Der Landesverband Brandenburg der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA, ruft zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2020 zu einem dezentralen Gedenken und Erinnern auf. Durch die COVID-19- Pandemie können in diesem Jahr keine Befreiungsfeierlichkeiten und keine zentralen Veranstaltungen stattfinden. Die Ordnungsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen im Kontext von COVID-19 schränken damit nicht nur das gesellschaftliche Leben ein, sondern auch die antifaschistische und erinnerungspolitische Arbeit an diesem für uns so wichtigen Jahrestag.
Trotzdem wollen wir, mit großer Rücksicht um die Gesundheit unserer Mitglieder*innen und antifaschistischen Freunde, den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus würdig und ehrenvoll im Sinne der Befreier*innen, der Roten Armee, sowie der Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus gestalten. Im ganzen Land Brandenburg befinden sich eine Vielzahl an Erinnerungsstätten zur Befreiung oder an die Opfer und Verfolgten des Faschismus. Diese lokalen, kleinen und dezentralen Gedenkstätten, wie Denkmäler, Friedhöfe, Ehrenhaine, Gedenksteine, Gräber oder Gedenktafeln, wollen wir mit eurer Unterstützung in den Fokus des antifaschistischen Gedenkens setzen.
Wir rufen daher alle Brandenburger*innen auf, in der Zeit um den 8. Mai 2020, dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, individuell und unter Einhaltung der notwendigen medizinischen Bestimmungen und Sicherheitsvorkehrungen, an den verschiedenen Erinnerungsstätten im Land Brandenburg Blumen und Kränze niederzulegen und dies per Fotos zu dokumentieren. Wir wollen, dass durch die Vielzahl von Blumen an den zahlreichen Erinnerungsstätten im Land Brandenburg der Appell des „Nie wieder Krieg und Faschismus“ trotz des Fehlens von klassischen Gedenkveranstaltungen mehr als deutlich wird.
Sendet uns die Fotos mit kurzen Hinweisen oder Berichten aus den verschiedenen Orten zwecks Veröffentlichung an die untenstehende E‑Mail‑, Post‑, Facebook- oder Twitter-Adresse. Zudem verweisen wir auf unser digitales Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai ab 16 Uhr per Livestream (www.freiland-potsdam.de).
Abbildung 1:* “Hier beginnt das verfluchte Deutschland” . Solche Schilder stellte die Rote Armee auf, als 1945 deutsches Territorium erreicht wurde [1]Wie sollte der Utopia e.V. — ein ehrenamtlicher, von jungen Menschen getragener, kleiner Verein — anlässlich der 75-jährigen Befreiung von der Vorherrschaft der Nationalsozialist*innen in Frankfurt (Oder) diese Pressemitteilung beginnen? Als erstes mit einem kurzen „Danke! Спасибо! Thank You! Merci!“ an die Alliierten und Widerständigen, die vor 75 Jahren am 23. April zur Befreiung Frankfurts und des heutigen Słubices beigetragen haben. Denn die Niederlage des deutschen Faschismus war unsere Befreiung!
Ein „Danke“ jedoch wird nicht genügen, um Geschehenes zu verstehen, damit es sich nicht wiederholt! Auch die Fragen: „Was, wie und warum war der Nationalsozialismus, der Vernichtungskrieg oder der Holocaust?“ können wir nicht alleine beantworten, aber wir können Impulse setzen!
Denn auch 75 Jahre nachdem die Vorherrschaft deutscher Faschist*innen und ihrer Kollaborateure endete, sind ihr Gedankengut und ihre Strukturen keineswegs verschwunden:
Seit 2016 verdoppelte sich die Anzahl der mit Schusswaffen ausgerüsteten Rechtsextremen [2]. Der NSU, eine Gruppe die offiziell 10 Menschen ermordete und 43 Mordanschläge verübte [3], enttarnte sich teilweise selbst. Ob auf der Insel Utøya oder in Städten wie Christchurch, Hanau und Halle — die Anschläge von extrem Rechten häufen sich. Im Jahr 2019 wurden in der Bundesrepublik 120 Angriffe auf Asylunterkünfte verübt und 1.620 Angriffe auf Geflüchtete registriert [4]. Jüngst wurde im Landkreis Oder-Spree ein Waffenlager mit nationalsozialistischen Devotionalien ausgehoben [5]. Unsere Stadt, Frankfurt (Oder), entwickelte sich zu einem Knotenpunkt der internationalen, neonazistischen Terrororganisation „Combat 18“ [6]. In Libbenichen zeigten erst letzten Monat während einer „Reichs-Party“ Jugendliche den Hitlergruß [7]. Ein „NR-Zonen“-Graffito diente als Platzhalter für Hakenkreuze und verblieb mehrere Monate am Kaufland im Zentrum[8]. Mittlerweile werden (gar) von parlamentarischen Kräften die Leistungen von deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen honoriert und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ [9] gefordert.
Genauso wie die Ideen, Symbole, und Struktur des Nationalsozialismus nicht einfach 1945 endeten, tauchten die Nationalsozialist*innen nicht erst 1933 auf. Bereits am 26. Mai 1929 begann die SA durch Frankfurt zu marschieren [10] und schon 1927 war in einer Kneipe zu hören:
„Die nationalsozialistische Bewegung ist entschlossen alles daran zu setzen, um das deutsche Volk von Juden- und Marxistenherrschaft zu befreien. Die Nationalsozialisten werden die Besten unter ihre Fahne sammeln und einen erbitterten Kampf gegen die inneren Feinde der Nation führen“. [11]
Auch heute sind in Frankfurter Kneipen solche Aussagen nicht ausgeschlossen.
Im Sommer 1932 wurde dann der Terror der Nazis in Frankfurt immer zügelloser. Am Abend des1. Juli kam es zu einem Überfall auf Antifaschist*innen. Am 4. Juli, in der heutigen Rathenaustraße, schossen Nazis über 100 Mal auf Arbeiter*innenwohnungen. Und am 5. Juli durften sie dann ungehindert durch unsere Stadt marschieren. Die 17
Vollzugspolizist*innen, die vor der faschistischen Gefahr und dieser Demonstration warnten, wurden daraufhin festgenommen [12].
So spricht auch die dramatische Entwicklung der Wahlergebnisse Bände. Lag die NSDAP bei der Reichstagswahl 1928 in Frankfurt erst bei 330 Stimmen, erhielt sie bei der Kommunalwahl 1929 bereits 2.400 Stimmen und wenige Jahre später, bei der Machtübernahme Hitlers im März 1933, eine absolute Mehrheit. Diese Machtübernahme führte in ihrer Konsequenz zu unzähligen furchtbaren Schicksalen, auch in Frankfurt (Oder).
So zum Beispiel auch für Marie und Adolf Köhn, deren Stolpersteine in der Großen Oderstraße 46 liegen. Adolf Köhn wurde von Faschist*innen während der Reichsprogromnacht verhaftet, einen Monat lang im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert und vier Jahre später, wahrscheinlich mit seiner Frau, ins Warschauer Ghetto deportiert. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
In der Großen Scharrnstraße 32 liegen zwei weitere Stolpersteine — die von Marie und Bruno Friedländer. Ihre Kinder schafften es auf einen Kindertransport und bekamen Asyl in Schottland und Australien. Marie und Bruno erhielten keine Zuflucht und wurden am 02. April 1942 in das Warschauer Ghetto deportiert, wo sie am 05. April ankamen. Das weitere Schicksal der Familie ist auch hier nicht bekannt.
Bis zum letzten Tag des Nazi-Regimes ließ die Gewalt und Brutalität nicht nach. Selbst der Niederlage ins Auge sehend, wurde Frankfurt (Oder) am 26. Januar 1945, einen Tag vor der Befreiung von Auschwitz, noch zu einer Festung erklärt. Am Tag des 30. Januars in Swiecko (im damaligen Schwetig) mussten 1.600 Gefangene des Frankfurter Gestapo-Arbeitserziehungslagers zum sogenannten „Todesmarsch“ antreten. 70 nicht marschfähige Menschen wurden direkt in Krankenbaracken verbrannt und ermordet. In der Nacht auf den 31. Januar erschossen in Słonsk (im damaligen Sonnenburg) Angehörige der SS und Gestapo 800 Inhaftierte des dortigen Zuchthauses [13]. Selbst in der Niederlage waren die Nationalsozialist*innen nicht davon abzubringen ihr Morden einzustellen.
So schwor im Februar 1945 Joseph Goebbels Frankfurt ein letztes Mal auf die Ideologie von “Blut und Boden“ ein, nachdem er am 31.Oktober 1929 erstmals in der Stadt davon gesprochen hatte. Frankfurt, das ein Zentrum für den Einsatz und die Verwaltung von Zwangsarbeiter*innen, Deportierten und Inhaftierten war, war gar Hauptstadt des Gaus Mark Brandenburg. Unzählige Waggons mit Menschen wurden ohne nennenswerten Widerstand deportiert. Unzählige Tonnen Kriegsmaterial fuhren ungehindert durch unsere Stadt.
Der Krieg endete für Frankfurt (Oder) am 23. April 1945, als belarussische Einheiten der Roten Armee „die fast menschenleere, keinen Widerstand leistende, überall brennende Stadt“ [14] befreiten, bis dann in der Nacht am 8. auf den 9. Mai die Wehrmacht gänzlich kapitulierte und die Hegemonie des Faschismus gebrochen war.
Auch wenn ein Großteil der Deutschen diesen Tag als Niederlage empfand — vielleicht sogar heute noch so empfindet: Der Sieg der Alliierten bedeutete das Ende der nationalsozialistischen Vorherrschaft, des Krieges in Europa und des Holocaustes und ist für uns ein Grund zum fröhlichen Tanz. Deshalb sagen wir immer wieder freundschaftlich: „Спасибо! Thank You! Merci! Danke!“.
Als Kultur- und Bildungsträger der offenen Kinder- und Jugendhilfe sagen wir auch ernst: „Nie wieder!“
Und um diesen Ernst zu begreifen; um den Impuls des Erinnerns und Gedenkens nicht bei dieser Mitteilung zu belassen, organisiert der Utopia e.V. im letzten Drittel diesen Jahres eine Gedenkstättenfahrt für Jugendliche und junge Erwachsene zu den ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern von Auschwitz, mit demokratisch-partizipatorischer Vor- und Nachbereitung:
„Denn die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass [wir] weder glaube[n], sie begründen zu müssen noch zu sollen. […] Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug“ [15].
Und so fordern wir auch andere Akteur*innen oder bisher nicht-Aktive dazu auf, sich am Engagement gegen faschistoide Bewegungen und Ideen in Frankfurt (Oder) zu beteiligen und zu organisieren – die Gründe sind bekannt und wir werden über weitere Termine berichten.
Eure Freund*innen und Assoziierten des Utopia e.V.
Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Potsdam-Babelsberg am 24.April kann in diesem Jahr aufgrund der Covid-19-Pandemie und ihrer daraus resultierenden Beschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen nicht in adäquater und würdiger Weise gedacht und erinnert werden. Im Voraus geplante Veranstaltungen der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes zur Befreiung von Babelsberg, wie zum Beispiel eine Radtour zu authentischen Orten, mussten wir schweren Bedauerns einstellen. Weil jedoch dieses Jubiläum nicht nur wichtig im Kontext der allgemeinen politischen Lage zu sehen ist – in einer Zeit, wo Rassismus, Nationalismus und Populismus wieder salonfähig sind – sondern auch im Kontext der lokalen Geschichte in einem Stadtteil, der als Industriestandort stark durch die Arbeiter*innenbewegung geprägt wurde und die letztendlich einen großen Anteil daran hatte, dass Babelsberg ohne wesentliche Kämpfe und Opfer befreit werden konnte, möchten wir diese Sonderwebseite der Öffentlichkeit präsentieren.
Unter der Webadresse https://1945.rotes-nowawes.de wollen wir mittels einer digitalen Rundtour auf historisch interessante Orte in Babelsberg aufmerksam machen. Zu den aktuellen Fotos gibt es je eine Kurzbeschreibung. Des Weiteren wollen wir der Öffentlichkeit verschiedene Dokumente und Materialien bereitstellen, die im Zusammenhang mit der Befreiung von Babelsberg, aber auch dem Neuanfang in dieser Stadt stehen. Wir sind uns bewusst, dass die ausgewählten Quellen und die Literatur, hier vor allem die Erinnerungsberichte, eine gewisse politische Färbung aus der Zeit der DDR beinhalten und deswegen immer im zeitgeschichtlichen Kontext gelesen werden müssen.
Nichts desto trotz sind vor allem die historischen Dokumente nicht zu verfälschen und stehen in ihrer Echtheit. Zudem dokumentieren sie die Zeitgeschichte jenes Momentes, der für viele Unsicherheit und Ungewissheit brachte, aber an einem Industriestandort wie Babelsberg – dem ehemaligen Roten Nowawes – mit seiner großen Arbeiter*innenschaft und den tausenden Zwangsarbeiter*innen, auch Befreiung und Erlösung.
2020 jährt sich die bedingungslose Kapitulation Hitler-Deutschlands zum 75. Mal. Wären die Umstände heute nicht so, wie sie gerade sind, würden wir draußen mit unseren Genoss_innen die Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück feiern. Doch auch wenn die zentralen Gedenkveranstaltungen nicht wie geplant stattfinden können, gibt es immer noch kreative Möglichkeiten im öffentlichen Raum zu gedenken. Anlässlich des #75Befreiung haben wir in Prenzlau und in Berlin an Frauen* erinnert, deren Biografien zum Teil mit dem KZ Ravensbrück verwoben ist. Sie wurden verfolgt, weil sie Jüdinnen waren, weil sie Kommunistinnen und Antifaschistinnen waren und auch, weil sie lesbisch waren.
Wir gedenken
Margarete Rosenberg
Elli Smula
Olga Benario-Prestes
Henny Schermann
Hilde Radusch
Trotz Kontaktsperre soll Gedenken weiterhin möglich sein! Anlässlich der Befreiung des KZ Ravensbrück hat die Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V. einen Podcast auf die Beine gestellt und außerdem Plakate erstellt, die auf ihrer Webseite runtergeladen und auf den Straßen angebracht werden können. Danke für diesen wichtigen Anstoß! Auch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte hat ihr Gedenken online verlagert. In den weiteren Wochen werden weitere Aktionen on- sowie offline folgen. Stay tuned!
Margarete Rosenberg und Elli Smula
Der Stolperstein von Elli Smula in der Singerstraße in Berlin ist wegen einer Baustelle erst nächstes Jahr wieder zu sehen
Margarete Rosenberg (geb. Quednau) und Elli Smula wurden beide im Sommer 1940 bei den Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) dienstverpflichtet. Im September 1940 erstattete ein_e Kolleg_in oder Vorgesetzte_r bei der Gestapo Anzeige gegen die beiden, woraufhin diese eine eingehende Untersuchung und schließlich ‚Schutzhaft‘ anordnete. Auf dem erhalten gebliebenen Schutzhaftbefehl von Margarete Rosenberg ist „staatsabträgliches Verhalten“ als Begründung vermerkt, die Schutzhaft-Karteikarte besagt, sie habe „die Arbeit vernachlässigt“. Ihnen wurde angelastet, „regen Verkehr mit Kameradinnen ihres Betriebes in lesbischer Hinsicht unterhalten“ zu haben, „wodurch der Betrieb des Straßenbahnhofs Treptow stark gefährdet“ würde. Am 30. November 1940 wurden beide in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Dort wurden sie zunächst als ‚asoziale‘, dann aber als politische Häftlinge registriert. Als Ergänzung taucht zudem der Vermerk „lesbisch“ auf. Margarete Rosenberg überlebte die Haftzeit von mehr als vier Jahren mit schweren gesundheitlichen Schäden und starb 1985. Elli Smula kam 1943 in Ravensbrück um.
Olga Benario wird am 12. Februar 1908 als Tochter einer jüdischen Familie in München geboren. Bereits in den Münchener Polizeiakten wird sie als „kommunistische Agitatorin“ geführt. Mit 17 Jahren zieht sie nach Berlin-Neukölln und ist im Kommunistischen Jugendverband (KJVD) aktiv. In Berlin-Neukölln wird sie bald zum Star der lokalen Kommunistischen Jugend und demonstriert ihre Zivilcourage in einem Coup, der in den Berliner Zeitungen Schlagzeilen macht: Am 11. April 1928 führt sie den bewaffneten Überfall des Gerichtssaals im Moabiter Gefängnis an und schafft es, den wegen Hochverrats angeklagten Otto Braun zu befreien. Mit falschen Pässen erreichen Braun und Benario ein paar Tage später Moskau.
Ihre Beziehung bricht 1931 ab, weil Benario Brauns Eifersuchtsanfälle kleinbürgerlich findet. 1935 reist sie auf Anordnung der Kommunistischen Internationale von Moskau aus mit dem brasilianischen Revolutionär Luís Carlos Prestes nach Rio de Janeiro. Der von Prestes und der Kommunistischen Partei 1935 in Brasilien initiierte revolutionäre Aufstand scheitert. Olga und Luís Carlos Prestes werden 1936 verhaftet. Trotz internationaler Proteste wird Olga Benario hochschwanger im September 1936 von den brasilianischen Behörden an die Gestapo ausgeliefert. Im Frauengefängnis Barnimstraße kommt ihre Tochter Anita Leocádia am 27. November 1936 zur Welt. Anfang 1938 wird Olga Benario von ihrer Tochter getrennt, kommt in das Frauenkonzentrationslager Lichtenburg und muss drei Jahre im KZ Ravensbrück verbringen bevor sie 1942 im Todestrakt der „Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg durch Kohlenmonoxid ermordet wird. Die Skulptur der Tragenden von Will Lammert auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück hat Olga Benario zum Vorbild.
Henny Schermann wurde 1912 geboren und lebte in Frankfurt am Main. Ihre Eltern besaßen einen Schuhladen, den sie aufgrund antisemitischer Boykotte aufgeben mussten. Ab 1935 arbeitete Schermann als Verkäuferin und hatte einen Sohn, Walter Schermann. Am 13. Januar 1940 wird sie unter nicht geklärten Umständen verhaftet und im März 1940 in das KZ Ravensbrück eingeliefert. Ein möglicher Anlass ihrer Verhaftung könnte eine Razzia in einem lesbischen Lokal gewesen sein. Dies ergibt sich aus einer Notiz des KZ-Arztes Friedrich Mennecke: „Jenny Sara Schermann, 19.02.12. Ffm, ledig, Verkäuferin in Ffm. Triebhafte Lesbierin, verkehrte nur in solchen Lokalen. Vermied den Namen ‚Sara’. Staatenlose Jüdin.“ Am 10. Oktober 1940 wurde Henny Schermann vom Konzentrationslager Ravensbrück in das Gerichtsgefängnis Prenzlau überführt. Den Angaben auf der Karteikarte zufolge wurde sie durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a. Main vom 14. Juni 1940 wegen „Vergehen gegen §§ 3 und 4 des Gesetzes vom 17.8.38“ zu einer Haftstrafe von zehn Tagen verurteilt. Dieses Gesetz beinhaltete, dass jüdische Menschen ab dem 01. Januar 1939 ihren Vornamen den Zwangsnamen „Sara“ bzw. „Israel“ hinzufügen mussten. Ende Oktober 1940 wurde sie wieder in das KZ Ravensbrück zurückgebracht und von dort am 30. Mai 1942 in die Euthanasie- und Tötungsanstalt Bernburg transportiert und ermordet.
Hilde Radusch (geb. 6.11.1903 in Altdamm, gestorben am 2.8.1994 in Berlin) verlässt im Alter von 18 Jahren ihr konservatives Elternhaus in Weimar und zieht alleine nach Berlin, um sich dort im Kommunistischen Jugendverband, später in der KPD, speziell im Roten Frauen- und Mädchenbund, zu engagieren. Mit nur 26 Jahren wird sie für die nächsten drei Jahre Stadtverordnete für die Berliner KPD. Nach den Wahlen 1932, die große Stimmengewinne der Nazis mit sich bringen, beteiligt sich Hilde Radusch zunächst noch am Aufbau einer illegalen Postleitung, was jedoch durch ihre Verhaftung am 6.4.1933 unterbunden wird. Aus der “Schutzhaft” im Frauengefängnis in der Barnimstrasse wird sie entlassen, noch bevor die Überstellung politischer Gefangener in ein KZ der Regelfall wurde. 1939 verliebt sie sich in Eddy, eine Nachbarin in der Oranienburger Straße, die für die nächsten 21 Jahre ihre Lebensgefährtin wird. Hilde Radusch kümmert sich um die Beschaffung der stark rationierten Lebensmittel und organisiert Unterschlupf für aus dem Gefängnis entlassene Frauen. Fortan taucht sie mit Eddy in Prieros (Königs Wusterhausen) unter und verbringt dort die letzten Kriegstage in einer Holzhütte. Nach Kriegsende arbeitet Hilde Radusch für das Bezirksamt in der Abteilung “Opfer des Faschismus”.
In der großen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Doberlug-Kirchhain gibt es erste bestätigte Coronafälle, in Potsdam stehen nach mehreren Infektionen alle 116 Bewohner*innen einer Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne und auch Oberhavel meldet eine positiv getestete Person in einer Gemeinschaftsunterkunft sowie mehr als 200 Bewohner*innen in Quarantäne, die heute getestet werden sollen.
Die ersten Corona-Fälle in Brandenburger Sammelunterkünften für Geflüchtete zeigen: Es muss jetzt gehandelt werden! Für einen wirksamen Infektionsschutz ist die Massenunterbringung völlig ungeeignet und setzt die Bewohner*innen einem hohen Risiko aus. Zahlreiche Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke und andere Risikogruppen leben weiterhin in den Massenunterkünften. Um die drohende Quarantäne kompletter Heime zu vermeiden und die Geflüchteten vor einer Coronainfektion bestmöglich zu schützen, fordern wir:
Erstaufnahme-Einrichtungen leer ziehen!
Gemeinschaftsunterkünfte entzerren und Menschen dezentral unterbringen!
Risikogruppen sofort raus aus den Sammelunterkünften!
Wohnungen statt Lager!
Brandenburg hat Platz: Es muss jetzt ein Richtungswechsel stattfinden!
Zahlreiche Flüchtlingsorganisationen kritisieren seit vielen Jahren die Unterbringung in Sammelunterkünften und fordern ein Recht auf ein selbstbestimmtes Wohnen in Wohnungen und Wohnverbünden. Die Unterbringung in alternativen Wohnorten ist machbar. Corona macht noch einmal deutlich: Es ist endlich an der Zeit, dass die Landesregierung Konzepte für eine Unterbringung in Wohnungen erarbeitet und nicht weiterhin auf Massenunterbringung setzt.
Um die Bewohner*innen der Sammellager kurzfristig zu schützen, können aber auch Kapazitäten im Tourismussektor pragmatisch genutzt werden. So könnten Szenarien, wie in anderen Bundesländern bereits aufgetreten, vermieden werden: 244 positiv getestete in Ellwangen, Quarantäne für jeweils hunderte von Menschen in Unterkünften in Halberstadt (Hungerstreik), Suhl und Bremen. Diese Beispiele zeigen, was passieren kann, wenn Menschen auf engstem Raum zusammen leben müssen.
Die Position des Sozialministeriums, Vollquarantänen ganzer Unterkünfte wenn möglich vermeiden zu wollen (Rundschreiben 02/2020 des MSGIV), ist zwar begrüßenswert — bleibt aber ein leeres Versprechen, wenn weiterhin viele Menschen gezwungen sind auf engem Raum miteinander zu leben und löst auch das langfristige Problem der Massenunterbringung nicht.
Während die Stadt Potsdam bereits Geflüchteten und Obdachlosen in der Coronakrise Betten in Pensionszimmern zur Verfügung stellte und auch aus der Unterkunft in der Zeppelinstraße nach Bekanntwerden der Infektionen umgehend umverteilt wurde, sodass alle auf das Virus negativ getesteten Personen sich seit letzter Woche in einem Hotel oder Wohnungen befinden, leben zahlreiche Geflüchtete in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den anderen Sammelunterkünften des Landes weiterhin auf engstem Raum zusammen und sind damit permanent einer Gefährdung ausgesetzt (Märkische Allgemeine, 9.4.2020, „Bewohner in Asylheim in Quarantäne“; PNN, 10.4.2020).
Situation in der Außenstelle der Erstaufnahme Doberlug-Kirchhain spitzt sich zu
In der Erstaufnahmeeinrichtung Doberlug-Kirchhain mit 474 Bewohner*innen wurden bisher mindestens drei Personen positiv auf Corona getestet und sind in einem Container unter Quarantäne gestellt. Bewohner*innen berichten, dass sich 15 weitere Menschen in Quarantäne im fünften Stock des Familiengebäudes befinden. Eine individuelle Quarantäne sei dort jedoch nicht möglich: So teilen sich negativ Getestete, die auf das Ende ihrer Quarantäne warten, mit Personen, die noch ihr Testergebnis abwarten, Bad und Küche. Doch statt durch dezentrale Umverteilung in kleinere Unterkünfte mehr Platz für Quarantäneanforderungen zu schaffen, setzt die zentrale Ausländerbehörde auf Abschottung: So wurden mit Unterstützung der Bundeswehr Zelte auf dem Gelände aufgebaut (Lausitzer Rundschau 9.4.2020), die einzige Busverbindung in den 5 km entfernten Ort wurde eingestellt.
Bewohner*innen rechnen damit, dass es immer mehr Quarantäne- sowie Coronafälle geben wird. „Wichtig ist uns: Wir brauchen Transparenz über die Zahlen der positiv und negativ Getesteten. Und auch darüber, wo sie alle untergebracht werden sollen“, sagt eine Bewohnerin. Eine andere erklärt: „Wir sind hier an einem Ort mit vielen Begrenzungen untergebracht. Bäder, Küchen und Toiletten sind besonders morgens überfüllt. Die Situation wird sich während der Ramadan-Zeit ab dem 24. April noch verschlimmern.“ Für jeweils 50 Personen steht nur eine Küche zur Selbstversorgung zur Verfügung. 70% der Bewohner*innen sind Muslime, die während des anstehenden Fastenmonats täglich auf ein bestimmtes Zeitfenster zum Essen und dessen Zubereitung angewiesen sind. Probleme, den benötigten Abstand einzuhalten, sind unter diesen Bedingungen vorprogrammiert. Auch bei der Internetnutzung ist die notwendige Distanz schwierig einzuhalten, denn WLAN ist, wenn überhaupt, nur in bestimmten Bereichen verfügbar.
Kontakt:
Flüchtlingsrat Brandenburg: +0331 71 64 99; info@fluechtlingsrat-brandenburg.de
We’ll Come United Berlin/Brandenburg: 0163 1601783; community@welcome-united.org
Für Fragen zur aktuellen Situation geflüchteter Menschen mit einer Behinderung in Sammelunterkünften: Handicap International: +030 28043926; k.dietze@hi.org
Doberlug-Kirchhain Vereint, Diana Steinborn: 0173 4802479; dk.vereint@gmail.com; Initiative für Begegnung und Flüchtlingshilfe in Doberlug-Kirchain
Gemeinsame Pressemitteilung von Flüchtlingsrat Brandenburg, We‘ll Come United Berlin Brandenburg, Handicap International e.V, International Women* Space, Women in Exile & Friends, Refugees Emancipation, KommMit e.V., Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V., Refugee Assembly Brandenburg, Wir packen’s an e.V. – Nothilfe für Geflüchtet, Jugendliche ohne Grenzen Brandenburg, Refugee Law Clinic Berlin, Barnim für alle, Seebrücke Potsdam, Flüchtlingsberatungsstelle des ev. Kirchenkreises Oberes Havelland, ESTAruppin e.V, Geflüchteten Netzwerk Cottbus, Migrantenbeirat der Landeshauptstadt Potsdam, Vorstand des Aktionsbündnis Brandenburg, Bürger*innenasyl Barnim, SV Babelsberg 03, Brigade Konrad Wolf, Doberlug-Kirchhain VerEin, Alternatives Jugendprojekt 1260 e.V., S, Strausberg, Netzwerk neue Nachbarn Werder, Theater X, Aktionsbündnis „Offenes MOL“ Märkisch Oderland, Space2groW, colaborative Reichenow e.V., Kultur in der Alten Schäferei e.V. Reichenow, Haus des Wandels e.V. Steinhöfel-Heinersdorf, Demokratisches Jugendforum e.V., Dr. med. Nora Wawerek, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Lunow, Dipl.Med. Almut Berg, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, Lunow, Dr. Verbena Bothe
Liebe Überlebende, liebe Angehörige, liebe Freund_innen und Genoss_innen!
Dieses Jahr können wir uns nicht zu einer gemeinsamen Gedenkfeier auf dem ehemaligen Lagergelände treffen. Das macht uns traurig. Doch wir möchten euch aufrufen und einladen, an diesem Tag trotzdem ein Zeichen zu setzen:
Wir haben einen Podcast (Radiosendung) für euch erstellt, den ihr ab dem 18. April von unserer Website herunterladen oder in einigen freien Radios hören könnt – mit Reden zur Befreiungsfeier, Musik, Gedichten, Zitaten von Überlebenden und einem Überblick zur Geschichte und Nachgeschichte des Lagers. Hört euch die Sendung an und sagt sie anderen weiter! Ihr findet sie hier: http://gedenkort-kz-uckermark.de/info/aktuelles.htm#
Wir haben Plakate gestaltet und hoffen, dass sie weite Verbreitung finden – und an vielen Orten zu einem kurzen Innehalten, zum Nachdenken und zum Handeln anregen. Druckt sie aus, hängt sie auf und schickt sie über eure Social Media-Kanäle: http://gedenkort-kz-uckermark.de/assets/downloads/2020_75Jahrestag_Plakate.pdf
Malt eigene Transpis und hängt sie an Balkone und Fenster! Wir freuen uns über Fotos von allen Gedenkzeichen für unsere Website! Und schickt uns gerne auch welche, falls ihr am 18. April vielleicht doch zum Gedenkstein auf dem ehemaligen Lagergelände geht. Lasst uns auch in diesem Jahr zusammen gedenken. An vielen Orten, mit unterschiedlichen Zeichen, und doch mit dem gleichen Ziel. Antifaschismus braucht starke Bündnisse. Eure Initiative für einen Gedenkort ehem. KZ Uckermark
Am 19. April gedenken wir gemeinsam mit der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. der Opfer des Frauen-KZ Ravensbrück (siehe auch Online-Angebot der Mahn- und Gedenkstätte unter: https://www.ravensbrueck-sbg.de/).
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Unfortunately, we did not yet have time to translate this information into other languages. However, we try to provide an English translation as soon as possible. Thank you for your patience!
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Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V.
Lausitzerstr. 10
Aufgang B
D‑10999 Berlin
E‑Mail: info@gedenkort-kz-uckermark.de
Web: www.gedenkort-kz-uckermark.de
Vom 17. bis zum 19. April waren Veranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück geplant, die im Zuge der Corona-Maßnahmen nun abgesagt wurden. Dabei sollte nicht nur das Gedenken an lesbische NS-Opfer thematisiert werden, sondern auch erneut die umstrittene „Gedenkkugel” niedergelegt werden.
„Das offizielle Gedenken an lesbische Frauen ist längst überfällig!“, sagt Irmes Schwager, die sich in der Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich engagiert. Die Initiative legt den Fokus auf das Gedenken und Erinnern an lesbische Frauen*, die von den Nationalsozialisten inhaftiert und ermordet wurden. In Kooperation mit der französischen Gruppe Mémoires en chantier wollten sie zum 75. Jahrestag der Befreiung des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück gemeinsam in einem Raum die beiden Ausstellungen „Die Gedenkkugel: Chronik einer Sichtbarkeit – Die Verfolgung lesbischer Frauen in der NS-Zeit und die Bedeutung des Gedenkens“ und „Constellations brisées“ präsentieren. Aufgrund der Auswirkungen des Coronavirus wurde die Veranstaltung in der Mahn- und Gedenkstätte abgesagt.
Kampf um die Anerkennung lesbischen Gedenkens
Lebenswege nachzeichnen und sichtbar machen: Diesen Ansatz verfolgen die Aktivist*innen von Mémoires en chantier mit ihrem Projekt „Constellations brisées“. Die Multimediaausstellung soll mithilfe digitaler Karten Aufschluss über den Widerstand, die Liebe und Freundschaften unsichtbar gewordener, lesbischer Frauen aus ganz Europa geben. Anhand der Biografien der nach Ravensbrück deportierten KZ-Insassinnen Marguerite Chabiron, Suzanne Leclézio und Yvonne Zeigel, die französische Widerstandskämpfer*innen waren, sowie der beiden deutschen Lesben Elsa Conrad und Henny Schermann wollte die Gruppe ihre Arbeit in der Mahn- und Gedenkstätte vorstellen. Doch auch wenn die Ausstellungseröffnung bis auf Weiteres verschoben wurde, sind die Porträts von Chabiron, Conrad und Schermann bereits online zugänglich. Unabhängig davon, betont Suzette Robichon, eine Aktivistin der Gruppe: „Es bleibt für uns unglaublich wichtig, nach Ravensbrück zu kommen“.
Bild: Ina Rosenthal
Um eine offizielle Anerkennung lesbischen Gedenkens kämpft die Initiative Autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich. 2015 legte die Initiative zum ersten Mal eine Gedenkkugel für die lesbischen Opfer des NS-Regimes auf dem Gelände des ehemaligen KZ Ravensbrück nieder. Diese wurde aber von der Leitung wieder entfernt, weil der Vorgang nicht offiziell genehmigt war. „Es wurde versucht, etwas zum Schweigen zu bringen, was spricht!“, erinnert sich Irmes Schwager.
Über die Art und Weise, wie lesbischer NS-Opfer gedacht werden soll, wird schon seit den 80er-Jahren gestritten. Denn nach dem Strafrecht des NS-Staats wurden allein Männer aufgrund homosexueller Handlungen kriminalisiert und dafür ins KZ gebracht. Eine vergleichbare strafrechtliche Verfolgung lesbischer Frauen gab es zumindest in Deutschland nicht. Doch wie aus der leider immer noch sehr lückenhaften Forschung zum Thema hervorgeht, galten Lesben als „entartet“ oder „verrückt“. Sie wurden aus anderen Gründen denunziert, verfolgt und ermordet. Auch standen in den Lagern lesbische Handlungen unter Strafe.
Dennoch stellt sich die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bislang quer, der Kugel einen festen Platz zu geben. Auch der LSVD Brandenburg zog 2018 seinen Antrag auf Unterstützung zurück. Am Jahrestag der Befreiung sollte deswegen die Kugel erneut in Ravensbrück niedergelegt werden. Die Absage bedeutet leider einen weiteren Rückschlag für die Frauen* der Initiative. Doch auch wenn unklar ist, was die Zukunft bringen wird und ob die Kugel jemals einen festen Platz in der Gedenkstätte bekommt: die Aktivist*innen werden unermüdlich für die Anerkennung und Sichtbarmachung lesbischen Gedenkens kämpfen.
Das Osterwochenende ist fast vorbei und wir wollen es für euch auswerten. Wir schauen dabei nicht nur auf die Polizei, sondern auch auf das Ordnungsamt. In den letzten Tagen hat das Potsdamer Ordnungsamt vermehrt Angler*innen kontrolliert. Dies wurde von den Ordnungskräften mit dem Verstoß gegen die Infektionsordnung begründet, obwohl die Angler*innen allein waren. Sie begründeten die Personalien Aufnahme und das abfotografieren der Papiere damit, dass das Angeln aufgrund der Verordnung in Potsdam verboten sei. Die betroffenen Angler*innen erhielten Verwarnungen. Zeug*innen fragten daraufhin beim Ordnungsamt nach, welches das Verbot bestätigte. Da wir als Polizeikontrollstelle darüber sehr verwundert waren, baten wir einen Stadtverordneten bei dem Oberbürgermeister Mike Schubert nachzufragen. Dieser hat in der Telefonkonferenz am 11.04.2020 verneint, dass so ein Verbot existiere. Unsere Ansicht nach, ist es dringend notwendig alle Mitarbeiter*innen auf den gleichen Kenntnisstand zu bringen. Es kann nicht sein, dass die Ordnungsamt Mitarbeiter*innen die Verordnung derart schamlos ausnutzen, um Personalien aufzunehmen.
Am Freitag kam es zu einer Kontrolle durch das Ordnungsamt Potsdam auf dem Bassinplatz. Dort waren 3 Mädchen (ca. 13–16 Jahre) mit Inlinern unterwegs. Das Ordnungsamt hat dort die Personalien aufgenommen und Verwarnungen ausgesprochen. Das Problem an dieser Kontrolle war das Verhalten der Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes. Die Mitarbeiter*innen haben sich zu keinem Zeitpunkt bei ihrer Ansprache an einen Abstand von 1,50m gehalten. Weiterhin mussten alle Personen den gleichen Kugelschreiber benutzen. Das hat wenig mit Infektionsschutz zu tun. Aus unserer Sicht reicht es bei minderjährigen Personen eine mündliche Ansprache ohne Personalien Aufnahme.
Eine weitere Kontrolle durch das Ordnungsamt in Hennigsdorf wirft Fragen auf. Eine Person war mit einem Baby unterwegs und stand kurz auf einem Steg. Das Ordnungsamt kam zu der Person und verwarnte diese. Weiterhin sagten sie zu der Person, dass das Aufhalten nur maximal 3–5 Minuten gestattet sei. Wie das Hennigsdorfer Ordnungsamt zu dieser Rechtsauslegung kommt, ist mehr als fraglich. In der Infektionsschutzverordnung gibt es keine Zeitangaben. Deswegen werden wir in den nächsten Tagen eine Email an die Stadt Hennigsdorf formulieren und fragen, wie es zu dieser Rechtsgrundlage kommt. Wir werden euch die Antwort mitteilen!
Beim Betrachten der Arbeit der Polizei, fällt ganz eindeutig der Sonntag auf. Hier kam es zu mehreren Übergriffen von Seiten der Polizei.
Bei einer Warteschlange vor einem Bäcker, wurde eine Person angesprochen. Die Polizei kommunizierte, dass die Person Teil einer aufgelösten Versammlung sei und sie eine Ordnungswidrigkeit begehe. Weiterhin wies die Polizei darauf hin, dass dies bis zu 10.000€ kosten kann und die Person ja wohl nicht den schönen Nachmittag im Gewahrsam verbringen möchte. Die Polizei forderte die Person auf das Schild runterzunehmen, da es aus ihrer Sicht nicht gestattet sei ein Schild zu tragen und in der Warteschlange zustehen. Anschließend wurden die Personalien aufgenommen. Da es sich bei der betroffenen Person um eine Trans*Frau handelt, trägt diese einen Zusatzausweis mit sich. Dieser wurde zwar akzeptiert, allerdings “scherzte” der Polizist beim Orgnialausweis “ob der Herr auf dem Ausweis denn auch da wäre”. Der Polizist fand das sehr lustig. Die betroffene Person nicht. Es kann nicht sein, dass Trans*personen solch diskriminierende Kontrollen erleben müssen.
Am Ostersonntag kam es zu einem überzogenen Polizeieinsatz wegen einer Ordnungswidrigkeit. Gegen 13 Uhr haben sich zwei Radfahrer*innen auf der Brandenburger Straße befunden. Ein Polizeiwagen kam den Radfahrer*innen entgegen. Das Fenster wurde geöffnet und herausgerufen, dass Fahrradfahren verboten sei. Person A hat den Ruf akustisch nicht verstanden und Person B war sich dem Fahrverbot am Sonntag nicht bewusst, weshalb beide weiterfuhren. Die Polizei sprang daraufhin sofort aus ihrem Auto und rannte den Personen hinterher. Person A wurde am Arm gepackt und so zum Stillstand gebracht. Person B blieb daraufhin stehen. Da die Polizei den Bitten und Wünschen des Näherkommens aus Infektionsgründen zu unterlassen, wichen die beiden Personen ein Stück zurück. Person A wurde gegen einen Bauzaun gedrängt und Person B gegen eine Hauswand. Beide wurden von jeweils 2 Polizist*innen umringt und weitere Beamt*innen kamen hinzu. Die Polizist*innen trugen zu keinem Zeitpunkt Atemschutzmasken.
Aufgrund der begangenen Ordnungswidrigkeit wurden die Personen aufgefordert ihre Personalausweise herauszugeben. Es wurde damit gedroht, sich sonst “den Ausweis zuholen”, wenn das nicht freiwillig passiere. Person B versuchte den Vorfall mit dem Handy zu filmen. Sie kam aber nicht dazu, da dies von den Beamt*innen sofort untersagt wurde. Sie forderten Person B auf, das Video zu löschen. Da sie dieser anscheind nicht trauten, nahm ein Beamter das Handy aus der Hand und scrollt durch die Galerie, um zu schauen, ob tatsächlich keine Dateien vorhanden sind. Zu diesem Zeitpunkt kamen zwei weitere Personen, die die Situation filmen. Die Polizei forderte die weiteren Personen auf, dies zu unterlassen. Sie stellten sich als Jornalist*innen der MAZ vor. Daraufhin mussten diese ihre Presseausweise zeigen.
Person A und B bekamen ein Überweisungsschein von 15€. Aufgrund von Schildern am Gepäckträger wurde ihnen unterstellt, teil einer Versammlung gewesen zu sein. Obwohl die Beamt*innen dafür keine Beweise hatten, wurde ein mündlicher Platzverweis für die gesammte Brandenburger Straße erteilt. Weiterhin wurde den beiden Personen gedroht, sollte man sie beide heute nochmal zusammen antreffen, würden sie Probleme bekommen, aufgrund der Infektionsschutzverordnung.
Fassen wir diese Maßnahme kurz zusammen: Die Polizei kontrollierte zwei Personen wegen einer Ordnungswidrigkeit. Die Polizei verhielt sich gegen jede Infektonsschutzordnung, wurde aufgrund einer Ordnungswidrigkeit körperlich und versuchte Pressearbeit zu behindern.
Das Verhalten der Polizei bei der Warteschlange vor dem Bäcker ist mehr als fragwürdig. So waren bei dem ganzen Einsatz 120 Polizist*innen im Einsatz, die bei Personenansprachen, ohne Schutzausrüstung waren und somit bei nicht erkannter Covid-19 Erkrankung zu Überträger*innen werden. Unserer Ansicht muss es eine Beschwerdestelle geben, welche nicht bei der Polizei angegliedert ist.
Das Netzwerk für Weltoffenheit Bernau rief am 7. März auf dem Bahnhofsvorplatz zu
buntem, friedlichem Protest sowie zu Spenden auf. Unter dem Motto „Stoppt die
Brandstifter — Solidarität statt Hass, Hetze und Gewalt“ versammelten sich etwa 250
Menschen aller Generationen, die kreativ zeigten, dass sie in keinem Land leben
möchten, das von Demagogen regiert oder mitregiert wird. Noch unter dem Eindruck des
rassistischen Terroranschlags von Hanau machten sie deutlich: Wir treten gegen Hass
und Hetze, für eine solidarische Gesellschaft ein, in der Menschenrechte nicht von
Zufälligkeiten wie dem Ort der Geburt abhängig sind.
Vorab versprach das Netzwerk für Weltoffenheit: Als Gegengewicht gegen die
Ausschließeritis der AfD sorgen wir dafür, dass pro Teilnehmer/in an der Kundgebung
mindestens 10 Euro an Pro Asyl e.V., an Women in exile bzw. an Barnim für alle
gespendet werden. Anfangs fragten einige Aktive im Netzwerks skeptisch: Ist ein
„Demo-Zehner“ nicht doch zu viel und überhaupt realisierbar? Wenn 100 Menschen zur
AfD-Kundgebung kommen, brauchen wir 1000 Euro Spenden… Optimistische Stimmen im
Netzwerk überwogen dann: „Notfalls stocken wir anschießend die Spenden auf.“
Aufstocken ist nun nicht nötig. An der AfD-Kundgebung beteiligten sich 50 bis
maximal 80 Teilnehmer, überwiegend ältere Männer. Spenden in Höhe von 800 Euro
hätten also gereicht, um die Zusage einzulösen. Wie das Netzwerk jetzt in Erfahrung
brachte, gingen mit dem Vermerk „Spende BER0703“ bis Ende März insgesamt 1810,00
Euro bei den drei Organisationen ein, die sich für die Rechte geflüchteter Menschen
einsetzen.
Robert Lissmann vom Bernauer Netzwerk fasst zusammen: „Vor dem Ausbruch der
Corona-Pandemie war dies wohl für längere Zeit die letzte Demonstration der
demokratischen Zivilgesellschaft in Bernau. Wir bedanken uns sehr für den
engagierten und bunten Protest gegen die AfD-Kundgebung sowie für die kleinen und
größeren Spenden. Wer rassistisches Gift aktiviert, dann bei rechtem Terror
Erstaunen und Erschrecken heuchelt und keinen Zusammenhang sehen will, versucht die
Menschen für dumm zu verkaufen. Bleiben Sie gesund und aktiv, aufmerksam und
solidarisch“.
Fast 2.000,- wurden nach dem Spendenaufruf bei der Demo in Bernau an Gruppen und Organisationen, die Geflüchtete supporten, gespendet.
INFORIOT Bundesweit berichten Medien über hunderte Meter lange Schlangen vor Lebensmittelgeschäften. In der Potsdamer Innenstadt kam es am Ostersonntag zu einer ungewöhnlichen Warteschlange, nachdem eine angemeldete Menschenkette der Seebrücke Potsdam verboten worden war. Gegen Mittag standen mehr als 200 Menschen an einer Bäckerei auf der Brandenburger Straße an, um ihre Brötchen zu kaufen. Da aktuell auch beim Anstehen und Warten ein Abstand von mindestens 2 Metern einzuhalten ist, ging die 700m lange Warteschlange entlang der gesamten Fußgängerzone von der Friedrich-Ebert-Str. bis zum Brandeburger Tor.
Die Wartenden hatten Schilder oder Transparente dabei, um auf die katastrophale Situation an den Europäischen Außengrenzen und in den Elendslagern auf den griechischen Inseln, wie das Lager Moria auf Lesbos, aufmerksam zu machen. Seenotrettung, Solidarität und Menschenrechte wurden gefordert. Außerdem wurden Gesänge und Parolen angestimmt.
Mit vor Ort waren mehrere parlamentarische Abgeordnete, Anwält_innen und Journalist_innen, die den Bäckerkund_innen beratend und unterstützend zur Seite standen.
Passant_innen reagierten überwiegend positiv auf die Aktion und solidarisierten sich mit Klatschen, Einreihen oder Sprechchören.
Die eintreffende Polizei wirkte insgesamt überfordert und planlos. Die Beamt_innen versuchten, die Wartenschlange als unangemeldete Versammlung zu deklarieren und die Menschen am Brötchenkauf zu hindern. Vereinzelt wurden Personalien aufgenommen. Zu beobachten war, dass die „Ordnungshüter“ im Namen von Corona weder Abstandregeln einhielten, noch Mundschutz trugen.
Die Einkaufsschlange löste sich nach gut einer Stunde von selbst auf, da ein ungestörtes Warten nicht möglich war.