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Antifaschismus Klima & Umwelt

Lausitz: Opferperspektive warnt vor rechten Angriffen

Für das kom­mende Novem­ber­woch­enende ruft das Aktions­bünd­nis Ende Gelände zu Protesten im Lausitzer Braunkohlere­vi­er auf. Angesichts der derzeit kur­sieren­den Gewal­taufrufe in den sozialen Medi­en befürchtet die Beratungsstelle Opfer­per­spek­tive kör­per­liche Angriffe auf Teil­nehmende. Diese Aufrufe sind nicht zu unter­schätzen, so wird etwa damit gedro­ht eine „Bombe in das Dreckspack“ zu wer­fen. Auch wird die Polizei darin aufge­fordert, auf die Aktivist*innen von Ende Gelände zu schießen. Teile der Fan­szene des FC Energie Cot­tbus zeigten zudem am 23.11.2019 im Sta­dion der Fre­und­schaft ein Trans­par­ent mit der Auf­schrift „Wann Ende im Gelände ist, bes­timmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukun­ft! Ende Gelände zer­schla­gen!“. Auf­grund des Gewalt­poten­zials rechter Fan­grup­pierun­gen des FC Energie Cot­tbus ist dies als deut­lich­es Sig­nal an poten­zielle Angreifer*innen zu werten.

Bere­its bei den let­zten Ende Gelände-Aktio­nen im Jahr 2016 kam es zu hefti­gen recht­en Angrif­f­en auf Teil­nehmende der Proteste. Unter anderem wurde damals eine Mah­nwache im Sprem­berg­er Ort­steil Tscherpe von Ver­mummten mit Base­ballschlägern ange­grif­f­en. Auf dem dama­li­gen Camp der Protestieren­den wurde min­destens eine Per­son zu Boden geschla­gen und anschließend auf sie einge­treten. Zudem wurde ein taz-Jour­nal­ist, der über die Lage vor Ort berichtete, von einem Auto ver­sucht von der Straße zu drän­gen. An den dama­li­gen Angrif­f­en waren lokale rechte Gewalt­täter aus der Neon­azi-und Hooli­gan­szene beteiligt, die teil­weise gemein­sam mit Pro-Kohle-Demonstrant*innen auf­trat­en und aus größeren Grup­pen her­aus agierten. Von Seit­en der bürg­er­lichen Pro-Kohle-Bewe­gung gab es hierzu keine Dis­tanzierung. Ein größer­er Über­fall durch bewaffnete Neon­azis auf das Camp der Protestieren­den kon­nte damals nur in let­zter Sekunde von der Polizei unter­bun­den werden.

Lei­der tut sich die Lokalpoli­tik schw­er damit sich ein­deutig von den recht­en Gewal­taufrufen zu dis­tanzieren. Es beste­ht die Gefahr durch Bürg­erkriegsrhetorik und der pauschalen Dämon­isierung der Ende-Gelände-Teil­nehmenden als Gewalttäter*innen rechte Angriffe zu legit­imieren und diesen Vorschub zu leis­ten. Eine kri­tis­che Aufar­beitung der recht­en Gewalt gegen Protestierende aus 2016 hat vor Ort eben­falls nicht stattge­fun­den. Im Gegen­teil. Während ein­er rbb-Livesendung zum The­ma „Kohleausstieg“ am 12.09.2019 auf dem Cot­tbuser Alt­markt wurde eine Aktivistin, die sich öffentlich für einen zeit­na­hen Ausstieg aus der Kohle­förderung aussprach, durch Pro-Kohle-Befür­worter mit recht­en Sprüchen belei­digt und auf den Kopf geschla­gen. Nur durch das Ein­schre­it­en ander­er Teil­nehmender kon­nte weit­ere Gewalt unter­bun­den werden.

Wir als Opfer­per­spek­tive befürcht­en daher eine Kon­ti­nu­ität rechter Gewalt in der Lausitz und bieten allen Betrof­fe­nen an, sich bei uns zu melden und im Umgang mit recht­en Angrif­f­en berat­en und unter­stützen zu lassen.

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Gender & Sexualität

Let´s dance — it´s our revolution

Am Sam­stag 23.11.2019 lädt das Frauen*kollektiv Cot­tbus alle Frauen* zu einer Par­ty nur für Frauen* ins Chekov in Cot­tbus ein!


Anlass ist der inter­na­tionale, in Lateinameri­ka begrün­dete Tag zur Besei­t­i­gung von Gewalt gegen Frauen*, der alljährlich auf die Prob­lematik von Gewalt gegen Frauen* aufmerk­sam macht.
Anlässlich dieses Tages wer­den wir diese Feier zur gegen­seit­i­gen Stärkung und Wertschätzung nutzen. Vor allem die Vielfalt und Unter­schiedlichkeit von Frauen* wird dabei im Mit­telpunkt ste­hen. Es soll uns erin­nern, dass wir gemein­sam mehr erre­ichen. Mit female Hip Hop, Trap und Trash, 80er, 90er, speziellen Schnap­skreatio­nen, Zuck­er­wat­te und Verkleidungsmöglichkeiten.

Außer­dem wird die Ausstel­lung „It‘s not your fault“ vom Vin­tage Onli­neShop „Shit­ty­fucky“ anzuschauen sein, die den Fokus speziell auf das The­ma Gewalt an Frauen legt. 

Von 20 Uhr an gibt es einen Djane Work­shop, um weit­ere Frauen* zu ermuti­gen, sich auszupro­bieren und das musikalis­che Nachtleben mitzugestalten. 

Die Par­ty ist für Frauen*, Les­ben, Trans, Inter­sex­uell, von Frauen* für Frauen*!

Let´s dance — it´s our rev­o­lu­tion. Es ist unsere Revolution.

Wo?: Chekov

Wann?: Sam­stag 23.11.19 21:30 Par­ty (20 Uhr Djane Workshop)

Für wen?: FLTI* only.

Infos unter: https://www.facebook.com/FrauenkollektivCottbus/

 

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Flucht & Migration Geschichte & Gedenken

Doppelt heimatlos?

Die Ost­deutsche viet­name­sis­ch­er Herkun­ft Ange­li­ka Nguyen (Jahrgang 1961) for­muliert als Filmemacherin und Autorin ihre Per­spek­tive auf  Ost­deutsch­land, auf Ras­sis­mus als Erfahrung, auf die Mon­tags­demos in Leipzig und auf die Frage, ob nur der Osten rechts sei. Sie erzählt vom Dreh ihres Doku­men­tarfilms in der insta­bilen Zeit nach dem Mauer­fall, der Entste­hung ihrer auto­bi­ographis­chen Essays, von Redakteur*innen mit Migra­tionsh­in­ter­grund und ihrer Ent­deck­ung, dass Ho-Chi-Minh nicht der Held aller Vietnames*innen ist.

Koray Yıl­maz-Günay ist Aktivist, Ver­leger und Mitar­beit­er des Flüchtlingsrat Brandenburg.

Ver­anstal­tet von der Antidiskri­m­inierungs­ber­atung Bran­den­burg / Opfer­per­spek­tive e.V.
Gefördert vom Bun­desmin­is­teri­um für Fam­i­lie, Senioren, Frauen und Jugend im Rah­m­men des Bun­de­spro­gramms Demokratie leben! sowie durch die Lan­deshaupt­stadt Pots­dam. Präsen­tiert durch das Bünd­nis “Pots­dam! beken­nt Farbe”

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(Anti-)Rassismus jüdisches Leben & Antisemitismus

Vom Lautsprecher zum Leiseträger

Schwedt (ipr) Ein frühere Admin­is­tra­tor der flüchtlings­feindlichen Face­book-Gruppe “Uck­er­mark gegen Über­frem­dung und Asylmiss­brauch” ist am Dien­stag vor der Strafrich­terin beim Amts­gericht Schwedt mit einem blauen Auge davongekom­men. Ein Ver­fahren wegen Volksver­het­zung in Tatein­heit mit öffentlichem Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen wurde vor­läu­fig eingestellt. Er muss in den näch­sten drei Monat­en 80 Stun­den gemein­nützige Arbeit­et leisten.

Vorge­wor­fen wurde dem heute 25-jähri­gen Max M. auf einem frem­den Face­book-Pro­fil eine Nazi-Darstel­lung gelikt und dadurch mit seinen Face­book-Fre­un­den geteilt zu haben. Unklar in der Ver­hand­lung blieb, ob er mit dem Pro­fil­in­hab­er befre­un­det war oder ob ein­er sein­er Face­book-Fre­unde das Bild eben­falls gelikt hat­te und er so das straf­bare Bild ent­deckt haben könnte.

Die Fotomon­tage – heute noch prob­lem­los im Netz zu find­en — zeigt einen NSDAP-Parteiauf­marsch mit vie­len Hak­enkreuz-Stan­darten und Adolf Hitler im Wei­h­nachts­mannkostüm. Darauf ist der Text zu lesen: “HO-HO-HOLOCAUST”.

Max M. bestätigte vor Gericht, dass er das Bild kenne, dass er das aber nicht bewusst gelikt habe. Es muss zufäl­lig beim Scrollen passiert sein. Außer­dem habe er bis zu sein­er Vernehmung nicht gewusst, dass Liken auch Teilen bedeute. Der ermit­tel­nde Polizeibeamte bestätigte im Zeu­gen­stand, dass alle, die er in diesem Kom­plex anhörte, darüber ver­wun­dert waren.

Der ehe­ma­lige Bäck­er­lehrling erläuterte, dass er sich nach seinen Haft­strafen, die zu drei Jahren auf Bewährung aus­ge­set­zt wor­den waren, von der recht­en Szene ver­ab­schiedet habe. Er habe alle Bewährungsaufla­gen erfüllt. Er sei sog­ar aus Anger­münde wegge­zo­gen. Er küm­mere sich um seine 2‑jährige Tochter. Er mache eine neue Aus­bil­dung und sei im drit­ten Lehrjahr.

Dass mit dem Scrollen wollte die Rich­terin nicht so recht glauben, schlug let­z­tendlich aber doch vor, das Ver­fahren einzustellen. Die Staat­san­wältin stimmte zu.

Hak­enkreuz auf dem Oberschenkel

Die Vorstrafen von Max M. entsprangen eher unpoli­tis­chen Motiv­en. Anfang Feb­ru­ar 2015 war er in Anger­münde ver­prügelt wor­den. Zwei Per­so­n­en sollen dabei beobachtet wor­den sein, wie sie Max M. erst nieder­schlu­gen und sich dann mit einem Auto davon­macht­en. Als Ret­tungssan­itäter und Polizei zu Hil­fe eilen woll­ten, soll es zu gewalt­täti­gen Reak­tio­nen des Mannes gekom­men sein. Im Kranken­haus ent­deck­te man noch einen Schla­gring in der Hosen­tasche und eine Hak­enkreuztä­towierung auf dem Ober­schenkel. Verurteilt wurde er dann wegen uner­laubten Waf­fenbe­sitzes, Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte, Belei­di­gung und Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen.

Nur vier Tage nach dem Über­fall musste er sich in Schwedt vor dem Jugen­drichter ver­ant­worten. Im Juli 2014 wollte Max M. seine ehe­ma­lige Fre­undin heim­suchen. Das fand die gar nicht gut und rief die Polizei. Im Ergeb­nis brachte ihm das ein Jahr Jugend­haft auf Bewährung wegen Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte und Belei­di­gung. Dazwis­chen gab es noch eine Verurteilung wegen Unfall­flucht. Das ergab dann ein Jahr und zwei Monate Haft, die auf drei Jahre zur Bewährung aus­ge­set­zt wurden.

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jüdisches Leben & Antisemitismus

Wo die Kritik aufhört — Israelbezogener Antisemitismus

Anti­semitismus wurde in Deutsch­land lange vor allem im Zusam­men­hang mit der NS-Ver­gan­gen­heit disku­tiert. Wie hart­näck­ig sich anti­semi­tis­che Ein­stel­lun­gen aber weit­er­hin hal­ten, wurde dabei oft nicht erkan­nt. Nun bricht sich der Hass gegen Juden und Jüdin­nen wieder offen Bahn. Beson­ders das Inter­net und die sozialen Medi­en schaf­fen einen neuen Res­o­nanzraum für alte Vorurteile.

Zen­tral ist dabei die Rolle des Nahostkon­flik­ts. Er bietet die Plat­tform für eine ver­meintliche Israelkri­tik, die häu­fig die Gren­ze zu anti­semi­tis­chen Äußerun­gen überschreitet.

Mit der His­torik­erin Juliane Wet­zel sprechen wir darüber, wo eine legit­ime kri­tis­che Sicht auf israelis­che Poli­tik aufhört und wo israel­be­zo­gen­er Anti­semitismus anfängt. Wir fra­gen nach, wie wir in Diskus­sio­nen zwis­chen Kri­tik und Anti­semitismus unter­schei­den kön­nen. Und wir disku­tieren einen Umgang mit israel­be­zo­gen­em Antisemitismus.

Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Die Ver­anstal­tung find­et in Koop­er­a­tion mit dem Anger­mün­der Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltof­fene Stadt statt.

Ver­anstal­tung­sort:
Ratssaal im Rathaus Angermünde
Markt 24
16278 Angermünde

Ver­anstal­tungs­da­tum:
Dien­stag, 26.11.2019
18.00 Uhr

Ein­tritt & Anmeldung:
Der Ein­tritt ist frei. Um eine Anmel­dung  wird zu Pla­nungszweck­en gebeten.

Kon­takt:
Hein­rich-Böll-Stiftung Bran­den­burg e.V.
Tel.: 0331 20057816
Team Mit:Menschen
mitmenschen@boell-brandenburg.de
www.boell-brandenburg.de

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Geflüchtete aus dem Tschad mit Zwang in die Botschaft gebrac

Menschen in die Botschaften ihrer Verfolgerländer zu bringen ist
traumatisierend und setzt Familienmitglieder und FreundInnen einer hohen
Gefahr aus

Am 10.10.2019 wurden in einer koordinierten Aktion Geflüchtete aus
verschiedenen Orten in Brandenburg von der Polizei abgeholt und
zwangsweise in die Botschaft des Tschad nach Berlin gebracht. Dabei
drangen auch in Wandlitz PolizistInnen in die dortige
Flüchtlingsunterkunft ein um einen Geflüchteten mitzunehmen. Ziel der
Operation war, dass die Botschaft bestätigt, dass die Betroffenen
StaatsbürgerInnen des Tschad sind und so in den Tschad abgeschoben
werden können.

Im Tschad, einem der ärmsten Länder der Welt, herrscht ein
diktatorisches Regime. Der Präsident Idriss Déby ist seit 29 Jahren an
der Macht. Laut Amnesty International kommt es dort zu massiven
Menschenrechtsverletzungen – willkürliche Festnahmen, keine Presse- und
Demonstrationsfreiheit, Folter. Im Länderbericht „Freedom  in the World
2017“ der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Freedom House
gehört das politische System des Landes zu den weltweit repressivsten.

"Menschen in eine solch brutale Diktatur abzuschieben gefährdet das
Leben der Betroffenen", so Thomas Janoschka von der Initiative Barnim
für alle. "Durch die Botschaftszuführungen geraten aber auch
Familienangehörige, FreundInnen, MitstreiterInnen und Bekannte leicht in
das Fadenkreuz des Regimes. Deshalb gehen viele Geflüchtete nicht
freiwillig in die Botschaft." Durch die Zwangsvorführung fühlen sich die
Betroffenen dem Verfolgerregime erneut ausgeliefert, dies führt nicht
selten zu (Re-)Traumatisierung.

Die Initiative Barnim für alle fordert vom Landkreis Barnim und vom Land
Brandenburg, keine Menschen mehr in den Tschad abzuschieben und generell
keine Geflüchteten mehr zwangsweise in die Botschaften ihrer
Verfolgerländer zu bringen.

Initiative „Barnim für alle“ -
Kontakt:
refugees-welcome@so36.net
0151 – 45 68 3203
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Arbeit & Soziales

Spendenaufruf

Seit 10 Jahren berät die Antidiskri­m­inierungs­ber­atung des Vere­ins Opfer­per­spek­tive über­all in Bran­den­burg Men­schen, die ras­sis­tis­che Diskri­m­inierun­gen erlebt haben. An uns wen­den sich zum Beispiel Fam­i­lien, die wegen eines aus­ländisch klin­gen­den Namens bei der Woh­nungssuche benachteiligt wer­den; Frauen, die bei der Job­suche abgelehnt wer­den, weil sie ein Kopf­tuch tra­gen; Eltern, deren Kinder in der Schule aus­ge­gren­zt wer­den; junge Men­schen, denen der Ein­tritt in eine Diskothek oder die Mit­glied­schaft in einem Fit­nessstu­dio ver­weigert wird, weil sie Schwarz sind.

In den let­zten drei Jahren wurde unsere Arbeit etwa zur Hälfte mit Geldern des Pro­gramms Demokratie leben! finanziert. Diese Gelder wer­den uns ab Beginn des kom­menden Jahres nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen. Unser Antrag auf weit­ere Förderung durch den Bund wurde abgelehnt. Wir bemühen uns derzeit um eine alter­na­tive Finanzierung, diese ist jedoch davon abhängig, dass die Opfer­per­spek­tive einen Eigenan­teil von min­destens 12.180 EUR erbringt. Um diesen Betrag aufzubrin­gen, benöti­gen wir Ihre Unter­stützung. Jed­er Betrag hil­ft uns weiter!

Mehr Infor­ma­tio­nen zu unser­er Arbeit: https://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/ https://www.opferperspektive.de/

Kon­to­dat­en:

Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE34 1002 0500 0003 8131 00

Ver­wen­dungszweck: Antidiskri­m­inierung (Bitte angeben!)

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Antifaschismus jüdisches Leben & Antisemitismus

Platzhalter für Hakenkreuze

Linke Slo­gans für rechte Het­ze – „Ham­mer und Schw­ert“ ist ein Nazi-Symbol

Sich häufende Sym­bole mit „Ham­mer und Schw­ert“ zeu­gen von ein­er neon­azis­tis­chen Sek­te in Frank­furt (Oder)

Graf­fi­ti mit dem Schriftzug „NR-Zone“ sowie Stick­er und Plakate mit Ham­mer und Schw­ert sind seit Anfang 2019 häu­figer in Frank­furt zu find­en. Weil der Mehrheit der Frankfurter*innen diese Sym­bo­l­ik unbekan­nt sein dürfte, beste­ht die Gefahr, dass sie nicht als das wahrgenom­men wer­den, was sie sind: Zeichen ein­er sich radikalisieren­den, neon­azis­tis­chen Gesin­nung, sowie
Revier­markierun­gen ein­er Jugend­gruppe, gegen die noch wenig unter­nom­men wurde.

Ob das wohl „Nich­tRauch­er-Zone“ meint, liebe Polizei?

Das Zeichen von ver­schränk­tem Ham­mer und Schw­ert gehört zu den weni­gen nazis­tis­chen Sym­bol­en, die in Deutsch­land nicht ver­boten sind. Dementsprechend „dient es häu­fig als Platzhal­ter für das Hak­enkreuz“ [1]. Pop­ulär macht­en das Sym­bol in den 1920er Jahren die Brüder Gre­gor und Otto Strass­er und der sog. Nation­al­rev­o­lu­tionäre Flügel der NSDAP. Wom­it auch die Bedeu­tung des Kürzels „NR“ gek­lärt wäre: Die Nationale Rev­o­lu­tion, die die Strass­er-Brüder pro­moteten, sollte Arbeit­er (Ham­mer) und Sol­dat­en (Schw­ert) in einem nationalen Kampf gegen das (Groß-)Kapital vere­inen. Ihr größter Feind, na klar: der jüdis­che Unternehmer, der die Völk­er dieser Welt unter­drückt und aus­beutet. In diesem Sinne sind auch die Stick­er zu ver­ste­hen, auf denen linke Slo­gans („Gegen Krieg, Aus­beu­tung und Unter­drück­ung“) gekapert werden.

Eben­falls aus jen­er Zeit stammt die Beze­ich­nung „Nation­al­bolschewis­ten“ für nation­al­is­tis­che Grup­pierun­gen, die sich antikap­i­tal­is­tisch geben und in ihrer Rhetorik und im Stil Anlei­he an der linken bzw. kom­mu­nis­tis­chen Bewe­gung nehmen. Es gab zudem ehe­ma­lige Kommunist*innen, die sich von der glob­alen Arbeit­erk­lasse, dem Inter­na­tion­al­is­mus und der Sol­i­dar­ität der Völk­er ver­ab­schiede­ten, um von nun an auf die völkische Art die herrschen­den Ver­hält­nisse umstürzen zu wollen – unter der Maß­gabe von Anti­semitismus, Ras­sis­mus und dem Hass auf alles „Kranke“ und „Schwache“.

Stil­blüten ein­er Querfront-Strategie

Unter dem Label „Quer­front“ wer­den heutzu­tage Ver­suche disku­tiert, solche ide­ol­o­gis­chen Exper­i­mente wieder aufleben zu lassen. Ein Face­book-Video der Gruppe „H&S crew ffo“ zeigt Plakate ein­er „ANTIKAP AKTION“ mit dem von Antifa-Ini­tia­tiv­en inspiri­erten Slo­gan „Aler­ta Strasserista“. Wie schon vor eini­gen Jahren die sog. „Autonomen Nation­al­is­ten“ wird der pop­uläre sub­kul­turelle linksradikale Style durch sog. „Antikap­i­tal­is­tis­che Kollek­tive“ teil­weise imi­tiert [2] und mit nation­al­sozial­is­tis­ch­er Ide­olo­gie überzogen.

Gute NSDAP vs. böse NSDAP? – Die Logik der Nationalrevolutionäre

In Frank­furt (Oder) bezieht sich also inzwis­chen eine Grup­pierung mit ihrem Strass­er-Kult öffentlich auf einen Nation­al­sozial­is­ten der ersten Stunde. Abseits der Face­book-Gruppe weisen zahlre­iche Schmier­ereien im Stadt­ge­bi­et auf die zunehmende Aktiv­ität der kru­den Neon­azis hin. Beson­ders auf­fäl­lig sind die Vielzahl der Graf­fi­ti in Hansa Nord und im Botanis­chen Garten. Es scheint sich um eine Hand­voll junger Erwach­sen­er zu han­deln, die sich derzeit mith­il­fe der hier skizzierten Ide­olo­gie radikalisieren und die Errich­tung ein­er „nation­al­rev­o­lu­tionäre Zone“ ver­fol­gen. Zu fra­gen ist, inwieweit die damit ver­bun­dene Gewaltver­her­rlichung bere­its zu real­er Gewalt geführt hat: Am 11. Okto­ber schlu­gen gle­ich mehrere Per­so­n­en in der Bergstraße in Hansa Nord einen Mann bru­tal zusam­men. Während die MOZ in ihren Bericht­en die Gruppe lediglich als „ran­dalierende Jugendliche“[3] beze­ich­net und ein eventuelles poli­tis­ches Motiv keine Erwäh­nung find­et, gilt es zu klären, ob hin­ter dieser und ander­er Tat­en eventuell auch ein men­schen­ver­ach­t­en­des recht­sex­tremes Welt­bild steckt. Bere­its im März 2019 zeigte sich die Frank­furter Polizei auf dem recht­en Auge blind, als sie „nation­al­rev­o­lu­tionäre“ Schmier­ereien an der Wal­dorf­schule in Süd sowie am Ober­stufen­zen­trum als Kava­liers­de­lik­te abtat: „‚Bei keinem der Ein­sätze war ein poli­tis­ches Motiv zu erken­nen‘, so Polizeikom­mis­sar Hille.“[4]

[1] https://dasversteckspiel.de/die-symbolwelt/nationalsozialismus/hammer-und-schwert-38.html
zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[2] Vgl. https://www.belltower.news/sind-das-antifas-nein-das-ist-das-rechtsextreme-antikapitalistische-kollektiv-44138/ zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[3] Vgl. etwa https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1761327/
zulet­zt einge­se­hen 10.11.19
[4] https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1716974/ zulet­zt einge­se­hen 10.11.19

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Antifaschismus Parlamentarismus

Der blau-braune Sumpf um Hans Link

Auf Hans Link und seine Detek­tei „Link Secu­ri­ty“ sind wir nicht bloß aufmerk­sam gewor­den, weil Link für die AfD im Land­kreis Barn­im kan­di­dierte [1], son­dern auch weil er seit Jahren an Demon­stra­tio­nen und Ver­anstal­tun­gen ander­er Recht­sradikaler teil­nimmt. [Belege, Quellen und weit­ere Infos find­et ihr in den Fußnoten]

So z.B. 2017 an ein­er Demon­stra­tion der NPD gegen mus­lim­is­che Gebet­sräume in Bernau. Zu den Red­nern gehörte unter anderem der Berlin­er Neon­azi und NPD-Kad­er Sebas­t­ian Schmidtke [2].

Seit 2016 ist Hans Mit­glied im Kreisver­band der AfD Barn­im. Dieser klün­gelt mit NPDlern und anderen Nazis.

Die Afd Barn­im gibt sich nicht­mal mehr Mühe ihre rechte Gesin­nung zu ver­ber­gen: Auf Insta­gram ver­bre­it­et sie Bilder mit Adler und Deutsch­land­fahne, dazu Slo­gans wie „Deutsch­land erwache ‑Wir sind das Volk“ oder „Deutsch­land, Deutsch­land über alles“. [3]

Zum 02. Novem­ber 2019 mobil­isierte sie neben wichti­gen Akteuren aus dem extrem recht­en Reichs­bürg­er­spek­trum, Volksver­het­zern & Holo­caustleugn­ern wie Ger­hard Ittner, Den­nis Ingo Schulz oder „Volk­slehrer“ Niko­lai Ner­ling über ihre Web­site zu ein­er ras­sis­tis­chen Kundge­bung vor dem Bun­deskan­zler­amt. [4] Auf dieser Kundge­bung durften Ver­schwörungside­olo­gen vor den Kam­eras der recht­en YouTube-“Szene” ihren geschicht­sre­vi­sion­is­tis­chen Müll ver­bre­it­en, während echte Pressevertreter*innen, die das Treiben doku­men­tieren woll­ten, ange­grif­f­en wurden.

Der braune Mief um Hans Link zeigt sich aber nicht nur in seinem AfD-Kreisver­band, son­dern auch um seine ehre­namtliche Tätigkeit als Box­train­er und Pro­mot­er. Er ist Grün­der des gemein­nützi­gen „Orje Tiet­zsch Bernauer Box Camp Barn­im e.V.“ und von “G.T. Link Profi Box­ing” – in dem Einen trainiert er Kinder & Jugendliche, in dem Anderen ver­anstal­tet er Kämpfe als Pro­mot­er des „Bund deutsch­er Faustkämpfer e.V. (BDF)“ und trainiert u.a. mit Neonazis.

Er hat Kon­takt zum neuerd­ings zu Bekan­ntheit gelangten “Ger­ma­nen Boxstall Kiel”, dessen Chef Rene Hilde­brandt bei RAN Box­en mit dem nation­al­sozial­is­tis­chen Mot­to “Kraft durch Freude” auf seinem Vere­insshirt live im Fernse­hen zu sehen war. [5]

Rene Hilde­brandt war/ist eben­falls Pro­mot­er vom „Bund Deutsch­er Faustkämpfer (BDF)“, trotz ein­deutiger Hin­weise auf seine rechte Gesin­nung, neben Vere­in­sna­men, Logo mit Eis­ernem Kreuz, der T‑Shirt Pro­voka­tion oder dieser GBK-Wer­bung auf Face­book mit dem Kop­pelschloss der Wehrma­cht samt Mot­to “Gott mit uns” und retuschiertem Hak­enkreuz. [6]

Kämpfer*innen des „Ger­ma­nen Boxstall Kiel“ nah­men z.B. 2018 an einem Event von „G.T. Link Profi­box­ing“ in Bernau teil. [7]

In seinem Wahlkampf hat Hans Link seine Vere­in­sar­beit als Box­train­er häu­fig zur Selb­stin­sze­nierung und als Türöffn­er für die nation­al­is­tis­che Poli­tik der AfD miss­braucht. [8]

Dazu gehörten Wahlkampfveranstaltungen/Bürgergespräche “im Ring” oder Posieren mit Größen der Recht­en Szene, wie z.B. der Organ­isatorin des recht­sradikalen “Frauen­marsches” Ley­la Bilge [9] — sie war u.a. geladene Red­ner­in bei Pegi­da, arbeit­et eben­falls für die AfD und ist glühen­der Fan von Björn “Bernd” Höcke himself.[10] Bilge mod­erierte am 24.08.2019 in Bernau die AfD-Wahlkampfver­anstal­tung “Talk im Boxring-Bürg­er­dia­log” von Hans Link und dem AfD-Bun­destagsab­ge­ord­neten Stef­fen Kotré.

Über Links Tätigkeit als Ama­teur­box­train­er und somit auch seinen Ein­fluss auf Kinder & Jugendliche beim „Orje Tiet­zsch Bernauer Box Camp Barn­im e.V.“ wurde der „Ama­teur-Box-Ver­band-Land Bran­den­burg e.V.“ bere­its informiert. Im Dezem­ber wird dieser über mögliche Kon­se­quen­zen berat­en und Link hof­fentlich auss­chließen. Seit 2004 kon­nte sich Hans Link als net­ter Train­er von nebe­nan stil­isieren, aber die Unter­wan­derung von Kampf­s­port durch Recht­sradikale darf nicht hin­genom­men wer­den — Kein Train­ing für Menschenfeinde!

Hans Link ist aber nicht nur ein brauner Box­er, Bauschloss­er & Poli­tik­er, son­dern auch ein brauner Detek­tiv. Seit 1998 betreibt er als Selb­st­ständi­ger eine Sicher­heits­fir­ma & Detek­tei namens „Link Secu­ri­ty“ in der Friedrich­str. 1, 16321 Bernau/Schönow.

Auf der Web­site find­en sich neben vie­len Schreibfehlern auch die ein oder andere gefälschte Ref­erenz namhafter Ver­anstal­tun­gen, wom­it Hans wohl sein Image des kleinen Kaufhaus­de­tek­tivs auf­polieren wollte.[11]

Unsere Recherchen haben darüber hin­aus ergeben, dass Links Fir­ma auch Sicher­heits- und Recherche­di­en­stleis­tun­gen für die AfD übern­immt. Dazu gehört neben dem direk­ten Schutz von Wahlkampf­stän­den und Ver­anstal­tun­gen durch Secu­ri­tys auch das ener­gis­che Abfo­tografieren von Teil­nehmenden demokratis­ch­er Ver­anstal­tun­gen und von Gegen­protesten [12].

Der let­zte Ein­satz war bei einem AfD-Info­s­tand in Bernau am 9. Novem­ber 2019. [13]

Lei­der kann es passieren, dass ihr auf ver­schieden­sten Ver­anstal­tun­gen auf die AfD-Link Secu­ri­ty als Sicherheits(sub)unternehmen tre­f­fen werdet. [11]

Die AfD hat ihre Anti-Antifaar­beit also “geout­sourced” und pro­fes­sion­al­isiert. Ger­ade in Zeit­en in denen Recht­sradikale Todeslis­ten anle­gen und ihren Worten Tat­en fol­gen lassen, ist es beson­ders beden­klich, dass eine Detek­tei Recherchen über ver­meintliche poli­tis­che Gegner*innen anstellt.

Nicht hin­nehm­bar ist, dass ihr Chef seine Law-and-Order Fan­tasien nicht nur im Kampf­s­port, son­dern auch als Abge­ord­neter in der Poli­tik zur Gel­tung brin­gen darf. Sowas muss Kon­se­quen­zen haben.

« Von der NPD unter­schei­den wir uns vornehm­lich durch unser bürg­er­lich­es Unter­stützerum­feld, nicht so sehr durch Inhalte. »

 — Dubravko Mandic (AfD), 2014

Wir danken allen Antifaschist*innen und Presse­men­schen, die ihre Arbeit­en frei zugänglich machen und immer nach den Recht­en sehn.

#DankeAn­tifa

Falls ihr weit­ere Infor­ma­tio­nen zu den oben Genan­nten oder dem Möchte­gern-Sher­iff vom Pan­ke­tal habt, ergänzt gern unter diesem Artikel, oder schreibt eine (ver­schlüs­selte) Mail an link-recherche[at]riseup.net (PGP-Key auf Anfrage)

Schul­ter an Schul­ter gegen den Faschismus!

1 http://afdbarnim.de/2019/07/17/hans-link-direktkandidat-wahlkreis-14/
2 https://inforiot.de/islamfeindliche-demo-in-bernau/
3 https://inforiot.de/die-afd-barnim-eine-bestandsaufnahme-der-wahlen/
4 http://afdbarnim.de/2019/10/24/aufruf-zum-gedenken/
5https://rp-online.de/sport/boxen/…
6https://www.facebook.com/2891952…
7https://web.archive.org/web/2019…
8 https://cdn1.site-media.eu/images/1440x900/3097892/RingeckeA0.jpg
9 https://cdn1.site-media.eu/images/1440x900/3075890/Erich3.jpg
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Leyla_Bilge#Positionen_und_Kritik
11 https://web.archive.org/web/20180830212651/http://detektei-bernau.de/referenzen.html
12 https://www.flickr.com/photos/igornetz/…
https://www.flickr.com/photos/igornetz/33873936448/in/album-72157704883454102/
13 https://twitter.com/Malte_Goldman/status/1193181571777531905

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Gedenkveranstaltungen zum Gedenken an die Novemberpogrome

In diesem Jahr gab es erst­ma­lig zwei Gedenkver­anstal­tun­gen, um an die Schreck­en der Novem­ber­pogrome zu erinnern.

Gedenken am ehe­ma­li­gen jüdis­chen Altenheim in Babelsberg

Bei ein­er Ver­anstal­tung am Vor­mit­tag wurde an einem authen­tis­chen Ort der Shoa, dem ehe­ma­li­gen jüdis­chen Altenheim in der Spitzweg­gasse 2a, gedacht. Von hier aus gin­gen 1943 die let­zten Trans­porte aus Pots­dam in die Ver­nich­tungslager. In den Rede­beiträ­gen wurde auf die Enteig­nun­gen in Neu-Babels­berg einge­gan­gen und welche Orte seit 1933 von NS-Verbänden
beset­zt und bewohnt wor­den sind. Anschließend wur­den von ca. 30 Men­schen am Gedenkstein Blu­men und Kränze niedergelegt, sowie mit ein­er Schweigeminute der Novem­ber­pogrome gedacht.

Gedenken am OdF Mahnmal

Um 19 Uhr trafen sich unge­fähr 200 Leute am Denkmal für die Opfer des Faschis­mus am Platz der Ein­heit. In mehreren Beiträ­gen wurde an die Geschehnisse der  Novem­ber­pogrome erin­nert und ein Gedicht von Hali­na Biren­baum ver­lesen. Ein Rede­beitrag von der Emanzi­pa­torischen Antifa Pots­dam kennze­ich­nete die lange Tra­di­tion von Anti­semitismus, auch vor 1933, in Deutsch­land und dass dieser bis heute tief in der Gesellschaft ver­ankert ist.
Dazu  sagt Lisa Redlich von der EAP „Gedenken ist nicht nur das
Erin­nern an  ein bes­timmes Ereigniss oder an eine bestimmte
Begeben­heit. Es ist auch  wichtig zu betra­cht­en wie es zu dem Ereig­nis gekom­men ist und dann daraus auch die Schlüsse auf das hier und heute zu ziehen“ Den Rede­beitrag find­en sie weit­er unten in der kom­plet­ten Länge.

Respekt- und würde­los­es Ver­hal­ten der Polizei Brandenburg 

Dass die Polizei Bran­den­burg jegliche Würde ver­loren hat, zeigte sich gestern mal wieder. Ein Gedenken von Opfer­ver­bän­den und
Antifaschisten*innen zu stören, in dem sie einen Verantwortlichen
wollen, ist ein Skan­dal und zeigt, dass sie jegliches
Geschichtsver­ständ­nis ver­mis­sen lassen. In Bran­den­burg müssen
Gedenkver­anstal­tun­gen nicht angemeldet wer­den, weshalb ihre Nach­frage wie eine Pro­voka­tion und Schikane wirkte.

Fotos unter: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/49040300236/in/album-72157711714431958/

Rede­beitrag der EAP:

Heute ste­hen wir wieder hier am Mah­n­mal für die Opfer des Faschismus.
Jedes Jahr müssen wir erneut fest­stellen, wie wichtig eine aktive
Gedenkkul­tur ist und wie wichtig es ist aus dem Gedenken Rückschlüsse auf das hier und heute zu ziehen! Vor exakt einem Monat, dem 9.10.2019 kam es zu einem neon­azis­tis­chen Angriff auf eine Syn­a­goge in Halle.
Dabei star­ben zwei Men­schen. Der Angriff, der am jüdis­chen Feiertag Jom Kip­pur stat­tfand, zielte klar gegen Jüdin­nen und Juden.

Der 9.11. ist ein Datum von her­aus­ra­gen­der Bedeu­tung. Vor 81 Jahren wur­den Syn­a­gogen und Geschäfte jüdis­ch­er Men­schen zer­stört, Men­schen wur­den ver­haftet und ermordet. Auch hier direkt hin­ter uns wurde die Syn­a­goge geplün­dert und aus­ger­aubt. Keine 100 Meter weit­er links wurde das Geschäft von Abra­ham Kall­mannsohn in der Schw­ert­fegerstraße 1 geplün­dert und er wurde im KZ Sach­sen­hausen interniert. An diese Gräueltat­en zu erin­nern ist die Ver­ant­wor­tung der­er wir uns heute annehmen müssen. Erin­nern heißt nicht vergessen.

Der 9.11.1938 war Test­lauf und Start­punkt für die spätere sys­tem­a­tis­che Ver­nich­tung durch Massen­er­schießun­gen in Osteu­ropa und Ver­ga­sun­gen in den Konzen­tra­tionslagern. Nach dem 9.11.1938 war klar, dass gegen anti­semi­tis­che Het­ze und Gewalt­tat­en aus der deutschen Bevölkerung nicht  mit Wider­stand zu rech­nen war – ganz im Gegenteil!
Die Aneig­nung von und Auseinan­der­set­zung mit der Geschichte muss bis in unsere Gegen­wart hinein­re­ichen! Auch wenn Deutsch­land 1945 besiegt wurde, ist der Anti­semitismus in  großen Teilen der Gesellschaft verblieben und erneuert sich unen­twegt. Alleine im let­zten Jahr gab es 1.799 doku­men­tierte anti­semi­tis­che Angriffe. Das sind 5 anti­semi­tis­che Angriffe am Tag!

Dieser mod­erne Anti­semitismus hat eine lange Tra­di­tion in Deutsch­land. Schon Jahrzehnte bevor die Nationalsozialist*innen die Macht in die Hände gelegt beka­men. So kam es beispiel­sweise schon 1916, mit­ten im ersten Weltkrieg, zu soge­nan­nten „Juden­zäh­lun­gen“ in der Reich­swehr. Mit  dieser Zäh­lung sollte gek­lärt wer­den, ob Juden ihre soge­nan­nten „vater­ländis­chen“ Pflicht­en in aus­re­ichen­der Zahl erfüll­ten. Die Ergeb­nisse dieser staat­sof­fiziellen Unter­suchung wur­den nicht an die
große Glocke gehangen, denn von den 500.000 deutschen Juden diente 1/5 in der Reich­swehr. Die für „Kaiser und Vater­land“ kämpfend­en Juden erhofften sich durch ihren Kampfein­satz die volle Gle­ich­berech­ti­gung und  Anerken­nung der deutschen Gesellschaft zu erkämpfen. Aber noch nicht ein­mal unter Ein­satz ihres Lebens war ihnen dies möglich. Sie gal­ten weit­er­hin als Pro­jek­tions­fläche. Alle Auswüchse und Missstände des sich
etablieren­den Kap­i­tal­is­mus wur­den mit ihnen iden­ti­fiziert und somit per­son­al­isiert. Ein Umstand, der aus der kapitalistischen
Waren­pro­duk­tion und dem ihr notwendi­gen falschen All­t­ags­be­wusst­sein erwächst. Dabei war für die Anti­semiten uner­he­blich, was Juden in der Real­ität tat­en oder wer sie waren. Denn, wie Adorno so tre­f­fend for­mulierte: „Der Anti­semitismus ist das Gerücht über den Juden.“

Nach der Beendi­gung des ersten Weltkrieges durch die Kapit­u­la­tion des deutschen Reich­es nahm der Anti­semitismus fol­glich nicht ab. Im Gegen­teil, auch die Auf­stände und Massen­streiks der Jahre 1918 und 1919 wur­den nicht lediglich auf eine kriegsmüde, nach Brot und Frei­heit strebende Bevölkerung zurück­ge­führt, son­dern von Beginn an gal­ten die Urheber*innen als „jüdis­che Bolschewist*innen“. Und entsprechend hart wurde mit ihnen umgegangen.

Liebe Zuhörende, der 9. Novem­ber ist nicht nur der Tag an dem wir der Reich­s­pogrom­nacht mit ihren Schreck­en und grausamen Fol­gen gedenken. Wir gedenken auch der Tausenden Toten die von Freiko­rps ermordet wur­den. Diese Freiko­rps bestanden zumeist aus ehe­ma­li­gen Sol­dat­en, die sich nach der deutschen Nieder­lage zum Schutz eines reak­tionären Deutsch­lands zusam­men schlossen. Sie unter­standen dem dama­li­gen SPD-Vertei­di­gungsmin­is­ter Noske und han­del­ten auf seinen Befehl. So auch als sie in Berlin im März 1919 ein Mas­sak­er an linken Proletarier*innen anrichteten. Damals flo­gen erst­mals Flugzeuge Luftan­griffe und schmis­sen Brand­bomben auf Wohn­vier­tel. Maschi­nengewehre wur­den in
belebten Straßen einge­set­zt. Diese Gewalt über­traf in ihrer Stärke und Durch­schlagskraft die vorher einge­set­zte rev­o­lu­tionäre Gewalt um ein Hun­dert­fach­es. Wur­den während der Novem­ber­rev­o­lu­tion 1918 nur Wenige getötet, fie­len der ent­fes­sel­ten Gewalt der Freiko­rps allein im März 1919 in Berlin 1.200 Men­schen zum Opfer: größ­ten­teils Zivilist*innen. An  diesen Gewal­taus­brüchen waren auch Pots­damer Freiko­rps beteiligt. Zu nen­nen sind hier das Freiko­rps Pots­dam und das Freiko­rps Hülsen, beide
waren in Pots­dam sta­tion­iert. Das Pots­damer Freiko­rps Hülsen ging später  als Teil der 3. Infan­terie Divi­sion in der Wehrma­cht auf und war unter anderem am Über­fall auf Polen im Jahr 1939 beteiligt.

Es dürfte also nie­man­den der Anwe­senden ver­wun­dern, wenn sich die Ange­höri­gen und die Kom­mandieren­den der Pots­damer Freiko­rps oder ander­er Freiko­rps Ver­bände später den Nazis anschlossen oder sog­ar an deren Spitze stellten.

In der Zeit nach Beendi­gung des 1. Weltkrieges und vor der Machtüber­gabe  an die NSDAP fühlten sich auch schon ver­schiedene Täter (es waren und sind ja meist Män­ner) dazu berufen Morde und Mas­sak­er an ver­meintlichen oder realen Gegner*innen zu bege­hen. Damals wie heute han­delt es sich bei den Tätern ange­blich um Einzeltäter. Damals wie heute sind diese Men­schen einge­bun­den in ein poli­tis­ches Umfeld das geprägt ist von Unter­gangsäng­sten und Bedro­hungsszenar­ien. Damit wirre Ideen aber zu Tat­en wer­den, braucht es mehr: Es braucht eine indif­fer­ente oder sich sog­ar pos­i­tiv auf die Tat­en beziehende Bevölkerung und es braucht einen Staat, welch­er die anti­ju­dais­tis­che, die anti­semi­tis­che, die faschis­tis­che oder ras­sis­tis­che Bedro­hung kon­fton­ta­tion­s­los hinnimmt.
Hierzu braucht es weit­er­hin eine Gesellschaft in der die
gesellschaftlichen Beziehun­gen der Men­schen nicht bewusst geregelt sind, sich die Men­schen in freier Konkur­renz als Privateigentümer*innen gegenüber­ste­hen und men­schlich­es Han­deln  lediglich als per­sön­lich­es Fehlver­hal­ten aus­gelegt wird,begründet durch per­sön­liche Überzeu­gung oder Abstam­mung. Die gesellschaftlichen Ver­hält­nisse haben sich seit­dem nie grundle­gend geändert!

Angesichts des im Bran­den­burg­er Land­tag sitzen­den bayrischen Neon­azis Kalb­itz, der bis heute nicht ver­bote­nen rechts-ter­ror­is­tis­chen Organ­i­sa­tion Com­bat 18 oder der wei­thin bekan­nten Unter­stützung (neo)nazistischer Grup­pen durch Teile des deutschen Sicher­heit­sap­pa­rates muss klar sein, dass eine faschis­tis­che Gefahr mit­nicht­en geban­nt ist!

Fakt ist, dass auf die Reich­s­pogrom­nacht jahrzehn­te­lang hin gear­beit­et wurde und es ist wichtig sich nicht nur dieses Datum mit all seinen Schreck­en ins Gedächt­nis zu rufen, son­dern auch die unzäh­li­gen Grausamkeit­en, die den Weg dor­thin geeb­net haben und danach noch fol­gten. Denn nur so ist Ler­nen aus der Geschichte möglich. Nicht indem wir uns an, vom Fluss der Geschichte los­gelöste, sin­guläre Ereignisse erin­nern, son­dern indem wir die Geschichte als von Men­schen gemachte Real­ität anerken­nen, in der viele ver­schiedene Aspek­te zu dem führten dessen wir heute mah­nen wollen.

Gegen jeden Antisemitismus!

Inforiot