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Geschichte & Gedenken

Wie die SPSG lernte die Bombe zu lieben“

Beim Ein­treten in die Ausstel­lung „Pots­damer Kon­ferenz 1945 – Die Neuord­nung der Welt“ sind wir zunächst erle­ichtert. Gestal­ter­isch erin­nert im Inneren des Schloss­es Cecilien­hof wenig an den Tota­laus­fall des Ausstel­lungsplakates, das die ver­meintlichen vier Pro­tag­o­nis­ten der Ausstel­lung zeigt – Tru­man, Churchill, Stal­in und die Atom­bombe. Zum 75. Jahrestag „eines der bedeu­tend­sten his­torischen Ereignisse des 20. Jahrhun­derts“ ver­spricht die  Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten Besucher_innen sehr viel: „am authen­tis­chen Ort“ würde man sie auf eine „mul­ti­me­di­ale Zeitreise schick­en“; mul­ti­per­spek­tivisch seien die Ereignisse dargestellt, und vor allem „sach­lich und ideologiefrei“. 
Eine Zeitreise ins Jahr 1945? Was soll da schon schief gehen… Dass die Kurator_innen sich beson­dere Mühe gegeben haben, das Ver­sprechen der Ide­olo­giefrei­heit umzuset­zen, wird in der Ausstel­lung sehr schnell deut­lich – auf die Darstel­lung ide­ol­o­gis­ch­er und poli­tis­ch­er Moti­va­tio­nen haben sie weitest­ge­hend verzichtet. So wird die Vorgeschichte der Kon­ferenz – Faschis­mus, Shoah, Kriegsver­brechen – zu Beginn des Rundgangs zunächst mit ein paar groß­for­mati­gen Bildern angedeutet. Zu sehen sind Trüm­mer­land­schaften, ein Über­leben­der in KZ-Häftlingsklei­dung, ein weinen­des Kind und Men­schen, die anscheinend schon 1945 den Tag der Befreiung feiern und einen Sol­dat­en hochleben lassen. Erk­lärun­gen dazu gibt es keine, außer, dass diese Bilder vom Ende des „grauenhafte[n], vernichtende[n] Krieges“ stammen. 
Über die Ursachen des Krieges wer­den wir erst im vierten Raum informiert: der Audio­gu­ide erzählt uns, dass der Beginn des Zweit­en Weltkrieges in Europa zwar auf den 1. Sep­tem­ber 1939 „datiert“ würde, „tat­säch­lich hat der Krieg bere­its zwei Jahre früher [in Japan] begonnen“. Unter dem Vor­wand ein­er inter­na­tionalen Per­spek­tive wird der Aspekt der Kriegss­chuld zu ein­er bloßen Datierungs­frage. Kriegsver­brechen und Ver­brechen gegen die Men­schlichkeit wer­den hüb­sch ver­packt als Pik­togramme auf einem großen Zeit­strahl dargestellt. Es wird darauf ver­traut, dass die Besucher_innen schon irgend­wie wüssten, wie das mit diesem Krieg war. Na, ihr wisst schon, Hitler und so, müssen wir das wirk­lich nochmal sagen? 
In den Räu­men, in denen die Kon­ferenz einst stat­tfand, wer­den wir über die Ver­hand­lun­gen informiert. Das Span­nend­ste daran ist aber, wie so oft, das, was nicht gezeigt wird: Nazis. Großzügig umschif­f­en die Ausstel­lung­s­texte bere­its in ihrer Wort­wahl die Ver­ant­wor­tung der deutschen Bevölkerung. Deutsche trifft man in der Ausstel­lung vor allem als Opfer von Zer­störung, Verge­wal­ti­gung und Vertrei­bung. An dieser Stelle erleben wir das erste Mal die angekündigte Mul­ti­per­spek­tiv­ität: auch aus pol­nis­ch­er Per­spek­tive wird die „Umsied­lungspoli­tik“ geschildert. Unter dem Topos des Heimatver­lustes sind Deutsche und Polen hier vere­int. Während wir aus­führlich die Geschichte ein­er deutschen Fam­i­lie nachempfind­en kön­nen, deren Vater „heimwehkrank“ in der Fremde stirbt, sind die Schick­sale von 10 Mil­lio­nen dis­placed per­sons hinge­gen nur eine Rand­no­tiz wert. 
Nach ein­er kurzen Ver­schnauf­pause, bei der Besucher_innen auf den Stühlen der „großen Drei“ Platz nehmen und sich mith­il­fe von aug­ment­ed real­i­ty für ein Foto zwis­chen Churchill und Stal­in set­zen kön­nen, geht es zum End­spurt der Ausstel­lung. Es ist nur noch ein schwarz­er Kor­ri­dor bis wir das Ende der Ausstel­lung erre­ichen. Das Licht am Ende des Tun­nels ist schon zu sehen und der Flucht­punkt der Ausstel­lung klar erkennbar – die Grün­dung der Vere­in­ten Natio­nen. Die meis­ten Besucher_innen um uns herum durch­schre­it­en schnell die let­zten Sta­tio­nen dor­thin, denn während den Opfern von Vertrei­bung ein großer Raum gewid­met ist, wer­den die Grenzziehun­gen und Kon­flik­te im Nahen Osten, die Irankrise, der Krieg im Paz­i­fik und der chi­ne­sis­che Bürg­erkrieg auf knapp 15 Metern abge­han­delt. Ohne historisches Vor­wis­sen sind die Zitate an den Wän­den kaum ver­ständlich und die Enge bedrück­end. Einen Zwis­chen­stopp leg­en die meis­ten Besucher_innen aber dann doch noch ein: durch eine aufwendi­ge Medi­enin­stal­la­tion ist der Abwurf der Atom­bombe zu beobacht­en. Mit san­fter Musik unter­malt fliegt die Kam­era über Hiroshi­ma. Langsam segelt die Bombe durch die Wolken, danach: Krachen, Blitze, Zuck­en und am Ende Stille. Im Zehn-Minu­ten­takt kön­nen die Besucher_innen so „Ver­nich­tung und Leid“ nach­fühlen. Ahja. Aber auch hier: keine Täter, nur Opfer. An den schwarzen Wän­den ste­hen sich so die Zitate eines japanis­chen Jun­gens, der den Bombe­nan­griff über­lebte und über die Ver­bren­nun­gen sein­er Haut berichtet, und das des Co-Piloten des Bomben­fliegers gegenüber – „Oh my god, what have we done!“ Es hätte also nicht mehr die Skulp­tur „Der Frieden“ gebraucht, um die Mes­sage der Ausstel­lung zu ver­ste­hen: Krieg ist ganz doll doof, egal von wem er ange­fan­gen wurde. 
Die SPSG bedi­ent sich damit erin­nerungspoli­tisch eines min­destens weichge­spül­ten, wenn nicht augen­wis­cherischen Narrativs. 
Ein weit­er­er blind­er Fleck der Ausstel­lung ist pro­to­typ­isch für da Wirken der SPSG:  Die Rolle der preußis­chen Herrscher­fam­i­lie beim Auf­stieg des Faschis­mus bleibt vol­lkom­men uner­wäh­nt, genau­so wie die aus der Pots­damer Kon­ferenz resul­tierende Auflö­sung Preußens. Stattdessen ver­ab­schiedet uns der Audio­gu­ide mit der Auf­forderung, doch auch noch die anderen Schlöss­er, beispiel­sweise die bemerkenswerte, frühk­las­sizis­tis­che Ausstel­lung im nahegele­ge­nen Mar­mor­palais, anzuschauen. Na dann… 
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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Niemand ist Vergessen“


Für Mittwoch, den 01. Juli 2020, riefen das Soziale Zen­trum JWP „Mit­ten­Drin“ und die linksju­gend [´sol­id] Neu­rup­pin zum gemein­samen Gedenken an Emil Wend­land auf. An diesem Tag jährte sich der Mord an dem damals woh­nungslosen Lehrer Emil Wend­land zum 28. Mal, dieser wurde am 01. Juli 1992 von örtlichen Neon­azis erst mis­shan­delt und im Anschluss ermordet.[1]

Opfer rechter Gewalt

Bran­den­burg ist eines der Bun­deslän­der, in denen seit der Wiedervere­ini­gung die meis­ten Todes­opfer rechter Gewalt zu bekla­gen sind. Die Opfer­per­spek­tive verze­ich­net 22 Todes­opfer rechter, ras­sis­tis­ch­er und sozial­dar­win­is­tis­ch­er Gewalt, die seit den 1990 Jahren durch Neon­azis ums Leben gekom­men sind – bei sechs weit­eren gebe es eben­falls Indizien für ein recht­es Tat­mo­tiv und sie wer­den als Ver­dachts­fälle erfasst. Klar ist, dass es sich dabei um keine Einzelfälle han­delt, son­dern vielmehr um eine Kon­ti­nu­ität rechter Gewalt, die in Bran­den­burg, aber auch in ganz Deutsch­land eine lange trau­rige Geschichte und Gegen­wart hat. Solche Tat­en dür­fen nicht in Vergessen­heit ger­at­en und es bedarf eines würdi­gen Erinnerns.

Durch die Kun­stak­tion eines soge­nan­nten „Die-In“ woll­ten wir dies verdeut­lichen. So nutzten wir den Schulplatz dafür mit weißer Krei­de Umrisse zu malen, welche sym­bol­isch für die 22 Opfer von rechter Gewalt in Bran­den­burg ste­hen und hin­ter­ließen diese mit deren Biografien und Bilder. Außer­dem ging es uns darum, Aufmerk­samkeit für die Opfer zu schaf­fen, denn viel zu häu­fig geht es vor allem um die Täter*innen und den Ver­such Erk­lärungsan­sätze für die Tat­en zu find­en und zu wenig liegt der Fokus auf den Betrof­fe­nen, deren Leben­sre­al­ität oder auch dem Umfeld bzw. deren Hinterbliebenen.

Sicht­barkeit

Ursprünglich trat unsere Kam­pagne „Nie­mand ist Vergessen“ 2012 mit dem Ziel an, eine Straße in Neu­rup­pin nach Emil Wend­land umzube­nen­nen. Nach ver­schiede­nen Diskus­sio­nen wurde damals klar, dass dies wohl nicht real­isiert wer­den könne und es wurde sich auf eine Gedenk­tafel im Neu­rup­pin­er Rosen­garten geeinigt, um zumin­d­est einen Ort der Erin­nerung an Emil Wend­land zu schaffen.

In diesem Jahr grif­f­en wir diese Forderung erneut auf und benan­nten zumin­d­est sym­bol­isch die Post­straße in Emil-Wend­land-Straße um. Unsere Forderung bleibt beste­hen, wir wollen das die näch­ste Straße, welche in Neu­rup­pin entste­ht, den Namen „Emil-Wend­land-Straße“ trägt, um das Gedenken an die Opfer rechter Gewalt zumin­d­est sym­bol­isch sicht­bar­er zu machen.

Gedenken im Neu­rup­pin­er Rosengarten

Ab 18 Uhr fand dann das tra­di­tionelle Gedenken im Neu­rup­pin­er Rosen­garten statt, an dem ca. 60 Per­so­n­en teil­nah­men. Neben den Rede­beiträ­gen des Sozialen Zen­trums JWP „Mit­ten­Drin“ und der linksju­gend [´sol­id] Neu­rup­pin, hiel­ten auch der Vor­sitzende der Stadtverord­neten­ver­samm­lung Gerd Kli­er (Die LINKE) und der Bürg­er­meis­ter Jens-Peter Golde (parteiun­ab­hängig) einen Rede­beitrag. In bei­den Beiträ­gen wurde nochmal her­vorge­hoben wie wichtig eine kon­tinuier­liche Gedenkar­beit an die Opfer rechter Gewalt auch in Neu­rup­pin ist und es nie zu ein­er Poli­tik des Vergessens kom­men darf.

Im Anschluss an die Rede­beiträge und dem Nieder­legen der Kränze wurde zum Abschluss Emil Wend­land noch mit ein­er Schweigeminute gedacht.

In diesem Sinne:

Kein Vergeben! Kein Vergessen!
Im Gedenken an Emil Wend­land und alle anderen Opfer rechter Gewalt!

 

Soziales Zen­trum JWP „Mit­ten­Drin“ und linksju­gend [´sol­id] Neuruppin

Bilder: @Presseservice Rathenow: hier

 

[1] https://www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/victims-emil-wendland.php

 

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gedenken an Emil Wendland

Gedenken: Mittwoch den 01. Juli 2020 | 18:00 Uhr | Rosen­garten Neuruppin

Aufrufende: Soziales Zen­trum JWP „Mit­ten­Drin“ e.V. und linksju­gend [´sol­id] Neuruppin

Die Tat

Am 1. Juli 2020 jährt sich zum 28. Mal der Mord an dem damals woh­nungslosen Lehrer Emil Wend­land. In der Nacht zum 1. Juli 1992 über­fie­len nach einem Saufge­lage drei örtliche Naziskin­heads den völ­lig wehrlosen und schlafend­en Wend­land im Neu­rup­pin­er Rosen­garten, trat­en mit Springer­stiefeln auf ihn ein und zer­schlu­gen eine Bier­flasche an seinem Kopf. Vor­erst ließen sie den schw­er Ver­let­zten zurück bis ein­er aus der Gruppe zurück­kehrte und mit einem Jagdmess­er sieben Mal auf ihn ein­stach, sodass dieser verblutete.
Im Anschluss daran kehrte die Gruppe noch ein­mal zurück und sam­melte mögliche Beweis­mit­tel ein. Emil Wend­land starb in dieser Nacht in Neu­rup­pin. Seit­dem gibt es durch das JWP Mit­ten­Drin das Bemühen eines regelmäßi­gen Gedenkens.

Motive

Emil Wend­land musste ster­ben, weil er auf­grund von Woh­nungslosigkeit und ein­er Alko­holkrankheit nicht in das rechte Welt­bild sein­er Mörder passte. In der Ver­hand­lung wurde das sozial­dar­win­is­tis­che und klas­sis­tis­che Motiv der Täter an mehreren Punk­ten deut­lich. So gin­gen die drei Mit­glieder der örtlichen Neon­aziszene los um „Assis aufzuk­latschen“. Ein Täter habe das Opfer für „einen Men­schen zweit­er Klasse gehal­ten“ und ein ander­er sah Woh­nungslose Men­schen als „mißliebig und ver­acht­enswert an“.

Doch wir sagen, es gibt kein Unwertes Leben! Kampf dem Klassismus!

Flyer zur Gedenkveranstaltung - Abgebildet sind eine Rose, ein Foto von Emil Wendland und das Logo der Antifaschistischen Aktion. Dazu der Text: Niemand ist Vergessen, In Gedenken an alle Opfer rechter Gewalt, Gedenken an Emil Wendland, 01. Juli 2020 18 Uhr, Rosengarten Neuruppin

Kein Einzelfall

Bran­den­burg ist eines der Bun­deslän­der, in denen seit der Wiedervere­ini­gung die meis­ten Todes­opfer rechter Gewalt zu bekla­gen sind. Die Opfer­per­spek­tive Bran­den­burg verze­ich­net 22 Todes­opfer rechter, ras­sis­tis­ch­er und sozial­dar­win­is­tis­ch­er Gewalt, die seit den 1990 Jahren durch Neon­azis ums Leben gekom­men sind. Zudem wer­den fünf Per­so­n­en als Ver­dachts­fälle gelis­tet, wo weit­ere Indizien auf ein recht­es Motiv hin­weisen, es aber lei­der an Infor­ma­tio­nen fehlt, um eine abschließende Bew­er­tung dieser Fälle vornehmen zu kön­nen. Dies sind nur einige Beispiele, die verdeut­lichen sollen – es han­delt sich dabei nicht um Einzelfälle!

Gedenken

Wir rufen alle Bürger*innen am 01. Juli 2020 ab 18 Uhr auf, sich am Rosen­garten, dem zen­tralen Gedenko­rt für Emil Wend­land, einzufind­en, diesem würdig zu Erin­nern und ein sicht­bares Zeichen gegen rechte Het­ze und Gewalt zu set­zen. Diese Tat­en dür­fen nicht in Vergessen­heit geraten!

Kein Vergeben!! Kein Vergessen!!!
Im Gedenken an Emil Wend­land und alle anderen Opfer rechter Gewalt!

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Geschichte & Gedenken

Bauzaun des Anstoßes

Manch­es was in dieser Stadt passiert, ist so platt und doof, dass man sich fast nicht die Mühe machen will, es zu kri­tisieren. Erfordert Kri­tik doch immer eine Beschäf­ti­gung mit ihrem Gegen­stand und intellek­tuelle Anstren­gun­gen. Und trotz­dem muss man sich auch immer mal wieder mit so irren Vorhaben wie dem Schüler­pro­jekt „Teilung-Ein­heit“ am Baustel­len­za­un der Nazikirche in der Bre­it­en Straße auseinan­der­set­zen. Allein schon, weil der­ar­tige „Pro­jek­te“ dur­chaus aus­sagekräftig hin­sichtlich der gesellschaftlichen Zustände sind – nicht nur in dieser Stadt.

Um was geht es? Aller­gisch wie die Gar­nisonkirchen­s­tiftung auf jede Form der Kri­tik an der Errich­tung ein­er Kopie des zen­tralen religiösen Wall­fahrt­sortes der radikalen Recht­en während der Weimar­er Repub­lik und des Nation­al­sozial­is­mus reagiert, fühlt sie sich auch durch Graf­fi­ti, Aufk­le­ber, Plakate und ähn­lich­es an „ihrem“ Baustel­len­za­un provoziert. Um dem etwas ent­ge­gen­zuset­zen, übern­immt sie die Strate­gie der Pots­damer Stadtwerke, die schon seit Jahren Verteil­erkästen, Trafo­häuschen u.ä. von Sprayern, die mit­tler­weile auch irgend­wie ihren Leben­sun­ter­halt ver­di­enen müssen, mit naiv­er Malerei (Son­nen­blu­men, Käfer, Schloss Sanssouci, etc.) “ver­schön­ern“ lassen. Natür­lich darf es am Zaun der Gar­nisonkirche nicht irgen­dein belan­glos­es Bild ein­er Wiese mit Schmetter­lin­gen sein. Und Bilder aus den Fotoal­ben der Ange­höri­gen des berühmten Infan­teriereg­i­mentes 9, die sich – darauf ist man bei der Stiftung sehr stolz – in der Gar­nisonkirche seel­sorg­erisch in ihrem Tun unter­stützen ließen, möchte man dann doch nicht nehmen. Erschossene Frauen und Kinder in ein­er Grube irgend­wo zwis­chen Białys­tok und Moskau, eine junge Frau an einem Gal­gen, eine Schild mit der Auf­schrift „Par­ti­sa­nen“ um den Hals, die Erschießung von „Kom­mis­saren“ an einem Wal­drand, lachende junge Män­ner in Wehrma­cht­suni­for­men, die einen alten Mann mit langem Bart foltern… nein, wird man sich bei der Stiftung gedacht haben, das geht nicht, das kommt ger­ade nicht so gut und irgendw­er muss ja auch an die Kinder denken.

Statt sich also kri­tisch mit der Geschichte des Nation­al­sozial­is­mus auseinan­derzuset­zen, also der Geschichte der Gar­ni­sionkirche, wird sich an diesem Ort mit dem „Sturz der SED Dik­tatur“ beschäftigt und somit indi­rekt mit den Ver­brechen der völkischen Raserei gle­ich gesetzt.Damit dürfte nochmals klar gewor­den sein was von den Beteuerun­gen der Stiftung für den Wieder­auf­bau der Gar­ni­sionkirche zu hal­ten ist, nicht nur ein Wall­fahrt­sort für Preußenfanatiker_innen und Faschist_innen schaf­fen zu wollen, son­dern auch einen Ort der Ver­söh­nung und des Lernens.

Apro­pos Kinder. Da es sich hierzu­lande einge­bürg­ert hat, wenn es irgend­wie um den Umgang mit der deutschen Geschichte geht, kri­tis­che Auseinan­der­set­zung durch „Pro­jek­te“ mit Schüler_innen zu sub­sti­tu­ieren, warum sollen die nicht auch hier die Dreck­sar­beit übernehmen? Und so dür­fen jet­zt 12 Schüler*innen der Voltaireschule den Baustel­len­za­un anmalen. Betreut wer­den sie dabei von der im Rechen­zen­trum ansäs­si­gen Malerin Jeanne van Dijk, deren kün­st­lerisch­er Integrität zuliebe man hof­fen muss, dass sie diesen Job annehmen musste. Denn was da entste­hen soll, ist Pro­pa­gan­da vom Fein­sten, so zumin­d­est ver­meldet es die PNN: „…soll … an die friedliche Rev­o­lu­tion 1989/90 erin­nert wer­den. … Fotos aus der Zeit der deutschen Teilung und der Wiedervere­ini­gung prägten die Erin­nerung viel­er Gen­er­a­tio­nen, sie weck­ten Emo­tio­nen, Gedanken und Fra­gen…“. Mit der Ineins­set­zung von „friedlich­er Rev­o­lu­tion“ und Wiedervere­ini­gung wird die die Geschichte des Auf­begehrens in der DDR im Herb­st 1989 wieder als der große Aus­druck des Wun­sches nach deutsch­er Wiedervere­ini­gung dargestellt. Eine Erzäh­lung wie sie die bun­des­deutschen Geschichtsin­sti­tu­tio­nen seit 30 Jahren wieder­holen, um nicht über damals artikulierte Wün­sche nach einem men­schen­fre­undlicheren und demokratis­chen Sozial­is­mus und die Gründe für deren Scheit­ern, die über die Behaup­tung „das waren halt unre­al­is­tis­che Phan­tastereien ein­er ver­schwinden­den Min­der­heit“ hin­aus­ge­hen, reden zu müssen. Nein, die deutsche Teilung und Wiedervere­ini­gung, das ist das zen­trale Par­a­dig­ma der zweit­en Hälfte des 20. Jahrhun­derts. Daran wird nicht gerüt­telt. Und wessen Erin­nerung nicht davon geprägt ist, wer sich nicht vom Wun­sch nach einem Deutsch­land von Maas bis an die Memel, z.Z. von Rhein bis Oder (Notge­drun­gen, denn Vertrei­bung bleibt bekan­ntlich Unrecht!) anrühren lässt, der ist eh nicht von hier, gehört eh nicht dazu und ist wahrschein­lich Kommunist_in, wenn nicht noch Schlim­meres. Jeden­falls, die neu erbaute Gar­nisonkirche, ein Pro­jekt nationaler Bedeu­tung immer­hin, soll wohl irgend­wie, so zumin­d­est lässt sich dieses „Pro­jekt“ ver­ste­hen, den ewigen deutschen Wun­sch nach Vere­ini­gung abschließend krö­nen oder so. Wir hof­fen erneut, dass die beteiligten Schüler_innen das nur machen um sich bei ihrer Lehrer_innen einzuschme­icheln um eine gute Note zu bekommen.

Das Bemalen des Zaunes wird durch die die Gar­nisonkirchen-Förderge­sellschaft, die Bun­dess­tiftung Aufar­beitung der SED-Dik­tatur und die F.C. Flick-Stiftung gefördert. Nun kann ja nicht alles, was mit dem „Wieder­auf­bau“ der Gar­nisonkirche zu tun hat, aus Steuer­mit­teln bezahlt wer­den, das ist klar. Aber dass die Förderge­sellschaft es noch nicht mal schafft, aus den Mit­teln, die ihr von alten Nazis und deren Erben, Fernsehsternchen mit dem Wun­sch „was Bleiben­des zu hin­ter­lassen“, naiv­en Tourist_innen und Sozialdemokrat_innen über­lassen wer­den, ein paar Eimer Farbe zu bezahlen, erstaunt dann schon. Oder war es nicht fehlen­des Geld oder Geiz, son­dern das ganz beson­dere Gespür der Liebhaber_innen der Nazikirche für den Geist des Ortes, dass sie die bei­den Stiftun­gen mit ins Boot holen ließ? Die Bun­dess­tiftung Aufar­beitung der SED-Dik­tatur ist die zen­trale bun­des­deutsche Instanz zur Ver­wal­tung der DDR-Geschichte. Ihr Tätigkeitss­chw­er­punkt liegt dabei auf der Instru­men­tal­isierung der Geschichte des „real existieren­den Sozial­is­mus“ zur Dele­git­imierung sämtlich­er Vorstel­lun­gen die Welt bess­er einzuricht­en. Es erstaunt nicht, dass sich in ihrem Umfeld diverse „DDR-Bürg­er­rechtler_in­nen“ wohlfühlen, die sich in den let­zten Jahren zur mehr oder weniger Neuen Recht­en bekan­nt haben. Die F.C. Flick Stiftung engagiert sich „gegen Frem­den­feindlichkeit, Ras­sis­mus und Intol­er­anz“. Gegrün­det wurde sie von Friedrich Chris­t­ian Flick, Enkel des Rüs­tung­sun­ternehmers und Kriegsver­brech­ers Friedrich Flick, der hier ein paar Krümel seines enor­men Ver­mö­gens dafür aufwen­det, davon abzu­lenken, dass dieses Ver­mö­gen recht­mäßiger Weise einge­zo­gen und an die ehe­ma­li­gen Zwangsarbeiter_innen seines Groß­vaters hätte aus­bezahlt wer­den müssen. Die Koop­er­a­tion dieser drei Insti­tu­tio­nen mit dem Ziel, junge Men­schen einen Baustel­len­za­un mit erbaulichen Bildern zur deutschen Ein­heit bemalen zu lassen, spiegelt das ganze Elend des „Wieder­auf­baus“ der Gar­nisonkirche wider. Seine intellek­tuelle und ästhetis­che Erbärm­lichkeit, die Abwe­sen­heit jed­er Form von Schamge­fühl, die Abwehr der kri­tis­chen Auseinan­der­set­zung mit den deutschen Ver­brechen von Ver­nich­tungskrieg und Shoah und das stolzdeutsche Auftrumpfen, endlich wieder die Größe der eige­nen Nation feiern zu wollen. Wer sich an diesem „Schüler­pro­jekt“ beteiligt, und sei es nur far­be­nan­mis­chend, macht sich damit gemein.

Wir als Bünd­nis gegen den deutschen Ein­heits­brei fordern:

– dem, unter anderen Vorze­ichen, fort­ge­set­zten Miss­brauch von Kindern und Jugendlichen durch die Kirche sofort Ein­halt zu gebieten.
– die Ausweisung van Dijk‘s aus dem Kün­stler­haus RZ und ihre Ver­mit­tlung an eine der unbe­set­zten Aus­bil­dungsstellen in einem Pots­damer Maler_innenbetrieb
– diesem schwarzen Tag für Kun­st, Kul­tur und Zivil­i­sa­tion Rech­nung zu tra­gen und das gesamte Are­al schwarz zu verhüllen

Re:Kapitulation-Bündnis Pots­dam

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(Anti)militarismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Erinnern heißt kämpfen! Gedenken in Finsterwalde.

(…)Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der let­zte Schuldige vor den Richtern der Völk­er ste­ht. Die Ver­nich­tung des Nazis­mus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Auf­bau ein­er neuen Welt des Friedens und der Frei­heit ist unser Ziel(…).“

Am 75. Jahrestag der Befreiung Deutsch­lands vom Hitler­faschis­mus erin­nerten wir gemein­sam an alle Men­schen, denen ihr Leben durch den Hass und den Ter­ror des Naziregimes genom­men wurde. Genau­so gedacht­en wir der­er, die ihr Leben im Wider­stand gegen das Regime und für Frieden und Frei­heit ließen.

Doch mit dem Ende des 2. Weltkriegs 1945 war der Faschis­mus längst nicht besiegt und auch der Schwur von Buchen­wald „Nie wieder Faschis­mus, Nie wieder Krieg“ hat sich bis heute nicht erfüllt. Es ist unsere Verpflich­tung, so lange zu kämpfen, bis wir in ein­er Welt ohne Unter­drück­ung und Aus­beu­tung leben – in ein­er Welt der Selb­st­bes­tim­mung, des Respek­ts und der Solidarität.

Doch was bedeutet der Schwur von Buchenwald für uns?

Für eine Gen­er­a­tion, die in den Wirren des Nieder­gangs des Real­sozial­is­mus groß gewor­den ist, war das Gedenken an die Ver­brechen des Faschis­mus max­i­mal ein Schu­laus­flug in ein KZ oder nur eine paar Geschichtsstun­den. Welche Ver­ant­wor­tung haben wir, die Jahrzehnte später geboren wurden?

Erst ein­mal müssen wir unseren eige­nen his­torischen Kon­text betra­cht­en. Als Grup­pen und Per­so­n­en, die einen poli­tis­chen Anspruch for­mulieren, sowie eine rev­o­lu­tionäre Prax­is anstreben, sind wir die ide­ol­o­gis­chen Erben von bish­eri­gen frei­heitlichen und poli­tis­chen Wider­stands­be­we­gun­gen. Wider­stand zu leis­ten, bis sich der Schwur von Buchen­wald erfüllt, ist die Ver­ant­wor­tung, die an uns weit­ergegeben wurde. Denn eine grundle­gende Verän­derung der Welt hin zu einem besseren Ort, wurde immer noch nicht erre­icht. Aus­beu­tung, Unter­drück­ung, Krieg, Folter, Fem­izide, ras­sis­tis­che Pogrome und Genozide sind immer noch tägliche Realität.

Neben dem aktiv­en und kreativ­en Wider­stand, den wir auf­bauen und leis­ten müssen, spielt auch die Wieder­aneig­nung und Entwick­lung ein­er eige­nen rev­o­lu­tionären Kul­tur eine große Rolle in unserem Kampf. Um dieser Kul­tur einen Raum zu geben, sind zen­trale Tage der Erin­nerung wichtig. Sie brin­gen uns den Men­schen, die vor uns gekämpft haben, ein Stück näher und lassen uns erken­nen, welche Opfer diese Men­schen für uns gaben. So lassen sich auch unsere eige­nen, aktuellen Kämpfe in einem anderen Kon­text betra­cht­en und mit Leben füllen. Dabei sind beson­ders Wider­stand­slieder, Musik und Gedichte eine starke Waffe gegen das Vergessen. Sie lassen uns Schmerz und Wut spüren, die wir in neue Kraft und Stärke für unsere Kämpfe umwan­deln können.

Im Rah­men des Gedenkens haben wir zen­trale Orte in Fin­ster­walde und Magde­burg besucht und dort den Opfern des Faschis­mus und den Wider­stand­skämpferIn­nen gedacht.

Finsterwalde

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Stadt Fin­ster­walde durch die Trup­pen der Roten Armee und den Antifaschis­tis­chen Wider­stand­skämpfern woll­ten wir den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus gedenken. Erst­ma­lig woll­ten wir in diesem Jahr eine kleine „Gedenk­tour“ durch­führen, welche am 25.04.2020 ein Tag nach der Befreiung von Fin­ster­walde stat­tfind­en sollte. Die Gedenk­tour sollte am ehe­ma­li­gen VVN Denkmal am Spring­brun­nen in Fin­ster­walde starten. Weit­er sollte es zum Geschwis­ter Scholl Denkmal, zum Sow­jet­fried­hof und zum Denkmal für die deportierten KZ-Häftlinge auf dem Fried­hof Fin­ster­walde gehen. Danach woll­ten wir gemein­sam nach Tröb­itz zum jüdis­chen Fried­hof fahren, wo wir dem „Ver­lore­nen Zug“ gedenken wollen. In dem Zug befan­den sich KZ-Häftlinge aus Bergen-Belsen, welche in Viehwag­gons getrieben mehrere Tage durch Deutsch­land fuhren, bis der Zug wegen ein­er gesprengten Brücke bei Tröb­itz ste­hen bleiben musste, zwei Tage später wurde der Zug durch die Rote Armee befre­it. Zum Schluss sollte die Tour am KZ Schlieben-Berga enden, dort woll­ten wir den ehe­ma­li­gen Häftlin­gen gedenken, die dort für die Wehrma­cht Panz­er­fäuste pro­duzieren mussten. Auf­grund der Coro­na Lage mussten wir die Tour in dieser Form lei­der absagen und haben diese in ein­er etwas kleineren Form auf den 08.05.2020 verlegt.

Am 08.05.2020 trafen wir uns dann zu ein­er kleinen Gedenk­tour, welche sich auf den Raum Fin­ster­walde begren­zte. Wir stell­ten am Geschwis­ter Scholl Denkmal, am Sow­jet­fried­hof, am Denkmal für die deportierten KZ-Häftlinge und am K.P.D. Denkmal für die rus­sis­chen Kriegs­ge­fan­genen Kerzen auf, entroll­ten die „Antifaschis­tis­che Aktion“ Fahne und legten jew­eils eine Gedenkminute ein.
Zum Abschluss trafen wir uns am Spring­brun­nen wo zu DDR Zeit­en das VVN Denkmal ange­bracht war. Dieses wurde nach der Wende ent­fer­nt und durch ein anderes erset­zt. Das neue Denkmal erin­nert aber nicht mehr an die Wider­stand­skämpfer aus Fin­ster­walde, welche sich in ein­er Betrieb­s­gruppe gegrün­det haben und die Befreiung von Fin­ster­walde planten und zusam­men mit der Roten Armee durch­führten. Einige von ihnen wur­den vorher von den Nation­al­sozial­is­ten in KZs deportiert oder ermordet. Wir fordern auch in diesem Jahr wieder die Stadt Fin­ster­walde auf, die Ehrentafel aufzuhän­gen. Das VVN Denkmal stand unter dem Titel „Wir star­ben für Frei­heit und Gerechtigkeit, vol­len­det unsern Kampf“ in diesen Kampf steck­en wir auch heute noch und wer­den diesen weit­er­tra­gen und auch in Zukun­ft entschlossen gegen den Faschis­mus kämpfen!

Eine aus­führlichere Gedenk­tour in die Umge­bung von Fin­ster­walde wir es bald geben. Den Ter­min wer­den wir dann rechtzeit­ig veröf­fentlichen. Weit­er­hin wird die wider­ständi­ge Geschichte von Fin­ster­walde im Laufe des Jahres weit­er aufgear­beit­et und es wer­den weit­ere Aktio­nen folgen.

Abschließend wollen wir sagen, das dass Beispiel der anar­chis­tis­chen und kom­mu­nis­tis­chen Wider­stand­skämpferin­nen und Kämpfer uns zeigt, dass wir heute schon anfan­gen müssen, den antifaschis­tis­chen Selb­stschutz aufzubauen und nicht warten dür­fen, bis es zu spät ist. Der Faschis­mus ist eine Aus­ge­burt des weltweit­en Kapitalismus/Imperialismus, deshalb muss unser Wider­stand und Sol­i­dar­ität auch inter­na­tion­al sein. Die glob­alen Kämpfe gegen Patri­achat, Kap­i­tal und den Staat sind unsere Kämpfe und genau­so sind die Kämpfe, die wir hier führen, die Kämpfe unser GenossIn­nen in anderen Teilen der Welt. In diesem Sinne:

Erin­nern heißt kämpfen
Kein Vergeben, kein Vergessen
Schul­ter an Schul­ter gegen den Faschismus

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Achtung, Geschichtsrevisionist unterwegs!

Am Don­ner­stag tagte erst­mals seit Beginn der Coro­na-Pan­demie wieder die Stadtverord­neten­ver­samm­lung. Auf­grund der Eindäm­mungsverord­nung wurde sich im großen Saal des Kleist-Forums getroffen.

Eben­jene Eindäm­mungsverord­nung bet­rifft uns ger­ade in allen Lebens­bere­ichen. Sowohl unser All­t­ag als auch Beson­der­heit­en wie Feiertage und Fes­tlichkeit­en kön­nen nicht wie gewohnt stat­tfind­en. Ein beson­ders wichtiges Ereig­nis ste­ht uns jedoch unmit­tel­bar bevor: am 8. Mai ist Tag der Befreiung von der Vorherrschaft der Nationalsozialist*innen. Da die üblichen Fes­tlichkeit­en zum Tag der Befreiung in Frank­furt (Oder) nicht stat­tfind­en kön­nen, lud der Stadtverord­neten­vor­sitzende die Anwe­senden dazu ein, am 8. Mai zwis­chen 15–17 Uhr am sow­jetis­chen Ehren­mal an einem stillen Gedenken teilzunehmen.

Doch statt diese Ein­ladung anzunehmen erk­lärt der AfD-Land­tagsab­ge­ord­nete Wilko Möller im Namen der AfD Frank­furt (Oder), dass der 8. Mai für ihn kein Tag der Befreiung ist. So ist der 8. Mai für ihn ein Tag an dem „Vielmehr […] ein Teil des deutschen Volkes in die näch­ste Dik­tatur kat­a­pul­tiert wor­den [1]“ sei.
Hier ver­gle­icht er tat­säch­lich die DDR mit dem Nation­al­sozial­is­mus. Damit sei nicht gesagt, dass in der DDR kein Unrecht geschehen ist oder das Ver­sprechen ein­er sol­i­darischen Gesellschaft ein­gelöst wurde – aber damit sei gesagt das Möller sich für weit­ere wis­senschaftliche, intellek­tuelle und demokratis­che Beiträge selb­st dis­qual­i­fiziert hat.

Nun, wenn der Tag für ihn also eher ein Tag der Nieder­lage wäre, so wäre er doch aber ein Nation­al­sozial­ist – vielle­icht auch nur ein Kol­lab­o­ra­teur, min­destens jedoch kein Demokrat?

Stattdessen gedachte die AfD am 8. Mai, 75 Jahre nach der Befreiung von der Vorherrschaft der Nazis, auf dem Zen­tral­fried­hof den toten deutschen Soldaten.
Utopia e.V. als Bil­dungsvere­in möchte solchen geschichtsvergesse­nen Ten­den­zen in der Gesellschaft ent­ge­gen­wirken. Zu diesem Zwecke ist beispiel­sweise eine Bil­dungs­fahrt zum The­ma Nation­al­is­mus und Anti­semitismus ein­schließlich eines Gedenkstät­tenbe­suchs in den ehe­ma­li­gen Konzen­tra­tionslagern von Auschwitz geplant.[2]
Uns ist des Weit­eren wichtig zu beto­nen, dass revi­sion­is­tis­che Hal­tun­gen, wie sie immer wieder zum Besten gegeben wer­den nicht nur Aus­druck fehlen­der Bil­dung sind, son­dern bewusst aus demokratiefeindlichen, nation­al­is­tis­chen Ide­olo­gien abgeleit­et werden.
So schlossen wir uns dem Aufruf des stillen Gedenkens an dem sow­jetis­chen Ehren­denkmal von 15–17 Uhr des Vor­sitzen­den der SVV anschließen!

[1] https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1800416/

[2] https://utopiaffo.noblogs.org/post/2020/04/22/75-jahre-befreiung-frankfurts-vom-nationalsozialismus-%d1%81%d0%bf%d0%b0%d1%81%d0%b8%d0%b1%d0%be-thank-you-merci-danke/

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8. Mai – 75. Jahrestag des Tags der Befreiung vom NS

Der 8. Mai 1945 markiert als „Tag der Befreiung“ das Ende der Gewaltherrschaft der Nation­al­sozial­is­ten und ihres soge­nan­nten Drit­ten Reich­es. „Wir wollen an diesem Tag der Mil­lio­nen Men­schen gedenken, die unter der gnaden­losen Kriegs‑, Besatzungs- und Ver­nich­tungspoli­tik der Nazis lei­den mussten,” ruft das Net­zw­erk zur Teil­nahme auf. Durch den von Deutsch­land aus­ge­hen­den faschis­tis­chen Angriff auf die Men­schlichkeit ver­loren unglaublich viele Kinder, Jugendliche, Erwach­sene und alte Men­schen ihr Leben, ihre Frei­heit, ihre Gesund­heit, ihre Hoff­nung, ihre Lieb­sten. Dieser Tag stellt für Mil­lio­nen von Ver­fol­gten und Opfern die Befreiung von der Bar­barei des Nation­al­sozial­is­mus zwis­chen 1933 und 1945 in Deutsch­land dar.

Das Bernauer Net­zw­erk für Weltof­fen­heit lädt für Fre­itag, den 8. Mai, zum indi­vidu­ellen Gedenken an das Ende des Zweit­en Weltkrieges und der Befreiung vom Hitler­faschis­mus vor 75 Jahren ein.
Tra­di­tionell fand die Gedenkver­anstal­tung des Net­zw­erkes in den let­zten Jahren an drei Orten in der Stadt Bernau statt — am Sow­jetis­chen Ehren­mal, am Deser­teur­denkmal und am Mark­t­plazu bzw. vor der Galerie in der Bürg­er­meis­ter­straße in der Nähe der Stolper­steine. Auf Grund der aktuellen Ereignisse und Ein­schränkun­gen ist in diesem Jahr eine zen­trale Ver­anstal­tung nicht durch­führbar. Deshalb laden wir dazu ein, das Gedenken am 8.Mai 2020 indi­vidu­ell zu bege­hen und auf dem Weg zwis­chen den drei Orten sicht­bare Zeichen des Erin­nerns, gerne auch mit aktuellem Bezug, zu hin­ter­lassen. Dies kann in z.B. in Form von Botschaften, Gedanken, Zitat­en und Anre­gun­gen, aber auch durch Musik­stücke oder andere kün­st­lerische Dar­bi­etun­gen geschehen. Auf die aktuellen Verord­nun­gen hin­sichtlich COVID 19 ist in jedem Fall zu achten.
Für Men­schen, denen es nicht möglich ist, ihre Gedanken per­sön­lich abzule­gen, beste­ht das Ange­bot, diese per Mail an das Net­zw­erk zu schicken. 

Auf zwei Aktio­nen im Rah­men des Gedenkens am 8.Mai sei an dieser Stelle expliz­it hingewiesen:
Die “Gedenk-Plane” am Mark­t­platz — hier kön­nen Gedanken und Erin­nerun­gen ans Kriegsende oder zum The­ma Frieden geschrieben wer­den. Diese Plane kann auch am 8. Mai selb­st genutzt wer­den. Lei­der wird der Edding immer wieder entwen­det, deshalb bitte möglichst selb­st einen mit­brin­gen und auch Anderen anbieten.”
https://www.bernau-bei-berlin.de/de/buergerportal/aktuelles/stadtnachrichten/artikel-erinnern_ans_kriegsende.html

Die Mit­mach-Aktion der Galerie — Eine kollek­tive Plakat­gestal­tung unter dem Mot­to “GIB MIR DEIN WORT FÜR FRIEDEN”. Am 8. Mai führt Kün­st­lerin Jos­si Rück­er die Worte der Teilnehmer*innen gestal­ter­isch zusam­men. Der Regen­bo­gen umspan­nt alles Gesagte und Gezeigte als Sym­bol der Vielfalt und Ver­bun­den­heit. Sie hat auch die ein­drucksvolle Ausstel­lung “Die Kinder der Ora­ma” in der Galerie und das par­al­lel laufende Face­book-Ausstel­lungstage­buch “Hin­ter ver­schlosse­nen Türen” erstellt
(https://www.galerie-bernau.de/veranstaltungen/aktuell.html )

Sor­gen wir gemein­sam dafür, dass in Deutsch­land ein weltof­fenes Kli­ma herrscht und nie wieder Unfrei­heit, Nation­al­sozial­is­mus, Ras­sis­mus und Anti­semitismus den Ton angeben!“, so unser Anliegen auch dieses Jahr. „Alle, die dieses Anliegen unter­stützen wollen, sind her­zlich ein­ge­laden, sich zu beteili­gen, Ihre Gedanken und Botschaften im öffentlichen Raum sicht­bar zu machen, indi­vidu­ell Blu­men oder Gedanken abzule­gen und gern auch die Thüringer Erk­lärung zum 75. Jahrestag der Befreiung von Buchen­wald mit zu unterze­ich­nen. https://www.thueringer-erklaerung.de/erklaerung#top

Bernauer Net­zw­erk für Weltoffenheit

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Dezentrales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung

Der Lan­desver­band Bran­den­burg der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes – Bund der Antifaschistin­nen und Antifaschis­ten, kurz VVN-BdA, ruft zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus am 8. Mai 2020 zu einem dezen­tralen Gedenken und Erin­nern auf. Durch die COVID-19- Pan­demie kön­nen in diesem Jahr keine Befreiungs­feier­lichkeit­en und keine zen­tralen Ver­anstal­tun­gen stat­tfind­en. Die Ord­nungs­maß­nah­men und Sicher­heitsvorkehrun­gen im Kon­text von COVID-19 schränken damit nicht nur das gesellschaftliche Leben ein, son­dern auch die antifaschis­tis­che und erin­nerungspoli­tis­che Arbeit an diesem für uns so wichti­gen Jahrestag.

Trotz­dem wollen wir, mit großer Rück­sicht um die Gesund­heit unser­er Mitglieder*innen und antifaschis­tis­chen Fre­unde, den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus würdig und ehren­voll im Sinne der Befreier*innen, der Roten Armee, sowie der Opfer und Ver­fol­gten des Nation­al­sozial­is­mus gestalten.
Im ganzen Land Bran­den­burg befind­en sich eine Vielzahl an Erin­nerungsstät­ten zur Befreiung oder an die Opfer und Ver­fol­gten des Faschis­mus. Diese lokalen, kleinen und dezen­tralen Gedenkstät­ten, wie Denkmäler, Fried­höfe, Ehren­haine, Gedenksteine, Gräber oder Gedenk­tafeln, wollen wir mit eur­er Unter­stützung in den Fokus des antifaschis­tis­chen Gedenkens setzen.

Wir rufen daher alle Brandenburger*innen auf, in der Zeit um den 8. Mai 2020, dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschis­mus, indi­vidu­ell und unter Ein­hal­tung der notwendi­gen medi­zinis­chen Bes­tim­mungen und Sicher­heitsvorkehrun­gen, an den ver­schiede­nen Erin­nerungsstät­ten im Land Bran­den­burg Blu­men und Kränze niederzule­gen und dies per Fotos zu doku­men­tieren. Wir wollen, dass durch die Vielzahl von Blu­men an den zahlre­ichen Erin­nerungsstät­ten im Land Bran­den­burg der Appell des „Nie wieder Krieg und Faschis­mus“ trotz des Fehlens von klas­sis­chen Gedenkver­anstal­tun­gen mehr als deut­lich wird.

Sendet uns die Fotos mit kurzen Hin­weisen oder Bericht­en aus den ver­schiede­nen Orten zwecks Veröf­fentlichung an die unten­ste­hende E‑Mail‑, Post‑, Face­book- oder Twit­ter-Adresse. Zudem ver­weisen wir auf unser dig­i­tales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai ab 16 Uhr per Livestream (www.freiland-potsdam.de).

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75 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus

Abbil­dung 1:* “Hier begin­nt das ver­fluchte Deutsch­land” . Solche
Schilder stellte die Rote Armee auf, als 1945 deutsches Ter­ri­to­ri­um
erre­icht wurde [1]
Wie sollte der Utopia e.V. — ein ehre­namtlich­er, von jun­gen Men­schen getra­gen­er, klein­er Vere­in — anlässlich der 75-jähri­gen Befreiung von der Vorherrschaft der Nationalsozialist*innen in Frank­furt (Oder) diese Pressemit­teilung begin­nen? Als erstes mit einem kurzen „Danke! Спасибо! Thank You! Mer­ci!“ an die Alli­ierten und Wider­ständi­gen, die vor 75 Jahren am 23. April zur Befreiung Frank­furts und des heuti­gen Słu­bices beige­tra­gen haben. Denn die Nieder­lage des deutschen Faschis­mus war unsere Befreiung!

Ein „Danke“ jedoch wird nicht genü­gen, um Geschehenes zu ver­ste­hen, damit es sich nicht wieder­holt! Auch die Fra­gen: „Was, wie und warum war der Nation­al­sozial­is­mus, der Ver­nich­tungskrieg oder der Holo­caust?“ kön­nen wir nicht alleine beant­worten, aber wir kön­nen Impulse setzen!

Denn auch 75 Jahre nach­dem die Vorherrschaft deutsch­er Faschist*innen und ihrer Kol­lab­o­ra­teure endete, sind ihr Gedankengut und ihre Struk­turen keineswegs verschwunden:

Seit 2016 ver­dop­pelte sich die Anzahl der mit Schuss­waf­fen aus­gerüsteten Recht­sex­tremen [2]. Der NSU, eine Gruppe die offiziell 10 Men­schen ermordete und 43 Mor­dan­schläge verübte [3], ent­tarnte sich teil­weise selb­st. Ob auf der Insel Utøya oder in Städten wie Christchurch, Hanau und Halle — die Anschläge von extrem Recht­en häufen sich. Im Jahr 2019 wur­den in der Bun­desre­pub­lik 120 Angriffe auf Asy­lun­terkün­fte verübt und 1.620 Angriffe auf Geflüchtete reg­istri­ert [4]. Jüngst wurde im Land­kreis Oder-Spree ein Waf­fen­lager mit nation­al­sozial­is­tis­chen Devo­tion­alien aus­ge­hoben [5]. Unsere Stadt, Frank­furt (Oder), entwick­elte sich zu einem Knoten­punkt der inter­na­tionalen, neon­azis­tis­chen Ter­ro­ror­gan­i­sa­tion „Com­bat 18“ [6]. In Libbenichen zeigten erst let­zten Monat während ein­er „Reichs-Par­ty“ Jugendliche den Hit­ler­gruß [7]. Ein „NR-Zonen“-Graffito diente als Platzhal­ter für Hak­enkreuze und verblieb mehrere Monate am Kau­fland im Zen­trum[8]. Mit­tler­weile wer­den (gar) von par­la­men­tarischen Kräften die Leis­tun­gen von deutschen Sol­dat­en in zwei Weltkriegen hon­ori­ert und eine „erin­nerungspoli­tis­che Wende um 180 Grad“ [9] gefordert.

Genau­so wie die Ideen, Sym­bole, und Struk­tur des Nation­al­sozial­is­mus nicht ein­fach 1945 ende­ten, taucht­en die Nationalsozialist*innen nicht erst 1933 auf. Bere­its am 26. Mai 1929 begann die SA durch Frank­furt zu marschieren [10] und schon 1927 war in ein­er Kneipe zu hören:

Die nation­al­sozial­is­tis­che Bewe­gung ist entschlossen alles daran zu set­zen, um das deutsche Volk von Juden- und Marx­is­ten­herrschaft zu befreien. Die Nation­al­sozial­is­ten wer­den die Besten unter ihre Fahne sam­meln und einen erbit­terten Kampf gegen die inneren Feinde der Nation führen“. [11]

Auch heute sind in Frank­furter Kneipen solche Aus­sagen nicht ausgeschlossen.

Im Som­mer 1932 wurde dann der Ter­ror der Nazis in Frank­furt immer zügel­los­er. Am Abend des1. Juli kam es zu einem Über­fall auf Antifaschist*innen. Am 4. Juli, in der heuti­gen Rathenaus­traße, schossen Nazis über 100 Mal auf Arbeiter*innenwohnungen. Und am 5. Juli durften sie dann unge­hin­dert durch unsere Stadt marschieren. Die 17
Vollzugspolizist*innen, die vor der faschis­tis­chen Gefahr und dieser Demon­stra­tion warn­ten, wur­den daraufhin festgenom­men [12].

So spricht auch die drama­tis­che Entwick­lung der Wahlergeb­nisse Bände. Lag die NSDAP bei der Reich­stagswahl 1928 in Frank­furt erst bei 330 Stim­men, erhielt sie bei der Kom­mu­nal­wahl 1929 bere­its 2.400 Stim­men und wenige Jahre später, bei der Machtüber­nahme Hitlers im März 1933, eine absolute Mehrheit. Diese Machtüber­nahme führte in ihrer Kon­se­quenz zu unzäh­li­gen furcht­baren Schick­salen, auch in Frank­furt (Oder).

So zum Beispiel auch für Marie und Adolf Köhn, deren Stolper­steine in der Großen Oder­straße 46 liegen. Adolf Köhn wurde von Faschist*innen während der Reich­sprogrom­nacht ver­haftet, einen Monat lang im Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen inhaftiert und vier Jahre später, wahrschein­lich mit sein­er Frau, ins Warschauer Ghet­to deportiert. Über ihr weit­eres Schick­sal ist nichts bekannt.

In der Großen Schar­rn­straße 32 liegen zwei weit­ere Stolper­steine — die von Marie und Bruno Friedlän­der. Ihre Kinder schafften es auf einen Kinder­trans­port und beka­men Asyl in Schot­t­land und Aus­tralien. Marie und Bruno erhiel­ten keine Zuflucht und wur­den am 02. April 1942 in das Warschauer Ghet­to deportiert, wo sie am 05. April anka­men. Das weit­ere Schick­sal der Fam­i­lie ist auch hier nicht bekannt.

Bis zum let­zten Tag des Nazi-Regimes ließ die Gewalt und Bru­tal­ität nicht nach. Selb­st der Nieder­lage ins Auge sehend, wurde Frank­furt (Oder) am 26. Jan­u­ar 1945, einen Tag vor der Befreiung von Auschwitz, noch zu ein­er Fes­tung erk­lärt. Am Tag des 30. Jan­u­ars in Swiecko (im dama­li­gen Schwetig) mussten 1.600 Gefan­gene des Frank­furter Gestapo-Arbeit­serziehungslagers zum soge­nan­nten „Todes­marsch“ antreten. 70 nicht marschfähige Men­schen wur­den direkt in Kranken­barack­en ver­bran­nt und ermordet. In der Nacht auf den 31. Jan­u­ar erschossen in Słon­sk (im dama­li­gen Son­nen­burg) Ange­hörige der SS und Gestapo 800 Inhaftierte des dor­ti­gen Zuchthaus­es [13]. Selb­st in der Nieder­lage waren die Nationalsozialist*innen nicht davon abzubrin­gen ihr Mor­den einzustellen.

So schwor im Feb­ru­ar 1945 Joseph Goebbels Frank­furt ein let­ztes Mal auf die Ide­olo­gie von “Blut und Boden“ ein, nach­dem er am 31.Oktober 1929 erst­mals in der Stadt davon gesprochen hat­te. Frank­furt, das ein Zen­trum für den Ein­satz und die Ver­wal­tung von Zwangsarbeiter*innen, Deportierten und Inhaftierten war, war gar Haupt­stadt des Gaus Mark Bran­den­burg. Unzäh­lige Wag­gons mit Men­schen wur­den ohne nen­nenswerten Wider­stand deportiert. Unzäh­lige Ton­nen Kriegs­ma­te­r­i­al fuhren unge­hin­dert durch unsere Stadt.

Der Krieg endete für Frank­furt (Oder) am 23. April 1945, als belarus­sis­che Ein­heit­en der Roten Armee „die fast men­schen­leere, keinen Wider­stand leis­tende, über­all bren­nende Stadt“ [14] befre­it­en, bis dann in der Nacht am 8. auf den 9. Mai die Wehrma­cht gän­zlich kapit­ulierte und die Hege­monie des Faschis­mus gebrochen war.

Auch wenn ein Großteil der Deutschen diesen Tag als Nieder­lage emp­fand — vielle­icht sog­ar heute noch so empfind­et: Der Sieg der Alli­ierten bedeutete das Ende der nation­al­sozial­is­tis­chen Vorherrschaft, des Krieges in Europa und des Holo­caustes und ist für uns ein Grund zum fröh­lichen Tanz. Deshalb sagen wir immer wieder fre­und­schaftlich: „Спасибо! Thank You! Mer­ci! Danke!“.

Als Kul­tur- und Bil­dungsträger der offe­nen Kinder- und Jugend­hil­fe sagen wir auch ernst: „Nie wieder!“

Und um diesen Ernst zu begreifen; um den Impuls des Erin­nerns und Gedenkens nicht bei dieser Mit­teilung zu belassen, organ­isiert der Utopia e.V. im let­zten Drit­tel diesen Jahres eine Gedenkstät­ten­fahrt für Jugendliche und junge Erwach­sene zu den ehe­ma­li­gen Konzen­tra­tions- und Ver­nich­tungslagern von Auschwitz, mit demokratisch-par­tizipa­torisch­er Vor- und Nachbereitung:

Denn die Forderung, dass Auschwitz nicht noch ein­mal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglich­er anderen voran, dass [wir] wed­er glaube[n], sie begrün­den zu müssen noch zu sollen. […] Sie zu begrün­den hätte etwas Unge­heuer­lich­es angesichts des Unge­heuer­lichen, das sich zutrug“ [15].

Und so fordern wir auch andere Akteur*innen oder bish­er nicht-Aktive dazu auf, sich am Engage­ment gegen faschis­toide Bewe­gun­gen und Ideen in Frank­furt (Oder) zu beteili­gen und zu organ­isieren – die Gründe sind bekan­nt und wir wer­den über weit­ere Ter­mine berichten.

Eure Freund*innen und Assozi­ierten des Utopia e.V.

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Virtuelles Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung

Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus in Pots­dam-Babels­berg am 24.April kann in diesem Jahr auf­grund der Covid-19-Pan­demie und ihrer daraus resul­tieren­den Beschränkun­gen und Sicher­heits­maß­nah­men nicht in adäquater und würdi­ger Weise gedacht und erin­nert wer­den. Im Voraus geplante Ver­anstal­tun­gen der Geschichtswerk­statt Rotes Nowawes zur Befreiung von Babels­berg, wie zum Beispiel eine Rad­tour zu authen­tis­chen Orten, mussten wir schw­eren Bedauerns ein­stellen. Weil jedoch dieses Jubiläum nicht nur wichtig im Kon­text der all­ge­meinen poli­tis­chen Lage zu sehen ist – in ein­er Zeit, wo Ras­sis­mus, Nation­al­is­mus und Pop­ulis­mus wieder salon­fähig sind – son­dern auch im Kon­text der lokalen Geschichte in einem Stadt­teil, der als Indus­tri­e­s­tandort stark durch die Arbeiter*innenbewegung geprägt wurde und die let­z­tendlich einen großen Anteil daran hat­te, dass Babels­berg ohne wesentliche Kämpfe und Opfer befre­it wer­den kon­nte, möcht­en wir diese Son­der­web­seite der Öffentlichkeit präsentieren.

Unter der Webadresse https://1945.rotes-nowawes.de wollen wir mit­tels ein­er dig­i­tal­en Rund­tour auf his­torisch inter­es­sante Orte in Babels­berg aufmerk­sam machen. Zu den aktuellen Fotos gibt es je eine Kurzbeschrei­bung. Des Weit­eren wollen wir der Öffentlichkeit ver­schiedene Doku­mente und Mate­ri­alien bere­it­stellen, die im Zusam­men­hang mit der Befreiung von Babels­berg, aber auch dem Neuan­fang in dieser Stadt ste­hen. Wir sind uns bewusst, dass die aus­gewählten Quellen und die Lit­er­atur, hier vor allem die Erin­nerungs­berichte, eine gewisse poli­tis­che Fär­bung aus der Zeit der DDR bein­hal­ten und deswe­gen immer im zeit­geschichtlichen Kon­text gele­sen wer­den müssen.

Nichts desto trotz sind vor allem die his­torischen Doku­mente nicht zu ver­fälschen und ste­hen in ihrer Echtheit. Zudem doku­men­tieren sie die Zeit­geschichte jenes Momentes, der für viele Unsicher­heit und Ungewis­sheit brachte, aber an einem Indus­tri­e­s­tandort wie Babels­berg – dem ehe­ma­li­gen Roten Nowawes – mit sein­er großen Arbeiter*innenschaft und den tausenden Zwangsarbeiter*innen, auch Befreiung und Erlösung.

Inforiot