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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Brandenburg beteiligt sich erstmals an Sammelabschiebung nach Afghanistan

Unter den am Mon­tag abgeschobe­nen Per­so­n­en kam ein­er der 15 Afgha­nen aus Bran­den­burg. Das Bun­des­land beteiligt sich zum ersten Mal an ein­er Sam­me­lab­schiebung nach Afghanistan – die nun­mehr vierte seit Dezem­ber 2016. Damit ist Bran­den­burg das erste Bun­des­land mit Regierungs­beteili­gung der LINKEN, das nach Afghanistan abschiebt.
Im Vor­feld der Abschiebung aus München wurde der afghanis­che Mann in Bran­den­burg an der Hav­el von sein­er Arbeit abge­holt. Der Flüchtlingsrat kri­tisiert die Abschiebung in das Kriegs­ge­bi­et aufs Schärf­ste und appel­liert an die Lan­desregierung, Abschiebun­gen nach Afghanistan sofort zu stop­pen und alle Schritte in die Wege zu leit­en, dass die betrof­fene Per­son wieder zurück­kehren kann.
Einzelfall­prü­fung erset­zt keinen Abschiebestopp
Die Abschiebung fand wenige Tage statt, nach­dem im Land­tag der Beschluss über die „Aus­set­zung von Abschiebun­gen nach Afghanistan“ gefasst wurde. Darin sind eine sorgfältige Einzelfall­prü­fung und das Auss­chöpfen von Ermessensspiel­räu­men fest­geschrieben. Den Land­tagsab­ge­ord­neten war sehr wohl bewusst, dass Schutz­suchende aus Afghanistan in ein Kriegs­ge­bi­et abgeschoben wür­den. Mit der Ermessens- und Einzelfall­prü­fung entsch­ied der Land­tag sich gegen einen Lan­des-Abschiebestopp nach Afghanistan.
Die Abschiebung des afghanis­chen Mannes macht deut­lich, dass der Land­tags­beschluss keinen Abschiebestopp erset­zen kann. Beamt_innen sind in jedem Fall – nicht nur bei Flüchtlin­gen aus Afghanistan – verpflichtet, im Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebe­hin­dernisse vor­liegen bzw. die Abschiebung einen Ein­griff in Grun­drechte darstellen würde. Fol­gt man dem aktuellen Bericht des Hohen Flüchtlingskom­mis­sari­ats der Vere­in­ten Natio­nen (UNHCR), gefährdet jede Abschiebung nach Afghanistan die kör­per­liche Unversehrtheit von Men­schen und stellt damiteinen Grun­drecht­se­in­griff dar. Der Land­tags­beschluss bietet angesichts dessen keinen wirk­samen Schutz für von Abschiebung bedro­hte Afghan_innen. Das Innen­min­is­teri­um soll­tes­tattdessen den Aus­län­der­be­hör­den ein klares Sig­nal geben, von Abschiebun­gen nach Afghanistan abzuse­hen. Eine Möglichkeit wäre, dem Bre­mer Beispiel zu fol­gen und die Aus­län­der­be­hör­den anzuweisen, Afghan_innen Aufen­thalt­ser­laub­nisse nach § 25 Abs. 5 Aufen­thG wegen beste­hen­der Unzu­mut­barkeit (und damit Unmöglichkeit) ein­er Rück­kehr auszustellen. Zudem muss Bran­den­bur­gendlich Zugang zu Sprachkursen für Afghan_innen
gewähren, denn nur so kann der Weg zu ein­er langfristi­gen Bleibeper­spek­tive geeb­net werden.
Laut ein­er aktuellen Studie der Uni­ver­sität Kon­stanz hat­ten die in der Außen­stelle des BAMF in Bran­den­bur­gentsch­iede­ne­nA­sylge­suche mit 10% bun­desweit die niedrig­ste Anerken­nungsquote afghanis­ch­er Flüchtlinge in den Jahren 2010–2015 (im Ver­gle­ich Nordrhein-Westfalen:34%). Das bedeutet, dass in Bran­den­burg über­durch­schnit­tlich viele Afghan_innen dauer­haft gefährdet sind, abgeschoben zu werden.
Bran­den­burg hält an har­ter Lin­ie gegen Geflüchtete fest
Auf­grund der zahlre­ichen Berichte zur ver­heeren­den Sicher­heit­slage lehnen Bun­deslän­der wie Schleswig-Hol­stein Abschiebun­gen­nach Afghanistan grund­sät­zlich ab. In der Presse hat­te sich der Bran­den­burg­er Innen­min­is­ter Karl-Heinz Schröter zuvor wieder­holt als Ver­fechter der rigi­den Abschiebe­poli­tik de Maiz­ières geoutet und die human­itäre Poli­tik seinesKol­le­ge­naus Schleswig-Hol­stein, der­als ersterund bish­er einzigere­inen Abschiebestopp ver­hängt hat­te, scharf kritisiert.
Mit der Entschei­dung gegen einen Abschiebestopp und der erst­ma­li­gen Beteili­gung an ein­er Sam­me­lab­schiebung nach Afghanistan zeigt die Lan­desregierung, dass sie an der harten Lin­ie von Bun­desin­nen­min­is­ter Thomas de Maiz­ière fes­thält. Damit überge­ht sie den Willen und das Engage­ment viel­er Men­schen in Bran­den­burg, die die aktuelle Lan­des- und Bun­de­spoli­tik kri­tisieren und mit lan­desweit­en Aktio­nen ihre Sol­i­dar­ität bekun­den. Mit ein­er Peti­tion,
die bere­its fast 70.000 Unterstützer_innen gefun­den hat, set­zen sich beispiel­sweise Schüler_innen ein­er Cot­tbuser Schule für ihre von Abschiebung bedro­ht­en afghanis­chen Mitschüler ein. Bei Kundge­bun­gen in Neu­rup­pin und Pots­dam forderten in diesem Monat Demonstrant_innen, darunter viele Afghan_innen,Flüchtlingsschutz und Abschiebestopp.
Zusam­men mit Ini­tia­tiv­en und Ehre­namtlichen fordert deshalb der Flüchtlingsrat Bran­den­burg weit­er­hin: Keine Abschiebun­gen nach Afghanistan! Bran­den­burg muss das Lot­ter­iespiel mit dem Leben afghanis­ch­er Flüchtlinge been­den und den hier leben­den Afghan_innen endlich Sicher­heit und Schutz gewähren!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Arbeit & Soziales Gender & Sexualität jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Rechte Gewalt in Brandenburg auf unverändert hohem Stand

Der Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V. zählt für das Jahr 2016 in Bran­den­burg 221 rechte Angriffe. Dies ist ein erneuter Anstieg im Ver­gle­ich zum Jahr 2015 (203). Gegenüber 2014 haben sich die Angriff­szahlen mehr als ver­dop­pelt (98).
Die Mehrheit der Tat­en waren ras­sis­tisch motivierte Angriffe. Sowohl ihre absolute Zahl als auch ihr prozen­tualer Anteil an den recht­en Gewalt­tat­en nah­men erneut erhe­blich zu – von 142 Angrif­f­en im Jahr 2015 auf 175 im Jahr 2016, bzw. von 68 auf 79 Prozent.
Neben den 175 ras­sis­tis­chen Angrif­f­en, wur­den 24 Tat­en aus Hass gegen poli­tis­che Geg­ner­In­nen verübt, 14 richteten sich gegen nicht-rechte Per­so­n­en, je 1 war sozial­dar­win­is­tisch bzw. anti­semi­tisch motiviert. Zwei Mal wur­den Men­schen auf­grund ihrer sex­uellen Ori­en­tierung angrif­f­en und vier Gewalt­tat­en richteten sich gegen Jour­nal­istIn­nen, die über rechte Aktiv­itäten berichteten. Bei der über­wiegen­den Mehrheit der Tat­en han­delte es sich um Kör­per­ver­let­zun­gen, davon 85 ein­fache (2015: 61) und 101 gefährliche (2015: 76). Es wur­den 13 Nöti­gun­gen und Bedro­hun­gen (2015: 30), 6 Sachbeschädi­gun­gen (2015: 19) und 9 Brand­s­tiftun­gen (2015: 10) Brand­s­tiftun­gen gezählt. Von den Angrif­f­en waren 335 Men­schen direkt betrof­fen und min­destens 196 indi­rekt (z.B. Ange­hörige und Zeug­In­nen). Weit­er­hin geht die Opfer­per­spek­tive von einem hohen Dunkelfeld aus, vor allem bei Angrif­f­en gegen Geflüchtete.
Die Sit­u­a­tion bleibt lan­desweit besorgnis­er­re­gend. Zwar ist punk­tuell ein Rück­gang rechter Gewalt­tat­en festzustellen (in Pots­dam, Ober­hav­el und Dahme-Spree­wald). In den meis­ten Land­kreisen ist jedoch ein weit­er­er Anstieg bzw. gle­ich­bleibend hohe Angriff­szahlen zu verze­ich­nen. Beson­ders bedrohlich ist die Sit­u­a­tion in Frankfurt/Oder und Cot­tbus. Hier ist eine über­pro­por­tionale Zunahme rechter Gewalt zu verze­ich­nen. In Cot­tbus zeu­gen 41 rechte Angriffe im Jahr 2016 davon, dass eine mil­i­tante rechte Szene ver­sucht, den öffentlichen Raum der Stadt zu dominieren.
Ins­beson­dere der hohe Anteil ras­sis­tis­ch­er Gewalt­tat­en lässt sich auf einen enthemmten Vertrei­bungswillen bei den TäterIn­nen zurück­führen. Judith Porath, Geschäfts­führerin der Opfer­per­spek­tive erk­lärt dazu: „Die vie­len ras­sis­tis­chen Angriffe sprechen dafür, dass es den TäterIn­nen darum geht, Migran­tInnen und Geflüchtete um jeden Preis zu vertreiben – sowohl aus ihrer Nach­barschaft als auch aus dem Land. Bedrohlich viele Men­schen in Bran­den­burg haben keine Hem­mungen, ihren ras­sis­tis­chen Ansicht­en im All­t­ag gewalt­tätig Aus­druck zu ver­lei­hen. Dabei schreck­en sie auch nicht davor zurück, Frauen, Kinder oder Jugendliche anzugreifen.“
Die Opfer­per­spek­tive ruft Zivilge­sellschaft, Kom­mu­nalver­wal­tun­gen und Lan­desregierung auf, alles dafür zu tun, die rechte Gewaltwelle zu been­den. Dazu ist es notwendig ras­sis­tis­ch­er Het­ze entsch­ieden ent­ge­gen­zutreten, Diskri­m­inierun­gen abzubauen und ein gewalt­freies Zusam­men­leben aller Men­schen in Bran­den­burg zu fördern.
Im Anhang find­en Sie das Hin­ter­grund­pa­pi­er der Opfer­per­spek­tive zur Veröf­fentlichung der Angriff­szahlen mit aus­führlichen Analy­sen, sowie eine grafis­che Auf­schlüs­selung der Zahlen zur freien Ver­wen­dung. Bei Nutzung der Grafik bit­ten wir um Nen­nung der Quelle (Peer Neu­mann / Opferperspektive).
Für Rück­fra­gen am 9.3.2017 ab 12 Uhr ste­hen Ihnen zur Verfügung:

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Auf­ruf der Uhlandstraße-24 zur Recht auf Bleiben-Demo

Pots­dam, Stadt der Tol­er­anz, der Mil­lionäre und Mäzene, wo jed­er nach sein­er Façon selig wer­den solle – das ist das Bild, das Poli­tik und Medi­en gerne von dieser Stadt zeich­nen. Die Gren­zen dieses idyl­lis­chen Bildes wer­den bei Bedarf aber schnell mal klargemacht. Und nun ist es mal wieder soweit. Ja, wir haben Flüchtlinge aufgenom­men; ja, wir haben ihnen unsere alten Klam­ot­ten geschenkt und ja, wir haben uns gut gefühlt – nun aber reicht es. Weg sollen sie, die Men­schen aus den „sicheren Drittstaat­en“, die „Wirtschafts­flüchtlinge“, die „Dublin­fälle“. Und das möglichst schnell. Ger­ade wird auch in Pots­dam die Infra­struk­tur geschaf­fen, um die anstehenden
Massen­ab­schiebun­gen zu organ­isieren und die Abschot­tung der Fes­tung Europa noch ein wenig effizien­ter zu machen.
Legit­imiert wird das von tol­er­an­ten und friedlichen Demokrat*innen, die auch gegen NPD und AfD sind – gerne mit der Begrün­dung, dass man Platz schaf­fen müsse, für jene, die wirk­lich ver­fol­gt wer­den. Und es wird geglaubt, dass man mit Aus­reiseprämien und Abschiebun­gen, höheren Zäunen, Flüchtlingsabkom­men und ein biss­chen Entwick­lung­shil­fe die Lage wieder beruhi­gen könne, ohne sich die Hände allzu schmutzig zu machen.
Doch dem ist nicht so. Das Wüten der kap­i­tal­is­tis­chen Ökonomie hat uns einen gründlich ver­wüsteten Plan­eten hin­ter­lassen, das Glücksver­sprechen der bürg­er­lichen Gesellschaft ist spätestens seit 1990 kassiert. Die von den kap­i­tal­is­tis­chen Großmächt­en – Deutsch­land seit knapp drei Jahrzehn­ten ganz vorn mit dabei – niederkonkur­ri­erten Nation­alökonomien brechen zusam­men und mit ihnen ihre staatlichen Hüllen. Die Zukun­ft­saus­sicht­en für immer größere Teile der Welt­bevölkerung sind irgend­wo zwis­chen Sub­sis­ten­z­land­wirtschaft und Bürg­erkrieg ange­siedelt. Die Flucht davor kann nur ein Ziel ken­nen: in die Zen­tren der kap­i­tal­is­tis­chen Wirtschaft; dahin, wo man hof­fen kann, noch etwas mehr als das nack­te Über­leben zu finden.
Unter diesen Bedin­gun­gen heißt Abschiebung und Abschot­tung Massen­mord, ob auf dem Mit­telmeer, der Ägäis oder in den Lagern Griechen­lands und in der libyschen Wüste, ob vor Zäunen und Mauern oder auf den ver­schneit­en Straßen des Balka­ns, ob auf ein­er Mül­lkippe im Koso­vo oder in den Slums von Lagos.
Wir ste­hen – wie andere Grup­pen und Pro­jek­te in dieser Stadt – in der Tra­di­tion ein­er Bewe­gung, die Frei­heit und ein gutes Leben für alle ein­forderte und die wusste, dass man das nicht geschenkt bekommt, son­dern selb­st erledi­gen muss. Deswe­gen ste­hen wir auf gegen Abschiebe­haft und Lager, gegen Dublin­IV und Euro­pean Home­care, gegen Fron­tex und Aus­län­der­be­hörde. Und deswe­gen wis­sen wir, dass es damit noch lange nicht getan ist.
Kommt zum „die freaks for­mer­ly known as squatters“-Block auf der “Für das Recht, zu kom­men, zu gehen und zu bleiben”-Demo am 18.03.2017 in Pots­dam, 15.00 Uhr Nauen­er Tor.
Eine andere Welt ist nötig!

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Antifaschismus Bildung & Kultur Law & Order

Verdeckte Ermittler in Sozialen Bewegungen”

Der Utopia e.V. lädt am Fre­itag, den 10.03.2017, 18 Uhr zu der Ver­anstal­tung „Spion*in unter Freund*innen: Verdeck­te Ermit­tler in Sozialen Bewe­gun­gen“ im Kon­tak­t­laden des Vere­ins ein.
Fälle von verdeck­ten Ermittler*innen wie Simon Bren­ner, Iris Plate, Maria Böh­michen und Mark Kennedy tauchen in trau­riger Regelmäßigkeit in der Geschichte des poli­tis­chen Aktivis­mus auf. Doch was sind ihre Meth­o­d­en und wie gehen sie vor, um Ver­trauen zu weck­en und Fre­und­schaften zu schließen? Darüber wollen wir mit Jason Kirk­patrick sprechen und wollen auch einige falsche Vorstel­lun­gen über Spitzel entlarven.
Jason war lange Zeit mit Mark Kennedy befre­un­det, der als verdeck­ter Ermit­tler in die englis­che Klimabe­we­gung eingeschleust wurde. Darüber hin­aus beschäftigte sich Mark Kennedy auch mit der Anti-G8 Protest­be­we­gung im Jahr 2007, sowie mit der Antifa- und Tier­rechts-Bewe­gung. Jason ist auch ein­er von 170 Zeug*innen gegen Spitzel für den unab­hängi­gen “Unter­suchungsauss­chuss zu verdeckten
Ermittler*innen” (“Under­cov­er Polic­ing Inquiry” — UCPI.org.uk). Jason zeigt auch kurze Auss­chnitte seines aktuellen Doku­men­tarfilm-Pro­jek­tes Spied Upon (SpiedUpon.com).
„Der Utopia e.V. empfind­et sich als Teil ein­er linken Bewe­gung, lei­der bleibt es da nicht aus, sich auch mit solchen Unter­wan­derungsver­suchen auseinan­derzuset­zen.“, so Janek Las­sau für den Utopia e.V.
Die Ver­anstal­tung find­et in den Räum­lichkeit­en des Vere­ins, Berlin­er Str. 24 statt und wird unter­stützt durch die Rosa-Lux­em­burg-Stiftung Bran­den­burg, Region­al­büro Cottbus.
Verdeckte Ermittler in Sozialen Bewegungen

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Demo gegen Abschiebung aus Ützdorf

Am Fre­itag den 17. Feb­ru­ar fan­den sich fast 40 Men­schen vor der Kreisver­wal­tung in Eber­swalde zu ein­er Kundge­bung ein. Unter ihnen Geflüchtete aus Ütz­dorf, Biesen­thal und Eber­swalde. Anlass war eine Abschiebung in den Mor­gen­stun­den des Vortages. In Ütz­dorf, ein­er kleinen Sied­lung zwis­chen Biesen­thal und Wan­dlitz, wurde ein junger Mann aus Soma­lia von der Polizei geweckt. Die Abschiebung erfol­gte ohne Vorankündi­gung, der Betrof­fene hat­te keine Möglichkeit sich von seinen Fre­un­den zu ver­ab­schieden. Auch seinen Anwalt durfte er nicht informieren.
Die Bewohner­In­nen des Flüchtlingswohn­heimes in Ütz­dorf sind schock­iert und wütend. Sie fordern die Rück­kehr des Betrof­fe­nen und fürcht­en selb­st Opfer ein­er Abschiebung zu wer­den. Deswe­gen zog eine kurze Spon­tan-Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Stop Depor­ta­tion – Keine Abschiebun­gen“ vor die Eber­swalder Ausländerbehörde.
Moz-Artikel „Protest gegen Abschiebun­gen “ (17.02.2017)

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Rechter Angreifer vor Gericht

Am 22. Feb­ru­ar 2017 um 9:30 Uhr begin­nt am Amts­gericht Königs Wuster­hausen der Prozess gegen den Täter des Reiz­gasan­griffs vom 1. Sep­tem­ber 2015 in der Asy­lun­terkun­ft Massow
Am kom­menden Mittwoch begin­nt am Amts­gericht Königs Wuster­hausen der Prozess zu einem recht­en Angriff auf Geflüchtete in der Asy­lun­terkun­ft in Mas­sow (Land­kreis Dahme-Spree­wald). Am 01. Sep­tem­ber 2015 attackierte
ein durch die Betreiber­fir­ma des Heims (Cam­panet GmbH) beauf­tragter Bauar­beit­er in der Unterkun­ft lebende Geflüchtete mit Reiz­gas. Gezielt sprühte der Angreifer die gefährliche Chemikalie in Pri­vat- und
Gemein­schaft­sräume. Es waren zahlre­iche Ver­let­zte zu bekla­gen, darunter auch Kinder. Der Angreifer war zuvor bere­its mit recht­en Sprüchen und Ein­schüchterun­gen gegenüber Heimbewohner_innen aufge­fall­en. Auch im
Inter­net äußerte der Täter Sym­pa­thien für rechte Gruppierungen.
„Der Reiz­gas-Angriff in Mas­sow war auf­grund der hohen Betrof­fe­nen­zahl ein­er der mas­sivsten durch uns doku­men­tierten recht­en Angriffe im Jahr 2015 im Land Bran­den­burg. Der Angreifer zielte damals bewusst darauf ab, so viele Geflüchtete wie möglich zu ver­let­zen. Bei uns haben sich damals über 60 Betrof­fene gemeldet“, so Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive. Die Betrof­fe­nen hat­ten unter­schiedliche Nation­al­itäten, sie kamen vor­wiegend aus Alban­ien, Ser­bi­en, Syrien, Afghanistan, Pak­istan und
Tschetschenien.
Die große Mehrheit der Betrof­fe­nen, die durch die Opfer­per­spek­tive begleit­et wur­den, darunter wichtige Zeug­In­nen, sind in der Zwis­chen­zeit in ihr Heimat­land abgeschoben oder durch die Behör­den zur „frei­willi­gen Aus­reise“ gedrängt wor­den. Sie wer­den zum Prozess daher nicht anwe­send sein kön­nen. Darunter befind­en sich auch wichtige Zeug_innen für den Ablauf des Angriffs. Aus diesem Grund ist zu befürcht­en, dass eine umfassende Aufk­lärung des Tat­geschehens sehr schwierig wird.
Nicht Gegen­stand des Ver­fahrens wird der weit­ere Umgang mit den Opfern nach dem Angriff sein. Doch auch hier lag viel im Argen. „Sowohl die Behör­den des Land­kreis Dahme-Spree­wald, als auch die Betreiber­fir­ma des Heims (Cam­panet GmbH) haben sich nach dem Angriff nicht aus­re­ichend um die Ver­sorgung der Betrof­fe­nen geküm­mert. Einige der Ver­let­zten hat­ten noch Monate nach der Tat mit den kör­per­lichen und seel­is­chen Fol­gen zu kämpfen. Trotz unser­er Hin­weise wurde die medi­zinis­che Nach­sorge für die Betrof­fe­nen nicht aus­re­ichend sichergestellt“, so Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive weiter.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Von der Willkommens- zur Abschiebekultur

Bund und Län­der beab­sichti­gen, in Bran­den­burg eine Abschiebezen­trale einzuricht­en. Min­is­ter­präsi­dent Woid­ke begrüßt öffentlich die Ein­rich­tung dieser Logis­tik­stelle für Sam­me­lab­schiebun­gen – trotz berechtigter Kri­tik seines Koali­tion­spart­ners, der Partei DIE LINKE. Während sich die Lan­desregierung öffentlich zum The­ma Abschiebun­gen nach Afghanistan nicht posi­tion­iert, schafft sie mit der Pots­damer Abschiebezen­trale Tat­sachen. Mit diesem klaren Zeichen für eine repres­sive Abschiebe­poli­tik rei­ht sie sich ein in den Kreis pop­ulis­tis­ch­er Scharf­macherei, die ein­fache Prob­lem­lö­sun­gen und Sam­me­lab­schiebun­gen propagiert.
Der Lan­desregierung sollte sehr wohl bewusst sein, dass es neben fehlen­der Doku­mente, deren Beschaf­fung zukün­ftig in das Auf­gaben­pro­fil der zen­tralen Logis­tik­stelle fall­en soll, viele Gründe dafür gibt, dass Men­schen trotz ein­er Ablehnung des Asylge­suchs nicht in Herkun­fts- oder Durch­gangslän­der zurück­kehren kön­nen – wed­er in ver­meintlich sichere Herkun­ft­sre­gio­nen in Afghanistan noch in einige über­lastete EU-Län­der wie Griechen­land oder Ungarn, wo Flüchtlinge sys­tem­a­tisch inhaftiert wer­den. Auch aus human­itären, medi­zinis­chen, famil­iären und per­sön­lichen Grün­den wer­den Abschiebun­gen in der Prax­is häu­fig nicht durchge­führt. Dies zeigt, dass es Män­gel im Schutzsys­tem gibt. Abschiebezen­tren sollen jedoch abschot­ten und Druck auf Men­schen ausüben, das Land zu ver­lassen, damit sie ihre Möglichkeit­en zur weit­eren Aufen­thaltssicherung nicht wahrnehmen.
Anstatt Abschiebezen­tren einzuricht­en und Flüchtlinge weit­er­hin nach Ital­ien und ab März auch nach Griechen­land abzuschieben, sollte Deutsch­land seine Energien darauf ver­wen­den, den Verpflich­tun­gen aus dem Relo­ca­tion-Pro­gramm, das im Sep­tem­ber 2015 von der Europäis­chen Union ver­ab­schiedet wurde, nachzukom­men. Von der zuge­sagten Auf­nahme von über 27.400 Per­so­n­en sind bish­er lediglich etwa 2000 in Deutsch­land angekom­men. Bleiben rund 25.400 Men­schen, die bis Herb­st diesen Jahres noch aufgenom­men wer­den müssen.
Men­schen außer Lan­des schaf­fen zu wollen, find­et in der zunehmenden Mis­sach­tung des Innen­min­is­ters gegenüber der Bran­den­burg­er Härte­fal­lkom­mis­sion seine Entsprechung. Innen­min­is­ter Schröter hat in den ver­gan­gen bei­den Jahren etwa ein Drit­tel der von der Kom­mis­sion befür­worteten Ersuchen abgelehnt, was eine trau­rige Bilanz darstellt. Die Sta­tis­tik zeigt, dass beson­ders Fam­i­lien von den neg­a­tiv­en Entschei­dun­gen des Min­is­ters betrof­fen sind. Mit seinem Ver­hal­ten unter­schei­det sich dieser Innen­min­is­ter deut­lich von seinen Vorgängern. Die Härte­fal­lkom­mis­sion Bran­den­burg wurde 2005 instal­liert. In den Jahren 2005–2014 wur­den 137 Ersuchen an den jew­eili­gen Innen­min­is­ter gestellt. Nur sechs, also 4% wur­den abgelehnt.
Erst im Dezem­ber hat Innen­min­is­ter Schröter wieder ein Ersuchen der Härte­fal­lkom­mis­sion abgelehnt. Im Fall ein­er vierköp­fi­gen alban­is­chen Fam­i­lie sprach sich die Kom­mis­sion für ein Bleiberecht nach der Härte­fall­regelung (§23a AufentG) aus und richtete ein entsprechen­des Ersuchen an den Innen­min­is­ter. Der Fam­i­lien­vater befand sich in psy­chi­a­trisch­er Behand­lung, die min­der­jährige Tochter wurde wegen ein­er schw­eren Angst­störung psy­chother­a­peutisch behan­delt. Der Kinder- und Jugendge­sund­heits­di­enst sah nach ein­er Stel­lung­nahme des Sozialpä­di­a­trischen Zen­trums die Gefahr der Kindeswohlge­fährdung beim Aus­bleiben oder Abbruch ein­er psy­chother­a­peutis­chen Behand­lung. Den­noch lehnte der Min­is­ter das Ersuchen der Kom­mis­sion ab und set­zte damit seine harte Lin­ie fort.
Lang und sorgfältig debat­tierten Entschei­dun­gen der Kom­mis­sion, die einen human­itären Einzelfall begrün­den und auf Grund­lage der ver­ab­schiede­ten Härte­fal­lkom­mis­sionsverord­nung (HFKV) getrof­fen wer­den, misst der Innen­min­is­ter keine Bedeu­tung bei. Stattdessen nimmt er nach eigen­em Gut­dünken eine Bew­er­tung der Fälle vor und entschei­det nach per­sön­lichem Maßstab. Damit spricht er der Kom­mis­sion die Kom­pe­tenz ab und stellt zum wieder­holten Mal ihre Arbeit und Funk­tion in Frage. Diese Entschei­dung­sprax­is unter­läuft eine bun­des­ge­set­zlich ver­ankerte Regelung, die aus per­sön­lichen und human­itären Grün­den ein Bleiberecht aus­drück­lich vorsieht.
Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg drängt darauf, dass wohlbe­dachte und sorgfältig getrof­fene Entschei­dun­gen der Härte­fal­lkom­mis­sion durch den Innen­min­is­ter gewürdigt wer­den. Seine Alle­ingänge und sach­lich nicht gerecht­fer­tigten Entschei­dun­gen müssen ein Ende haben und dür­fen nicht länger schweigend geduldet wer­den. Der Flüchtlingsrat sieht hier ins­beson­dere auch den Koali­tion­spart­ner in der Pflicht.
Außer­dem fordert der Flüchtlingsrat das Land auf, endlich entsch­ieden­er von beste­hen­den Bleiberecht­sregelun­gen Gebrauch zu machen und der restrik­tiv­en Abschiebe­maschiner­ie eine Absage zu erteilen.
Wir hof­fen, dass es weit­er­hin Kräfte in der Lan­desregierung gibt, die sich den Prinzip­i­en ein­er human­itären und men­schen­rechts­basierten Flüchtlingspoli­tik verpflichtet fühlen und die darauf hin­wirken, dass sich Bran­den­burg nicht vor den Kar­ren der neuen Abschiebekul­tur der Kan­z­lerin und des Bun­desin­nen­min­is­ters span­nen lässt.
Kon­takt: Lot­ta Schwedler
schwedler@fluechtlingsrat-brandenburg.de, Tel.: 0176–21425057

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken Law & Order

Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Potsdam

Am 27.1.2017 ver­sam­melten sich ca. 120 Antifaschist_innen am Mah­n­mal für die Opfer des Faschis­mus am Platz der Ein­heit in Pots­dam und gedacht­en gemein­sam an die Befreiung von Auschwitz vor 72 Jahren und die Ver­brechen Nazideutschlands.
Der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes, Bund der Antifaschistin­nen und Antifaschis­ten Pots­dam hielt dabei einen Rede­beitrag, der an die Entste­hung des KZ’s aber auch die Entwick­lung und Zus­pitzung des Anti­semitismus im dama­li­gen Deutsch­land erin­nerte und die Zuhörer_innen auf­forderte solche Zustände niemals wieder zuzulassen.
Darauf­fol­gend ver­lass ein Mit­glied des Rollerder­by-Teams Pots­dam einen sehr per­sön­lichen Rede­beitrag, der vor allem Frauen in den Konzen­tra­tionslagern und ganz beson­ders zwei Widerstandkämpfer_innen aus Auschwitz gewid­met war, die mit ihrer Arbeit bei einem Auf­s­tand dazu beitru­gen ein Kre­ma­to­ri­um zu spren­gen und damit zumin­d­est das Mor­den zu verlangsamen.
Nach einem kurzen Gedicht und ein­er Schweigeminute zogen die Teil­nehmende dann zum Sow­jet­fried­hof am Bass­in­platz um nach einem kurzen Musik­stück, den dort begrabenen Soldat_innen der Roten Armee zu gedenken und an ihren his­torischen Sieg über Nazideutsch­land zu erin­nern. Auch wurde in ein­er Rede der Emanzi­pa­torischen Antifa Pots­dam deut­lich gemacht, dass Erin­nern und Gedenken ger­ade in Zeit­en eines wach­senden Neo­faschis­mus und Recht­spop­ulis­mus immer auch den alltäglichen Kampf und die Auseinan­der­set­zung beinhaltet.
Im Anschluss daran fand im KuZe noch einen Infor­ma­tionsver­anstal­tung des Rollerder­by-Teams Pots­dam mit der His­torik­erin Susanne Willems statt, die für die Anwe­senden die Geschichte des Konzen­tra­tionslagers Auschwitz beein­druck­end und detail­re­ich nachzeichnete.
Judith Block von der EAP sagte vor allem im Hin­blick auf die große Beteiligung:
“Antifaschis­tis­che Gedenkkul­tur ist in Pots­dam ein wichtiger Teil für unser Selb­stver­ständ­nis und das Gedenken an die Ver­brechen des NS bleiben uns Mah­nung und Verpflich­tung. Wir wer­den dafür ein­treten und kämpfen, dass sich dies niemals wieder­holen kann. Egal ob Nazi­parteien wie NPD, der dritte Weg, freie Kam­er­ad­schaften oder die Faschis­ten von der AfD. Wir wer­den auch 2017 entschlosse­nen Wider­stand leisten!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Solidarität statt Angst!

Etwa 120 schwarz gek­lei­dete und ver­mummte Neon­azis zogen am ver­gan­genen Fre­itag den 13.01.2017 unangemeldet durch die Cot­tbuser Innen­stadt. Sie zün­de­ten Pyrotech­nik und hin­ter­ließen auf der Route frem­den­feindliche Fly­er. Dieses mar­tialis­che Auftreten sollte eigene Stärke ver­mit­teln und die Cot­tbuser Zivilge­sellschaft, vor allem Migrant*innen und Antifaschist*innen, einschüchtern.
Recht­sruck in Cottbus
Die NPD hat in Cot­tbus an Bedeu­tung ver­loren. Das wird jedes Jahr an der abnehmenden Zahl der Teil­nehmenden bei ihrer Aktion anlässlich des 15. Feb­ru­ar deut­lich. Trotz gescheit­ertem NPD-Ver­botsver­fahren sehen wir uns mit einem viel größeren Prob­lem kon­fron­tiert – ein Recht­sruck, der auch in Cot­tbus deut­lich zu spüren ist. Die Strate­gie der NPD zum Erlan­gen der poli­tis­chen Macht in Deutschland(1), scheint derzeit eine Umset­zung zu erfahren – allerd­ings nicht mit ihrer Partei in führen­der Posi­tion. Im „Kampf um die Par­la­mente“ ist die AfD erfol­gre­ich­er als die NPD jemals zuvor. Den „Kampf um die Köpfe“ führen die soge­nan­nten „Identitären“.(2) Dem „Kampf um die Straße“ haben sich die mask­ierten Nazis am 13.01. in Cot­tbus ver­schrieben. Ähn­lichkeit­en zur 2012 ver­bote­nen „Wider­stands­be­we­gung Süd­bran­den­burg“ („Spreelichter“) wur­den sichtbar.
Defend Diver­si­ty – Vielfalt verteidigen!
Der spon­tane Auf­marsch von Neon­azis darf nicht als Einzelphänomen betra­chtet wer­den. Er ist Aus­druck ein­er recht­en Eskala­tion­sstrate­gie, die sich aus einem in der Gesellschaft weit ver­bre­it­eten Frem­den­hass und Autori­taris­mus speist. Das Zusam­men­wirken rechter Kräfte auf ver­schiede­nen Ebe­nen bedeutet eine große Gefahr. Sie wollen eine Monokul­tur, die keine Entwick­lung mehr zulässt. Deswe­gen rufen wir alle dazu auf: lasst uns die Vielfalt vertei­di­gen – Defend Diver­si­ty! Antifaschis­mus ist heute so notwendig wie schon lange nicht mehr. Engagiert euch! Redet mit euren Fre­un­den und Nach­barn! Bildet eigene Grup­pen und Struk­turen. Dem Recht­sruck kön­nen wir nur mit ein­er bre­it­en Bewe­gung der gegen­seit­i­gen Sol­i­dar­ität entgegentreten.
Wir vom Bünd­nis „Cot­tbus Naz­ifrei“ und „Cot­tbus beken­nt Farbe“ wollen auch in diesem Jahr am 15. Feb­ru­ar wieder ein Zeichen set­zen. Kommt zu unser­er Demon­stra­tion und set­zt euch gemein­sam mit uns für ein vielfältiges und lebenswertes Cot­tbus ein!
Infos: Cot­tbus Naz­ifrei | Face­book: Cot­tbus stellt sich quer 
(1)Vier-Säulen-Konzept: Konzept zum Erwirken der poli­tis­chen Macht, wobei es ver­schiedene „Kämpfe“ gle­ichzeit­ig zu führen gilt: 1. Kampf um die Par­la­mente, 2. Kampf um die Straße, 3. Kampf um die Köpfe, 4. Kampf um den organ­isierten Willen. Mehr dazu 
(2)„Identitäre Bewe­gung“: neu-rechte Jugend­be­we­gung, die ver­sucht, den Recht­sex­trem­is­mus zu mod­ernisieren; Erken­nungsmerk­mal: Slo­gan „Defend Europe“, für Cot­tbus abge­wan­delt zu „Defend Cot­tbus“. Mehr dazu 

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Antifaschismus Law & Order

Halbzeit im Nauener Prozess

Der seit Ende Novem­ber am Landgericht Pots­dam ver­han­delte Prozess um eine Gruppe Bran­den­burg­er Neon­azis um den NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der (29) befind­et sich in der Hal­bzeit. Den sechs angeklagten Män­nern wird neben der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung auch schwere Brand­s­tiftung und Sachbeschädi­gung vorge­wor­fen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylin­der­bombe gezün­det sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turn­halle niederge­bran­nt haben, die als Flüchtling­sun­terkun­ft vorge­se­hen war. (bnr.de berichtete)
Die Tat­en verur­sacht­en Schä­den in Mil­lio­nen­höhe. Organ­isiert hat­ten sich die Neon­azis über eine What­sApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schnei­der, der deswe­gen auch als Rädels­führer der Neon­azi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Per­so­n­en in Unter­suchung­shaft. (bnr.de berichtete)

Mitangeklagte belasten NPD-Mann

Zum Auf­takt im Novem­ber belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Poli­tik­er Schnei­der schw­er. Der 33-jährige Sebas­t­ian F. ließ über seinen Anwalt eine Erk­lärung ver­lesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schnei­ders Ini­tia­tive und mit dessen Wagen Fäss­er mit Öl und Ben­zin zur Turn­halle schaffte. Dort sollen die Gegen­stände zusam­men mit Autor­eifen und Holz­palet­ten gestapelt wor­den sein, eben­falls nach den Anweisun­gen Schnei­ders. Beim Ent­fachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewe­sen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schnei­der mit der Tat geprahlt und F. für seine Mith­il­fe gelobt.
Auch Chris­t­ian B. (32) erk­lärte, die Idee und Vor­bere­itun­gen zur Tat seien von Schnei­der gekom­men. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Den­nis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegen­stän­den beladen hät­ten, bis er von Schnei­der aufge­fordert wor­den sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Auss­chau zu hal­ten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähn­lich und zeigten sich geständig, bestrit­ten aber alle­samt ein poli­tis­ches Motiv.

Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung

Obwohl die meis­ten Mitangeklagten in der recht­sex­tremen Szene der Region ver­ankert sind, wurde medi­al vielfach das Bild ver­mit­telt, die Män­ner seien unpoli­tis­che, gescheit­erte Exis­ten­zen, die von Schnei­der mehr oder weniger „ver­führt“ wur­den. Allerd­ings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hin­sicht selb­st nicht son­der­lich bemüht ist, dieser Leg­ende auf den Grund zu gehen.
Schnei­der selb­st äußerte sich erst später am Tag und teil­weise geständig. Allerd­ings nan­nte er den Brand einen „Unfall“. In ein­er „spon­ta­nen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkun­ft anzün­den, als ein „Sig­nal“ gegen die geplante Flüchtling­sein­rich­tung. Die Fas­sade sollte lediglich ver­rußt wer­den, so der 29-Jährige, denn immer­hin sei sie „Volk­seigen­tum“. Zudem sei er ange­blich „ein Fre­und von Asyl­be­wer­bern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht began­gen wor­den. Fast zwei Stun­den schwadronierte der Haup­tangeklagte, wich immer wieder vom The­ma ab.

Befangenheitsanträge gegen Schöffen

Kurzzeit­ig stand der Fort­gang des Prozess­es auf der Kippe. Schnei­ders unglaub­würdi­ge Geschichte ließ einen Schöf­fen dazu ver­leit­en, ihn zu fra­gen: „Bilden Sie sich ein, dass ein­er den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schnei­der protestierte, auch Richter Theodor Horstköt­ter zeigte sich sichtlich irri­tiert. Es fol­gten Befan­gen­heit­santräge gegen den Schöf­fen und die Kam­mer, die von manchen Juris­ten in ver­schiede­nen Medi­en als dur­chaus erfol­gver­sprechend eingeschätzt wur­den. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozess­es zur Folge gehabt. Allerd­ings entsch­ied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Ver­hand­lung fortzusetzen.
Mitte Dezem­ber war der fün­fte und bis­lang let­zte Ver­hand­lungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befan­gen­heit­santräge aber auch durch die umfan­gre­ichen Vorkon­trollen in die Länge zog,  kam der 27-jährige Christo­pher L. unter Meldeau­fla­gen aus der Unter­suchung­shaft frei. Die anderen bei­den, Maik Schnei­der und Den­nis W. bleiben jedoch weit­er­hin in Haft. Zudem kamen Ermit­tler vom Lan­deskrim­i­nalamt als Zeu­gen zu Wort. Sie präsen­tierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schnei­ders PKW mehrfach in der Nacht aufgeze­ich­net auf dem Weg zur Turn­halle aufgeze­ich­net hat­ten. Mit­tler­weile ver­sucht Schnei­der das Ver­fahren in die Länge zu ziehen, stellte sel­ber Beweisanträge und will mehrere Zeu­gen vor­laden lassen, darunter den Bran­den­burg­er NPD-Poli­tik­er Frank Kit­tler, frak­tion­slos­er Kreistagsab­ge­ord­neter im Havelland.

Prozess bis Februar verlängert

Unter­dessen geri­eten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staat­san­waltschaft. Schnei­ders ehe­ma­lige Fre­undin (22) hat­te in ihrer Vernehmung zugegeben, die Palet­ten für den Anschlag auf die Turn­halle besorgt zu haben. Sie sagte bere­its in der Ver­hand­lung als Zeu­g­in aus und berichtete von Dro­hun­gen aus der recht­sex­tremen Szene in Nauen. Sog­ar Flug­blät­ter mit ihrem Gesicht und einem David­stern seien anonym in der Stadt ver­bre­it­et wor­den. Auch der Angeklagte B. wurde bedro­ht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Ver­räter“ stand. Eine 23-Jährige ist unter­dessen bere­its wegen Bei­hil­fe zur Brand­s­tiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Bran­dan­schlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Ver­hand­lung gegen die sechs Neon­azis wird am 5. Jan­u­ar fort­ge­set­zt und sollte eigentlich im gle­ichen Monat enden, wurde nun aber auf­grund der Verzögerun­gen bis in den Feb­ru­ar verlängert.

Inforiot