Seit Monaten kritisieren DIE aNDERE, der BUND, Stadt-für-alle, einige Ortsbeiräte und nun auch Fridays-For-Future die Fehlentwicklungen beim größten Bauvorhaben der Stadt. Aufgeführt werden: mangelhafte Trassenfreihaltung für die Straßenbahn, Stückwerk bei der Energie- und Wärmeversorgung, kein kontinuierlicher Zuwachs an preisgebundenen Wohnungen, unehrliche Kommunikation und Intransparenz der Stadt sowie die Beteiligung der Deutschen Wohnen am Projekt.
Unlängst im Hauptausschuss haben sich alle Fraktionen gegen den Antrag von DIE aNDERE ausgesprochen, der ein Innehalten und Überdenken der aktuellen Entwicklung forderte, um die hohen sozialen und ökologischen Ziele überhaupt noch zu erreichen. Die Grünen sprachen sich sogar gegen eine klimaneutrale Entwicklung aus. Die SPD-geführte Rathauskooperation hatte schon zuvor sich gegen eine Festlegung ausgesprochen, die auch die Deutsche Wohnen verpflichtet hätte preisgebundenen Wohnraum zu schaffen. Die Stadtverwaltung unter Bauamtschef Götzmann hatte es in den Jahren zuvor versäumt, die notwendigen Trassen für die Tram freizuhalten. Durch zahlreiche Baugenehmigungen wurden hingegen zusätzliche Konflikte für den ÖPNV geschaffen.
Angesichts der allgegenwärtigen Kritik spricht sich nun der OBM Schubert die umstrittenen Pläne für das Quartier von externen Experten prüfen zu lassen. Genau dass, was DIE aNDERE und andere KritikerInnen schon lange forderten: ein Reset! Nun könnte das Vorhaben noch einmal auf den Kopf gestellt bzw. auf den Boden der Realität zurückgeführt werden: max. 5000 EinwohnerInnen; fasst alles in Hand der Deutschen Wohnen mit hochpreisigen Mieten; eine Energieversorgung die weit von einem CO2-freien Projekt entfernt ist, denn die ökologischen Bestandteile lohnen sich wirtschaftlich nur, wenn die ursprüngliche Planung mit 10.000 EW umgesetzt werden kann. An dieser Einwohnerzahl hielt OBM Schubert noch am 10.06.21 (vor nicht mal einer Woche!) im Hauptausschuss fest (Wohnungsbau: Potsdam hält am Ziel 10.000 Einwohner in Krampnitz fest (maz-online.de).
Baustadtrat Rubelt bezeichnete lt. MAZ die einstweilige Beschränkung auf 5000 Einwohner als „Zwischenschritt“. Ein Verharren in dieser Größenordnung wäre für die Stadt „mit einem hohen Defizit verbunden“.
Die Gefahr, dass mit bisherigen und weiteren voreiligen Einzelentscheidungen vollendete Tatsachen geschaffen und Spielräume der kommunalen Planungshoheit verbaut werden bleibt. Auch das hohe wirtschaftliche Risiko für die Stadt. Das ist kein Witz!
Am 8. Juni 2021 demonstrierte ‘Barnim für alle‘ gemeinsam mit Geflüchteten des Landkreises Barnim und Freund*innen von Geflüchteten vor der Ausländerbehörde in Eberswalde. Von 12 bis 16 Uhr waren insgesamt 80 Menschen vor Ort, um zu protestieren. Die Geflüchteten fühlen sich durch das ihrer Meinung nach belastende Asylsystem und die schlechten Lebensbedingungen bedrängt. Die Geflüchteten haben oft Angst, sich gegen das lange, deprimierende Asylverfahren auszusprechen. Noch frustrierender ist das System der Duldung, das dafür sorgt, dass ein*e Geflüchtete*r nicht arbeiten oder Deutschkurse besuchen kann und damit die Integration behindert.
Die Abschiebung eines Nigerianers (Obi) am 26. Mai, der 22 Jahre im Barnim lebte, schockierte die Barnim-Geflüchteten sehr. Es ist offensichtlich, dass das Asylsystem nicht funktioniert, sondern das Leben von Geflüchteten zerstört, die ohnehin schon verletzlich sind. Zur Kundgebung reisten Menschen aus verschiedenen Übergangswohnheimen an. Sie sehen die Aktivitäten der Gruppe ‘Barnim für alle‘ als Chance, aus der Isolation in den Wohnheimen auszubrechen. Ein Geflüchteter aus dem Sudan meldete sich spontan zu Wort und sagte, dass sie eine Chance bekommen wollen, zur Wirtschaft beizutragen: „Wir sind jung und stark und wir bringen eine andere Art von Erfahrung in die Arbeitswelt ein, gebt uns eine Chance“. Ein anderer beschwerte sich: „Wie lange werden wir in den Lagern schlafen, wir sollten die Sprache lernen und uns in die Gesellschaft integrieren können“.
Ein Höhepunkt der Demonstration war eine Reihe von weißen T‑Shirts, die auf dem Gelände aufgehängt waren. Diese T‑Shirts sind unerwünschter Abfall aus einer Packstation in Biesenthal, die Hilfsgüter für Geflüchtete in Griechenland verpackt und verschickt. Die weiße Kleidung wird aussortiert weil sie in den Lagern zu schnell schmutzig wird und für die Geflüchteten nicht gut genug ist. Es ist offensichtlich, dass den Behörden bewusst ist, dass die Bedingungen in den Flüchtlingsunterkünften unerträglich sind: „Wenn die Bedingungen für weiße Kleidung so schmutzig und unhygienisch sind, wie sieht es dann für die Menschen aus, die dort leben müssen?“. Im Barnim ist die Situation nicht anders. Diese traurigen Lebensbedingungen der Geflüchteten in den oft isolierten Unterkünften beklagten die Geflüchteten immer wieder und schlossen sich einer Kampagne an, die die Schließung der Lagers fordert. Barnim-Geflüchtete und Die Gruppe ‚Barnim für Alle‘ erklären ihre völlige Ablehnung dieser Politik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Gesetze ändern. Sie fordern das Recht auf Aufenthalt und Bewegungsfreiheit für jeden Menschen.
Report on the demonstration in front of the Barnim Foreigner Authority on June 8, 2021
On June 8, 2021 ‚Barnim für alle‘ demonstrated together with refugees of the Barnim district and friends* of refugees in front of the foreigners authority in Eberswalde. Between 12 and 16 o‘clock, a total of 80 people were on site to protest. The refugees feel oppressed by what they see as a burdensome asylum system and poor living conditions. Refugees are often afraid to speak out against the long, depressing asylum process. Even more frustrating is the system of ‚Duldung‘ (toleration), which ensures that a refugee cannot work or attend German courses, thus hindering integration. The deportation of a Nigerian (Obi) on May 26th, who lived in Barnim for 22 years, terribly shocked the Barnim refugees. It is obvious that the asylum system does not work, but destroys the lives of refugees who are already vulnerable. People from various transitional housing centers traveled to the rally. They see the activities of the group ‚Barnim für Alle‘ as a chance to break out of the isolation in the hostels. A refugee from Sudan spontaneously spoke up and said that they want to get a chance to contribute to the economy: „We are young and strong and we bring a different kind of experience to the world of work, give us a chance.“ Another complained, „How long will we sleep in the camps, we should be able to learn the language and integrate into society.“
A highlight of the demonstration was a series of white T‑shirts hung on the grounds. These T‑shirts are unwanted waste from a packing station in Biesenthal that packs and sends aid to refugees in Greece. The white clothes are sorted out because they get dirty too quickly in the camps and are not good enough for the refugees. It is obvious that the authorities are aware that the conditions in the refugee shelters are unbearable: „If the conditions for white clothes are so dirty and unhygienic, what does it look like for the people who have to live there?“. In Barnim, the situation is no different. These sad living conditions of the refugees in the often isolated shelters, the refugees complained again and again and joined a campaign demanding the closure of the camps. Barnim Refugees and The Group ‚Barnim für Alle declare
their complete rejection of this policy and want to fight for the laws to change. They demand the right to stay and freedom of movement for everyone.
25 Jahre nach dem rassistischen Angriff: Aktionswoche in Erinnerung an Noël Martin
Rund um den 25. Jahrestag des rassistischen Angriffs auf Noël Martin findet vom 13.–19. Juni 2021 eine Aktionswoche gegen Rassismus in Blankenfelde-Mahlow statt. Viele unterschiedliche Organisationen sind daran beteiligt. Den Abschluss der Aktionswoche bildet die hybride Veranstaltung „Nach dem Angriff: Podiumsgespräche zu rassistischer Gewalt, Solidarität und Erinnerungskultur“ am 19. Juni 2021 von 14.30 bis 18.00 Uhr – organisiert von der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg, der Opferperspektive, und dem Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.
Am 16. Juni 1996 griffen Neonazis Noël Martin und seine Kollegen Arthur B. und Mikel R. in Mahlow an. Martin überlebte nur knapp und war seitdem querschnittsgelähmt. Er lebte mit massiven körperlichen Einschränkungen – und verstarb infolge dieser am 14. Juli 2020 im Alter von 60 Jahren. „Wir möchten an diese rassistische Tat und gleichzeitig auch an die bewundernswerte Lebensbejahung und Stärke erinnern, mit der Noël Martin sein schweres Schicksal gemeistert hat. Damit kann er uns allen ein Beispiel sein“, so Dr. Doris Lemmermeier, Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg.
Die Folgen des Angriffs für Noël Martin sind auch Thema bei der Podiumsveranstaltung am 19. Juni 2021. Sie thematisiert zudem rechte Gewalt in den 1990er Jahren in der Region und ihren gesellschaftlichen Nährboden – aber auch Gedenken, antirassistisches Engagement und Solidarität. „Noël Martin ist einer von vielen, die in den 1990er Jahren in Brandenburg rechten Angriffen ausgesetzt waren. Damit sich rechte Gewalt nicht immer weiter fortsetzt, ist es unverzichtbar, sich auch mit diesem Teil der Nachwendezeit auseinanderzusetzen, erklärt Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive, den Hintergrund der Veranstaltung. „Wichtig ist uns der Fokus auf die Perspektive der Betroffenen und derer, die mit ihnen solidarisch waren oder auf die Missstände aufmerksam gemacht haben. Denn ihre Stimmen finden zu wenig Gehör – auch heute noch“, ergänzt Frauke Büttner, Leiterin der Geschäftsstelle vom Aktionsbündnis Brandenburg. Darin spiegelt sich auch die generelle Ausrichtung der Veranstaltungsreihe „Brandenburger Baseballschlägerjahre: Wende, rechte Gewalt und Solidarität“ wider, in die das Podiumsgespräch in Mahlow eingebettet ist. Das Gespräch findet in Präsenz im Vereinshaus Mahlow (Immanuel-Kant-Straße 3–5, 15831 Blankenfelde-Mahlow) statt und wird parallel via Zoom gestreamt.
Die Veranstaltung ist nur einer von vielen unterschiedlichen Programmpunkten. Im Zentrum der Woche steht die Gedenkveranstaltung am 16. Juni 2021 um 18 Uhr am Mahnmal „Der Stein von Mahlow“, bei der auch die feierliche Namensgebung der „Noël-Martin-Brücke“ begangen wird. Der Vorbereitungskreis der Aktionswoche ruft zudem zum dezentralen digitalen Gedenken mit dem Hashtag #NoelMartin auf.
Am 26.5.2021 fand eine Sammelabschiebung nach Nigeria vom Flughafen Düsseldorf aus statt. Unter den Menschen, die an diesem Tag abgeschoben wurden, befand sich auch Obinna O. Er hat mehr als die Hälfte seines Lebens in Deutschland verbracht: über 22 Jahre. Freund*innen und Bekannte sind fassungslos. Fiona, aktiv bei Barnim für Alle, zeigt sich schockiert über die Vorfälle:
„Mein Freund Obi lebte seit 22 Jahren in Deutschland, plötzlich wurde er abgeholt und gegen seinen Willen in ein Flugzeug gesetzt. Ihn plötzlich aus seinem Leben zu reißen ist einfach nur unmenschlich. Wir wollen uns von dem Abschiebedruck keine Angst machen lassen, darum demonstrieren wir am Dienstag vor der Ausländerbehörde in Eberswalde.”
Abschiebungen werden durch Gesetzgeber, Behörden und in der Öffentlichkeit häufig verharmlost als Rückführungen, Durchsetzung der Ausreisepflicht, als Umgang mit einem angeblichen Vollzugsdefizit, als Beendigung eines Aufenthaltes. Dahinter stehen jedoch menschliche Schicksale. Dass Mitarbeiter*innen der lokalen Ausländerbehörde sowie der Zentralen Ausländerbehörde entschieden haben, Herrn O. nach 22 Jahren in Deutschland nach Nigeria abzuschieben, verkennt seine Lebensrealität. Er hat sich in Brandenburg nicht „aufgehalten”, er hat hier gelebt.
Die Abschiebung zeigt auch die fatalen Folgen von Kettenduldungen: Über Jahre – manchmal Jahrzehnte – hinweg müssen Geduldete befürchten, dass ihr Leben in Deutschland jederzeit beendet werden kann. Von einem Moment auf den anderen, ohne Ankündigung und ohne die Möglichkeit, Abschied zu nehmen, werden sie von der Polizei abgeholt. Kettenduldungen verhindern Teilhabe und Ankommen.
„Warum lebte Obinna O. nach 22 Jahren zum Zeitpunkt seiner Abschiebung noch immer in einer Gemeinschaftsunterkunft? Warum haben die Mitarbeitenden der Verwaltung ihn abgeschoben anstatt ihm Wege in ein Bleiberecht zu ermöglichen? Warum sind hier keine Härtefallregelungen zum Einsatz gekommen?” fragte Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat unterstützt den Aufruf der Initiative Barnim für alle, die einladen, mit ihnen zusammen am 8. Juni um 12 Uhr vor der Ausländerbehörde Eberswalde zu demonstrieren.
Es ist 2021 und Wahlkampf in meiner brandenburgischen Kleinstadt.
Alle möglichen (und unmöglichen) politischen Themen werden mit Nachdruck
durch die Gegend gepustet. Wir wollen nicht zusehen wie rechte
Demagogie, Entsolidarisierung und populistische Meinungsmache weiter an
Raum gewinnen.
Und wir sehen: Je stärker die rechten Diskurse werden, desto mehr
gewinnt nicht nur die Naziszene und AfD-Rechte an Raum, sondern sind
auch wir und unsere alternativen Räume gefährdet. Oder wir haben keine
und müssen dennoch welche erobern.
Unsere Kleinstädte in Brandenburg haben oftmals eine spezielle
Gemengelage. Wer in meiner Stadt hat eigentlich welche Interessen? Wie
nutzen wir die Widersprüche und gehen mit unseren eigenen um? Wie können
wir uns als unabhängige Linke behaupten? Wie werden wir stärker und
finden Bündnispartner?
In einem ganztägigen Planspiel, mit Vor- und Nachbereitung an einem
gemeinsamen Wochenende wollen wir miteinander in verschiedenen Rollen
Strategien und Handlungsmöglichkeiten erproben. Dabei nehmen wir nicht
nur unsere eigene Rolle ein, sondern versetzen uns auch in die Situation
von Stadtverwaltung, Partei-Szene, Sportvereine, Polizei, Lokalzeitung,
fridaysforfuture, oder, oder .… Wer wirst du sein?
Das Kurt-Löwenstein-Haus liegt in Wesendahl — nordwestlich von Berlin,
zwischen Bernau und Strausberg. Anreise kann per Bahn bis Wesendahl
erfolgen und dann weiter mit Bus oder Shuttle; oder per Auto.
Schlafplätze und Vollverpflegung sind eingeplant, sowie alle Utensilien,
die wir für unsere Kleinstadt und die Aktivitäten dort brauchen. Ein
Großteil ist finanziert, aber trotzdem brauchen wir noch einen
Teilnahmebetrag von 20–30€ pro Person.
Zur Realisierung wollen wir für jede Person täglich einen Selbsttest zur
Verfügung stellen. Da aber jede Planung gerade mit dem Blick in eine
Glaskugel verbunden ist, bitten wir euch um Verständnis für kurzfristige
Änderungen.
Wir freuen uns, wenn ihr das in eure Strukturen und Freund*innenkreise
rein tragt. Die feste Anmeldung soll bis ende Juni erfolgen. Sagt uns
gerne so schnell wie möglich Bescheid, ob ihr Interesse habt. Das macht
es für uns einfacher.
Viele Grüße von der Orga und dem Demokratischen Jugendforum Brandenburg
(DJB)
Wir in der Gruppe „Barnim für alle“ laden ein, am Dienstag, den 8 Juni ab 12:00 mit uns vor der Ausländerbehörde in Eberswalde zu demonstrieren. Wir kritisieren die Verstöße und die Ungerechtigkeiten, denen Asylsuchende im Landkreis Barnim und in ganz Brandenburg systematisch ausgesetzt sind.
Aufgrund des bewussten Drucks von Ausländerbehörden gab es in letzter Zeit mehrere Selbstmorde und Abschiebungen. Dieser Druck äußert sich unter anderem darin, dass Geflüchtete, teilweise Jahre lang, keine Lebensperspektiven sondern Abschiebung, keine Beschäftigungsmöglichkeiten und keine Aufenthaltsberechtigung bekommen.
Noch mal haben wir eine Person verloren, diese mal wegen Abschiebung nach 22 Jahren. Obi war ein Geflüchteter aus Nigeria, der vor 22 Jahren nach Deutschland kam, um Sicherheit und Schutz zu suchen. Nach 22 Jahren wurde Obi am 25.05.21 nach Nigeria abgeschoben, ohne Geld, ohne Wohnsitz, ohne Perspektive.
Wir als Gruppe ‚Barnim für Alle‘ erklären unsere völlige Ablehnung dieser Politik und wollen dafür kämpfen, dass sich die Gesetze verändern. Wir fordern das Recht auf Aufenthalt und Bewegung für jeden Menschen. Deshalb demonstrieren wir vor der Ausländerbehörde.
Alle sind eingeladen, daran teilzunehmen!
Kleine, große und Dauerspenden (z.B. 10 € pro Monat) für die politische Arbeit sind sehr willkommen.
Spendenkonto:
Barnim für alle IBAN: DE 78 1705 2000 1110 0262 22
Sparkasse Barnim
Die aktuelle Folge gibts hier: https://www.mixcloud.com/toteradler/der-tote-adler-podcast-4-utopia-ev/
Bei der Landtagswahl am 1. Sept. 2019 erreichte die AfD 22,4 % der Zweitstimmen und ist somit die größte Oppositionspartei im Land Brandenburg. Im Parlament können sog. Kleine Anfragen* an die Landesregierung gestellt werden, diese Werkzeug dient dazu, die Regierungsarbeit kritisch zu begleiten. Den Rechtspopulisten geht es unter anderen darum Vereine und Projekte, die sich Zivilgesellschaftlich und für eine tolerante Gesellschaft einsetzen, durch „kleinen Anfragen“ zu kriminalisieren und zu verumglimpfen. So wird oft nach Straftaten, Gewaltdelikten und Zahlungen an jene Organisationen gefragt. Ziel kleiner Anfragen wurden z.B. das Tolerante Brandenburg, Die Opferperspektive aber auch kleinere Vereine wie das Freiland in Potsdam oder die Zelle79 in Cottbus. Wir unterhalten uns heute mit Alex aus FFO, auch das Utopia e.V. wurde Ziel einer kleinen Anfrage.
Weitere Informationen: https://www.facebook.com/utopiaffo https://utopiaffo.noblogs.org/ *https://kleineanfragen.de/brandenburg
Unter dem Titel „Rechte Angriffe im Netz. Auswirkungen und Handlungsempfehlungen“ wurde eine neue Broschüre erstellt, die sich insbesondere an betroffene Politiker:innen und aktive Mitglieder der Zivilgesellschaft richtet. Veröffentlicht wurde die Publikation von den Fachberatungsstellen Opferperspektive, SUPPORT aus Sachsen und ZEBRA aus Schleswig-Holstein, die Beratung und Unterstützung leisten für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen – auch im digitalen Raum. Interessierte können die kostenlose Broschüre Als PDF herunterladen oder als Printversion bei den Fachberatungsstellen bestellen.
In der Publikation wird unter anderem beschrieben, wie man sich vor rechten, rassistischen und antisemitischen Bedrohung im Netz schützen kann, wie Betroffene mit solchen Vorfällen umgehen können und welche juristischen Optionen es gibt. Angereichert werden diese Informationen mit Fallbeispielen aus der Praxis der Fachberatungsstellen. Die Broschüre soll eine unkomplizierte Hilfestellung bieten und einen niedrigschwelligen Zugang zu einem aktuellen Thema ermöglichen.
„Die Zivilgesellschaft steht online unter erheblichem Druck, weil sich Täter:innen dort vor Strafverfolgung sicher fühlen“, meint Judith Porath, Geschäftsführerin von der Opferperspektive. Mit der Verlagerung des öffentlichen Lebens in den digitalen Raum hätten digitale Angriffe seit Beginn der Corona-Pandemie noch einmal eine neue Dimension erreicht. Ihr Kollege Robert Kusche von SUPPORT ergänzt: „Bedrohungen im Internet können genauso gravierende Folgen haben, wie dies offline der Fall ist. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene mit ihren Erlebnissen nicht alleine bleiben und sie wissen, welche Handlungsmöglichkeiten ihnen nach einem rechten Angriff im Netz zu Verfügung stehen.“
Seit es das Internet gibt, wird es von rechten Akteur:innen genutzt. Einerseits um sich zu vernetzen und Anhänger:innen zu rekrutieren, andererseits um menschenverachtende Positionen zu verbreiten und Andersdenkende zu beleidigen, zu bedrohen und zu diffamieren. Je stärker Rechte und Rassist:innen auch soziale Medien für die Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie nutzen, desto öfter finden dort Angriffe statt. Da nur wenige dieser Taten angezeigt werden, ist von einem großen Dunkelfeld auszugehen.
Diese Broschüre soll ein Impuls gegen diese Entwicklungen setzen und (potenziell) Betroffene stärken.
Die Proteste der Querdenkenszene im Zuge der Coronapandemie waren Schauplatz einer mittlerweile sehr gefestigt wirkenden Mischszene aus Neonazis und gewaltaffinen Fussballfans. Diese sorgten bei den verschwörungsideologischen Protesten mit ihrem geschlossenen und martialischen Auftreten für gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant:innen und der Staatsmacht. In diesem Kontext trat regelmäßig der Belziger Neonazi Florian Ullrich (Spitzname “Lola”) auf.
Eine Brandenburger Neonazikarriere
Florian Ullrich ist seit mittlerweile 10 Jahren Teil der Bad Belziger Neonaziszene. Seine erste politische Prägung erfolgte durch die NPD, deren Kundgebungen und Demonstrationen im Belziger Raum häufig von ihm besucht wurden. Das Verhältnis zur NPD war dabei typisch für Brandenburger Kleinstädte. Aufmärsche und Kundgebungen wurden besucht, allerdings gab es eine starke Orientierung an der örtlichen faschistischen Erlebniswelt. Florian U. nahm an Zeltlagerausflügen und Rechtsrockkonzerten teil. In Belzig selbst ist Florian U. zudem als gewaltorientierter Nazi bekannt. Gemeinsam mit weiteren lokalen Nazis störte er in der Vergangenheit mehrfach antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen. So befand sich Florian U. im Jahr 2014 mit weiteren Nazis bei einer Veranstaltung des “Belziger Forums gegen Rechtsextremismus” im Zuschauerraum, um anwesende Teilnehmer:innen einzuschüchtern. Dieses Muster setzte sich in den Folgejahren fort und hält bis heute an. Sofern in Bad Belzig Veranstaltungen stattfinden, die nicht in sein Weltbild passen, ist damit zu rechnen, dass Florian U. provoziert, stört oder Teilnehmer:innen bedroht. Dabei bleibt es allerdings nicht. So versuchte sich Florian U. 2017 mit anderen Nazis Zugang zum Infocafé “Der Winkel” zu verschaffen. Bei diesem Versuch wurde er gewalttätig gegenüber einem Gast des Cafés und später festgenommen. Auch die Polizei und die Justiz spielen eine besondere Rolle in der Neonazikarriere von Florian U. Obwohl dieser regelmäßig Straftaten begeht scheint kein Wille vorhanden, ihn einer umfangreichen Strafverfolgung zu unterziehen. Dies geht soweit, dass Florian U. trotz etlicher Gewalttaten und Vorkommnisse nicht vor Gericht zur Verantwortung gezogen wurde, unter anderem als er 2019 während einer Nazifeier einen Polizisten tätlich angriff und verletzte. Seine Gewalt wird stattdessen regelmäßig entpolitisiert. Als er 2019 gemeinsam mit seinem Nazifreund Tim Wunderlich auf dem Rückweg von einem Fussballspiel des 1. FC Union Berlin einen Geflüchteten in der Bahn rassistisch beleidigte und ihn sowie seinen Begleiter auf dem Bahnhof körperlich angiff war für die Polizei klar, dass es sich in diesem Zusammenhang um Fussballgewalt handeln müsse. Für den Betroffenen war Florian U. allerdings kein Unbekannter. Beide kannten sich als “Teamkameraden” aus dem Fussballverein Borussia Belzig. Florian U. ist dort Spieler und Mitglied der Dorfultragruppe “Trinkerfreunde”, in welcher neben ihm noch weitere lokale Nazis aktiv sind. Der Angriff auf den Geflüchteten hatte nicht den Ausschluss von Florian U. aus dem Fussballteam zur Folge. Im Gegenteil: Dieser ist dort weiterhin Spieler während der Betroffene des Vorfalls nicht mehr im Verein ist. Unterstützung von Seiten des Vereins nach dem rassistischen Angriff erfolgte zu keiner Zeit.
Rechtsoffene Fussballszene bei Union Berlin
Neben seinem Dasein als “Dorfultra” und Spieler in Belzig ist Florian Ullrich auch Teil rechtsoffener Zusammenhänge des Berliner Erstligisten Union Berlin. Er besucht regelmäßg Spiele des Berliner Vereins unter anderem mit Tim Wunderlich. Eine Mitgliedschaft in der aktiven Fanszene ist nicht bekannt, allerdings bewegt sich Florian U. im Umfeld der rechtsoffenen Ultragruppe Crimark. Solche rechtsoffenen und gewaltbereiten Ultragruppen wirken eine starke Anziehungskraft auf Neonazis aus. In diesen Zusammenhängen können Gewalterfahrungen und Gemeinschaftsgefühl gesammelt sowie Kontakte geknüpft werden. Die oft nach außen dargestellte unpolitische Haltung hilft Nazis wie Florian U. dabei, solange sie sich nicht zu auffällig verhalten, in den Fanszenen Fuß zu fassen. Während seiner Zeit bei Union Berlin lernte Florian auch seinen gegenwärtigen Demopartner Willi Otto kennen.
Willi O. war im Gegenzug zu Florian lange Teil der organisierten Ultra-Fanszene bei Union Berlin. Er war Mitglied bei der Jugendultragruppe Teen Spirit Köpenick, deren Strukturen er allerdings vor seinen öffentlich sichtbaren Naziaktivitäten verließ. Im Gegensatz zu Florian U. ist Willi O. im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg wohnhaft (gewesen) und es sind keine langjährigen Naziaktivitäten bekannt. Stattdessen scheint er im Rahmen von Fußballspielen innerhalb rechtsoffener Strukturen Kontakte zu Nazis geknüpft zu haben. Mit anderen Anhängern von Union Berlin besuchte er unter anderem 2019 den Naziaufmarsch “Wir für Deutschland — Tag der Nation” in Berlin-Mitte.
Der III. Weg
Für Florian Ullrichs Weg in die Belziger Naziszene waren zwei damals noch zur NPD gehörende Aushängerschilder der Naziszene in Brandenburg maßgeblich verantwortlich. Pascal Stolle und Maik Eminger können auf eine jahrzehnte andauernde Nazikarriere zurückblicken. Beide eint auch, dass sie mit der NPD unzufrieden waren. Als die Nazi Kleinstpartei “Der III. Weg” in Brandenburg Strukturen aufbaute, wurden Stolle und Eminger zentrale Figuren der Organisation. Florian U. beeinflusste dies ebenfalls. Ein von Eminger organisiertes Fussballturnier 2015 besuchte er als Teil des Teams “Sturm Belzig”. Dies fand auf dem Grundstück der Emingers in Potsdam-Mittelmark statt. Der selbe Ort, an dem Emingers Bruder von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen wurde, um ihn im Zuge des NSU-Prozesses in Untersuchungshaft zu bringen. Andre Eminger, Maik Emingers Bruder, wurde in diesem als Mittäter des NSU verurteilt. Bei Florian U. hat diese ideologische Schule für eine tief sitzende nationalsozialistische Überzeugung gesorgt. Die Nähe zum dritten Weg ist trotz Stolles Wegzug nach Eisenhüttenstadt geblieben. Als der III. Weg 2020 in Berlin-Hohenschönhausen seine jährliche Großdemonstration abhielt, war auch Florian U. gemeinsam mit Willi O. anwesend. Florian U. posierte auf der Demonstration in einem Shirt der aus dem Nazi-Hooliganmilieu stammenden Kampfsportmarke “Label23”. Zudem fielen beide mit einem Schlauchschaal mit Logo der Kampfsport AG “Körper & Geist“des III. Wegs auf.
Querdenken
Wie eingangs bereits erwähnt befand sich auf den Querdenken Demonstrationen ein Milieu, in welchem sich Florian Ullrich und Willi Otto seit Jahren bewegen. Wenig verwunderlich ist dementsprechend die Teilnahme beider an der Querdenkendemo am 07.11. 2020 in Leipzig. Sie waren Teil des gut erkennbaren Blocks gewaltbereiter Nazis und gewaltaffiner Fussballfans. Diese durchbrachen Polizeiketten, griffen Journalist:innen an und lieferten sich Schlägereien mit Gegendemonstrant:innen. Die Polizei wirkte an diesem Tag recht hilflos, obwohl für Beobachter:innen bereits lange vorher erkennbar war, welche Strukturen zu diesem Aufmarsch mobilisierten. Florian U. und Willi O. müssen als Teil des seit vielen Jahren bestehenden Netzwerks rechtsradikaler Fussballzusammenhänge gesehen werden. Dies kann besonders für den 07.11 herausgestellt werden, da hier jene Fussballanhänger Spektren- und Vereinsübergreifend gewollt und öffentlich zusammen agierten. Aufgerufen wurde auf Szenekanälen wie Gruppa OF. Trotz lokaler Rivalitäten marschierten Fans verschiedenster Vereine für ihr sozialdarwinistisches Weltbild auf. Insbesondere in Ostdeutschland unterstützen diese Strukturen Nazis bei der Ausübung von Gewalt. Es bleibt eine Aufgabe für antifaschistische Initiativen diesem Engagement Grenzen aufzuzeigen.
Wir, die beiden Potsdamer Antirepressionsstrukturen, rufen euch dazu auf, noch innerhalb der beiden kommenden Monate einen Personalausweis ohne gespeicherte Fingerabdrücke zu beantragen. Ab dem 2. August 2021 gilt der Zwang für Fingerabrücke bei der Beantragung von Personalausweisen, bisher ist dies nur freiwillig. Bedenkt dabei die Bearbeitungszeiten, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie.
Im September 2019 hat die Europäische Union eine Verordnung erlassen, die Fingerabdrücke in Personalausweisen verpflichtend macht. Im Oktober 2020 hat dann der Deutsche Bundestag das Personalausweisgesetz entsprechend angepasst, obwohl es massiv Kritik von verschiedenen Organisationen aus dem Bereich der Menschenrechte und des Datenschutzes gab.
Fingerabdrücke sind äußerst sensible biometrische Körperdaten. Sie dienen bereits heute vielen als Schlüssel für Smartphones usw. und sind bei Entwendung oder Datenverlust jedoch mehr als gefährlich. Auch die potentielle Ausweitung von Überwachung und Gesetzen in der Zukunft kann dazu führen, dass unser Fingerabdruck gegen uns eingesetzt wird. Generell wird hierbei die Freiheit weiter abgeschafft und die Datensammelwut verschärft.
Beantragt werden kann der Personalausweis nicht nur, wenn er ausläuft, sondern auch dann, wenn er stark beschädigt ist oder verloren gegangen ist. Hier muss dann eine Verlustmeldung geschehen. Infos dazu und zur Beantragung gibt es auf der Webseite der Landeshauptstadt Potsdam (LHP) unter der Rubrik „Arbeitsgruppe Bürgerservicecenter“ des Fachbereiches 32 „Ordnung und Sicherheit“.
Die kurzen Schritte:
Sofort online einen Termin auf der Webseite der LHP vereinbaren. Ein biometrisches Passfoto zum Termin mitnehmen sowie den alten Personalausweis, Reisepass oder die Geburtsurkunde. Beim Termin vor Ort deutlich äußern, dass ein neuer Ausweis ohne Fingerabdrücke beantragt wird. Meldet euch bei Fragen!
Netzwerk zur Unterstützung repressionsbetroffener Nulldreier*innen (nur03*)
Rote Hilfe Ortsgruppe Potsdam