Anlässlich des Jahrestages eines alliierten Bombenangriffs auf eine Kampfbomberfabrik während Zweiten Weltkrieges, wollen (Neo)nazis am Samstag, den 18. April 2009 in Rathenow marschieren, um, wie in den Vorjahren seit 2005 auch, an den so genannten “Bombenterror vor 65 Jahren” zu erinnern.
Unter dem Motto “65 Jahre in Tränen — Gedenken an alliierte Bombenangriffe” hat die regionale NPD Sektion bereits in der vergangenen Woche eine Demonstration angemeldet, die inzwischen auch von (Neo)nazikameradschaften aus Premnitz, Potsdam, Teltow-Fläming, Stendal sowie aus der Struktur des so genannten “Nationalen Beobachters” aus Sachsen — Anhalt beworben wird.
Alle genannten (neo)nazistischen Organisationen und Vereinigungen benennen, deckungsgleich mit der polizeilichen Anmeldung, den Hauptbahnhof Rathenow als Startpunkt des Aufmarsches und wollen sich dort am Samstag ab 14 Uhr einfinden.
Gemäß ihres revisionistischen Mottos planen die Veranstalter während des Aufzuges auch Zwischenkundgebungen und Kranzniederlegungen an einem Denkmal des “Bundes der Vertriebenen” im Fontanepark sowie an der Gedenkstätte für die Opfer der beiden Weltkriege auf dem Weinbergfriedhof.
Symbolisch will die NPD, gemäß den diesbezüglich einige Tage zuvor verteilten Flugblättern, dem “Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung in Rathenow” erinnern, bei dem am 18. April 1944 ungefähr 60 Menschen durch Bomben ums Leben gaben.
Bei der Agitation für ihre Veranstaltung nimmt die Partei jedoch die historischen Tatsachen nicht so genau und präsentiert auf den von ihr bzw. ihren Aktivisten verteilten Flyern eine Art Beweisfoto, welches das zerstörte Postgebäude in der heutigen Berliner Straße sowie die Ruine der Sankt Marien Andreas Kirche zeigt.
Allerdings stammen die dort dargestellten Schäden gar nicht von den Auswirkungen des Bombenangriffs im Jahr 1944, sondern sind Zerstörungen die erst durch die letzten Kämpfe im Mai 1945 entstanden sind. Damals hatte die nationalsozialistische Wehrmachtsführung Rathenow zur “Festung” erklärt und die Stadt von ihren umliegenden Stellungen mit Artillerie kurz und klein schießen lassen um die vorrückende Rote Armee aufzuhalten.
Der Schaden den die Amerikanischen Bomberverbände am 18. April 1944 an zivilen Einrichtungen und Wohnungen verursachten, war hierzu vergleichsweise eher gering. Das Hauptziel des Fliegerangriffs war nämlich nicht die Stadt, sondern die ARADO Flugwerke in Rathenow — Heidefeld. Hier wurde das Kesselhaus und zwei der drei Montagehallen stark beschädigt und somit die Lizenzproduktion der berüchtigten Heinkel — Bomber, die in den vorherigen Kriegsjahren Städte wie London, Coventry, Warschau und Rotterdam in Schutt und Asche legten, endgültig gestoppt.
Das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis “Rathenow zeigt Flagge” hat unterdessen Gegenaktionen zum (Neo)naziaufmarsch angekündigt. Dabei sind auch alle Bürger, insbesondere die an der Strecke wohnen, aufgerufen mit Bannern oder Symbolen, welche die Farben Rot und Blau als Zeichen des örtlichen Widerstandes enthalten sollen, ein Zeichen des Protestes zu setzen.
Eine konkrete Gegenveranstaltung ist auf dem Märkischen Platz im Rathenower Stadtzentrum ab 11 Uhr angemeldet. Hier hatte der Hauptredner des letzten (Neo)naziaufmarsches, der Vorsitzende der NPD Fraktion im mecklenburgischen Landtag, Udo Pastörs, am 16. Juni 2007 während einer Zwischenkundgebung eine Hetzrede gehalten, in der er u.a. den Rathenower Bürgermeister als “Demokratenfratze” beschimpfte, die Umbenennung der Bundeswehr in “Deutsche Wehrmacht” forderte und zum Umsturz aufrief. Deshalb soll dieser Platz, an dem nach augenblicklichen Stand auch die diesjährige Naziroute entlang führt, nicht noch einmal als Podium für die (neo)nazistischen Hassprediger dienen.
Dem (Neo)naziaufmarsch am 18. April entgegentreten!
Yes we can!
Material: Stadtplan Rathenow mit Veranstaltungskennzeichnung (PDF 195 kB)