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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Potsdam/Nauen: Anklage gegen rechte Stadtguerilla

Maik Schneider, Dennis W, Christopher L, Christian B 2015
Die Staat­san­waltschaft Pots­dam hat, gemäß Pressemit­teilung vom 27. Juli 2016, gegen sechs Neon­azis aus Nauen wegen ver­schieden­er Delik­te, darunter den Bran­dan­schlag auf eine als Notun­terkun­ft für Flüchtlinge gedachte Sporthalle, Anklage erhoben.
Den Angeschuldigten Den­nis W., Christo­pher L., Chris­t­ian B. und Thomas E. wird darüber hin­aus die Grün­dung und Mit­glied­schaft in ein­er krim­inellen Vere­ini­gung, dem Nauen­er NPD Stadtverord­neten Maik Schnei­der zusät­zlich die rädels­führerschaftliche Beteili­gung zur Last gelegt .
Das Ver­fahren soll vor der Staatss­chutzkam­mer des Landgericht­es Pots­dam stattfinden.
Ins­ge­samt hat die Staat­san­waltschaft in sieben Punk­ten Anklage gegen die mut­maßliche krim­inelle Vere­ini­gung erhoben:
1.) In der Störung der Nauen­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung vom 12. Feb­ru­ar 2015 sieht die Staat­san­waltschaft den Tatvor­wurf der Nöti­gung ver­wirk­licht. Klage erhoben wird jedoch lediglich gegen Maik Schnei­der. Den­nis W., der eben­falls bei der Störung anwe­send war, wird dies­bezüglich offen­bar nicht angeklagt.
2.) Im Fall des Bran­dan­schlages auf den PKW eines pol­nis­chen Geschädigten am 17. Mai 2015 am Karl-Bernau-Ring in Nauen erhebt die Staat­san­waltschaft Anklage wegen gemein­schaftlich­er Brand­s­tiftung. Geklagt wird gegen Maik Schnei­der und Den­nis W.
3.) Hin­sichtlich der Zün­dung eines nicht zuge­lasse­nen Sprengkör­pers am 1. Juni 2015 an einem Unter­stand ein­er LIDL-Fil­iale in Nauen erhob die Staat­san­waltschaft Anklage wegen Her­beiführung ein­er Sprengstof­f­ex­plo­sion und Beschädi­gung ein­er Sache von bedeu­ten­dem Wert. Angeklagt ist in diesem Fall Den­nis W.
4.) Wegen Farbbeutel­würfe auf das Nauen­er Büros der Partei „Die Linke“ am 7. Juni 2016 erhob die Staat­san­waltschaft Anklage wegen gemein­schaftliche Sachbeschädi­gung. Angeklagt wer­den dies­bezüglich Maik Schnei­der, Christo­pher L. und Thomas Frank E.
5.) Im Verkleben von Schlössern des Parteibüros der „Linken“ am 9. Juni 2015 in Nauen, sieht die Staat­san­waltschaft eben­falls den Straftatbe­stand der Sachbeschädi­gung ver­wirk­licht. Angeklagt wird deswe­gen Den­nis W.
6.) Aber­mals eine Sachbeschädi­gung sieht die Staat­san­waltschaft im Abbren­nen ein­er mobilen Toi­lette auf der Baustelle des Über­gangswohn­heimes für Asyl­suchende am Walde­mar­damm in Nauen, in der Nacht vom 30. zum 31. Juli 2015. Anklage erhoben wird hier gegen Christo­pher L.
7.) Im Fall des Bran­dan­schlages auf die als Notun­terkun­ft für Flüchtlinge geplante Sporthalle des OSZ Nauen, in der Nacht vom 24. zum 25. August 2015, erhebt die Staat­san­waltschaft Anklage wegen Brand­s­tiftung. Geklagt wird gegen Maik Schnei­der, Den­nis W., Christo­pher L., Chris­t­ian B., Thomas Frank E. sowie Sebas­t­ian F.
Ermit­telt wurde gegen die oben genan­nten Tatverdächti­gen übri­gens auch noch in weit­eren Fällen. Auf­grund man­gel­nder Beweise wur­den fol­gende Ver­fahren jedoch gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt:
8.) Sachbeschädi­gung unter Ver­wen­dung ein­er Graf­fi­tisch­ablone mit dem Schriftzug „Heimatliebe ist kein Ver­brechen“ am 15. und 16. April 2015.
9.) Brand­s­tiftung an einem Pkw von Kom­mu­nalpoli­tik­ern der Partei „Die Linke“ zwis­chen dem 12. und 13. Feb­ru­ar 2016.
Über­haupt nicht auf der Anklage­liste der Staat­san­waltschaft erscheint – erstaunlicher­weise – die zunächst Angeschuldigte Frauke K. Einen Grund dafür gab die Behörde nicht an.

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Sonstiges

Ukrainische Metalklänge erwecken das verschlafene Havelland

Da kommt etwas Wildes aus der Donet­zk­er Vorstadt auf das Frie­rock-Fes­ti­val 2016 zugerollt. Nicht umson­st wurde der diesjährige Head­lin­er “Jin­jer” (Jin­jer Home­page) 2013 zur besten Met­al-Band der Ukraine ernan­nt. Am zweit­en August­woch­enende wer­den sie dem son­st eher idyl­lis­chen Frie­sack im Havel­land eine ordentliche Por­tion pro­gres­siv­en Met­al um die Ohren hauen. Aber keine Angst – natür­lich gibt’s nicht nur harte Töne. Neben diesem echt­en Geheimtipp ste­hen noch viele andere regionale und über­re­gionale Bands auf dem Plan. Von Ska aus den Alpen (Jok­er­face — Jok­er­face Home­page) über Deutsch­punk aus Neu­rup­pin (Kira Kanoa — Kira Kanoa Face­book­seite) bis hin zu tra­di­tionellem Celtic Folk Punk aus Frankre­ich (The Moor­ings — The Moor­ings Home­page) ist für jeden Geschmack etwas dabei. Eben eine exquis­ite Auswahl an musikalis­chen High­lights der “Frie­rock­er” — Das sind etwa 20 Frei­willige aus der Region, die sich das ganze Jahr auf Reisen begeben haben, um ebendiese Auswahl aus der alter­na­tiv­en Musik­szene ins Havel­land zu locken.
 
Frie­rock-Fes­ti­val fördert den Nachwuchs 
 
Im 18. Ver­anstal­tungs­jahr wird das Frie­rock-Fes­ti­val volljährig. Da der demografis­che Wan­del auch vor der Bran­den­bur­gis­chen Fes­ti­val­land­schaft keinen Halt macht, wird es Zeit, in die Zukun­ft zu investieren. Um junge Fam­i­lien mit Nach­wuch­srock­ern an das Frie­rock-Fes­ti­val her­anzuführen, haben sich die Organ­isatoren ein beson­deres Pro­gramm aus­gedacht: In musikalis­chen Schnup­perkursen kön­nen sich die Kids aus­pro­bieren und so den Grund­stein leg­en, um selb­st ein­mal auf der Frie­rock-Bühne zu ste­hen. Daneben wer­den sie durch Gesichts­be­malung, riesi­gen Seifen­blasen und dem Clown Cel­ly unterhalten.
 
Aber nicht nur die Kleinen kom­men auf ihre Kosten: Die BMX Crew “Friss-Dreck” aus Dall­gow und Hand­made Visu­al Action von den Trash­puz­zle- Kün­stlern aus Berlin (Facebook/Flickr) wer­den das Pub­likum zum Staunen bringen.
 
Eben­falls zum Staunen ist ohne Frage die Loca­tion: Das Frie­rock-Kollek­tiv ver­wan­delt die Freilicht­bühne Frie­sacks in ein buntes Tanz­paradies und lockt so jährlich Hun­derte Fes­ti­val­gäste ins Havel­land. “Hier stimmte alles”, so Robert G., der im ver­gan­genen Jahr zufäl­lig auf das Fes­ti­val gestoßen ist. “Der Ver­anstal­tung­sort gle­icht einem kleinen Amphithe­ater: Unter größen Bäu­men, auf grünem Gras, mit liebevoll gemachter, bunter Beleuch­tung wie im Zauber­wald. Das Pub­likum ist so bunt gemis­cht und entspan­nt wie nir­gend­wo sonst.”
 
Das Fes­ti­valtick­et kostet 15 Euro und ist nur an der Abend­kasse erhältlich. Das Camp­en ist im Preis inbe­grif­f­en. Weit­ere Infor­ma­tio­nen sowie das kom­plette Line-Up 2016 gibt es unter www.frierock-festival.de und www.facebook.com/frierockfestival.

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Antifaschismus Sonstiges

Transpi Aktion in Neuruppin

Während Deutsch­land momen­tan im Aus­nah­mezu­s­tand der Ter­rorhys­terie versinkt, richt­en wir unsere Aufmerk­samkeit auf die alltäglichen Schweinereien des kap­i­tal­is­tis­chen Nor­malvol­lzugs. Gen­tri­fizierung, Ver­drän­gung und Obdachlosigkeit sind längst keine Phänomene von Großstädten wie Berlin, München oder Ham­burg mehr — auch im beschaulichen Neu­rup­pin lassen sich die Wirkun­gen von Speku­la­tion und Prof­it­max­imierung im Umgang mit Wohn­raum beobachten.
Mit dem soge­nan­nten “See­torvier­tel” entste­ht in Neu­rup­pin eine neue Spiel­wiese für Reiche — teure Eigen­tumswoh­nun­gen, Tief­gara­gen, Sicher­heits­di­enst usw. Wir fra­gen: Wer braucht diese Scheisse? Wir
jeden­falls nicht! Wir wollen stattdessen lieber sozialen Wohn­raum für junge und alte Men­schen, WGs, Arbeit­slose, Geflüchtete und Obdachlose.
Der Stadt Neu­rup­pin muss man zugute hal­ten, dass sie mit ihrem Stad­ten­twick­lungskonzept “Neu­rup­pin­Strate­gie 2020 / 2030” einen wahrnehm­baren Fokus auf sozialen Wohn­raum legt. Die Frage bleibt, wie
real­is­tisch die Umset­zung ein­er solchen Konzep­tion ist. Seit Anfang der 1990iger und mit dem Durch­marsch des Neolib­er­al­is­mus (als mas­sive Zus­pitzung kap­i­tal­is­tis­ch­er Aus­beu­tung in fast allen Bere­ichen ) geht der staatliche Bau von Sozial­woh­nun­gen immer weit­er zurück. Die Logik des Neolib­er­al­is­mus sucht die Lösung für dieses Prob­lem in der Pri­vatwirtschaft. Pri­vate Investor_Innen sollen die Lage ret­ten. Doch ent­ge­gen der naiv­en, gegen­teili­gen Annahme haben solche Men­schen wenig Inter­esse am Bau von Sozial­woh­nun­gen. Schließlich geht es ihnen nicht darum, dass alle Men­schen eine gute Woh­nung besitzen, son­dern auss­chließlich um die Steigerung ihrer Prof­ite. Die Pri­vatwirtschaft baut lieber Eigen­tumswoh­nun­gen für Reiche und der Staat ver­fügt nicht mehr über Kapaz­itäten die Men­schen aus­re­ichend mit bezahlbarem Wohn­raum zu versorgen.
Die Lösung dieses Prob­lems sind wed­er Kniefall noch Bit­ten an Staat oder Kap­i­tal son­dern eine kämpferische Bewe­gung, welche die gesellschaftlichen Eigen­tumsver­hält­nisse in Frage stellt. Die
Mit­tel unser­er Wahl sind Streiken, Block­ieren und Beset­zen, sprich die Wieder­aneig­nung unser­er eige­nen Hand­lungs­fähigkeit. Wir sind nicht bere­it die Exis­tenz von Leer­stand hinzunehmen, während Men­schen auf der Straße leben müssen oder Zwangsräu­mungen, welche zur Zer­störung men­schlich­er Exis­ten­zen führen.
Um auf unsere Forderun­gen aufmerk­sam zu machen, haben wir mehrere Gebäude in der Stadt betreten und dort Trans­par­ente ange­bracht. Dabei haben wir unsoziale Luxus­baut­en eben­so besucht wie städtis­chen und pri­vat­en Leerstand.
Wir rufen dazu auf, sich zu organ­is­eren und die herrschen­den Ver­hält­nisse in Frage zu stellen! Die Stadt gehört uns allen!

Im Bau befindliche Eigentumswohnungen am See
Im Bau befind­liche Eigen­tumswoh­nun­gen am See

Altes "MittenDrin" als ungenutzter Wohnraum
Altes “Mit­ten­Drin” als ungenutzter Wohnraum

Jahrelanger Leerstand an der B167
Jahre­langer Leer­stand an der B167
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration Gender & Sexualität

Wir werden immer lauter!”

Vom 25.7.–14.8.2016 geht Women in Exile and Friends unter dem Mot­to “Wir wer­den immer lauter!” auf Aktion­s­tour quer durch Deutsch­land. Die drei­wöchige Tour soll auf die Sit­u­a­tion von geflüchteten Frauen und Kindern aufmerk­sam machen und Flüchtlings­frauen unter­stützen, für sich selb­st zu sprechen.
Eliz­a­beth Ngari, Mit­be­grün­derin von Women in Exile: “Die Erfahrun­gen, die wir in Bran­den­burg machen, sind den Erfahrun­gen von Frauen aus anderen Bun­deslän­dern ähn­lich. Flüchtlings­frauen sind dop­pelt Opfer von Diskri­m­inierung: Sie wer­den als Asyl­be­wer­berin­nen durch ras­sis­tis­che Geset­ze aus­ge­gren­zt und als Frauen diskriminiert..”
Women in Exile and Friends wird Unterkün­fte besuchen, mit lokalen Ini­tia­tiv­en zusam­me­nar­beit­en und öffen­lichkeitswirk­same Aktio­nen durch­führen. So ist beispiel­sweise am 29.7. eine Protestkundge­bung vor dem Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge in Nürn­berg geplant. Eine zen­trale Forderung ist die Anerken­nung geschlechtsspez­i­fis­ch­er Flucht­gründe. Der Focus der Tour wird jedoch auf dem Empow­er­ment und gegen­seit­igem Aus­tausch der Flüchtlings­frauen liegen.
Eliz­a­beth Ngari: “Über die Jahre haben wir Verbindun­gen mit zahlre­ichen Flüchtlings­frauen und Unterstützer*innengruppen aufge­baut. Jet­zt geht es darum, unsere Gemein­samen Forderun­gen an die Öffentlichkeit zu brin­gen.” Wir wür­den uns freuen, wenn Sie über die Tour bericht­en und den Ter­min wahrnehmen, um mit uns über die Sit­u­a­tion von Flüchtlings­frauen zu sprechen. Es beste­ht auch die
Möglichkeit, die Bus­tour zu begleiten.
Weit­ere Infor­ma­tion über die Gruppe “Women in Exile & Friends”: http://women-in-exile.net/ oder auf facebook.com/Women-in-Exile-Summer-Bus-Tour-2016
Tour­dat­en: 25.7. War Starts Here-Camp Alt­mark // 26.–27.7. Halle/Saale // 28.7.Leipzig // 29.–31.7. Nürn­berg // 1.8. Oberursel // 2.–3.8. Köln // 4.8. Osnabrück // 5.8. Biele­feld // 6.8. Göt­tin­gen // 7.8. Witzen­hausen // 8.–9.8 Bre­men // 10.–11.8. Ham­burg // 12.8. Pots­dam // 13.–14.8. Berlin

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Antifaschismus Law & Order

Brandenburg unter Beobachtung

Unter­suchungsauss­chuss zum NSU startet unter kri­tis­ch­er Begleitung von NSU Watch Brandenburg
INFORIOT – Es ist so weit. In Bran­den­burg startet ein par­la­men­tarisch­er Auss­chuss, der die Ver­strick­un­gen von Neon­azis und V‑Leuten aus Bran­den­burg in die Aktiv­itäten und Struk­turen des Nation­al­sozial­is­tis­chen Unter­grun­des (NSU) aufk­lären will. Am Dien­stag fand die erste kon­sti­tu­ierende Sitzung des Unter­suchungsauss­chuss­es im Bran­den­burg­er Land­tag statt – allerd­ings unter Auss­chluss der Öffentlichkeit. Erst im April war die Ein­set­zung des Auss­chuss­es beschlossen worden.
Foto zeigt einen Flyer von NSU Watch Brandenburg im Vordergrund und Personen im Hintergrund
Wenn im Sep­tem­ber nun die zehn Auss­chuss­mit­glieder von SPD, CDU, Linke, Grüne und AfD zur eigentlichen inhaltlichen Arbeit übergeben, geht es an die Sub­stanz: Die zen­trale Frage, ob das Land Bran­den­burg die Tat­en des NSU hätte ver­hin­dern kön­nen, muss im Auss­chuss beant­wortet wer­den. Carsten Szczepan­s­ki alias „Piat­to“, die „Top-Quelle“ des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes hat­te Infor­ma­tio­nen zu Plä­nen des NSU-Kern­trios und gab diese an den Ver­fas­sungss­chutz weit­er. Der Ver­fas­sungss­chutz, so der Vor­wurf, habe die Infor­ma­tio­nen nicht an zuständi­ge Ermit­tlungs­be­hör­den weit­ergeben. Zu ein­er Fes­t­nahme des Trios kam es bekan­ntlich nicht. Zehn Morde, diverse Anschläge und Über­fälle folgten.
Es ist nicht das einzige Fehlver­hal­ten des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes, das es aufzuar­beit­en gilt. Auch der V‑Mann-Skan­dal um den Guben­er Neon­azi Toni Stadler, die unaufgek­lärte Anschlagsserie der Nationalen Bewe­gung — auch hier war der Ver­fas­sungss­chutz involviert – oder die Nation­al­rev­o­lu­tionären Zellen, ein ter­ror­is­tis­ch­er Zusam­men­schluss von Neon­azis aus Berlin und Bran­den­burg, der auch „Piat­to“ ange­hörte, gehören zu den vie­len The­men, die nach Ein­schätzung der Ini­tia­tive NSU Watch Bran­den­burg zu klären sind.
NSU Watch Bran­den­burg gegründet
Zeit­gle­ich zur kon­sti­tu­ieren­den Sitzung des Unter­suchungsauss­chuss­es, stellte sich NSU Watch Bran­den­burg vor. NSU Watch Bran­den­burg als Teil des bun­desweit­en Net­zw­erkes NSU Watch, hat sich die Auf­gabe gestellt, den Unter­suchungsauss­chuss kri­tisch zu begleit­en. „Der NSU stellt eine Zäsur in der bun­des­deutschen Nachkriegs­geschichte dar“, so Felix Hansen als Vertreter des bun­desweit­en Zusam­men­hanges am Dien­stag bei ein­er Pressekon­ferenz. NSU Watch, ein Zusam­men­schluss aus antifaschis­tis­chen Grup­pen und Einzelper­so­n­en, beobachtet seit 2013 den Straf­prozess gegen Beate Zschäpe und vier weit­ere Angeklagte. Im Prozess in München ist auch Bran­den­burg immer wieder ein The­ma, aktuell geht es um die Zeitschrift „Weißer Wolf“, ein Heft in dem bere­its 2002 ein Hin­weis auf den NSU auf­tauchte. Der „Weiße Wolf“ war in den 90er Jahren in der Bran­den­burg­er JVA hergestellt wor­den – maßge­blich beteiligt war damals Carsten Szczepanski.
Fehlende Aufk­lärungs­bere­itschaft
Aus Sicht der Antifaschist_innen ist es kein Ruhmes­blatt für die Bran­den­burg­er Poli­tik, dass der Unter­suchungss­chuss erst jet­zt, über vier Jahre nach der Selb­stent­tar­nung des NSU, ein­gerichtet wurde. Neben­klagean­wälte im Prozess vor dem Ober­lan­des­gericht in München kri­tisieren schon länger die fehlende Aufk­lärungs­bere­itschaft der Bran­den­burg­er Behör­den, unter anderem, weil sich das Innen­min­is­teri­um weigerte Akten an das Gericht her­auszugeben, und Ver­fas­sungss­chutzmi­tar­beit­er während der Zeu­ge­nan­hörun­gen ver­meintlichen Gedächt­nis­lück­en vorschoben. Für NSU Watch Bran­den­burg ist klar: „Die V‑Mann-Skan­dale im Land Bran­den­burg haben gezeigt, dass das V‑Leute-Sys­tem mehr Schaden als Nutzen gebracht hat“. Durch die Arbeit des Ver­fas­sungss­chutzes wird der Auf­bau mil­i­tan­ter Neon­azistruk­turen gestärkt, denn „hier wer­den Gelder in die Neon­aziszene gepumpt“, sagte ein Sprech­er. Außer­dem hät­ten antifaschis­tis­che und zivilge­sellschaftliche Recherchen mehr zur Aufk­lärung beige­tra­gen, als der Verfassungsschutz.
Logo NSU Watch Brandenburg. Dokumentation und kritische Begleitung des Untersuchungsausschusses
NSU Watch unterstützen

Die Beobach­tung durch NSU Watch Bran­den­burg heißt konkret: Pro­tokolle der Sitzun­gen des Unter­suchungss­chuss­es erstellen, um diese ein­er bre­it­en Öffentlichkeit zugängig zu machen sowie Dossiers und Recherchen zu erstellen, die nach und nach auf der Home­page brandenburg.nsu-watch.info veröf­fentlicht wer­den. Als unab­hängige Ini­tia­tive ist NSU Watch auf Spenden angewiesen.

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Antifaschismus

Oranienburg: Bedrohung nach Farbangriff auf AfD

INFORIOT – Unbekan­nte verübten in der Nacht zum 11. Juli einen Far­ban­schlag auf das Oranien­burg­er Restau­rant „Alte Fleis­cherei“, das auch als Diskothek genutzt wird. Neben Farbe sollen laut Medi­en­bericht­en auch Antifa-Sym­bole an das Gebäude gesprüht wor­den sein. Es wird ver­mutet, dass der Far­ban­schlag in Zusam­men­hang mit ein­er AfD-Ver­anstal­tung mit dem Kli­maskep­tik­er Michael Lim­burg ste­hen soll, die am 11. Juli in dem Meis­ter­saal des Restau­rants stat­tfand. Dabei fan­den in der „Alten Fleis­cherei“ in der Ver­gan­gen­heit nicht nur AfD-Ver­anstal­tun­gen statt. Auch ein bekan­nter Aktivist aus dem örtlichen NPD-Umfeld ist dort des Öfteren als DJ tätig.

Screenshot: Facebook.
Screen­shot: Facebook.

Haus­be­suche angekündigt
Der­weil tobt im Inter­net der virtuelle Mob. Der Inhab­er der Diskothek, Dirk Arndt, veröf­fentlichte ein Foto der beschmierten Fas­sade und ver­fasste dazu auf seinem pri­vat­en Face­book-Account eine län­gere Has­s­nachricht, in der er „die Antifa“ für die „feige Atacke“ (Fehler im Orig­i­nal) ver­ant­wortlich macht. Zudem rief er seine Fre­un­desliste zur Mith­il­fe auf, um die „linken Nazis“ aus­find­ig zu machen. Promt melde­ten sich einige Per­so­n­en, die sich für Haus­be­suche bei Antifaschist_innen aussprachen. So habe man solche Angele­gen­heit­en in der Ver­gan­gen­heit gek­lärt, hieß es in diversen Postings.

Screenshot: Facebook.
Screen­shot: Facebook.

Screenshot: Facebook.
Screen­shot: Facebook.

Screenshot: Facebook.
Screen­shot: Facebook.

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Screen­shot: Facebook.

Den Vorschlag griff Arndt in einem Post­ing auf und schrieb: „ich hoffe jemand hat was gese­hen Zeit für Haus­be­suche“ (Fehler im Orig­i­nal). Neben weit­eren Per­so­n­en, die augen­schein­lich der lokalen recht­en Szene zuzuord­nen sind, fand dieser Vorschlag auch Zus­pruch bei dem örtlichen Tätowier­er Olaf Wern­er, der den Beitrag mit einem „Gefällt mir“ verse­hen hat­te. Wern­er gilt als Mitini­tia­tor der “Oranien­burg­er Abendspaziergänge”. In einem Vlog trat er als Sprachrohr der “Abendspaziergänge” auf und ver­bre­it­ete krude Ver­schwörungs­the­o­rien. Auf dem “Spazier­gang” am 16. März 2016 filmte er außer­dem die Red­ner. Wern­er weist zudem deut­liche Verbindun­gen zur lokalen Neon­aziszene auf. In seinen Laden „Colour of Skin“ wer­den nicht nur Bilder mit NS-Bezug tätowiert, auch ein Recht­srock-Musik­er durfte sich im „Colour of Skin“ an der Nadel austoben.

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Olaf Wern­er im Vlog. Screen­shot: Facebook.

Ein Inhab­er mit frag­würdi­gen poli­tis­chen Ansichten
In einem MOZ-Artikel ver­sucht sich Dirk Arndt zu recht­fer­ti­gen. Berühungsängte habe er mit der AfD nicht: “Solange die Partei infor­ma­tive Vorträge hält und nicht het­zt, ist sie jed­erzeit bei mir willkom­men”. In ein­er „recht­en Ecke“ sehe er sich nicht. Seine öffentliche Mei­n­ungs­bekun­dun­gen auf Face­book sprechen jedoch eine andere Sprache. Im Post­ing zum Anschlag schrieb er: „Die Eltern des Täters müssen Geschwis­ter sein.“ Dieser Ausspruch kommt nicht von irgend­woher, son­dern ist eine Anlehnung an die Textzeile aus dem beliebten Lied „Eure Eltern sind Geschwis­ter“ der Recht­srock­band „Die Lunikoff Ver­schwörung“. Im Refrain des Lieds heißt es: „Hey ihr Zeck­en, eure Eltern sind Geschwis­ter“. „Die Lunikoff Ver­schwörung“ ist eine Band des Ex-Landser-Sängers Michael Regen­er, nach­dem sich seine Band „Lunikoff“ 2003 aufgelöst hatte.

Ein weit­er­er Blick auf die Face­book­seite von Dirk Arndt zeigt seine inhaltliche Nähe zu Ver­schwörungs­the­o­rien, Rus­s­land-Fanatismus, Anti-Amerikanis­mus und anti-mus­lis­mis­chen Rassismus.

Weit­ere Verbindun­gen der „Alten Fleis­cherei“ in die rechte Szene
Nicht zum ersten Mal fand eine AfD-Ver­anstal­tung in der „Alten Fleis­cherei“ statt. Bere­its am 25. Feb­ru­ar ver­anstal­tete der AfD Kreisver­band Ober­hav­el einen Infoabend zu Syrien mit Bil­ly Six, einem Reporter der neurecht­en Wochen­zeitung „Junge Frei­heit“. Die Ver­anstal­tung fand einen Tag vor dem zehn­ten “Abendspazier­gang” in Oranien­burg statt. Auch in Zehdenick ver­suchte die Partei so von der ras­sis­tis­chen Stim­mungs­mache im Land­kreis zu pro­fil­ieren und organ­isierte am 09. Dezem­ber 2015 einen Infoabend zu Asyl am Vor­abend des “Spazier­gangs” in der Stadt.

pepe3Regelmäßig find­en in der „Alten Fleis­cherei“ diverse Tanzver­anstal­tun­gen statt. Die „Fleis­chereipar­tys“ bein­hal­ten ver­schiedene Genre und The­men. In der „Alten Fleis­cherei“ wer­den. „Onkelz­par­tys“ — in Anlehnung an die als rechts gel­tende Band “Böhse Onkelz”, ver­anstal­tet, die vom entsprechen­dem Pub­likum besucht wer­den. Außer­dem tritt in der „Alten Fleis­cherei“ ein Aktivist aus dem örtlichen NPD-Umfeld als DJ auf. Unter den Namen „Infekt“ bzw. „Infekt & Virus“ legt der Vel­tener Pierre „Pepe“ Schön in der „Alten Fleis­cherei“ auf. Erst im April dieses Jahres hat­te er dort einen Auftritt.

Pierre Schön beim Auflegen. Screenshot: Facebook.
Pierre Schön beim Aufle­gen. Screen­shot: Facebook.

Schön gehört zum Umfeld des Vel­tener NPD-Stadtverord­neten Robert Wolin­s­ki. Im Sep­tem­ber 2012 ver­suchte Wolin­s­ki ein soge­nan­ntes „nationales Fußball­turnier“ in Vel­ten zu ver­anstal­ten. Die Nutzung der Sportan­lage des örtlichen Rug­by-Vere­ins wurde ihnen jedoch nicht gewährt. Als Reak­tion darauf ver­anstal­teten die Jun­gen Nation­aldemokrat­en (JN), die Jugen­dor­gan­i­sa­tion der NPD, am 1. Sep­tem­ber eine Protestkundge­bung in Vel­ten. Die Teil­nehmer der Kundge­bung tru­gen ein­heitliche JN-Shirts. Auch Schön beteiligte sich an der Kundge­bung und trug eines der lim­i­tierten Tshirts. Zudem nahm Schön an diversen Neon­azi-Aufmärschen in der Region teil, beispiel­sweise am 01. Mai 2012 in Witt­stock. Bis heute scheint Schön sich nicht von der NPD gelöst zu haben. Aber seinem pri­vat­en Face­book-Account postete er erst im Mai die Schul­hof-CD der NPD — „Neuer Pop Deutsch­land Vol. 88“. Die „88“ ist ein Code der Neon­aziszene, welch­es für die Buch­staben „HH“ im deutschen Alpha­bet ste­hen. Die Abkürzung „HH“ ist ein Chiffre für den Neon­azi­gruß „Heil Hitler“.

Rechts: Pierre Schön auf der JN-Kundgebung am 01.09.2012 in Velten.
Rechts: Pierre Schön auf der JN-Kundge­bung am 01.09.2012 in Velten.

 
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Screen­shot: Facebook.

Geschicht­strächtiger Ort
Die „Alte Fleis­cherei“ war ursprünglich eine Fleisch- und Wurst­waren­fab­rik. Sie wurde 1926 durch die jüdis­chen Brüder Eduard und Georg Bach gegrün­det. Eduard Bach starb 1929. Der Betrieb wurde durch seine Frau Emma und Sohn Mar­tin weit­erge­führt. Als auch in Oranien­burg zum Boykott jüdis­ch­er Geschäfte aufgerufen wurde, ging es mit dem Fab­rik abwärts. Die Bachs emi­gri­erten nach Madeira und kamen nie zurück. Heute erin­nert eine Gedenk­tafel an das Schick­sal der Fam­i­lie Bach vor dem ehe­ma­li­gen Fab­rikge­bäude. Im Meis­ter­saal, aus­gerech­net dort, wo die AfD jüngst ihre Ver­anstal­tung abhielt, hängt eine Dauer­ausstel­lung „300 Jahre jüdis­ches Leben und Lei­den in Oranien­burg“ der jüdis­chen Gemeinde Oranien­burg und des His­torikes Hans Biereigel.

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Havelland: Brandstiftungen an Flüchtlingswohnungen und rechte Propagandaaktionen

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In der Nacht von Mon­tag zu Dien­stag, dem 12. Juli 2016, wur­den im Raum Rathenow-Prem­nitz mehrere mut­maßliche Straftat­en began­gen, bei denen eine frem­den­feindliche Moti­va­tion nicht auszuschließen ist.
Brand­s­tiftun­gen in Premnitz
In der havel­ländis­chen Kle­in­stadt Prem­nitz wurde, nach Polizeiangaben, zunächst gegen 04.35 Uhr ein Brand auf einem Balkon im Erdgeschoss eines Ein­fam­i­lien­haus­es in der Franz-Mehring-Straße fest­gestellt. Ein Anwohn­er hat­te das Feuer bemerkt und anschließend die Bewohner_innen ver­ständigt. Gemein­sam wurde der Brand gelöscht und die Polizei ver­ständigt. Per­so­n­en kamen nicht zu schaden.
Wenig später stellte die Polizei dann weit­ere Beschädi­gun­gen, die offen­bar eben­falls durch ein Entzün­den vorgerufen wur­den, an einem anderen Erdgeschoss­balkon in der August- Bebel- Straße fest. Nach Befra­gung durch die Beamt_innen stellte sich her­aus, dass die Bewohner_innen den Brand gegen 03.00 Uhr eigen­ständig fest­stell­ten und anschließend selb­st mit Wass­er löschten.
Die Krim­i­nalpolizei ermit­telt nun wegen des zweifachen Ver­dacht­es auf Brand­s­tiftung. Da in den betrof­fe­nen Woh­nun­gen zum Zeit­punkt des Bran­daus­bruch­es Asyl­suchende ihren Lebens­mit­telpunkt hat­ten, wurde das Staatss­chutzkom­mis­sari­at mit den Ermit­tlun­gen betraut. Ein frem­den­feindlich­er Hin­ter­grund kann, laut Polizeiangaben, derzeit nicht aus­geschlossen wer­den. Es lägen jedoch bis­lang auch noch keine konkreten Hin­weise auf eine solche Motivlage vor, so die Beamt_innen in ein­er ersten Pressemitteilung.
Sprühak­tion in Rathenow
Eben­falls am frühen Dien­stag­mor­gen wur­den in der havel­ländis­chen Kreis­stadt Rathenow mehrere in ara­bisch ver­fasste Slo­gans, die ins Deutsche über­set­zt in etwa: „Geht zurück in Euer Land“ bedeuten sollen, fest­gestellt. Diese waren u.a. in der Nähe des Bahn­hofs, des Job­cen­ters und eines Flüchtling­sheimes  ange­bracht wor­den. Die unbekan­nten Täter_innen hat­ten dafür offen­bar Sprüh­sch­ablo­nen genutzt. Eine frem­den­feindliche Aktion liegt nahe.
Seit Wochen tauchen in der Umge­bung von Rathenow, ins­beson­dere auf den Straßen Rich­tung Ste­chow, Nennhausen und Prem­nitz außer­dem auch  immer wieder gesprühte Slo­gans der PEGI­DA-Bewe­gung auf. Die Parole „Merkel muss weg“ wurde dort beispiel­sweise mehrfach in bei­de Fahrbah­n­rich­tun­gen auf die Straße gesprüht. Auch hier ist eine Aktion von Frem­den­fein­den, die im  momen­ta­nen Kurs der Kan­z­lerin eine all zu flüchtlings­fre­undliche Poli­tik sehen, denkbar.
Der Großteil der Sprühereien wurde inzwis­chen ent­fer­nt oder übersprüht.
Frem­den­feindliche Stimmungsmache
In Rathenow radikalisiert sich seit spätestens Okto­ber 2015 eine rechte Bürg­er­be­we­gung, die bei regelmäßi­gen Ver­samm­lun­gen kon­tinuier­lich gegen Flüchtlinge und den Islam Stim­mung macht. Zeitweise nah­men an deren Ver­anstal­tun­gen bis zu 600 Men­schen teil. Momen­tan hat sich ein har­ter Kern von 50 Per­so­n­en her­aus­ge­bildet, von denen ein Teil auch zu über­re­gionalen PEGI­DA-Ver­samm­lun­gen fährt oder Ver­anstal­tun­gen poli­tis­ch­er Gegner_innen stört.
In Prem­nitz hat­te die frem­den­feindliche Stim­mungs­mache, die damals maßge­blich von der NPD und deren Gesinnungsgenoss_innen betrieben, wurde, bere­its im Jahr 2013 zu einen Anschlag auf eine im Bau befind­liche Flüchtling­sun­terkun­ft geführt. Der inzwis­chen recht­skräftig verurteilte Täter wollte dadurch ein Zeichen gegen die Unter­bringung von Asyl­suchen­den in der Stadt setzen.
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Rathenow: NPD Stadtrat wegen Körperverletzung und Versicherungsbetrug verurteilt

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Das Amts­gericht Rathenow hat am Dien­stagvor­mit­tag den Rathenow­er NPD Stad­trat Michel Müller zu ein­er Frei­heitsstrafe von ins­ge­samt zwölf Monat­en, aus­ge­set­zt zu drei Jahren auf Bewährung, sowie zu ein­er Wiedergut­machungszahlung in Höhe von 1.800,00 Euro verurteilt.
Dem 35-Jähri­gen wurde u.a. Kör­per­ver­let­zung vorge­wor­fen. Eine noch nicht getil­gte Geld­strafe in einem anderen Ver­fahren floss eben­falls in die Urteils­find­ung mit ein.
Zech­tour endete mit Körperverletzung
Der Angeklagte Müller zeigte sich im Fall der Kör­per­ver­let­zung weit­ge­hend geständig. Gab jedoch vor zur Tatzeit erhe­blich betrunk­en gewe­sen zu sein. Gemein­sam mit Fre­un­den habe er sich nach dem Besuch eines Fußball­spieles des BFC Dynamo im Dezem­ber 2014 in Berlin erhe­blich betrunk­en. Die Zech­tour soll sich auch in Rathenow fort­ge­set­zt haben und vor­erst in ein­er Gast­stätte in der Stadt geen­det haben. Dort sei Müller auf sein Opfer getrof­fen. Nach der Aus­sage des Betrof­fe­nen, während des ersten Prozesstages im Dezem­ber 2015, soll der Angeklagte dann ohne erkennbaren Grund zugeschla­gen haben. Der Zeuge gab an, durch die gewalt­täti­gen Hand­lun­gen des Angeklagten erhe­blich ver­let­zt wor­den zu sein. Er sagte damals aus, dass Müller ihm die Quer­fort­sätze 2- 4 gebrochen, eine Rip­pen­prel­lung erlit­ten sowie mehrere Ver­let­zun­gen im Gesicht zuge­fügt hatte.
Nur ver­min­dert Schuldfähig
Ein wesentlich­er Bestandteil des heuti­gen Ver­hand­lungstages bestand nun darin, die Schuld­fähigkeit des Angeklagten festzustellen. Dies­bezüglich hat­te das Gericht extra ein Gutacht­en anfordern lassen. Es sollte fest­stellen, ob Müller während der Tat min­destens 2,0 Promille Alko­hol im Blut hat­te. Ab diesem Gren­zw­ert wird näm­lich im All­ge­meinen eine ver­min­derte Schuld­fähigkeit angenom­men. Das Gutacht­en attestierte Müller einen Promillew­ert 2,4 bis 2,8. Damit war § 21, StGB, in dem die ver­min­derte Schuld­fähigkeit geregelt ist, erfüllt.
Aus­ge­wo­genes Urteil
Der Angeklagte wurde den­noch im Fall der Kör­per­ver­let­zung zu ein­er Frei­heitsstrafe von elf Monat­en verurteilt. Ein weit­er­er Monat kam dazu, weil Müller eine Geld­strafe aus dem ver­gan­genen Jahr noch nicht getil­gt hat­te. Im Juni 2015 war er vom Amts­gericht Bran­den­burg an der Hav­el wegen Ver­sicherungs­be­trug in Tatein­heit mit Urkun­den­fälschung verurteilt wor­den. Müller war in Kloster Lehnin ohne Kfz-Haftpflicht gefahren und hat­te an einem nicht zuge­lasse­nen Fahrzeug andere Num­mern­schilder angeschraubt.
Die Gesamt­frei­heitsstrafe in der heuti­gen Ver­hand­lung wurde jedoch zur Bewährung aus­ge­set­zt. Auf­grund sein­er erhe­blichen Vorstrafen, darunter gefährliche Kör­per­ver­let­zung, Land­friedens­bruch und Bei­hil­fe zum ver­sucht­en Mord, legte das Gericht die Bewährungs­dauer auf drei Jahre fest. Weit­er­hin muss Müller dem Betrof­fe­nen der Kör­per­ver­let­zung eine Wiedergut­machung von 1.800,00 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bericht vom ersten Prozesstag:
https://presseservicern.wordpress.com/2015/12/16/rathenow-prozessauftakt-gegen-npd-stadtrat/

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Antifaschismus

Neuruppin: JWP Mittendrin erinnerte an Emil Wendland

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Am (Samstag)Vormittag haben am Schulplatz in Neu­rup­pin  unge­fähr 30 Men­schen aus dem Umfeld des linksalter­na­tiv­en Jugend­wohn­pro­jek­tes Mit­ten­drin an die bru­tale Tötung von Emil Wend­land in der Nacht vom 1. Zum 2. Juli 1992 erin­nert. Eine dreiköp­fige Gruppe Naziskins hat­ten den auf ein­er Park­bank schlafend­en Woh­nungslosen vor 24 Jahren zunächst mit Schlä­gen und Trit­ten mal­trätiert. Dann wurde eine Bier­flasche auf seinem Kopf zer­schla­gen und abschließend mit einem Mess­er auf ihn eingestochen. Wend­land ver­starb kurze Zeit später an inneren Blutungen.
Die Tat stellte lokal den Höhep­unkt neon­azis­tis­ch­er Exzesse Anfang der 1990er Jahre da. „Es gab nur wenige Tage ohne Mel­dun­gen in den Zeitun­gen von recht­en Über­grif­f­en, Anschlä­gen auf Asyl­suchen­den­heime, Tre­f­fen von 200+ Nazis, recht­en Parolen, Sprühereien“, wie das JWP Mit­ten­drin in einem Aufruf zu dessen heutiger Gedenkkundge­bung schrieb. Trotz­dem geri­et der bru­tale Gewal­takt über die Jahre lang ins Abseits der Lokalgeschichte. Bere­its seit 1993 wurde die Tat nicht mehr in der Sta­tis­tik des Innen­min­is­teri­ums zu Todes­opfern extrem rechter Gewalt geführt. Ein offizielles Andenken an den Getöteten blieb jahre­lang aus. Erst die Aufar­beitung der jüng­sten Geschichte Neu­rup­pins durch das JWP Mit­ten­drin führte zur Schaf­fung eines kleinen Ortes der Erin­nerung in der Nähe des Schulplatzes. Durch Recherchen des Moses Mendel­sohn Zen­trums in den ehe­ma­li­gen Prozes­sak­ten zum Ver­fahren gegen die dama­li­gen Täter wur­den 2015 zudem auch ein­deutige Belege für einen Gewal­takt mit extrem rechter Moti­va­tion gefun­den.  Das Bun­desin­nen­min­is­teri­um ergänzte daraufhin seine Sta­tis­tik. Emil Wend­land wurde somit auch offiziell als Todes­opfer rechter Gewalt anerkannt.
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Neu­rup­pin zählt auch heute noch zu den Haup­tak­tion­sräu­men des neon­azis­tis­chen Milieus im Land Bran­den­burg. Im ver­gan­genen Jahr ver­anstal­teten lokale Neon­azis eine Großdemon­stra­tion zum Tag der so genan­nten „deutschen Zukun­ft“. Gestern (Fre­itag) ver­sam­melten sich Sympathisant_innen der neon­azis­tis­chen „Freien Kräfte Neu­rup­pin – Osthavel­land“, um den Tod von Emil Wend­land für pro­pa­gan­dis­tis­che Zwecke zu miss­brauchen. Die Tötung des Woh­nungslosen wurde als „sub­kul­turelle Per­spek­tivlosigkeit“ rel­a­tiviert und neon­azis­tis­che Weltan­schau­ungsmuster als Grund­lage für die Tat verleugnet.
Fotos von der Gedenkkundge­bung des JWP Mit­ten­drin: hier
Fotos von der Neon­azikundge­bung am Fre­itag: hier

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Antifaschismus Arbeit & Soziales

Emil Wendland

Das Bild zeigt die Gedenktafel für Emil Wendland in Neuruppin.
Foto: pri­vat

Emil Wend­land wurde am 11.02.1942 in Gas­tau geboren und am 1. Juli 1992 von seinen Tätern im Schlaf völ­lig wehr­los über­rascht und getötet. Sein erster Beruf war Lehrer, später arbeit­ete er als Verkauf­sstel­len­leit­er in der Molk­erei-Verkauf­sstelle. Emil Wend­land wurde alko­holkrank. Mitte der 1980er Jahre besiegte er die Krankheit – lei­der nur für kurze Zeit. Als Nach­barn ihn am 9. Novem­ber 1990 auf ein Glas Sekt ein­lu­den, um die neu gewonnene Frei­heit zu feiern, wurde er rück­fäl­lig und schaffte es nicht mehr, absti­nent zu wer­den. Nach der „Wende“ über­nachtete er immer öfter auf Bänken im Freien, da er nicht mehr in der Lage war, nach Hause zu kom­men.1
Der Ort

Neu­rup­pin war in den 1990er Jahren ein Zen­trum des mil­i­tan­ten Neon­azis­mus in Bran­den­burg. Oft kam es zu Gewal­taus­brüchen. Bere­its im Som­mer 1990 schlu­gen die Recht­en los: 15 Neon­azi-Skin­heads über­fie­len mit Base­ballschlägern und dem Ruf „Recht­sradikale wer­den siegen“ ein Zelt­dorf, auf dem gegen den sow­jetis­chen Mil­itär­flug­platz am Stad­trand protestiert wurde. Am Fol­ge­tag greifen die Recht­en erneut an. Ein weit­eres Beispiel: Wenige Monate nach dem Mord an Emil Wend­land ziehen im Novem­ber 1992 acht Rechte zu einem Wohn­heim für Wol­gadeutsche im Ort­steil Gilden­hall und wer­fen ins­ge­samt zwölf Molo­tow-Cock­tails auf das Gebäude. Den Bewohner_innen gelingt es nur knapp, das Feuer zu löschen. Neben Migrant_innen und sozial Rand­ständi­gen ist vor allem die alter­na­tive Jugend­szene Angriff­sziel der Recht­en. Das linksori­en­tierte Jugendzen­trum „Mit­ten­drin“ wird mehrmals über­fall­en. Für über­re­gionale Aufmerk­samkeit sorgt das Treiben des aus West­deutsch­land zuge­zo­ge­nen Alt-Nazis Wil­helm Lange, der jahre­lang pri­vat „Jugen­dar­beit“ mit jun­gen Recht­en betreibt. Die Stadt reagiert auf die rechte Szene mit „akzep­tieren­der Jugen­dar­beit“ im Jugendzen­trum „Bunker“. Ab 1998 fungiert der Klub als Neon­az­itr­e­ff­punkt in Selb­stver­wal­tung – erst im Jahr 2000 wird der „Bunker“ geschlossen.2

Die Tat

Nach einem Saufge­lage mit rechter Musik fassen in der Nacht zum 1. Juli 1992 drei Neon­aziskin­heads aus der örtlichen recht­en Szene den Entschluss, „Assis aufzuk­latschen“ (laut Gericht waren es drei, nach Angaben von damals aktiv­en Antifas aber min­destens fünf).3 Sie waren der Auf­fas­sung „die Obdachlosen verun­stal­ten das Stadt­bild und seien in Neu­rup­pin uner­wün­scht“4. Weil sie wis­sen, dass im Neu­rup­pin­er Rosen­garten öfter obdachlose Men­schen über­nacht­en, gehen sie gegen 1.00 Uhr gezielt zur kleinen Parkan­lage in Zen­trum der Fontanes­tadt. Dort find­en sie den auf ein­er Park­bank schlafend­en, voll­trunk­e­nen Emil Wend­land. Die Gruppe baut sich vor dem Mann auf; Math­ias Pl. sichert anfänglich das Gelände ab. Remo B. schre­it den schafend­en Mann an „Wach auf!“ und tritt ihm mit seinen Stahlkap­pen­schuhen in den Bauch und anschließend mit voller Wucht immer wieder gegen den Kopf. Mirko H. zer­schlägt seine mit­ge­brachte Bier­flasche auf dem Kopf des Mannes. Nach den bru­tal­en Mis­shand­lun­gen lassen sie den bewusst­losen Emil Wend­land mit lebens­ge­fährlichen Ver­let­zun­gen liegen und gehen weg. An der an dem Platz angren­zen­den Friedenss­chule sagt Mirko H. zu seinen bei­den Kumpels: „Ich geh noch ein­mal zurück, den bring ich um“.5 Er dreht um, ren­nt zu dem ver­mut­lich bewusst­losen Wend­land zurück und sticht immer wieder mit einem 18cm lan­gen Jagdmess­er auf den Oberkör­p­er seines Opfers ein. Ein Stich durchtren­nt die Herz­schla­gad­er, sodass Wend­land inner­lich verblutet. Kurze Zeit später kom­men die drei gemein­sam zum Tatort zurück und sam­meln die Scher­ben der Bier­flasche ein, auf der ihre Fin­ger­ab­drücke sein kön­nten. Anschließend gehen sie nach Hause. Zwei Tage später wer­den die Täter festgenommen.

Das Verfahren

Das Landgericht Pots­dam verurteilt im Okto­ber 1993 den 20-jähri­gen Haupt­täter Mirko H. wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugend­strafe. Obwohl das Gericht fest­stellt, dass die Täter ihr Opfer für „einen Men­schen zweit­er Klasse gehal­ten“ hat­ten und die Gruppe sich zum „Pen­ner klatschen“ verabre­det hat­te, wird das sozial­dar­win­is­tis­che Motiv in der Urteils­be­grün­dung nicht gewürdigt. Remo B., der ‘Pen­ner’ „so eklig find­et wie Aus­län­der“6. wird im Feb­ru­ar 1994 im Beru­fungsver­fahren vor dem Landgericht Pots­dam wegen gemein­schaftlich­er gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt. Unter Ein­beziehung weit­er­er Straftat­en erhält er eine Jugend­strafe von zwei Jahren und acht Monat­en. Auch in diesem Ver­fahren wird der sozial­dar­win­is­tis­che Hin­ter­grund der Tat vom Gericht erkan­nt. In der Urteils­be­grün­dung heißt es: „… faßte man spätestens zu diesem Zeit­punkt den Entschluß, in der Nacht ‚Assis aufzuk­latschen’; gemeint war damit das Zusam­men­schla­gen von Obdachlosen oder anderen Per­so­n­en, die man als mißliebig ver­acht­enswert ansah.“7 Über die Gerichtsver­fahren gegen Matthias Pl., der in sein­er polizeilichen Vernehmung u.a. sagte: „Ich finde es richtig, Assis einen Denkzettel zu ver­passen. Die leben nur von unseren Steuergeldern, außer­dem ver­schan­deln sie das Stadt­bild. […] Wenn wir rechts ori­en­tierten uns nicht um so was küm­mern, tut es kein­er.“8, ist nichts bekannt.

Das Gedenken

Anlässlich des 20. Todestag fand erst­mals ein öffentlich­es Gedenken für Emil Wend­land statt. Am Tatort, dem Neu­rup­pin­er Rosen­garten, wurde eine Gedenk­tafel für den Getöteten enthüllt.
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Die Quellen

1 JWP-Mit­ten­Drin: Emil “Bruno” Wend­land ging den Weg des Todes – Ein MAZ-Leser­brief vom 24.07.1992, auf: jwp-mittendrin.de 14.03.2002, zulet­zt abgerufen: 13.01.2016
2 Opfer­per­spek­tive: „Nationale Jugen­dar­beit“: das Beispiel Neu­rup­pin, auf Opferperspektive.de 13.10.2006 sowie: Artikel Neu­rup­pin, in: Antifaschis­tis­ches AutorIn­nenkollek­tiv (Hg.) Hin­ter den Kulis­sen … Faschis­tis­che Aktiv­itäten in Bran­den­burg – Update 1999, Berlin 1994, S. 56–63
3 JWP-Mit­ten­drin. Info­s­eite zur Emil Wend­land-Kam­pagne, jwp-mittendrin.de, zulet­zt abgerufen: 13.01.2016
4 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 58
5 Gericht­surteil, Amts­gericht Neuruppin
6 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 62
7 Gericht­surteil, Amts­gericht Neuruppin
8 Moses Mendelssohn Zen­trum, Abschluss­bericht des Forschung­spro­jek­tes „Über­prü­fung umstrit­ten­er Alt­fälle Todes­opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt im Land Bran­den­burg seit 1990“, 2015, S. 62

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