Unter den am Montag abgeschobenen Personen kam einer der 15 Afghanen aus Brandenburg. Das Bundesland beteiligt sich zum ersten Mal an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan – die nunmehr vierte seit Dezember 2016. Damit ist Brandenburg das erste Bundesland mit Regierungsbeteiligung der LINKEN, das nach Afghanistan abschiebt.
Im Vorfeld der Abschiebung aus München wurde der afghanische Mann in Brandenburg an der Havel von seiner Arbeit abgeholt. Der Flüchtlingsrat kritisiert die Abschiebung in das Kriegsgebiet aufs Schärfste und appelliert an die Landesregierung, Abschiebungen nach Afghanistan sofort zu stoppen und alle Schritte in die Wege zu leiten, dass die betroffene Person wieder zurückkehren kann.
Einzelfallprüfung ersetzt keinen Abschiebestopp
Die Abschiebung fand wenige Tage statt, nachdem im Landtag der Beschluss über die „Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan“ gefasst wurde. Darin sind eine sorgfältige Einzelfallprüfung und das Ausschöpfen von Ermessensspielräumen festgeschrieben. Den Landtagsabgeordneten war sehr wohl bewusst, dass Schutzsuchende aus Afghanistan in ein Kriegsgebiet abgeschoben würden. Mit der Ermessens- und Einzelfallprüfung entschied der Landtag sich gegen einen Landes-Abschiebestopp nach Afghanistan.
Die Abschiebung des afghanischen Mannes macht deutlich, dass der Landtagsbeschluss keinen Abschiebestopp ersetzen kann. Beamt_innen sind in jedem Fall – nicht nur bei Flüchtlingen aus Afghanistan – verpflichtet, im Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebehindernisse vorliegen bzw. die Abschiebung einen Eingriff in Grundrechte darstellen würde. Folgt man dem aktuellen Bericht des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), gefährdet jede Abschiebung nach Afghanistan die körperliche Unversehrtheit von Menschen und stellt damiteinen Grundrechtseingriff dar. Der Landtagsbeschluss bietet angesichts dessen keinen wirksamen Schutz für von Abschiebung bedrohte Afghan_innen. Das Innenministerium solltestattdessen den Ausländerbehörden ein klares Signal geben, von Abschiebungen nach Afghanistan abzusehen. Eine Möglichkeit wäre, dem Bremer Beispiel zu folgen und die Ausländerbehörden anzuweisen, Afghan_innen Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen bestehender Unzumutbarkeit (und damit Unmöglichkeit) einer Rückkehr auszustellen. Zudem muss Brandenburgendlich Zugang zu Sprachkursen für Afghan_innen
gewähren, denn nur so kann der Weg zu einer langfristigen Bleibeperspektive geebnet werden.
Laut einer aktuellen Studie der Universität Konstanz hatten die in der Außenstelle des BAMF in BrandenburgentschiedenenAsylgesuche mit 10% bundesweit die niedrigste Anerkennungsquote afghanischer Flüchtlinge in den Jahren 2010–2015 (im Vergleich Nordrhein-Westfalen:34%). Das bedeutet, dass in Brandenburg überdurchschnittlich viele Afghan_innen dauerhaft gefährdet sind, abgeschoben zu werden.
Brandenburg hält an harter Linie gegen Geflüchtete fest
Aufgrund der zahlreichen Berichte zur verheerenden Sicherheitslage lehnen Bundesländer wie Schleswig-Holstein Abschiebungennach Afghanistan grundsätzlich ab. In der Presse hatte sich der Brandenburger Innenminister Karl-Heinz Schröter zuvor wiederholt als Verfechter der rigiden Abschiebepolitik de Maizières geoutet und die humanitäre Politik seinesKollegenaus Schleswig-Holstein, derals ersterund bisher einzigereinen Abschiebestopp verhängt hatte, scharf kritisiert.
Mit der Entscheidung gegen einen Abschiebestopp und der erstmaligen Beteiligung an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan zeigt die Landesregierung, dass sie an der harten Linie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière festhält. Damit übergeht sie den Willen und das Engagement vieler Menschen in Brandenburg, die die aktuelle Landes- und Bundespolitik kritisieren und mit landesweiten Aktionen ihre Solidarität bekunden. Mit einer Petition,
die bereits fast 70.000 Unterstützer_innen gefunden hat, setzen sich beispielsweise Schüler_innen einer Cottbuser Schule für ihre von Abschiebung bedrohten afghanischen Mitschüler ein. Bei Kundgebungen in Neuruppin und Potsdam forderten in diesem Monat Demonstrant_innen, darunter viele Afghan_innen,Flüchtlingsschutz und Abschiebestopp.
Zusammen mit Initiativen und Ehrenamtlichen fordert deshalb der Flüchtlingsrat Brandenburg weiterhin: Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Brandenburg muss das Lotteriespiel mit dem Leben afghanischer Flüchtlinge beenden und den hier lebenden Afghan_innen endlich Sicherheit und Schutz gewähren!
Kategorie: Law & Order
Der Verein Opferperspektive e.V. zählt für das Jahr 2016 in Brandenburg 221 rechte Angriffe. Dies ist ein erneuter Anstieg im Vergleich zum Jahr 2015 (203). Gegenüber 2014 haben sich die Angriffszahlen mehr als verdoppelt (98).
Die Mehrheit der Taten waren rassistisch motivierte Angriffe. Sowohl ihre absolute Zahl als auch ihr prozentualer Anteil an den rechten Gewalttaten nahmen erneut erheblich zu – von 142 Angriffen im Jahr 2015 auf 175 im Jahr 2016, bzw. von 68 auf 79 Prozent.
Neben den 175 rassistischen Angriffen, wurden 24 Taten aus Hass gegen politische GegnerInnen verübt, 14 richteten sich gegen nicht-rechte Personen, je 1 war sozialdarwinistisch bzw. antisemitisch motiviert. Zwei Mal wurden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angriffen und vier Gewalttaten richteten sich gegen JournalistInnen, die über rechte Aktivitäten berichteten. Bei der überwiegenden Mehrheit der Taten handelte es sich um Körperverletzungen, davon 85 einfache (2015: 61) und 101 gefährliche (2015: 76). Es wurden 13 Nötigungen und Bedrohungen (2015: 30), 6 Sachbeschädigungen (2015: 19) und 9 Brandstiftungen (2015: 10) Brandstiftungen gezählt. Von den Angriffen waren 335 Menschen direkt betroffen und mindestens 196 indirekt (z.B. Angehörige und ZeugInnen). Weiterhin geht die Opferperspektive von einem hohen Dunkelfeld aus, vor allem bei Angriffen gegen Geflüchtete.
Die Situation bleibt landesweit besorgniserregend. Zwar ist punktuell ein Rückgang rechter Gewalttaten festzustellen (in Potsdam, Oberhavel und Dahme-Spreewald). In den meisten Landkreisen ist jedoch ein weiterer Anstieg bzw. gleichbleibend hohe Angriffszahlen zu verzeichnen. Besonders bedrohlich ist die Situation in Frankfurt/Oder und Cottbus. Hier ist eine überproportionale Zunahme rechter Gewalt zu verzeichnen. In Cottbus zeugen 41 rechte Angriffe im Jahr 2016 davon, dass eine militante rechte Szene versucht, den öffentlichen Raum der Stadt zu dominieren.
Insbesondere der hohe Anteil rassistischer Gewalttaten lässt sich auf einen enthemmten Vertreibungswillen bei den TäterInnen zurückführen. Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive erklärt dazu: „Die vielen rassistischen Angriffe sprechen dafür, dass es den TäterInnen darum geht, MigrantInnen und Geflüchtete um jeden Preis zu vertreiben – sowohl aus ihrer Nachbarschaft als auch aus dem Land. Bedrohlich viele Menschen in Brandenburg haben keine Hemmungen, ihren rassistischen Ansichten im Alltag gewalttätig Ausdruck zu verleihen. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, Frauen, Kinder oder Jugendliche anzugreifen.“
Die Opferperspektive ruft Zivilgesellschaft, Kommunalverwaltungen und Landesregierung auf, alles dafür zu tun, die rechte Gewaltwelle zu beenden. Dazu ist es notwendig rassistischer Hetze entschieden entgegenzutreten, Diskriminierungen abzubauen und ein gewaltfreies Zusammenleben aller Menschen in Brandenburg zu fördern.
Im Anhang finden Sie das Hintergrundpapier der Opferperspektive zur Veröffentlichung der Angriffszahlen mit ausführlichen Analysen, sowie eine grafische Aufschlüsselung der Zahlen zur freien Verwendung. Bei Nutzung der Grafik bitten wir um Nennung der Quelle (Peer Neumann / Opferperspektive).
Für Rückfragen am 9.3.2017 ab 12 Uhr stehen Ihnen zur Verfügung:
Potsdam, Stadt der Toleranz, der Millionäre und Mäzene, wo jeder nach seiner Façon selig werden solle – das ist das Bild, das Politik und Medien gerne von dieser Stadt zeichnen. Die Grenzen dieses idyllischen Bildes werden bei Bedarf aber schnell mal klargemacht. Und nun ist es mal wieder soweit. Ja, wir haben Flüchtlinge aufgenommen; ja, wir haben ihnen unsere alten Klamotten geschenkt und ja, wir haben uns gut gefühlt – nun aber reicht es. Weg sollen sie, die Menschen aus den „sicheren Drittstaaten“, die „Wirtschaftsflüchtlinge“, die „Dublinfälle“. Und das möglichst schnell. Gerade wird auch in Potsdam die Infrastruktur geschaffen, um die anstehenden
Massenabschiebungen zu organisieren und die Abschottung der Festung Europa noch ein wenig effizienter zu machen.
Legitimiert wird das von toleranten und friedlichen Demokrat*innen, die auch gegen NPD und AfD sind – gerne mit der Begründung, dass man Platz schaffen müsse, für jene, die wirklich verfolgt werden. Und es wird geglaubt, dass man mit Ausreiseprämien und Abschiebungen, höheren Zäunen, Flüchtlingsabkommen und ein bisschen Entwicklungshilfe die Lage wieder beruhigen könne, ohne sich die Hände allzu schmutzig zu machen.
Doch dem ist nicht so. Das Wüten der kapitalistischen Ökonomie hat uns einen gründlich verwüsteten Planeten hinterlassen, das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft ist spätestens seit 1990 kassiert. Die von den kapitalistischen Großmächten – Deutschland seit knapp drei Jahrzehnten ganz vorn mit dabei – niederkonkurrierten Nationalökonomien brechen zusammen und mit ihnen ihre staatlichen Hüllen. Die Zukunftsaussichten für immer größere Teile der Weltbevölkerung sind irgendwo zwischen Subsistenzlandwirtschaft und Bürgerkrieg angesiedelt. Die Flucht davor kann nur ein Ziel kennen: in die Zentren der kapitalistischen Wirtschaft; dahin, wo man hoffen kann, noch etwas mehr als das nackte Überleben zu finden.
Unter diesen Bedingungen heißt Abschiebung und Abschottung Massenmord, ob auf dem Mittelmeer, der Ägäis oder in den Lagern Griechenlands und in der libyschen Wüste, ob vor Zäunen und Mauern oder auf den verschneiten Straßen des Balkans, ob auf einer Müllkippe im Kosovo oder in den Slums von Lagos.
Wir stehen – wie andere Gruppen und Projekte in dieser Stadt – in der Tradition einer Bewegung, die Freiheit und ein gutes Leben für alle einforderte und die wusste, dass man das nicht geschenkt bekommt, sondern selbst erledigen muss. Deswegen stehen wir auf gegen Abschiebehaft und Lager, gegen DublinIV und European Homecare, gegen Frontex und Ausländerbehörde. Und deswegen wissen wir, dass es damit noch lange nicht getan ist.
Kommt zum „die freaks formerly known as squatters“-Block auf der “Für das Recht, zu kommen, zu gehen und zu bleiben”-Demo am 18.03.2017 in Potsdam, 15.00 Uhr Nauener Tor.
Eine andere Welt ist nötig!
Der Utopia e.V. lädt am Freitag, den 10.03.2017, 18 Uhr zu der Veranstaltung „Spion*in unter Freund*innen: Verdeckte Ermittler in Sozialen Bewegungen“ im Kontaktladen des Vereins ein.
Fälle von verdeckten Ermittler*innen wie Simon Brenner, Iris Plate, Maria Böhmichen und Mark Kennedy tauchen in trauriger Regelmäßigkeit in der Geschichte des politischen Aktivismus auf. Doch was sind ihre Methoden und wie gehen sie vor, um Vertrauen zu wecken und Freundschaften zu schließen? Darüber wollen wir mit Jason Kirkpatrick sprechen und wollen auch einige falsche Vorstellungen über Spitzel entlarven.
Jason war lange Zeit mit Mark Kennedy befreundet, der als verdeckter Ermittler in die englische Klimabewegung eingeschleust wurde. Darüber hinaus beschäftigte sich Mark Kennedy auch mit der Anti-G8 Protestbewegung im Jahr 2007, sowie mit der Antifa- und Tierrechts-Bewegung. Jason ist auch einer von 170 Zeug*innen gegen Spitzel für den unabhängigen “Untersuchungsausschuss zu verdeckten
Ermittler*innen” (“Undercover Policing Inquiry” — UCPI.org.uk). Jason zeigt auch kurze Ausschnitte seines aktuellen Dokumentarfilm-Projektes Spied Upon (SpiedUpon.com).
„Der Utopia e.V. empfindet sich als Teil einer linken Bewegung, leider bleibt es da nicht aus, sich auch mit solchen Unterwanderungsversuchen auseinanderzusetzen.“, so Janek Lassau für den Utopia e.V.
Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten des Vereins, Berliner Str. 24 statt und wird unterstützt durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg, Regionalbüro Cottbus.
Am Freitag den 17. Februar fanden sich fast 40 Menschen vor der Kreisverwaltung in Eberswalde zu einer Kundgebung ein. Unter ihnen Geflüchtete aus Ützdorf, Biesenthal und Eberswalde. Anlass war eine Abschiebung in den Morgenstunden des Vortages. In Ützdorf, einer kleinen Siedlung zwischen Biesenthal und Wandlitz, wurde ein junger Mann aus Somalia von der Polizei geweckt. Die Abschiebung erfolgte ohne Vorankündigung, der Betroffene hatte keine Möglichkeit sich von seinen Freunden zu verabschieden. Auch seinen Anwalt durfte er nicht informieren.
Die BewohnerInnen des Flüchtlingswohnheimes in Ützdorf sind schockiert und wütend. Sie fordern die Rückkehr des Betroffenen und fürchten selbst Opfer einer Abschiebung zu werden. Deswegen zog eine kurze Spontan-Demonstration unter dem Motto „Stop Deportation – Keine Abschiebungen“ vor die Eberswalder Ausländerbehörde.
Moz-Artikel „Protest gegen Abschiebungen “ (17.02.2017)
Am 22. Februar 2017 um 9:30 Uhr beginnt am Amtsgericht Königs Wusterhausen der Prozess gegen den Täter des Reizgasangriffs vom 1. September 2015 in der Asylunterkunft Massow
Am kommenden Mittwoch beginnt am Amtsgericht Königs Wusterhausen der Prozess zu einem rechten Angriff auf Geflüchtete in der Asylunterkunft in Massow (Landkreis Dahme-Spreewald). Am 01. September 2015 attackierte
ein durch die Betreiberfirma des Heims (Campanet GmbH) beauftragter Bauarbeiter in der Unterkunft lebende Geflüchtete mit Reizgas. Gezielt sprühte der Angreifer die gefährliche Chemikalie in Privat- und
Gemeinschaftsräume. Es waren zahlreiche Verletzte zu beklagen, darunter auch Kinder. Der Angreifer war zuvor bereits mit rechten Sprüchen und Einschüchterungen gegenüber Heimbewohner_innen aufgefallen. Auch im
Internet äußerte der Täter Sympathien für rechte Gruppierungen.
„Der Reizgas-Angriff in Massow war aufgrund der hohen Betroffenenzahl einer der massivsten durch uns dokumentierten rechten Angriffe im Jahr 2015 im Land Brandenburg. Der Angreifer zielte damals bewusst darauf ab, so viele Geflüchtete wie möglich zu verletzen. Bei uns haben sich damals über 60 Betroffene gemeldet“, so Martin Vesely von der Opferperspektive. Die Betroffenen hatten unterschiedliche Nationalitäten, sie kamen vorwiegend aus Albanien, Serbien, Syrien, Afghanistan, Pakistan und
Tschetschenien.
Die große Mehrheit der Betroffenen, die durch die Opferperspektive begleitet wurden, darunter wichtige ZeugInnen, sind in der Zwischenzeit in ihr Heimatland abgeschoben oder durch die Behörden zur „freiwilligen Ausreise“ gedrängt worden. Sie werden zum Prozess daher nicht anwesend sein können. Darunter befinden sich auch wichtige Zeug_innen für den Ablauf des Angriffs. Aus diesem Grund ist zu befürchten, dass eine umfassende Aufklärung des Tatgeschehens sehr schwierig wird.
Nicht Gegenstand des Verfahrens wird der weitere Umgang mit den Opfern nach dem Angriff sein. Doch auch hier lag viel im Argen. „Sowohl die Behörden des Landkreis Dahme-Spreewald, als auch die Betreiberfirma des Heims (Campanet GmbH) haben sich nach dem Angriff nicht ausreichend um die Versorgung der Betroffenen gekümmert. Einige der Verletzten hatten noch Monate nach der Tat mit den körperlichen und seelischen Folgen zu kämpfen. Trotz unserer Hinweise wurde die medizinische Nachsorge für die Betroffenen nicht ausreichend sichergestellt“, so Martin Vesely von der Opferperspektive weiter.
Bund und Länder beabsichtigen, in Brandenburg eine Abschiebezentrale einzurichten. Ministerpräsident Woidke begrüßt öffentlich die Einrichtung dieser Logistikstelle für Sammelabschiebungen – trotz berechtigter Kritik seines Koalitionspartners, der Partei DIE LINKE. Während sich die Landesregierung öffentlich zum Thema Abschiebungen nach Afghanistan nicht positioniert, schafft sie mit der Potsdamer Abschiebezentrale Tatsachen. Mit diesem klaren Zeichen für eine repressive Abschiebepolitik reiht sie sich ein in den Kreis populistischer Scharfmacherei, die einfache Problemlösungen und Sammelabschiebungen propagiert.
Der Landesregierung sollte sehr wohl bewusst sein, dass es neben fehlender Dokumente, deren Beschaffung zukünftig in das Aufgabenprofil der zentralen Logistikstelle fallen soll, viele Gründe dafür gibt, dass Menschen trotz einer Ablehnung des Asylgesuchs nicht in Herkunfts- oder Durchgangsländer zurückkehren können – weder in vermeintlich sichere Herkunftsregionen in Afghanistan noch in einige überlastete EU-Länder wie Griechenland oder Ungarn, wo Flüchtlinge systematisch inhaftiert werden. Auch aus humanitären, medizinischen, familiären und persönlichen Gründen werden Abschiebungen in der Praxis häufig nicht durchgeführt. Dies zeigt, dass es Mängel im Schutzsystem gibt. Abschiebezentren sollen jedoch abschotten und Druck auf Menschen ausüben, das Land zu verlassen, damit sie ihre Möglichkeiten zur weiteren Aufenthaltssicherung nicht wahrnehmen.
Anstatt Abschiebezentren einzurichten und Flüchtlinge weiterhin nach Italien und ab März auch nach Griechenland abzuschieben, sollte Deutschland seine Energien darauf verwenden, den Verpflichtungen aus dem Relocation-Programm, das im September 2015 von der Europäischen Union verabschiedet wurde, nachzukommen. Von der zugesagten Aufnahme von über 27.400 Personen sind bisher lediglich etwa 2000 in Deutschland angekommen. Bleiben rund 25.400 Menschen, die bis Herbst diesen Jahres noch aufgenommen werden müssen.
Menschen außer Landes schaffen zu wollen, findet in der zunehmenden Missachtung des Innenministers gegenüber der Brandenburger Härtefallkommission seine Entsprechung. Innenminister Schröter hat in den vergangen beiden Jahren etwa ein Drittel der von der Kommission befürworteten Ersuchen abgelehnt, was eine traurige Bilanz darstellt. Die Statistik zeigt, dass besonders Familien von den negativen Entscheidungen des Ministers betroffen sind. Mit seinem Verhalten unterscheidet sich dieser Innenminister deutlich von seinen Vorgängern. Die Härtefallkommission Brandenburg wurde 2005 installiert. In den Jahren 2005–2014 wurden 137 Ersuchen an den jeweiligen Innenminister gestellt. Nur sechs, also 4% wurden abgelehnt.
Erst im Dezember hat Innenminister Schröter wieder ein Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt. Im Fall einer vierköpfigen albanischen Familie sprach sich die Kommission für ein Bleiberecht nach der Härtefallregelung (§23a AufentG) aus und richtete ein entsprechendes Ersuchen an den Innenminister. Der Familienvater befand sich in psychiatrischer Behandlung, die minderjährige Tochter wurde wegen einer schweren Angststörung psychotherapeutisch behandelt. Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst sah nach einer Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums die Gefahr der Kindeswohlgefährdung beim Ausbleiben oder Abbruch einer psychotherapeutischen Behandlung. Dennoch lehnte der Minister das Ersuchen der Kommission ab und setzte damit seine harte Linie fort.
Lang und sorgfältig debattierten Entscheidungen der Kommission, die einen humanitären Einzelfall begründen und auf Grundlage der verabschiedeten Härtefallkommissionsverordnung (HFKV) getroffen werden, misst der Innenminister keine Bedeutung bei. Stattdessen nimmt er nach eigenem Gutdünken eine Bewertung der Fälle vor und entscheidet nach persönlichem Maßstab. Damit spricht er der Kommission die Kompetenz ab und stellt zum wiederholten Mal ihre Arbeit und Funktion in Frage. Diese Entscheidungspraxis unterläuft eine bundesgesetzlich verankerte Regelung, die aus persönlichen und humanitären Gründen ein Bleiberecht ausdrücklich vorsieht.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg drängt darauf, dass wohlbedachte und sorgfältig getroffene Entscheidungen der Härtefallkommission durch den Innenminister gewürdigt werden. Seine Alleingänge und sachlich nicht gerechtfertigten Entscheidungen müssen ein Ende haben und dürfen nicht länger schweigend geduldet werden. Der Flüchtlingsrat sieht hier insbesondere auch den Koalitionspartner in der Pflicht.
Außerdem fordert der Flüchtlingsrat das Land auf, endlich entschiedener von bestehenden Bleiberechtsregelungen Gebrauch zu machen und der restriktiven Abschiebemaschinerie eine Absage zu erteilen.
Wir hoffen, dass es weiterhin Kräfte in der Landesregierung gibt, die sich den Prinzipien einer humanitären und menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik verpflichtet fühlen und die darauf hinwirken, dass sich Brandenburg nicht vor den Karren der neuen Abschiebekultur der Kanzlerin und des Bundesinnenministers spannen lässt.
Kontakt: Lotta Schwedler
schwedler@fluechtlingsrat-brandenburg.de, Tel.: 0176–21425057
Am 27.1.2017 versammelten sich ca. 120 Antifaschist_innen am Mahnmal für die Opfer des Faschismus am Platz der Einheit in Potsdam und gedachten gemeinsam an die Befreiung von Auschwitz vor 72 Jahren und die Verbrechen Nazideutschlands.
Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Potsdam hielt dabei einen Redebeitrag, der an die Entstehung des KZ’s aber auch die Entwicklung und Zuspitzung des Antisemitismus im damaligen Deutschland erinnerte und die Zuhörer_innen aufforderte solche Zustände niemals wieder zuzulassen.
Darauffolgend verlass ein Mitglied des Rollerderby-Teams Potsdam einen sehr persönlichen Redebeitrag, der vor allem Frauen in den Konzentrationslagern und ganz besonders zwei Widerstandkämpfer_innen aus Auschwitz gewidmet war, die mit ihrer Arbeit bei einem Aufstand dazu beitrugen ein Krematorium zu sprengen und damit zumindest das Morden zu verlangsamen.
Nach einem kurzen Gedicht und einer Schweigeminute zogen die Teilnehmende dann zum Sowjetfriedhof am Bassinplatz um nach einem kurzen Musikstück, den dort begrabenen Soldat_innen der Roten Armee zu gedenken und an ihren historischen Sieg über Nazideutschland zu erinnern. Auch wurde in einer Rede der Emanzipatorischen Antifa Potsdam deutlich gemacht, dass Erinnern und Gedenken gerade in Zeiten eines wachsenden Neofaschismus und Rechtspopulismus immer auch den alltäglichen Kampf und die Auseinandersetzung beinhaltet.
Im Anschluss daran fand im KuZe noch einen Informationsveranstaltung des Rollerderby-Teams Potsdam mit der Historikerin Susanne Willems statt, die für die Anwesenden die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz beeindruckend und detailreich nachzeichnete.
Judith Block von der EAP sagte vor allem im Hinblick auf die große Beteiligung:
“Antifaschistische Gedenkkultur ist in Potsdam ein wichtiger Teil für unser Selbstverständnis und das Gedenken an die Verbrechen des NS bleiben uns Mahnung und Verpflichtung. Wir werden dafür eintreten und kämpfen, dass sich dies niemals wiederholen kann. Egal ob Naziparteien wie NPD, der dritte Weg, freie Kameradschaften oder die Faschisten von der AfD. Wir werden auch 2017 entschlossenen Widerstand leisten!
Etwa 120 schwarz gekleidete und vermummte Neonazis zogen am vergangenen Freitag den 13.01.2017 unangemeldet durch die Cottbuser Innenstadt. Sie zündeten Pyrotechnik und hinterließen auf der Route fremdenfeindliche Flyer. Dieses martialische Auftreten sollte eigene Stärke vermitteln und die Cottbuser Zivilgesellschaft, vor allem Migrant*innen und Antifaschist*innen, einschüchtern.
Rechtsruck in Cottbus
Die NPD hat in Cottbus an Bedeutung verloren. Das wird jedes Jahr an der abnehmenden Zahl der Teilnehmenden bei ihrer Aktion anlässlich des 15. Februar deutlich. Trotz gescheitertem NPD-Verbotsverfahren sehen wir uns mit einem viel größeren Problem konfrontiert – ein Rechtsruck, der auch in Cottbus deutlich zu spüren ist. Die Strategie der NPD zum Erlangen der politischen Macht in Deutschland(1), scheint derzeit eine Umsetzung zu erfahren – allerdings nicht mit ihrer Partei in führender Position. Im „Kampf um die Parlamente“ ist die AfD erfolgreicher als die NPD jemals zuvor. Den „Kampf um die Köpfe“ führen die sogenannten „Identitären“.(2) Dem „Kampf um die Straße“ haben sich die maskierten Nazis am 13.01. in Cottbus verschrieben. Ähnlichkeiten zur 2012 verbotenen „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ („Spreelichter“) wurden sichtbar.
Defend Diversity – Vielfalt verteidigen!
Der spontane Aufmarsch von Neonazis darf nicht als Einzelphänomen betrachtet werden. Er ist Ausdruck einer rechten Eskalationsstrategie, die sich aus einem in der Gesellschaft weit verbreiteten Fremdenhass und Autoritarismus speist. Das Zusammenwirken rechter Kräfte auf verschiedenen Ebenen bedeutet eine große Gefahr. Sie wollen eine Monokultur, die keine Entwicklung mehr zulässt. Deswegen rufen wir alle dazu auf: lasst uns die Vielfalt verteidigen – Defend Diversity! Antifaschismus ist heute so notwendig wie schon lange nicht mehr. Engagiert euch! Redet mit euren Freunden und Nachbarn! Bildet eigene Gruppen und Strukturen. Dem Rechtsruck können wir nur mit einer breiten Bewegung der gegenseitigen Solidarität entgegentreten.
Wir vom Bündnis „Cottbus Nazifrei“ und „Cottbus bekennt Farbe“ wollen auch in diesem Jahr am 15. Februar wieder ein Zeichen setzen. Kommt zu unserer Demonstration und setzt euch gemeinsam mit uns für ein vielfältiges und lebenswertes Cottbus ein!
Infos: Cottbus Nazifrei | Facebook: Cottbus stellt sich quer
(1)Vier-Säulen-Konzept: Konzept zum Erwirken der politischen Macht, wobei es verschiedene „Kämpfe“ gleichzeitig zu führen gilt: 1. Kampf um die Parlamente, 2. Kampf um die Straße, 3. Kampf um die Köpfe, 4. Kampf um den organisierten Willen. Mehr dazu
(2)„Identitäre Bewegung“: neu-rechte Jugendbewegung, die versucht, den Rechtsextremismus zu modernisieren; Erkennungsmerkmal: Slogan „Defend Europe“, für Cottbus abgewandelt zu „Defend Cottbus“. Mehr dazu
Halbzeit im Nauener Prozess
Der seit Ende November am Landgericht Potsdam verhandelte Prozess um eine Gruppe Brandenburger Neonazis um den NPD-Politiker Maik Schneider (29) befindet sich in der Halbzeit. Den sechs angeklagten Männern wird neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung auch schwere Brandstiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylinderbombe gezündet sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turnhalle niedergebrannt haben, die als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. (bnr.de berichtete)
Die Taten verursachten Schäden in Millionenhöhe. Organisiert hatten sich die Neonazis über eine WhatsApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schneider, der deswegen auch als Rädelsführer der Neonazi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Personen in Untersuchungshaft. (bnr.de berichtete)
Mitangeklagte belasten NPD-Mann
Zum Auftakt im November belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Politiker Schneider schwer. Der 33-jährige Sebastian F. ließ über seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schneiders Initiative und mit dessen Wagen Fässer mit Öl und Benzin zur Turnhalle schaffte. Dort sollen die Gegenstände zusammen mit Autoreifen und Holzpaletten gestapelt worden sein, ebenfalls nach den Anweisungen Schneiders. Beim Entfachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewesen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schneider mit der Tat geprahlt und F. für seine Mithilfe gelobt.
Auch Christian B. (32) erklärte, die Idee und Vorbereitungen zur Tat seien von Schneider gekommen. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Dennis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegenständen beladen hätten, bis er von Schneider aufgefordert worden sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Ausschau zu halten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähnlich und zeigten sich geständig, bestritten aber allesamt ein politisches Motiv.
„Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung
Obwohl die meisten Mitangeklagten in der rechtsextremen Szene der Region verankert sind, wurde medial vielfach das Bild vermittelt, die Männer seien unpolitische, gescheiterte Existenzen, die von Schneider mehr oder weniger „verführt“ wurden. Allerdings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hinsicht selbst nicht sonderlich bemüht ist, dieser Legende auf den Grund zu gehen.
Schneider selbst äußerte sich erst später am Tag und teilweise geständig. Allerdings nannte er den Brand einen „Unfall“. In einer „spontanen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkunft anzünden, als ein „Signal“ gegen die geplante Flüchtlingseinrichtung. Die Fassade sollte lediglich verrußt werden, so der 29-Jährige, denn immerhin sei sie „Volkseigentum“. Zudem sei er angeblich „ein Freund von Asylbewerbern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht begangen worden. Fast zwei Stunden schwadronierte der Hauptangeklagte, wich immer wieder vom Thema ab.
Befangenheitsanträge gegen Schöffen
Kurzzeitig stand der Fortgang des Prozesses auf der Kippe. Schneiders unglaubwürdige Geschichte ließ einen Schöffen dazu verleiten, ihn zu fragen: „Bilden Sie sich ein, dass einer den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schneider protestierte, auch Richter Theodor Horstkötter zeigte sich sichtlich irritiert. Es folgten Befangenheitsanträge gegen den Schöffen und die Kammer, die von manchen Juristen in verschiedenen Medien als durchaus erfolgversprechend eingeschätzt wurden. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozesses zur Folge gehabt. Allerdings entschied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Verhandlung fortzusetzen.
Mitte Dezember war der fünfte und bislang letzte Verhandlungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befangenheitsanträge aber auch durch die umfangreichen Vorkontrollen in die Länge zog, kam der 27-jährige Christopher L. unter Meldeauflagen aus der Untersuchungshaft frei. Die anderen beiden, Maik Schneider und Dennis W. bleiben jedoch weiterhin in Haft. Zudem kamen Ermittler vom Landeskriminalamt als Zeugen zu Wort. Sie präsentierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schneiders PKW mehrfach in der Nacht aufgezeichnet auf dem Weg zur Turnhalle aufgezeichnet hatten. Mittlerweile versucht Schneider das Verfahren in die Länge zu ziehen, stellte selber Beweisanträge und will mehrere Zeugen vorladen lassen, darunter den Brandenburger NPD-Politiker Frank Kittler, fraktionsloser Kreistagsabgeordneter im Havelland.
Prozess bis Februar verlängert
Unterdessen gerieten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staatsanwaltschaft. Schneiders ehemalige Freundin (22) hatte in ihrer Vernehmung zugegeben, die Paletten für den Anschlag auf die Turnhalle besorgt zu haben. Sie sagte bereits in der Verhandlung als Zeugin aus und berichtete von Drohungen aus der rechtsextremen Szene in Nauen. Sogar Flugblätter mit ihrem Gesicht und einem Davidstern seien anonym in der Stadt verbreitet worden. Auch der Angeklagte B. wurde bedroht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Verräter“ stand. Eine 23-Jährige ist unterdessen bereits wegen Beihilfe zur Brandstiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Brandanschlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Verhandlung gegen die sechs Neonazis wird am 5. Januar fortgesetzt und sollte eigentlich im gleichen Monat enden, wurde nun aber aufgrund der Verzögerungen bis in den Februar verlängert.