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(Anti)militarismus Law & Order Wohnen & Stadt

Garnisonkirchengegner vor Gericht

Mehr als drei Jahre nach dem Baus­tart der Gar­nisonkirchenkopie am 29.10.2017 und nach etlichen Ver­schiebun­gen wird der erste Prozess gegen einen Gar­nisonkirchengeg­n­er am 4.12.2020 und 18.12.2020 jew­eils um 10 Uhr am Pots­damer Amts­gericht in der Hege­lallee 8, im Saal 215 stat­tfind­en. Ins­ge­samt sind vier Gar­nisonkirchengeg­n­er angeklagt. Diesen Fre­itag, am 4.12. wird vor Prozess­be­ginn um 9 Uhr und vor dem Amts­gericht — unter Berück­sich­ti­gung der Coro­na-AHA-Regeln — zu ein­er Kundge­bung gegen die Gar­nisonkirchenkopie und in Sol­i­dar­ität mit den Angeklagten eingeladen.

Die Vor­würfe beziehen sich auf den Protest gegen das umstrit­tene Baupro­jekt und reichen von vorge­blichem „Haus­friedens­bruch”, „Störung der Reli­gion­sausübung”, „Wider­stand gegen Voll­streck­ungs­beamte” bis zur „Kör­per­ver­let­zung”. Dabei ste­ht der Vor­wurf der „Störung der Reli­gion­sausübung” im Fokus, der mut­maßlich von Mit­gliedern der Stiftung Gar­nisonkirche Pots­dam (SGP) und der Förderge­sellschaft für den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche (FWG) mit­tels des Ein­satzes eines mas­siv­en Polizeiaufge­bots zur Anzeige gebracht wurde.

Die Bürg­erini­tia­tive für ein Pots­dam ohne Gar­nisonkirche, die Mar­tin-Niemöller-Stiftung und der Vere­in zur Förderung anti­mil­i­taris­tis­ch­er Tra­di­tio­nen in der Stadt Pots­dam kri­tisieren die Krim­i­nal­isierung des legit­i­men Protests.

GERD BAUZ vom Vor­stand der Mar­tin-Niemöller-Stiftung: „Die Ver­anstal­tung anlässlich des Baus­tarts war ein Miss­brauch von Reli­gion für poli­tis­che Zwecke an diesem Ort. Die Kritiker/innen spürten den beißen­den Wider­spruch mehr als sie ihn benen­nen kon­nten. Der vorgängige Miss­brauch macht ihr Ver­hal­ten ver­ständlich. — Nicht Reli­gion wurde gestört son­dern deren Missbrauch.”

SARA KRIEG von der Bürg­erini­tia­tive für ein Pots­dam ohne Gar­nisonkirche fordert: * „die Zurück­nahme der Anklage und Anzeigen in allen Punk­ten * die Dis­tanzierung des Pots­damer evan­ge­lis­chen Kirchenkreis­es vom Miss­brauch der eige­nen Reli­gion für poli­tis­che Zwecke am Ort der Gar­nisonkirche * dass die Ver­ant­wortlichen für den über­zo­ge­nen Polizeiein­satz zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den, anstatt den Protest zu kriminalisieren”

Die SGP und die FWG sind mitver­ant­wortlich für die Eskala­tion des Kon­flik­ts. Die Demonstrant*innen wur­den durch die Ver­anstal­ter auf das Baugelände ein­ge­laden, welch­es son­st her­metisch abgeriegelt ist und mit Kam­eras überwacht wird. Die öffentliche Baus­tart­feier wurde offen­sichtlich in Abstim­mung mit dem Ver­anstal­ter von einem mas­siv­en Polizeiaufge­bot begleit­et. Dutzende Bereitschaftspolizist*innen gin­gen im Ver­lauf der Ver­anstal­tung durch die Rei­hen der Besucher*innen. Der erwartete Protest sollte offen­sichtlich mit­tels der Polizei unter­bun­den wer­den. Ein Dia­log war nicht vorge­se­hen. Es kam zu gewalt­täti­gen Über­grif­f­en von Polizist*innen auf Veranstaltungsteilnehmer*innen, haupt­säch­lich auf Geheiß von Wieland Eschen­burg, dem Kom­mu­nika­tionsvor­stand der SGP.

Anlass für die Ver­anstal­tung war nicht die Aus­rich­tung eines Gottes­di­en­stes. Es ging schließlich allein um die Baus­tarts­feier für den Gar­nisonkirchen­turm, ein hoch umstrittenes städte­baulich­es Pro­jekt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Gar­nisonkirchen­s­tiftung die Form von Gottes­di­en­sten als poli­tis­che Wer­bev­er­anstal­tun­gen miss­braucht und dies als Mit­tel nutzt, um sich immun gegen die poli­tis­che Auseinan­der­set­zung zu machen.” erläutert CARSTEN LINKE vom Vor­stand des anti­mil­i­taris­tis­chen Förderverein.

SIMON WOHLFAHRT, Vertre­tungs­berechtigter des dama­li­gen Bürg­er­begehrens zur Auflö­sung der Stiftung Gar­nisonkirche Pots­dam, ver­weist auf die Igno­ranz der Wiederaufbaubetreiber*innen: „Wer demokratis­che Voten¹ und den jahrzehn­te­lan­gen Wider­stand gegen den Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche ignori­ert, sollte sich über laut­starken Protest nicht beschw­eren — wed­er bei der zen­tralen Baus­tarts­feier noch bei zukün­fti­gen Ver­anstal­tun­gen im Rah­men des Wiederaufbaus.”

Die Bürg­erini­tia­tive für ein Pots­dam ohne Gar­nisonkirche ruft dazu auf, für die Bewäl­ti­gung der eventuellen Prozesskosten zu spenden. Infos zum Spendenkon­to sind per E‑Mail einzu­holen: info@ohne-garnisonkirche.de .

¹Seit 2013 belegt die Forderung “Kein städtis­ches Geld für die Gar­nisonkirche” im Rah­men des Bürg­er­haushalts unange­focht­en den 1. Platz. 2012 beteiligten sich 8.000 Potsdamer*innen am Bürg­er­haushalt, 2019 waren es schon 17.500. Das Bürg­er­begehren zur Auflö­sung der Gar­nisonkirchen­s­tiftung wurde in dama­liger Reko­rdzeit von 3,5 Monat­en von 16.000 Per­so­n­en unterzeichnet.

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Flucht & Migration

Der Landkreis Barnim handelt völlig unverantwortlich

In einem Artikel der Märkischen Oderzeitung vom 13.10.2020 verkün­dete der Land­kreis Barn­im in diesem Jahr bere­its 6 Men­schen abgeschoben zu haben. Abschiebun­gen sind unmen­schlich und die Angst davor verur­sacht sehr viel Leid. Trotz der weltweit­en Covid19-Pan­demie Abschiebe­flüge zu organ­isieren ist unverantwortlich.
Die Ini­tia­tive “Barn­im für alle” fordert vom Land­kreis einen sofor­ti­gen Abschiebestopp. Die für Abschiebun­gen zuständi­gen Mitar­bei­t­erIn­nen der Aus­län­der­be­hörde soll­ten stattdessen in der Gesund­heits­be­hörde bei der Bekämp­fung der Covid19-Pan­demie einge­set­zt werden.
Der Land­kreis spricht auch weit­er­hin von “frei­willi­gen” Aus­reisen. Ehrlicher­weise sollte hier aber von “erzwun­genen” Aus­reisen gesprochen wer­den. Die Mitar­bei­t­erIn­nen der Aus­län­der­be­hörde üben so viel Druck auf die Betrof­fe­nen aus, dass diese keinen anderen Ausweg sehen und statt auf ihre Abschiebung zu warten, sich dann für die Aus­reise entscheiden.

Deut­lich wird in dem Artikel auch, dass der Land­kreis weit­er­hin nicht bere­it ist, wirk­lich etwas dafür zu tun, die Geflüchteten men­schen­würdig unterzubrin­gen. Es wird nur an die Kom­munen appel­liert, doch bitte Woh­nun­gen zur Ver­fü­gung zu stellen, statt selb­st bezahlbare Woh­nun­gen zu bauen. Die Wohn­ver­hält­nisse in den Heimen sind viel zu beengt, erzeu­gen einen enor­men sozialen Druck und führen so zu zahlre­ichen psy­chis­chen Prob­le­men. Beson­ders für Kinder sind die Lebens­be­din­gun­gen in diesen Heimen katas­trophal. In den Mehrbettz­im­mern und den von vie­len Men­schen genutzten Küchen und san­itären Ein­rich­tun­gen ist es auch nicht möglich, Abstand zu hal­ten. Der Land­kreis Barn­im set­zt die Bewohner­In­nen so einem sehr hohen Risiko aus, an Covid19 zu erkranken. Men­schen, die Risiko­grup­pen ange­hören, wer­den kaum iden­ti­fiziert und anders unterge­bracht. Immer ist das Argu­ment, es gäbe ja keine Wohn­gen, als ließe sich daran nichts ändern. Es fehlt hier der poli­tis­che Wille.

Wir fordern ein Ende der Heimunter­bringung am Beispiel von Pots­dam, wo die Stadtverord­neten­ver­samm­lung beschlossen hat, alle Geflüchtete in Woh­nun­gen unterzubrin­gen. Und das, obwohl in Pots­dam der Woh­nungs­markt min­destens so anges­pan­nt ist wie im Barnim.
Es müssen mehr bezahlbare Woh­nun­gen für Men­schen mit und ohne Fluchthin­ter­grund gebaut wer­den, fremde Men­schen sollen sich nicht länger (über Jahre) ein Zim­mer teilen müssen.

Und zulet­zt noch: die Höhe der Leis­tun­gen, die der Land­kreis für Geflüchtete zahlt, ließe sich sehr gut reduzieren, wenn mehr Men­schen eine Arbeit­ser­laub­nis bekä­men. Was wir im Barn­im erleben, ist aber das Gegen­teil. Geflüchtete mit laufend­en Arbeits- und Aus­bil­dungsverträ­gen bekom­men ein Beschäf­ti­gungsver­bot von der Aus­län­der­be­hörde, so dass die Arbeit­ge­ber gezwun­gen sind, ihnen zu kündi­gen. Das sorgt auch für viel Unver­ständ­nis von Seit­en der Arbeit­ge­ber. Für die Betrof­fe­nen ist die erzwun­gene Untätigkeit aber noch viel schlimmer.

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Verschwörungsideologie

Maskenball statt Corona-Leugner

Weltweit bedro­ht das Coro­n­avirus Men­schen und die Gesund­heitssys­teme. Es wer­den weltweit Maß­nah­men ergrif­f­en, um die Schwäch­sten der Gesellschaft zu schützen und die Fol­gen der Eindäm­mungs­maß­nah­men abzu­mildern. Wir sind sol­i­darisch mit den Men­schen, die zu den Risiko­grup­pen gehören. Wir sind sol­i­darisch mit den Beschäftigten, die im Kranken­haus jeden Tag um die Gesund­heit aller Covid19-Patient*innen kämpfen. Wir sind sol­i­darisch mit den­jeni­gen, deren Exis­tenz durch die Ein­schränkun­gen bedro­ht ist. Die sozialen und wirtschaftlichen Ver­w­er­fun­gen sind enorm – in Polen, in Deutsch­land, genau­so wie in vie­len anderen Län­dern der Welt. Ger­ade deshalb braucht es Sol­i­dar­ität, die über unsere Gren­zen hinausreicht!

Wir tra­gen Masken, denn sie schützt uns und unsere Mit­men­schen. Wir hal­ten Abstand, denn wir wollen helfen, das Virus einzudäm­men. Die Mehrheit der Bürger*innen in Frank­furt (Oder) und Słu­bice und weltweit zeigen jeden Tag dieses sol­i­darische Ver­hal­ten und unter­stützen im Grund­satz die ergrif­f­e­nen Eindäm­mungs­maß­nah­men der Staaten.

Die Coro­na-Pan­demie ver­langt uns allen viel ab. Aber unsere Antwort sollte Sol­i­dar­ität laut­en. Wir sagen Nein! zu Angst­macherei, Falschbe­haup­tun­gen, Rück­sicht­slosigkeit und Ver­schwörungsmythen. Wir sagen Nein! zu Anti­semitismus, der Ver­höh­nung der Opfer des Nation­al­sozial­is­mus und zur Ver­harm­lo­sung von Dik­taturen, die sich mit Kri­tik an den Maß­nah­men­verbinden. Die Dop­pel­stadt Frank­furt (Oder) — Słu­bice darf nicht als Kulisse miss­braucht wer­den von Men­schen, die die Maß­nah­men kri­tisieren und gemein­sam mit Reichsbürger*innen und Rechtsextremist*innen auf unseren Straßen laufen.

Frei­heit ist kein Recht auf Rück­sicht­slosigkeit gegenüber Men­schen, die unsere Rück­sicht und Sol­i­dar­ität brauchen.

Deshalb rufen wir unter dem Mot­to „Sol­i­dar­ität statt Rück­sicht­slosigkeit – Masken­ball statt Coro­na-Leugn­er!“ zur Demon­stra­tion am Sam­stag den 28.11.2020 12:30 Bahn­hof Frank­furt (Oder) auf.

Wir möcht­en sich­er und sol­i­darisch demon­stri­eren. Tragt Maske und hal­tet Abstand!

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Flucht & Migration Gender & Sexualität

Lager Eisenhüttenstadt — Hotspot für sexuelle Übergriffe

Im ver­gan­genen Jahr trauerten wir während des Inter­na­tionalen Tages gegen Gewalt an Frauen um unsere Schwest­er Rita in Hohen­leip­isch. Wir forderten Gerechtigkeit vor den Behör­den in Herzberg und Pots­dam. In diesem Jahr bericht­en uns Frauen, die in der Erstauf­nahme in Eisen­hüt­ten­stadt wohn(t)en: Das Lager ist nicht nur ein gefährlich­er Coro­na-Hotspot. Es ist auch ein Hotspot für sex­uelle Über­griffe und Beläs­ti­gun­gen gegen Frauen, ins­beson­dere Les­ben. Les­ben und Transper­so­n­en wer­den diskri­m­iniert und von den Behör­den nicht geschützt.

Dies geschieht nicht nur in Eisen­hüt­ten­stadt, son­dern auch in Wüns­dorf und anderen Lagern. M., eine 21-jährige les­bis­che Frau aus Georgien. Sie erzählt, was es bedeutet, in dem so genan­nten “Schutzhaus” in Eisen­hüt­ten­stadt zu leben. M. wurde von anderen Geflüchteten belästigt, die wussten, dass sie les­bisch ist. Einige woll­ten sie schla­gen und sie zum Sex mit ihnen zwin­gen, während andere sie belei­digten. Sie wurde depres­siv und benötigt psy­chol­o­gis­che Begleitung. Die Secu­ri­ty und die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde sagten ihr, sie solle in ihrem Zim­mer bleiben, um sich in Sicher­heit zu brin­gen. Für uns zeigt dies: Das so genan­nte Schutzhaus ist kein sicher­er Ort, son­dern eher ein Ort der haus­gemacht­en Krise und das Zim­mer wie ein Gefäng­nis. In diesem Bewusst­sein bat M. um ihre Ver­legung nach Wüns­dorf, in der Hoff­nung, dass die Dinge anders sein kön­nten. In Wüns­dorf ste­ht sie vor den gle­ichen Prob­le­men. Sie sucht nun nach Unter­stützung, um aus dem Lager her­auszukom­men und die LGBT com­mu­ni­ty hier ken­nen zu lernen.

Wir, von Women in Exile and Friends, kämpfen seit langem dafür, dass Frauen und Kinder nicht in Lagern unterge­bracht wer­den und dass alle Lager abgeschafft wer­den. Denn wir wis­sen, was in diesen Lagern geschieht und teilen die Erfahrung. Wenn ein Mann eine Frau angreift, wird er in ein anderes Lager ver­set­zt, wo er auch weit­er­hin leicht Andere angreifen kann. Aktuelle Berichte über den Mord an Rita besagen, dass der Verdächtige in ein anderes Lager ver­legt wurde. Dieses behördliche Han­deln macht uns wütend. Warum wer­den diese Über­griffe ver­schwiegen? Warum wer­den Frauen in Sit­u­a­tion gezwun­gen, in denen sie solchen Gräueltat­en viel mehr aus­geliefert sind?

Wir fordern Schutz für geflüchtete Men­schen und die Achtung unser­er Würde, ins­beson­dere für Frauen, Les­ben und Kinder! Sie wer­den durch Unter­bringung in Lagern gefährdet.

Auch wollen wir uns anlässlich des 25. Novem­ber, dem Tag gegen Gewalt an Frauen*, mit Geflüchteten an den europäis­chen Außen­gren­zen sol­i­darisieren. Beson­ders geflüchtete Frauen*, Min­der­jährige und Per­so­n­en der LGBTIQ* — Gemein­schaft sind vielfältiger Gewalt aus­ge­set­zt. Wir fordern deshalb auch dort die sofor­tige Evakuierung aller Men­schen aus den über­füll­ten Lagern an der EU-Außen­gren­ze und eine würdi­ge Unter­bringung in auf­nah­me­bere­ite Län­der und Kommunen.

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Antifaschismus Parlamentarismus Verschwörungsideologie

Proteste gegen Schulleiter-Suspendierung in Rathenow

90 Men­schen bei Protest

2020.09.17 Rathenow - Kundgebung fuer Ex Schulleiter (3)

Am frühen Mon­tag­mor­gen, eine Stunde nach Son­nenauf­gang pulsiert bere­its das Leben in der son­st eher ruhi­gen bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt Rathenow. Die Schulen haben wieder geöffnet, entsprechend groß ist die Fre­quen­tierung auf den Wegen und Straßen. Auch für die 356 Schüler der Jah­n­grund­schule begann in der ver­gan­genen Woche, nach den pan­demiebe­d­ingten Unter­richt­saus­fällen des ver­gan­genen Schul­jahres und den lan­gen Som­mer­fe­rien, wieder die Unter­richt­szeit. Doch der nor­male Schu­lall­t­ag scheint noch nicht eingekehrt zu sein. Um 7.00 Uhr kam es näm­lich zu ein­er Protes­tak­tion, zu der Tage zuvor im Inter­net aufgerufen wur­den. Etwa 90 Men­schen – über­wiegend Eltern und ihre Schüt­zlinge – sam­melten sich daraufhin vor der Schule. Sie forderten die Aufhe­bung der Sus­pendierung von Schulleit­er Frank Gens. Gemäß eines zuvor im Inter­net ver­bre­it­eten Aufrufs, würde näm­lich durch dessen Freis­tel­lung nicht nur ein Direk­tor, son­dern auch ein Math­e­matik­lehrer fehlen. An einem Zaun vor dem Schul­ge­bäude bracht­en einzelne Eltern sog­ar den Slo­gan: “Wir brauchen Herr Gens” an.

Schulleit­er mis­sachtete Verordnungen

Doch die Sus­pendierung des Schulleit­ers hat­te einen bes­timmten Grund. Frank Gens wollte die in der “Verord­nung über den Umgang mit dem SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 in Bran­den­burg” geregelte Pflicht zum Tra­gen ein­er Mund-Nasen-Bedeck­ung nicht umset­zen. Gemäß eines von ihm unter­schriebe­nen und an die Eltern der Schulkinder gerichteten Handzet­tels würde im feucht­en Milieu der Maske ein “Bru­traum für Bak­te­rien und Pilze” entste­hen. Außer­dem sei durch das Tra­gen ein­er Mund-Nasen-Bedeck­ung die Atmung der Kinder beein­trächtigt. Allerd­ings ist Gens wed­er Arzt noch Virologe. Er habe sich lediglich darüber bele­sen, wie er auf einem im Inter­net ver­bre­it­eten Inter­view mit dem mei­n­ungs­machen­den Youtu­ber Peter Weber erzählt. Unab­hängig von dieser Ansicht, ste­ht Gens aber als Beamter vor allem gegenüber seinem Dien­s­ther­ren in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuev­er­hält­nis. Die Mis­sach­tung ein­er von höher­er Stelle aus fest­gelegten Verord­nung, kon­nte deshalb nur die Sus­pendierung zur Folge haben.

Unter­stützung von bekan­ntem Verschwörungserzähler

Für seine Sym­pa­thisieren­den ist Frank Gens jedoch ein Held. Ein Unternehmer aus Rathenow beze­ich­nete ihn im Inter­net zum Beispiel so und regte Spende­nak­tio­nen für den ehe­ma­li­gen Schulleit­er an. Der mit Abstand bekan­nteste Sym­pa­thisant dürfte aber Xavier Naidoo sein. Der wegen Ver­bre­itung von Ver­schwörungserzäh­lun­gen diskred­i­tierte Soul­sänger hat­te auf seinem Telegram-Chan­nel den Handzettel mit den Worten: “Da hat ein Schulleit­er mal ein Herz für Kinder”,verbreitet. Der Kanal hat immer­hin 86.000 Fol­low­er und machte so Gens schnell auch über die Stadt­gren­zen hin­aus bekan­nt. Dem freigestell­ten Schulleit­er gefiel es. Im Inter­view mit Peter Weber bemerk­te Gens, dass sein beson­der­er Dank Xavier Naidoo gilt. Kein­er der drei Män­ner war jedoch am Mon­tag­mor­gen vor der Schule zugegen.

Ver­schwörungs­fans und AfD woll­ten an Protest andocken

Dafür gesell­ten sich einige Anhänger von Ver­schwörungserzäh­lun­gen unter die protestieren­den Eltern und Schüler. Zwei Män­ner bracht­en unter Anderem ein Schild an, auf dem sie sich zu “Fans von Gens” auswiesen. Die bei­den zeigten sich zulet­zt bei den Rathenow­er “Hygien­edemos” im Mai. Dort tru­gen sie But­tons, auf denen “Gib Gates keine Chance” geschrieben stand. Ver­schwörungserzäh­ler behaupten, dass der Soft­ware­hersteller Bill Gates Covid 19 erfun­den hätte, um dann einen Impf­stoff zu ver­mark­ten, welch­er Mikrochips enthält.

Auch der extrem rechte Vor­sitzende des AfD Stadtver­ban­des Rathenow, Ralf Maasch, war vor Ort. Er hat­te im Vor­feld zur Teil­nahme an den Protesten aufgerufen. Nicht erschienen war hinge­gen NPD Stad­trat Michel Müller, der zuvor im Inter­net für Gens Partei ergriff.

Weit­er Fotos: hier

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Neonazis blieben unter sich

In war­men Som­mertö­nen umwob das Abendlicht der langsam unterge­hen­den Sonne gestern das Rokokoschloss, die klas­sizis­tis­che Musikakademie und die gotisch anmu­tende Kirche rund um den Tri­an­gelplatz in Rheins­berg im Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin. Wo nor­maler­weise Touris­ten das his­torische Ensem­ble bestaunen oder die Idylle mit­ten im Rup­pin­er Wald- und Seenge­bi­et suchen, ver­sam­melten sich gestern Neon­azis. Unter dem Mot­to: „Abschiebe­haft statt Straßen­schlacht“ hielt der aus der Kreis­stadt Neu­rup­pin angereiste Ortsver­band der NPD gemein­sam mit weit­eren, vor allem aus Wittstock/Dosse, dem östlichen Havel­land sowie aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern angereis­ten Sym­pa­thisieren­den eine Kundge­bung ab.

Schlägereien waren Anlass

Anlass des Neon­azi-Tre­f­fens waren Schlägereien in der ver­gan­genen Woche. Mehrere Män­ner­grup­pen hat­ten sich Don­ner­stag hand­feste Schlagabtäusche geliefert, Videos davon kur­sieren mit­tler­weile im Inter­net. Eine Gruppe deutsch­er Män­ner sei zu einem Wohnort von „Syr­ern“ gezo­gen, um dort „einzure­it­en“, wie es ein mut­maßlich­er Tat­beteiligter in ein­er Press­eser­vice Rathenow vor­liegen­den Sprach­nachricht erk­lärt. Grund seien im Vor­feld getätigte krim­inelle Hand­lun­gen der „Syr­er“ gewe­sen. Doch der Sturm auf das Quarti­er der „Syr­er“ endete für einige deutsche Angreifer offen­bar unrühm­lich – näm­lich im Polizeige­wahrsam. Anscheinend han­delte es sich bei den Ange­grif­f­e­nen auch gar nicht um Staats­bürg­er aus Syrien, son­dern um Bürg­er der Rus­sis­chen Föder­a­tion, genauer gesagt aus der Tschetschenis­chen Repub­lik. Diese mobil­isierten dann am Fol­ge­tag knapp 100 Land­sleute nach Rheins­berg. Eine weit­ere Eskala­tion des Kon­flik­tes wurde aber durch ein Großaufge­bot der Polizei und offen­bar auch durch tschetschenis­che Stre­itschlichter verhindert.

Ide­ol­o­gis­che Forderungen

Die NPD fürchtet den „Volk­stod“

Für die NPD Neu­rup­pin war der Stre­it den­noch ein willkommen­er Anlass. Sie nutzte den Kon­flikt gestern nun, um ihr Pro­gramm zu präsen­tieren. „Aus­län­der und Asy­lanten raus“ lautete ihre in dick­en Großbuch­staben ver­fasste Mes­sage, welche vor­sichtiger­weise noch mit den kleingeschriebe­nen Worten bzw Wort­teilen „krim­inelle“ und „Schein-“ ergänzt wurde. Die Parole sollte offen­bar anlass­be­zo­gen erscheinen, ist jedoch tat­säch­lich sig­nifikant für das völkische Pro­gramm der NPD, dass sich am Abstam­mung­sprinzip: „Deutsch­er ist nur der­jenige, welch­er deutschen Blutes ist“ ori­en­tiert. Die Partei fürchtet den „Volk­stod“ durch den Zuzug von Men­schen aus anderen Län­dern und hat ein Inter­esse Kon­flik­te zwis­chen ver­schiede­nen Nation­al­itäten zu schüren. Ste­fan Köster, NPD Lan­deschef von Meck­len­burg-Vor­pom­mern, nutzte seine Rede zum Beispiel um vor „Ras­sis­mus“ gegenüber „Weißen“ zu war­nen. Im Bran­den­burg­er All­t­ag ist jedoch genau das Gegen­teil zu betra­cht­en, vor allem rechte Über­griffe auf nicht­deutsche Staat­sange­hörige bewe­gen sich nach wie vor auf hohem Niveau.

Erfol­gre­ich­er Protest

Erfol­gre­ich­er Protest

Erfahrun­gen mit rechter Gewalt hat­ten auch einige Men­schen, welche sich gegenüber der NPD Kundge­bung posi­tion­ierten. Eine junge Frau erkan­nte beispiel­sweise unter den Neon­azis einen Mann, der sie vor einiger Zeit ver­prügelte. Davon ein­schüchtern ließ sie sich jedoch nicht und protestierte mit knapp 150 weit­eren Men­schen gegen die Kundge­bung der NPD. Für die kleine Stadt im äußer­sten Nor­den Bran­den­burgs war der Protest ein Erfolg. Denn in der Bran­den­burg­er Prov­inz wäre es nicht außergewöhn­lich, wenn weltof­fene Men­schen manch­mal die Min­der­heit bilden. Doch nicht so in Rheins­berg. Hier blieb der Wirkungs­grad der NPD auf ihr Kundge­bungs­gelände beschränkt. Nur ein paar wenige „alte weiße Män­ner“ bekun­de­ten am Rande ihre Übere­in­stim­mung mit den Forderun­gen der Partei. Jün­gere, weltof­fene Men­schen sam­melten sich hinge­gen beim Gegen­protest und zeigten durch bunte Schilder, Stoff­trans­par­ente und let­z­tendlich auch laute Musik, dass sie die Platzho­heit im Ort haben.

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Flucht & Migration Law & Order

Kein Mensch ist illegal

Ein Geflüchteter aus dem Sudan muss am 11. August beim Amts­gericht Bernau erscheinen. Vorge­wor­fen wird ihm sich “ille­gal” in Deutsch­land aufge­hal­ten zu haben. Der Geflüchtete wurde als Oppo­si­tioneller im Sudan erfol­gt. Als Stu­dent gelang es ihm ein Visum für eine Kon­ferenz in Deutsch­land zu erhal­ten. In einem Straf­be­fehl wird ihm nun vorge­wor­fen, dass er erst etwa 2 Wochen nach Ablauf des Visums Asyl beantragt hat. Er ver­ste­ht nicht warum er krim­i­nal­isiert wird: “Ich bin nach Deutsch­land gekom­men, um Schutz vor dem sudane­sis­chen Staat zu suchen, habe aber stattdessen eine Strafanzeige bekom­men. Woher sollte ich in der ersten Zeit in Deutsch­land die Geset­ze und Ver­fahren ken­nen? Ich brauchte Hil­fe bei der Suche nach Schutz, aber danach wurde es lei­der kompliziert.”

Die deutschen Behör­den gehen immer mas­siv­er gegen Geflüchtete vor. Statt den hier leben­den Men­schen das Ankom­men zu erle­ichtern, wer­den sie sog­ar zu Straftätern abgestem­pelt. Geflüchtete soll­ten nicht durch Abschiebung und Krim­i­nal­isierung bedro­ht werden.

Lassen wir den Betrof­fen nicht allein! Zeigen wir uns sol­i­darisch! Kommt zur Kundge­bung vor dem Amts­gericht! Demon­stri­eren wir gemein­sam gegen die Krim­i­nal­isierung von Geflüchteten!

Der Geflüchtete braucht Geld für Anwalts- und Gericht­skosten und auch das Bezahlen der möglichen Strafe ist ihm aus den Sozialleis­tun­gen die er bekommt nicht möglich. Die Ini­tia­tive “Barn­im für alle” sam­melt deswe­gen für diesen und ähn­liche Fälle Spenden.

Spendenkon­to Barn­im für alle
IBAN: DE 78 1705 2000 1110 0262 22
Sparkasse Barnim

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Geschichte & Gedenken

Wie die SPSG lernte die Bombe zu lieben“

Beim Ein­treten in die Ausstel­lung „Pots­damer Kon­ferenz 1945 – Die Neuord­nung der Welt“ sind wir zunächst erle­ichtert. Gestal­ter­isch erin­nert im Inneren des Schloss­es Cecilien­hof wenig an den Tota­laus­fall des Ausstel­lungsplakates, das die ver­meintlichen vier Pro­tag­o­nis­ten der Ausstel­lung zeigt – Tru­man, Churchill, Stal­in und die Atom­bombe. Zum 75. Jahrestag „eines der bedeu­tend­sten his­torischen Ereignisse des 20. Jahrhun­derts“ ver­spricht die  Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten Besucher_innen sehr viel: „am authen­tis­chen Ort“ würde man sie auf eine „mul­ti­me­di­ale Zeitreise schick­en“; mul­ti­per­spek­tivisch seien die Ereignisse dargestellt, und vor allem „sach­lich und ideologiefrei“. 
Eine Zeitreise ins Jahr 1945? Was soll da schon schief gehen… Dass die Kurator_innen sich beson­dere Mühe gegeben haben, das Ver­sprechen der Ide­olo­giefrei­heit umzuset­zen, wird in der Ausstel­lung sehr schnell deut­lich – auf die Darstel­lung ide­ol­o­gis­ch­er und poli­tis­ch­er Moti­va­tio­nen haben sie weitest­ge­hend verzichtet. So wird die Vorgeschichte der Kon­ferenz – Faschis­mus, Shoah, Kriegsver­brechen – zu Beginn des Rundgangs zunächst mit ein paar groß­for­mati­gen Bildern angedeutet. Zu sehen sind Trüm­mer­land­schaften, ein Über­leben­der in KZ-Häftlingsklei­dung, ein weinen­des Kind und Men­schen, die anscheinend schon 1945 den Tag der Befreiung feiern und einen Sol­dat­en hochleben lassen. Erk­lärun­gen dazu gibt es keine, außer, dass diese Bilder vom Ende des „grauenhafte[n], vernichtende[n] Krieges“ stammen. 
Über die Ursachen des Krieges wer­den wir erst im vierten Raum informiert: der Audio­gu­ide erzählt uns, dass der Beginn des Zweit­en Weltkrieges in Europa zwar auf den 1. Sep­tem­ber 1939 „datiert“ würde, „tat­säch­lich hat der Krieg bere­its zwei Jahre früher [in Japan] begonnen“. Unter dem Vor­wand ein­er inter­na­tionalen Per­spek­tive wird der Aspekt der Kriegss­chuld zu ein­er bloßen Datierungs­frage. Kriegsver­brechen und Ver­brechen gegen die Men­schlichkeit wer­den hüb­sch ver­packt als Pik­togramme auf einem großen Zeit­strahl dargestellt. Es wird darauf ver­traut, dass die Besucher_innen schon irgend­wie wüssten, wie das mit diesem Krieg war. Na, ihr wisst schon, Hitler und so, müssen wir das wirk­lich nochmal sagen? 
In den Räu­men, in denen die Kon­ferenz einst stat­tfand, wer­den wir über die Ver­hand­lun­gen informiert. Das Span­nend­ste daran ist aber, wie so oft, das, was nicht gezeigt wird: Nazis. Großzügig umschif­f­en die Ausstel­lung­s­texte bere­its in ihrer Wort­wahl die Ver­ant­wor­tung der deutschen Bevölkerung. Deutsche trifft man in der Ausstel­lung vor allem als Opfer von Zer­störung, Verge­wal­ti­gung und Vertrei­bung. An dieser Stelle erleben wir das erste Mal die angekündigte Mul­ti­per­spek­tiv­ität: auch aus pol­nis­ch­er Per­spek­tive wird die „Umsied­lungspoli­tik“ geschildert. Unter dem Topos des Heimatver­lustes sind Deutsche und Polen hier vere­int. Während wir aus­führlich die Geschichte ein­er deutschen Fam­i­lie nachempfind­en kön­nen, deren Vater „heimwehkrank“ in der Fremde stirbt, sind die Schick­sale von 10 Mil­lio­nen dis­placed per­sons hinge­gen nur eine Rand­no­tiz wert. 
Nach ein­er kurzen Ver­schnauf­pause, bei der Besucher_innen auf den Stühlen der „großen Drei“ Platz nehmen und sich mith­il­fe von aug­ment­ed real­i­ty für ein Foto zwis­chen Churchill und Stal­in set­zen kön­nen, geht es zum End­spurt der Ausstel­lung. Es ist nur noch ein schwarz­er Kor­ri­dor bis wir das Ende der Ausstel­lung erre­ichen. Das Licht am Ende des Tun­nels ist schon zu sehen und der Flucht­punkt der Ausstel­lung klar erkennbar – die Grün­dung der Vere­in­ten Natio­nen. Die meis­ten Besucher_innen um uns herum durch­schre­it­en schnell die let­zten Sta­tio­nen dor­thin, denn während den Opfern von Vertrei­bung ein großer Raum gewid­met ist, wer­den die Grenzziehun­gen und Kon­flik­te im Nahen Osten, die Irankrise, der Krieg im Paz­i­fik und der chi­ne­sis­che Bürg­erkrieg auf knapp 15 Metern abge­han­delt. Ohne historisches Vor­wis­sen sind die Zitate an den Wän­den kaum ver­ständlich und die Enge bedrück­end. Einen Zwis­chen­stopp leg­en die meis­ten Besucher_innen aber dann doch noch ein: durch eine aufwendi­ge Medi­enin­stal­la­tion ist der Abwurf der Atom­bombe zu beobacht­en. Mit san­fter Musik unter­malt fliegt die Kam­era über Hiroshi­ma. Langsam segelt die Bombe durch die Wolken, danach: Krachen, Blitze, Zuck­en und am Ende Stille. Im Zehn-Minu­ten­takt kön­nen die Besucher_innen so „Ver­nich­tung und Leid“ nach­fühlen. Ahja. Aber auch hier: keine Täter, nur Opfer. An den schwarzen Wän­den ste­hen sich so die Zitate eines japanis­chen Jun­gens, der den Bombe­nan­griff über­lebte und über die Ver­bren­nun­gen sein­er Haut berichtet, und das des Co-Piloten des Bomben­fliegers gegenüber – „Oh my god, what have we done!“ Es hätte also nicht mehr die Skulp­tur „Der Frieden“ gebraucht, um die Mes­sage der Ausstel­lung zu ver­ste­hen: Krieg ist ganz doll doof, egal von wem er ange­fan­gen wurde. 
Die SPSG bedi­ent sich damit erin­nerungspoli­tisch eines min­destens weichge­spül­ten, wenn nicht augen­wis­cherischen Narrativs. 
Ein weit­er­er blind­er Fleck der Ausstel­lung ist pro­to­typ­isch für da Wirken der SPSG:  Die Rolle der preußis­chen Herrscher­fam­i­lie beim Auf­stieg des Faschis­mus bleibt vol­lkom­men uner­wäh­nt, genau­so wie die aus der Pots­damer Kon­ferenz resul­tierende Auflö­sung Preußens. Stattdessen ver­ab­schiedet uns der Audio­gu­ide mit der Auf­forderung, doch auch noch die anderen Schlöss­er, beispiel­sweise die bemerkenswerte, frühk­las­sizis­tis­che Ausstel­lung im nahegele­ge­nen Mar­mor­palais, anzuschauen. Na dann… 
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Marcel Donsch aus Panketal droht kein Parteiausschluss mehr

Was genau dieser Ver­gle­ich bein­hal­tet und wie die Partei ihn begrün­det, ist offen. Trotz mehrfach­er Anfrage blieb der Lan­desvor­stand der AfD zu dem The­ma bis­lang stumm. Don­sch teilte lediglich mit, es habe eine Aussprache stattge­fun­den, die von bei­den Seit­en gle­icher­maßen gesucht wor­den sei.

Ein­geleit­et wurde das Parteiord­nungsver­fahren im Dezem­ber 2018. Don­sch, der seit 2012 im Barn­im lebt und als Straßen­bah­n­fahrer bei der BVG arbeit­et, wurde vom Lan­desvor­stand eine Nähe zu Recht­sex­tremen unter­stellt. Sog­ar von einem Parteiauss­chluss war die Rede.

Im Raum standen mehrere Vor­würfe. Unter anderem ging es um eine Demon­stra­tion der AfD im Jahr 2018 in Bernau, die Don­sch organ­isiert hat­te, und auf der AfD und NPD gemein­sam aufge­treten sein sollen. Außer­dem soll Don­sch in einem Chat die ver­botene SA-Parole “Alles für Deutsch­land” benutzt haben.

Don­sch weist die Vor­würfe zurück. Auf allen Kundge­bun­gen der AfD Barn­im, die er angemeldet habe, auch die 2018 in Bernau, seien zu keinem Zeit­punkt Vertreter der AfD und NPD gemein­sam als Red­ner aufge­treten. Es habe keine gemein­sam angemelde­ten oder organ­isierten Ver­anstal­tun­gen gegeben. Dass sich unter den Ver­samm­lung­steil­nehmern Mit­glieder oder Sym­pa­thisan­ten der NPD oder ander­er Parteien wie zum Beispiel der CDU befun­den haben kön­nten, könne er natür­lich nicht auss­chließen, so Donsch.

Zu dem anderen Vor­wurf teilt er mit: “In ein­er nicht-öffentlichen, inter­nen What­sApp-Nachricht schloss ich eine von mir ver­fasste Nachricht mit den Worten ‚Alles für Deutsch­land‘.” Den Inhalt dieser Aus­sage, sich mit aller Kraft für das Land einzuset­zen, finde er richtig. Don­sch betont, er habe nicht gewusst, dass “Alles für Deutsch­land” der Wahlspruch der Sturmabteilung im Drit­ten Reich war. Das habe er erst nach “inten­siv­er Google-Recherche” her­aus­ge­fun­den. “Mit mein­er Aus­sage wollte ich keineswegs wil­lentlich nation­al­sozial­is­tis­ches Vok­ab­u­lar ver­wen­den”, schreibt Donsch.

Er ver­weist zudem auf den AfD-Mann Ulrich Oehme aus Sach­sen, der den Spruch im Bun­destagswahlkampf auf Plakate druck­en ließ. “Er war so wie ich über­rascht, dass der Ver­fas­sungss­chutz diesen Spruch als ver­boten und extrem­istisch führt.” Laut Don­sch han­dele es sich um eine “gängige, an sich banale Aus­sage, die man in der AfD immer noch häu­fig hört”. Er ver­wende diesen Spruch aber nicht mehr.

Abspaltung auf Kreisebene

Don­sch gilt inner­halb der Partei als umstrit­ten. Als die Kreistags­frak­tion im Sep­tem­ber 2019 in zwei Teile zer­fiel, war er eine treibende Kraft. Auf der einen Seite stand plöt­zlich der Vor­sitzende Klaus-Peter Kulack mit fünf Mit­gliedern und auf der anderen die “AfD – Der Flügel” mit drei Mit­gliedern und Don­sch als Spitze. Später nan­nte man sich in “AfD – Die Kon­ser­v­a­tiv­en” um. Den­noch sym­pa­thisiert Don­sch offen mit dem vom Ver­fas­sungss­chutz als recht­sex­trem eingestuften und inzwis­chen aufgelösten AfD-“Flügel”.  Auf ein­er Demo im März in Bernau sagte er: “Der Flügel ste­ht nicht für Ras­sis­mus, er ste­ht dafür, dass in der AfD ein freier  Gedanke­naus­tausch besteht.”

Erst in den let­zten Wochen ist es ruhiger um Don­sch  gewor­den. Er fällt ver­stärkt mit Beschlussvor­la­gen auf. Ende Juni wün­schte er zudem allen Schülern in einem Post auf der Web­seite der Barn­imer AfD “erhol­same Sommerferien”.

Möglicher­weise passiert das nicht grund­los. Immer­hin gilt Don­sch als ambi­tion­iert.  Schon 2019 ver­suchte er, in den Land­tag einzuziehen – ohne Erfolg. Fol­gt 2023 ein neuer Anlauf? Aus­geschlossen scheint das nicht, auch wenn Don­sch fürs erste abwinkt. 2023 sei noch weit weg, betont er. Momen­tan liege sein Augen­merk auf dem Land­kreis Barnim.

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Die Krise des Kapitals in Zeiten der Pandemie

Die Ein­schränkun­gen des alltäglichen Lebens, der Ökonomie, let­ztlich aller zwis­chen­men­schlichen Beziehun­gen hat ein bish­er ein­ma­liges und ungekan­ntes Aus­maß angenom­men. Bed­ingt durch die Bedro­hung durch das neue Virus SARS-CoV­‑2 hat es einen glob­alen Shut­down gegeben, eine nahezu kom­plette Stil­l­le­gung aller Gesellschaften. In unter­schiedlichem nationalen Aus­maß star­ben hun­dert­tausende Men­schen. Die Fernse­hauf­nah­men aus Nordi­tal­ien, die zeigten, wie Mil­itär­laster Ver­stor­bene abtrans­portieren mussten, ste­hen bis heute sinnbildlich für die Gefahren dieser weltweit­en Pan­demie mit mit­tler­weile über fünf Mil­lio­nen diag­nos­tizierten Erkrank­ten (WHO, Stand: 24.05.2020, 02:00 CEST).Jede Gesellschaft würde unter diesen Bedin­gun­gen lei­den, doch gibt es spez­i­fis­che Fol­gen, die nur in waren­pro­duzieren­den Gesellschaften oder, anders gesagt, im Kap­i­tal­is­mus auftreten.

Diese gilt es hier näher zu beleucht­en und von den nicht-kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften zu unter­schei­den. In kap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaften pro­duzieren voneinan­der unab­hängige Privatproduzenten*innen für den Markt, während sie die bei ihnen beschäftigten Arbeiter*innen aus­beuten. Alle Waren, die sie pro­duzieren, müssen sich im Aus­tausch mit Geld erst als gesellschaftlich notwendig erweisen. Erst wenn sie wirk­lich verkauft wer­den, gilt die Arbeit, die ihre Her­stel­lung erforderte, als wertvoll. Das heißt: erst nach­dem die Dinge hergestellt wur­den, stellt sich her­aus, ob es für sie ein gesellschaftlich­es Bedürf­nis gibt- genauer gesagt- ein zahlungs­fähiges gesellschaftlich­es Bedürf­nis. Die Tren­nung eines Großteils der Men­schheit (Arbeiter*innen) von ihren Pro­duk­tion­s­mit­teln und der Besitz ebendieser von weni­gen (Kapitalist*innen) bedeutet für Erstere ihre Arbeit­skraft an Let­ztere zu verkaufen. Arbeiter*innen bekom­men aber nicht alle Arbeit  bezahlt, son­dern nur den Teil, den sie benöti­gen, um sich selb­st zu repro­duzieren (Leben­shal­tungskosten, Essen, Wohnen usw.). Dieser vari­iert zu jed­er Zeit und Gesellschaft. Pro­duziert wird über­haupt nur, wenn für Kapitalist*innen Aus­beu­tung möglich ist und sie sich einen Prof­it aneignen können.

Wenn dieses Sys­tem, dass schon in „nor­malen“ Zeit­en mit vie­len Ungerechtigkeit­en, Umweltzer­störung, Krieg und Elend ver­bun­den ist, nun in die Krise kommt, nimmt auch diese eine spez­i­fis­che Form an. Kön­nen oder dür­fen keine Waren pro­duziert und verkauft oder Dien­ste nicht ange­boten wer­den, wird die Pro­duk­tion eingestellt. Dies hat den Arbeit­splatzver­lust von Mil­lio­nen Men­schen zur Folge, die zu den vie­len Unbeschäftigten hinzukom­men, kein Geld mehr ver­di­enen und somit ihr täglich­es Über­leben nicht länger gewährleis­ten kön­nen. Auch wenn es in vie­len west­lichen Gesellschaften erkämpfte Sozial­sys­teme gibt, ste­hen diese längst nicht  allen zur Ver­fü­gun­gen und sind in den meis­ten Län­dern der Erde nicht vorhan­den. Klar, auch mit der Krise gibt es für alle genü­gend Essen, Woh­nun­gen, Autos usw., doch die Ver­fü­gungsmöglichkeit­en darüber wer­den für viele schla­gar­tig verklein­ert bzw. ver­schwinden. Dies ist spez­i­fisch für den Kap­i­tal­is­mus. In ein­er bedürfnisori­en­tierten Pro­duk­tion­sweise wür­den ein­fach alle weit­er ernährt und u.a. mit Wohn­raum und Nahrungsmit­teln ver­sorgt wer­den. Eine möglicher­weise entste­hende Knap­pheit (z.B. bei Desin­fek­tion­s­mit­teln, Masken, Klopa­pi­er, usw.) würde nicht bedeuten, ein­fach den Meistzahlen­den alles auszuhändi­gen, son­dern es den jew­eils Betrof­fe­nen zur Ver­fü­gung zu stellen.Da alle Län­der heute mit ihren Wirtschaft­sräu­men in ein­er Konkur­renz  zueinan­der ste­hen, schaf­fen sie Gren­zen gegeneinan­der oder wirtschaftliche Bin­nen­räume wie die EU. Doch auch dann gibt es EU-Außen­gren­zen. Men­schen, die ver­suchen auf­grund vielfältiger Gründe wie Krieg, Umweltzer­störung, schlechter Sozialver­hält­nisse oder Lebens­be­din­gun­gen, etc. aus einem Land in ein anderes zu fliehen, wer­den davon abge­hal­ten, wegges­per­rt oder in Lager ver­frachtet. Ger­ade in Zeit­en ein­er glob­alen Pan­demie zieht dies entsprechend hohe Infek­tion­srat­en nach sich, egal ob in Elend­slagern wie Moria oder dem Geflüchteten­heim nebe­nan. Viele Men­schen in enge Räum­lichkeit­en zu stopfen, ent­behrt spätestens jet­zt jeglich­er Ver­nun­ft. Doch nicht nur Geflüchtete sind von diesem Unsinn betrof­fen. So sind u.a. auch Arbeiter*innen, die sich in einem Schlacht­be­trieb bzw. den dazuge­höri­gen Wohn­heimen mit Coro­na infiziert haben, von dieser Fahrläs­sigkeit betroffen.

In manchem Kranken­haus scheint das Prof­it­streben und nicht ein unaus­ge­feil­ter Pan­demieplan für hohe Ansteck­ungsrat­en unter Patient*innen und Mitarbeiter*innen ver­ant­wortlich zu sein. Auch in ein­er nichtkap­i­tal­is­tis­chen Gesellschaft würde gear­beit­et wer­den, jedoch nicht unter sor­glos­er Gefährdung der Mitar­bei­t­en­den. Unter kap­i­tal­is­tis­chen Bedin­gun­gen, lässt sich all­ge­mein fes­thal­ten, spitzt sich auch eine Krise wie eine Pan­demie noch weit­er zu. Nicht die Abstand­sregeln oder die fehlende Kita-Betreu­ung wer­den auf Dauer den Aus­gang der Krise bes­tim­men. Fraglich bleibt eher wie lange noch ein Schutz von Risiko­grup­pen gegen ein Weg­brechen ökonomis­ch­er Poten­zen aufrecht erhal­ten wer­den kann. Schon kom­men vor allem Neolib­erale mit  ganz unter­schiedlichen Parteibüch­ern um die Ecke und stellen  wirtschaft­spoli­tis­che Erwä­gun­gen vor die Gesund­heit viel­er Mil­lio­nen Men­schen. Und dies obwohl nicht ein­mal gek­lärt ist, welche Spät­fol­gen Coro­na-Infek­tio­nen nach sich ziehen.

Und das dicke Ende kommt erst nach der Krise, da wer­den dann nach bekan­nter Manier die Unternehmer*innen durch mehr Aus­beu­tung, weniger Bezahlung oder Ent­las­sun­gen ihrer Angestell­ten ver­suchen ihre Ver­luste wieder auszu­gle­ichen. Weit­er­hin wird der Staat genau da den Rot­s­tift anset­zen, wo es am nötig­sten ist. Der Staat wird ‑wie gewohnt- in der Jugend­hil­fe sparen, bei sozialen und kul­turellen Ein­rich­tun­gen das Bud­get kürzen und am Ende wer­den von der Krise, die Men­schen am meis­tens getrof­fen sein, welche es schon davor waren.

Auch die sich im Augen­blick ins Astronomis­che ver­schulden­den Staat­en wer­den dann ten­den­ziell für die weniger Vergüteten die Steuern erhöhen. Die Maß­nah­men gegen die Pademie müssen im Auge behal­ten wer­den. Die bish­er in Deutsch­land zweifel­los erfol­gre­iche Bekämp­fung der Pan­demie muss per­ma­nent neu in Frage gestellt und disku­tiert wer­den. Die Aus­set­zung und Beschnei­dung der Bewe­gungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit darf nicht zum Selb­stzweck wer­den, unter Wahrung von Abstands- und Hygien­eregeln muss öffentliche Mei­n­ungsäußerung unbe­d­ingt erlaubt sein. Nicht wenige Regierun­gen wer­den die Pan­demie auch nutzen, um oppo­si­tionelle Grup­pen zu krim­i­nal­isieren. Autoritäre Maß­nah­men, die im Zusam­men­hang mit der Pan­demie ver­hängt wer­den, wer­den wahrschein­lich auch danach noch beste­hen. Dem kön­nen wir nur mit Sol­i­dar­ität und Entschlossen­heit begeg­nen. Nicht Repres­sion und Überwachung sind geeignete Maß­nah­men zur Pan­demiebekämp­fung. In ein­er befre­it­en Gesellschaft würde nach den Bedürfnis­sen der Men­schen pro­duziert und Ver­hält­nisse geschaf­fen, in denen Men­schen Abstand­sregelun­gen ein­hal­ten kön­nen und deren Bedürfnis­be­friedi­gung pri­or­itär ist. Der Kap­i­tal­is­mus ist nicht das Ende der Geschichte, auch ger­ade das zeigt diese Krise!

Inforiot