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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Pressemitteilung der EAP zum Gedenken am 27. Januar

Am 27.01.2019 fand das alljährliche Gedenken an die Opfer des
Nation­al­sozial­is­mus am Platz der Ein­heit und am Ehren­fried­hof der sow­jetis­chen Armee in Pots­dam statt. Zum Gedenken fan­den sich rund 300 Per­so­n­en ein.

Nach begrüßen­den Worten ver­las die Gruppe fem­i­nis­tisch antifaschis­tis­che Ver­anstal­terin­nen (fea­va) ihren Rede­beitrag in welchem sie Fol­gen­des klarstell­ten: “Darum beste­hen wir behar­rlich auf fol­gende begrif­fliche Unter­schei­dung: BEFREIT wur­den die Lager, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung allerd­ings, musste von den Alli­ierten BESIEGT wer­den. Dies
zu wis­sen, ist wichtig für die Betra­ch­tung der soge­nan­nten Gedenkkultur”

Die Emanzi­pa­torische Antifa Pots­dam (EAP) stellte unter anderem die Biografie von Marek Edel­mann, einem pol­nis­chen Wider­stand­skämpfe, vor. Als Kom­man­dant spielte er eine wichtige Rolle während des Warschauer Auf­s­tandes 1943. Marek Edel­mann lebte für den Wider­stand und er mah­nte ein­dringlich vor dem Vergessen: „Für junge Men­schen ist es heute sehr schw­er zu begreifen wie das alles gewe­sen ist. Wenn die Erin­nerung nicht
bleibt, dann kann sich alles wieder­holen. Und je mehr man sich erin­nert und weiß, desto größer die Chance, dass es sich nicht wieder­holt. Der Men­sch ist schlecht.“

Die Pruss­ian Fat Cats — Roller Der­by Pots­dam ver­wiesen in ihrem
Rede­beitrag auf die enorme Bedeu­tung der Frauen im antifaschis­tis­chen Wider­stand. Exem­plar­isch wurde die Geschichte von Franziska Mann, geborene Lola Horowitz dargelegt. Sie griff am 13.Oktober 1943, kurz vor der geplanten Ver­ga­sung, einem SS-Scher­gen an, entriss ihm den Revolver und schoss damit auf mehrere Nazis. Sie traf einen davon tödlich. Auch andere Frauen grif­f­en gle­ichzeit­ig weit­ere SS-Män­ner an, welche fluchtar­tig abhaut­en. Kurze Zeit später wurde die Gruppe um Franziska
Mann erschossen.

Nach ein­er Schweigeminute wur­den am Denkmal für die Opfer des
Faschis­mus Kerzen angezün­det, Kränze und Blu­men niedergelegt. Danach ging es gemein­sam zum Sol­daten­fried­hof auf dem Bass­in­platz. Hier wurde der Lebenslauf von Olga Benario-Prestes vorgestellt. Sie kämpfte jahre­lang gegen die Nation­al­sozial­is­ten und wurde 1942 im KZ Bern­burg vergast.
Anschließend wurde vom Ortsver­ban­des Pots­dam des VVN-BdA auf das Schick­sal der Fam­i­lie Feist in Pots­dam aufmerk­sam gemacht und mah­nende Worte aus­ge­sprochen, dass wir niemals unsere Men­schlichkeit ver­lieren dürfen.

Zum heuti­gen Gedenken sagte Melyssa Diedrich von der EAP abschließend “Ger­ade in Zeit wo es in Deutsch­land wieder mehr anti­semi­tis­che Angriffe gibt müssen wir dafür Sorge tra­gen, dass die Geschichte nicht vergessen wird. Und wie wir in unserem Aufruf schon sagten kön­nen wir nur mit ein­er niemals endende Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hung und Wirkungsweise des Nation­al­sozial­is­mus wird es möglich sein, die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen zu bewerten”.

mit fre­undlichen Grüßen
Melyssa Diedrich für die EAP

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Flucht & Migration Law & Order

Massenabschiebung mit Polizei-Einsatz in Doberlug-Kirchhain

Massenabschiebung mit Polizei-Großeinsatz in Doberlug-Kirchhain, Brandenburg — Protest der Geflüchteten

Bericht von Refugee Assem­bly Bran­den­burg (RAB) vom 22.01.20:

Let­zte Nacht gab es eine Polizeirazz­ia in der Erstaufnahmeeinrichtung
Dober­lug-Kirch­hain mit dem Ziel, Asyl­suchende mit Dublin­prob­lem zu
find­en und nach Frankre­ich abzuschieben. Mehr als 20 Men­schen wur­den aus
der Erstauf­nah­meein­rich­tung sowie aus Heimen abgeschoben. Drei Familien
und viele Einzelper­so­n­en wur­den in einem Bus als Massen-Abschiebeaktion
nach Frankre­ich abgeschoben. Wir haben gehört, dass drei Personen
Panikat­tack­en bekom­men haben und notärztliche Behand­lung benötigten.

Einige Geflüchtete haben ver­sucht, im Lager Aufmerk­samkeit zu bekommen
und mit der Polizei zu reden um die Aktion zu stoppen.
Heute haben mehr als 60 Geflüchtete im Lager protestiert und haben das
Gelände ver­lassen um vor der Außen­stelle der Zen­tralen Ausländerbehörde
weit­er zu protestieren. Die wüten­den Geflüchteten forderten den Stopp
von Abschiebun­gen, das Öff­nen von Gren­zen und den Stopp von nächtlichen
Polizei-Oper­a­tio­nen in Flüchtlingslagern.

Wir müssen daran erin­nern, dass dies die deutschen Geset­ze sind, die
Massen­ab­schiebun­gen und nächtliche Mil­i­tarisierung der Lager erlauben.
Diese Geset­ze müssen zum Besseren verän­dert wer­den und wir glauben, dass
nur die, die direkt von diesen Geset­zen betrof­fen sind, in der Lage
sind, sie zu ändern. Wir unter­stützen legale Proteste von Geflüchteten
und Asyl­suchen­den über­all in Deutsch­land und wir wer­den nicht aufhören
bis wir Antworten haben.

Asyl­suchende und Geflüchtete der Ein­rich­tung in Doberlug-Kirchhain

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Shoah“ – Filmgespräch und Diskussion

Filmge­spräch und Diskus­sion mit Dr. Juliane Wet­zel (Zen­trum für Anti­semitismus­forschung TU Berlin) 

Der 27. Jan­u­ar, Inter­na­tionaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holo­caust, wurde 2005 von den Vere­in­ten Natio­nen einge­führt, um dem Holo­caust und der Befreiung des Konzen­tra­tionslagers Auschwitz-Birke­nau am 27. Jan­u­ar 1945 zu gedenken. Weltweit soll am 27. Jan­u­ar ein Screen­ing des Films „Shoah“ von Claude Lanz­mann stattfinden.
Wir nehmen diesen Tag zum Anlass, Auszüge aus dem Meis­ter­w­erk der Erin­nerungskul­tur zu zeigen und mit der His­torik­erin Juliane Wet­zel über den Film sowie die deutsche Erin­nerung an den Nation­al­sozial­is­mus zu reden. Eine inten­sive Auseinan­der­set­zung und Aufar­beitung set­zte zunächst zöger­lich ein. Wie war der jew­eilige Umgang damit im geteil­ten Deutsch­land? Wie ist die Erin­nerungskul­tur heute? Welche Rolle spielt die Ver­gan­gen­heit in der Gegen­wart? Darüber möcht­en wir mit unserem Gast und Ihnen ins Gespräch kom­men. Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Juliane Wet­zel ist pro­movierte His­torik­erin und Mitar­bei­t­erin am Zen­trum für Anti­semitismus­forschung der TU Berlin. Sie ist Mit­glied des Zweit­en Unab­hängi­gen Expertenkreis­es Antisemitismus.

Die Ver­anstal­tung find­et in Koop­er­a­tion mit dem Anger­mün­der Bürg­er­bünd­nis für eine gewalt­freie, tol­er­ante und weltof­fene Stadt statt.

Ver­anstal­tung­sort:
Ratssaal im Rathaus Angermünde
Markt 24
16278 Angermünde

Ver­anstal­tungs­da­tum:
Mon­tag, 27.01.2020
18.00 Uhr

Ein­tritt & Anmeldung:
Der Ein­tritt ist frei. Um eine Anmel­dung  wird zu Pla­nungszweck­en gebeten.

Kon­takt:
Hein­rich-Böll-Stiftung Bran­den­burg e.V.
Tel.: 0331 20057816
Team Mit:Menschen
mitmenschen@boell-brandenburg.de
www.boell-brandenburg.de

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Bildung & Kultur

WO KOMMWA DENN DA HIN?

Normalisierung rechtsradikaler Politik

Diskus­sionsver­anstal­tung
Fre­itag, 24. Jan­u­ar 2020 — 18:00

Völkisch­er Nation­al­is­mus. Ver­schwörungs­the­o­rien. Ras­sis­mus. Faschis­tis­che Gedanken­wel­ten. Kon­struk­te und Ideen jen­seits des demokratis­chen Kon­sens hal­ten Neue und Alte Rechte nach Innen zusam­men. Nach Außen gibt sie sich bürg­er­lich und kon­ser­v­a­tiv, sie ist in unseren Par­la­menten angekom­men inklu­sive recht­sradikaler Gesin­nung und Verbindun­gen in die Szene. Doch man präsen­tiert sich gern harm­los, ist bemüht, koali­tions­fähig aufzutreten und Wähler*innen außer­halb des recht­en Spek­trums zu gewin­nen. In den let­zten Jahren sind recht­sradikale Posi­tio­nen weit in unsere poli­tis­chen und gesellschaftlichen Diskurse hereingerückt und die Zivilge­sellschaft gerät zunehmend unter Druck.

Nicht zulet­zt hier in Bran­den­burg bekom­men wir dies zu spüren: Christoph Berndt, Grün­der des flüchtlings­feindlichen Vere­ins “Zukun­ft Heimat”, ringt um den Vor­sitz des Bran­den­burg­er Kul­tur­auss­chuss­es. Dessen Parteifre­unde der­weil wer­den nicht müde, gemein­nützige Akteur*innen juris­tisch und öffentlich anzuge­hen. Wo die bürg­er­liche Anschlussfähigkeit an ihre Gren­zen stößt, hil­ft man sich mit Dro­hge­bär­den. Darunter fall­en die Dele­git­imierung von För­der­mit­teln oder der Vor­wurf der Parteilichkeit gegenüber poli­tisch missliebi­gen zivilge­sellschaftlichen Akteur*innen.

Diese Entwick­lun­gen kom­men nicht von unge­fähr, son­dern sind Ergeb­nis und Teil von (neu-) recht­en Strategien.

Wie sehen diese Strate­gien aus? Wo kom­men sie her? Wie kön­nen wir Nor­mal­isierung ver­ste­hen? Wie macht sie sich bemerk­bar und wie machen wir sie sicht­bar? Was kön­nen wir also tun, um ihr entgegenzuwirken?

Es disku­tieren

Andreas Kem­per (Sozi­ologe, Pub­lizist, Rechtsextremismusexperte)

Frauke Büt­tner (Geschäfts­führerin des Aktions­bünd­nis Bran­den­burg gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Fremdenfeindlichkeit)

Fer­at Kocak (Aktivist und Antifaschist, Betrof­fen­er von rechtem Terror)

Mod­er­a­tion: Mobiles Beratung­steam (Bran­den­bur­gis­ches Insti­tut für Gemeinwesenberatung)

Es han­delt sich um eine Koop­er­a­tionsver­anstal­tung der Ini­tia­tive “Kein Forum für rechte Kad­er” und dem VVN — BdA Bran­den­burg. Es unter­stützen uns außer­dem die   Lan­deshaupt­stadt Pots­dam und der All­ge­meine Studieren­de­nauss­chuss der Uni­ver­sität Potsdam.

~Wichtiger Hin­weis~
Die Ver­anstal­tenden behal­ten sich vor, von ihrem Haus­recht Gebrauch zu machen und Per­so­n­en, die durch demokratie– und men­schen­feindliche Äußerun­gen oder Hand­lun­gen in Erschei­n­ung getreten sind, den Zutritt zu unseren Ver­anstal­tun­gen zu ver­wehren oder sie von diesen auszuschließen. Hierzu zählen ins­beson­dere Per­so­n­en, die neon­azis­tis­chen oder extrem recht­en oder son­st extrem­istis­chen Parteien oder Organ­i­sa­tio­nen ange­hören, der extrem recht­en Szene zuzuord­nen sind oder bere­its in der Ver­gan­gen­heit durch ras­sis­tis­che, nation­al­is­tis­che, anti­semi­tis­che, sex­is­tis­che, homo­sex­uellen- oder trans­feindliche Äußerun­gen oder Hand­lun­gen in Erschei­n­ung getreten sind.

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Antifaschismus Arbeit & Soziales Sonstiges

Initiative „Kein Forum für rechte Kader“ startet

Mehr als 20 Organ­i­sa­tio­nen und Ver­anstal­tung­sorte aus der Bre­ite der Pots­damer und Bran­den­burg­er Zivilge­sellschaft set­zen mit der heute veröf­fentlicht­en Erk­lärung „Kein Forum für rechte Kad­er“ ein kon­se­quentes Zeichen gegen Rechts. Die Erstunterzeichner*innen erk­lären, recht­en Kadern keine Bühne und Räume zu bieten und jegliche Zusam­me­nar­beit mit ihnen zu ver­mei­den. Die Ini­tia­tive „Kein Forum für rechte Kad­er“ will über die Nor­mal­isierung von recht­sradikaler Poli­tik aufk­lären und gle­ichzeit­ig die Zivilge­sellschaft dazu aufrufen, recht­sradikale Politiker*innen nicht salon­fähig zu machen. Auf der Web­seite www.keinforum.eu kön­nen Organ­i­sa­tio­nen wie auch Betreiber*innen von Ver­anstal­tungsräu­men die Erk­lärung unterzeichnen.

Zusät­zlich zur Veröf­fentlichung der Erk­lärung lädt die Ini­tia­tive am Fre­itag, den 24.01.2020 um 18 Uhr zur Diskus­sionsver­anstal­tung „Wo komm‘ wa denn da hin?! Nor­mal­isierung recht­sradikaler Poli­tik“ ins Pots­dam Muse­um ein. Die Ver­anstal­tung wird unter­stützt von der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, dem AStA der Uni­ver­sität Pots­dam und der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes – Bund der Antifaschistin­nen und Antifaschis­ten Brandenburg.

Nor­mal­isierung ist auch in Bran­den­burg ein großes The­ma: “Was die AfD aus­macht, ist ihr ras­sis­tis­ches Welt­bild, auch wenn sie sich selb­st als demokratis­che Partei darstellt. Das ste­ht fest. Wo immer wir die AfD auftreten lassen, helfen wir ihr, ihre Posi­tion als nor­mal darzustellen. Das senkt die Hemm­schwelle, gegen Min­der­heit­en zu het­zen. Gewalt ist die let­zte tragis­che Kon­se­quenz von Nor­mal­isierung. Wenn nun der Pots­damer Unipräsi­dent die AfD Frak­tion zum Neu­jahrsemp­fang ein­lädt, ist das ziem­lich naiv und ver­ant­wor­tungs­los”, erk­lärt Mika Gut­mann von der Initiative.

Es gibt, ins­beson­dere nach der let­zten Wahl, viel Unsicher­heit bei den zivilge­sellschaftlichen Akteuren im Umgang mit recht­en Funk­tionären. Wir wollen über die recht­en Strate­gien aufk­lären und Maß­nah­men gegen eine Nor­mal­isierung recht­sradikaler Poli­tik aufzeigen. Unsere Web­seite www.keinforum.eu und zukün­ftige Ver­anstal­tun­gen bieten dazu eine Menge an Infor­ma­tion und Aus­tausch“, führt Mika Gut­mann weit­er aus.

Die unter­schiedlichen Erstunterzeichner*innen der Erk­lärung „Kein Forum für rechte Kad­er“ zeigen die Vielfalt der Zivilge­sellschaft auf und beziehen gle­ichzeit­ig eine klare Hal­tung für Offen­heit und für eine deut­liche Abgren­zung nach Rechts.

Das Pres­by­teri­um (Gemein­deleitung) der Franzö­sisch-Reformierten Gemeinde Pots­dam erk­lärt dazu: “Unsere Gemeinde wurde vor 300 Jahren von Flüchtlin­gen gegrün­det. Darum möcht­en wir uns selb­st und andere sen­si­bel und offen hal­ten für Flüchtling­sprob­lematiken und gelun­gene Inte­gra­tion, denn vor Gott sind alle Men­schen gle­ich. Für den All­t­ag heißt das: Respekt vor allen Men­schen, Kom­mu­nika­tion mit Einzel­nen, aber keine Bühne für recht­spop­ulis­tis­che The­sen und Verantwortungsträger.”

Julia Schultheiss vom Stadtju­gen­dring Pots­dam macht auf die Gefahren aufmerk­sam, wenn Kinder und Jugendliche auf rechte Funk­tionäre tre­f­fen: „Wir ver­mit­teln Jugendlichen die gegen­seit­ige Achtung aller Men­schen, egal wo sie herkom­men, welch­es Geschlecht, welche sex­uelle Ori­en­tierung sie haben oder welche religiöse oder poli­tis­che Anschau­ung. Rechtspopulist*innen und Recht­sex­treme ver­mit­teln das nicht, oft ist das Gegen­teil der Fall. Sie in unsere Räume oder auf unsere Ver­anstal­tung einzu­laden, entspräche nicht unser­er Grundhaltung.“

Für Tho­ralf Höntze von BLAUWEISSBUNT Babels­berg 03 ist die Beteili­gung an „Kein Forum für rechte Kad­er“ selb­stver­ständlich: „Unseren Sport ver­fol­gen wir mit Hal­tung: Mit der Kam­pagne ‚Nazis raus aus den Sta­di­en‘ haben wir bere­its eine klare Ansage gegen Diskri­m­inierung und rechte Het­ze in den Sta­di­en for­muliert. Denn wir im Sport erleben tagtäglich die Nor­mal­isierung und Ver­harm­lo­sung von Recht­sradikalen beson­ders dort, wo es keinen Wider­spruch gibt.“

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Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27.01.1945 wurde das Massen­ver­nich­tungslager Auschwitz-Birke­nau von der Roten Armee befreit.

75 Jahre nach der Befreiung wollen wir mit euch gemein­sam an die Geschehnisse erin­nern und den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus gedenken. Zeit­en, in denen die deutsche Geschichte ver­harm­lost, rel­a­tiviert oder geleugnet wird und es immer wieder zu anti­semi­tis­chen Angrif­f­en kommt, kön­nen wir nicht kom­men­tar­los hinnehmen.Nur durch eine niemals endende Auseinan­der­set­zung mit der Entste­hung und Wirkungsweise des Nation­al­sozial­is­mus wird es möglich sein, die gegen­wär­ti­gen Entwick­lun­gen zu bew­erten. Anti­semitismus, Nation­al­is­mus und Faschis­mus sind nicht ver­schwun­den – wir müssen die Erschei­n­ungs­for­men und deren Aus­prä­gun­gen erken­nen und bekämpfen.

Darum kommt am 27.01.2019 um 19.00 Uhr zum Denkmal für die Opfer des Faschis­mus auf dem Platz der Ein­heit in Potsdam.

Erin­nern – Gedenken – Handeln!

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Sonstiges

Von Brandenburg auf die griechischen Inseln

Zusam­men mit anderen Aktivist*innen aus dem Umfeld der Seenotret­tung­sor­gan­i­sa­tio­nen haben wir die Ini­tia­tive “Wir packen’s an!” gegrün­det. Wir wollen Trucks mit war­men Klam­ot­ten von Berlin-Bran­den­burg in die Flüchtlingscamps auf den griechis­chen Inseln schicken.

Ange­fan­gen hat alles mit ein­er Idee, danach kam ein Face­book Post…und jet­zt schick­en wir am Don­ner­stag die ersten zwei Trucks los! Halb Bran­den­burg sam­melt für uns und unter­stützt uns. Wir sind über­wältigt und hät­ten das so nie gedacht und für möglich gehalten.

Ihr kön­nt uns auf Face­book fol­gen: https://www.facebook.com/nothilfebb/ und auch die Medi­en wer­den auf uns aufmerk­sam: https://www.rbb-online.de/brandenburgaktuell/archiv/20200111_1930/2.html?fbclid=IwAR3rds4EOoLrCnYx52WPLj4XBp-N3NdFNw3SXvOqW_bi6_48nsY0N4pBu44

Das Ver­pack­en und Sortieren find­et jeden Tag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr in Bad Freien­walde, Carls­burg­er Dekosche­une in der Frank­furter Straße Aus­bau 24 statt. Wir brauchen drin­gend Hil­fe um alles ver­packt zu bekommen.

Meldet Euch gerne bei uns

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Der Tod der Rita O.

Als der Name Rita fällt, schließt die Frau lieber die Tür. Sie will keinen Ärg­er. Deshalb soll sie hier auch nicht näher beschrieben wer­den, nur so viel: Sie lebt im sel­ben Heim, in dem auch Rita lebte; ein paar Zim­mer weit­er. Sie war eine ihrer Fre­undin­nen. Rita, sagt die Frau, war ein guter Men­sch. Eine für­sor­gliche Mut­ter, ver­ant­wor­tungs­be­wusst, nur manch­mal etwas dis­tanziert. Aber defin­i­tiv nie­mand, der ein­fach so verschwindet.

Rita Awour Ojungé kam 2012 aus Kenia nach Deutsch­land. Eine Zeit lang arbeit­et sie als Au-pair. Mit einem Kameruner bekommt sie zwei Söhne, heute zwei und vier Jahre alt. Dann wird ihr Asy­lantrag abgelehnt, man ver­legt sie in ein Heim in der tief­sten Bran­den­bur­gis­chen Provinz.

Am 7. April 2019, einem Son­ntag, ver­schwindet Ojungé aus dem Heim. Sie ist 32 Jahre alt.

Mehr als zwei Monate später find­et man ihre Leiche, zer­stück­elt und von Brand­spuren geze­ich­net, 300 Meter von dem Heim ent­fer­nt im Wald.

Zur bre­it­en Öffentlichkeit dringt der Fall zunächst kaum durch. Dass er es über­haupt in über­re­gionale Medi­en schafft, ist dem Appell ver­schieden­er Migrantenor­gan­i­sa­tio­nen zu ver­danken. Es ste­ht ein Ver­dacht im Raum: Wurde nicht richtig ermit­telt, weil Rita “nur” eine Geflüchtete war?

Über zwei Wochen verge­hen, bis die Polizei eine Such­mel­dung her­aus­gibt. Weit­ere zwei Wochen, bis die Beamten nicht von einem Ver­mis­sten­fall, son­dern von ein­er Straftat aus­ge­hen – und das auch erst, nach­dem sich der Vater von Ojungés Kindern an einen Hil­fsvere­in wen­det, der die Staat­san­waltschaft einschaltet.

Am 12. Juni, mehr als zwei Monate nach Ojungés Ver­schwinden, startet die Polizei schließlich eine große Suchak­tion in den umliegen­den Wäldern. Sie find­et die Leiche ein­er Frau. Am 25. Juni wird diese offiziell als Ojungés Über­reste iden­ti­fiziert. Der Tagesspiegel berichtet über den Fall, die taz auch.

Bis heute, acht Monate nach Ritas Ver­schwinden, ist nie­mand ver­haftet wor­den. Viele Fra­gen bleiben offen.

Ange­hörige, Migrantenor­gan­i­sa­tio­nen und Men­schen, die in den Fall involviert sind, kri­tisieren die lange Ver­fahrens­dauer, man­gel­nde Trans­parenz, vor allem aber die nur langsam voran­schre­i­t­en­den Ermit­tlun­gen. Polizei und Staat­san­waltschaft hinge­gen weisen die Vor­würfe, nicht richtig zu ermit­teln, weit von sich.

Doch die Geschichte der Rita Ojungé wirft nicht nur die Frage auf, ob die Behör­den mit zweier­lei Maß messen. Son­dern auch, ob es über­haupt so weit hätte kom­men müssen. Ob Heim­leitung und der zuständi­ge Land­kreis die War­nun­gen der Bewohn­er ernst genug genom­men haben.

Ein heißer Sep­tem­bertag. Das Asyl­be­wer­ber­heim Hohen­leip­isch ist auf einem ehe­ma­li­gen Kaser­nen­gelände unterge­bracht, gut zwei Kilo­me­ter vom Zen­trum der 2.000-Einwohnergemeinde ent­fer­nt. Es gibt einen Bus, der bis vor kurzem nur mon­tags bis fre­itags alle zwei Stun­den und am Woch­enende gar nicht fuhr. Inzwis­chen fährt er zumin­d­est die ganze Woche durch.

Wer die Ein­gangsp­forte passiert, gelangt auf ein weitläu­figes Are­al, läuft über Gras und aufge­platzte Beton­plat­ten. “Dschun­gel” nen­nen die Bewohn­er diesen Ort, oder “Busch”, viele auch ein “offenes Gefäng­nis”. Weil sie sich beim Betreten ein- und abmelden müssen, Besuch­er ihren Ausweis vorzeigen und das Gelände gegen 22 Uhr ver­lassen müssen.

Offiziell leben 97 Men­schen hier, fast alle ohne Bleibeper­spek­tive. Afgha­nen sind dabei, Inder, Men­schen aus Ghana und der Elfen­beinküste. Sie dür­fen wed­er arbeit­en noch einen Sprachkurs absolvieren. Einige nicht ein­mal den Land­kreis ver­lassen. Es gibt Men­schen, die leben seit über zehn Jahren hier.

In ein­er der beigen Bar­rack­en sitzt die Frau, die sagt, sie sei Ojungés Fre­undin gewe­sen, auf ihrem Bett; ihr Name soll in dieser Geschichte Lydia Dim­ka sein. In einem Regal ste­hen eine Pfanne mit Nudel­resten, daneben Salz, Olivenöl. Es gibt nur eine Gemein­schaft­sküche im Trakt, sie muss die Dinge in ihrem Zim­mer lagern. Es riecht abge­s­tanden, modrig.

Am Sam­stag, den 6. April, erzählt Dim­ka, habe sie sich eine Bürste von Ojungé geborgt.

Am Son­ntag habe sie Ojungé nicht gesehen.

Am Mon­tag wollte sie die Bürste zurück­geben, traf aber nur Ojungés Nach­barn an. Er spielt eine bedeu­tende Rolle in der Geschichte. Ojungé sei nicht da, habe er ihr erzählt. Sie sei kurz einkaufen.

Dem Vater der zwei Kinder, dem Kameruner, er lebt in Berlin, erzählt der­selbe Nach­bar später, Ojungé sei an jen­em Son­ntag nach Berlin gefahren. Und habe ihm aufge­tra­gen, auf die Kinder aufzu­passen. Was ungewöhn­lich ist: Zu dieser Zeit fuhr doch son­ntags noch kein Bus. Und Ojungé sei, so berichtet es Dim­ka, die Strecke bis zum näch­sten Bahn­hof eigentlich nie zu Fuß gelaufen.

Als Dim­ka von den unter­schiedlichen Geschicht­en erfährt, wird sie skep­tisch. Ojungé hat­te nicht nur – was ungewöhn­lich für sie war – ihre Kinder zurück­ge­lassen. Sie hat­te auch wed­er Bankkarte noch eine Tasche mitgenommen.

Es musste etwas passiert sein.

Die Polizei hat den Fall viel zu lange als Vermisstenfall behandelt”

Am Dien­stag kommt der Vater von Ojungés Kindern laut Presse­bericht­en nach Hohen­leip­isch, um bei den Jun­gen zu sein. Er bezieht ein Zim­mer im Heim, gibt eine Ver­mis­sten­mel­dung bei der Polizei auf. Und gibt dabei an, er glaube, der Nach­bar habe etwas mit Ojungés Ver­schwinden zu tun.

Am 16. April durch­suchen Polizis­ten mit Spürhun­den erst­mals die Zim­mer des Heims, ergeb­nis­los. Sie hät­ten sich dabei auf das Gelände beschränkt, bericht­en Anwohn­er, den angren­zen­den Wald hät­ten sie nicht durch­sucht. Der ermit­tel­nde Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon wider­spricht dem später.

Fakt ist: Der abge­suchte Radius ist zu eng gesteckt, Ojungé bleibt verschwunden.

Als es Ende April immer noch keine Spur von ihr gibt, wen­det sich der Vater von Ojungés Kindern an den Vere­in Opfer­per­spek­tive, eine Ini­tia­tive, die sich um Opfer rechter Gewalt in Bran­den­burg küm­mert. Der Vere­in appel­liert an die Polizei, die Ermit­tlun­gen zu inten­sivieren. Dabei erfahren die Mitar­beit­er, dass die Polizei den Fall als Ver­mis­sten­fall führt, nicht als mögliche Straftat. Die Ini­tia­tive stellt daraufhin Strafanzeige bei der Staat­san­waltschaft Cottbus.

Der Oberstaatsanwalt weist die Behauptung von sich

Mar­tin Vese­ly arbeit­et für die Opfer­per­spek­tive, er hat den Vater von Ojungés Söh­nen betreut. “Die Polizei hat den Fall viel zu lange als Ver­mis­sten­fall behan­delt”, sagt er. “Die Beamten hat­ten augen­schein­lich kein Inter­esse daran, den Din­gen wirk­lich auf den Grund zu gehen.”

Die Ini­tia­tive schal­tet eine Anwältin ein, Christi­na Clemm. Sie habe Polizei und Staat­san­waltschaft mehrfach kon­tak­tiert, sagt Clemm. Dabei hät­ten ihr die Beamten gesagt, dass man ger­ade in einem Fall organ­isiert­er Krim­i­nal­ität ermit­tle. Und keine freien Kapaz­itäten mehr habe. “Man kann sich gut aus­malen, welche Maß­nah­men ergrif­f­en wor­den wären”, sagt Clemm, “wenn die Frau eine weiße Deutsche gewe­sen wäre, die ihre Kinder zurück­ge­lassen hat – und keine geflüchtete Frau aus Afrika.”

Es ist die Frage, die über allem schwebt: Han­del­ten die Behör­den etwa aus ras­sis­tis­chen Motiv­en nachlässig?

Ober­staat­san­walt Bantleon weist die Behaup­tung von sich; spricht von einem “ganz nor­malen Prozedere”, das bei Afrikan­ern genau­so gelte wie bei Deutschen.

Bleibt die Frage, warum die Beamten an jen­em 16. April nur das umliegende Are­al durch­sucht­en – nicht aber den Bere­ich weit­er außen, jenen Teil, in dem man später Teile von Ojungés Über­resten fand. Immer­hin liegt der nur 300 Meter vom Heim entfernt.

Eine aufwendi­ge Suche muss organ­isiert und geplant wer­den”, sagt Bantleon. Dazu brauche es mehr Polizis­ten und Hunde, als auf Anhieb zur Ver­fü­gung stün­den. Er nen­nt es eine Frage der Per­son­alpoli­tik. “Wir sprechen hier vom südlichen Bran­den­burg, einem dünn besiedel­ten Gebi­et. Da kann nicht jed­er Polizeiposten mit 100 Mann beset­zt sein.”

Ein neuer Zeuge rückt in den Fokus: Ojungés vierjähriger Sohn

Doch schon kurz nach der ersten Suchak­tion mehren sich die Anhalt­spunk­te, dass es sich um mehr als einen Ver­mis­sten­fall han­delt. Denn durch Inter­ven­tion der Opfer­per­spek­tive rückt ein neuer Zeuge in den Fokus: Ojungés vier­jähriger Sohn. Er sagt aus, er habe gese­hen, wie der Nach­bar seine Mut­ter an jen­em 7. April geschla­gen und ver­schleppt habe. Ein Beamter befragt den Jun­gen dazu. Allerd­ings kein­er, der in der Befra­gung von Kindern geschult ist. Was erneut zu Ver­w­er­fun­gen führt.

Der Junge sei nicht fachgerecht ver­hört wor­den, heißt es später seit­ens der Opferperspektive.
Die Aus­sagen des Jun­gen seien nicht ein­deutig gewe­sen, seit­ens der Polizei. Man habe beispiel­sweise keine Blut­spuren im Zim­mer gefun­den. Ein Haft­be­fehl wird nicht erlassen.

Spricht man mit Heim­be­wohn­ern und Men­schen aus Ojungés Umfeld, teilen viele den Ein­druck des Jun­gen: Der Nach­bar habe etwas mit der Tat zu tun. Ein Mann Anfang 30, der liebevoll zu Kindern war und im näch­sten Moment auf­brausend wer­den konnte.

Der Mann bleibt ein Mys­teri­um. Mit sein­er Herkun­ft geht es los: Die Polizei spricht zunächst von einem Nige­ri­an­er; der Land­kreis sagt, der Mann komme aus dem Tschad; Ober­staat­san­walt Bantleon sagt, es han­dle sich um einen Kenianer.

Plötzlich gibt es einen Anfangsverdacht

Ein Bewohn­er des Heims in Hohen­leip­isch – auch er möchte unerkan­nt bleiben – beschreibt den Nach­barn als abweisend. Als jeman­den, der einem nicht in die Augen sah, der meist in seinem Zim­mer blieb. Und unter Leuten oft in Schlägereien geri­et. Er zeigt ein Foto des Nach­barn: weißes Unter­hemd, die Haare an den Seit­en kurz, die Dreads zum Zopf gebun­den; er wirkt in sich gekehrt.

Der Nach­bar sei unberechen­bar gewe­sen, sagt auch Lydia Dim­ka, Rita Ojungés Fre­undin. Man wusste nie, woran man bei ihm war. In der Zeit nach dem Fund der Leiche habe er viel getrunk­en und manch­mal, nachts, laut geschrien und geweint. Mitunter habe er Ojungé dann um Verge­bung gebeten. Auch sie habe bei der polizeilichen Vernehmung gesagt, sie glaube, dass er der Täter sei.

Der zuständi­ge Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon sagt im Sep­tem­ber, der Mann sei ver­nom­men wor­den und bestre­ite die Tat. “Aus der Vernehmung haben wir keine Erken­nt­nisse gewin­nen kön­nen.” Es gebe mehrere Per­so­n­en, die die Möglichkeit hat­ten, die Frau zu töten. Weit­er wolle er sich nicht äußern.

Im Dezem­ber klingt das schon etwas anders. Bantleon spricht nun von einem Anfangsver­dacht gegen den Mann. Welche neuen Erken­nt­nisse dazu führten, wolle er nicht sagen. Die Anhalt­spunk­te wären jedoch immer noch nicht aus­re­ichend für einen hin­re­ichen­den oder gar drin­gen­den Tatver­dacht – und damit auch nicht stark genug, um Haft­be­fehl zu erlassen.

Ojungé hatte sich bereits über den Nachbarn beschwert

Ojungé und der Nach­bar hat­ten eine Vorgeschichte. Ojungé habe sich, so bericht­en es Heim­be­wohn­er und Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive, min­destens zwei Mal über den Nach­barn bei der Heim­leitung beschw­ert. Lydia Dim­ka sagt, Ojungé habe dabei expliz­it die Ver­legung des Mannes gefordert, habe gesagt, sie füh­le sich von ihm bedro­ht. Der Land­kreis Elbe-Elster, für die Unter­bringung der Asyl­be­wer­ber zuständig, bestre­it­et das und beruft sich dabei auf die Heimleitung.

Dabei ist unklar, ob der Nach­bar über­haupt im Zim­mer neben ihr hätte leben dür­fen. Das Schutzkonzept des Heimes sieht eigentlich die getren­nte Unter­bringung von Fam­i­lien und allein­reisenden Män­nern vor. Roland Neu­mann, zuständi­ger Dez­er­nent des Elbe-Elster-Kreis­es, sagt dazu, der Nach­bar sei Ojungés Lebens­ge­fährte gewe­sen, die Rede ist von ein­er “eheähn­lichen Gemein­schaft”, er sei im Ein­ver­ständ­nis bei­der, also auch Ojungés, umgezogen.

Es gibt Men­schen, die sagen, Ojungé und der Nach­bar hät­ten eine Beziehung geführt. Sie habe das Ver­hält­nis been­den wollen, er aber habe sich geweigert. Von Eifer­sucht ist die Rede.

Fakt ist: Es kommt monate­lang zu kein­er Ver­legung. Der Nach­bar lebt nach Ojungés Ver­schwinden weit­er­hin im Heim. Der Vater von Ojungés Kindern, der ihn für den Täter hält, muss neben ihm leben. Eben­so die zwei Kinder, wovon eines aus­ge­sagt hat, es habe gese­hen, wie der Mann seine Mut­ter geschla­gen und weggez­er­rt hat. Im Mai wird der Nach­bar zwar in einen anderen Trakt, den für allein­reisende Män­ner, ver­legt, auf Wun­sch des Vaters von Ojungés Kindern und um “Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen zwis­chen den Män­nern zu ver­mei­den”, wie es beim Land­kreis heißt. Er bleibt aber auf dem Gelände, wird nicht in ein anderes Heim ver­legt. Wed­er die Polizei noch das eingeschal­tete Jugen­damt haben Bedenken.

Erst als Ojungés Leiche iden­ti­fiziert ist, am 25. Juni, kommt die Polizei vorge­fahren. Zehn Minuten geben sie dem Nach­barn, um seine Sachen zu pack­en, so berichtet es Lydia Dim­ka. Dann brin­gen sie ihn in ein anderes Heim. Die Ver­legung sei in “Abstim­mung mit Polizei, Aus­län­der­be­hörde und dem Stab Asyl” erfol­gt, heißt es seit­ens des Land­kreis­es, um “aufk­om­menden Span­nun­gen und Ver­mu­tun­gen zu begeg­nen”. Nur hat­te es die nach Aus­sagen der Bewohn­er da schon längst gegeben.

Das verdeut­licht auch ein ander­er Umstand: Noch vor der Ver­legung des Nach­barn, so berichtet es Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive, wurde der Vater von Ojungés Kindern von der Polizei kon­tak­tiert. Ihm wurde ein Doku­ment vorgelegt, das ihn warnte, gegen den Nach­barn vorzuge­hen. Eine Gefährder­ansprache. Bei der Polizei war man sich der Span­nun­gen also dur­chaus bewusst.

Unter Umstän­den wäre es auch möglich gewe­sen, einige der Bewohn­er zu ver­legen. Etwa Fam­i­lien mit Kindern.

Das Lan­desauf­nah­mege­setz sieht grund­sät­zlich vor, dass Men­schen, die beson­ders schutzbedürftig sind, in Aus­nah­me­fällen aus Gemein­schaft­sun­terkün­ften ver­legt und auch in Woh­nun­gen unterge­bracht wer­den kön­nen. Das Heim in Hohen­leip­isch aber entspreche allen Anforderun­gen, heißt beim Land­kreis, auch denen beson­ders schutzbedürftiger Menschen.

Bei der Betreiber­fir­ma des Heims, der Human-Care GmbH, klingt das ähn­lich. Der Tagesspiegel zitiert die Geschäfts­führerin mit den Worten, die Unterkun­ft liege zwar im Wald, aber das sei ja nicht schlimm; viele Men­schen wür­den schließlich gern in den Wald ziehen. Eine Inter­viewan­frage von ZEIT ONLINE wird abgelehnt mit der Begrün­dung, der Reporter habe sich “unbefugt und verdeckt” auf dem Gelände aufge­hal­ten. (Was nicht stimmt, die Per­son­al­dat­en wur­den am Ein­gang aufgenom­men, als der Reporter bei ein­er Bewohner­in zu Gast war.)

Die Ermittlungen würden noch Zeit in Anspruch nehmen. “Viel Zeit.”

Wenn Lydia Dim­ka, Rita Ojungés Fre­undin, ihr Leben in dem Heim beschreiben soll, spricht sie vor allem von Angst. Angst, ihre Kinder draußen spie­len zu lassen, begin­nt doch direkt vor der Pforte der Wald. Angst vor ras­sis­tis­chen Über­grif­f­en; erst im Mai hat­te ein Unbekan­nter Über­reste eines Schweins vor das Heim gelegt.

Angst aber auch, nachts im Heim zur Toi­lette zu gehen, einem Raum, der sich nur ein paar Türen weit­er, am Ende des Ganges, befind­et. Viele Frauen wür­den lieber einen Eimer benutzen, sagt Dim­ka. Andere wür­den Nach­barn bit­ten, aufzu­passen, wenn sie gehen. Die Angst sei schon immer da gewe­sen. Das Ver­schwinden von Rita Ojungé aber habe sie noch verstärkt.

Mitte Juli veröf­fentlicht­en die Bewohn­er einen offe­nen Brief. Sie sprachen von Iso­la­tion, von fehlen­den Freizeit­möglichkeit­en, von dreck­i­gen Gebäu­den und Kak­er­lak­en. Und forderten, unter­stützt vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg, ihre Ver­legung. Vergebens. 2011 hat­te es schon ein­mal Demon­stra­tio­nen zur Schließung des Heimes gegeben. Auch damals erfolglos.

Eine Schließung ist nicht in Sicht

Der Ver­trag für das Heim läuft zum Ende des Jahres aus, Human-Care hat sich erneut bewor­ben; der Land­kreis hat sich aber für einen anderen Betreiber, die Inter­na­tionaler Bund Berlin-Bran­den­burg gGmbH, entsch­ieden. Eine Schließung ist vor­erst nicht in Sicht.

Eine Bewohner­in sagt: “Für den Land­kreis ist das Heim ide­al, man kann die Men­schen hier so lange zer­mür­ben, bis sie von sich aus aufgeben. Und vielle­icht zurück in ihre Heimat gehen.”

Ob es aber einen Zusam­men­hang gibt zwis­chen den Zustän­den im Heim, den fehlen­den Per­spek­tiv­en der Bewohn­er und dem Mord an Rita Ojungé, ist schw­er zu sagen. Mar­tin Vese­ly von der Opfer­per­spek­tive sagt: “Es gibt keine zwin­gende lin­eare Abfolge von den Zustän­den im Heim zum Mord. Und doch spielt die Unter­bringung trau­ma­tisiert­er Men­schen auf diese Art natür­lich mit hinein.”

Am 14. Dezem­ber, einem ver­reg­neten Sam­stag, wird Rita Ojungé schließlich in Berlin beerdigt. Etwa 60 Men­schen kom­men in der kleinen Kapelle der St. Hed­wigs-Gemeinde zusam­men, die meis­ten aus der keni­an­is­chen Exil-Com­mu­ni­ty. “Wir wis­sen bis heute nicht, was mit Rita passiert ist”, sagt Ojungés Cou­sine, die die Trauer­feier organ­isiert hat, am Ende ihrer Ansprache. “Das macht es so schw­er, Abschied von ihr zu nehmen.” Ojungés Mut­ter, sie lebt in Kenia, ist nicht erschienen. Es ist zu viel für sie.

Ein neues Gerücht

Denn auch der Beerdi­gung gehen Ungereimtheit­en voraus: Die Staat­san­waltschaft sagte noch im Som­mer, sie gebe den Kör­p­er frei. Ver­schiedene Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen und Ver­wandte Ojungés sam­meln daraufhin Geld, um die Mut­ter aus Kenia zur Beerdi­gung einzu­fliegen. Sie lan­dete Ende August. Doch dann erk­lärte die Staat­san­waltschaft, die Unter­suchung würde sich länger ziehen als gedacht, der Kör­p­er könne doch nicht freigegeben wer­den. Das Visum der Mut­ter lief aus, sie musste wieder in die Heimat zurück. Erst im Novem­ber gibt die Staat­san­waltschaft die Leiche frei; nach fünf Monat­en in der Gerichtsmedi­zin. Eine lange Zeit.

Unter den Bewohn­ern in Hohen­leip­isch kur­siert der­weil das Gerücht, Ojungés ehe­ma­liger Nach­bar, der Mann gegen den nun ein Anfangsver­dacht beste­ht, sei inzwis­chen unter­ge­taucht. Beim zuständi­gen Land­kreis heißt es dazu nur, man habe ihn der anderen Unterkun­ft zugewiesen. “Eine tägliche Aufen­thalt­spflicht ist damit nicht verbunden.”

Der ermit­tel­nde Ober­staat­san­walt Ger­not Bantleon sagt, er könne den Mann derzeit nicht fes­t­nehmen, dazu fehlten Anhalt­spunk­te. Und dass die Ermit­tlun­gen noch Zeit in Anspruch nehmen wür­den. “Viel Zeit.”

Inforiot