ene Grabow, eine Fam­i­lien­land­sitz-Sied­lung in Bran­den­burg, auf der 18 Men­schen auf bish­er 23°ha leben. Dort fand 2015 nicht nur ein Anas­ta­sia-Fes­ti­val statt, son­dern laut einem Bericht des „Blick nach rechts“ auch das Som­mer­lager des recht­slasti­gen „Stur­mvo­gel – Deutsch­er Jugend­bund“[10]. Die Gruppe der Sied­lerIn­nen lädt regelmäßig zu „volkss­portlichen Wet­tkämpfen“, Fest­spie­len und eso­ter­ischen Män­ner- und Schwest­ernkreisen ein. Zu den tabak- und alko­hol­freien Events im Anas­ta­sia-Vorzeige­pro­jekt sind auch Dorf­be­wohner­In­nen her­zlich eingeladen.
 
[1]Megre 2017: „Tochter der Taiga“, S. 66. 13. Taschen­buch-Auflage, Govinda-Verlag
[2]http://www.infosekta.ch/media/pdf/Anastasia-Bewegung_10112016_.pdf
[3]Megre 2016: „Das Wis­sen der Ahnen“, S.174. 7. Auflage, Ver­lag “Die Silberschnur”
[4]https://www.youtube.com/watch?v=CgFqrxCfFI0, let­zter Aufruf 13.05.2018
[5]http://www.familienlandsitz.com/raum%20der%20liebe.htm
[6]https://www.youtube.com/watch?v=CgFqrxCfFI0, 14:50, let­zter Aufruf 13.05.2018
[7]http://api.ning.com/files/V5Rxz5Og90O8SXY*4Q8*DUrOp9WUZrC2MS8XnHmsV7Kqp0T3nDucBs3sxYqjxiNugRi*kT0EbX5Rrrpkajsq4w9QTP8Sy0U6/WarumriskierenSiedasGefngnis.pdf
[8]http://static.woz.ch/1643/was-ist-die-anastasia-bewegung/990–000-jahre-mit-gott-im-paradies
[9]http://www.heiltheke.de/html/Heiltheke/index.php?XTCsid=b05813a33485a0a29d6d679c21ed20e1
[10]https://www.bnr.de/artikel/hintergrund/unter-dem-banner-des-sturmvogels

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Politisches Motiv im Urteil nicht benannt

Gestern verurteilte das Amts­gericht Sen­ften­berg nach einem Prozesstag den 19-jähri­gen Matthias W. zu ein­er Jugend­strafe von acht Monat­en, aus­ge­set­zt auf zwei Jahre Bewährung sowie zum Ableis­ten gemein­nütziger Arbeit im Umfang von 100 Stun­den wegen des Angriffes auf eine schwan­gere Frau sowie weit­er­er Frauen und Kinder. Die Opfer­per­spek­tive kri­tisiert die fehlende Nen­nung des poli­tis­chen Motives in der Urteilsbegründung.

Die Aus­sagen der Ver­let­zten, die als Zeug­in­nen gehört wur­den, waren bedrück­end: Der sichtlich angetrunk­ene Täter hat­te sich am 25. August 2017 auf einem Spielplatz in Großräschen ziel­stre­big vor ein­er Gruppe von vier türkischen Frauen und ihren elf Kindern aufge­baut, sie ras­sis­tisch belei­digt und dann mit dem Fin­ger auf einzelne Frauen gezeigt und sie nacheinan­der mit dem Tode bedro­ht. Er schlug ein­er offenkundig schwan­geren Frau zunächst ins Gesicht und trat ihr mit erhobe­nen Bein in den Bauch als sie sich mit zwei kleinen Kindern auf dem Arm nicht schnell genug ent­fer­nen kon­nte. Einen 5‑jährigen Jun­gen, der vor ihm weglaufen wollte, trat er in den Rück­en. Ein weit­eres Mäd­chen flüchtete sich panisch auf die angren­zende befahrene Straße.

Nur durch glück­liche Umstände erlit­ten die Betrof­fe­nen keine schw­er­wiegen­den kör­per­lichen Schä­den, auch das Kind der Schwan­geren wurde gesund geboren. Die psy­chis­chen Tat­fol­gen dauern dage­gen bis heute an, schilderten die Betrof­fe­nen: Die Kinder hät­ten große Angst in der Öffentlichkeit und ver­mieden es z.B. auf Spielplätze zu gehen.

Anne Brüg­mann, Bera­terin beim Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V., der die Betrof­fe­nen Frauen nach dem Angriff unter­stützt und im Ver­fahren begleit­et hat­te, kom­men­tierte den Prozess:

Aus Sicht der Betrof­fe­nen ist es pos­i­tiv, dass das Gericht mit der Ver­hän­gung ein­er Jugend­strafe die Schwere der Schuld des Täters anerkan­nt hat. Das Ver­fahren gab ihnen die Gele­gen­heit, aus­führlich von ihrem Erleben öffentlich zu bericht­en und wahrgenom­men zu wer­den. Allerd­ings war dies fast auss­chließlich durch eine engagierte Neben­klagev­ertre­tung möglich. Ins­beson­dere die Rich­terin hat sich so gut wie gar nicht für den ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund der Tat und wenig für die Fol­gen für die Betrof­fe­nen inter­essiert. Es ist nicht nachvol­lziehbar, warum die poli­tis­che Moti­va­tion des Angriffs in der Urteils­be­grün­dung mit keinem Wort erwäh­nt wurde“.

Auch das Plä­doy­er des Staat­san­walts, die Tat sei „zwar aus­län­der­feindlich, aber nicht poli­tisch motiviert“ gewe­sen, ist aus Sicht der Opfer­per­spek­tive eine Farce. Es reduziert Ras­sis­mus bzw. „Aus­län­der­feindlichkeit“ auf einen ver­meintlichen Rand der Gesellschaft. Dabei sind es nicht allein organ­isierte Rechte, die poli­tisch motivierte ras­sis­tis­che Gewalt­straftat­en bege­hen. Der Angriff in Großräschen war die typ­is­che Tat eines Ras­sis­ten, der bei Gele­gen­heit vorsät­zlich han­delte. Wie alltäglich die Betrof­fe­nen den Ras­sis­mus erlei­den, zeigte sich auch an diesem Ver­hand­lungstag: „Zwar ver­ste­he ich kein deutsch, aber ‚Scheiß Aus­län­der’ kon­nte ich ver­ste­hen, da wir diese Worte wirk­lich sehr oft hören”, äußerte eine der Betroffenen.

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AfD-Kundgebung in Bernau 07.07.2018

Ver­gan­genen Sonnabend hielt die AfD Barn­im eine Kundge­bung unter dem Mot­to „Unsere Frauen und Töchter sind kein Frei­wild“ auf dem Bahn­hofsvor­platz in Bernau ab. Vor etwa 80 Teilnehmer*innen ver­mit­tel­ten die Redner*innen das in recht­en Diskursen häu­fig bemühte Bild des „über­grif­fi­gen Frem­den“ und instru­men­tal­isierten sex­u­al­isierte Gewalt für ras­sis­tis­che Het­ze und Angriffe auf die Asylpoli­tik Angela Merkels.
Etwa 40 Gegendemonstrant*innen ver­sam­melten sich mit Trans­par­enten wie „Flüchtlinge Willkom­men!“ oder „No Depor­ta­tions“ und riefen Sprechchöre wie „Schluss mit Hetze!“.

AfD auf dem Bahnhofsvorplatz in Bernau
AfD auf dem Bahn­hofsvor­platz in Bernau

Schafe und Wölfe
Der Vor­sitzende der AfD Barn­im, Klaus-Peter Kulack, eröffnete die Kundge­bung mit ein­er het­zerischen Rede, in der er dazu aufrief, „Dem Gesin­del den Kampf an zu sagen“. In Metha­phern rief er die Kundgebungsteilnehmer*innen zu Gewalt auf:
„Seht euch vor – aus Schafen wer­den näm­lich ganz schnell reißende Wölfe!“ (Teil­nehmer­rufe: „Ja!“) „Wir gewähren Leuten Schutz und unser Steuergeld und zum Dank benehmen sich einige wie der let­zte Dreck gegen uns. Denen sagen wir: Wie sind nicht mehr eure Schafe, wir sind ab heute eure Wölfe! Wir sind die Her­ren im Haus und wir wer­den nur dulden wer sich hier vernün­ftig und angemessen bewegt. Alle anderen sollen uns fürcht­en ler­nen. Die Zeit der Schafe ist vor­bei, Wider­stand ist ange­sagt.“ (Sprechchöre „Wider­stand!“)
„Wir wollen keine Schafe mehr sein! Gewöh­nt euch daran, Wölfe zu sein, ab jet­zt und ab sofort. Lasst uns die Wölfe zum Vor­bild nehmen. Sie vertei­di­gen ihre Rotte und fletschen die Zähne wenn sie ihr Revi­er vertei­di­gen. Keine Frau und kein Mäd­chen ist Frei­wild für herge­laufene Nicht­snutze. Und ich denke, wenn Sie merken, dass Sie keine Chance haben und auf selb­st­be­wusste Men­schen stoßen, die die ihnen die Zähne zeigen, wer­den sie ganz schnell dahin zurück­kehren wo sie hergekom­men sind. Die Zeit der Schafe ist vorbei!“
Koop­er­a­tion mit der NPD
Unter den Teilnehmer*innen waren einige bekan­nte Aktivis­ten der NPD. Andreas Rokohl, langjähriger Aktivist der NPD Barn­im, war zudem als offizieller Fotograf auf der AfD-Kundge­bung, er trug eine Arm­binde mit der Auf­schrift „Medi­en“.
NPD-Aktivist Andreas Rokohl als offizieller Fotograf
NPD-Aktivist Andreas Rokohl als offizieller Fotograf

Weit­er­hin auf­fäl­lig war, dass vier Teil­nehmer T‑Shirts mit der Auf­schrift „Schutz­zone“ tru­gen und vor Beginn der Kundge­bung für Fotos posierten. Diese wur­den später auf der seit Juni 2018 beste­hen­den Face­book-Seite „Schutz­zone Barn­im“ veröf­fentlicht. Über diese Seite wurde auch die AfD-Kundge­bung bewor­ben. Hin­ter der „Schutz­zone Barn­im“ steckt die NPD Barn­im, welche eine bun­desweite Kam­pagne der NPD umset­zt. Ziel dieser Kam­pagne ist es, öffentlichkeitswirk­sam Bürg­er­wehren zu etablieren, um ver­meintlich Recht und Ord­nung durchzuset­zen. Was das bedeutet, sieht man auf den auf „Schutz­zone Barn­im“ veröf­fentlicht­en Fotos. Darauf abge­bildet sind durch Bernau patrouil­lierende Män­ner, die NPD-Aufk­le­ber verkleben, und mit Reichs­flaggen bestück­te Gebäude.
Facebook-Screenshot der NPD-Seite
Face­book-Screen­shot der NPD-Seite
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4 ½ Jahre Haft für Brandanschlag in Kremmen

INFORIOT — Am Don­ner­stag, den 05. Juli, verurteilte das Landgericht Neu­rup­pin zwei Kremmen­er wegen gemein­schaftlich ver­suchter schw­er­er Brand­s­tiftung. Sie verübten im April 2017 einen Anschlag auf die Gemein­schaft­sun­terkun­ft für Asyl­suchende in Krem­men (Ober­hav­el). Das Gericht erkan­nte in dem Anschlag ein „frem­den­feindlich­es Motiv“.
Der 29-jährige Haupt­täter Robert Urban muss für vier Jahre und sechs Monate in Haft. Er warf zwei selb­st gebaute Brand­sätze, so genan­nte Molo­tow­cock­tails, auf die Unterkun­ft. Durch den Bau und die Benutzung der Brand­sätze hat er sich außer­dem wegen Ver­stoß gegen das Waf­fenge­setz straf­bar gemacht. Der 35-jährige Mitangeklagte Nico Ben­sch wurde zu ein­er Bewährungsstrafe von drei Jahren verurteilt. Er war an der unmit­tel­baren Tat nicht beteiligt, wird jedoch für die Beteili­gung an der Vor­bere­itung mitschuldig gemacht. Das Urteil des Landgericht­es fol­gt damit nicht den Forderun­gen der Staat­san­waltschaft. Diese hat­te den Haupt­täter wegen ver­sucht­en Mordes angeklagt und ver­langte eine Haft­strafe von über neun Jahren.
Keine Tötungsab­sicht
Zen­tral für die Entschei­dung des Gericht­es war die Frage, ob es einen Tötungsvor­satz gab: Die Unterkun­ft, war zum Zeit­punkt der Tat bewohnt; in der Nacht bran­nte in einem der Zim­mer Licht, ein Fen­ster war angekippt. Videoaufze­ich­nun­gen der Überwachungskam­era zeigten, wie Urban einen Brand­satz gezielt in Rich­tung Fen­ster wirft. Ein­er der Bewohn­er, der sich in dem Zim­mer aufhielt, schilderte vor Gericht, dass der Brand­satz das Fen­ster bzw. nah daneben die Fas­sade traf. Der Richter Udo Lechter­mann erk­lärte in der Urteilsverkün­dung, dass ein Angriff, der in der Nachtzeit passiert und Men­schen im Schlaf von dem Feuer über­rascht wer­den, eine ern­sthafte Gefährdung darstellt. Einen Mord­ver­such sieht er jedoch nicht. Dafür seien u.a. die Brand­sätze zu klein. Auch schenk­te er den bei­den Angeklagten glauben, dass sie keine Per­so­n­en schädi­gen woll­ten. Diese sagten aus „ein Zeichen set­zen zu wollen“. Der Angriff, so der Richter, „zielte nicht nur auf die Bewohn­er, son­dern auf alle Aus­län­der in der Region.“
„Dilet­tan­tis­ches Vorgehen“
Bei­de Täter waren von Beginn an geständig und zeigten Reue. „Es sei eine ganz dumme Aktion gewe­sen“, gaben Bei­de als Abschluss­worte zu Pro­tokoll. Die Staat­san­waltschaft sah in der Tat eine „dilet­tan­tis­che Aktion, die geeignet war sich selb­st zu ver­let­zen“. Urban und Ben­sch, so rekon­stru­ierte das Gericht die Tat­nacht, hat­ten in der Woh­nung von Urban getrunk­en, Recht­sRock gehört, sich über Zuwan­derung und Geflüchtete unter­hal­ten. Doch statt nur zu reden, verabre­de­ten sich Bei­de um Tat­en sprechen zu lassen. Sie füll­ten zwei kleine Glas­flaschen mit Rasen­mäher­ben­zin, als Lunte dien­ten Sock­en. Gemein­sam macht­en sich die Täter auf den Weg zur zwei Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Unterkun­ft. Auf dem Weg will Ben­sch auf seinen Kumpel ein­gere­det haben, die Aktion abzublasen. Da dieser nicht hörte, blieb Ben­sch einige Meter vor der Unterkun­ft ste­hen. Urban lief allein zum Gelände und warf bei­de Brandsätze.
„Zer­störerische Naziideologie“
Auch wenn sich die bei­den Angeklagten bemüht­en, möglichst unpoli­tisch zu erscheinen, erkan­nte das Gericht die „nationale Gesin­nung, gepaart mit Aus­län­der­feindlichkeit“. Fotos, Musik, Videos und Chatver­läufe der Angeklagten zeigten deut­lich deren neon­azis­tis­che Ideologie.
Ben­sch beispiel­sweise hielt sich in Foren auf, deren Mit­glieder sich „Deutsches Reich“, „Adolf Hitler“ oder „Eva Braun“ nan­nten. Urban sam­melte ins­beson­dere Mil­i­taria-Devo­tion­alien, meinte dies aber nur aus Samm­ler­lei­den­schaft zu tun. Ben­schs Vertei­di­ger, Recht­san­walt Balke, warb um Nach­sicht für die bei­den Angeklagten. Er stellte Urban als wenig intel­li­gente dar und auch sein Man­dat Ben­sch sei zu bedauern, da er nun wieder im Keller sein­er Eltern leben müsse. Balke ist der Mei­n­ung, die Nazi­ide­olo­gie sei der einzige Halt, den die Bei­den gehabt hät­ten. Ben­sch habe aber inzwis­chen, vor allem durch die U‑Haft, erkan­nt, wie zer­störerisch die Nazi­ide­olo­gie sei und habe sich davon distanziert.

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Tschetschenische Flüchtlinge wehren sich gegen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz

Flüchtlingsrat unter­stützt offe­nen Brief von Tschetschen_innen aus Cottbus
Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg unter­stützt den beige­fügten offe­nen Brief, in dem sich Tschetschen_innen aus Cot­tbus gegen die ihnen ent­ge­genge­bracht­en ras­sis­tis­chen Zuschrei­bun­gen sowie die ange­wandte Polizeige­walt wehren. Wir unter­stützen ihre Forderun­gen nach ein­er Aufk­lärung der Vor­fälle sowie nach einem Dia­log zwis­chen den Ver­ant­wortlichen aus Min­is­te­rien, der Stadt Cot­tbus und den betr­e­f­fend­en Tschetschen_innen.
Die in dem Brief geschilderten Fes­t­nah­men etlich­er Unbeteiligter, darunter Kranker, die Behand­lung und Ver­wehrung von Recht­en und Infor­ma­tion auf der Polizei­wache, die Durch­suchun­gen von Kindern und ihren Eltern bei vorge­hal­tener Waffe sind unver­hält­nis­mäßig. Der offene Brief und das darin geschilderte Vorge­hen der Behör­den lassen ein ras­sis­tis­ches Pro­fil­ing durch die Sicher­heits­be­hör­den erken­nen, das Tschetschen_innen unter Gen­er­alver­dacht stellt und sie in ihren Grun­drecht­en verletzt.
Die Verfasser_innen des offe­nen Briefes machen außer­dem auf den antimus­lim­is­chen Ras­sis­mus gegenüber Tschetschen_innen aufmerk­sam, der ihnen im All­t­ag und bei Behör­den sowie bei den Vor­fällen der ver­gan­genen Wochen ent­ge­gen schlägt. Ras­sis­tis­che Diskurse um innere Sicher­heit wer­den dabei genutzt, um die Rechte von Tschetschen_innen im Asylver­fahren und während ihres Aufen­thaltes weit­er einzuschränken, sie von Inte­gra­tionsleis­tun­gen auszuschließen und sie gesellschaftlich zu isolieren.
Dabei wer­fen die Ver­ant­wortlichen demokratis­che Grund­sätze gle­ich mit über Bord. So sprach der Leit­er der Aus­län­der­be­hörde Cot­tbus Carsten Kon­za­ck auf dem ver­gan­genen Sach­sendor­fer Bürgerdialog1 von Ausweisun­gen der betr­e­f­fend­en Tschetsch­enen, ohne dass eine Verurteilung seit­ens der Gerichte erfol­gt wäre. Diejeni­gen, über deren Ausweisung nun in der Öffentlichkeit debat­tiert wird, haben gegen ihren ablehnen­den Asylbescheid Klage beim Ver­wal­tungs­gericht ein­gelegt, das die behördlichen Beschei­de prüft. Wenn Carsten Kon­za­ck sagt, er könne das Ver­fahren beschle­u­ni­gen, ist das nicht nur anmaßend, son­dern auch ein frag­würdi­ger Umgang mit der im Grundge­setz ver­ankerten Gewaltenteilung.
In ihrem Offe­nen Brief schildern die Betrof­fe­nen ihre eigene Per­spek­tive auf die aktuelle Sit­u­a­tion in Cot­tbus und darüber hin­aus. Es ist zen­tral, dass die Adressat_innen diese Per­spek­tive sehr ernst nehmen, denn es ist eine Analyse, die in der öffentlichen Debat­te bish­er unge­hört bleibt. Die Kon­struk­tion von Tschetschen_innen als homo­gene Gruppe, von der eine Gefahr aus­ge­hen würde, führt dazu, dass indi­vidu­elle Schick­sale, die Ver­let­zlichkeit von einzel­nen Betrof­fe­nen und die gravieren­den Auswirkun­gen von Ras­sis­mus auf Einzelne aus­ge­blendet wer­den kön­nen. Wenn Men­schen ent­men­schlicht wer­den, wird die Anwen­dung von Gewalt zu einem reinen Verwaltungsakt.
Seit Anfang des Jahres kri­tisiert der Flüchtlingsrat die zunehmende Krim­i­nal­isierung von Geflüchteten in Cottbus2. Der Flüchtlingsrat fordert einen selb­stre­flex­iv­en Umgang der Behör­den mit ras­sis­tis­chen Zuschrei­bun­gen, die sich in öffentlichen Äußerun­gen sowie ihren Hand­lun­gen wider­spiegeln. Wir fordern ein Ende des vorgeschobe­nen und unver­hält­nis­mäßi­gen Sicher­heits­diskurs­es seit­ens der Behör­den in Cot­tbus, deren Lei­d­tra­gende schutz­suchende Men­schen sind. Wir fordern die Aufk­lärung der Vor­fälle in Cot­tbus und einen Dia­log mit den Geschädigten.
1 https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/hartes-vorgehen-gegen-tschetschenen_aid-23645561
2 http://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/aktuelles/wessen-sicherheit-innenminister-auf-dem-rechten-auge-blind

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Rassistische Komplizenschaft

Seit Anfang Juni 2018 beobacht­en wir einen Prozess gegen zwei kur­dis­che Geschäft­sleute aus Bran­den­burg. Der Vor­wurf: gefährliche Körperverletzung.
Ver­meintlich Geschädigter und Neben­kläger in dem Prozess ist Herr S. Dieser ist im Ort kein Unbekan­nter. Seit Jahren ter­ror­isiert er vor allem migrantis­che Geschäft­streibende, pöbelt in ihren Gast­stät­ten, belei­digt sie ras­sis­tisch, weigert sich seine Speisen und Getränke zu zahlen und wird hand­grei­flich, sobald er darauf ange­sprochen wird. Wieder­holt übte er kör­per­liche Gewalt aus. Fast über­all hat er deshalb Hausver­bot. Die Betrof­fe­nen sind von S. jedoch so stark eingeschüchtert, dass kaum ein Vor­fall je zur Anzeige kommt.

Auch Herr F. und Herr L., Angeklagte im oben genan­nten Prozess, haben seit Jahren Prob­leme mit S. Über das Hausver­bot in ihrem Laden hat er sich wieder­holt hin­wegset­zt. Die Lage ist so bedrohlich, dass F. und L.s Kund*innen weg­bleiben und sie Schwierigkeit­en haben, Mitarbeiter*innen zu find­en. An einem Abend im Früh­jahr 2015 eskaliert die Sit­u­a­tion erneut: S. häm­mert an die Scheibe, zeigt einen Hit­ler­gruß und den emporgestreck­ten Mit­telfin­ger und beschimpft die Inhab­er ras­sis­tisch. Diese stellen S. zur Rede, ver­weisen auf ihr Haus­recht und rufen die Polizei, um Anzeige zu erstat­ten. Was dann passiert, gle­icht einem Alb­traum: Denn wie so oft bei solchen Vor­fällen geriert sich der eigentliche Täter als Opfer und erstat­tet eine Gege­nanzeige wegen ange­blich­er Kör­per­ver­let­zung. Diese Strate­gie baut auf ein­er ras­sis­tis­chen Kom­plizen­schaft zwis­chen Täter und Polizei auf, für die keine Absprache notwendig ist und sie hat Erfolg: Die Beamt*innen ermit­teln nur lück­en­haft und gehen den Vor­wür­fen von S. nach, während sie die der bei­den Laden­in­hab­er fall­en lassen. In der Folge stellt die Staat­san­waltschaft das Ver­fahren gegen S. ein und erhebt stattdessen Anklage gegen F. und L. Das liegt nicht nur an der ras­sis­tis­chen Ermit­tlungsar­beit der Polizei, son­dern auch daran, dass sich kaum Zeug*innen find­en lassen, die bere­it sind, gegen S. auszusagen. Zu groß ist die Angst vor seinen Gewaltausbrüchen.

Im Prozess set­zt sich die Täter-Opfer-Umkehr weit­ge­hend fort. Die Vertei­di­gung kommt trotz guter Vor­bere­itung nicht gegen den ras­sis­tis­chen Grund­ver­dacht an, der besagt, dass ein „ver­meintlich oder tat­säch­lich aus­ländis­ches Opfer zunächst immer ein Täter ist“. Trotz zum Teil wirrer und wider­sprüch­lich­er Zeu­ge­naus­sagen ist eine Verurteilung von F. und L. nicht unwahrschein­lich. Für die bei­den Angeklagten ste­ht viel dem Spiel: Dieser und ähn­liche Vor­fälle bedro­hen ihre Exis­tenz. Sollte es zu ein­er Verurteilung kom­men, wären sie außer­dem vorbe­straft, was für F. auch neg­a­tive Auswirkun­gen auf sein Aufen­thalt­srecht in Deutsch­land haben kann.

Ras­sis­tis­che Gewalt, ein­seit­ige Ermit­tlun­gen der Polizei, Krim­i­nal­isierung und Aufen­thalt­sregime, auch für Bran­den­burg scheint zu gel­ten: „Staat und Nazis Hand in Hand“. Wir sol­i­darisieren uns mit den Angeklagten, fordern die sofor­tige Ein­stel­lung dieses absur­den Ver­fahrens gegen F. und L. sowie ein Ende der ras­sis­tis­chen Gewalt!

Inforiot