Die personelle Talfahrt des rechtsoffenen „Bürgerbündnisses Havelland“ hat sich auch am heutigen Veranstaltungstag fortgesetzt. Nahmen vor zwei Wochen ungefähr 400 Personen an der Bündler-Versammlung teil, waren es heute maximal noch 300. Vor vier Wochen waren es noch 550. An einer Veranstaltung des zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“, die sich gegen Fremdenhass aussprach, beteiligten ungefähr 100 Menschen.
Zivilgesellschaft: Feuertonne etabliert sich
Auch wenn die Versammlungen der Rathenower Zivilgesellschaft auf dem August-Bebel-Platz nach wie vor deutlich weniger Menschen frequentieren als die des „Bürgerbündnisses Havelland“, hat sich dort doch ein kleiner, entschlossener Kern von Menschen gebildet, der fest entschlossen scheint auch weiterhin für „Toleranz, Menschlichkeit und Nächstenliebe“ zu werben. Symbolisch dafür steht u.a. die wärmende Feuertonne, die statt platter Hetze zu gemütlichen Gesprächen einlud. Dennoch wurde aber auch heut nicht davor zurückgescheut, mit Plakaten und Transparenten etwas deutlicher gegen Fremdenhass zu protestieren. Eine direkte, verbale Konfrontation mit Sympathisant_innen des „Bürgerbündnis Havelland“ gab es jedoch nicht, da deren Aufzug weitab vom Bebelplatz, durch die Altstadt zog.
Vorgetäuschter Cyberangriff auf Bürgerbündnis
Für Heiterkeit sorgte hingegen bereits am Nachmittag ein scheinbarer „Cyberangriff“ auf zwei vermeintliche Internetdomains des „Bürgerbündnisses Deutschland“. Die anonym handelnden „Freunde der toten Kinder“ hatten sich um die Mittagszeit via Email dazu bekannt. Demnach seien die „Internet-Domains
bürgerbündnis-deutschland.de undbuergerbuendnisdeutschland.de […] dauerhaft auf die Webseite der Tageszeitung Neues Deutschland verlinkt“ worden. In dem „Bekennerschreiben“ heißt es als Rechtfertigung, dass der „anmaßende Name“ [Bürgerbündnis Deutschland] den „rechten Hasspredigern nicht widerstandslos“ überlassen werde. „Das wirkliche deutsche Volk“habe nämlich„Herz und Verstand“ und sei „angesichts der humanitären Katastrophe an Europas Außengrenzen für rechte Hetze nicht zu haben“, so die „Freunde der toten Kinder“. Einen tatsächlichen Hackerangriff auf das „Bürgerbündnis Deutschland“ hat es allerdings nie gegeben. Die von den „Freunden der toten Kinder“ benannten Domainswurdenbereits am 1. Februar 2016 von der Tageszeitung „Neues Deutschland“ ordnungsgemäß angemeldet. Die Adressen sehender Original-URL lediglich in der Schreibweise zum Verwechseln ähnlich. Auch das „Bürgerbündnis Deutschland“ hat inzwischen in einem sozialen Internetnetzwerk bestritten, Opfer eines „Cyberangriffs“ geworden zu sein. Dennoch scheint die Spaßguerilla-Aktion der „Freunde der toten Kinder“ seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Das „Bürgerbündnis Deutschland“, das bisher mit Hysterie und Desinformation für Unruhe in Rathenow und Umgebung sorgte, war nun erstmals selber in die Defensive und damit unter Rechtfertigungsdruck geraten.
Bürgerbündnis: Weniger Bürger_innen, mehr Hass
Das „Bürgerbündnis Deutschland“ scheint momentan ohnehin geschwächt. Zwischen dessen Betreiber Nico Tews und dem Anführer des „Bürgerbündnisses Havelland“, Christian Kaiser, soll es nämlich zum Bruch gekommen sein. Tatsächlich fehlte heute sowohl Tews als auch dessen Bühnenkonstruktion. Stattdessen hatte Kaiser ein neues Podium organisiert und maßgeblich durch die heutige Veranstaltung geführt. Qualitativ blieb er allerdings unter dem ohnehin schon niedrigen Niveau. Seine Redebeiträge wirkten diesmal sogar noch plumper und unüberlegter als die von vergangenen Veranstaltungen. So stimmte er wieder Hetztiraden gegen Flüchtlinge und Medien an und warb zudem offen für die extrem rechten Zeitschriften „Compact“ und „Junge Freiheit“. Der an den Anfang seines Redebeitrages vorgetragene Vorsatz wieder bürgerlicher zu werden, um wieder mehr Bürger_innen zu ziehen, war damit schon kurze Zeit später obsolet. Auch der nächst Redner, ein Dr. Erler, machte aus seinen Sympathien zu rechten Kreisen keinen Hehl. „Er wolle hier keine Werbung für die AfD machen“, so Erler, aber Frauke Petry, Björn Höcke und Alexander Gauland würden ihm schon sehr gut gefallen. Auch die anderen beiden Redner Ralf Maasch und Martin Knaak aus Stendal suchten auch eher die Nähe zu rechten und rechtsangehauchten, verschwörungstheoretischen Thesen. Dem Bündler-Anhang konnte dies indes nur recht sein. Nicht weil jetzt unbedingt mehr Rechte kommen, sondern weil sich die bürgerlichen Reihen immer weiter lichten. Gleichbleibend hoch bleibt hingegen der Anteil bekannter Neonazis aus Rathenow, Premnitz, Nauen, Ketzin/Havel, Potsdam und Havelberg sowie Abordnungen rechtsoffener, PEGIDA-ähnlicher Initiativen wie die „Bürgerbewegung Altmark“ oder „PO-GI-DA“.
Fotos: hier
Monat: Februar 2016
Die wöchentliche POGIDA-Demonstration geht auch an diesem Mittwoch, den 10.02., in die nächste Runde. Der Initiator Christian Müller kündigte diesmal südlich von Potsdam, am Bahnhof Rehbrücke, seine Veranstaltung an.
Rassimus muss benannt und bekämpft werden! Lasst es nicht zu, dass RassistInnen und Neonazis auf die Straße gehen!
Keinen Meter für POGIDA!
Wir treffen uns zur gemeinsamen Anreise nach Rehbrücke um 17:00 Uhr am Magnus-Zeller-Platz. Seid viele, seid dabei!
You’ll will never walk alone! POGIDA stoppen!
Informationen rund um die geplante PEGIDA-Demo in Potsdam:
Infotelefon: 0152 13 25 63 14
Twitter: TickerPotsdam
EA: 0157 50 32 29 92
Hashtag: #nopogida
nopogida.de
Die gegenwärtigen flüchtlingsfeindlichen Proteste sind Teil der gestärkten extrem rechten Straßenpolitik. Neonazis sind auf der Straße stärker als zuvor und „bürgerliche Asylkritiker“ radikalisieren sich. Eine Auswertung des Demonstrationsgeschehens im Jahr 2015.
So massiv wie nie zuvor in der Geschichte des Bundeslandes haben im Jahr 2015 Rechtsextreme und RassistInnen in Brandenburg Straßenaktionen durchgeführt. Das mit Abstand zugkräftigste Thema war dabei der Protest gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Die Demos waren flankiert von Hetze auf Facebook und von Gewalttaten, die bis hin zu Brandanschlägen reichten.
Eine ausführliche Auswertung des Demonstrationsgeschehens und des Facebook-Aktivismus im Jahr 2015 liegt nun vor und kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Ein Befund: Es fanden in Brandenburg insgesamt 105 extrem rechte und rassistische Aktionen statt, die eine Mindestteilnehmerzahl von 50 Personen hatten. Das ist eine Verzehnfachung gegenüber dem Vorjahr, als es noch überschaubare 10 Aktionen in dieser Größenordnung gab. Zählt man alle Aktionen des Jahrs 2015 zusammen, auch diejenigen mit geringerer Größe, dann kommt man auf eine Summe von 210 Aktionen im gesamten Bundesland. Insgesamt ergibt sich eine Teilnehmerzahl von 23.300 Menschen. Das Äquivalent im virtuellen Raum: Auf 72 Facebookseiten mit Brandenburgbezug, die insgesamt 78.000 „Likes“ aufweisen, wurde gegen Flüchtlinge gehetzt.
Viele der Gruppierungen, die Demonstrationen organisieren, geben sich überparteilich und bürgerlich, sind aber tatsächlich getragen von Neonazis. „Wo ‘besorgte Bürger’ drauf steht, steckt in Brandenburg sehr häufig organisierter Rechtsextremismus drin“, warnt Thomas Wisch, Vorstandsvorsitzender des Aktionsbündnisses Brandenburg. Andere Gruppierungen sind indes dabei, sich zu radikalisieren. „Der Ton bei den flüchtlingsfeindlichen Protesten verschärft sich zusehends. Das schadet der demokratischen Kultur im Land“, so Wisch.
Die hier genannten Zahlen korrespondieren größtenteils mit der Antwort der Brandenburger Landesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Andrea Johlige. Dort sind die Facebookseiten sowie einige Straßenaktionen nicht berücksichtigt, stellenweise werden leicht abweichende Teilnehmerzahlen angesetzt und Saalveranstaltungen mitgezählt.
Für das Land Berlin hat indes das „Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum“ (Apabiz) eine ähnliche Auswertung erstellt. Die Brandenburger und die Berliner Daten sind auf dem Onlineatlas rechtesland.de abgelegt und visualisiert.
Am 15. Februar 1945 kehrte der Krieg, der von deutschem Boden ausging, nach Cottbus zurück — die Stadt wurde durch die Alliierten bombardiert. Seit 2010 versuchen Nazis diesen Tag für ihre Zwecke zu missbrauchen. Nachdem sie in der Vergangenheit mit ihren Aufmärschen an unseren Menschenblockaden scheiterten, werden sie, wie im letzten Jahr, auch in diesem Jahr nur eine Kundgebung abhalten. Viel ist dabei nicht von ihnen zu erwarten.
Das ist natürlich trotzdem kein Grund, dies unwidersprochen geschehen zu lassen! Deswegen rufen wir zu einer Gegenkundgebung in Hör- und Sichtweite der Neonazis auf. Nie wieder darf in Deutschland rassistische, nationalistische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Ideologie unwidersprochen verbreitet werden.
Cottbus war 1945 nie ein ziviles Ziel, sondern leistete durch in der Stadt ansässige Industrien einen aktiven Beitrag zum Krieg. So wurden hier in Cottbus unter anderem tausende Panzerkettenfahrzeuge und Flugzeuge, auch Bomber, produziert. Der Bahnhof spielte mit dem Näherkommen der Roten Armee für die Truppenbewegungen der Wehrmacht eine strategisch wichtige Rolle. Auch in diesem Jahr wird in Cottbus der Toten dieses Krieges gemäß christlicher Tradition gedacht. Nicht zulassen wollen wir jedoch die Verdrehung der Opfer- und Täterrollen des Zweiten Weltkrieges, wie sie jährlich von Neonazis propagiert wird.
Das politische Klima wird aktuell wieder rauer und kälter. Wir müssen uns mit dem Wiedererstarken von rassistischen, nationalistischen und wertkonservativen Elementen auseinandersetzen und ihnen stets widersprechen. Wohin solche Ideologie führen kann, lehrt uns die Geschichte und daher ist es unser Auftrag den Anfängen zu wehren. Wir wollen stattdessen Werte etablieren, die es Menschen unabhängig von (sozialer) Herkunft, Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung ermöglicht, frei zu leben. Deswegen wollen wir jetzt schon einmal auf den 22. April — den Tag der Befreiung von Cottbus — hinweisen. Denn die Geschichte lehrt uns auch, dass wir dem Faschismus nicht ohnmächtig gegenüber stehen. Mit dem Ende der Nazidiktatur in Deutschland wurde uns die Chance für eine friedliche Zukunft gegeben. Es liegt nun an uns diese zu nutzen!
Deshalb rufen wir alle Menschen dazu auf am 15.Februar um 17.30 Uhr vor das Knappschaftsgebäude, Nähe Bahnhof, in Cottbus zu kommen. Weitere Informationen findet ihr hier auf Facebook und unter www.cottbus-nazifrei.info
Haltet euch auf dem Laufenden, damit es gemeinsam wieder heißt: Cottbus Nazifrei!
Die rassistische Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ ruft zum wiederholten Mal dazu auf, am 20. Februar gegen alles, was in ihren Augen „fremd“ und „nicht-deutsch“ ist, zu demonstrieren. Mittlerweile sollte klar sein, dass es sich bei deren Anhänger*innen um Rassist*innen und Nazis handelt. Sie wollen ihren Aufmarsch um 15:00 Uhr am Rathaus beginnen und dann durch Frankfurt ziehen. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ ruft zu einer Gegenkundgebung um 14:00 Uhr auf dem Rathausvorplatz auf.
„Menschenverachtende Floskeln und hasserfüllte Stimmungsmache treiben immer noch viele Rassist*innen auf die Straße. Ihnen werden wir uns am 20. Februar entgegenstellen. In Zeiten von brennenden Asylunterkünften, Angriffen auf Migrant*innen und Morddrohungen muss eine demokratische Zivilgesellschaft für ihre Werte einstehen und diese auf die Straße tragen“, so Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses.
Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ lädt daher alle Demokrat*innen ein, an der gemeinsamen Kundgebung mit der Stadt Frankfurt (Oder) teilzunehmen, um Solidarität mit Geflüchteten zu zeigen. Die Nachrichten über Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und „Nicht-Deutsche“-Personen in der Bundesrepublik überschlagen sich. Rund 1.000 Angriffe auf Wohnunterkünfte allein im Jahr 2015 sind sinnbildlich für die Normalisierung von Gewalt gegen Asylsuchende. Jüngst rief die AfD-Vorsitzende Frauke Petry auf, an den deutschen Grenzen notfalls auf Flüchtlinge zu schießen, um ihre Einreise zu verhindern. In dieser Atmosphäre von Gewalt und Hass wirken solche Aussagen wie Öl im Feuer.
Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“, den 07.02.2016
Am Vormittag protestierten ungefähr 160 Menschen im Plattenburger Ortsteil Glöwen (Landkreis Prignitz) gegen eine Versammlung von ca. 90 Neonazis. Die überparteiliche Protestveranstaltung wurde vom Landtagsabgeordneten Thomas Domres (DIE.LINKE) angemeldet. An einem so genannten Bürgerfrühstück der Gemeinde beteiligten sich zuvor zu dem ungefähr 50 Menschen, darunter auch viele im Ort untergebrachte Flüchtlinge.
Überregionaler Neonaziauflauf
Die neonazistische Versammlung zog hingegen vor allem auswärtige Sympathisant_innen. Der Großteil der Neonazis reiste aus fast großen Teilen Brandenburgs (Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Brandenburg an der Havel, Potsdam, Oder-Spree), aus Sachsen-Anhalt (Stendal) und Mecklenburg-Vorpommern (Ludwigslust-Parchim) an. Selbst die veranstaltenden Organisationen, die „Freien Kräfte Neuruppin“ (FKN) und die „Freien Kräfte Prignitz“, waren aus dem Raum Wittenberge bzw. Neuruppin und Nauen-Ketzin/Havel hauptsächlich mit dem Zug angereist. In einer 50-köpfigen Personengruppe zogen die Neonazis dann von der Bahnhaltestelle zunächst die Bahnhofsstraße hoch, Richtung „Bürgerfrühstück“. Dort wurden sie aber dann von der Polizei gestoppt und zu ihrem Kundgebungsort, einer Seitenstraße in einem Plattenbauviertel, zurückgeschickt. Hier fand dann, zwischen zwei Mehrfamilienhäusern die eigentlich angemeldete Kundgebung statt. Als Versammlungsleiter für neonazistische Zusammenkunft und presserechtlich Verantwortlicher für im Ort verteilte Flugblätter war ab da an Christoph Meinecke aus Nauen verantwortlich. Meinecke hielt auch den ersten Redebeitrag, gefolgt von Manuela Kokott (NPD), Marvin Koch (FKN) und Nick Zschirnt (FKN/“Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken“).
Vergewaltigungsvorwürfe als Anlass
Vorgeblicher Anlass der neonazistischen Versammlung war eine Serie mutmaßlicher sexueller Übergriffe in Glöwen, die einem jugendlichen Flüchtling aus Afghanistan angelastet wird. Der 16 Jährige soll sich mindestens dreimal an zwei Minderjährigen im Alter von 9 bis 11 Jahren vergangen haben. Gegen den Jugendlichen wird inzwischen polizeilich ermittelt. Ein Haftbefehl gegen den 16 Jährigen sei aber momentan noch, unter Auflagen, außer Vollzug. Die Staatsanwaltschaft soll, laut Informationen der MAZ, aber indes bestrebt sein eine Untersuchungshaft für den mutmaßlichen Sexualstraftäter durchzusetzen.
Politische Instrumentalisierung durch die extreme Rechte
Unter dem Motto: „Friedlich ist nicht, wer schweigt, sondern wer das Unrecht beim Namen nennt“, einem Zitat der in die Schweiz emigrierten deutschen Lyrikerin Anke Maggauer-Kirsche, versuchten die Neonazis nun aus der mutmaßlichen Straftat politisches Kapital zu schlagen und gegen Flüchtlinge sowie Ausländer im Allgemeinen zu hetzen. Manuela Kokott sprach in ihrem Redebeitrag so beispielsweise von „unzivilisierten Asylschmarotzern“ und „Invasoren“, wenn sie bezug auf Flüchtlinge nahm, und vom Import „illegaler Einwanderer“ sowie „Asylantenhaltung“, wenn sie gegen die Regierung zu ausholte. Zudem seien die Regierenden ohnehin „Volksverräter“ und Kriminelle. Damit lag Kokotts Redebeitrag auf einer Welle mit dem bereits in einem sozialen Internetnetzwerk verbreitetem Aufruf der „Freien Kräfte“, in dem die anlassgebende Tat als „Konsequenz verfehlter Politik“ dargestellt wurde. Explizit wurde diesbezüglich die Bundeskanzlerin als Verantwortliche genannt. Diese ist momentan ohnehin Thema zahlreicher Versammlungen vermeintlicher „Bürgerbündnisse“ nach dem Vorbild der rechtsoffenen bis extrem rechten PEGIDA-Bewegung. Die Anknüpfung an derartige Initiativen bzw. ihre Gewinnung als Bündnispartner scheint deshalb von den veranstaltenden, neonazistischen Organisationen beabsichtigt.
Versuche zur Initiierung einer extrem rechten Volksbewegung
Die regionalen „Freie Kräfte“ versuchen schon seit Jahren mit verschiedenen Themen und zum Teil skurrilen Leitgedanken eine rechte Volksbewegung zu initiieren. Mal ging es gegen einen vermeintlichen „Kapitalfaschismus“ in Neuruppin (2010) oder gegen den „Volkstod“ in Wittenberge (2014). Versuche durch derartige Versammlungen gesellschaftliche Schichten außerhalb des eigenen Milieus zu erreichen schlugen jedoch bisher stets fehl oder wurden, wie anlässlich des „Tages der deutschen Arbeit“ in Wittstock/Dosse (2012) oder des „Tages der deutschen Zukunft“ in Neuruppin (2015) durch Aktivitäten überparteilicher Bündnisse verhindert. Lediglich im havelländischen Nauen gelang es Aktivist_innen aus den „Freien Kräften Neuruppin“ sowie der mit ihnen verwobenen, regionalen NPD Struktur mit rassistischen Ressentiments, verpackt als vermeintliche Kritik an der „Asylpolitik“, Teile des örtlichen Bürgertums zu erreichen. Bereits bei einer Stadtverordnetenversammlung im Februar 2015 führte dies zur Eskalation. Wenige Monate später wurde sogar eine als Notunterkunft gedachte Sporthalle durch einen Brandanschlag zerstört.
Anknüpfungsversuche an die „bürgerliche“ Rechte
Trotz der offensichtlich menschenfeindlichen Propaganda und den mutmaßlich daraus resultierenden Taten gelingt es der extremen Rechten aber dennoch immer wieder mit speziell gegen Flüchtlinge ausgelegte Hetze bzw. durch die tägliche Hysterie in den sozialen Internetnetzwerkenan in Teilen der Bevölkerung bestehende Ressentiments gegen Fremde anzuknüpfen und aktive Sympathisant_innen zu gewinnen. Aktuellstes Beispiel ist hierfür das rechtsoffene „Bürgerbündnis Havelland“, das bei seinen Veranstaltungen regelmäßig mehrere hundert Menschen aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin mobilisiert und dabei auch keine Probleme hat mit organisierten Neonazis gemeinsam zu marschieren oder sich gar als „Bürgerbündnis Deutschland“ offiziell mit deren Tarninitiativen zu vernetzen.
Tarninitiative „Asylhütte in Ketzin?“
Eine dieser im „Bürgerbündnis Deutschland“ vernetzten Initiativen ist beispielsweise die Socialmedia-Seite „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken 2.0“, hinter der sich offensichtlich Akteure der „Freien Kräfte Neuruppin“ aus dem Osthavelland verbergen. Zumindest zeigten zwei bekannte Aktivist_innen der FKN während einer PEGIDA-Kundgebung am 23. Januar 2016 in Schönwalde-Glien ein Banner der Ketziner Initiative. Ein dritter Aktivist der „Freien Kräfte Neuruppin“ fotografierte das Ganze und stellte die Aufnahme dem Socialmedia-Auftritt „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken 2.0“ zur Verfügung. Insofern verwundert es auch wenig, das diese Tarninitiative ebenfalls bereits im Vorfeld für die heutige Versammlung der FKN in Glöwen warb und dann auch tatsächlich im Ort erschien. Abermals wurde das Banner mit der markanten Aufschrift: „Asylhütte in Ketzin? Kannste knicken“ gezeigt. Die Person, die es in Schönwalde-Glien fotografierte hatte es heute aus dem Rucksack geholt, an einem Gitter anbringen lassen und wiederum abgelichtet. Später hielt dieser Fotograf, bei dem es sich um Nick Zschirnt aus Ketzin/Havel handelte, auch einen Redebeitrag.
Ziel: „Nationaler Sozialismus“
Die Vernetzung zwischen dem „Bürgerbündnis Deutschland“ und „Freien Kräften“ ist insofern erwähnenswert, weil die „Freien Kräfte“ neben dumpfer, flüchtlingsfeindlicher Hetze eben auch eine explizit neonazistische Weltanschauung vertreten. So lautete bereits das vollständige Motto des Neuruppiner Marsches der FKN im Jahr 2010: „Nationaler Sozialismus statt Kapitalfaschismus“. Der Begriff „Nationaler Sozialismus“, der im neonazistischen Milieu durchaus als Ersatzwortgruppe für „Nationalsozialismus“ verstanden wird, wurde danach zu einem Leitslogan auf Veranstaltungen der „Freien Kräfte Neuruppin“. 2014 stand er groß auf einem Hochtransparent in Wittenberge, bei anderen Veranstaltungen, so auch in Wittstock/Dosse und Nauen, wurde er immer wieder von führenden Köpfen der FKN als Parole herausgegeben und Sympathisant_innen mitskandiert.
Überparteiliche Gegenveranstaltung
An einer derartigen Entwicklung hatte die Gemeinde Plattenburg mit ihrem Ortsteil Glöwen jedoch ganz offensichtlich kein Interesse. Hier wird auch nach dem Missbrauchsvorwurf gegen einen Flüchtling sachlich diskutiert. Deutlich zum Ausdruck brachten sowohl Thomas Domres, als auch Plattenburgs Bürgermeisterin Anja Kramer, das die regionale Politik sich sowohl für den Schutz von Kindern einsetzt, als auch Flüchtlinge weiterhin willkommen heißt. Symbolisch dafür stand heute ab 9.30 Uhr das gemeinsame Bürgerfrühstück an einem Kinderspielplatz an der örtlichen Kita. Flüchtlinge und Flüchtlingsfamilien kamen hier unter dem Motto: „Gemeinsam für unsere Kinder – Kindeswohl geht alle an“ mit Einheimischen zusammen und tauschten sich aus. Anschließend zogen sie gemeinsam zur überparteilichen Protestkundgebung in Hör- und Sichtweite zur Neonazikundgebung weiter. Unter dem Motto „Gemeinsam für ein friedliches Miteinander“ hatten Vertreter_innen von Bündnis 90/Die Grünen, DIE.LINKE, SPD und CDU, dem VVN/BdA sowie der Gemeindevertretung Plattenburg bereits im Vorfeld dazu aufgerufen der neonazistischen Versammlung kraftvoll die Stimme entgegenzusetzen.
Fotos: hier
INFORIOT — Trotz nieselnden Regens versammelten sich am heutigen Freitagnamittag, den 5. Februar, ca. 70 Menschen zu einer antirassistischen Aktion in Hennigsdorf. Unter den Motto “Rassistischen Gewalttaten entschlossen entgegentreten. Kundgebung für ein friedliches Zusammenleben” rief die Berliner Antira-Initiative “Corasol” zu Gegenaktivitäten auf, nachdem am 15. Januar zwei geflüchtete Frauen im Supermarkt RP in der Poststraße von einem Mann zuerst rassistisch beschimpft und dann mit einer Gasdruckpistole bedroht wurden.
Gegen 16 Uhr versammelte sich der Aufzug am Hennigsdorfer Postplatz. Mit Redebeiträgen und Flugblättern informierte die Initiative zu dem Vorfall. Beim Döner am Bahnhof wurde die Kundgebung durch das übliche alltagsrassistische Klientel empfangen, die sich laut über die Veranstaltung echauffierten. Einige gestikulierten wild in Richtung Postplatz, wurden jedoch von der Polizei zurückgehalten. Auf Wunsch der Betroffenen wurde die Kundgebung dann zu einer Demonstration, die zum NP Markt führte. Dort wurde einer weitere Kundgebung abgehalten, bei der sich ein ähnliches Bild bot: nur vereinzelt stieß die Kundgebung am Havelplatz auf Zuspruch. Viele Passant_innen äußersten sich eher ablehnend gegenüber der Kundgebung, sowie Geflüchteten. Einzelne Männer pöbelten rassistisch in Richtung der Kundgebung und versuchten sie aktiv zu stören. Mehrere Rassist_innen wurden durch die Polizei vom Platz verwiesen.
Die Betroffenen geflüchteten Frauen warfen den Markt vor nicht nur am 15. Januar nicht reagiert zu haben, als sie von den Mann mit einer Pistole bedroht wurden. Sie thematisierten vor allem alltagsrassistische Erfahrungen, denen sie im NP Markt und in Hennigsdorf regelmäßig ausgesetzt sind. Die Kundgebungsteilnehmer_innen forderten ein Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung, sowie gleiche Rechte und Privilegien für Geflüchtete. Nach eine kurzen Runde ging es dann zurück zum Postplatz, wo eine Abschlusskundgebung mit Redebeiträgen und Musik abgehalten wurde.
Weitere Bilder: hier.
Dokumentation eines am Rande der Veranstaltung verteilten Flyers
Rassistische Angriffe gegen Frauen in Hennigsdorf
Zwei Frauen beschreiben gegenüber IWS die letzten rassistischen Angriffe im NP Supermarkt in Hennigsdorf.
Es passierte gegen 3 Uhr am Nachmittag wie ich beim bezahlen war. Dieser Mann kam von draußen, hielt eine Pistole auf mich und sagte: dies ist eine Pistole und ich will das du das Land verlässt. Das ist unser Land! Als ich fertig war mit dem bezahlen, ging der Mann zum Ende der Schlange und er schrie dasselbe wie vorher. Er sagte viele andere Dinge aber wiederholte immer wieder das er uns aus seinem Land weghaben wollte. Ungefähr 10 Menschen standen in der Schlange und niemand sagte etwas. Die Person die an der Kasse arbeitet starrte uns nur an und schwieg auch. Wir gingen raus und der Mann folgte uns. Ich schob den Kinderwagen als er begann uns erneut zu beleidigen, sagte er das er ein Nazi sei und wir sein Land verlassen sollten. Er zeigte wieder mit der Pistole auf mein Gesicht als er näher kam zum Kinderwagen und wild gestikulierte. Es sah aus als wenn er das Baby angreifen wollte und ich versuchte das zu verhindern. Das war die Situation als endlich andere Menschen reagierten und ihn anschrien.
Einem Mann gelang es mit ihm zu sprechen. Der Agressor ging nun auf die andere Seite der Straße aber schrie weiter. Wir konnten nichts sagen weil wir nicht argumentieren können mit jemanden der eine Pistole hat. Wir wussten nicht genau ob es eine scharfe Waffe war oder nicht, später wurde uns gesagt es wäre eine Schreckschusspistole gewesen. Wir gingen weiter weg und der andere Mann folgte uns in einem grösseren Abstand bis zum Rathaus und wir gingen weiter zum Heim. Etwa 30 Minuten später sahen wir die Polizei im Heim. Wir wussten nicht wie sie es erfahren haben, aber dann verstanden wir dass es eine Meldung gab das 2 Frauen in einem Supermarkt angegriffen wurden und sie annahmen das sie im Heim leben würden. So kamen sie zum Heim um nach uns zu suchen und als ich raus ging hielt mich ein Polizist an und fragte mich ob ich von 2 Frauen und einem Kind wüsste die gerade zutückgekommen und draussen angegriffen worden wären. Ich sagte ja, da ich einer der Frauen wäre.
Sie sagten uns das wir zur Polzeistation kommen sollten und einen genauen Bericht gegen sollten und wie wir da waren gab es einen Übersetzer und wir erzählten ihnen was passiert war. Wir wurden von einem männlichen Polizisten befragt und auch der Übersetzer war ein Mann. Ich beschrieb was passiert war und wie die Leute alle schwiegen, wie sehr der Mann meine Tochter ängstigte, wie schockiert sie war und das sie viel weinte.
Rassistische Angriffe passieren häufig in Hennigsdorf
Seit ich in Hennigsdorf lebe habe ich rassistische Angriffe erlebt. Es kann irgendjemand sein, sie verstecken nicht ihren Hass, sie beschimpfen dich einfach und du weisst nicht wo du dich hinwenden sollst denn selbst wenn es ein Mensch mitbekommt, sie gehen einfach weiter. Du fängst an zu denken das das normal ist. Nimm das Beispiel von dem, was im Supermarkt passiert ist, die es sahen könnten unsere Zeugen sein und sie taten nichts.
Manchmal kann es passieren das du einen Bus oder Zug betrittst und jemand sagt uns wir sollten zurück in unser Land gehen. Einmal als ich meine Tochter zur Kita brachte, schrie eine Frau aus ihrem Wohnungsfenster: „Du Schwein was machst du hier? Was willst du ? Geh zurück in deine Heimat!“ Manchmal hören wir das Sie uns als Affen beleidigen. Ein anderes Mal im Supermarkt war eine Frau, ich weiss nicht was los war mit ihr, aber sie konnte nicht aufhören mich anzustarren und immer wenn ich etwas anfasste kam sie näher als müsste sie verhindern das ich etwas klaute. Sie war sehr unfreundlich.
Ich entschied nicht mehr zum NP Supermarkt zu gehen, weil ich weiss wenn wieder etwas passiert wird niemand da sein um mich zu verteidigen. Es war einfacher dort einkaufen zu gehen, aber ich werde dort nicht mehr hingehen selbst wenn ich 10 Minuten länger zu einem anderen Supermarkt gehen muss.
Am 26. Februar wollen rassistische Bürger_innen und Neonazis eine asylfeindliche Veranstaltung in Oranienburg (nördlich von Berlin) durchführen. Bereits seit mehr als einem Jahr marschieren im Schnitt jeweils bis zu 300 Personen durch die Straßen Oranienburgs und verbreiten ihre Hetze gegen Geflüchtete, sowie Initiativen und Menschen, die in der Stadt für eine offene und solidarische Gesellschaft einstehen. Neben den Demonstrationen in Rathenow (Havelland), bei denen fast wöchentlich im Schnitt bis zu 500 Neonazis und Rassist_innen teilnehmen, sind die “Abendspaziergänge” in Oranienburg die größten rassistischen Aufmärsche, die in Brandenburg regelmäßig stattfinden. Zunehmend ziehen die Demonstrationen aber auch andere rechte Gruppierungen, wie die „Identitäre Bewegung“, Bärgida, sowie andere verwirrte Gestalten aus den verschwörungstheoretischen Kreisen an. Die Versammlung im Februar ist die zehnte Veranstaltung und aus diesem “besonderen” Anlass laden sich die Organisator_innen den rechten “PI-News”-Autor Michael Mannheimer, alias Karl-Michael Merkle, ein. Die Einladung des prominenten Islamhassers soll die rassistische Mobilisierung steigern. Es ist daher mit höherem Potenzial an Teilnehmer_innen aus Berlin und anderen Brandenburger Landkreisen zu rechnen.
„Wer mit der NPD marschiert, ist ein NAZI!“
Die Organisator_innen der sogenannten „Abendspaziergänge für eine angemessene Asylpolitik“ versuchen stets den Demonstrationen ein bürgerliches Antlitz eines unscheinbaren, kritischen Protests zu verleihen. Ganz klar steht jedoch die örtliche NPD hinter der Organisation und Durchführung der Demonstrationen. Die Technik wird durch die NPD gestellt, betrieben und bewacht, bekannte Aktivist_innen übernehmen Ordnertätigkeiten und NPD-Politiker_innen finden sich nicht nur unter den Demonstrierenden, sondern treten als Redner_innen, Fotograf_innen und Kontakt zur Polizei auf. Aktivisten aus dem direkten Umfeld der NPD kümmern sich um die Transparente, Fahnen, Schilder oder bringen den wärmenden Tee. Auf der letzten Demonstration im Januar wurde die “Deutsche Stimme”, die Parteizeitung der NPD, als „freie Lektüre“ offen verteilt. [1]
Als regelmäßiger Redner auf der Demonstration tritt Martin U. auf und heizt die Menge durch seine Reden im NS-Stil auf. Er stammt aus dem Umfeld der JN Oranienburg, welche eng verzahnt ist mit der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Die HDJ war eine Organisation, die rassistische Jugendarbeit ganz im Sinne des Nationalsozialismus, der alle Bereiche des Lebens umfasst, betrieben hat. Bei der ersten Demonstration im Dezember 2014 sprach die Bernauer NPD-Stadtverordnete und ‑Landesschatzmeisterin, Aileen Rokohl. Seitens der Veranstalter_innen soll man von ihrer Parteizugehörigkeit nichts gewusst haben, ebenso wenig wie von anderen Unterstützungsleistungen der NPD. Dass der Anmelder Carlo-Eik Christopeit selbst zum Unterstützerkreis der NPD zählt, beweisen seine Kommentare und Likes auf diversen NPD-Seiten auf Facebook und das nicht erst mit dem Entstehen der rassistischen Demonstrationkultur. [2] Die NPD weiß genau um ihre Position bei der rassistischen Mobilisierung. Tritt sie öffentlich als solche auf, schrumpft die Zahl der Demonstrierenden. Zieht sie jedoch die Fäden im Hintergrund, kann sie langfristig auf eine inhaltliche und persönliche Akzeptanz innerhalb der Proteste rechnen sowie neue Kräfte an sich binden. Wer bei den von Neonazis organisierten Aufmärschen mitmarschiert, muss sich klar sein, mit wem er in einer Reihe steht.
Von der Kommentarspalte zum Übergriff
Auf einschlägigen Facebook-Seiten verbreiten sich auch in Oranienburg und Umland die asylfeindliche Hetze und Lügen wie ein Lauffeuer. Offene Gewaltandrohungen sind an der Tagesordnung. Erst Mitte Januar kursierte das Gerücht, dass ein Mädchen von Asylsuchenden im Bus im Nachbardorf Leegebruch belästigt wurde. Dem folgte ein Buttersäureanschlag auf die Asylunterkunft in der Gemeinde Oberkrämer, die am Rande von Leegebruch liegt und in der viele Familien untergebracht sind. [3] In einer entsprechenden Pressemeldung geht die Polizei davon aus, dass die Buttersäure durch die Bewohner_innen der Unterkunft verschüttelt wurde, da laut Angaben des Wachschutzes keine Personen ab 22 Uhr rein oder raus gegangen seinen. [4] Die Erklärung der Polizei ist so fragwürdig und perfide, wie die Meldungen über Würfe von Handgranaten auf Asylunterkünfte, bei denen “ein rechter Hintergrund ausgeschlossen werden kann”. Dass Geflüchtete in Massenunterkünften trotz oder gerade wegen des Wachschutzes keinen Schutz genießen, zeigten bundesweit öffentlich bekannt gewordene Fälle von Misshandlungen von Geflüchteten durch Wachpersonal [5] sowie den Einsatz bekannter Neonazis in den Unterkünften. [6,7]
Auch auf der Straße wird die Stimmung zunehmend aggressiver. So kam es bei der rassistischen Demonstration im Dezember letzten Jahres in Oranienburg zu mehreren Übergriffen durch die Teilnehmenden auf Gegendemonstrant_innen, unter denen sich auch Stadtverordnete befunden haben. [8] Auf der „Nein zum Heim in Oranienburg“ Facebook-Seite, sowie weiteren Ablegern, werden regelmäßig Engagierte denunziert und aufs übelste beschimpft. Journalist_innen werden auf den Seiten geoutet und genauso wie Kommunalpolitiker_Innen auf der Straße körperlich bedrängt. All dies zeigt, dass die anonyme Hetze im Internet Früchte trägt: die Gewaltandrohungen in den Kommentarspalten sind längst Realität geworden.
Antirassistischen Widerspruch organisieren – Die Suppe über den Tellerrand auslöffeln!
Während die rassistischen Demonstrationen zu Anfang noch auf regen Widerspruch durch engagierte Menschen stießen, ließen die Gegenproteste in Oranienburg immer mehr nach. Oranienburg ist nicht der einzige regelmäßige Schauplatz rassistischer Mobilisierung im Landkreis Oberhavel. Bislang weiteten sich die Demonstrationen im selben Stil auf vier weitere Städte und über die Grenzen des Landkreises aus und mobilisieren kontinuierlich mehr Rassist_innen. Auch in den anderen Städten brechen die Gegenproteste zusammen. Ohne nennenswerte Gegenwehr, außer kleineren Kundgebungen und der regelmäßigen kritischen Berichterstattung, steht die rassistische Hetze im öffentlichen Raum unkommentiert da.
Wir wollen das bedrohliche Treiben nicht weiter hinnehmen und rufen zu einer antirassistischen Demonstration am 26. Februar in Oranienburg auf! Kommt nach Oranienburg und unterstützt die lokalen Strukturen!
Mit der antirassistischen Demonstration wollen wir uns den Hetzer_innen entschlossen entgegen stellen und auch den wenigen Engagierten in Oranienburg noch einmal Kraft für einen langen Atem in Kaltland geben. Die antirassistische Demonstration am 26. Februar in Oranienburg soll als eine Intervention verstanden werden. Ähnlich wie am 12. Januar in Rathenow [9] wollen wir möglichst viele Menschen, vor allem über die Grenzen des Landkreises hinaus, mobilisieren. Wir wollen Antirassist_innen und Antifaschist_innen in Berlin und Brandenburg dazu motivieren über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und solidarisch zu handeln. Nur wenn wir alle an einem Strang ziehen und uns gegenseitig unterstützen, können wir den rassistischen Konsens brechen. Das Hinterland darf keine “national befreite Zone” und No-Go-Area werden, in der Neonazis mit Unterstützung der rassistischen Bevölkerung ihre Hegemonialansprüche gewalttätig durchsetzen.
Zeit zu Handeln!
Gemeinsam gegen Rassismus!
Antirassistische Demonstration:
26. Februar // 18.00 Uhr // Bahnhof Oranienburg (vor der Schule)
Alle Infos unter: inforiot.de/orb
Flyer: Vorderseite| Rückseite
Gemeinsame Anreise:
Berlin
17:00 S Bhf. Gesundbrunnen Gleis 4
Potsdam
16:45 Hauptbahnhof Potsdam Gleis 2
Aktionskonsens
Wir bitten am 26. Februar folgenden Aktionskonsens zu beachten: Mit der Demonstration setzen wir uns den rassistischen Aufmarsch am 26. Februar entgegen. Von uns geht dabei keine Eskalation aus. Wir sind solidarische mit allen, die unsere Ziele teilen.
Quellennachweise:
[1] https://inforiot.de/oranienburg-abendspaziergang-driftet-in-die-verschwoerungstheorien-ab/
[2] https://inforiot.de/200-rassistinnen-marschierten-erneut-durch-oranienburg/
[3] http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Ueble-Gerueche-und-zwei-Verletzte-im-Asylheim
[4] https://polizei.brandenburg.de/pressemeldung/unbekannte-fluessigkeit-verklappt/139577
[5] http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/wachpersonal-in-fluechtlingsunterkuenften-wie-sicher-sind-die-sicherheitsdienste/-/id=1622/did=16490002/nid=1622/7dtfrp/index.html
[6] http://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-neonazi-war-wachmann-in-heidenau‑1.2632002
[7] http://www.maz-online.de/Brandenburg/Misshandlungen-in-NRW-Brandenburger-Fluechtlingsrat-warnt-vor-privaten-Asylheimen
[8] https://inforiot.de/oranienburg-abendspaziergaengerinnen-gehen-auf-gegendemonstrant_innen-los/ und http://www.moz.de/lokales/artikel-ansicht/dg/0/1/1444927/
[9] https://inforiot.de/antirassistische-intervention-in-rathenow/
Ein massives Polizeiaufgebot, bestehend aus mehreren Hundertschaften sowie mindestens zwei Wasserwerfern und zwei Räumpanzern, hat auch am Mittwochabend, ähnlich wie in der vergangenen Woche, eine Versammlung des Potsdamer PEGIDA-Ablegers PO-GI-DA, durchgesetzt.
Der Aufzug zog, nach einer kurzen Auftaktkundgebung mit zwei Redebeiträgen, mit ungefähr 130 Teilnehmer_innen von der Tram-Haltestelle „Bisamkiez“, über die Straßen „Am Nuthetal“ und „an der Alten Zauche“ ungefähr 1.300m bis Höhe Falkenhorst. Dort folgte die Abschlusskundgebung mit weiteren Redebeiträgen. Unter anderem ergriff dabei auch Sebastiano Graziani, der zuvor bereits bei ähnlichen Versammlungen in Stendal, Rathenow, Burg bei Magdeburg und anderen Orten gesprochen hatte, das Wort. Neben seinen üblichen Themen, die Dämonisierung des Islam und die Forderung des Rücktritts der Regierung Merkel, forderte er diesmal aber auch die Einsetzung eines Tribunals „Nürnberg 2.0“, um dort vermeintliche „Volksverräter“ abzuurteilen. Für eine ähnliche Forderung bei der letzten PO-GI-DA-Versammlung in der vergangenen Woche erhielt Versammlungsorganisator Christian Müller inzwischen eine Anzeige wegen Volksverhetzung.
Nach Beendigung der Kundgebung löste Müller die Versammlung nach dem Abspielen des „Deutschlandliedes“ auf. Die Versammlungsteilnehmer_innen zogen daraufhin unter Polizeischutz bis zur Heinrich-Mann-Allee und vereinzelten sich dann.
Begleitet wurde PO-GI-DA von erheblichen Protesten von Anwohner_innen und mehreren hundert Gegendemonstrant_innen. Schwerpunkt der Proteste war der Bereich „An der alten Zauche“ Ecke Falkenhorst, dem Endpunkt des Aufzuges des Potsdamer PEGIDA-Ablegers. Zuvor sollen bis zu 400 Menschen an einer am S‑Bahnhof Babelsberg gestarteten Demonstration unter dem Motto: „Refugees Welcome-Pogida stoppen!“ teilgenommen haben.
Fotos:
Presseservice Rathenow
Anton Lommon
Es war ein vergleichsweise kurzer Pogida-Abend in Potsdam. Schon zum vierten Mal meldete der Megalomane Christian Müller eine Demonstraion des Pegida-Ablegers an; diesmal nicht in der Innenstadt, sondern im Potsdamer Stadtteil Schlaatz. Dort konnten sie einen Großteil den Marsches, der von mehr als 1000 Polizist_innen mit Wasserwerfern und Hubschraubereinsatz durchgesetzt wurde, durchführen. Kurz vor dem Ende gelang eine Blockade.
Bis zur letzten Sekunde war hinsichtlich des Demoabends vieles ein großes Schlaatzgeheimnis. Es kursierten Gerüchte darüber, Pogidas planten, nahegelegene Geflüchtetenunterkünfte zu stürmen; angemeldete Gegendemos und ‑kundgebungen wurden kurzfristig von der Polizei beschnitten oder umquartiert.
Der heutige Gegenprotest war breit aufgestellt.
Um 17.30 Uhr startete am S‑Bahnhof Babelsberg eine antirassistische Demonstration mit etwa 400 Teilnehmer_innen, die lautstark ihren Schlaatzbesuch einläuteten. Zeitgleich positionierte sich das bürgerliche Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“. Daneben rundete eine Technoveranstaltung im Wohngebiet den Schlaatzempfang ab.
Insgesamt wurden Gegendemostrant_innen auf etwa 1000 Personen beziffert.
Auch bei der Gegenseite blieben die Zahlen zu den vergangenen Wochen konstant. Etwa 100 Rassist_innen hatten sich am Biesamkiez eingefunden. Von dort konnten sie ihre kurze Demo-Route ungehindert an einer Asylsuchendenunterkunft vorbei führen bis sie kurz vor dem Ende blockiert wurden und nach Versammlungsauflösung umkehrten.
Ihrem Imange blieben die Pogidas dabei treu – irgendetwas zwischen völkischem Pegida-Gehabe und Neonazi-Aufzug. Sie wünschten sich, durch „Volksentscheid von der Merkel-Diktatur in Berlin“ befreit zu werden, forderten die Herrschaft des „Volkes“ und beendeten die Versammlung mit allen drei Strophen der deutschen Nationalhymne. Der musikalische Beitrag der Startkundgebung war ein Lied gegen „Kinderschänder“, ein Bezug dazu, dass am Schlaatz 2015 ein Kind entführt wurde. Anmelder Christian Müller betonte öffentlich, eine AfD-Mitgliedschaft abgelehnt zu haben. Ironischerweise war er jahrelang Mitglied in der NPD.
Wie auch in der letzten Woche gelang es der (Schlaatz)polizei nicht, die Abreise der Pogidas kontrolliert durchzuführen. Noch bevor der Aufzug die Schlaatzgrenze passieren konnte, verteilten sich die Rassist_innen in Kleingruppen. Reiner Zufall?
Glücklicherweise kam es zu keinen bekannten rassistischen Vorfällen an den drei nahegelegenen Geflüchtetenunterkünften.
Den Podiga-Teilnehmer_innen schlug wie in den vergangenen Wochen ein heftiger Wind entgegen.
Zu einem richtigen Schlaatzstreich kam es am heutigen Abend leider nicht. Es brannten zwar mehrere Mülltonnen, im Wohngebiet waren hunderte Menschen dezentral unterwegs, die massive Polizeipräsenz erstickte jedoch jegliche Aktivitäten im Keim und gewährleistete damit die Schlaatzsicherheit. Bis in den späten Abend wurden willkürlich Menschen in Gewahrsam genommen.
Die Schlaatzgewalt wertete laut Presse den Abend als Erfolg. Die „Versammlungsfreiheit“ aller vier Versammlungen sei gewährleistet worden.
Aber nun genug der Witze auf Schlaatzkosten.
Der nächste Pogida-Aufmarsch soll am 10.02.2016 in Rehbrücke (Nuthetal) stattfinden und am Bahnhof Rehbrücke starten. Im Nuthetal kündigten vor mehreren Wochen Bürger_innen an, eine „Bürgerwehr“ anlässlich der Öffnung einer Geflüchtetenunterkunft gründen zu wollen.
Wir werden das alles und noch viel mehr zu verhindern wissen!